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ERGEBNISSE
DER
ALLGEMEINEN PATHOLOGIE
UND
DES
MENSCHEN UND DER TIERE.
UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN
HERAUSGEGEBEN VON
O. LUBARSCH und R. OSTERTAG
A. O. PROFESSOR DBR PATHOL. ANATOBnB PROFESSOR AN DER TIERARZTLICHRN
AN DER UNIVERSITÄT ROSTOCK HOCHSCHULE IN BERLIN.
ZWEITE ABTEILUNG.
HIT TEXTABBILDUNGEN.
WIESBADEN.
VERLAG VON J. P. BERGMANN.
1895.
ERGEBNISSE ^■^:^^^,,
DER
ALLGEMEINEN PATHOLOGISCHEN
MORPHOLOGIE und PHYSIOLOGIE
D£8
MENSCHEN und der TIERE.
BEARBEITET VON
KALBRECHT, mükchkn; L. ASCHOFF, oöttinoen; K. BENDA, bbrlin; C. J. EBERTH
halle; G. HONIG mann, Wiesbaden; FR. KRAUS, graz; 0. LÜBARSCH, Rostock; E.
MARCKWALD, halle; F. MARTIUS, Rostock; R. OSTERTAG, bkrlin; R. PALTAUF,
niEN; S. SAMUEL, Königsberg; C. SCHIMMELBUSCH, bkrlin; H. SCHMAUS, München;
M. B. SCHMIDT, strassburg; A. THIERFELDER, Rostock.
HERAUSGEGEBEN VON
O. LÜBARSCH und K OSTERTAG
ROSTOCK. BSBUN.
MIT TEXTABBILDUNGEN.
•^C r >r ^'- '^ / N/ ^
WIESBADEN.
VERLAG VON ^F. BERGMANN.
Alle Rechte vorbehalten.
Druck der kgl. UniTersitfttadmckerei von H. Stflrti in 'Wfirsborg.
Vorwort.
Das Unternehmen, welches hiermit zum erstenmale an die Öffent-
lichkeit tritt, ist in seiner vorliegenden Form mit hervorgerufen durch die
von Fr. Merkel und R. Bonn et begründeten „Ergebnisse der Anatomie
und Entwickelungsgeschichte''. Aber diese Anlehnung, welche sachlich be-
gründet iflt in der Trefflichkeit und Zweckmässigkeit der von Merkel
und Bonnet gewählten Form der Jahresberichte, ist nicht die innere
Ursache unseres Unternehmens. Schon lange hatten wir es als ein Be-
dürfnis empfunden, einerseits das, was auf dem Gebiete unserer Wissen-
schaften geleistet und in vielen einzelnen Zeit- und Wochenschriften nieder-
gelegt ist, übersichtlich und kritisch gesichtet zusammenzufassen, anderseits
eine innigere Verknüpfung zwischen der menschlichen und tierischen Patho-
logie anzubahnen. Das Bedürfnis schien uns in jeder Beziehung vorzuliegen,
überall wird in der medizinischen Wissenschaft über Spezialisierung und
Zersplitterung lebhafte Klage geführt; aber nirgends erscheint die Klage so
berechtigt, nirgends sind die Folgen so fühlbar, wie in der allgemeinen
Pathologie und pathologischen Anatomie. Denn gerade hier fehlt jede auch
nur äusserliche Centralisierung. W^as in der Anatomie und Physiologie
wenigstens einigermassen durch Spezial- Jahresberichte, was in diesen
Zweigen der Wissenschaft und den praktischen Fächern der Medizin durch
Spezialkongresse an CentraHsierung und Zusammenfassung des Arbeitsstoffes
gewonnen werden konnte, war bezüglich der allgemeinen Pathologie, wo der-
gleichen Einrichtungen fehlen, nicht zu erreichen. Und das muss um so
störender empfunden werden, als das Gebiet gerade dieses Wissenzweiges
ein ungemein ausgedehntes, überall mit den theoretischen und praktischen
Fächern, sowie den Hilfswissenschaften der Medizin in Berührung tretendes
ist; bildet die allgemeine Pathologie doch geradezu die Theorie der ge-
samten Lehre von den krankhaften Lebenserscheinungen. — Hierdurch
ist es auch begründet, dass nicht nur eine äusserliche, sondern auch inner-
VI Vorwort.
liehe Centralisation fehlt. Überall, wo sich eine medizinische Arbeit über
das Niveau blosser Kasuistik erhebt und nicht rein therapeutischen Zwecken
zustrebt, tritt sie in Beziehungen zur allgemeinen Pathologie, und hierin ist
es innerlich begründet, dass eine nicht geringe Reihe wichtiger allgemein
pathologischer Arbeiten auch in den verschiedensten, in erster Linie der
praktischen Medizin gewidmeten Fachschriften zerstreut ist. Nicht nur
die offiziellen Vertreter der allgemeinen Pathologie und pathologischen
Anatomie arbeiten an dem Lehrgebäude der Wissenschaft, sondern von
allen Seiten werden überreichlich Bausteine herangetragen, ja einzelne Teile
drohen immermehr ganz in die Hände der Spezialisten zu fallen. So sehr
es anerkannt werden muss, dass die Wissenschaft selbst dadurch erheblich
gefördert werden kann — wir verweisen nur auf die Gehimpathologie, welche
in der neuesten Zeit fast ausschliesslich von Psychiatern und Neurologen ge-
fördert worden ist — so sehr wird es doch gerade hierdurch erschwert, den
Gesamtüberblick über das grosse, stets wachsende Wissenschaftsgebiet zu be-
halten. Hierzu kommt, dass die Ausbildung der wissenschaftlichen Methodik
eine Höhe erreicht hat, welche erstlich die Mitarbeiterschaft auf unserem Ge-
biete wesentlich erleichtert und somit eine viel grössere Anzahl von Arbeits-
kräften heranzieht, zweitens aber auch zur Detailforschung geradezu ver-
führt. Zu den bisherigen Hilfsmitteln der Pathologie, der mikroskopischen,
experimentellen und chemischen Untersuchungsmethode, deren allgemeine
Benutzung wesentlich den Bemühungen Rudolf Virchows zu verdanken
ist, ist in der neueren Zeit die bakteriologische Forschung getreten, w^elche
zur Voraussetzung eingehende Kenntnis der Pflanzenphysiologie verlangt,
und schon sehen wir uns gezwungen, in dem Streben, neue Krankheits-
erreger zu finden, uns in eines der schwierigsten Kapitel der Zoologie zu
vertiefen, wenn nicht schlimmer Dilettantismus die Oberhand gewinnen
soll. Die alten Methoden haben zugleich unsere Einzelkenntnisse derartig
erweitert und vertieft, dass Spezialforschung und Speziallitteratur ein kaum
noch zu übersehendes Gebiet darstellen. Schon beginnt auch in der Patho-
logie eine eifrige Erforschung der Bestandtteile der Zelle und des Kerns,
welche zunächst nur unsere Einzelkenntnisse zu vermehren geeignet ist,
und die experimentelle, chemische und bakteriologische Forschung hat bereits
ungeheuerliche Dimensionen angenommen. Besonders ist auf letzterem
Gebiete die Kasuistik zu einer Höhe angeschwollen, dass es wohl kaum
noch möglich ist, in das Chaos „neuer"' Bacillen, Kokken und Spirillen
Klarheit zu bringen, während gerade die auf allgemeine Erkenntnis ge-
richteten Forschungen darniederliegen oder sich in etwas bedenklicher
Richtung bewegen.
Bei diesem Stand der Dinge könnte es unnötig erscheinen, für unser
Unternehmen noch eine weitere Begründung zu geben; um so mehr, als
Vorwort. VII
es bis jetzt keine Fachzeitschriften giebt, in denen in ähnlicher Weise, wie
es hier versucht werden soll, das Gesamtgebiet und die Gesamtergebnisse
der pathologischen Forschung zusanjmengefasst werden. Denn wenn auch
einzelne vorwiegend referierende Zeitschriften von Zeit zu Zeit zusammen-
fassende Referate veröffentlichen, so erstreckt sich das doch meistens
nur auf Fragen, die gerade unmittelbar im Vordergrund des Interesses
stehen. Aber man könnte wohl fragen, ob der Zeltpunkt ein geeigneter,
und ob nicht gerade viele Fragen noch derartig in Fluss sind, dass von
„Ergebnissen" kaum die Rede sein kann. Wenn dem selbst so wäre, so
würde das die Zwecke unserer „Ergebnisse der allgemeinen Pathologie"
keineswegs beeinträchtigen. Denn durch die zusammenfassenden kritischen
Essays über sämtliche Fragen der allgemeinen Pathologie und pathologischen
Anatomie wird auch eine Mitarbeiterschaft an der Lösung der Fragen
geleistet, und somit würde selbst dort, wo die Ergebnisse bis jetzt gering-
fügig oder unklar sind, durch die kritische Darstellung des bisher Er-
reichten ein Fortechritt angebahnt werden. — Aber es will uns dünken,
als ob der gegenwärtige Moment besonders geeignet ist; denn die Krisis,
in welche die allgemein pathologische Forschung durch den Aufschwung
der bakteriologischen Untersuchungen geriet, erscheint trotz des Einflusses
der herrschenden bakteriologischen Schule überwunden. Der Traum un-
klarer Köpfe, dass sich die schwierigsten Fragen der Pathologie durch
den Nachweis der Bakterien geradezu spielend lösen lassen würden, ist
ausgeträumt und wenn selbst noch in neuester Zeit in unwissenschaft-
licher Weise der Versuch gemacht worden ist, einen humoralpathologischen
Trumpf gegen die Lehre von der Cellularpathologie auszuspielen, so haben
gerade diese Arbeiten unfreiwilligerweise den überzeugendsten Beweis
geführt, dass wir ohne die Zellenlehre nicht auskommen können. Und
wenn auch den Herausgebern nichte femer liegt, als die Mitarbeiter be-
einflussen oder nach ihrer Stellung zur Cellularpathologie aussuchen zu
wollen, so sind wir doch der festen Überzeugung, dass die sachlichen Er-
gebnisse unserer Wissenschaft die Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit der
cellularpathologischen Lehre von neuem in glänzendstem Lichte erscheinen
las-sen werden. Freilich glauben wir auch nicht, dass die Cellularpathologie
ein für alle Zeiten unveränderliches Fundament darstellen wird, aber
bis jetzt bilden die von den Begründern der Zellentheorie geschaffenen
und später vervollkommneten Lehren die einzig sicheren Grundlagen jeder
morphologischen und biologischen Wissenschaft. —
Was die Behandlung des gesamten Stoffes anbetrifft, so war es unser
Bestreben, ein sachlich möglichst vollständiges Bild vom jetzigen Stande
unserer Wissenschaft zu geben, und es musste deswegen vielfach auch auf
frühere Jahrgänge zurückgegriffen werden. Sollte unser Zweck, im ersten
Vni Vorwort.
Jahrgang ein Werk zu schaffen, das in gewisser Beziehung ein Handbuch
der Pathologie ersetzen kann, erreicht werden, so durfte nicht mehr väe
unbedingt nötig der Ausdehnung der einzelnen Aufsätze Zwang angethau
werden, und es ergab sich hieraus die Notwendigkeit, den ersten Jahrgang
in einzehien Abteilungen erscheinen zu lassen.
Es ist die Einteilung in der Weise vorgenommen worden, dass in der
ersten Abteilung die allgemeine Ätiologie, in der zweiten die
allgemeine pathologische Morphologie und Physiologie,
und in der dritten die spezielle pathologische Anatomie uud
Physiologie behandelt wird; wo im emzelnen von den gebräuch-
Uchen Einteilungen abgewichen ist, findet sich eine besondere Be-
gründung im Text vor. Wir hegen aber keinen Zweifel, dass der
Umfang des Werkes bereits im zweiten Jahrgang erhebUch vermindert
werden kann, so dass das Erscheinen in einem Bande ermöglicht wird;
freiUch werden einzelne Kapitel, deren Bearbeitung bereits für den ersten
Jahrgang beabsichtigt war, erst im nächsten Jahre aufgenommen werden
können. Denn unser Bestreben, schon im ersten Jahrgang in annähernder
Vollständigkeit sämtliche Fragen unserer Wissenschaft zu behandeln, ist aus
verschiedenen Gründen nicht ganz durchführbar gewesen. So müssen wir
namentlich um Entschuldigung bitten, dass das Kapitel über die Biologie
der pathogenen Spaltpilze ganz ausgefallen ist, da Herr Prof. Hueppe in-
folge schwerer Erkrankung an der Abfassung verhindert wurde, und das-
jenige über die Biologie der nichtpathogenen Spaltpilze, welches Herr Privat-
dozent Dr. Behrens in Karlsruhe erst sehr spät mit grosser Bereitwillig-
keit übernahm, in mancher Beziehung noch unvollständig bleiben musste.
Das Fehlen einiger anderer Kapitel möge dadurch entschuldigt werden,
dass einige der Herren Mitarbeiter noch in letzter Zeit — zum Teil durch
Krankheit — verhindert wurden, ihre Berichte in diesem Jahre einzusenden
und sie bis zum nächsten Jahrgang zurückstellten. —
Da die Form der kritischen Berichte es mit sich bringt, dass sachUche
Angriffe gegen manche Autoren gerichtet werden, muss selbstverständlich
den Angegriffenen die Möglichkeit der Erwiderung gegeben werden. Es
scheint uns dies am besten in der Weise einzurichten zu sein, dass etwaige
Erwiderungen in jedem folgenden Jahrgang bei dem betreffenden Kapitel
zur Aufnahme gelangen.
Wir geben uns der Hoffnung hin, dass die innere Berechtigung unseres
Unternehmens in weiteren Kreisen Anerkennung finden und uns noch
mehr Mitarbeiter, wie bisher, zuführen wird. —
Otto Lubarsch. Robert Ostertag.
Inhalts-Verzeichnis.
MtB
I. Teohnik.
Technik. Von Dr. 0. Labarsch, Professor an der Universität Rostock .... 3
IL Allgemeine Pathologie des Kreislaufs,
A. Allgemeine Kreislaufstörungen.
AU^emeine Kreislanfstönuigen. Von Dr. F. Martins, Professor an der Uni-
versität Rostock 38
B. Spezielle Kreislaufstörungen.
1. Entzündung. Von Dr. S. Samuel, Professor an der Universität Königsberg 64
2. Hämorrhagie und Pigmentbildang. Von M. B. Schmidt, Privatdozent an
der Universität Strassburg i. E 93
I. Hämorrhagie 93
II. Pigmentbildung 100
3. Thrombose und Embolie. VonC. J. Eberth, Professor an der Universität Halle 118
4. Metastase. Von 0. Lubarsch, Professor an der Universität Rostock .... 128
III. Allgemeine Pathologie der Ernährung.
A. Regressive Ernährungsstörungen.
1. Nekrose und Nekrobiose. Von Dr. H. Schmaus, Privatdozent an der Uni-
versität München und E. Alb recht, cand. med. in München 137
t, Atrophie. Von Dr. H. Schmaus und E. Albrecht, cand. med. in München . 149
3. Degenerationen. Von Dr. H. Schmaus und E. Albrecht, cand. med. in
München u. 0. Lubarsch, Professor an der Universität Rostock 151
A. Vakuoläre — fettige Degenerationen. Von Dr. H. Schmaus und
E. Albrecht, München 151
B. Physiologische Degenerationen. Von Dr. H. Schmaus und E.
Albrecht, München 161
G. Degeneration von Mitosen. Von Dr. H. Schmaus undE. Albrecht,
München 163
X Inhalt 8- Verzeichnis.
Seite
D. Glykogendegeneration. Von Dr. 0. Lnbarsch, Professor an der
Universität Rostock 166
E. Die albaminOsen Degenerationen. Von Dr. 0. Lübars ch, Professor
an der Universität Rostock 180
a) Die Rnsselsohen Fuchsinkörperchen und die Corpora amylacea 180
^) Die hyaline und amyloide Degeneration 200
B. Progressive Ernährungsstörungen.
1. Regeneration und Hypertrophie. Von Dr. L. Asch off, Privatdozent an der
Universität Göttingen 225
Ä. Epithelien 238
B. Bindegewebe 242
C. Quergestreifte Muskulatur 246
D. Nervensystem 251
£. Transplantation 253
2. Entzündliche Nenbildnng. Von Dr. R. Paltauf, Professor an der Universität
Wien 261
3. Cysten. Von Dr. E. Marckwald, 1. Assistent am pathol. Institut der Univ. Halle 286
4. Hyperplasie nnd Geschwülste. Von Dr. 0. Lubarsch, Professor an der Uni-
versität Rostock 289
Begriff, Einteilung und Entstehung der Neoplasmen 289
A. Bindesubstanzneubildungen 305
1. Fibrome 305
2. Lipome und Xanthome 310
3. Myxome 822
4. £n Chondrome 325
5. Osteome 328
6. Myome 330
a) Rhabdomyome 330
b) Leiomyome 331
7. Gliome und Neurome 338
8. Hämangiom und Lymphangiom 342
9. Sarkome 348
a) Bau, Entwickelung und feinere Anatomie der Sarkome 348
b) Die speziellen Formen der Sarkome 364
1. Die Riesenzellensarkome 364
2. Angiosarkome (Myxosarkome, Gylindrome, Endotheliome,
Psammome) 366
3. Die Melanosarkome 374
4. Mischgeschwfilste 380
c) Einfluss und Bedeutung der Sarkome für dcu Gesamt-
organismus 383
d) Ätiologie der Sarkome 386
B. Epitheliale Neubildungen.
1. Epitheliome und Papillome 398
2. Adenome und Carcinome 413
a) Adenome 413
b) Carcinome 421
Inhalis-Verzeichnis. XI
Seite
1. Anatomie und Physiologie der Carcinome 421
2. Histogenese des Carcinoma 438
3. Ätiologie des Garcinoms 449
0) Die Bedentnng embryonal versprengter Keime fttr
die Garcinombildung 449
ß) Altersdisposition, erbliche Anlage etc 451
1) Die Reiztheorie 457
7) Parasitare Ätiologie 468
T]) Allgemeine und lokale Disposition 494
0) Umwandlung gutartiger Neubildungen in Carcinome 497
4. Metastasen und Recidive 501
5. Verhalten der Nachbarschaft 509
6. Bedeutung des Carcinoms fOr den Gesamtorganismus 511
7. Wesen der Neubildung 519
C. Zur Ätiologie der Geschwülste vom klinischen Standpunkt. Von Dr.
C. Schimmelbusch, weil. Privat^lozent an der Universität Berlin . . . 527
D. Teratologie. Von Dr. C. Benda, Privatdozent an der Universitftt Berlin 541
I. Entwickelungsmechanische Experimente 544
IL Ergebnisse der entwickelungsmechanischen Experimente
für die Teratologie 547
IIL Allgemeine Folgerungen der entwickelungsmechanischen
Experimente 551
A. Selbstthätigkeit der Entwickelung oder Einwirkung
von Korrelation und Aussenwelt 555
B. Auf welchem Wegeerfolgtdie DifferenzierungderGewebe? 562
IV. Allgemeine Pathologie des Stoffwechsels.
I.Pathologie der AntoiBtoxikationen. Von Dr. Fr. Kraus, Professor an der
Universität Graz und Dr. Gg. Honigmann, prakt. Arzt in Wiesbaden .... 571
A— H. von Dr. Fr. Kraus, Professor an der Universität Graz.
J. von Dr. G. Honigmann in Wiesbaden.
A. Ursachen der Autointoxikation 571
1. Einige^ Hauptzüge der Entwickelung unserer heutigen Vor-
stellungen über Autointoxikation 575
2. Die Akte des Stoffwechsels, welche zur Autointo:cikation
Veranlassung geben können 576
B. Die Autointoxikationen des intermediären Stoffwechsels . . 577
Der Säurestoffwechsel 579
C. Säareintoxikationen 580
1. Physiologische Bedeutung der Alkalien 581
a) Ghemism US der experimentellen Sä urevergiftung . . . 583
b) Symptomenbild und Pathologie der akuten experimen-
tellen Säureintoxikationen 586
c) Klinische Diagnose des Vorhandenseins und Beurteilung
des Grades von Säureautointoxikationen 588
d) Reaktionsverhältnisse des Blutes 590
e) Die Säuren CnHnaOs im Chemismus der Säureintoxikation . 591
B. Die Krankheitsformen des Menschen, in deren Verlauf Säure-
autointoxikation infolge von Anhäufung der ß-Oxybutter-
sfture und der ihr verwandten Verbindungen eintritt 609
XII
Inhalts- Verzeichnis.
Seite
a) Diabetes mellitus und Säureintoxikation 611
b) Die Säureauto Intoxikation sui generis % . 617
Die Folgen der Eckschen Fistel zwischen der unteren Hohl-
veno und der Pfortader fOr den tierischen Organismus . . 622
c) Der .tozigene'^ Eiweisszerfall 625
£. Die Harnsäurediathese 626
F. Die Alkaptonurie 633
6. Die „interne' Sekretion und die Autointoxikation .!.... 635
H. Die Gachexia thyroldiana 636
J. Die Urämie. Von Dr. 6. Honigmann, prakt. Arzt in Wiesbaden ... 639
8. Fieber. Von Dr. Fr. Kraus, Professor an der Universität Graz 659
Einleitung 659
a) Die ätiologische Richtung in 4er Fieberlehre 664
b) Die vasomotorischen Phänomene im Fieber 669
c) Der Stoffwechel im Fieber (Gesamtstoffwechsel) 676
d) Der Wärmehaushalt im Fieber 678
V. Hand- und Lehrbüeher, Grundrisse, Kompendien,
Atlanten ete.
]. Lehrbücher der menschlichen Pathologie. Von Dr. Albert Thierfelder,
Professor an der Universität Rostock 6>^2
II. Lehrbücher der Tierpathologie. Von Dr. R. Oster tag, Professor an der
tierärztlichen Hochschule in Berlin 699
Autorenregister 703
Sachregister 715
Druckfehlerverzeiclmis zu Abteil. IL
Seite 17
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Chromsiüzen
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Die Nammeriemng der Seiten 265
-270 mnu am 2 verschoben werden and 2S7- 272 heil
ALLGEMEINE
PATHOLOGISCHE MORPHOLOGIE
UND
PHYSIOLOGIE.
Lubarsc-h-Ostertag, ErgebniMe Abteil. II.
TECHNIK.
Von
O. Lubaxsch, Rostock.
Die folgende Übersicht über die pathologisch -anatomische und histo-
logische Technik kann und soll selbstverständlich keinen Anspruch auf
VoUstÄndigkeit machen. Da sie, wie es dem Zweck der „Ergebnisse" ent-
spricht, kritisch sein soll, so ist es notwendige Vorbedingung, dass der
Referent die Methoden entweder selbst ausprobiert hat oder wenigstens
durch eigene Anschauung der Präparate ein selbständiges Urteil über den
Wert der Methoden erlangen konnte. Denn es ist nur ganz ausnahms-
weise möglich an der Hand der technischen Angaben selbst ein Urteil
über den Wert der Methode zu gewinnen. Zur Übersichtlichkeit des
Ganzen erschien es dem Referenten zweckmässig, das Gebiet in zwei Teile
zu teilen, deren erster die Sektions- und Konservierungstechnik, sowie die
Entkalkiings-, Fixierungs- und Einbettungsmethoden umfasst, während der
2. Teil sich ausschliesslich mit der Färbetechnik beschäftigt.
Teil I.
Litteratur.
1. PrausDitz» Zur Sectionstechnik des Herzens. Arbeiten aus dem pathologischen Institut
za Mfinchen, herausgegeben Ton Bollinger 1886.
2. Pick, Zur Technik der Rückenmarkssektion. Gtbl. f. allgem. Pathologie ü. pathol.
AnAt. Bd. IV. 8. 178.
3. Petrone, Beitrag zur Technik der Sektion des Herzens in situ. Yerhandl. des XT. inter-
nationalen med. Kongresses in Rom. Sektion f. allgem. Pathol. Ctbl. f. pathol. Anat.
Bd- V. S. 439.
1*
4 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
4. SiemerÜDg, Die zweckmässigste Art der Gehirnsektion. Jahressitzang des Vereios
deutscher Irrenftrzte zu Frankfurt a. M. 25. u. 26. Mai 1893. Bericht von A. Gramer
im Ctbl. f. pathol. Anat. Bd. IV. S. 590 und Arch. für Psychiatrie. Bd. XXV. S. 53u.
4a. H. Chiari, Pathologiscb-anatom. Sektionstechnik. Berlin 1894.
5. Grawitz, Demonstration von pathologisch-anatomischen Präparaten, die mit Erhaltung
ihrer Farbe konserviert sind. Tagebl. der 59. Versammlung deutscher Naturf. u. Aerzte.
Berlin 1886. S. 378.
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Ctbl. f. allgem. Pathol. Bd. IL S. 401.
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vierungsmittel. Anatom. Anzeiger Bd. IX.
9. Derselbe, Das Formaldehyd als Härtungsmittel. Zeitschr. f. wissenschaftl. Mikro-
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10. Hermann, Notiz über die Anwendung des Formalins (Formaldehyds) als Härtungs-
und Konservierungsmittel. Anatom. Anz. Bd. IX.
11. Born, Demonstration einer Anzahl in Formol gehärteter menschl. Gehirne. Schles.
Gesellschaft f. vaterländ. Kultur 2. März 1894.
12. E. K rück mann, Eine Methode zur Herstellung bakteriologischer Museen und Kon-
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13. Derselbe, Eine Methode zur Konservierung von Augen mit Erhaltung der Durch-
sichtigkeit der brechenden Medien. Klin. Monatshefte f. Augenheilkunde, Juni 1894.
13a. Rei mar , Über das Formol als Fixierungsmittel. Fortschr. d. Med. Bd. XII. Nr. 20 u 21.
14. K. Zenker, Chromkali-Sublimat-Eisessig als Fixierungsmittel. Münch. med. Wochen-
schrift 1894. Nr. 27.
15. Hermann, Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. 34. Beiträge zur Histologie des Hodeos.
16. AI t mann, Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig 1890.
17. J. An de er, Das Resorcinderivat Phloroglucin. Ctbl f. d. med. Wissensch. 1884. S. 193
und 579 u. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie Bd. IL
18. Hang, Die gebräuchlichsten Entkalkungsmethoden. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie
Bd. Vm. 1891.
19. Derselbe, Über eine neue Modifikation der Phloroglucinentkalkungsmethode. Ctbl.
f. pathol. Anat. Bd. IL S. 193.
20. Thoma, Eine neue Entkalkungsmethode. Zeitschr. für wissenschaftL Mikroskopie
Bd. VIII. Heft 2.
21. Partsch, Entkalkung von Knochen und Zahnpräparaten mit Trichloressigsäure. Ctbl.
f. allgem. Pathol. Bd. V. S. 861.
22. Suchannek, Technische Notiz über die Verwendung des Anilinöls in der Mikroskopie,
sowie einige Bemerkungen zur Paraffinmethode. Ztschr. f. wiss. Mikroskopie Bd. VII.
23. Ciaglinski, Ein Beitrag zur mikroskop. Technik bei der Untersuchung des Rücken-
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24. H. Fiel d u. J.Martin, Mikrotechnische Mitteilungen. L Ein neues Paraffin-Celloidin-
Einbettungsverfahren. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie Bd. XL 1894. S. 6.
25. Elschnig, Zur Technik der Celloidineinbettung. Ebenda Bd. X. S. 443.
26. Busse, Nachträgliche Notiz zur Celloidineinbettung. Ztschr. f. wissensch. Mikroskopie
Bd. IX. S. 49.
27. Apathy, Methode zur Verfertigung längerer Schnittserien mit Celloidin. Mitteil, aus
der zooL Station Neapel. Bd. VII. 1887. S. 742.
2i. Derselbe, Nachträge zur Celloidintechnik. Zeitschr. f. Mikroskopie. Bd. V. S. 45.
29. Krysinski, Beitrag zur histolog. Technik. Virchows Archiv Bd. 108.
30. Kultschizky, Zur histolog. Technik. IL Celloidin-Paraffineinbettung. Zeitschr. für
wissensch. Mikroskopie Bd. IV. S. 48.
Technik. 5
31. Weigert, Über Schnittserien von Celloidinpräparaten des Centralnervensystems zum
Zwecke der Markscheidenf&rbung. Zeitschr. f Mikroskopie Bd. II. S. 490.
82. P. Mayer, Zeitschr. f. Wissenschaft] . Mikroskopie Bd. IL
33. M. Heidenhain, Über Kern und Protoplasma. Sonderabdruck aus der Festschrift
zum 50jfihr. Doktorjubilftam t. KöUikers. S. 114.
S4. F. Reinke, Die japanische Methode zum Aufkleben von Paraffinschnitten. Zeitschr.
f. wissenschaftl. Mikroskopie. Bd. XII. Heft 1.
35. Kametaro Tojama, On the spermatogenesis of the Silk-worm. Bulettin of the
agriculture College; Imperial üniversity, Tokyo. Vol. IL Nr. 3.
Imgrossen und ganzen ist namentlich in Deutschland die Virchow-
sche Sektionsteehnik in unveränderter Weise in Gebrauch. Nur in Bezug
auf zwei Organe sind verschiedene Versuche gemacht worden, die Virchow-
sche Technik durch neue Methoden zu ersetzen, das sind Herz und Gehirn.
Bei dem Herzen erwies sich namentUch die Prüfung der Durehgängigkeit
der Mitral- und Trikuspidalklappen durch Einführung von Fingern störend,
weil dadurch feine Auflagerungen von den Klappen abgestreift werden
können und Köster') hatte deswegen schon empfohlen, diese Prüfung zu
unterlassen oder wenigstens erst vorzunehmen, nachdem man die Ostien
vom Vorhof aus besichtigt hat. Prausnitz (1) hat eine Sektionsmethode
angegeben, welche diese Gefahren völlig vermeiden soll. Zunächst entfernt
er nach Eröffnung des Herzbeutels die Lungen, um zu vermeiden, dass
der Inhalt der Herzhöhlen in die Pleurahöhlen hineingelangt ; die Füllung
der einzelnen Herzabschnitte wird durch Besichtigung des Umfanges und
Befühlen festgestellt. Nach Herausnahme des Herzens werden zunächst
rechts und links neben dem Septum und parallel zu diesem Schnitte von
der Basis bis zur Herzspitze geführt, die natürlich nicht zu tief gehen
dürfen, damit die Papillarrauskeln nicht verletzt werden. Hieran schliessen
sich zwei Schnitte, die am äusseren Rande jedes Ventrikels an der Basis be-
ginnen und sich an der Spitze mit dem ersten Schnitte vereinigen. Man
kann somit die Vorderwand, die an der Basis noch befestigt ist, in die
Höhe klappen und erhält dann einen vollkommenen Einblick in die Herz-
böhlen. Nim wird die Schlussfähigkeit der Semilunarklappen geprüft mid
durch Verlängerung der ersten neben dem Septum gemachten Schnitte
nach oben die Aorta und Pulmonalklappen eröffnet; hierauf schneidet man
m Koronararterien mit einer geknöpften Schere auf; die Eröffnung der
Vorhöfe geschieht mit einer Schere durch Verlängerung der Ventrikel-
randschnitte. Eine zweite von Prausnitz vorgeschlagene Methode ge-
stattet ausschhesslich die Schere anzuwenden. Man beginnt mit der Er-
öffnung des rechten Herzens, indem durch einen Schnitt von der Vena
1) Köster, Die embolische Endokarditis. Virchows Archiv Bd. 72.
6 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
cavasuperior bis in die inferior der Vorhof eröffnet wird; durch einen zweite
besonderen Schnitt macht man sich das Herzohr sichtbar. Sodann führt
man die geknöpfte Scherenbranche durch das venöse Ostium am äusseren
Rande des rechten Ventrikels entlang bis an die Spitze desselben, prüft
die Pulmonalklappen auf ihre Schlussfähigkeit und beendet durch einen
am Septum entlang führenden bis in die Pulmonalis gehenden Schnitt die
Eröffnung des rechten Ventrikels. Am linken Herzen werden die Schnitte
in gleicherweise vorgenommen, nur mehr bei dem am Septum entlang
gehenden Schnitt besonders achtgegeben, dass man die Koronararterie nicht
durchschneidet. Beide Methoden haben zwar gewisse Vorzüge, sind aber
entschieden komplizierter als die Virchowsche Methode; namentlich die
erste Methode wird von den Studierenden viel schwerer erlernt. Vor allem
aber ist die Methode deswegen kein Bedürfnis, weil die geringen Nach-
teile der alten Methode bei Befolgung de^ Koste rschen Rates fortfallen.
Die Methode vonPetrone (3) nimmt besonders Rücksicht auf den Füllungs-
zustand des Herzens. Um eine Entleerung der einzelnen Herzhöhlen zu
vermeiden, präpariert er zunächst alle im Brustraum und dem Halse vor-
handenen Organe ab, so dass das Herz seine Beziehungen zu den Nachbar-
organen oder seine natürliche Stellung nicht ändert, unterbindet dann die
Vena cava inferior innerhalb des Herzbeutels und eröffnet nun das Herz
in situ. In Fällen, wo auf die Quantität des Herzinhalts etwas ankommt,
mag die Methode zweckmässig sein.
Die Virchowsche Methode der Gehirnsektion, die zweifellos für die
nachherige Demonstration des Organs ganz vorzügliches bietet, ist speziell
von den Psychiatern und Neurologen deswegen verlassen worden, weil sie
eine spätere Orientierung — besonders ein Studium des Faserverlaufs —
erheblich erschwert. Bei der kritischen Beleuchtung der neueren Methoden
der Gehirnsektion, welche Siemerling (4) gab, kam er zu dem Schluss und
fand damit allgemeine Zustimmung, dass es unmöglich sei, eine für alle
Fälle brauchbare Sektionsmethode aufzustellen. Er selbst empfiehlt, sich
bei inneren Läsionen das Gehirn durch grosse Schnitte zu zerlegen; wird
die Läsion in der hinteren Schädelgrube vermutet, so soll man das Gross-
hirn allein herausnehmen und erst dann das Tentorium cerebelli durch-
schneiden; in anderen Fällen erscheinen Frontalschnitte von der Basis
aus zweckmässig, woran noch Horizontal- und Sagitalschnitte angefügt
werden können. In der Diskussion empfahl Weigert eine Methode, die
ein Mittelding zwischen der Virchowschen und Meynertschen bildet.
Er eröffnet zunächst die Seitenventrikel und geht dann längs des Fomix
ins Unterhorn, worauf die grossen Ganglien um- und ausgeschnitten werden,
so dass man Himstamm und Mantel getrennt erhält; darauf werden die
grossen Hemisphären von aussen her in ihrem Vorderteile bis zu den
Technik. 7
Centralwindimgen durch Frontalschnitte zerlegt. Von den Centralwindungen
ab gelangen Horizontalschnitte, welche auch den Hinterhauptslappen zer-
trennen, zur Anwendung. Von Fürstner und Moeli wurden dagegen
Frontalschnitte empfohlen, denn auch bei der Weigertschen Methode
wäre die spätere Orientierung erschwert. Der Korreferent E ding er machte
noch darauf aufmerksam, dass unter keinen Umständen die Pia abgezogen
werden dürfe, weil dadurch eine mikroskopische Untersuchung der Gehirn-
rinde unmöglich gemacht würde. Chiari (4a) trennt zunächst Kleinhirn
mit Pons und Medulla oblongata durch einen Schnitt, welcher die Gehim-
schenkel an ihren vorderen Enden quer trifft, vom Gehimmantel ab;
worauf die beiden Himhemisphären durch einen streng medianen Schnitt
von einander getrennt werden. Die weitere Sektion geschieht dann nach
der Methode von Pitres, indem zur Centralf urche parallele Schnitte an-
gelegt werden.
Man wird durchaus zustimmen müssen, dass eine Universalmethode
für die Gehimsektion nicht aufzustellen ist. Besonders schwierig erscheint
es, die Fordenmgen des pathologisch-anatomischen Demonstrationskursus
mit denen der feineren Gehimanatomie zu vereinigen. Für die Zwecke
des Demonstrationskursus, d. h. der grobanatomischen Klarlegung aller
Verhältnisse bei Wahrung des Zusammenhanges aller Teile übertrifft
zweifellos die Virchowsche Methode alle anderen; diejenige Methode,
die noch am besten beiden Forderungen gerecht wird, scheint mir die
Anlegung grosser Frontalschnitte durch das Gehirn von der Konvexität
nach der Basis zu sein, wobei zwar der Zusammenhang der Teile nicht
gew^ahrt ist, aber doch durch Aneinanderlegung der einzelnen Schnitte
jederzeit wiederhergestellt werden kann. — Für die Klarlegung aller Ver-
hältnisse scheint aber auch die Weigertsche Methode sehr gutes zu leisten.
— Pick (2) empfand es als einen Misstand, dass bei der für gewöhnlich
üblichen Methode der Gehimherausnahme das oberste Halsmark schräg
durchschnitten wird und somit keilförmige Schnittenden an der Oblongata
und dem Rückenmarke zurückbleiben, die eine nachträgliche mikroskopische
Intersuchung unmögüch machen. Zur Vermeidung dieser Übelstände em-
pfiehlt er ein Messer mit rechtwinkelig gestellter kurzer Schneide (Mye-
lotom). Nachdem man mit dem Hirnmesser beider Arteriae vertebr. durch-
schnitten hat, wird das Myelotom mit der Schneide nach abwärts an die
Vorderfläche des Rückenmarkes gebracht und dieses durch einen leichten
Ruck von vorn nach hinten durch trennt. Man erhält auf diese .Weise
ganz vertikale Schnittflächen und kann so ohne die geringste Beein-
trächtigung Serienschnittuntersuchungen vornehmen.
Unter den Konservierungsmitteln seien zunächst diejenigen er-
wähnt, die grob-anatomischen Zwecken dienen und das Bestreben haben,
8 Allgem. patho]. Morphologie und Physiologie.
die natürliche Farbe der Präparate zu erhalten. Es liegt auf der Hand,
von wie ausserordentlicher Wichtigkeit derartige Methoden gerade für den
pathologischen Anatomen sind, da selbst bei grossem Sektionsmaterial
nicht stets frische Präparate zur Hand sind, wenn sie gerade im Kolleg
gebraucht werden. Grawitz(5) hat zuerst Versuche nach dieser Richtung
angestellt und folgende Konservierungsflüssigkeit empfohlen. 150 g Kalk,
40 g Zucker, 20 g Salpeter auf 1 Liter Wasser; Ansäuerung der Lake
durch 3®/o Borsäure; nach Einlegung der Organe wird die Lake mit Wasser
verdünnt, bis die Präparate untersinken. Sie bleiben darin 4—8 Wochen,
um alsdann nochmals in klare Lake von gleicher Konzentration gelegt zu
werden. Es erhält sich Grösse, Gestalt und Konsistenz der Organe; alle
Parenchymsorten, die meistenPigmente und Konkremente bleiben unverändert ;
das Blutrot wird durch Umwandlung in Hämatin in Bräunlichrot über-
geführt. Für mikroskopische Zwecke ist die Konservierung wenig geeignet,
da die Kerne rasch zugrundegehen, aber auch für die Demonstrations-
zwecke habe ich durchaus nicht immer die gleich günstigen Resultate
gehabt wie Grawitz, namentlich dann, wenn die Organe von nicht ganz
frischen Leichen stammten ; es scheint, dass die Fäulnisorganismen in der
Lake nicht rasch genug zugrundegehen. Entschieden besseres leitet
nach dieser Richtung die Methode von Thoma (6). Die Organe, die schon
bei der Sektion möglichst sparsam mit Wasser behandelt sind, werden in
eine Lösung gebracht, die folgende Zusammensetzung hat.
Lösung A.
Lösung B.
Krystallisiertes schwefelsaures Natron
100 Gramm
60 Gramm
Kochsalz
100 „
100 „
Chlorkalium
100 „
30 „
Kalisalpeter
10 „
10 „
Wasser, soviel erforderlich zur Er-
zeugung von
1 1 Flüssigkeit
1 1 Flüssigkei
Welche von beiden Lösungen vorzuziehen ist, kann nicht allgemein
entschieden werden; in eine dieser Flüssigkeiten werden die Organe, die
nicht zu gross sein dürfen, frei aufgehängt; nach 18 — 24 Stunden gelangen sie
in reinen 96 ^/o Spiritus, nachdem man eventuell anhängende Blutbestand-
teile mit einem feinen Pinsel abgestreift hat. Es ist gut den Spiritus
häufiger zu wechseln. Man erhält auf diese Weise Präparate, die meistens
monatelang völlig frischen Organen zum Verwechseln ähnlich sehen;
später allerdings schlägt öfter die rote Hämoglobinfarbe in das Braunrot
des Methämoglobins um. Doch hat Thoma noch nach 4 Jahren sehr
gute Demonstrationspräparate erhalten, die, wenn auch nicht die natürliche
Farbe, so doch die natürliche Organzeichnung bewahrt hatten. Die besten
Technik. U
Resultate scheint man an etwas festeren Organen zu erhalten (Amyloidmilz,
chron. Stauungsinduration der Milz, grosse weisse Amyloidniere etc.).
Bei Lungen, namentlich Pneumonieen habe ich keine sehr guten Resultate
erhalten, wohl aber an Milzen und Nieren. Ein grosser Vorzug besteht
auch in der guten Konservierung für mikroskopische Zwecke; besonders
rote Blutkörperchen sind sehr gut erhalten, Allerdings werden Kerntei-
lungsfiguren nicht erhalten, auch nicht, wenn man kleinere Stücke in den
verdünnteren, als Lösung C undDvonThoma angegebenen Flüssigkeiten
fixiert. Ebenso ist die Färbung auf Bakterien, wenigstens nach der
Weigertschen Methode etwas erschwert. Eine sehr empfehlenswerte,
weil äusserst einfache Methode ist die von Blum empfohlene Konser-
vieruiig in Formol. Schon Blum sen. (7) hatte das Mittel sehr empfohlen,
(ia es ausserordentlich rasch, ohne eine Schrumpfung hervorzubringen
durch einen eigentümlichen chemischen Prozess die Gewebe härtet; er
hatte es hauptsächlich an zoologischen und botanischen Objekten geprüft
und hier bereits die Erfahrung gemacht, dass sowohl die Farben, wie die
Durchsichtigkeit der Gewebe viel besser erhalten bleibt, als bei Anwendung
anderer Konservierungsmethoden. Hermann (10) hat diese Erfahrungen zu-
nächst unabhängig von Blum bestätigt und zugleich darauf hingewiesen,
dass die Durchsichtigkeit des lebenden Gewebes erhalten bleibt; schon
bei Anwendung l^/o Lösungen bleiben die durchsichtigen Medien des Auges
so vollständig erhalten, dass man noch fette Druckschrift dadurch lesen
kann. Blum jun. (8, 9) hat im Gegensatz zu Hermann hervorgehoben, dass
auch der Blutfarbstoff nicht wesentlich verändert wird; wenigstens tritt in
Organen, die nach Konservierung in 10 ^/o Form.ollösung in Alkohol gebracht
werden, der Blutfarbstoff wieder sehr deutlich hervor. Krückmann (12, 13)
hat besonders die Fähigkeit des Formols, die Durchsichtigkeit der Gewebe
zu erhalten an Augen studiert. Er empfiehlt folgende Methode: Die
Augen werden zunächst 2 — 4 Tage im Exsiccator Formalindämpfen aus-
gesetzt, worauf sie nach Anlegung eines kleinen Hornhaut- und Skleral-
schnittes, in flüssige Gelatine kommen, welche V» — ^ Stunden bei Körper-
temperatur einwirken muss. Nach dem Erkalten werden die Präparate
in Glycerin gelegt, dem einige Tropfen Formalin zugesetzt ist oder besser
noch in eine 30 — 50®/o Chloralhydratlösung gebracht. Die Präparate sind
in der That ausgezeichnet und lassen auch alle Einzelheiten bei patholo-
gischen Prozessen gut erkennen. In wieweit sich die Formalinkonservierung
auch für die Zwecke der pathologisch -anatomischen Sammlung eignet,
muss erst noch die Zukunft lehren. Die von mir angestellten Versuche
scheinen mir allerdings sehr ermutigend. Bringt man Präparate auf ca.
5—8 Tage in genügende Mengen Formalin (für die ganze Niere eines
Erwachsenen genügt etwa V* Liter) und überträgt sie darauf in 95°/oigeu
10 Allgem. pathol. Morphologie u. Physiologie.
Alkohol, 80 bleiben alle Einzelheiten vorzüglich erhalten, ja es tritt auch
die Farbe des Blutes, wenn auch etwas abgeschwächt, wieder hervor. So
erhält man besonders schöne Bilder von eiteriger Meningitis, Miliartuberkulose
der Lungen und Nieren, Stauungsmagen etc. Aber bei dieser Anwendung
macht man nach ca. 6 — 8 Wochen die betrübende Erfahrung, dass doch
allmählich im Alkohol die Präparate schrumpfen und der Blutfarbstoff
immer mehr abblasst. Mir scheint daher folgendes Verfahren besser zu
sein, das ich aber noch nicht genügend lange ausprobiert habe. Man kon-
serviert einfach die Präparate in der 10°/o Formalinlösung und bringt sie
erst, je nach der Grösse, 6 — 24 Stunden vor der Demonstration in 95 ^/o
Alkohol; nach der Demonstration werden sie sofort wieder in Fonnalin zu-
rückgebracht. Man erreicht auf diese Weise, dass die in Formalin schmutzig-
grau aussehenden Organe, wieder in Alkohol annähernd ihren natürlichen
Farbenton annehmen und man vermeidet die Schrumpfung und Auflösung
des Blutfarbstoffes. Wie lange man freilich diese Prozeduren vornehmen
kann, ohne die Präparate zu schädigen, bedarf noch weiterer Prüfung.
Jedenfalls erreicht man bereits auf diese Weise in sehr einfacher Weise
mehr, als mit den gewöhnlichen Fixierungsmethoden.
Mit der Erwähnung des Formalins sind wir bereits auf die Fixierungs-
mittel für mikroskopische Zwecke übergegangen. Das Formaün
ist dazu von Blum, Hermann, Born (11), Krückmann, Weigert^)
und Reimar(13a) empfohlen worden. Blumjun. benutzt dazu lOWoLösungen,
welche in kürzester Zeit selbst grosse Gewebsstücke härten ; dabei erhalten sich
bereits makroskopisch die Gewebsstrukturen besser wie in Alkohol, ohne
dass eine wesentliche Schrumpfung stattfindet. Als besonderer Vorzug wird
hervorgehoben, die gute Erhaltung der roten Blutkörperchen, Weigert
erwähnt, dass das Formol dem Centralnervensystem gegenüber sich ähn-
lich verhält, wie Chromsäure und ihre Salze; ja es gelang sogar an noch
nachträgUch mit Chromsalzen gebeizten Präparaten die Golgi sehen Im-
prägnationen auszuführen. Ich selbst kann auf Grund ausgedehnter Er-
fahrungen das Formol als Fixierungsmittel sehr empfehlen und mich im
Grossen und Ganzen den Ausführungen Reimars anschüessen, der sehr
eingehende vergleichende Untersuchungen über die Wirkung des Formols,
Alkohols, Sublimats und der Hermann sehen Lösung vornahm. Gerade für
die Zwecke des patholog. Histologen scheint sie mir ausgezeichnet zu sein,
weil sie nicht nur alle besonderen Gewebsstrukturen (Kernteilungen, Pig-
mente, schleimige und hyaline Substanzen etc.) erhält, sondern auch alle
Färbungsmethoden — selbst die kompliziertesten — gestattet. Sie ist in-
sofern eine förmliche Universalmethode, die nach meinen Erfahrungen
i Artikel „Technik** in Merkel-Bonnets Ergebnisse der Anatomie Bd. III. S. 6.
Technik. 11
nur Nachteile hat, 1. für den ülykogennachweis, 2. für den Nachweis
feinster Protoplasmastrukturen, 3. durch die allerdings nicht unbedeuten-
den Schrumpfungen, die das Formoi namenthch an Leichenmaterial
hervorbringt. Doch teilt sie diesen Nachteil mit fast allen übrigen
Methoden, die dafür ausserdem noch andere Nachteile besitzen. Eine
Konservierung in 5**/o — 8°/o Lösung scheint mir übrigens noch besser
geeignet, als in 10®/o Lösung, da hierbei die roten Blutkörperchen
öfter einen dunkelbraunen Farbenton annehmen, der auch in Alkohol
nicht wieder schwindet (wenigstens bei dem Sehe ring sehen Präparat).
Auch das ist für Leichenmaterial ein grosser Vorzug der Methode,
dass sie schon in ziemlich dünnen Lösungen (5®/o) Mikroorganismen
rasch vernichtet, also einer beginnenden Fäulnis sofort Einhalt thut. —
Aus diesem Grunde besitzt auch die Sublimathärtungsmethode einen grossen
^'orteil, der allerdings etwas beeinträchtigt wird dadurch, dass man nur
kleine und vor allem sehr dünne Stücke verwenden kann. In dieser Be-
ziehung ist schon die Härtung in erwärmter Sublimatkochsalzlösung oder
auch in Sublimateisessig (konz. wässerige Sublimatlösung 150 ccm, Aq.
dest. 150 ccm, Eisessig 3—4 ccm) vorzuziehen, noch bessere Resultate
liefert aber die Zenkersche (14) Chromkali -SubUmat- Eisessigmethode.
Die Zusammensetzung der Flüssigkeit ist
Aq. dest. 100,0
Sublimat 5,0
Doppeltchroms. KaU 2,5
Schwefels. Natron 1,0
Die Vorteile bestehen; 1. in der guten Fixierung der Kernteilungen
und der meisten Protoplasmastnikturen, 2. darin, dass man grössere Stücke
härten kann, 3. darin, dass die Entfernung von Sublimatkrystallen wesent-
lich erleichtert ist und rascher vor sich geht, 4. darin, dass auch die
Schneidbarkeit nach der Paraffineinbettung eine wesentlich bessere ist,
als nach Alkohol- oder einfacher Sublimathärtung. Die Härtung ist selbst
l)ei grösseren (wallnusgrossen) Stücken in 48 Stunden vollendet und dauert
bei kleineren Stücken höchstens 24 Stunden, eine Schrumpfung der Objekte
tritt kaum ein. Als einzigen Nachteil der Methode kann ich nur anführen,
dass die Färbung der Präparate ein wenig erschwert ist und dass mit-
unter die Kemfärbung keine ganz reine ist, aber auch das gilt nur für
Sohnellfärbungen. Ich halte die Methode an und für sich für eine
Bereicherung, wenn ihre Anwendung auch jetzt durch die Einführung
des Formaüns etwas beschränkter sein wird. — Von weiteren Fixie-
nmgsmitteln möchte ich aus der grossen Zahl nur noch zwei hervor-
heben, weil sie auch für die pathologische Histologie von grosser Wichtig
keit sind. Die Her mann sehe Lösung (15), welche allerdings auch nur an
Nach Lösung in der Wärme
und wiedererkaltem Zufügen
von 5,0 Eisessig.
12 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
kleinen Objekten verwendbar ist, besitzt vor der Flemmingschen den
Vorzug, dass sie auch die Protoplasmastruktureu besser veranschaulicht.
Die Flüssigkeit besteht aus:
Osmiumsäure 2-4®/o 2 Teile
Platinchlorid IWo 15 „
Eisessig 1 „
Man lässt kleine Stückchen 1—4 Tage in der Flüssigkeit, wäscht
gründlich aus und härtet in Alkohol von steigender Konzentration nach. —
Endlich noch die Alt mannsche Methode zur Darstellung der Zellgranula (16),
von welcher für die pathologische Histologie hauptsächüch die Kalium-
bichromat-Osmiumsäurelösung in Betracht kommt. Die Lösung besteht aus:
Kali bichromicum 5°/o 1 , . , ^ .,
^ . ^n, ? zu gleichen Teilen.
Osnuumsäure 2*^/0 J ^
Fixieren 24 Stunden, gründliches Auswaschen, Nachhärten in Alkohol
von 75— 99**/o. Die Methode ist auch bei Leichenmaterial anwendbar und
kann auch für nicht wenige Fragen der pathologischen Histologie von
Bedeutung sein.
Die neueren Entkalkungsmethoden haben einerseits das Bestreben
die liintkalkung möglichst rasch vorzunehmen, andrerseits die Gewebsstruktur
so wenig zu schädigen, dass möglichst auch die komplizierteren Färbungs-
methoden angewendet werden können. Das Verlangen der raschen Ent-
kalkung wird zweifellos durch die Phloroglucinmethode von A n d e e r (17) und
Hang (18, 19) erfüllt. Das Phloroglucin spielt dabei nur die Rolle, dass es die
Gewebe rasch konserviert und somit die Anwendung stärkerer Säuregrade
gestattet. Nach Haug ist die Anwendung folgendermassen : 1 com Phloro-
glucin wird in 10 ccm reiner, nicht rauchender Salpetersäure (oder auch
Salzsäure, die aber nicht so gut ist) gelöst. Die rubinrote salpetersaure
Phloroglucinverbindung wird nun mit 50 ccm Aq. dest. verdünnt, so dass
man eine 20°/o Salpetersäurelösung behält. Nach sorgfältiger Wässerung
der Präparate kann es nun beliebig nachgehärtet, eingebettet und geschnitten
werden. Die Entkalkung tritt ausserordentlich rapide ein, so dass sie bei
kleineren Knochenstücken in einer halben Stunde vollendet ist und nur sehr
selten mehr wie ca. 12 Stunden in Anspruch nimmt. Die Entkaikung ist
schonend und gestattet noch die meisten Färbungen (Färbung auf Tuberkel-
bacillen ist mir allerdings nie gelungen), nur das Blut wird stark verändert.
Auch bringt die Schnelligkeit der Entkalkung noch andere Nachteile,
namentlich wenn Herde weicher Substanzen (erweichte Tuberkel, Geschwülste)
in das Knochengewebe eingestreut sind ; hier findet oft eine fast vollkommene
Lockerung des Zusammenhangs statt, die auf keine Weise wieder herzu-
stellen ist. Auch empfiehlt sich die Methode nicht besonders, wenn man
Technik. 13
die auf dem Knochen liegenden Gewebe im Zusammenhang mit demselben
untersuchen will; die Weichteile werden durch sie stark verändert. — Bessere
Resultate gestattet nach dieser Richtung die Methode von Thoma(20), die
allerdings nicht so rasch wirkt. Th oma entkalkt in einer Lösung von 5 Teilen
%^io Alkohols und 1 Vol. reiner Salpetersäure, indem er sie unter öfterem
Wechsel auf die Kjiochen einwirken lässt. Selbst grössere Knochenstücke
sind in 2— 3 Wochen völlig entkalkt. Zur vollständigen Entsäuerung kommen
die Präparate in 96®/o Alkohol, dem bis zum t^berschuss präcipitierter
kohlensaurer Kalk beigefügt ist; bei öfterem Wechsel der Flüssigkeit ist
die Entsäuerung in 8 — 14 Tagen erreicht. Freilich bleiben feine Krümel
des Kalkpulvers an den Präparaten hängen, wenn man nicht vor der Ent-
säuerung die Präparate in Filtrierpapier einwickelt, um so das Haftenbleiben
des Pulvers zu vermeiden. Übrigens sind auch die Krümel nicht sehr
störend. Die Methode vermeidet mit Sicherheit die Fehler der vorigen,
da zugleich mit der Entkalkung eine völlige Härtung der Gewebe eintritt.
Die von Partsch (21) empfohlene Methode besteht in einer Entkalkung in
0^/0 Lösung von Trichloressigsäure, worin die Präparate schon in 2 — 3 Tagen
sc^lmittfähig werden. Nachhärtung in Alkohol oder Chromsalzen. Als Vorzug
wird der Methode nachgerühmt, dass die feineren Strukturverhältnisse
gut erhalten bleiben und die verschiedensten histologischen und bakterio-
logischen Färbungsmethoden ausführbar sind. Ich habe die Methode noch
nicht probieren können, die von Partsch auf der Wiener Naturforscherver-
sammlung demonstrierten Präparate waren aber in der That ausgezeichnet.
Die von Chiari in der Diskussion erwähnte Methode der Entkalkung in
5°/o Salpetersäure ist ebenfalls |sehr empfehlenswert; nur kann sie aus-
schliesslich an Präparaten vorgenommen werden, die vorher gut in Alkohol
gehärtet waren.
Unter den Einbettungsmethoden nehmen nach wie vor, auch
in der pathologischen Histologie, die Paraffin- und Celloidinmethoden die
erste Stelle ein. Erstere hat den Vorzug, dass sie äusserst feine Schnitte
erlaubt imd für Anlegung von Schnittserien sehr bequem ist. Als Nach-
teile werden angegeben 1. eine gewisse Umständhchkeit und lange Dauer
der Einbettung ; 2. der Umstand, dass solche Gew^ebe, die an und für sich
spröde sind (derbe Bindegewebsfasern, Knorpel, Gehirn) schwer schneidbar
werden und dass bei Organen, die aus ungleich festen Geweben bestehen,
die Schnitte leicht ungleichmässig werden. Die Celloidineinbettung hat
den grossen Vorteil, dass das Celloidin gut durchsichtig ist, und durch
seine Elastizität und Biegsamkeit selbst rücksichtslose Manipulationen ver-
trägt; vor allem nehmen die geschnittenen Teile nach Durchziehen des
Messers die normale Lage wieder an und selbst sehr spröde Gewebe und
ungleichmässig feste Organe gestatten die Gewinnung gleichmässiger
14 AI] gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Schnitte. Als Nachteile kommen in Betracht: 1. die geringere Feinheit
der Celloidinschnitte, 2. die grössere Schwierigkeit Serienschnitte anzulegen,
3. die Umständlichkeit der ganzen Methode. Wir werden daher kurz auf
die Versuche, diese Mängel zu überwinden, eingehen müssen. Suchannek(22)
glaubt zur völligen Entwässerung der Präparate, die für die Paraffinein-
bettung eine unerlässliche Vorbedingung ist, die Anwendung des Anilinöls
empfehlen zu dürfen. Die Präparate sollen aus 96®/o Alkohol, je nach
ihrem Umfang, auf 1 — 12—24 Stunden in reines wasserfreies Anilinöl ge-
bracht werden und von dort in Toluol gelangen , von wo aus sie weiter
zur Paraffineinbettung verwendet werden. Hermann^) hat diese Methode
als ein die Einbettung verlangsamendes umständliches und unnötiges
Verfahren verworfen; allein wenn sie allerdings auch in der von Suchan-
nek angegebenen Weise keine Vorteile zu bieten scheint, so möchte ich
doch die Anwendung des Anilinöls bei der Paraffineinbettung dringend
empfehlen. Schon C i a g 1 i n s k i (23) hat bei Behandlung von in M ü 1 1 e r scher
Flüssigkeit gehärteten Stücken des Centralnervensystemes empfohlen, die
Alkoholbehandlung völlig zu vermeiden und die Präparate nach leichtem
Abtrocknen mit Filtrierpapier direkt in Anilinöl zu übertragen. Nach 3—5
Tagen sind die gehärteten Stücke vollständig durchsichtig imd können nun
nach Übertragung in Xylol in Paraffin eingebettet werden. Die Methode
ist für kleinere Stücke gut anwendbar, besonders dann, wenn man kon-
sequent Alkohol vermeiden will, was allerdings nach meiner Meinung
kaum jemals nötig ist. Ich bediene mich seit Jahren des Anilinöls zur
Sehn eil härtung und Sehn eil einbettung. Die Gewebsstücke werden zu-
nächst in weiten Reagensgläsern, die bis zu einem Viertel der Höhe eine Watte-
lage enthalten, ca. V*— '/* Stunden in absolutem Alkohol unvollständig gehärtet,
wobei mehrfaches Wechseln des Alkohols nötig ist ; hierauf kommen sie in
ein gut verschliessbares Schälchen, das gewöhnhches Anilinöl enthält, und
werden in demselben im Paraffinofen ca. V2— 1 Stunde einer Temperatur
von 50—55® ausgesetzt, worin sie vollkommen gehärtet und durchsichtig wer-
den. Hierauf Übertragen in Xylol, worin sie ebenfalls in oder auf dem Paraffin-
ofen bei mehrfachem Wechseln der Flüssigkeit V« Stunde verbleiben, bis das
Xylol oder Toluol nicht mehr gelb wird; danach direkte Übertragung in Pa-
raffin, wo die Einbettung meist in ®/4— 2 Stunden vollendet ist. Auf diese Weise
geUngt es, selbst Stücke von 1 — VI2 cm Durchmesser innerhalb 2—5 Stmi-
den nach dem Empfang fix und fertig zur Untersuchung zu haben und
zwar in einer Weise, wie es keine andere Methode auch nur annähernd
vollendet erlaubt. Freilich sind die auf diese Weise gewonnenen Präparate
nicht gerade zum Studium der Grössenverhältnisse und der feinsten Struk-
1) Kapitel „Technik" in Ergebnisse der Anatomie Bd. I. S. 12.
Technik. 15
turen der Zellen geeignet, weil bei dieser energischen Wasserentziehung
eine Schrumpfung nicht zu vermeiden ist , auch führt sie , wenn es sich
um älteres Leichenmaterial, das schon in Zersetzung begriffen ist, handelt,
nicht ganz so rasch, aber doch immerhin in mindestens 20—24 Stunden
zum Ziele, aber der Zweck der Methode ist es ja auch nur, in möglichst
kurzer Zeit Präparate zu gewinnen, die in diagnostischer Beziehung völlige
Klarheit und Anwendung aller Methoden gestatten. Gerade für den patho-
logischen Anatomen ist diese Methode nach meiner Meinung von hervor-
ragendem Werte, weil man mit ihr nach ganz kurzer Zeit absolut tadel-
lose Präparate erhält. Wo es sich darum handelt, an ausgekratzten oder
ausgeschnittenen Partikeln eine Diagnose zu stellen und wo es eventuell
dem Praktiker auf eine rasche und sichere Beantwortung seiner Fragen
ankommt, kann sie durch nichts anderes ersetzt werden. Denn die Schnitte
sind dünn (7,5 — 15 fi), alle Färbungsmethoden sind anwendbar und so leistet
die Methode zur sicheren Diagnostik genau so viel, wie die langsamere Härtung
und Einbettung. Auch ist sie im ganzen sparsam, da sowohl das Anilinöl, wie
das Xylol oder Toluol zunächst nach Filtration nochmals benutzt werden
kann. Auch bei langsamerer Härtung ist gewöhnliches Anilinöl — das
noch ca. 4 — 5®/o Wasser aufnimmt — deswegen empfehlenswert, weil man
in der Durchsichtigkeit der Stücke einen Index für ihre Wasserfreiheit
besitzt. — Die Nachteile der Paraffin- und Celloidineinbettung sollen die-
jenigen Methoden gleichzeitig vermeiden, welche eine Kombination beider
darstellen. Kultschizky (30) verfuhr in der Weise, dass er Celloidinblöcke
auf einige Zeit in Origanumöl brachte und dann weiter in gewöhnhcher
Weise in Paraffin einbettete. F i e 1 d und Martin (24) gehen dagegen so vor,
dass sie gleichzeitig das Paraffin mit dem Celloidin einwirken lassen.
Sie bringen 1. das gut entwässerte Objekt in eine Mischung von absolutem
Alkohol und Toluol zu gleichen Teilen. Nachdem es dort in einigen
Stunden durchtränkt ist, werden die Objekte 2. in ein Gemisch von Paraffin
^d Celloidin gebracht. Man stellt es in folgender Weise her. Nachdem
man Alkohol und Toluol zu gleichen Teilen gemischt hat, löst man darin
Celloidinstücke derartig, dass die Lösung die Konsistenz von Nelkenöl oder
b^ser eine noch etwas zähere Konsistenz angenommen hat. Zu dieser
L<>sung fügt man nun kleine Stücke Paraffin, so dass sie bei einer Zimmer-
temperatur von 20 — 25^ eine gesättigte Paraffinlösung darstellt. Nachdem
Dian hierin die Präparate einige Stunden belassen hat , kommen sie ent-
weder in mit Paraffin gesättigtes Chloroform, von wo aus sie dann in ge-
wöhnlicher Weise in Paraffin eingebettet werden oder man fügt zu der
Celloidin-Paraffinmischung unter massigem Erwärmen so lange Paraffin zu,
bis der hihalt nahezu aus reinem Paraffin besteht ; danach Behandlung
wie bei gewöhnhchen Paraffinpräparaten. Die Methode ist zwar etwas
16 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
umständlich und gelingt nach meiner Erfahrung durchaus nicht immer,
giebt aber sehr gute Resultate. Die Verbesserer der Celloidineinbettung
richten ihr Augenmerk 1. darauf, ebenfalls sehr dünne Schnitte zu erzieleu,
2. auf die Ermöglichung von Serienschnitten. Der erste Zweck wird, wenn
auch nicht vollkommen, so doch teilweise erreicht durch den Vorschlag von
Busse (26), die Celloidinpräparate nicht in 70®/o, sondern in 85 ®/o Alkohol
erstarren zu lassen. Thatsächlich erhält man auf diese Weise eine bedeuteud
bessere Schnittfähigkeit und Durchsichtigkeit der Celloidinblöcke. A p a t h y (27),
der ein geradezu begeisterter Verfechter des Celloidineinbettungsverfahreiis
ist, verfährt folgendermassen. Er bereitet sich möglichst wasserfreies Gel-
loidin in der Weise, dass er zunächst die Celloidintafeln in kleine Würfel
zerschneidet, lufttrocken werden lässt und dann die steinharten Partikel
im Mörser zerstampft. Hieraus werden dann durch Aufgiessen gleicher
Teile absoluten Alkohols und Schwefeläthers drei Lösungen bereitet; eine
konzentrierte von der Konsistenz dicken Syrups (Lösung 1), eine zweite,
die durch Verdünnen der ersten mit Äther auf das doppelte Volumen
gewonnen wird (Lösung 2), endUch Lösung 3 durch Verdünnung der
zweiten Lösung in gleicher Weise erhalten. Die möglichst wasserfreien
Präparate kommen erst in Lösung 3, dann in 2 und endüch in 1. In der
That gelingt es bei Anwendung dieses Verfahrens, bei nicht zu dicken
Objekten, Schnitte von 10—7,5 /i Dicke zu erhalten.
Zur Anfertigung von Schnittserien der Celloidinpräparate kommen
hauptsächlich zwei Methoden in Betracht. Die eine von Weigert (31) für
seine Centralnervensystemmethode angegebene beruht darauf, dass man
die auf dem Messer liegenden Schnitte mit Klosetpapier von der KHnge
abzieht und so auf den Papierstreifen die Schnitte nach und nach an
einander reiht; diese Streifen legt man dann auf vorher mit Kollodium
übergossene und wieder getrocknete Objektträger und zieht sie vorsichtig
ab, darauf giesst man rasch eine dünne und gleichmässige Schicht von
Kollodium über die Schnitte hinweg und stellt die Platte auf die Kante;
sobald die Kollodium schiebt getrocknet ist, kann man die Färbung vor-
nehmen; in Hämatoxylin löst sich die Kollodiumschicht samt den Schnitten
von der Unterlage ab und man behandelt nun die ganzen Kollodium-
streifen, wie sonst die Schnitte allein. Apathy, dessen Methode nur dann
anwendbar ist, wenn man die Präparate vorher im Stück gefärbt hat,
überträgt die Schnitte auf einen mit Bergamottöl befeuchteten Streifen
Pauspapier; nach Abfliessen des Öles und Umdrehen des Papiers glättet
man den Streifen, legt die Seite mit den Schnitten auf einen gut abge-
trockneten Objektträger und trocknet den Streifen mit Löschpapier. Nun
löst man den Pauspapierstreifen ab, drückt die Schnitte nochmals an
und bettet in Kanadabalsam ein. Beide Methoden sind durchaus zweck-
Technik. 17
eutsprechend und sicher, aber wie bereits aus den Angaben hervorgeht,
nur für eine bestimmte Anzahl von Fällen brauchbar. Für die Schnitt-
serieu bleibt, wenn es sich nicht gerade um Centralnervensystem handelt,
immer die Paraffinmethode vorzuziehen.
Hieran seien noch einige Bemerkungen geknüpft über die Methoden
zur Aufklebung von Paraffinschnitten. Unter den verschiedenen
Mitteln erfreuen sich dergrössten Beliebtheit 1. die von Paul Mayer (32) an-
gegebene Methode des Aufklebens mit Eiweissglycerin und 2. die schon
von Altmann, Gulland empfohlene, von M. Heidenhain (33) näher ge-
prüfte Methode des Aufklebens durch Wasserverdunstung. Die erstere
Methode besitzt die Vorzüge, dass sie sehr einfach ist und sehr schnell
geht; die Präparate kleben sehr fest, das Eiweiss färbt sich, wenn man
es genügend fein verstrichen hat, nicht mit; aber es ist notwendig die
Sclinitte zu glätten und auch dann können Faltelungen, namentlich wenn
es sich um Präparate handelt, die in Chromsalze gehärtet waren, nicht
immer vermieden werden. Diesen Übelstand vermeidet die Wasserver-
'lunstungsmethode bei Alkohol- und Sublimatpräparaten mit Sicherheit;
wahrend sie allerdings bei Chromsäurepräparaten ebenfalls oft versagt. Hier
leistet nun alles , was man verlangen kann , eine Kombination beider Me-
thoden, wie sie neuerdings von S. Ikeda und Kametar o Toy ama (32) em-
pfohlen worden ist. Dieselben verreiben zunächst geringe Mengen der
Mayerschen Eiweissglycerinlösung äusserst fein auf dem Objektträger,
briügen dann etwas destilliertes Wasser darauf und legen hierauf die
Schnitte; darauf wird das überschüssige Wasser abgesaugt und dann, wie
bei Heidenhain weiter behandelt. Reinke (34) empfiehlt die japanische
Methode nach eigener Ausprobierung an reichlichem, in verschiedenster
Weise fixiertem Material. Er nimmt äusserst wenig Eiweiss, viel Wasser
und lässt das Eiweiss erst bei 70^ gerinnen, bevor er das Wasser und die
'^hnitte darauf thut. Osmium und Chromsäurepräparate haften mit grosser
"Sicherheit. Auch ich kann die Methode sehr empfehlen; besonders bei
der Altmann sehen Methode ist sie unentbehrlich, weil hier die anderen
Methoden zu leicht Faltungen oder sogar Ablösung der Schnitte bewirken.
Teil IL
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20 Allgero. pathol. Morphologie und Physiologie.
So sehr sich auch in den letzten Jahren die Färbetechnik entwickelt
hat, so dass sie ein kaum noch völlig zu beherrschendes Gebiet bildet, so
wenig sind wir doch bis jetzt imstande eine eigentliche Theorie der Färbung
zu geben. Weigert (6) hat besonders in seinem Artikel Technik in den
Merkel -Bonn et sehen Ergebnissen betont, dass wir selbst bei den ein-
fachsten Färbungen nicht genau wissen, um welche chemische Vorgänge
es sich handelt, ja dass wir überhaupt nicht im speziellen Falle entscheiden
können, ob die Färbung auf einem echt chemischen oder einem mehr
physikalischen Vorgang beruht. Trotzdem glaubt er, dass die Färbungen
in gewissem Sinne den Wert mikrochemischer Reaktionen besitzen, inso-
fern man mit Sicherheit wird sagen können, dass histologische Elemente,
die sich konstant einem und demselben Farbstoff gegenüber verschieden
verhalten, auch chemisch von einander verschieden sind. Freilich gilt, wie
ich glaube, auch dieser Satz nicht für alle Fälle, wenn man sich auch auf
die Beurteilung feinerer Farbennuancen einlässt, namentlich bei Anwendung
von Farbstoffgemischen. Wennz. B.beider von Gieson sehen, von Ern8t(ll)
für das Hyalin angewandten Färbung hyaline Su])stanzen an verschiedenen
Stellen verschiedene Farbennuancen zeigen, so beweist das keineswegs eine
verschieden chemische Beschaffenheit der betreffenden Substanzen, sondern
beruht wahrscheinlich lediglich auf Dichtigkeitsunterschieden. Auch bei
Anwendung der Ehrlichschen und Biondischen Farbstoffgemische darf
den Farbenunterschieden nur insofern ein Wert beigelegt werden, als es
sich um das Hervortreten der Eigenfarbe der einzelnen Bestandteile des
Geraisches handelt; Zeil-Granula, die intensiv rot, durch Säurefuchsui ge-
färbt sind und solche, die eine mehr gelbrote Färbung aufweisen, brauchen
durchaus noch nicht chemisch different zu sein; sondern auch hier mag
die verschiedene Nuancirung auf Unterschieden der Dichtigkeit beruhen.
Natürlich weisen dagegen konstante und scharfe Gegensätze der Färbung
auf chemische Verschiedenheiten hin ; wenn also bei Benutzung der basischen
und sauren Farblösungen ein Teil der Zellgranula durch die sauren, ein
anderer Teil durch die basischen Farbstoffe gefärbt wird, so kann es sich
nur um chemische Unterschiede handeln, ebenso wie wir bei der Gieson-
schen Färbung (Säurefuchsin und Pikrinsäure) die sich rein gelb färbenden
von den rotfärbenden Substanzen als chemisch different ansehen dürfen.
Aber, wie gesagt, gilt dies nur nach der negativen Seite. Niemals dürfen
wir, wie das ebenfalls Weigert hervorgehoben hat, aus dem gleichartigen
tinktoriellen Verhalten auf den gleichen chemischen Charakter schliessen.
Das ist, wie ich noch betonen möchte, selbst dann nicht erlaubt, wenn die
Übereinstimmung sich nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Färbungs-
methoden bezieht. Weigert hat selbst seine Fibrinmethode als Beispiel
angeführt, nach welcher nicht nur Fibrin, sondern auch Zellkerne, Bakterien,
Technik. 21
me ich femer nachgewiesen habe, auch Schleim, Kolloid, Glykogen, Lecithin
tingiert werden kann. Ich möchte hier noch bemerken, dass auch die
Resultate der Versuche von K o s s e 1 (8) und Lilienfeld (7), die Beziehungen
der Farbstoffe zu chemisch gut gekannten Bestandteilen des Organismus
zu ergründen, doch noch mit grosser Vorsicht benutzt werden müssen.
Wenn Lilienfeld gefunden hat, dass die Nukleinsäure zu basischen
Anilinfarbstoffen eine grosse Verwandtschaft besitzt, das Nukleoalbumin
dagegen zu den neutralen, das Zelleiweiss dagegen acidophil ist und wenn
Posner (9) deswegen meint, man könne bei Anwendung derartiger Farbstoff-
gemische aus dem elektiven Verhalten der einzelnen Gewebs- und Zeil-
Substanzen einen Schluss auf die chemische Beschaffenheit ziehen, so geht
das auch zu weit. Denn es können sich auch andere Substanzen und
zwar solche, welche ebenfalls sehr häufig in den Zellen vorhanden sind,
gleichartig verhalten. So habe ich z. B. gefunden, dass das rein dargestellte
Lecithin ebenfalls acidophil ist, dass ferner das aus Pflanzen hergestellte
Nukle'in keineswegs völlig gleichmässig reagiert. Alle diese Gesichtspunkte
kommen besonders dann in Betracht, wenn man versucht, die einzelnen
Gewebsbestandteile different zu färben. Es würde das selbstverständlich
leicht zu erreichen sein, wenn man die chemischen Affinitäten der einzelnen
Gewebsbestandteile genau kennen würde. Die einfachsten Doppelfärbungen
mit basischen und sauren Anilinfarbstoffen (z. B. Methylenblau -Eosin)
beruhen ja thatsächlich darauf, dass der Zellinhalt acido-, der Zellkern
basophil ist. Wenn aber die verschiedensten normalen und pathologischen
Produkte distinkt hervorgehoben werden sollen, so ist das meist nicht
durch eine Methode allein und nicht nur mit Berücksichtigung der Färbung
zu erreichen. Weigert hat daher das Postulat gestellt, dass die Färbung
nur in so weit differenzieren soll, dass sie Verwechslungen verhütet. Es
dürfen also vor allem nicht solche Elemente gleichartig gefärbt sein, die
morphologisch mit einander verwechselt werden können; während es
gleicbgiltig ist, wenn z. B. bei einer Methode, die zur Darstellung von
Fasern dienen soll, die Zellkerne gleichartig gefärbt sind. Aber selbst bei
dieser Beschränkung besitzen wir nur wenige Methoden , welche das auf-
gestellte Postulat erfüllen; hierzu gehört vor allem die Ünna-Tänzer-
sche Färbung der elastischen Fasern, die We ige rt sehe Markscheidenfärbung
und die Weigertsche Neurogliafärbung. Freilich zeigen auch gerade wieder
diese Methoden, dass die differentesten Dinge gleichartig gefärbt werden,
bei der Markscheidenfärbimg ausser den Markscheiden rote Blutkörperchen
bier und da auch elastische Fasern, bei der Neurogliafärbung auch Fibrin-
fäden. Bei den meisten anderen Methoden, die zu differentiellen Zwecken
dienen sollen, können wir aber ohne Berücksichtigung der morpho-
logischen und eventuell lokalen V^erhältnisse nicht auskommen;
22 All gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
oft genug wird es auch notwendig, mehrere differenteFärbuugs-
methoden oder sogar mikrochemische Reaktionen zu Hilfe zu
nehmen. Das gilt sowohl für die einfachsten, nur vorübergehend haftendeu,
wie für die kompliziertesten Färbungen. Sehen wir z. B., dass glänzende
hyaline Substanzen bei Jodzusatz mahagonibraun werden, so können vnx
bei Berücksichtigung der Form- und Lagerungsverhältnisse meist ohne
weiteres feststellen, ob es sich lun amyloide oder glykogene Substanzen
bezw. die Stoffe der Corpora amylacea handelt; in manchen Fällen — wenn
z. B. Glykogen ausserhalb der Zellen in grösseren Strängen auftritt —
kann es aber notwendig werden, die Differentialdiagnose durch Anwendung
einer mikrochemischen Reaktion (Verhalten zu Wasser, Säuren, Speichel etc.)
zu stellen. Ebenso können wir meistens bei Anwendung der Weigertschen
Fibrinmethode Fibrin von allen übrigen sich gleich färbenden Substanzen
durch die Form unterscheiden : aber es giebt Fälle — die Verbindungsfasoru
von Epithelien (Herxheimersche Spiralen), feine Bindegewebsfasern, vor
allem fädiger Schleim — wo die eine Methode nicht ausreicht und wo wir
zu den bekannten mikrochemischen Reaktionen greifen müssen. Besonders
an den Wänden entzündeter Ovarialcysten kann es geradezu unmöglich
sein Schleim und Fibrin zu unterscheiden, wenn man nicht zum Vergleich
eine andere Methode heranzieht, z. B. die BiondischeFärbung, wobei Fibrin
rot, Schleim grün gefärbt wird. Und diese Beispiele Hessen sich wolil
häufen. — Wenn wir nach diesen allgemeinen Bemerkungen, die zur Er-
läuterung und Einschränkung der folgenden Scliilderung notwendig er-
schienen, die wesentlichsten Punkte herausgreifen wollen, in denen für die
pathologische Histologie Fortschritte erreicht oder angebahnt sind, so können
wir zwei grosse Gruppen unterscheiden. 1. Methoden zur besonderen
Färbung pathologischer Produkte. 2. Methoden zurFärbuugbe-
sonderer Zell- und Gewebsbestandteile. Ein grosser Teil der hier
in Betracht kommenden Methoden hat selbstverständlich auch für die
normale Histologie grosse Bedeutung ; aber die absolut sicheren Methoden
sind deswegen für die pathologische Gewebslehre von noch grösserer Be-
deutung, da sie in viel sicherer Weise als bisher möglich ein Urteil auch
über die feineren Veränderungen der einzelnen Gewebsbestandteile ermög-
lichen. —
ad 1. Von den pathologischen Produkten kommen hier die ent-
zündlichen und die degenerativen in Betracht. — Bei Entzündungen i?t
es von grösstem Interesse, die Ausdehnung der exudativen Veränderungen
klar zu stellen. Hier kommt alles auf den Nachweis auch geringer Mengen
von F i b r i n an. Hierfür leistet die W e i g e r t sehe Fibrinfärbungsmethode (3)
ganz Hervorragendes. Sie wird in der Weise ausgeführt, dass die Präparate
zunächst in sehr konzentrierter Anilinwassergentianaviolettlösung gefärbt
Technik, 23
werden, nach Abspülung mit 0,5^/o Kochsalzlösung oder Wasser in eine
Jodjodkalilösung (1:2:300) gelangen und dann nach gründlicher Abtrock-
nung mittelst FHess-, Kloset- oder Seidenpapier mit einer Lösung von
Anilinöl 2:1 Xylol entfärbt werden. Die Dauer der einzelnen Manipulationen
hängt von der Dicke der Schnitte und der Art der Einbettung ab; am
elegantesten gelingt die Methode an Paraffinpräparaten, die nach der japani-
j?chen Methode auf Objektträger aufgeklebt sind ; im allgemeinen genügen
öllinuten Färben und ebensolange Einwirkung der Jodjodkalilosung, Zum
gleichen Zwecke kann auch die Alt mann sehe Methode der Zellgranula-
darstellung — Färbung mit 20®/o Anilinwassersäurefuchsinlösung und
Differenzierung mit Pikrinsäurelösung (1 Vol. konzentrierter alkohol. Pikrin-
säurelösung auf 2 Vol. Wasser) — und unter Umständen zu differential-
diagnostischen Zwecken die Biondische oder Bergonzinische Methode
empfohlen werden. - Die Weigert sehe Methode hat bereits wichtige Auf-
schlüsse für die pathologische Histologie gebracht, von denen hier erwähnt
seien: 1. Der Aufbau der Thromben (Weigert, Aschoff); 2. der Bau
der Tuberkel (Schuchardt, Lubarsch, Falk); 3. Verhältnis fädigen
Fibrins zum Hyalin (Weigert). —
Von den bei degenerativen Prozessen vorkommenden Stoffen spielen
eine besondere Rolle die durch ihre Zähigkeit, Durchsichtigkeit und (Hanz
ausgezeichneten Substanzen, die z. T. morphologisch gar nicht und auch
ehemisch schwer unterscheidbar sind, so dass eine tinktorielle Differenzie-
rung von der grössten Wichtigkeit sein würde. Die neueren Färbungs-
methoden für diese Substanzen gehen einmal darauf hinaus, die betreffenden
Stoffe bereits in mögüchst geringer Quantität nachzuweisen , andererseits
sie durch differentielle Färbungen von einander zu trennen. Beide Zwecke
erfüllt fast vollkommen die H o y e r sehe Thioninfärbung (25) für das M u c i n.
Wenn irgendwo in grösseren Mengen Mucin in Gewebszellen oder Fasern
vorhanden ist, so ist der Nachweis mit Böh morschem oder Delafield-
schem Hämatoxylin, mit basischen Anilinfarbstoffen (bei Methylviolett und
Methylgrün) leicht zu führen; die bei diesen Methoden eintretende Meta-
ehromasie ist aber nicht so intensiv, dass nicht geringe Mengen übersehen
werden könnten. Das Thionin leistet nun gerade dadurch so vorzügHches,
dass es die Gewebe (ZelUnhalt, Kerne, Fasern) blau, das Mucin dagegen
intensiv rot bis rotviolett färbt. Die Anwendung geschieht in folgender
Weise, Färbung in Alkohol oder besser auch in Sublimat gehärteter Prä-
parate in einer Lösung von
Thionin (gesättigte wässerige Lösung) 2 Tropfen
Aq. dest. 5 ccni
5—15 Minuten lang. Abspülen mit Wasser. Andere hyaline Substanzen
werden bläuUch, bis leicht rötlich gefärbt; auch Fibrin bleibt bläulich.
24 Allgem. pathol. Morphologie und [^hy Biologie.
Lediglich die elastischen Fasern verhalten sich ganz so wie Mucin, hier
gestattet aber die morphologische Betrachtung eine Unterscheidung. Ob
die gleiche Färbung namenthch junger und ödematöser Bindegewebsfasern
durch den Gehalt an Mucin bewirkt ist, ist noch näher festzustellen, ist
aber sehr wahrscheinlich, da nachgewiesnermassen in den Bindegewebs-
fasern Mucin vorkommt. Zur Färbung des Kolloids — jener in der
Schilddrüse und den EierstooksfoUikeln vorkommenden Substanz — wird
von Ernst(10)dievanGieson sehe Methode (Säurefuchsin-Pikrinsäure) em-
pfohlen; hier soll sogar eine Differenzierung gegenüber dem eigentlichen
Hyalin möglich sein ; Hyalin soll rot, Kolloid bräunlich oder gelbrot (orange)
gefärbt werden. Ich kann trotz der Zustimmung von Kahldens (12) diej*e
Angabe nur in soweit bestätigen, als allerdings das bindegewebige Hyalin
sich oft durch seine deutUche ßotfärbung von dem Kolloid unterscheiden
lässt; dass aber viele andere — ebenfalls als Hyalin bezeichnete Substanzen —
sich ähnlich verhalten, wie das Schilddrüsenkolloid. Man ist also nicht im
Stande auf Grund des verschiedenen tinktoriellen Verhaltens eine Unter-
scheidung in „echtes" Hyalin und Kolloid vorzunehmen, um so weniger
als, wie auch v. Kahlden angiebt, auch das Kolloid mitunter leuchtend
rot und das Hyalin braunrot wird. Zum Nachweis des Glykogens be-
diente man sich bisher nach Ehrlich der Jodgummimethode, wobei es
auch gelingt Dauerpräparate anzufertigen. Wenn die Präparate auch mehr
leisten, wie die Jodglycerinpräparate nach der Barfurthschen Methode
so ist doch die Aufhellung selbst dünnere Schnitte eine nicht sehr voll-
kommene, so dass gerade die feineren Strukturverhältnisse der Zellen und
ihre Beziehungen zum Glykogen wenig hervortreten. Nach dieser Rich-
tung leistet die Langh aussehen Methode entschieden bedeutend mehr.
Langhans (13) behandelt die Schnitte mit verdünnter Jodjodkalilösung, ent-
wässert dann mit einem Gemisch von vier Teilen absolutem Alkohol auf
einen Teil offizineller Jodtinktur und hellt in Origanumöl auf, der zugleich
als Konservirungsmittel dient. Die Methode giebt sehr klare Bilder beson-
ders auch dann, weim man nach meinem Vorschlage zunächst die Schnitte
mit salzsaurem alkoholischen Karmin vorfärbt. Um die Verdunstung des
Origanumöls zu verhindern, habe ich es als gut erprobt, einen Rahmen
von Paraffin und Siegellack um das Deckgläschen zu ziehen. Die Prä-
parate halten sich auf diese Weise wohl sechs Monate und länger. Diejenige
Methode, welche in vielen Fällen die elegantesten und dauerhaftesten Prä-
parate liefert, ist die zufällig von mir gefundene Anwendung der Weigert-
sehen Fibrinmethode, die ich dann unwesentlich modifiziert habe (14, 15). Man
färbt kurze Zeit, etwa 2—4 Minuten mit der Weigert sehen Anilin wasser
gentianaviolettlösung, spült dann nur ganz rasch, durchschnittlich 15 Sekun-
den mit der Jodkalilösung ab, trocknet den Schnitt mit Klosetpapier und
Technik. 25
und entfärbt mit Anilinöl. Zur Vorfärbung verwende ich ebenfalls das
salzsaure alkoholische Karmin J. Mayers. Die Präparate werden dann
nach Entfernung des Anilinöls mit Xylol in Kanadabalsam eingeschlossen
und halten sich sehr lange. Das Glykogen erscheint nun tief dunkelblau, die
Kerne rot. Manche Präparate haben sich seit über zwei Jahren unverän-
dert erhalten (z. B. Froschleber), andere büssen schon nach drei Monaten
an Intensität der Färbung ein. Worauf die verschiedene Haltbarkeit beruht,
habe ich noch nicht ergründen können. Dass es sich aber bei dieser
Färbung nicht um eine chemische Verbindung, sondern nur um ein
mechanisches Haften des Farbstoffes handelt, geht aus der Thatsache
hervor, dass bei den Präparaten, die sich mit der Zeit entfärbt haben, durch
Wiederholung der Färbung dasselbe Resultat erzielt wird, wie bei der ersten
Färbung. Auch kann in zweifelhaften Fällen die Blaufärbung hyaUner
Kugeln nicht die Glykogennatiur beweisen, um so weniger als Lecithin sich
gleich verhält. Hier muss der Vergleich mit der Jodmethode und die
Loslichkeit des Glykogens in Speichel die Entscheidung bringen. Eine
zweite Methode von mir giebt ebenfalls sehr befriedigende Resultate. Die
Schnitte werden zunächst fünf Minuten gefärbt in einer Lösung von
Delafieldsche (möglichst alte) Stamm- Das Ganze zu filtrieren
Hämatoxylinlösung 10, ccm und vor dem Sonnen-
Gram sehe Jod- Jodkalilösung 10, ccm licht geschützt auf zu-
Aq. dest. 5,0 ccm bewahren.
Darauf spüle man noch 1 — 2 mal die auf dem Objektträger aufge-
klebten Schnitte mit absolutem Alkohol ab, trockne gründlich mit Seiden-
oder Klosetpapier ab und schliesse in Kauadabalsam ein. Die Kerne treten
deutlich graublau bis blauviolett hervor, während das Glykogen sich ausser-
ordentlich scharf mahogonibraun bis braungelb abhebt. Die Methode be-
sitzt jedoch Nachteile: 1. gelingt die Doppelfärbung auf einmal nicht immer
und nicht gleichmässig; oft ist es nötig nach der Färbung mit Hämato-
xylin noch für kurze Zeit die Gram sehe Lösung auf die Schnitte ein-
wirken zu lassen, 2. bleibt die Form, in welcher das Glykogen in den
Zellen vorhanden ist, um so weniger gut erhalten, je leichter löslich es in
Wasser imd je lockerer es an den Glykogenträger gebunden ist; die Braun-
färbung wird dann diflEns. Für solche Fälle benutze ich zum Färben eine
I^ung folgender Zusammensetzung:
konzentrierte alkoholische Jodlösung 7 ccm
Delafieldsche Stammlösung 4 „
Aq. dest. 3,0 „
Im übrigen ist die Behandlung, wie bei der wässerigen Jodhämatoxylin-
lösung; da die alkohoHsche Lösung die Kerne wenig scharf färbt, ist eine
26 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
Vorfärbung mit May erschein Karmin ebenfalls zu empfehlen. — Die beiden
letzten Methoden eignen sich nur für Paraffinschnitte, die auf dem Objektr
träger festgeklebt sind. Die Vorzüge der Methoden bestehen 1. in ihrer
relativen Dauerhaftigkeit, 2. in der grossen Klarheit der Bilder, wodurch
es gestattet wird auch genau die Zellstrukturen zu verfolgen. — Die Nach-
teile der Methode sind bereits angedeutet; sie liegen z. T. darin, dass die
eine oder andere derselben hier und da ohne erkennbaren Grund versagt
oder wenigstens nicht tadellos ausfällt. Nach dieser Richtung sind sie
sicherlich verbesserungsbedürftig. — Der Begriff der „hyalinen" Substanzen
ist ein wenig scharf abgegrenzter und es ist daher ein besonderes Bestreben
gewesen, durch chemische Reaktionen und Färbungen einzelne Gruppen
abzugrenzen. Als allgemeines Färbungsmittel des Hyalins sind schon von
V. Recklinghausen die sauren Anilinfarbstoffe angegeben worden und auch
die weiteren Versuche bewegen sich in dieser Richtung. Hier ist in erster
Linie zu erwähnen die von Ernst empfohlene von Giesonsche Methode (11).
Nach Ernst verfährt man in der Weise, dass man zunächst die Schnitte
mit Hämatoxylin überfärbt, und dann 3 — 5 Minuten in einer Lösung von
Säurefuchsin und wässeriger Pikrinsäure färbt. Letztere Mischung wird in
der Weise hergestellt, dass in die Pikrinsäurelösung eine konzentrierte
wässeriger Säurefuchinlösung eingeträufelt wird, bis eine granatrote Farbe
vorhanden ist. Nach der Färbung Abspülen mit Wasser und nacliher Ent-
wässern in Alkohol. Kantorowicz(16) hat diese etwas ungenaue Angabe
dahin präzisiert, dass man zu 150 ccm der Pikrinsäurelösung 3 ccm der
Säurefuchsinlösung zufügt; nach den Angaben von Ernst kann man durch
diese Methode 2 grosse Gruppen von hyalinen Stubstanzen unterscheiden;
die eine, die regelmässig von epithelialen Zellen abgeleitet werden kann
und bei der Färbung mehr oder weniger ausgeprägt einen orangeroten
Farbenton annimmt; dahin gehören die eigentlich kolloiden Substanzen,
das Kolloid der Schilddrüse, der Eierstöcke und manche Nierency linder:
die andere Gruppe umfasst das eigentliche Hyalin bindegewebiger Abkunft
und zeigt in grösserer oder geringerer Deutlichkeit eine intensiv rote
Färbung. Ernst schliesst daraus und auch v. Kahlden und Kantoro-
wicz stimmen im wesentlichen bei, dass durch dieses verschiedene Ver-
halten zu einer und derselben Färbung eine chemische Differenz der be-
treffenden Substanzen erwiesen sei. Dem kann nur insofern beigestimmt
werden, als in der That solche Substanzen, die die eine oder andere Fär-
bung mit Regelmässigkeit annehmen, dadurch charakterisiert werden
können. Nicht aber ist z. B. der umgekehrte Schluss erlaubt, dass etwa
alle glasigen Substanzen, welche bei Anwendung der Methode deutlich rot
gefärbt werden, konjunktivaJes Hyalin, und diejenigen, die orangerot bis
gelb erscheinen, epitheliales Kolloid sind. Dass dies nicht der Fall ist,
Technik. 27
beweist die Rotfärbung einzelner koUioder Klumpen der Schilddrüse und die
Gelbfärbung mancher Nierencylinder; auch die aus hyalinem Bindegewebe
bestehenden Corpora fibrosa des Ovairen färben sich durchaus nicht immer
rot, während wiederum andere Substanzen, die sicher nichts mit dem
echten Hyalin zu thun haben, wie manche Russe Ische Fuchsinkörperchen
durch Säurefuchsin rot gefärbt werden. — Auch giebt Unna (22, 23) an, dass in
der Haut die Hyaünkörper der Epithelzellen sich ebenso färben, wie das
Hyalin des Bindegewebes. Wenn man unter diesen Kautelen die Methode
anwendet, muss sie wegen ihrer schönen und klaren Bilder, sowie beson-
ders wegen der ausserordentlichen Schärfe, mit welcher das Bindegewebe
hervorgehoben wird, als eine Bereicherung unserer Methodik angesehen
werden. — Besondere Färbungen sind noch angegeben für die sogenannten
Russeischen Fuchsinkörperchen, auf deren nähere Natur hier nicht näher
eingegangen werden soll. Rüssel (19) färbt zunächst 10 Minuten in einer
konzentrierten Lösung von Füchsin in 2^Iq Karbol wasser, spült einige
Minuten in Wasser ab, differenziert Va Minute in Alcohol absolut, und
färbt 5 Minuten nach mit einer P/o Ixisung von Jodgrün in 5®/o Karbol-
säure. Kerne erscheinen grünlich, die Körperchen rot. Die Methode ist
nicht ganz sicher und muss stets unter dem Mikroskop kontroliert werden.
Zu gleichen Zwecken wird auch die Weigertsche Fibrin- und die
Biondische Methode empfohlen. — Auch die Methoden der Amyloidfärbung
haben einige Bereicherung erfahren. Was zunächst die Jodmethoden an-
betrifft, so kann die Langhans sehe Glykogenmethode, die auch für die
.\myloiddegeneration anwendbar ist, als eine Bereicherung angesehen werden,
da die Präparate sich einige Zeit halten. Galeotti (17) bringt die Schnitte
auf S'i — V« Std. in eine 5*^/oige Jodkaliumlösung, wäscht sie rasch in
destilliertem Wasser aus und überträgt sie dann in Chlorwasser (über die
Hälfte mit Wasser verdünnt). Nach einigen Minuten wird gut in Wasser
ausgewaschen und in Glycerin aufbewahrt. Das Gewebe ist dann fast
völlig entfärbt, während die amyloiden Partieen braunrot werden. — Die
übrigen Methoden beziehen sich auf die Färbung des Amyloids mit Anilin-
farbstoffen. Birch-Hirschfeld (20) empfiehlt als Kontrastfärbung die An-
wendung des Bismarckbraun ; zunächst w^erden die Schnitte in einer 2®/o
Alkohol-Lösung von Bismarckbraun 5 Minuten lang gefärbt, in absolutem
Alkohol abgespült, 10 Minuten in destilliertem Wasser abgespült und dann
in 2^/o Gentianaviolettlösung 5 — 10 Minuten gefärbt; darauf Auswaschen
in mit Essigsäure angesäuertem Wasser; Einschluss in Lävulose. Die Prä-
parate geben in der That sehr klare Bilder. Stillin g (21) empfiehlt 24 stün-
diges Färben in einer Lösung von Jodgrün 0,5, Aq. dest. 150,0; darauf
Auswaschen und Einlegen in Glycerin. Die Methode soll sicherer sein wie
die Methylviolettmethode, die auch nicht amyloide Substanzen, z. B. Schleim,
28 Ailgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
in charakteristischerweise färbt. Eine von E. Burehardt (18) angegebene
Färbung dürfte höchstens für Personen mit nicht normalem Farbensinn Wert
haben. Burehardt färbt in einer „mittelstarken" Anilinwasser-Gentiana-
violettlösung 1—3 Minuten lang, entfärbt dann in dünner Salzsäurelösung (1 T.
konz. Salzs. auf 10 ccm. Wasser) 10 Minuten lang, spült mit Wasser ab
und schliesst in Liq. kali acetici ein ; das Amyloid erscheint rotbraun, das
übrige Gewebe ist entfärbt; nur das Kolloid der Schilddrüse verhält sich
ähnlich. Da auch die Kerne entfärbt werden, dürfte die Meinung des
Autors, „dass keine der bis jetzt angewandten Färbungen in Schnitten ein
so übersichtliches Bild von Menge und Lagerung des Amyloids giebt" kaum
gerechtfertigt erscheinen. — Kantorowicz (26)endlich hat in Bestätigung der
schon von Hoyer gemachten Bemerkung über die Färbung des Amyloids
durch Thionin eine besondere Methode nach dieser Richtung hin ausge-
arbeitet. Die Schnitte werden 3 — 5 Minuten mit der Thioninlösung gefärbt
und dann in Wasser abgespült; Kerne ifbd Protoplasma erscheinen mm
bläulich bis violett, das Amyloid hellblau bis lila. Will man die Präparate
konservieren, so darf man nicht Alkohol anwenden, sondern muss die Schnitte
auf dem Objektträger mit FUesspapier abtrocknen und mit Anilinöl-Xylol
(2:1) oder Karbol-Xylol (1 :3) entwässern, darauf nach Abspülen mit reinem
Xylol Einlegen in Damarlack. — Die Präparate liefern recht deutliche, wenn
auch nicht so grelle Bilder, wie bei der Gentianaviolettmethode. Doch
eignen sie sich wegen der starken Aufhellung und Einfachheit der Konser-
vierung gut zu Dauerpräparaten. — Endlich sei noch eine Methode zur Fest-
stellung des Kalkes erwähnt. Kalk kann bekanntlich mit allen alaunhaltigen
Farbstoffen gefärbt werden; besonders eignet sich Alaunhämatoxylin dazu.
Neuerdings empfiehlt Leutert (24) folgende Methode, die auch die geringsten
Kalkmeugen sichtbar machen soll. Färbung der (nicht in Paraffin eingebette-
ten) Schnitte V* Std. in konzentrierter alkohol. Hämateiulösung, Auswaschen
in Leitungswasser ^/^ Stunde ; Nachfärben 5— 8 Sekunden in VIq wässeriger
Safraninlösung, Abspülen mit Wasser, DifEerenzieren und Entwässern in
Alkohol; Einlegen in Balsam. Die Kenie sind leuchtend rot, der Kalk
tiefstahlblau. Nach Präparaten, die ich selbst gesehen, und den beige-
gebenen Abbildungen zu urteilen, leistet die Methode in der That sehr
gute Dienste. Doch soll die Dauerhaftigkeit der Präparate vorläufig noch
zu wünschen übrig lassen. —
ad 2. Hier müssen zunächst die Bestrebungen erwähnt werden, die
sowohl von normal- wie pathologisch-histologischer Seite ausgehen, die
Struktur des Zellkerns und des ZeUinhalts zu erforschen. Besondere Me-
thoden sind freilich dazu nur in geringem Umfange augegeben; vielfach
hat man sich damit begnügt zu anderen Zwecken angegebene Methoden
dem speziellen Zwecke dienstbar zu machen. So kann man namentlich
Technik. 29
zur besonderen Färbung der Kemkörperchen fast alle (iemische von basi-
schen und sauren AnilinfarbstofEen, sowie auch kompliziertere Doppelfär-
bungen (W eigertsche Fibrinfärbung und Vorfärbung mit Karmin) benutzen.
Die Methoden zur besonderen Darstellung der feinsten Kernstrukturen (des
Linin- und Lantaningerüstes Heidenhains, desÖdematins Reinkes) haben
für die pathologische Histologie vorläufig noch wenig Zweck. Einmal wissen
m noch zu wenig von der Morphologie dieser feineren Strukturen, femer
ist die von M. Heidenhain (27) angegebene Modifikation der Biondischen
Färbung, die zu diesem Zwecke dienen soll, zu schwierig, um allgemeine
Anwendung zu finden. Der zu der besonderen Leistung nötige Säuregrad
ist nach der Vorschrift Heidenhains nur schwer zn erreichen, und das
neben Orange und Methylgrün in dem Farbengemisch enthaltene Rubin von
zu grosser Empfindlichkeit. Einfacher ist die Methode von Reinke(28) —
Anwendung einer 6®/o Lysollösung — sie ist aber nur anwendbar bei ganz
frischen Präparaten, könnte also nur eventuell bei Untersuchung von Ge-
i^chwulstmaterial oder hei Tierexperimenten angewendet werden. — Unter
den zum Studium der Kernteilungen angewandten Methoden sei hier nur
aufFlemmings (29) Safranin-Gentiana- Orangefärbung hingewiesen, die zur
Differenzierung der Chromatinfäden, der Spindeln und Chromosomen Vor-
zügliches leistet; ferner auf M. Heidenhains EisenhämatoxyUnfärbung,
welche nicht nur in der That eine besonders klare Darstellung der Cen-
trosomen und der übrigen Kemstruktm^en erlaubt, sondern für den patho-
logischen Histologen noch den grossen Vorzug besitzt, dass zur Härtung
nicht die Chromosmiumgemische, sondern Sublimat verwendet wird. Frei-
lich ist auch diese Methode (Beizung V2~2 Std. in Eisenoxydammoniak,
flüchtiges Abspülen mit Wasser, Färbung ^ju — lS Std. in ^2^/0 wässeriger
Hämatoxylinlösung; Abspülen in Wasser, Differenzierung in der Eisen-
ammoniaklösung) nur an ganz frischen Präparaten anwendbar, wenigstens
"0 weit meine Erfahrungen reichen. — Zum Studium der Protoplasma-
Strukturen dienen seit längerer Zeit in erster Linie die sauren Anilinfarb-
stoffe. Aber man muss offen gestehen, dass bei diesen Nachfärbungen
niit Eosin, Säurefuchsin etc. nicht viel mehr erreicht wurde, wie ohne
Färbungen. Nur in einzelnen Fällen wurden durch Anwendung der Anilin-
farbstoffe besondere Teile des Protoplasmas deutlich gemacht, vor allem
l'ci den Mastzellen des Bindegewebes und gewissen Leukocyten, wo teils
<iurch basische Anilinfarben, teils durch Gemische saurer und basischer
Farbstoffe gute Erfolge erzielt wurden. Unna (22, 23) hat sich dann weiter be-
''ondere Mühe gegeben durch verschiedenartige Färbungen, unter denen
•las polychrome Methylenblau eine grosse Rolle spielt, das Protoplasma zu
färben und diese Versuche haben in der That insofern zu interessanten
Ergebnissen geführt, als sie wenigstens teilweise neben den körnigen Sub-
30 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
stanzen des Zellinhalts diffus färbbare (flüssige ?) Massen nachgewiesen haben
oder auch eine feine spongiöse Struktur (Mastzellen mit Hüllplatten) auf-
deckten. Die wichtigste Methode zum Nachweis der Protoplasmastrukturen,
die auch für pathologische Prozesse von Wichtigkeit ist, bleibt aber jeden-
falls die Altmann sehe Methode (30), mit der es geHngt, im Inhalt der meisten
Zellen mehr oder weniger regelmässig angeordnete Körner und Fasern
nachzuweisen. Die Methode ist dabei einfach und kann auch noch bei
einigermassen frischem Leichenmaterial angewendet werden. Die Schnitte
der im Altmannschen Gemisch fixierten Organe werden mit 20 ®/o Anilin-
wassersäurefuchsin gefärbt und dann kurz mit Pikrinsäurelösung (1 Teil
konzentrierte alkoholische Lösung auf 2 Teile Wasser) differenziert, — Im
besonderen hat man sich dann neuerdings bemüht die Fasern des Platten-
epithels der Haut gut zu färben. Ausser der A 1 1 m an n sehen Methode dienen
hierzu die von Kromayer (31) und Bene k e (32) angegebenen Modifikationen
der Weigertschen Fibrinfärbung. Die Kromayer sehe Modifikation be-
steht in eineih teilweisen Verdunstenlassen des Wassers vor Anwendung
der Entfärbung mit Anilinöl-Xylol, B eneke färbt mit Anilin wassergentiana-
violett (10 Teile Anilinöl mit 100 Teile Wasser gemischt und filtriert, zum
Filtrat 5 — 10 Teile konzentrierte wässerige Gentianalösung), lässt dann ver-
dünnte Lugo Ische Lösung 1 Minute einwirken und entfärbt nach sorg-
fältigem Abtrocknen mit Anilinxylol (2 Teile Anilinöl zu 3 Xylol). Die
Einwirkung der letzteren Säure lässt sich nicht allgemein bestimmen.
Beide Methoden färben in ausgezeichneter Weise die Epithelfasern, die
letzte Methode kann man aber fast als eine allgemeine Methode zur Fär-
bung von Fasern bezeichnen, da sie ausser den Epithelfasern Bindegewebs-
und elastische Fasern, Knochenfibrillen und Sharp ey sehe Fasern, Glia
fasern und Stützfasern in der Milz färbt. Die Resultate sind freilich, wie
mir scheint und wie auch Beneke selbst zugiebt, sehr verschieden; am
besten bei den Epithel fasern, für elastische und für Gliafasern scheint sie
mir noch recht unsicher zu sein, muss aber freilich namentlich für Gliii-
gewebe, so lange wir eine bessere Methode nicht besitzen, als ein will-
kommenes Färbungsmittel angesehen werden. —
Wir sind mit dieser Methode bereits zu denjenigen übergegangen,
die zur Färbung von Fasern angegeben sind. Hier hat besonders Unna
für die Haut eine Reihe von Methoden ausgearbeitet, die es gestatten sollen
die verschiedenartigsten, morphologisch von einander schwer unterscheid-
baren Fasern zu unterscheiden. Er konnte zunächst durch saures Orcein
die elastischen Fasern besonders färben, eine Methode, die nach der Modi-
fikation von Tänzer noch weiter unten näher geschildert werden soll.
Dann gelang es ihm durch Doppelfärbungen (Methylenblau, neutrales Orcein
oder Wasserblau, Karbolfuchsin) noch eine besondere Art von elastischen
Technik. 31
Fasern deutlich zu machen, die sich immer nur mit dem basischen Farb-
stoff färben und von Unna als basophile Fasern oderElacin bezeichnet
\ver(ien. Färbte er femer mit Methylenblau und einer Mischung von Säure-
fuchsin und Tannin, so erhielt er innerhalb des koUagenen Gewebes einzelne
Schollen und Körner blaugefärbt, wie das Elacin ; er betrachtet diese Massen
als durch eine Einwirkung des Elacins ausgeprägte kollagene Fasern und
bezeichnet sie alsKollacin. Während diese Methoden noch des näheren
erprobt werden müssen, können wir dieUnna-Tänzer sehe Methode (34) zur
Färbung der elastischen Fasern entschieden als die sicherste der bisher
zu diesem Zwecke angegebenen Methoden empfehlen. Freilich ist sie keine
universale Methode, da sie die elastischen Fasern in der Lunge nicht zu
färben vermag und insofern bietet die Benekescbe Methode entschieden
mehr; aber für die Haut ist sie durch die Klarheit der Bilder und die
Sicherheit, mit der sie eintritt, entschieden äusserst empfehlenswert. Man
färbt zunächst Schnitte von Paraffinpräparaten 3 — 5 Tage in einer Lösung von
Orcein 0,1 g
Alkohol 1950/0 20 g
Aq. dest. 5 g.
Darauf entfärben in
Acid. muriat. conc. 0,1 g
Alkohol (950/0) 20 g
Aq. dest. 5 g.
Die Entfärbung muss unter dem Mikroskop kontrolliert werden ; Entwässern
in Alkohol, kurzes Einlegen in Nelkenöl; Einschliessen in Kanadabalsam.
Die vielen anderen z. T. älteren Verfahren (z. B. von Herxheimer,
Mi belli, Wolters, Mauchot) können hier übergangen werden, weil
sie meistens viel unsicherer sind wie die Tänzer sehe Methode oder doch
wenigstens nicht so prägnante Bilder geben.
Eine kurze besondere Berücksichtigung verlangen nun noch die speziellen
Methoden zur Färbung des Blutes und des Centralnervensystems.
Die ersteren sind bekanntermassen grösstenteils durch Ehrlich (35 — 37)
geschaffen worden, welcher durch seine Methoden zuerst die Zellgranula
darzustellen lehrte. Er unterscheidet unter den Leukocyten neutrophile,
basophile, acidophile (und amphophyle). Zur Darstellung der neutrophilen
benutzt er eine Mischung von
gesättigter wässeriger Säurefuchsini. 5 Teile
konzentrierter Methylenblaul. 1 „
Aq. dest. 5 „
Hierbei werden die acidophilen Zellgewebe rot, die neutrophilen violett.
Zur Darstellung der basophilen Zellen können sämtliche basische Anilin-
32 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
farbstoffe gebraucht werden; besonders empfiehlt Ehrlich eine gesättigte
Lösung von Dahlia in absolut. Alkohol 55 ccm, Eisessig 10—12 ccm,
Aq. dest. 100 ccm. Zur Färbung der acidophilen Zellen werden besonders
die Triacidlösungen benutzt, welche neuerdings in verschiedener Weise
modifiziert worden sind. Legt man, wie das ja vielfach nötig ist, grösseren
Wert auf die Verhältnisse der Kerne (Mitosen), so ist die von Ehrlich
empfohlene Färbung mit HämatoxyUn-Eosin anzuwenden. Die Ehrlich-
schen Methoden, welche ja zunächst ausschliesslich für Deckglastrocken-
präparate angegeben sind, haben besonders nach der Richtung eine Er-
weiterung gefunden, dass man die Fixation nicht durch Antrocknung,
sondern durch chemische Agentien zu erreichen suchte. Zu diesem Zwecke
haben Biondi (38), Sproncku. a. einige Blutstropf en direkt in Osmiumsäure
oder Fl em min gsches Gemisch einträufeln lassen und dann das Sediment
weiter zur Härtung und Einbettung benutzt, um Schnitte des fixierten Blutes
vorzunehmen. Andere, wie Nikikoroff (41), Löwit (43), H. F. M ü 1 1 e r (45),
Römer (44), Gaule, lassen die Fixierungsflüssigkeiten (Flemmingsche
Mischung, Osmiumsäure, Sublimat, H er man usches Gemisch), auf das frische,
auf Deckgläser ausgestrichene oder getrocknete Blut einwirken. Die Färbungen,
namentUch der Kerne und Kernteilungen, ergeben sehr gute Resultate,
bei Osmiumsäurehärtung werden auch die Blutplättchen besonderst gu
fixiert. Zur Färbung dienen die verschiedensten AniUnfarbstoffe und Far-
bengemische. Zur Färbung von Schnitten und Nachweis der Granulationen
in den in den Schnitten enthaltenen Leukocyten und Bindegewebszellen
haben Biondi (39) undBergonzini (40) Modifikationen der Ehrlich sehen
Triacidlösung angegeben, welche sehr gute Dienste leisten. Biondi benutzt
gesättigte wässerige Lösungen von Orange, Säurefuchsin und Methylgrün
in einer Mischung von 100 Orange auf 20 Fuchsin und 50 Methylgrün;
zur Färbung der Schnitte (keine Chrompräparate) verdünnt man einen Teil
der gesättigten Lösung mit 60 — 100 Teile Wasser. Färbung 24 Stunden.
Die Methode von Bergonzini hat den grossen Vorzug einfacherer Berei-
tung und rascher Färbung. Er benutzt Goldorange, Säurefuchsin und
Methylgrün, löst je 20 g davon in 100 ccm destilliertem Wasser und mischt
dann je zwei Teile der Orange- und Methylgrünlösung mit einem Theil
der Fuchsinlösung. Die schwarzbraune Flüssigkeit hält sich lange Zeit
und färbt bereits in 2—3 Minuten. Für Schnitte sehr, für Deckglastrocken-
präparate weniger zu empfehlen 1
Bei der Methode zur Färbung des Centralnervensystems macht sich
der unterschied zwischen den Anforderungen der normalen und pathologischen
Histologie am schärfsten bemerkbar. Diejenigen Methoden, die so grosse
Fortschritte in der Erkenntnis der normalen Histologie des Nervensystems
hervorgebracht haben, die G olgische und die verbesserte Ehrlich sehe
Technik. 33
Methylenblaufärbung sind für den Pathologen nicht anwendbar, teils des-
halb, weil sie, wie die G olgische, launenhaft ist und, wie Weigert betont
bat, durchaus nicht aUe Nervenfasern sichtbar macht, teils weil beide
Methoden nur an ganz frisch konserviertem Material angewendet werden
können. Trotz dieser Beschränkung, die der pathologischen Histologie
hierdurch gesetzt ist, besitzen wir doch eine ganze Reihe von wertvollen
und wichtigen Methoden, die hier in folgender Reihenfolge besprochen
werden sollen: 1. Markscheidenfärbung, 2. Achsencylinderfärbung, 3. Gang-
lienzellfenfärbung, 4. Neurogliafaserfärbung.
1. ad. 1. Die Weigertsche Markscheidenfärbung (46) mit Hämatoxylin
hat speziell für das Studium der degenerativen Vorgänge am Nervensystem
ganz ausgezeichnete Dienste geleistet. Von verschiedener Seite ist aber
noch der Versuch gemacht worden, die Methode zu „verbessern", einmal
um das Verfahren zu beschleunigen, 2. um eine vollständigere Entfärbung
der übrigen Teile zu erzielen und damit eine Nachfärbung zu ermöglichen.
Diesem Zwecke sollen die Methode von Päl (47), Wolters (49), Kult-
schitzky (48), Kaiser (50) u. a. dienen. Päl vermeidet die itupferung der
Präparate, färbt dann in der Weigertschen Hämatoxylinlösung 1 — 2 Tage
(oder eine Stunde bei Brutofentemperatm:), wäscht in Wasser aus, dem 1 — 3
lithioncarbonicumlösung zugesetzt ist, differenziert kurze Zeit (^/a — 5 Min.) in
einer V^prozentigen Lösung von Kali hypermanganicum, und entfärbt die
graue Substanz völlig durch Einbringen in eine Lösung von Kali, sulfurosum
P/o und P/o Oxalsäurelösung, Abwaschen mit Wasser, Nachfärben mit Kar-
min. Kultschitzky vermeidet ebenfalls die Kupferung, färbt in einer
Lösung von 1 g Hämatoxylin,
2^/0 Essigsäure 100 g,
entfärbt in einer Lösung von Lithion. carbon. gesättigt. Lösung 100 ccm
l^/o Lösung von Feriimicyankali 10 ccm.
Hauptvorteil soll darin hegen, dass man die Präparate nach der
Müllerhärtung lange auswaschen kann und so Chromsalzniederschläge ver-
kleidet. Wolters verfährt ähnlich wie Kultschitzky, taucht nm: noch nach
der Färbung die Schnitte in Müllersche Flüssigkeit, entfärbt dann nach
PäL Kaiser (50) erreicht durch Färbmig in heisser Weigert scher Häma-
toxylinlösimg die Färbung der Präparate in 25 Minuten. — Ich selbst habe
nüch nicht davon überzeugen können, dass den eben genannten Methoden
wesentliche Vorteile zukommen. Die Fälsche Methode der Entfärbung
ist erheblich umständlicher, wie die Weigertsche und sie ist vor allem
Dach meinen Erfahrungen für Grosshimschnitte lange nicht so sicher wie
die Weigertsche, d. h. sie färbt entschieden weniger Nervenfasern; als
Vorteil kann ich nur die Erleichterung der Nachfärbung imd die grössere
Eleganz und Schönheit der Färbung anerkennen. — Auch die übrigen
Ubarsch-OsUrtag, ErgebnisBe Abteil. H. 3
34 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Methoden sind nach meiner Meinung durch die Annahme des Fäls-
chen Entfärbungsverfahrens komplizierter, wie die Weigertsche und
auch teilweise, wie die von Wolters und Kultschitzky, für das
Grosshirn nicht vollkommen sicher. Hat man wirkUch das Bedürfnis die
ganze Prozedur zu beschleunigen, so empfiehlt es sich, die Kupferung nicht
im Stück, sondern an den Schnitten selbst vorzunehmen. Das ist oft sogar
auch aus inneren Gründen vorzuziehen, weil man dann abwechselnd
Schnitte nach der einen und dann nach einer anderen Methode behandeln
kann. Freilich ist es nicht ganz leicht, sich die Maximal- und Minimalzeit
der Kupferung hierbei auszuprobieren, aber für gewöhnlich ist nach meinen
Erfahrungen die Kupferung von Schnitten bis zu 30 fi in 10 Minuten voll-
endet, wenn man sie im Parafönofen (50—55° C.) vornimmt; darauf färbt
man Rückenmarksschnitte in der Kälte in 15 Minuten, bei Paraffinofen-
temperatur in 5 — 7 Minuten; für Gehimschnitte sind allerdings auch im
Paraffinofen mindestens 3 — 6 Stunden nötig. Auf diese Weise werden in
der That 36 — 48 Stunden oder mehr gespart und das ganze Verfahren ist
sicherer und schneller wie alle anderen Verbesserungsmethoden. — Übrigens
kann man auch die für die Weigertsche Färbung bestimmten Gehim-
und Rückenmarkschnitte nach längerer Härtung in Müller scher Flüssigkeit
ruhig einige Stunden in fliessendem Wasser wässern, wenn man nur nach-
trägUch die Härtung in Alkohol im Dunkeln vornimmt. Wir besitzen nur
noch eine Methode, die zur Darstellung degenerierter Fasern die Weigert-
sche an Sicherheit übertrifft, das ist die von Mar chi und Algeri(54) einge-
führte Methode. Man härtet zunächst 8 Tage bis 3 Monate in Müller-
scher Flüssigkeit, bringt dann möglichst kleine Stücke für 5—12 Tage in
ein Gemisch von 2 Teilen Müll er sehe Flüssigkeit und 1 Teil Osmium-
säure, darauf Einbettung und Schneiden. — Die normalen Fasern er scheinen
gelb bis bläulich, die entarteten schwarz. Nach Singer und Münz er (55),
sowie Redlich (56) beruht diese differente Färbung darauf, dass das
normale Myehn mit dem chromsauren Kali eine Verbindung eingeht, welche
die Schwärzung durch Osmiumsäure nicht gestattet, während die Zerfalls-
produkte des Nervenmarks dieser Verbindung nicht zugänglich sind. Die
Methode ist in der That ein äusserst feines Reagens, hat aber für den
pathologischen Histologen eine Grenze in der Kleinheit der zur Unter-
suchung nötigen Stücke, so dass sie eigentlich nur bei experimentellen
Arbeiten oder in solchen Fällen Anwendung finden kann, wo die Degeue-
rationsherde schon grob anatomisch hervortreten.
ad 2. Die Methoden zur Färbung der Achsencylinder, die in
neuerer Zeit angegeben sind, gestatten zwar keine isoUerte Färbung, aber
doch gute Sichtbarmachung. Schon lange pflegte man dazu Anilinfarbstofife
und von diesen besonders das Nigrosin zu benutzen. Auch bei den neueren
Technik. ^ 35
Methoden spielen die Anilinfarbstoffe die grösste Rolle. Sahli (57) empfahl
eine Färbung der in Müllerscher Flüssigkeit gehärteten Objekte erst in
Methylenblau, dann in konzentrierter wässriger Säurefuchsinlösung 5 Minuten
lang, DifEerenzierung in durch l®/o Ätzkali alkalisch gemachten Alkohol
absolutus. Die Färbung soll nach Stroebe namentlich dann gute Resultate
geben, wenn man die Vorfärbung mit Methylenblau fortlässt. Stroebe f59)
selbst hat eine Methode angegeben, die nach den Abbildungen zu urteilen
und auch nach dem, was ich an eigenen Präparaten gesehen habe, gute
Resultate giebt. Die Methode schliesst sich an eine von Ciaglinski (58) an-
gegebene eng an. Derselbe benutzte nach Vorfärbung mit Safranin eine
halbkonzentrierte wässerige Lösung von Anilinblau. Stroebe färbt dünne
Schnitte in einer gesättigten wässerigen Anilinblaulösung 10 Minuten bis
1 Stunde, spült mit Wasser ab und differenziert mit Alkohol, dem 20 bis
30 Tropfen einer 1 **/o ÄtzkahalkohoUösung zugefügt sind, bis die Schnitte
durchsichtig und hellbraunrot erscheinen. Hierauf Übertragen in grössere
Mengen destillierten Wassers, wo die Schnitte nach 5 Minuten langem Ver-
weilen eine blaue Farbe annehmen; nun erfolgt die Nachfärbung mit zur
Hälfte durch Wasser verdünnter konzentrierter wässeriger Safraninlösung
Vi—'/« Stunde. Die Achsencylinder und die Neuroglia erscheinen blau,
Markscheide und Zellkerne rot Die Methode leistet namentlich für das
periphere Nervensystem mehr, wie andere, auch zeichnet sie sich da-
durch aus, dass auch degenerierte Achsencylinder noch tingiert werden.
Die Methoden von Schmaus (61) (Anwendung von Urankarmin und black
blue)von Wolters (Vanadium Hämatoxylin) und Alt (Kongofärbung) habe
ich selbst nicht prüfen können, sie sollen nach Stroebe zur Darstellung
der feinsten Fasern nicht ausreichen. Das Gleiche würde dann auch für
Mallorys (60) Phosphormolybdänsäurehämatoxylinfärbung gelten, welche
nach Schieff erdecker (Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie Bd. VIII) weniger
scharfe Bilder geben soll als die Wolter sehe Methode.
ad 3. Zur Färbung der Ganglienzellen wurden früher nur solche
Methoden benutzt, welche als Kernfärbungsmittel gelten, da es eben nur
darauf ankam, die Kerne sichtbar zu machen. Erst Ni ssl (51 — 53) verdanken
wir eine Reihe von Methoden, die gerade für die Kenntnis des Baues der
Ganglienzellen von grösster Wichtigkeit sind. Zur Härtung benutzt er
Alkohol (96— 98®/o); besser noch scheint nachv. Lenhossek lOWoFormaliu-
lösung zu sein, worin die Stücke 2 Tage verweilen, noch auf ca. 2 Tage
in Alkohol gelangen und dann eingebettet werden. Die Färbung geschieht
1. mit Magentarot. In einer konzentrierten erhitzten wässerigen Magenta-
rotlösung, die vor dem Gebrauche zu filtrieren ist, bleiben die Schnitte
einige Minuten, werden dann nach Erkalten der Lösung abgespült und in
Aleohol. absolut, einige Minuten entwässert. Aufhellen in Nelkenöl und
36 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Einbetten in Kanadaablsam. Komplizirter ist die Färbung mit Methylen-
blau. Als Färbungsfiüssigkeit dient:
Methylenblau 3,75
ventian. Seife 1,75
Aq. dest. 100,0
Erwärmen der Schnitte in der Farblösung, bis Bläschen platzen.
Auswaschen in einer Mischung von 1 Teil Anilinöl auf 10 Alcohol. absol.
Abtrocknen der Schnitte, worauf man Origanumöl auftropten fässt und
dieses wieder mit Benzin entfernt, darauf Einlegen in Benzinkolophonium. —
vonLenhossök (63) empfiehlt 5 Minuten lange Färbung in konzentrierter
Thioninlösung , Abspülen in Wasser, Differenzierung in 96®/o Alkohol 9,
Anilinöl 1 Teil, Abtrocknung, Aufhellung in Oleum cajeputi. Entfernen
desselben mit Benzin, Einlegen in Benzinkolophonium. — Bei diesen Me-
thoden erscheinen die Kerne der normalen Zellen nur bbws gefärbt, die
Kemkörperchen deutlich; im Protoplasma sieht man iii ungefärbter Grund-
masse eingebettet derbe stark chromophile Schollen und Kömer, die
in Bezug auf Grösse und Dichtigkeit sowohl nach der Tierart, wie auch
nach dem physiologischen Zustand der Zelle Schwankungen unterworfen
sind. Auch bei Anwendung anderer Anilinfarbstoffe — ich kann Sahlis
Boraxmethylenblaulösung besonders dazu empfehlen — sind diese Proto-
plasmastrukturen wahrzunehmen. Der eminente Vorteil der Nissischen
Färbung soll darin bestehen, dass nur bei völliger Intaktheit der Zelle
die beschriebene Art der Färbung eintritt. Sowohl an den Körnern wie
an dem Zellinhalt sind allein schon durch Abweichung vom tinktoriellen
Verhalten pathologische Erscheinimgen nachweisbar; besonders aber können
auch Änderungen in der scholligen und spindeligen Struktur des färbbaren
Anteils des Ganglienzellenplasmas, vor allem kömiger Zerfall, wesentlich
erst mit dieser Methode erkannt werden. — (Vgl. Nissl, Ctbl. f. Nerven-
heilkunde. Jan. 1895.)
ad 4. Zur Färbung der Neuroglia eignen sich zwar auch Anilin-
farbstoffe, aber ohne dass es gelingt scharfe Bilder zu erreichen imd vor
allem ohne dass eine Darstellung der feinsten Fasern erreicht würde. Das
Ideal einer Gliafärbung würde natürlich eine solche sein, welche eben nur
das Gliagewebe färbt. Das ist nicht erreicht bei Anwendung der Golgi-
sehen Methode und der von Stroebe jüngst mitgeteilten modifizierten
Mallory sehen Phosphormolybdänsäure-HämatoxyUnf ärbung *) , welche ja
oft ganz schöne Bilder darbietet, bei den feinsten Fasern aber eine Ver-
wechslung mit Achsencylindem nicht sicher vermeiden lässt*). Demideal
1) Gentralbl. f. allgem. Pathol. Bd. Y. S. 855.
8) Wenn natürlich, wie in dem von Stroebe demonstrierten Gliom Achsencylinder
gar nicht daneben vorhanden sind, giebt die Methode sehr gute Bilder.
Technik. 37
nähern sich bis jetzt uur die Benekesche Faserfärbangsmethode , die
wenigstens im Gehim und Rückenmark von faserigen Substanzen nur die
Gliafasem färbt, und vor allem die Weigert sehe, leider noch nicht ge-
nauer mitgeteilten Methode. Nach den mir bekannten Präparaten Weigerts
wird mit seiner Methode (Beizung mit Metallsalzen, die eine organische
Säure enthalten; Färbimg nach dem Prinzip der Weigert sehen Fibrin-
färbung) doch noch viel mehr erreicht, als mit der Benek eschen Methode,
die mir selbst wenigstens nur ungleichmässige Präparate geUefert hat,
namentlich passierte es öfter, dass in den centraleren Partieen der Schnitte
nur die gröberen Fasern gefärbt waren, während allerdings in den peri-
pheren Teilen ausgezeichnete Bilder erzielt wurden. Auch möchte ich das
Prinzip der Benek eschen' Modifikation, wobei zuerst überfärbt und dann
unvollkommen entfärbt wird, für wenig geeignet halten, eine sichere
Methode zu gewährleisten. tJbrigens beeinträchtigten diese Mängel nicht
die Anwendbarkeit der Benek eschen Methode, so lange wir nicht im
Besitze der besseren und sicheren Weigert sehen sind. Allerdings muss
man, wenn es sich um die Beurteilung von Schwund der GUafasem handelt,
dann sehr vorsichtig sein. Hoffen wir, dass sich Weigert bald entschliesst,
seine so vorzügliche Methode zu veröffentUchen.
n.
ALLGEMEINE
PATHOLOGIE DES KREISLAUFS.
A.
Allgemeine Kreislaufstörungen.
Von
F. Maxtius, Rostock.
Die grossen, prinzipiellen Gegensätze, die die medizinische Wissen-
schaft unserer Tage durchziehen, kommen auch in der Lehre von der
Pathologie des Kreislaufs zum scharfen und prägnanten Ausdruck. Für
ein eingehendes Studium der treibenden Kräfte, die auf diesem Gebiete
der Forschung um die Herrschaft ringen, trifft es sich günstig, dass die
Hauptgegensätze, um die es sich gegenwärtig handelt, in zwei bekannten
Forschern eine gewissermassen persönliche Ausprägung erhalten haben.
Unter diesem Gesichtspunkte gewinnt der zwischen S. von Basch und
0. Rosenbach kürzlich durchgeführte Streit über „Die Grundlagen der
Lehre vom Kreislaufe" [Rosenbach (2. b.)] eine Bedeutung, die weit
über das Persönliche, weit über die Frage hinausreicht, wer im einzelnen
Recht hat oder wer der geistreichere imd elegantere Fechter ist. Predigt
doch der eine (0. Rosenbach) mit nicht geringer agitatorischer Kraft
nicht mehr und nicht weniger als die völUge Umkehr von dem bisher
allein seligmachendem Wege des streng exakten pathologisch-anatomischen
und experimentellen Empirismus, der schon solange — zu ihrem Schaden —
die klinische Medizin beherrscht habe, zur unbefangenen imd durch die
Erfahrungen des Tierexperimentes nicht getrübten Krankenbeobachtung.
Kein Wunder, dass der andere (S, v. Basch), dem das Experiment an
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 39
Modell und Tier, das A und O aller Wissenschaft vom Kreislauf ist, nicht
genug vor dem reissenden Strudel der Rhetorik seines Gegners zu warnen
weiss, der — alle exakten Schranken durchbrechend — die Medizin wieder
in nebelhafte Spekulationen aufzulösen im BegrifE stehe.
Es kann unmöglich Aufgabe eines kurzen Referates sein, diesen Ge-
gensatz kritisch bis ins einzelne zu verfolgen. Nur soviel mag angedeutet
werden, dass keiner der beiden Forscher, grade weil sich jeder auf das
extremste Ende seines Standpunktes stellt, von Übertreibungen und Ein-
seitigkeiten ganz frei sein dürfte. Die klassische, dem modernen Standpunkt
entsprechende Pathologie des Kreislaufs ist eben noch nicht geschrieben.
Nur das ist sicher, wer sie schreiben will, der muss beider Werke, die
uüchtem-exakte Darstellung der Kreislaufsexperimente von Baschs (1)
sowohl, wie das ideenreiche, überall den denkenden Leser anregende, über-
all den feinen klinischen Beobachter zeigende, aber oft nicht ganz klare,
wenigstens in einer etwas dunklen Sprache geschriebene Lehrbuch Rosen-
bachs — er muss sie beide genau gelesen und gründlich studiert haben.
Etwas genauer besprochen und kritisch beleuchtet soll im folgenden
zunächst ein Punkt werden, der ebenfalls zwischen den genannten beiden,
t)T)ischen Gegnern kontrovers ist, dessen Klarstellung aber im allgemeinsten
medizinischen Interesse liegt. Es ist das die Lehre von der Kompen-
sation und den Kompensationsstörungen. Es droht, in diese
Lehre eine heillose Begriffsverwirrung einzureissen, der im Interesse klaren,
klinischen Denkens nicht energisch genug entgegengetreten werden kann *).
In diesem Falle ist es von Basch, von dem der Angriff auf die
klinisch allgemein angenommene Kompensationslehre ausgeht. Rosen-
bach steht hier mehr auf dem Verteidigungsstandpunkte. Auch er legt
dieser Lehre eine grosse Wichtigkeit bei imd meint, dass sie der Kampf-
platz sei, auf dem die beiden gegensätzlichen Anschauungen über die
Kreislaufsprinzipien, die er die statisch -mechanische und die dynamische
nennen möchte, ihre Entscheidungsschlacht schlagen müssten.
Im Gegensatze dazu will es dem Referenten jedoch scheinen, als ob
hinsichtlich gerade der Kompensationslehre es sich weniger um tiefergehende
sacliliche Differenzen, als vielmehr um unklare Begriffsbestimmungen und
unsichere Begriffsumgrenzungen handele.
Um das klar zu stellen, ist es unerlässUch, etwas weiter auszuholen
und die verwandten Begriffe der Reservekraft, der Accommoda-
^) Dabei dürfte die Besprechung gerade der KompenBationslehrean dieser Stelle um
so mehr gerechtfertigt erscheinen, als die wichtigsten der weiterhin zu besprechenden
oeuesten Arbeiten aus dem Gebiete der Herzpathologie (Romberg, Krehl, Rieder,
^äck,Radasew8ky etc.) unmittelbare Beziehung zu diesem Gegenstande haben und m eh r
oder weniger denselben Standpunkt der Beurteilung erfordern.
40 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
tions- und Regulationsvorrichtungen genau zu definieren und von
dem der Kompensationsvorgänge abzugrenzen. Es wird sich dann
zeigen, wie weit von Basch im Recht ist, wenn er sich von vornherein
gegen den Vorwurf verwahrt, dass er blosse Wortfechterei treibe, indem
er ledighch statt des geläufigen Ausdruckes Kompensation den minder
geläufigen Ausdruck Accommodation einführe.
Wir gehen bei unserer Betrachtung zweckmässigerweise von einer
Thatsache aus, die unbestritten ist, weil sie tägUch und stündUch durch
die Erfahrung bewiesen wird, von der Thatsache, dass unsere
Körperorgane nur selten und ausnahmsweise die maximalen
Leistungen vollführen, deren sie — wenn auch nur auf kürzere
Zeit — fähig sind. Das gilt von der gestreiften Körpermuskulatur
ebenso, wie von der glatten Organmuskulatur, ebenso von dem secemieren-
den Drüsenepithel, wie von dem absorbierenden Epithel der Verdauungs-
wege. Der normale Magen eines gesunden Menschen, der längere Zeit
bei karger Kost nur geringe Leistung vollführte, ist, wenn es sein muss,
plötzhch einer gewaltigen Mahlzeit gewachsen: Seine Drüsen sondern — man
möchte sagen ohne Besinnen ~- die kolossale Salzsäuremenge ab, die zur
Absättigung der gebotenen Eiweissaffinitäten nötig ist und seine motorische
Kraft erweist sich der plötzlich gesteigerten Aufgabe gegenüber als sufficient.
Die ausnahmsweise stattfindende Zufuhr einer enormen Flüssigkeitsmenge
— sagen wir von fünf oder mehr Liter Bier — setzt weder den absorbie-
renden Darm, noch die secernierenden Nieren in Verlegenheit. Sie be-
wältigen die Mehraufgabe in kürzester Frist. Während unsere gewöhnliche
Atemgrösse 500 ccm Luft beträgt, besitzen wir eine vitale Kapazität von
3000, d. h. wir können mit jedem Atemzuge, wenn es darauf ankommt,
das Sechsfache der Luftmenge bewegen , die einen gewöhnlichen Atemzug
in der Ruhe ausmacht. Wenn all unsere Organe, wenn unser ganzer
Organismus fortwährend und dauernd mit Volldampf arbeiteten , dann
ständen wir täglich imd stündlich an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit.
Nur eine kleine Steigerung der Ansprüche und der Kessel würde platzen!
Es steht nun offenbar nichts im Wege, wenn wir die unter den Ver-
hältnissen des normalen Geschehens nicht in Anspruch ge-
nommene, aber jederzeit disponibele Kraft eines Organs
— ganz allgemein — als seine Reservekraft bezeichnen.
Auch der Cirkulationsapparat verfügt selbstverständlich über
eine derartige Reservekraft. Freilich ist damit über die Art dieser
Kraft noch nichts ausgesagt. Es handelt sich zunächst um nichts anderes,
als um einen sehr bequemen Ausdruck zur Bezeichnung der Thatsache,
dass unser Cirkulationsapparat weit grösseren Anforderungen gewachsen ist,
als für gewöhnlich — während körperlicher Ruhe oder massiger, in keiner
Allgemeine Pathologie dea Kreislaufs. 41
Weise anstrengender Bewegung — an denselben gestellt werden. Dieser
Tenninas technicus erweist sich auch als sehr bequem, um den Effekt
der Gewöhnung an grössere Leistung, z. B. des Trainings, zu bezeichnen.
Wer ioa Gebirge zu steigen beginnt, ist mit seiner Reservekraft bald zu
Ende. Durch den Training steigert er allmählich die Leistungsfähigkeit
des Cirkulations- und ßespirationsapparates — er gewinnt an Reservekraft.
Zu Ende des Trainings braucht er in der Ruhe nicht mehr Kraft als vor-
her, aber die für aussergewöhnliche Leistungen disponible Leistungsfälüg-
keit seiner Organe ist gewaltig gewachsen.
Gehen wir nun diesem Prozess etwas näher auf den Grund, so erhebt
sieh die Frage, worin denn eigentlich die Reservekraft besteht. Ersich^
licherweise ist dieselbe nicht für alle Organe die gleiche. Die Reserve-
kraft des Herzens kann quahtativ nicht dieselbe sein, wie die der Nieren.
Offenbar handelt es sich also in erster Linie um die für jedes Organ
spezifische Leistung. Hier Kontraktion der Muskelfaser, da Sekretion
der Drüsenzelle. Jedes einzelne spezifische Element eines Organs ist eben
je nach den gestellten Anforderungen, einer grösseren oder geringeren
Leistung — sei sie Zusammenziehung oder Absonderung — fähig. Die
Summe aller Einzelleistungen ist die Gesamtarbeit des Organs. Das Herz
beispielsweise muss im Stande sein, um plötzlich einsetzende grössere Wider-
stände zu überwinden, sich mit grösserer Kraft zu kontrahieren, als vor-
her. Das Herz passt die Kraft, mit der es sich zusammenzieht,
den zu überwindenden Widerständen oder, mit anderen Worten,
der zu leistenden Arbeit an. Es ist das grosse Verdienst Rosen-
baclis, experimentell zuerst bewiesen zu haben, dass dem wirkUch so ist.
(cfr. 2 a S. Die betreffenden Versuche werden als bekannt vorausgesetzt).
Bei dieser Gelegenheit hat Rosenbach zuerst den Begriff der Reserve-
kraft geschaffen. Der letztere bedeutet also in diesem speziellen Falle nichts
anderes, als — im Sinne unserer allgemeinen Definition — die kurze undpräg-
i^ante Bezeichnung der Thatsache, dass dem Herzmuskel plötzlich ein-
tretenden grösseren Anforderungen gegenüber Energieen zu Gebote stehen,
die vorher nicht ausgenutzt wurden, die itm aber im gegebenen Moment
befähigen, sich mit seiner Kontraktionsgrösse der neuen Arbeitsgrösse an-
zupassen. Die Reservekraft befähigt also das Herz, sich wachsen-
den Arbeitsansprüchen zu „accommodieren".
Wie man sieht, sind das Ausdrücke, die einen thatsächlichen Vor-
gang lediglich auf die einfachste Weise beschreiben. Wie diese Anpas-
sung, diese „Accommodation" zu Stande kommt, darüber ist noch nichts
präjndiziert. Es ist an sich möglich, dass der Herzmuskel immittelbar auf
den grösseren Reiz mit einer stärkeren Zusammenziehung antwortet, es
42 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
ist aber an sich ebenso möglich, dass sich ein nervöser Übertragungs-
apparat einschiebt^). Der letztere würde aber immer nur als Auslösungs-
apparat für die Aktivierung der Reservekraft dienen. Es ist nicht un-
nütz, das besonders hervorzuheben, v. Basch sagt nämUch, um den Begriff
der Reservekraft ad absurdum zu führen, folgendes:
„Sehr häufig sieht man nach Zerreissung der Aortenklappen den
artisriellen Blutdruck nicht, wie zu erwarten ist, sinken, sondern sich gleich
bleiben und sogar steigern. (Es ist das der eben erwähnte Rosenbach-
sehe Versuch. Ref.) Das hat zur Aufstellung einer besonderen Theorie
Veranlassung gegeben, der Theorie der sogenannten Reservekraft des
Herzens. Diese Reservekraft sollte bei Klappenfehlem den Verlust aus-
gleichen, den derselbe mit Bezug auf die GefässfüUimg hervorruft. Diese
Reservekraft, die den Aortendruck bei InsufEicienz der Aortenklappen ini
Tierversuch nicht absinken lässt, die selbst noch ein Übriges zu tliun
vermag, d. h. ihn in die Höhe treibt, ist aber nichts anderes, als die
Wirkung der früher erwähnten Reizung der sensiblen Nerveu
des Herzens". Das Missverständnis liegt klar auf der Hand. Die Rei-
zung der sensiblen Nerven leistet doch nicht die mechanische Mehrarbeit.
Sie löst dieselbe höchstens aus. Und wenn v. Basch fortfährt: „Wenn
man den Versuch nur vorsichtig genug anstellt, so dass diese Reizung
möglichst vermieden wird, dann stimmt er auch vollständig, wie die früheren
mit dem Modellversuch, d. i. es sinkt, allerdings nicht in hohem Grad, der
Druck sowohl in der Arterien als in den Venen*' — so spricht doch das
erst recht für die Auffassung Rosenbachs. Die Reservekraft des Herz-
muskels ist eben da und nur von der Grösse des Reizes hängt es ab, ob
sie vollständig oder unvollständig in Aktion tritt. Nebenbei beweist dieses
Beispiel recht eklatant, wohin es führt, wenn man am Tierversuch ledig-
lich „erwartet**, was der Modellversuch zeigt. Ein so überaus scharfsinniger
Mann, wie Herr von Basch, hätte sonst wohl kaum den Funken, der
das Pulver zum Explodieren bringt mit der lebendigen Kraft des Geschos-
ses verwechseln können.
Nach dem bisher Erörterten ist die — gleichviel auf welchem Wege
1) Die letztere Annahme (reflektorische Vermittlung durch einen nervösen Apparat)
erfreute sich bis vor Kurzem allgemeinster Anerkennung. Neuerdings ist die von physio-
logischer Seite schon längst aufgestellte Hypothese von der Automatie des Herzmuskels durch
Krehl und Rom her g auch in die klinische Medizin hineingetragen worden. Folgender
Passus, der sich bei diesen Autoren findet (4. S. 92) mag hier Platz finden. Der Herz-
muskel ,ist nicht nur der automatische Motor des Kreislaufs. Er vermag sich auch ver-
schiedenen Ansprüchen an seine Kraft selbstthätig in vollendeter Weise anzupassen. Die
Überwindung gesteigerter Widerstände, die Austreibung vermehrter Füllungen, also z. B.
auch die Kompensation von Klappenfehlem beruht auf der Mehrarbeit, welche der Herz-
muskel verrichtet, ohne durch nervöse Einflüsse dazu angeregt zu sein.*"
Allgemeine Pathologie des Ereislanfs. 43
erfolgende — Aktivierung der Reservekraft des Herzens ein Aecommo-
dations vor gang. Dem wird sich, ohne der Sprache Gewalt anzuthun,
kaum widersprechen lassen. Die Anpassung (Accommodation) des Herz-
muskels an wachsende Arbeitsanforderungen kann besten Falls genau so-
weit gehen, als seine Reservekraft reicht. Ein trainiertes, d. h. durch Übung
mit einem grösseren Mass von Reservekraft ausgestattetes Herz vermag
sich höheren Anforderungen zu accommodiren als ein im trainiertes Herz u. s. w.
Aber damit ist die Sache, soweit es sich um physiologische Verhält-
nisse handelt, und nur von solchen war bisher die Rede, noch keineswegs
erledigt. Bei wechselnden Ansprüchen an das Cirkulationssystem kommt
nicht bloss das Herz in Betracht, auch das Verhalten der Gefässe, ja selbst
das des Atmungsapparates ist für die Erhaltung des Blutkreislaufes von
Wichtigkeit. Wenn der Druck in einem Gefässgebiet steigt, kann er auf
reflektorischem Wege, in einem anderen entsprechend sinken, um dem
Herzen seine Arbeit zu erleichtern, Einrichtungen derart bezeichnet man
wohl am besten als Regulationsmechanismen des Organismus.
Ried er (9, S. 48) sagt in seiner eben erschienenen, wichtigen
Arbeit: Zur Kenntnis der Dilatation und Hypertrophie des Herzens etc.:
„Die Regulierung des Blutdruckes, welcher abhängig ist einerseits von
der Blutmenge , die der Unke Ventrikel in die Aorta wirft , und anderer-
seits von dem Widerstände, den das Blut im Aortensystem findet, geht
rasch von statten infolge der innigen Beziehungen, die unter den Nerven-
eentren in Medulla, Rückenmark und Gefässen bestehen. Die erregende
und erschlafEende Wirkung auf die Gefässmuskeln und somit auf die Weite
der Gefässe behufs Erhaltung des Blutdrucks auf der vitalen Höhe vollzieht
ach m der promptesten Weise." (Kurz vorher bezeichnet Ried er freilich
— wohl von Basch folgend — denselben Vorgang als Kompensation.
Dass und warum das sprachlich imglücklich ist, wird weiter unten erörtert
werden.) Über derartige Regulationsmechanismen verfügt nun der
Organismus in recht ausgiebiger Weise. Erinnert sei noch an die bekannte
Tliatsache, dass und wie die Atmung die Herzarbeit günstig beeinflusst
^d umgekehrt. Es entspricht durchaus dem natürlichen Sprachgefühl,
wenn man sagt, dass Respiration imd Cirkulation sich gegenseitig „regulieren*'.
Pathologische Störungen dieser regulatorischen Vorrichtungen
können die schwersten Schädigungen der Gesundtheit, ja den plötzlichen
Tod herbeiführen. [Das Nähere bei Rieder (9, S. 48)].
Es wird sich kaum leugnen lassen, dass die Ausdrücke Reserve-
kraft, Accommodation, Regulation in dem erörterten Sinne inhalt-
lich klar und dabei fest umgrenzt sind. Bezieht man den Ausdruck Re-
servekraft auf den ganzen Cirkulationsapparat, so versteht man
darunter ganz allgemein die Summe der verschiedenen, latenten (für ge-
44 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
wönlich nicht in Anspruch genommenen) Kräfte, die dem Organismus einer-
seits zur liCistung aussergewöhnlicher Aufgaben, andererseits zum Ausgleich
eintretender Störungen zu Gebote stehen. Die Accommodationsfähigkeit des
Herzmuskels an höhere Aufgaben (Überwindung grösserer Widerstände),
gehört also ebenso hierher, wie das Spielenlassen der mancherlei Regu-
lationsmechanismen, über die der Kreislaufsapparat durch Vermittlung
des Nervensystems verfügt. Spricht man dagegen im engeren Sinne von
der Reservekraft des Herzens, so kann damit nur die Fähigkeit des
Herzmuskels gemeint sein, sich direkt oder reflektorisch durch Ver-
mehrung der Zahl oder der Energie der Zusammenziehungen, grösseren
Arbeitsanforderungen anzupassen. In diesem letzteren Sinne ist die Re-
servekraft des Herzmuskels genau so gross wie seine Accommodations-
fähigkeit an die Überwindung grösserer Widerstände. Die Reservekraft
des Cirkulationsapparates überhaupt ist grösser. Es kommen noch die
Kräfte hinzu, die durch die Regulationsvorrichtungen mobil gemacht werden.
Was bedeutet nun demgegenüber der Ausdruck Kompensation?
Compensare heisst; „mit einem anderen gleichsam aufwägen = aus-
gleichen, gegeneinander aufrechnen, es ersetzen". (Georges, Schul-
wörterbuch.) Der Ersatz aber ist die Gegenleistimg für etwas Verlorenes
oder für eine Beschädigung. Es ist daher durchaus sprachlich korrekt,
wenn Iclinisch der Ausdruck Kompensation ausschliesslich für den Aus-
gleich pathologischer Störungen gebraucht wird. Ein gesunder Orga-
nismus accommodirt sich den wechselnden Anforderungen des Lebens.
Er gebietet über Regulationsmechanismen, die es gestatten, den vor-
handenen Kraftvorrat zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu ver-
werten. Das sind physiologische Vorgänge. Dieselben reichen aber. nicht
aus, sobald ein dauernder Schaden angerichtet, etwa ein Ventil defekt ge-
worden ist. Dann muss der Schaden repariert oder für Ersatz, für
Kompensation gesorgt werden. Die klinische Medizin sieht diesen
dauernden Ausgleich des Schadens, den ein Klappenfehler des Herzens
anrichtet, bekanntlich im wesentlichen in der Hypertrophie des Herzmuskels.
Kompensatorische Hypertrophie des Herzmuskels bei Klappen-
fehlern ist also der sprachlich vollkommen richtige und sehr verständliche
Ausdruck für die Erfahrungsthatsache, dass der Ausfall an Leistungsfähig-
keit, den der Klappenfehler mit sich bringt, durch die Hypertrophie und
damit durch die dauernde Kxaftzunahme des Muskels bis zu einem ge-
wissen Grade ersetzt wird.
Diese Definition, die die Bedeutung des Begriffes kompensatorische
Hypertrophie gewissermassen nur in seinen gröbsten Umrissen wiedergiebt,
genügt jedoch noch nicht, um das Wesen des Vorganges, um den es sich
handelt, ganz zu verstehen. Wir wollen es versuchen, den letzteren durch
Allgemeine Pathologie des Ereislaufs.
45
eine einfache graphische Darstellung bildUch wiederzugeben. Eine auf-
merksame Betrachtung dieser Diagramme wird, wie wir hoffen, das Prinzip,
um das es sich handelt, leichter und schneller verständlich machen, als
noch so viele Worte. Wenn es sich dabei zeigt, dass Wort und Sache
gut sich decken, dass also die kUnisch üblichen Ausdrücke sprachlich
richtig gewählt sind, um thatsächhch zu beobachtende Vorgänge auf die
einfachste und verständhchste Weise zu beschreiben, dann wird man
eine derartige Terminologie trotz des Widerspruches eines hervorragenden
Forschers auch in Zukunft weiter gebrauchen.
ßeseirekraft =
Accommodatioiis*
yermögen.
Reservekraft =:
AccommodatioiiB-
Yermögen.
TCi
"I-y
Arbeitsgrösse
in der Rohe
b,
Arbeitagr^tose
in der Ruhe
Überhaupt dispo-
nible Kraft <C Ar-
beitsgrOsae in der
Ruhe. Insuffizienz
des Herzens.
I. Normales Herz.
n. Elappenfehlerherz im
Stadium der Kompen-
sation.
in. Klappenfehlerherz im
Stadium der Kompensations-
stOmng.
hl den vorstehenden Diagrammen bedeuten die Ordinatenwerte Arbeits-
grossen des Herzmuskels. Während dem Muskel des gesunden Herzens
(S' Diagramm I) die maximale Kraft a c zu Gebote steht , arbeitet es ge-
wöhnlich (in der Ruhe) nur mit der Kraft a b. Die Kraft b c ist die
Reservekraft, die das Herz befähigt, sich auch grösseren Arbeitsleistungen
anzupassen.
Wird nun ein grosser Klappendefekt gesetzt, so wächst (s. Diagramm II)
die Ärbeitsgrösse in der Ruhe plötzhch um den Wert x b,. Trotz dieser
enormen Mehrforderung an Arbeitskraft wird der Muskel nicht insufficient.
Denn die neue Ärbeitsgrösse Hegt noch innerhalb des Bereichs seiner
^naximalen Leistungsfähigkeit (a^ bi <^ a c). Der Muskel acconunodiert sich
dem neuen Zustande durch Mobilmachung seiner Reservekraft (Rosen-
bach scher Versuch). Aber das wäre, wenn weiter nichts geschähe, ein
46 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
auf die Dauer nicht haltbarer Zustand. Lediglich der geringe Wert y bj
bliebe für Steigerung der Leistung übrig. Das Herz würde auch in der
Ruhe dauernd mit nahezu maximaler Kraft arbeiten. Jede den geringen
Wert y bj überschreitende Mehrleistung (Gehen, Treppensteigen) bringt das
Herz an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit; es tritt Herzklopfen, Atem-
not (Anstrengungsdyspnoe) u. s. w. auf. Aber das dauert nicht lange.
Allmählich wächst die Leistungsfähigkeit. Die Anstrengungen, die noch
vertragen werden, ohne Dyspnoe auszulösen, werden immer grösser: das
Herz hypertrophiert. Schliesslich wird ein neuer dauernder Zustand
erreicht. Das hypertrophierte Herz besitzt nunmehr die maximale Kraft a, Cy
Entsprechend der Volumzunahme seiner Muskulatur ist es also absolut
genommen um die Grösse y Cj stärker geworden, als zuvor. Gleichwohl
ist es relativ leistungsunfähiger, denn seine Reservekraft ist viel geringer
als die des gesunden Herzens. Seine Anpassungsfähigkeit an äussere
Arbeitsanforderungen ist dauernd gesunken^).
Für den geschilderten Vorgang, der das klappendefekte und anfänglich
insufficiente Herz allmählich befähigt, sich wieder in grösserer Breite den
wechselnden Anforderungen des Lebens anzupassen, für diesen Vorgang be-
dürfen wir einer besonderen, kurzen Bezeichnung. Mannennt ihn Kompen-
sation (Ersatz der verloren gegangenen oder besser: schon für die Ruhe in
Anspruch genommenen Reservekraft) und erreicht wird dieser Ersatz im
wesentlichen durch Hypertrophie der Muskulatur. Man sieht, wie ausser-
ordentlich prägnant die klinisch längst eingebürgerten Bezeichnungen auf
die thatsächlichen Verhältnisse passen. Ein Herz mit gut kompensiertem
Klappenfehler verhält sich bis zu einem gewissen Grade wie ein normales Herz.
Es besitzt ein gewisses Mass an Reservekraft, die es befähigen, sich den den
gewöhnlichen Anforderungen des Lebens entsprechenden, über die Ruhe
hinausgehenden, Mehrleistungen zu accommodieren. Und doch ist es
wesentlich schlechter daran, als das gesunde. Die Grenzen seiner Leistungs-
fähigeit sind viel enger gezogen. Den Strapazen eines Feldzuges ist es
nicht gewachsen. Trotz der Hypertrophie und der durch dieselbe bedingten
Vergrösserung seiner absoluten Kraft, ist seine Accommodationsbreite wesent-
lich verringert, weil die für die blosse Erhaltung des Kreislaufes an sich
nötige Kraft (die Arbeitsgrösse in der Ruhe) durch den Klappenfehler so
enorm gewachsen ist.
So klar die Verhältnisse sachlich hegen — auch Rosenbach ver-
greift sich ihnen gegenüber wenigstens im Ausdruck. Er unterscheidet
i) Wie ersichtlich, ist von denRegalationsmechanismen, die dem ganzen Cir
kulationsapparate zu Gebote stehen, in diesen Diagrammen völlig abgesehen. Ka handeli
sich lediglich um die Reservekraft des Herzens im engeren Sinne, die nach der obigei
Definition mit seiner Anpassungsfähigkeit an gesteigerte Arbeitsleistungen identisch ist.
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 47
(2 a S. 16) genau in dem bi8her erörterten Sinne zwischen Leistungs-
erhöhung durch Verstärkung der Schwingung jedes einzelnen Elementes
aus den Vorräten (latente Reservekraft), d. h. also durch Aktivierung
von Reserveelementen und zwischen Leistungserhöhung durch Anhäufung
grösserer Vorräte von Spannkraftmaterial (Hypertrophie) und durch ver-
stärkte Bildung von parater Energie. „Den ersten Vorgang nennen wir
Kompensation (temporäre Anpassimg), den zweiten Accommodation
d. h. dauernde Anpassimg an vermehrte (oder verminderte) Leistung".
Es braucht nicht noch einmal hervorgehoben zu werden, dass die Sache
sich gerade umgekehrt verhält. Bis jetzt hat noch jeder Kliniker (nur mit
Ausnahme von Baschs, den Rosenbach eben bekämpfen will) die
dauernde Anpassung an die geforderte Mehrleistung durch Anhäufung ^
grösserer Vorräte von Spannkraftmaterial (Hypertrophie) als Kompensation \
bezeichnet.
Und nun zum Begriff der Kompensationsstörung. Jedes Herz,
das normale wie das klappenkranke, kann insufficient werden. Es wird in-
sufiieient, wenn jeweils die Anforderungen die maximale Leistungsfähig-
keit überschreiten. Dieser Zustand muss um so leichter eintreten, je
geringer die dem Herzen zu Gebote stehende Accommodationsbreite ist.
Ein Blick auf unser Diagramm lässt erkennen, dass und warum das kom-
pensierte Klappenfehlerherz leichter und früher insufficient wird, wie das
klappengesunde Herz. Die Reservekraft des klappenkranken Herzens ist eben
trotz der Hypertrophie eine so geringe, dass — bei den wechselnden An-
forderungen des Lebens — schliesslich immer ein Moment kommt, wo sie
versagt. Jeder längere Zeit maximal, oder nahezu maximal arbeitende Herz-
muskel erschöpft sich. Das passiert dem Klappenfehlerherzen yiel leichter
und schneller, als dem normalen, weil es — eben wegen seiner stark ver-
ringerten Accommodationsbreite — viel öfter maximal oder nahezu maxi-
mal zu arbeiten gezwungen ist. Dann sinkt die Herzkraft bis auf das
oder gar bis unter das zur blossen Erhaltung des Kreislaufs in der Ruhe
ßöthige Mass. Graphisch dargestellt (s. Diagramm Nr. IH), ist die durch
den Kompensationsvorgang gewonnene Reservekraft wieder verloren ge-
gangen. Ist dieser Zustand — wie so häufig — ein nur vorübergehender
(der erschöpfte Herzmuskel erholt sich wieder), so nennt man ihn Kom-
pensations Störung. Bleibt er dauernd, bezügl. endet er mit dem völ-
ligen Versagen der Herzthätigkeit, so heisst er zweckmässigerweise Kom-
pensationsverlust.
Auch diese Bezeichnungen erweisen sich bei näherem Zusehen als
durchaus zweckentsprechend und sachgemäss. Wenn ein klappen- und
öiuakelgesundes Herz durch akute Überanstrengung oder infolge einer
schweren, fieberhaften Erkrankung (Typhus, Pneumonie) versagt, so spricht
48 Allgem. pathol. Morphologie anH Physiologie.
kein Mensch von Kompensationsstörung, sondern nur von Insufficienz
schlechthin. Wenn dagegen ein Kranker mit einer Aorteninsufficienz,
die ihn bisher in keiner Weise beruflich gehindert hat, hochgradige Atem-
not schon in der Ruhe, Ödeme, Pulsarythmien etc. bekommt, so be-
zeichnen wir diese ätiologisch besondere und scharf gekennzeichnete Form
der Herzinsufficienz als Kompensationsstörung. Wir bringen mit dieser
Bezeichnung kurz und klar die Thatsache zum Ausdruck, dass es sich
eben um ein Herz im Sinne des Diagramms Nr. n handelt, um ein Herz,
das trotz seiner Hypertrophie (also trotz seiner absolut ge-
nommenen übernormalen Energiemenge) leichter versagt,
wie ein normales Herz, weil seine Accommodationsbreite
eine wesentlich verringerte ist.
Mit dieser Fassung ist — wie ich glaube zum ersten Mal — eine
Schwierigkeit aus dem Weg geräumt, die immer wieder auftaucht und die
vielleicht v. Basch die Veranlassung zu seiner ganzen Opposition gegen
die Kompensationslehre im klinischen Sinne gegeben hat. Es ist das die
Thatsache, dass ein hypertrophierter Herzmuskel leichter ermüdet, ver-
sagt, insufficient wird, kurz widerstandsunfähiger ist, wie ein normaler
Herzmuskel. Dieser Satz gilt wohl ganz allgemein, gleichgültig, welche
Ursache die Hypertrophie hat, gleichgültig also, ob es sich um ein Klappen-
fehlerherz, oder um das grosse Herz der Arteriosklerotiker, Emphyse-
matiker, Brigthiker, oder endlich um die sogenannte idiopathische Hen-
hypertrophie der Biertrinker oder der körperhch übermässig schwer Arbei-
tenden handelt. Die klinische Erfahrung stellt ihnen allen eine schlechte
Prognose, warnt vor körperlichen Anstrengungen jeglicher Art und weiss
wie gefährdet solche Kranke akuten Infektionskrankheiten, z. B. der In-
fluenza, gegenüber sind. Über ihnen allen hängt das Damoklesschwert
des plötzlichen Herztodes. Das Herz solcher Kranken versagt bei Ge-
legenheiten, die ein normales Herz spielend überwindet. Wie ist das zu
verstehen? Das nächstliegende wäre wohl die Auffassung Bollingers,
der Rieder (9, S. 44) sich rückhaltlos anschliesst, „die einseitige Hyper-
trophie des Herzens sei ein pathologisches Produkt und führe nach einiger
Zeit (an sich) zur Herzschwäche." Diese Auffassung widerspricht aber
unseren sonstigen Anschauungen durchaus.
„Die Hypertrophie als solche", sagt Krehl (6, S. 418), „kann un-
möglich die Ursache (der späteren Insufficienz) sein; sie führt ja an dem
Herzen einfach einen neuen Zustand herbei, in welchem mit vergrösserter
Triebkraft mehr Arbeit geleistet wird." Mit anderen Worten: die Hyper-
trophie ist ein physiologischer Akt der Muskelerstarkung, von dem gar
nicht einzusehen ist, warum und wieso er schon den Keim der Schwäche in
ADgemeioe Pathologie des Kreislaufs. 49
sich trägt 0. Und doch ist es thatsächlich mit der Hypertrophie des
Biceps eine andere Sache. „Den starken Biceps eines Turners hält gewiss
niemand für bedenklich; welcher erfahrene Arzt wagt aber ein hyper-
trophisches Herz, mag es augenbhcklich noch so leistungsfähig sein, für
gesund zu erklären?" (Krehl 6, S. 417.) Das thue keiner und in der
That gehe auch der grösste Teil derartiger Kranker an Insufficienz des
Organs zu Grunde! Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?
Auch E. Bomb er g (5, b, S. 163) beschäftigt sich mit diesem
Problem: „Vielfach wird die Ansicht vertreten, dass der infolge eines
Klappenfehlers hypertrophische Herzmuskel nach und nach ermüde, dass
er gesteigerte Ansprüche an seine Kraft schlechter als der normale zu
überwinden vermöge. Ein zwingender Beweis für die Richtigkeit dieser
Annahme ist meines Wissens nicht erbracht. Wir wissen zwar nicht mit
der wünschenswerten Sicherheit, ob der hypertrophische Herzmuskel neben
der Kompensation des Klappenfehlers noch anderweitig gesteigerte Arbeit
in demselben Masse wie der normale zu leisten vermag. Es fehlen expe-
rimentelle Untersuchungen darüber. KUnische und anatomische Beobach-
tungen geben allerdings keinen völlig sicheren Anhalt zur Beiu*teilung der
Frage, sprechen aber eher für die aimähemd gleiche Leistungsfähigkeit des
normalen und hypertropjiischen Herzmuskels. Das können wir aber mit
Sicherheit sagen, dass die Hypertrophie des Herzmuskels als
solche nicht den Keim zur Entstehung von Störungen der
Herzthätigkeit in sich trägt. Wenn die durch den Klappenfehler
erwachsenden Ansprüche an die Herzkraft sich innerhalb gewisser Grenzen
halten, bleibt der Herzfehler kompensiert, so lange die Thätigkeit des
hypertrophischen Herzmuskels nicht anderweitig gestört wird. Es liegt
vorderhand keinGrund vor, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit zwischen
dem normalen und dem hypertrophischen Herzmuskel einen prinzipiellen
Unterschied zu machen''. Etwas schärfer gefasst heisst das: Thatsäch-
lich versagt der hypertrophische Herzmuskel (nach Kompensation eines
Klappenfehlers) öfter, leichter, schneller, d. h. schon geringeren Mehran-
forderungen gegenüber, wie der normale Muskel. Woran liegt das? Trägt,
wie es scheinen könnte, die Hypertrophie den Keim der Schwäche in sich?
Das ist ein innerer Widerspruch. Weisen wir ihn aber mit Romberg
ab, lassen wir einen prinzipiellen Unterschied zwischen dem normalen und
dem hypertrophierten Herzmuskel nicht zu, so bleibt die Frage bestehen,
warum versagt dieser thatsächlich leichter, wie jener? Also das alte Pro-
^) Ebenso Hampeln (17): «Doch zeichnet diese (die Überanstrengungshypertrophie)
^ Wert physiologisch-anatomischer Anspannung des Organs an erhöhte Beanspruchung
icioer Leistung aus, womit die Vorstellung einer Erkrankung im eigentlichen
Sinne des Wortes nicht verbunden werden sollte."
LiVtr teil. Otter tag, Ergebnisse Abteil. U. 4
50 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
blem. Krehl und Romberg sind geneigt, die Lösung des Rätsels in
dem von ihnen geführten anatomischen Nachweis zu erblicken, dass in
den meisten derartigen Herzen Spuren älterer oder jüngerer entzündlicher
oder degenerativer Vorgänge zu finden sind, die das Versagen der Herz-
kraft in genügender Weise erklären. Wir werden diesen Punkt weiter unten
noch ausführlicher erörtern. Hier genügt es, mit Ried er (9, S. 35) zu
fragen: „Aber könnten sich denn nicht einzelne solcher Veränderungen,
wie sie Krehl an den von ihm untersuchten pathologischen Herzen ge-
funden, auch an scheinbar gesunden Herzen finden? DiesbezügUche Kon-
trolluntersuchungen sind meines Wissens nicht ausgeführt worden T.
Wenn Ried er weiterhin sagt: „Der durch Bollinger und seine Schüler
durch vielfache Untersuchungen des Herzmuskels gelieferte Nachweis, dass
derselbe (bei der sog. idiopathischen Herzhypertrophie) mikroskopisch in
der Regel keine gröbere pathologische Veränderung zeigt, ist meines Er-
achtens bis jetzt nicht durch anderweitige Untersuchungsergebnisse zu
Fall gebracht worden", so lässt sich hinzufügen, dass auch Krehl und
Romberg derartige Veränderungen keineswegs immer gefunden haben.
Das aber genügt, um wieder die Frage aufzuwerfen, warum wird der
hypertrophierte, sonst gesunde Herzmuskel, leichter insufficient, wie der
nicht hypertrophierte? ,
Ich glaube, dass die Antwort in den oben gegebenen Erörterungen
schon enthalten ist und durch einen Blick auf unsere Diagramme ohne
weiteres verständlich wird. Sie lautet kurz imd bündig: Das hypertrophi-
sche Herz des Kranken mit kompensiertem Klappenfehler versagt des-
halb leichter, weil es höheren Ansprüchen gegenüber weniger an Reserve-
kraft zuzusetzen hat und es besitzt trotz seiner Hypertrophie weniger Re-
servekraft, weil die durch den Klappenfehler dauernd für die blosse Unter-
haltung des Kreislaufs in Anspruch genommene Energiemenge
grösser ist als der Zuwachs an Kraft durch die Hypertrophie.
Man wird sagen: das ist Hypothese 1 Ich sage, das ist die einfachste Be-
schreibung der thatsächlich vorliegenden Erfahrungen ! Und gerade darin er-
weist sich unsere Terminologie als so durchaus zutreffend, dass sie diese
etwas kompHzierten Verhältnisse ohne weiteres verständlich zu machen
gestattet. Sachliche Voraussetzung ist dabei nicht, dass der hypertrophi-
sche Muskel eben wegen seiner Hypertrophie minderwertig werde — was
unverständlich ist — , sondern lediglich die Annahme, dass ein Muskel
um so schneller versagt, je häufiger und länger er maximal
oder nahezu maximal angestrengt wird — was durchaus der Er
1) In betreff dieses Punktes vergleiche weiter unten die Besprechung der Disser-
tation von Sack (16).
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 51
fahning entspricht. — Wir gingen bei dieser Darstellung vom Klappen-
fehlerherzen aus. Es liess sich aber nicht vermeiden, auch die ohne
Klappenfehler sekundär oder primär vergrösserten Herzen gleich mit in
die Betrachtung einzubeziehen. Die gegebene Erklärung ist nun ohne
weiteres verständüch für all' die Fälle, bei denen das Cirkulationshinder-
nis, das zur Hypertrophie führte, dauernd bestehen bleibt (Klappen-
fehler, Arteriosklerose, Emphysem, Brihgtismus etc.). Fraglich dagegen
könnte sie sein bei der sog. idiopathischen Herzhypertrophie. Auf
diesen Punkt soll hier zimächst nicht weiter eingegangen, sondern nur be-
merkt werden, dass es „idiopathische" Herzhypertrophieen nach Ansicht
des Ref. nicht giebt. Auch die sogenannten idiopathischen Herzhjrpertrophien
sind sekundär infolge länger dauernder, über die Norm erhöhter Ar-
beitsansprüche. Fallen die letzteren wieder fort, so kann die Herzver-
grösserung, wie beispielsweise der von Rieder mittgeteilte Fall I (9,
S. 13) beweist, zurückgehen. Und damit fällt das geäusserte Bedenken
g^en unsere Auffassung fort. Bleibt dagegen das ursächliche Moment
(Potus, Überanstrengung etc.) bestehen, so liegt die Sache, wie in jenen Fällen,
wo die dauernde Mehrbelastung durch ein Cirkulationshindemis augenfällig
ist. Schliesslich darf nicht vergessen werden, dass bei den Vergrösserungen
des Herzens durch Überanstrengung oder Potus gemeinhin die Über-
dehnung (Dilatation) von vornherein eine grössere Rolle spielt als die
Hypertrophie. —
Kehren wir zum Ausgangspunkt, dem Klappenfehlerherzen zurück.
Hier liegt die Sache also folgendermassen. Durch den Klappenfehler ist
ein Girkulationshindernis gesetzt, das dem Herzmuskel dauernd eine sehr
erhebliche Mehrarbeit aufbürdet. Diese Mehrarbeit leistet das Herz anfäng-
lich (bei Entstehung des Klappenfehlers) durch Heranziehung der Reserve-
kraft. Es arbeitet also einige Zeit fast maximal. Das erträgt kein Mus-
kel längere Zeit ohne zu versagen. Er würde also schon jetzt insufficient
werden, wenn nicht eben durch die gesteigerte Arbeit — nach allgemein biologi-
schem Gesetz — Hypertrophie eintrete. Diese ist nichts anderes, als die
Schaffung eines neuen Vorrates an Reservekraft. Nun arbeitet also das
Herz in der Ruhe trotz des weiterbestehenden Cirkulationshindemisses
wieder untermaximal. Es ermüdet nicht und ist von neuem der Anpas-
sung an plötzliche Arbeitssteigerungen fähig. Die Schaffung dieses neuen
Zostandes heisst Kompensation. Da nun aber — und diese Annahme muss
gemacht werden, um das weitere zu erklären — der neue Vorrat an
Reservekraft weit hinter der Kraftmenge zurückbleibt, die das Cirkulations-
hindemis dauernd, tägUch und stündUch, Tag und Nacht in Anspruch
iiinunt, so ist — trotz der Hypertrophie — die Accommodationsbreite
an ausserwesentliche Arbeit dauernd herabgesetzt Häutiger
4*
I
52 AUgem. pathol. Morphologie und PhjBiologie.
also, da das Leben seine Anforderungen stellt, und schon geringeren An-
sprüchen gegenüber muss ein solches Herz, trotz der absoluten Zunahme
seiner Kraft, maximal arbeiten. Hierin und hierin allein liegt der Keim
seiner schliesslichen Erschöpfung. Es verhält sich wie ein gesundes durch
ganz aussergewöhnliche Leistungen überangestrengtes Herz schon den ge-
wöhnlichen Anforderungen des Lebens gegenüber. Das ist das Prinzip
der Kompensationsstörung. — Die Übertragung auf die grossen nicht
klappenkranken Herzen ergiebt sich von selbst. —
Man wird nicht leugnen wollen, dass so gefasst die uns, beschäf-
tigenden Begriffe einen scharf umrissenen, die Sache deckenden Inhalt
haben. Nur muss noch hervorgehoben werden, dass es sich dabei zu-
nächst um schematische Vorstellungen einfachster Art handelt, lediglich
um eine Unnisszeichnung, in die die feineren Details erst noch einzuzeichnen
sind. Aber um das zu können, muss erst die grobe Umrisszeichnung fest
stehen. Es muss selbstverständUch schiefe und inkongruente Bilder geben,
wenn zwei verschiedene Autoren dieselben Details auf verschiedene Grund-
pläne eintragen. Darum wirkt es im einzelnen so verwirrend, wenn
von Basch plötzUch und, wie unsere Erörterung hoffentUch ergeben haben
wird, ganz ohne zwingenden Grund den allgemein acceptierten Grundplan
willkürlich ändert. Das wäre eben nur dann gestattet, wenn, um im Bilde
zu bleiben, das Fundament sich als morsch erwiesen hätte. Aber davon ist ja
keine Rede. Gerade sprachlich decken sich die Begriffe im althergebrachten
Sinne mit den Thatsachen aufs beste. Hält man nun an diesem Grund-
plan fest, so ist es nicht schwer, auch über die feineren Vorgänge, die
Beobachtimg oder Experiment erschUessen, sich zu verständigen. So
ist beispielsweise bei dem Vorgang, den wir Kompensation im klinischen
Sinne nennen, der scharfen Begriffsbestimmung wegen zunächst und aus-
schliessUch an den Kraftzuwachs durch Hypertrophie der Muskulatur ge-
dacht. Sicher spielt dieser auch die Hauptrolle. Damit soll denn aber nicht
die Möglichkeit geleugnet sein, dass, um die schädhchen Folgen des lOappen-
fehlers auszugleichen, nicht auch noch andere Dinge mitspielen können,
so beispielsweise die Inanspruchnahme von Regulationsvorrichtungen in
dem oben definierten Sinne. So können sich etwa die G^fässe durch ver-
änderte Spannung den neuen Arbeitsverhältnissen bis zu einem gewissen Gra.de
anpassen und dadurch dem Herzen seine Mehrarbeit erleichtem u. dgl. m.
Aber solche Regulationsvorgänge müssen im einzelnen erst nachgewiesen
werden, ehe sie gewissermassen als Korrelate zu dem bereits feststehenden
durch Muskelhypertrophie bedingten Kompensationsvorgang sensu strictiori
anerkannt werden dürfen.
Ein weiterer in neuester Zeit viel diskutierter und oben bereits be-
rührter Punkt schliesst sich hier ungezwungen an. Die bisherige Darstel-
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 53
Iimg ging von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass die Muskulatur
des klappenkranken Herzens gesund sei und bleibe. Die schliessliehe In-
sufGcienz ist dann eine rein funktionelle, d. h. es liegt ihr keine anatomisch
erkennbare Gewebsveränderung zu Grunde. Dass es eine derartige rein
funktionelle Erschöpfung eines an sich völlig gesunden Herzmuskels geben
könne, wird, wie schon hervorgehoben wurde, von keiner Seite bestritten.
Aber es ist einleuchtend, dass imter denselben Arbeitsbedingungen diese
funktionelle Erschöpfung um so leichter eintreten wird, wenn es sich um
einen schon irgendwie anatomisch geschädigten Herzmuskel handelt. Der-
artige Schädigungen sind nun durchaus nicht so selten. Der pathologische
Anatom ist gewohnt, in dem Herzen vieler älterer und zwar nicht an Herz-
insuffidenz verstorbener, Personen mehr, weniger alte Bindegewebsschwielen
u. dgl. zu finden. Dieselben sind entweder Reste akuter Entzündungen
oder — bei älteren Leuten — die Folge ischämischer Erweichimgen infolge
sklerotischen Arterienverschlusses. Jede überstandene Infektionskrankheit
kann solche Herzschwielen zurücklassen. Die Myokarditis ist geheilt, aber mit
Defekt Dadinrch ist ein solcher Herzmuskel dauernd leistungsunfähiger ge-
worden. Einer plötzhchen Anstrengung gegenüber, der er zuvor gewachsen
gewesen wäre, versagt er, weil seine Reservekraft dauernd vermindert ist
Dieselbe Betrachtung greift Platz, wenn es sich um parenchymatöse Ver-
^derungen leichteren Grades (Verfettungen, Kemveränderungen, vakuoläre
Degeneration etc.) handelt. Alle diese Dinge drücken den Schwellenwert
der Leistungsfähigkeit herab, sind aber an sich nicht alleinige und zu-
reichende Ursache der schliesslichen Insufficienz. Ea ist nötig, das zu betonen,
weil von der Leipziger EUinik ausdiese anatomischenHerzmuskelerkrankungen
in jüngster Zeit etwas zu einseitig betont worden sind. Krehl und Rom-
berg (4) haben das unstreitige Verdienst, durch sehr sorgfältige anatomische
Untersuchungen (Zerlegung ganzer Herzen in Serienschnitte) den Nachweis
erbracht zu haben, dass derartige Veränderungen beispielsweise bei Klappen-
fehlerherzen selten ganz fehlen. Das ist sicher sehr wichtig. Nur kommen
die genannten Autoren auf Grund dieser Befunde dazu, einen sich gewisser-
massen gegenseitig ausschliessenden Gegensatz zwischen funktioneller In-
snffidenz und Myokarderkrankung zu konstruieren. Da, wo überhaupt
Gewebsveränderungen im Myokard nachweisbar sind, verliert in ihren Augen
der Begriff der funktionellen Störung seine Berechtigung. „Überblicken wir
von diesen Gesichtspunkten aus die anatomischen Befimde in den Fällen von
Krehl und mir {Romberg 6, 1, S. 174), welche an den Folgen der gestörten
Herzthäügkeit, wirklichen Kompensationsstörungen zu Grunde gegangen sind,
münden wir bei der Mehrzahl anatomische Veränderungen von
einer Ausdehnungoder einer Beschaffenheit, dass das Versagen
des Herzmuskels hinreichend erklärt erscheint." „Wir würden aber
54 All gem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
ZU weit gehen, wenn wir in jedem Falle Abweichungen von der normalen Herz-
thätigkeit auf eine Erkrankung des Myokards beziehen wollten. Zweifellos
spielen auch funktionelle Störungen eine Rolle. Krehl und ich haben
schon früher auseinandergesetzt, wann wir dieselben annehmen dürfen."
In der bezeichneten Stelle (4, S. 157) heisst es, nachdem vorübergehende
Zustände von Ermüdung und die akute Überdehnung als funktionell an-
erkannt sind: „In allen anderen Fällen sollte man funktionelle Störungen
zur Erklärung einer pathologischen Verminderung der Herzkraft nur dann
heranziehen, wenn man sich durch eingehende anatomische Untersuchung
überzeugt hat, dass nicht Erkrankungen des Myokards verantwortlich zu
machen sind^\ Ich muss gestehen, dass mir diese sich ausschliessende
Gegensätzlichkeit — Ursache der Insufficienz in dem einen Falle nur
funktionelles Erlahmen, in dem anderen nur Myokarderkrankxmg nicht
verständlich ist.
Nehmen wir ein bestimmtes Beispiel. An einem Klappenfehlerherzen,
dessen Eigentümer unter den Erscheinungen der Kompensationsstörung
zu Grunde ging, finden sich Herzschwielen als Reste einer Myocarditis,
die gleichzeitig mit der den Klappenfehler verursachenden Endocarditis
sich entwickelte und abheilte. Wenn man diese Schwielen allein für die
den Tod herbeiführende Kompensationsstörung verantwortlich machen will,
so fragt es sich doch, warum sie ihre üblen Eigenschaften nicht gleich
nach ihrer Entstehung entfaltet haben, warum erst nach 6 oder 10 Jahren?
Und andererseits: Wenn es fest steht, dass ein ganz gesunder, d. h. in
diesem Falle schwielenloser Herzmuskel rein funktionell sich erschöpfen
kann, soll dann ein schwieUger Muskel gewissermassen gegen die Erschöpfung
immun werden? Dann brächte ihm ja der Defekt Nutzen I Nein beide,
das schwieUge und das schwielenlose Herz verhalten sich in ihrem mus-
kulösen Teil dem Klappenfehler gegenüber völlig gleich. Beide ziehen
zunächst ihre Reservekraft heran, beide hypertrophieren dann bis zur
völligen Kompensation. Der Unterschied ist nur der, dass der völlig ge-
sunde Muskel gleichen Anforderungen gegenüber länger aushält, als der
schwielige. Der letztere hat eben wegen des bleibenden Defektes lediglich
eine Chance weniger. Wenn der Besitzer des schwielenlosen Klappenfehler-
herzens sich den Strapazen eines Feldzugs unterzieht, während der des
schwieligen unter sonst gleichen Bedingungen des Klappenfehlers zu Hause
bleibt und sich schont, so wird der erstere aller Wahrscheinlichkeit nach
zu einer Zeit zu Grunde gehen, wo der andere noch schönster Kompen-
sation sich erfreut. Das klingt beinahe schon trivial. Und doch musste
es gesagt werden. Es ist nicht richtig, dass der Befund abgelaufener,
pathologischer Veränderungen das schliessliche Versagen eines Klappen-
fehlerherzens „erklärt", und dass nur ohne solche das Rätsel der funktio-
Allgemeine Pathologie des Ereislanfs. 55
neuen Erschöpfung besteht. Auch bei dem ersteren bleibt die Frage,
warum der noch vorhandene, bis zur Katastrophe normal funktionierende,
Anteil des Herzmuskels schliesslich erlahmt, genau ebenso bestehen, wie
bei dem Muskel ohne Befund. Nur das verstehen wir ohne weiteres, dass
der durch abgelaufene Prozesse in seinem Bestände geschädigte Muskel
gleichen Anforderungen gegenüber schlechter dran ist, wie der nicht ge-
schädigte.
Es ist selbstverständlich, dass diese kritischen Bemerkungen den hohen
wissenschaftlichen Wert der mühevollen, anatomischen Untersuchungen
von Kr eh 1 und Romberg in keiner Weise herabsetzen oder auch nur
antasten sollen. Der streng exakte pathologisch-anatomische Nachweis, dass
und wie häufig die Muskeln von Klappenfehlerherzen bereits geschädigt
in die Kompensation eintreten, ist sicher von grossem Interesse. Die vor-
gebrachten Bedenken beziehen sich nur auf die Verwertung derselben nach
der Richtimg hin, als ob die Frage, warum ein hypertrophierter Klappen-
fehleraiuskel (s. v. v.) schliesslich versagt, durch den Nachweis alter längst
abgelaufener Entzündungsprozesse ziu-eichend erklärt sei. Dass die Sache
bei akuten My okarditiden anders liegt, braucht nicht erst gesagt zu wer-
den. Hier kann der Entzündungsprozess selbst direkt die völlige Insuf-
ficienz herbeiführen (Herztod eines Typhösen etc.). Thut er das aber nicht,
dann kommt es schliesslich zur Heilung und zwar mit mehr weniger
grosser Defektbildung. Nun haben wir die Verhältnisse wieder vor uns,
die wir bisher besprochen haben. Die gesund gebliebene oder (soweit etwa
parenchymetöse Prozesse mit ins Spiel konamen, von denen wir jedoch
noch nicht viel wissen) die wieder gesund gewordene Muskulatur verhält
sich fernerhin, wie die des überhaupt gesunden Herzens. Sie passt sich
erhöhten Arbeitsleistungen an; sie hypertrophiert, wenn nötig; sie erlahmt
(erschöpft sich), wenn die Anforderungen zu gross werden. Nur die
Schwelle der maximalen Leistungsfähigkeit des Herzens im ganzen ist
tiefer gerückt.
Diese Betrachtimgen finden eine wichtige Unterstützung durch zwei
schöne Arbeiten, die aus Dehios Klinik in Dorpat stammen. Beide sind
direkt durch die eben besprochenen Arbeiten der Leipziger Schule angeregt
worden. Die erste rührt von Radasewsky (18) her. Dieser Autor hat
sechs kranke menschliche Herzen nach der Methode von Krehl genau
anatomisch untersucht und zwar nicht nur — wie bisher meist geschah —
die Ventrikel, sondern mit besonderer Sorgfalt die Vorhöfe. Er fand
üebeu und ausser der bekannten in Form von Schwielen und disseminierten
Herden auftretenden Muskelerkrankung noch eine andere, bisher wenig
beachtete, bezw. ganz imbekannte Art der Erkrankung, die er als
diffuse fibröse Degeneration des Myokardium bezeichnet. Es
56 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
handelt sich dabei um eine allgemeine Vermehrung des normal präformier-
ten Bindegewebes der Herzwandungen. In ausgesprochenen Fällen sind
die Muskelbündel, die im normalen Herzen dicht bei einander liegen, durch
neugebildetes Bindegewebe, so auseinander gedrängt, dass der Quermesser
der Bindegewebezüge in Schnittpräparaten den Radius der in das Binde-
gewebe eingebetteten Muskelbalken oft um das Vielfache übertrifft. Diese
diffuse fibröse Degeneration des Herzfleisches ist — imd darauf legt Rad a-
sewsky besonders Gewicht — in der Wand der Vorhöfe häufig
viel stärker ausgeprägt als in den Ventrikelwandungen.
In der klinischen Verwertung dieses Befundes ist Radasewsky bei
der Kleinheit seines Materials noch sehr vorsichtig. Lediglich den Schluss
glaubt er ziehen zu dürfen, dass die bei chronischer Myokarditis so häufig
zu beobachtende hochgradige Irregularität der Herzthätigkeit nicht, wie
bisher meist geschah, aus den Veränderungen der Ventrikel (Schwielen-
bildung) zu erklären sei, sondern ihre Ursache in der diffusen, fibri^en
Degeneration der Vorhöfe habe.
Auf diesem von Radasewsky angebahnten Wege schreitet Sack (16)
in der zweiten Arbeit rüstig fort.
Dieser Autor hat nach der Kr eh Ischen Methode nicht nur Her-
zen von herzkranken Individuen, sondern auch Herzen von Indi-
viduen verschiedenen Alters, die keine klinischen Symptome
einer Herzerkrankung erkennen Hessen, untersucht. Unter den
letzteren findet sich folgender Fall (VI, S. 51). 52jähriger Mann mit Neph-
ritis parenchymatosa chronica, Arteriosklerose. Klinisch von Seiten des
Herzens nichts Abnormes. Puls bleibt (während einer sechs Wochen langen
Beobachtung im Krankenhause) stets regelmässig und rhythmisch. Tod
unter hochgradiger, allgemeiner Schwäche. Es findet sich ausser der ehren,
parenchymatösen Nephritis schwielige Myokarditis des linken Ventrikels:
„Die Wandung des linken Ventrikels 1,5 cm dick, von zäher Konsistenz, von
reichlicher Bindegewebsmasse durchsetzt (makroskopisch!), seine
Höhle massig diktiert". Vom genaueren Befund (der nachgelesen werden
möge, S. 55.) nur soviel: Myokard an der Basis der Ventrikel recht gut
erhalten, nur ist auch hier schon eine mittelstarke, interfascikuläre Binde-
gewebsvermehrung zu finden. — Der mittlere Abschnitt des linken Ven-
trikels bis auf 3 schon makroskopisch sichtbare Schwielen, fast normal. —
Unterer Abschnitt der Ventrikel wird von makroskopischen Schwielen
durchsetzt. „Diese sind cirkumskript, bestehen aus derbem Bindegewebe
und sind an vielen der angefertigten Präparate so zahlreich, dass man von
normaler Muskulatur nur wenig zu sehen bekommt."
In der Epikrise sagt der Verfasser wörtlich: „Offenbar haben wir es
liier mit einem schon lange abgelaufenen, myomalacischen Prozesse zu
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 57
thiiD, dessen wirkliche Folgen das Herz durch kompensatorische Hyper<
trophie der noch erhaltenen Muskelmasse Oberwunden hatte. Klinisch
war jedenfalls eine schwerere Herzaffektion nicht zu erkennen gewesen; der
Puls war stets rhythmisch und regelmässig". Entsprechend dem bis zu-
letzt funktionstüchtigen Zustande der hypertophierten Muskulatur sei Patient
auch nicht einem Herzleiden, sondern der Nierenaffektion erlegen. Es braucht
nicht erst angeführt zu werden, dass dieser Fall eine gradezu klassische
Illustration der oben ausgeführten Anschauungen darstellt. —
Für den Verf. (Sack) ist dieser Befund jedoch ein mehr nebensäch-
licher. Das Schwergewicht seiner Arbeit liegt in dem genaueren Stadium
der von Radasewsky zuerst beschriebenen diffusen, fibrösen De-
generation des Herzfleisches.
Es handelt sich nach der Schilderung Sacks um eine Wucherung
des intramuskulären, normal präformierten Bindegewebes, mag dieses zwischen
denMuskelbündeln (interfascikulär), oder zwischen den einzelnen Muskel-
fasern (interstitiell) liegen. Dieser hyperplastische Prozess ist stets diffus,
und von der eirkumskripten, herdweise auftretenden, Herzschwielen bilden-
den Myokarditis anatomisch und ätiologisch wohl zu unterscheiden. Ebenso
sicher sei es, dass dieser Bindegewebswucherung nicht etwa myomalacische
Prozesse vorausgingen. Das Primäre sei vielmehr die Wucherung des Binde-
gewebes selbst, welche sekundär die Muskulatur bis zu einem gewissen
Grade zum Schwund bringen könne. Diese diffuse fibröse Degeneration
des Herzfleisches ist eine sehr häufige Erkrankung, die bei den verschieden-
artigsten Herzaffektiemen vorkommen kann. Am häufigsten und inten-
sivsten befällt sie die Vorhofswandungen, also diejenigen Herzab-
schnitte, die lange Zeit am stärksten einer Überbürdung ausgesetzt und
dadurch diktiert gewesen sind.
Das führt den Verf. zu dem interessanten Schluss, dass es sich um
einen kompensatorischen Vorgang handele, durch welchen die be-
sonders überlasteten und der Gefahr der Überdehnung ausgesetzten Herz-
abschnitte (besonders die Vorhöfe) widerstandsfähiger gegen den erhöhten
ßinnendruck werden. (Analogie: kompensatorische Verstärkung der Ge-
fässwand bei Arteriosklerose infolge dauernd erhöhten Blutdrucks).
Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Auffassung (deren ausführ-
liche Begründung in der Originalarbeit nachgelesen werden möge) sehr
viel Bestechendes hat. Jedenfalls erscheint die Dorpater Arbeit als sehr
geeignet, in wirksamster Weise der oben zur Genüge charakterisierten Ein-
seitigkeit der Leipziger Schule in der Verwertung anatomischer Befunde
Zur „Erklärung" des Herzinsufficienz entgegen zutreten.
Die grosse Bedeutung des Herzmuskels, der in der That gegenüber
dem Klappenapparat des Herzens in der klinischen Betrachtung lange
58 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Zeit zu sehr zurückgetreten ist, wird von His jun., Krehl und Rom-
berg (4) auch noch nach einer andern Richtung hin prinzipiell hervor
gehoben. Nachdem schon von physiologischer Seite, namentlich durch
Gaskell, Engelmann und andere der Sitz der Herzautomatie von den
Herzganglien fort und in die Muskulatur selbst verlegt wurde, haben die
genannten Autoren dieser Lehre auf Grund eigener Untersuchimgen auch
in die klinische Medizin Eingang zu verschaffen versucht. Es ist hier
nicht der Ort, diese schwerwiegende für die Auffassung jeder Art von
Herzarythmie grundlegende Frage ausführlich zu diskutieren. Die Ent-
scheidung für oder wider kann wohl weder durch entwickelungsgeschicht-
liche Analogieeu, noch durch klinische Beobachtungen allein erbracht
werden. Sie erwächst auf dem Boden des physiologischen bezw. physio-
pathologischen Experiments.
Ohne selbst Stellung zu nehmen begnüge ich mich damit, die neusten
Äusserungen hervorragender Autore über diese den Kliniker ebenso, wie
den Physiologen interessierende Frage wiederzugeben. Zunächst äussert
sich kein Geringerer, wie Altmeister von Kölliker (14) in einem wichtigen,
auf der Naturforscherversammlung in Wien gehaltenen Vortrage, der neuen
Lehre gegenüber durchaus ablehnend. Er sagt:
„Alles zusammengenonunen, stelle ich den Satz auf, dass alle auto-
matisch und rhythmisch sich bewegenden Apparate, die Atemmuskeln, das
Blutherz und die Lymphherzen, beim erwachsenen Geschöpfe in erster
Linie imter dem Einflüsse des Nervensystems stehen und im Leben wesent-
lich von demselben abhängen, mit welchem Satze selbstverständlich keine
Andeutung über die letzten Ursachen der Leistungen der betreffenden ner-
vösen Apparate gegeben ist. Den Herzganglien schreibe ich die
Fähigkeit zu, sowohl die Vorkammern, als auch die Kam
mern zu automatischer und rhythmischer Thätigkeit zu ver-
anlassen. Inwieweit bei der Herzthätigkeit selbständige, nicht von den
Nerven angeregte Leistungen der Muskelfasern eine Rolle mitspielen, ist
eine Frage, die nach den Ergebnissen der neuesten Untersuchungen auf-
geworfen werden kann, aber vorläufig nicht mit Bestimmtheit zu beant-
worten ist."
His (11) erwiedert in einem Aufsatz: „Herzmuskeln und Herzganglien*',
in dem er auf seine früheren Beobachtungen zurückgreift vmd seinen be-
kannten Standpunkt von neuem präzisiert.
Eine in gewissem Sinne vermittelnde Ansicht vertritt Langendorff(19),
der sich neuerdings folgendermassen äussert: An der Hand einer geschicht-
lichen Betrachtung der bisherigen Untersuchungsergebnisse lässt sich dar-
thun, dass kein Grund vorliegt, die Ansicht von der neurogenen Natur
der Herzbewegimg aufzugeben, dass vielmehr die gegen dieAutomatie
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 59
der Herzganglien angeführten Gründe (Pulsieren der ganglienfreien
Herzspitze unter gewissen künstlichen Bedingungen, Thätigkeit des gangUen-
zellenlosen Herzens im Embryo und bei wirbellosen Tieren, angebliche
Abkunft der Nervenzellen des Herzens von sensiblen Embryonalelementen)
nicht stichhaltig sind. Erscheint nun aber auch die Annahme berechtigt,
dass die Nervenzellen des Herzens den Angriffspunkt für die autochthonen
Herzreize bilden, so liegt andererseits die Ursache der Rhythmik viel-
leicht im Herzmuskel selbst."
An dieser Stelle mag es dem Referenten gestattet sein, einer künischen
Studie von ihm (Martins) über „Tachykardie*' (7a) Erwähnung zu thun, die
Yor kurzem die Presse verlassen hat. Es ist in dieser Arbeit der Nachweis ver-
sucht, dass die lange Zeit übliche, mechanische Uebertragung des physio-
logischen Innervationsschemas des Herzens auf die pathologischen Vorgänge
und zwar speziell auf die verschiedenen Arten von Tachykardien eine vor-
eilige gewesen ist und keineswegs die letzteren sämtlich in genügender
Weise „erklärt". Die veränderte Auffassung trifft besonders die sogenannte
paroxysmale, essentielle Tachykardie. Martins sieht bei dieser Krank-
heit die Tachykardie nicht als das WesentUcho (EssentieUe) des Vorganges,
soudem nur als ein sekundäres Symptom an. Das Primäre sieht er
in einer anfallsweise auftretenden, akuten Herzerweiterung.
Da sich andere Autoren über die Richtigkeit dieser neuen Auffassung
noch nicht geäussert haben, müssen wir uns darauf beschränken, hier
lediglich die Schlusssätze zum Abdruck zu bringen.
1. Es giebt keine Krankheit „Tachykardie". Auffällige Erhöhung
der Pulsfrequenz über die Norm ist immer und unter allen Umständen
lediglich Symptom, d. h. Begleiterscheinung bezügUch Folge eines anderen
primären krankhaften Vorganges oder Zustandes.
2. Am längsten bekannt ist die Tachykardie im Fieber, also die Puls-
beschleunigung, die die Folge ist einer Temperaturerhöhung des Blutes,
und die Tachykardie bei organischen Erkrankungen des Herzens (Klappen-
fehler, Überdehnungen etc.).
3. Gut charakterisiert und von allen anderen „Tachykardieen" streng
zu sondern ist die Erhöhung der Pulszahl nach Aufhebung des Vagus-
einflusses auf das Herz durch materielle Läsion (Leitungsunterbrechung
eines oder beider Vagi, Zerstörung des Vaguskerns in der Med. oblongata).
Die Tachykardie als echtes Vagussymptom zeigt klinisch gute Überein-
stimmung mit den durch das physiologische Experiment bekannten Folgen
der Vagusdurchschneidung. Die Pulssteigerung hält sich in mittleren
Grenzen (bis etwa zu 150 Schlägen in der Minute), ist dauernd. Eine Di-
latation des Herzens tritt als blosse Folge der Aufhebung des Vagusein-
flusses auf dasselbe nicht hervor.
60 Allgem. patbol. Morphologie and Physiologie.
4. Beweise für die Entstehung eines tachykardischen Anfalls infolge
eines rein funktionellen primären (nicht reflektorisch bedingten) Aus-
falles der hemmenden Vaguswirkung auf das Herz sind bislang in keiner
Weise erbracht.
5. Dagegen steht es fest, dass auf reflektorischem Wege Änderungen
des Herzrhythmus (besonders Beschleunigungen und Unregelmässigkeiten)
nicht selten beobachtet werden. Die auf diesem Wege, am häufigsten bei
dazu disponierten Personen (Neurasthenikem) auftretenden tachykardischen
Anfälle zeigen im wesentUchen dieselben klinischen Charaktere, wie die
Pulsbeschleunigungen nach Vagusläsionen. Die Pulsfrequenz hält sich in
mittleren Grenzen vmd zur Ausbildung von Dilatationen kommt es (wenn
nicht andere Ursachen eingreifen) nicht.
6. Die höchsten Grade von Pulsbeschleunigung wurden beobachtet
als konstantes und sekundäres Symptom der anfallsweise auftretenden
akuten Herzerweiterung. Die bisher für diese Anfälle übliche Bezeichnung:
paroxysmale essentielle Tachykardie ist unzutreffend, weil sie das Symptom
zur Krankheit macht. Die Pathogenese des Anfalls selbst ist noch ebenso
dunkel, wie die Entstehung der denselben begleitenden excessiven Tachy-
kardie.
7. Ausser bei den genannten krankhaften Zuständen und Vorgängen
ist vorübergehende oder dauernde Tachykardie eine häufige Begleiterschei-
nung neurasthenischer und hysterischer Zustände, der Basedowschen
Krankheit, gewisser Vergiftungen, allgemeiner Schwächezustände etc.
Die Arbeit bringt auch ein möglichst vollständiges Verzeichnis der
Tachykardie-Litteratur. — Von weiteren Arbeiten, die sich mit pathologi-
schen Störungen der Schlagfolge des Herzens beschäftigen, schUessen sich
hier die von Dehio (12 a. u. b.) und Heubner (13) an. (Die schon aus
dem Jahre 1890 stammende zusammenfassende Bearbeitung der Bradykardie
von Riegel muss als bekannt vorausgesetzt werden.) Dehio (12. a) be-
schäftigt sich in seiner ersten Arbeit im besonderen mit der Bradykardie
der Rekonvalescenten. An die Spitze einer jeden Diskussion über Brady-
kardie stellt Dehio die Unterscheidung zwischen kardialer und extra-
kardialer Verlangsamung der Schlagfolge, d. h. die Entscheidung der
Frage, „ob die Verlangsamung der Herzthätigkeit durch eine Schädigung
des motorischen Apparates des Herzens selbst bewirkt ist, oder durch eine
vom centralen Nervensystem ausgehende Reizung im Gebiete der herzver-
langsamenden Vagusfasem, resp. eine Lähmung der herzbeschleunigenden
sympathischen Nervenfasern verursacht wird. Die Entscheidung trifft er
im einzelnen Falle durch den „Atropin- Versuch", „Da bekanntlich das
Atropin die Endigungen der Vagusfasern im Herzen lähmt, so ist diese
Frage durch eine subkutane Injektion dieses Alkaloids leicht zu lösen.
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 61
Wenn die Atropininjektion eine Beschleunigung der Schlagfolge des Herzens
bewirkt, so handelt es sich um eine extrakardiale Bradykardie ; wenn dieser
Erfolg der Einspritzung ausbleibt, so haben wir es mit einer kardialen
Bradykardie zu thun*\
Da nun (mit einer Ausnahme) die Herzthätigkeit der während der
Bradykardie mit Atropin behandelten Rekonvalescenten sich als refraktär
gegen dieses Mittel erwies (die beim Gesunden zu beobachtende konstante
Steigerang der Pulsfrequenz blieb aus), so schUesst Dehio, dass die frag-
liehe Bradykardie eine kardiale sei. „Da uns die letzten Ursachen, welche
die permanente, rhythmisch-automatische Herzthätigkeit unterhalten, unbe-
kannt sind, so können wir nur sagen: Das Herz hat die Fähigkeit ver-
loren, in normaler Frequenz zu pulsieren. Und da die klinische Beobach-
tung ans lehrt, dass die einzelnen Herzrevolutionen jedenfalls keine grösseren
Blutquanta in die arterielle Bahn werfen, als in der Norm, da vielmehr
der elende Puls und die mangelhafte Qrkulation das Gegenteil beweisen,
so folgt daraus, dass die mechanische Arbeitsleistung während der Brady-
kardie unter das gewöhnliche Mass gesunken ist. Die Bradykardie der
Rekonvalescenten ist also ein Ausdruck der Herzschwäche und
als solche zu beurteilen."
hl einer zweiten, eng mit der vorigen zusammenhängenden Arbeit
(12. b) untersucht Dehio unter denselben Gesichtspunkten den Einfluss
der Atropininjektion auf dieHerzarythmie. Er beobachtete, dass in aus-
geprägten Fällen von arythmischer Herzthätigkeit die Frequenz der Herz-
schläge durch Atropin ebenso wenig gesteigert wurde, wie bei der kardialen
Bradykardie. Deshalb müssen wir die letzten Ursachen der
Arythmie im automatischen Apparat des Herzens selbst und nicht
in den der Herrschaft des Vagus unterworfenen Hemmungsvorrichtungen
desselben suchen.
Schliesslich betont Dehio auf Grund des gleichen Verhaltens gegen-
über dem Atropin die innere Verwandtschaft beider Affektionen (der Brady-
kardie und der Arythmie). [Wenn der Verfasser im Schlusssatze dieser
Arbeit sagt: „Böi beiden Störungen (der Arythmie und der Bradykardie)
bat also der Vagus seinen reguUerenden Einfluss auf die Schlagfolge des
Herzens teilweise oder ganz verloren" , so ist das in dieser Fassung wohl
schwerlich haltbar. Wenn lediglich der Vagus seinen regulierenden Einfluss
verliert, so entsteht — Tachykardie, nicht Bradykardie!]
Heubner (13) widerlegt in seiner praktisch wichtigen Arbeit die
veitverbreiteten Vorurteile, dass 1. das Vorkommen irregulärer Herzaktion
im Kindesalter etwas Seltenes sei und dass 2. weim unregelmässiger Puls
bei Kindern vorkommen, das Auftreten desselben immer auf das Vorhanden-
sein eines Himleidens, insbesondere der tuberkulösen Meningitis oder aber
62 Ällgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
allenfalls eines Herzleidens sich zurückführen lasse. Heubner beobachtete
kindliche Herzarythmieen bei Vergiftungen (Stechapfelsamen, Digitalis,
Opium), bei Digestionsstörungen, im Verlaufe von Infektionskrankheiten
(Scharlach !), bei schwächlichen, rhachitischen blassen Kindern ohne weitere
besondere Ursache, infolge von Darmparasiten etc. Die Pathogenese ist in
den meisten dieser Fälle noch dunkel.
Eine grössere Reihe von Arbeiten der letzten Jahre beschäftigt sich —
wesentlich auf die durch den Ref. gegebene Anregung hin — mit der
Deutung des Kardiogrammes. Da die Angelegenheit noch im Fluss
sich befindet, wird für jetzt von einer kritischen Besprechung abgesehen.
Ref. behält sich eine solche für einen der nächsten Jahrgänge der „Ergeb-
nisse" ausdrücklich vor.
Für dieselbe Gelegenheit sollen auch die sonstigen, das CSrkulations-
system betreffenden graphischen Arbeiten [D. Gerhard (10. 6)] etc. auf-
gehoben w^erden.
Dagegen muss erwähnt werden, dass Ref. (Martius 7, b) die von
ihm ursprünglich in Anlehnung an seine Kardiogrammarbeiten entwickelte
neue Lehre vom Herzstoss („Der Herzstoss ist im wesentlichen
eine Funktion der Verschlusszeit'') neuerdings ganz unabhängig
von jeder Kardiograramdeutung lediglich an den klinischen Erfahrungs-
thatsachen gemessen und durch die unmittelbare Beobachtung der Herzthätig-
keit des gesunden und kranken Menschen zu beweisen gesucht hat. Auch
diese Arbeit hani; noch der Kritik. Vielleicht ist es bereits im nächsten
Jahre angängig, auch auf diese wichtige Frage im Zusammenhange zm^ück-
zukommen. Für dieses Mal soll nur die Arbeit von Hochhaus und
Quincke: „Über frustane Herzkontraktionen*' (8) noch kurz hervorge-
hoben werden. Die Verfasser bezeichnen mit diesem Ausdruck das vom
Ref. mehrfach als „Gegensatz zwischen starkem Stoss und schwachem
Puls" besprochene Phänomen, das als sicheres Zeichen der Schwäche (un-
vollkommenen Entleerung) eines stark vergrösserten (erweitertem und ev.
auch wandverdickten) Herzeus anzusehen ist. Für die Auffassung der
Herzstossgenese sind solche Fälle von besonderer Wichtigkeit.
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werkes sind nach ihrem ersten Erscheinungsorte (Deutsches Arch. f. kl. Med.) besonders
citiert.
Allgemeine Pathologie des Kreislaufs. 63
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Mllflchaft in Rostock. 1895.
B.
SpeziöUe Kreislaufstörungen.
Entzündung.
Von
S. Samuel, Königsberg i. Pr.
Litteratur.
Die reichbaltige Litteratnr ist fttr die Berichtsperiode 1890—94 möglichst YoUstAndig
gesammelt und alphabetisch geordnet worden. Des VerstAndnisses wegen waren Rfick-
griffe auf einzelne frQhere Arbeiten unerlftsslich. Bei der Fttlle des Materials konnten
detaillierte Besprechung nnr die fflr die allgemeine Entzflndnngslehre wichtigeren Arbeiten
Platz finden, znmal ein Teil noch bei der speziellen pathologischen Anatomie Erwähntmg
finden muss. Nachträge bleiben vorbehalten.
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kunft und Umwandlungen. Virchows Arch. Bd. 182. 1898. S. 502.
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Die gegebene Grundlage jeder Darstellung des Entzündungsprozesses
muss stets das Bild der akuten Entzündung bleiben, wie es die Beobach-
tung am lebenden Menschen seit Jahrtausenden festgestellt und immer
wieder bestätigt hat. Dieser überaus häufige Krankheitsprozess bleibt trotz
aller Kompliziertheit sehr gleichartig und nimmt in sich einen so regel-
mässigen Verlauf und Ablauf, dass man schon vorgeschlagen hat, die
Entzündung geradezu den physiologischen Begriffen der Verdauung, At-
mung und Zeugung anzureihen (E. Neumann). Wie kompUziert die
akute Entzündung auch ist, von der Cirkulationsstörung hat die
Entzündung ihren Namen, sie tritt in den Vordergrund, sie charakteri-
siert den ganzen Prozess, sie bestimmt seinen Verlauf,
Diesem alten fundamentalen Entzündungsbegriffe hat Metschni-
koff (49) in seiner Pathologie compar^e de Tinflammation etwas ganz anderes
zu substituieren versucht, „die Ansammlung von Fresszellen, vonPhago-
cMen um einen Reizkörper". Sowohl bei Wirbeltieren (Kaninchen, Frö-
schen, Tritouen), als auch bei Wirbellosen (Spongien, Mollusken, Daph-
nien und Regenwürmern) fand er, dass die Einführung kleiner Partikel-
eben von Kanninpulver, wie auch von Bakterien u. dergl. in den Körper
des Versuchstieres eine Anhäufung von Mesodermzellen , von Leukocyten
zur Folge hat und dass diese Zellen jene Fremdkörper mindestens um-
%em, zum Teil aber in ihren eigenen Leib aufnehmen und in sich zer-
stören. Die Entzündung sollte dadurch als eine allgemeine Naturer-
^lieinung, als ein überall anzutreffender Kampf von Phagocyten gegen
Krankheitserreger, als ein Wehrmittel der Organismen erscheinen.
Diese Verallgemeinermig des Entzündungsbegriffes und ihre Identifi-
zierung mit der Phagocytose ist unstatthaft. Nicht bei allen Ent-
zündungen erfolgt überhaupt Leukocytenaustritt, viele bleiben lange Zeit,
manche stets auf dem Standpunkt flüssiger Exsudation allein, bei manchen
wie bei den hämorrhagischen und degenerativen Entzündungsformen sj)ielt
der Leukocytenaustritt und die Phagocytose eine ganz verschwindende
Rolle. Andererseits sind Leukocyten-Emigration und auch Phagocytose
gar nicht an Entzündung gebunden, sie kommen ganz ausserhalb dieses
gg Allgem. pathoJ. Morphologie und Physiologie.
Prozesses vor und spielen eine früher ungeahnte Rolle (74) bei der Ver-
dauung, bei dem normalen Abbruch und der Auflösung der Gewebe (74), bei
der Histolyse überhaupt. Auf die Stellung der Phagocytose innerhalb
des Entzündungsprozesses wird später zurückzukommen sein, hier galt es
nur die Identifizierung beider Vorgänge, einer pars höchstens pro toto
zurückzuweisen. Vergleichungen von Entzündungsprozessen bei Tieren
mit denen des Menschen können nur von denjenigen Tieren hergeleitet werden,
die vollständig analogen Entzündungsprozessen unterliegen, also besonders
von Säugetieren, andere AnaJogieen klären nicht, sondern erschweren die
Lösung.
Der akute Entzündungsprozess ist es allein, der alle charakteristischen
Merkmale aufzuweisen hat, der chronische kann nur in seinem Zusammen-
hang mit dem akuten und in seinen Modifikationen gegenüber dem akuten
studiert werden. Der akute bildet den Grundprozess. Sichtlich sind
beim akuten Entzündungsprozess intravaskuläre und extravaskuläre Ver-
änderungen nachweisbar, Rubor und Calor einerseits, Tumor und Dolor
andererseits. Daran ist vielfach die Frage geknüpft worden, wo steckt das
erste GUed der Entzündung? Die Blutgefässe sind in den Geweben ein-
gebettet. Aus dieser räumlichen Anordnung folgt, dass jede Entzündungs-
ursache, die sich leicht verbreitet oder an sich nicht ganz unbedeutenden
Umfang hat, fast gleichzeitig oder unmittelbar nach einander primöre
Veränderungen, Läsionen in den Geweben sowohl, wie in den kleineren
Blutgefässen notwendig hervorbringen muss. Nur an wenigen Körperstellen
können Entzündungsursachen primär das Gewebe isoUert treffen und auch
die Gefässe isoliert treffen. Gefässlose Gew^ebe können prifaär von Ent-
zündungsursachen affiziert werden, doch lässt sich nicht von allen gefäss-
losen Geweben aus ein Entzündungsprozess hervorrufen, nicht von Haaren,
Nägeln, Federn aus, von deren Matrices abgesehen. Hingegen lässt sich von
der gefässlosen Kornea aus durchgängig, von der Epidermis aus, sobald die
Entzündungsursache irgend wie die tieferen Schichten affiziert, durch primäre
isolierte Läsion des Gewebes Entzündung hervorrufen. Ebenso ist es anderer-
seits mögUch, besonders durch septische Emboli primär allein, die Innen-
fläche grösserer Gefässwände zu affizieren. Die Frage wo das erste GUed der
Entzündimg steckt (71), ist, wenn man die primäre Läsion als erstes Entzün-
dungsglied betrachten will, auf Grund offenkundiger Thatsachen also zu beant-
worten: Die primäre Läsion trifft bei den Entzündungsursachen seitens
einzelner und an bestimmten Stellen zunächst nur die Gewebe allein, seitens
anderer nur die Gefässe allein, seitens der meisten Gewebe und Gefässe
bald nach einander. Immer aber spielt auch die primäre Gewebsläsion und
deren Art — ob durch mechanische, chemische, physikalische, parasitäre
Faktoren hervorgerufen — eine ganz entscheidende Rolle für Form und
Entzündung. 69
Art des EutzünduDgsprozesses. Trotz dieser Anerkennung der Wichtigkeit
der primären Gewebsveränderung ist die Fragestellung nach dem zeitlich
ersten Gliede der Entzündung eine irrelevante, denn die primäre Gewebs-
läsion bildet an sich noch gar keinen charakteristischen Entzündungsvor-
gang. Bleibt es bei dieser primären Gewebsläsion, z. B. bei gleichzeitiger
Anämie, so geht das afBzierte Gewebe ohne jede Spur von Entzündung zu
Grunde, alle Entzündungserscheinungen bleiben aus. Erst wenn von dieser
primären Gewebsläsion aus, also z. B. von einer Läsion der Mitte der Kornea
aus, der rückkehrende Stoffwechselstrom die Randgefässe affiziert und diese
zudem entzündlichen Rubor und Calor mit den Konsequenzen von Tumor und
Dolor veranlasst, erst dann ist die Entzündung da. Nicht also das erste
Glied der Entzündvmg können vnr als das entscheidende betrachten, son-
dern stets erst den Eintritt der charakteristischen Cirkulationsstörung.
Bleibt diese aus, so haben wir gar keine Entzündung, tritt sie ein, auch
ohne dass eine primäre Gewebsveränderung eingetreten, so haben wir die
Entzündung anzuerkennen. Die primäre Gewerbsläsion rangiert nur als
Anlasszum Eintritt der Cirkulationsstörung, erst mit der eigentümlichen
Cirkulationsstörung ist die Entzündung da, wenn auch für die Ent-
zündungsform, wie ausdrücklich wiederholt werden mag, die Art der primären
< Gewebsläsion von grossem Einflüsse ist. Von den beiden Entzüudungs-
Komponenten, der Gefäss- und Gewebsaffektion ist die Gefässaffektion die
für den Entzündungsprozess entscheidende, die primäre Gewebsläsion ist
hubordiniert, die sekundären und tertiären Gewerbsveränderimgen sind
trsst konsekutiv.
Hat denn nun aber die Cirkulationsstörung im Entzündungsprozess
ül»erhaupt etwas charakteristisches? Wäre es nicht richtiger, mit Thoma (78)
und A ndral diesen Begriff ganz fallen zu lassen? Thoma (80) kommt neuer-
dings auf diesen seinen Vorschlag zurück, weil „der Begriff der Entzün-
dung unter allen Umständen ein so allgemeiner und unbestimmter ist,
flass er nahezu mit dem Begriffe der lokalen Erkrankung zusammenfällt
und daher in der Kegel einer sachlichen Bedeutung entbehrt." Rechnet man
Wüzu, dass die meisten Cirkulationsstörungen bei längerer Dauer eine
Alteraüon der Kapillarwand, im Sinne Cohnheims also eine Vermehrung
derDurchlässigkeit der Kapillarwand zur Folge haben, so erscheint die Ent-
zündungslehre vonCohnheim, die Auswanderung der meisten Blutkörper-
chen infolge Alteration der Kapillarwand unhaltbar.*' Dagegen ist jedoch
bervorzuheben, dass Thoma Cohnheim durchaus miss versteht, wenn er
glaubt, dass dieser die Alteration der Gefässwände mit der Leukocyten- Aus-
wanderung identifiziert habe. Cohnheim erkennt vielmehr in seiner allge-
meinen Pathologie an den verschiedensten Stellen (11, 12) durchaus Entzün-
dungen mit lediglich seröser Exsudation an mid zwar nicht bloss in den An-
70 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
fangsstadien und in der Peripherie, sondern auch „dauernd bei Entzündungen
schwachen Grades, bei denen die Gefässwandveränderung eben nur stark genug
geworden ist, um eine gesteigerte Flüssigkeitstranssudation, nicht aber auch
eine reichliche Extravasation körperiicher Elemente zu gestatten." Auch auf
die relative Häufigkeit der serösen Entzündungen hat er ausdrücklich die
Aufmerksamkeit gewendet, wenn er auch dabei die Diarrhoe als Hypersekre-
tion von Darmsaft anzusehen geneigt war. Samuel aber, von dem die Be-
zeichnung Alteration der Gefässwände im Entzündimgsprozesse überhaupt
herrührt (63), hat diesen Begriff von vornherein weit allgemeiner gefasst.
Jede erheblichere Nutritipnstsörung der Wände eines Gefässnetzes re?p.
der Vasa vasorum muss zur Störung der Funktionen dieser als Strombett
des Blutes organisierten Gefässwände führen. Die ganze Gefässwand leidet,
sowohl in ihrer inneren Epithelialfläche, als in ihrer Durchlässigkeit; nicht
minder leidet ihre Kontraktilität und Elastizität. Da diese geringe Nutritions-
störung der Gefässwände in toto nur selten den Ausgang in Gefässuntergaiig
nimmt, so tritt auch später nicht bloss eine Restitution, sondern auch eine
Proliferation des Gefässnetzes von den proliferationsfähigen Gefässen durch
Abnahme der Wachstumswiderstände wieder ein. Der Ausdruck „Alteration**
sollte zunächst mit einem treffenden Worte sowohl gegen die spasmodische wie
gegen die paralytische Entzündungstheorie Stellung nehmen und sagen:
bei der Entzündung handelt es sich nicht bloss um KaUberveränderungen
der Gefässe, Erweiterung, Verengung derselben, sondern um Ernährungs-
störungen und um Ernährungsstörungen der Gefässwand in toto. Auch
zum Ausschluss der alten Attraktions- wie der cellularen Eduktionstheorie
hielt Samuel das Wort Gefässwandalteration für das geeignetste (64).
Es ist auch gar nicht die Rede davon, dass die meisten Cirkulationsstörungen
bei längerer Dauer eine Alteration der Gefässwände in diesem Sinne her-
vorrufen könnten, nicht einmal die erhöhte Durchlässigkeit der Gefäss-
wände noch die gesamte Nutritionsstörung derselben. Weder die Sym-
pathikuslähmung vermag dies, noch die Reizung der Diktatoren, nocli
die arterielle Anämie. Nur die venöse Stauung, kombiniert mit arterielkT
Kongestion, vermag ein ähnliches Bild zu erzeugen; doch unterscheidet
sich auch dieses durch das bei der Stauung weit eiweisärmere Transsudat,
den grösseren Reichtum an roten, den weit geringeren an weissen Blut-
körperchen von dem Entzündungsexsudat. Vollständig fehlt die entzünd-
liche Ernährungsstörung der Gewebe und die Gefässproliferation. Gan;^
anders gestaltet sich endlich der Verlauf der beiden Prozesse. So ist denn
gar nicht abzusehen, wie der Begriff der Entzündung ein so allgemeinei
und unbestimmter sein könnte, dass er mit dem Begriffe der lokalen Er-
krankung zusammenfallen könnte.
Sagten wir vorher, dass unter den beiden Komponenten des Ent
Entzündung. 71
zündungsprozesses, der Gefäss- und der Gewebsaffektion, die Gefässaffektion
die charakteristische bildet, so müssen wir jetzt die Gefässaffektion als die
durch eine Alteration der Gefässwände sieh ausdrückende Strukturverände-
rung derselben anerkennen. Durch das Eingreifen der Alteration und ihrer
Folgen in den Lokalkreislauf ergeben sich die weiteren Folgen.
Das Studium des Lokalkreislaufs unter der Alteration der Gefässwände
i<t bisher entweder an ganz undurchsichtigen Stellen oder an mikroskopisch
durchsichtigen Stellen getrieben worden. Die letzteren wie Schwimm- und
Flughäute, Mesenterien sind unersetzlich für das Studium der Anfangs-
süidien der entzündüchen Cirkulation und Exsudation in allen Details. In
den mikroskopisch durchsichtigen Membranen führt aber die durch die
Eutzündimg herbeigeführte Cirkulationsstörung sehr bald zur vollen Stase
und damit, mit dem Stillstand jeder Blutcirkulation, zum Brande. Die Rück-
bildung, die restitutio in integrum wird dadurch gehemmt, ein jäher Abbruch
der Entzündung veranlasst. Zum Studium des Gesamtverlaufes, des normalen
Ablaufes des Entzündungsprozesses eignen sich daher dünne durclisichtige
Stellen nicht. Zur Ausfüllung dieser empfindlichen Lücke dienen auf das
Beste Versuche am Kaninchenohre. Das imversehrte Kaninchenohr gestattet
mikroskopische Beobachtung nicht. An albinotischen kleinen Ohren kann
man sich allerdings durch ganz leichte Verbrühung und Abziehung der
vorderen und hinteren Epidermisfläche Fenster von beliebigem Umfange
bilden, die ein mikroskopisch ganz klares Bild geben. Doch auch von der
Entzündung auf dieser dünnen Fläche gilt, was von anderen dünnen
Flächen gilt, die Entzündung geht leicht in Stase über, diese Wahlstelle
hat wegen ihrer Kleinheit nur Nachteile, keine Vorzüge vor andern mikro-
skopischen Wahlstellen. Als makroskopisches Beobachtungsobjekt für den
Entzündungsprozess hat aber das Kaninchenohr Vorzüge wie gar kein
anderes Objekt. Bei hellen Ohren ist die Durchsichtigkeit so klar, dass
auch der schwächste Entzündungsfleck, die kleinste Geschwulst der Auf-
merksamkeit nicht zu entgehen vermag. Damit verbindet sich der Vorteil,
dass in situ vöUig ungestört der ganze Verlauf des Prozesses von Beginn
an bis zum Ablauf und dem Schwund eines jeden Restes dem Beobachter
völlig klar vor Augen liegt. Alle Modifikationen des vielgestaltigen Pro-
zesses unterhegen dem systematischen pathologischen und therapeutischen
Experiment. Samuel (65) hat zur Herstellung möglichst isolierter Ent-
zündungsherde das obere Drittel des Ohres allein in Entzündung versetzt
und zwar durch Verbrühung auf drei Minuten mit Wasser von 54^ C.
Da man das Wasser so vollständig durch senkrechte Haltung der Ohrspitze
abtropfen lassen kann, dass auch nicht ein Tröpfchen abzufliessen vermag,
so bleibt die Entzündungsursache streng auf die Ohrspitze lokalisiert. Man
kann nun am Ohre nicht bloss das Schicksal des Entzündungsherdes verfolgen,
72 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
sondern kontrolliert, wie an gar keiner andern Körperstelle, einerseits die Be-
schaffenheit des das Blut in den Entzündungsherd einführenden Arterienstam-
mes und seiner Äste und Zweige, andererseits die Füllung und Beschaffenheit
der das Blut aus dem Entzündungsherde abführenden Venen, endlich die Ver-
änderung des ganzen benachbarten Parenchyms. Die Verändenmgen und
deren allmählicher Wandel, alles bleibt sichtbar. Betreffs der nötigen Kautelen
muss auf das Original verwiesen werden, hier haben wir uns nur mit den
Resultaten zu beschäftigen. Brüht man auch nur drei Minuten hindurch
mit 54° C, so zeigt sich sofort auf der gebrühten Stelle und allein auf
sie begrenzt, eine akute Entzündimg, unmittelbar bei der Herausnahme
und immer mehr sich steigernd. Der Entzündimgsrubor ist ein eigentüm-
licher, nur der Entzündung zugehöriger, der Entzündungsherd zeigt eine
ganz allgemeine gleichmässige Röte. Der Arterienstamm mit seinem sicht-
baren Doppelbogen ist dauernd erweitert, stark injiziert. Die Erweiterung
geht in diesen Fällen meist sofort über die der Sympathikuslähmung hin-
aus. Die rhythmischen Dilatationen und Kontraktionen der Arterie haben
im Bereiche des Entzündungsherdes völlig aufgehört. Auch die grossen
Venenstämme bis zu den kleinsten Venulae herab sind sichtlich dilatiert.
Die kleinen Venulae sind jedoch weit schwerer, als nach Sympathikuslähmung
distinkt und deutiich zu erkennen, weil eine allgemeine diffuse Kapillar-
hyperämie in bisher völlig imsichtbaren Kapillaren eingetreten ist. Normal
sind die Kapillaren des Kaninchenohres so wenig mit Blut gefüllt, dass
das Ohr blass aussieht Auch bei der rhythmischen Gefässdilatation und
nach Sympathikuslähmung ist eine deutliche starke Rötung der Arteriolae
sowohl wie der Venulae bis zu den Stämmen hinauf nachweisbar, doch
bleiben die blassen Zwischenräume deutlich zu erkennen. Auch die Kombi-
nation von Sympathicuslähmung und venöser Stauung reicht nicht aus,
um das Bild der gleichmässigen Röte hervorzubringen, das wir an einem ver-
brühten Ohre, wie auch an jedem stark entzündeten Auge erblicken. Das blasse
Parenchym hat einer ganz dichten Röte Platz gemacht. In engster Pres-
sung und vollster Ausspritzung mit Blut steht Kapillar an Kapillar. Diese
gleichmässige Kapillarinjektion, die auf voller direkter KapiUaratonie be-
ruht, ist ein charakteristisches Merkmal des Entzündungsrubors. Die
arterielle Kongestion vermag weder allein, noch selbst mit der venösen
Stauung vereint, eine solche Erweiterung der Kapillaren zu erzielen ; diese
Erweiterung ist auf eine direkte Elastizitätsverminderung der KapUlar-
wände zurückzuführen. Bei jeder entzündeten Konjunktiva sieht man das-
selbe Bild, nur dass hier die Arterien- und Venenstämme tiefer hegen und
daher der Beurteilung unzugänglich sind. Auch der Blutfluss lässt sich
überall am Ohre prüfen. Sticht man Arterien und Venen eines bloss
kongestionierten Ohres an, so fliesst reichlich Blut. Sticht man, zwischen
EntzünduDg. 73
den sichtbaren Gefässen das blasse kapillarhaltige Parenchym an, so kann
man dasselbe an den verschiedensten Stellen durchlöchern, ohne dass auch
nur ein Blutstropfen kommt. Aus dem frisch entzündeten Ohre jedoch
kommt nicht bloss beim Anstich von Arterien und Venen ein reichUcher
Blutaustritt, sondern auch ein nicht imerheblicher aus den perforierten
Kapillaren. Auch der Entzündungstumor, die gleichmässige entzündliche
Schwellung zeigt sich bei der Verbrühung sofort. Von einer solchen ist
nach Sympathikuslähmung gar keine Rede. Sticht man nach Sympathikus-
lähmung das Parenchym an der Basis an, wo die Lymphe konfluieren
muss, so quillt unmittelbar kein Tropfen Lymphe hervor, so wenig wie aus
einem gesunden Ohre. Eine erhöhte Transsudation nach Sympathikus-
lähmung ist also auch auf diesem Wege nicht nachweisbar. Ganz anders
am Entzündungsherd. Nach der Verbrühung ist der Entzündungsherd
sofort geschwollen, geschwollen dadurch, dass nicht bloss die Blutgefässe,
die Kapillaren inkl., strotzend mit Blut erfüllt sind, sondern auch dadurch
dass das ganze Parenchym überdies mit Flüssigkeit erfüllt ist. Während
<ler Durchstich durch die Kapillaren senkrecht durch das Ohr hindurch
Blutstropfen austreten lässt, ergiebt der flache Horizontalstich unter die
Haut des Entzündungsherdes überall Ödem. Höchst auffallend ist der
Schmerz bei der akuten Entzündung. Streicht man mit einem stumpfen
Haken das Sympathikusohr, so schmerzt es nicht mehr, als ein gesundes.
I>as akut entzündete Ohr schmerzt aber sehr lebhaft, lebhafter auch als bei
Kombination von venöser Stauung mit Sympathikushyperämie, auch leb-
hafter als nach subkutaner Wasserinjektion ins Ohr. Durch die Gleich-
mässigkeit xmd helle Röte des Rubor unterscheidet sich der Entzündungs-
herd schon makroskopisch von der Kombination, die den ähnlichsten
äusseren Effekt hervorruft, der Kombination von Sympathikuslähmung
nnd venöser Stauung. Der Entzündungsherd geht genau so weit wie die
Verbrühung, er schliesst strikt mit der Verbrühungslinie bei dieser Ver-
brülmng geringen Grades ab. Der ganze Rest des Ohres bis zur Ohrwurzel
it anfangs völlig klar, ganz blass ohne jede Schwellung und Trübung in
Völler Integrität, mit Ausnahme des Arterienstammes und der grossen
Venen. Der Arterienstamm, während der Verbrühung erweitert, zieht sich
später infolge der Verdampfung zusammen. Doch schwindet diese Ver-
<lunstungskontraktion bald wieder und macht, je wärmer die Umgebung,
«iesio rascher einer dauernden Erweiterung der Arteria auricularis bis zur
^Vurzel Platz, eine Erweiterung, die meist über die Sympathikuslähmung
Mnausgeht. Sie dauert viele Stunden an und bewirkt starke Rötung und
Erhitzung des ganzen Ohres und entschiedene Zunahme der Exsudation
am Entzündungsherde. Auch schwellen die grossen Randvenen, die das
Blut aus dem Entzündungsherde wegführen, nicht aber die Mittel- und
74 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
kleinen Venen, das Parenchym bleibt blass, die Kapillaren so schwach
injiziert, wie in der Norm. In der ganzen Nachbarschaft des Entzündungs-
herdes, im Entzündungshofe, ist anfänglich keine Spur von Trübung, von
Ödem zu entdecken. Dies dauert mindestens Va— 1 Stunde, bei schwacher
arterieller Kongestion auch 2 — 3 Stunden an, bis dann ziemlich plötzlich im
Entzündungshofe ein neues Schauspiel sich entwickelt. Vom Entzündungs-
herde ausgehend beginnt eine trübe Schwellung im Entzündungshofe in
der Mitte, zuerst in den perivaskulären Räumen der grossen Gefässe, der
Arteria auricularis und der Mittelvene. Während diese Trübung mit deut-
Uch fühlbarer, allmählich wachsender Schwellung an den Gefässen herunter-
kriecht, breitet sie sich auch nach allen anderen Richtungen aus, so dass
nach etwa 4 — 5 Stunden das ganze Ohr bis zur Ohrwm'zel eine gleich-
massige trübe Schwellung darbietet, die ganze Fläche von 4 — 5 cm Länge
und mehreren Centimetern Breite ist vöUig überschwemmt. Dabei fehlt
jede Spur eines entzündlichen Rubors im ganzen Entzündungshofe. Dass
dies Entzündungsödem im Hofe ausschliesslich aus dem Entzündungsherde
stammt, vom Herde aus sich ausbreitet, lehrt der Augenschein. Sticht
man getrübte Stellen an, so perlt ein Tropfen hervor, man muss schon
ziemlich kräftig drücken, ehe man eine grössere Ödemmenge aus den
Maschen des Bindegewebes hervorpressen kann. Wie die Untersuchung
ergiebt, findet sich in der eiweisshaltigen Flüssigkeit ein ganz geringer
Gehalt von Leukocyten, doch fehlen sie durchaus nicht. Nunmehr ist das
Ohr, trotzdem nur die Spitze verbrüht worden war, von der Spitze bis
zur Wurzel ganz gleichmässig stark geschwollen, schwer und fällt seines
Gewichtes wegen herab. Das ganze scheint jetzt ein Entzündungsgebiet
zu sein. Deutlich zeigt jedoch die obere Hälfte eine stärker rote, die untere
eine blasse Farbe, doch ähnelt sich das Kolorit, indem die Rötung der
oberen Hälfte durch das Exsudat gedämpft wird und andererseits durch
Ansammlung von Exsudat auch auf die Gefässe des Entzündungshofes ein
schwacher Reiz ausgeübt wird, wie dies auch bei subkutanen Wasserin-
jektionen ins Ohr nachweisbar ist. Vom Augenbhcke der Verbrühung an
gerechnet, pflegen alle diese Erscheinungen ihren Höhepunkt in 18—24
Stunden zu erreichen, auf demselben mehrere Stunden zu bleiben. Ln
Stadium der Entzündungshöhe stehen nun alle Erscheinungen in voll-
ster Blüte. Am Entzündungsherde haben sich nun zu allen früheren
Erscheinungen mehr oder weniger grosse Blasen hinzugesellt. Auch hier
ergiebt die mikroskopische Untersuchung anfangs eine fast wasserklare
Flüssigkeit, in der nur noch wenig Leukocyten aufzufinden sind. Die
Arterie übertrifft den Umfange nach blosser Sympathikuslähmung, um die
Hälfte und mehr, die Temperatur bleibt erhöht, geht aber nicht über die
der Sympatliikuslähmung hinaus. Durchsticht man den Entzündungsherd
EDtzQnduDg. 75
an den verschiedensten Stellen, so quillt überall, auch aus den erweiterten
Kapillaren, Blut hervor. Auch der Dolor ist jetzt am heftigsten. Bei
Streichung des Herdes mit einem stumpfen Instrument fährt jetzt das Tier
zusammen, als wenn es von elektrischen Schlägen getroffen würde. Dieser
Dolor endigt genau mit der Grenze des Entzündungsherdes. Der Entzündungs-
hof, der jetzt durchaus nicht weniger infiltriert und geschwollen ist, als der
Entzündungsherd, zeigt keine Spur von Blasenbildung. Die Infiltration er-
streckt sich jetzt nicht bloss bis zur Ohrwurzel, sondern auch bis zur Kopfhaut.
Die x\rterie ist im Hofe kongestioniert, die Venen sind mächtig geschwollen,
von einer gleichmässigen Kapillaratonie ist aber keine Spur. Der Ent-
zündungshof sieht schwachrosa, der Entzündungsherd dunkelrot aus. Die
Entzündungshöhe bringt die höchste Fieberhöhe, Temperatureteigerung
von 38,6 auf 39,6. Nach 36—48 Stunden, von Beginn der Verbrühung an
gerechnet, pflegt die Höhe völlig überwunden zu sein, Kongestion, Hitze und
Exsudation nehmen nun ab. Das' Schicksal von Herd und Hof, das auf
der Höhe der Entzündung einander parallel ging, gestaltet sich nunmehr
überaus verschieden, im Hof rascher Schwund des Ödems, so dass das-
selbe meist nach 2—3 Tagen gänzlich beseitigt ist, im Herde hingegen
noch Fortbildung und Reifung einzelner Erscheinungen und ein so schlep-
I)ender Rückgang der totalen Cirkulations- und Ernährungsstörung, das
14 Tage und mehr zu völliger Wiederherstellung vergehen. Zunächst
nimmt das Entzündungsödem im Hofe ab. Diese Abnahme gestattet
einen klaren Einblick in die Beschaffenheit der Arteria auricularis. Die
Kontraktionen derselben, die auf der Höhe der Entzündung sehr selten
waren, nehmen jetzt an Häufigkeit, Dauer und Stärke zu, die Dilatationen
werden seltener und unausgiebiger, in Summa: die Kongestion und Hitzre
nimmt immer mehr ab. Dabei bleiben die grossen Venen nach wie vor
«lick im Entzündungshofe geschwollen, nehmen an der arteriellen Kontraktion
auch nicht den geringsten Teil. Bald w^erden die Arterienkontraktionen
auch rhythmisch, das Ödem schwindet im Hofe gänzlich, während es im
Entzündungsherde nur abnimmt. Nach Ablaut des dritten Tages pflegt
der Hof ganz klar zu sein, die Arterie in ihm verengt. Jetzt beginnt auch
der Abschnitt der Arterie im Entzündungsherde sich zu kontrahieren,
während hier alle Venen und das ganze Kapillametz sich unverändert
gerötet zeigen und mit Blut vollgepfropft sind. Ruber und Calor gehen
jetzt im Entzündungsherde ganz auseinander. Die Injektion dauert fort,
die (iefässe sind mit teilweise stagnirendem Blut erfüllt , doch der frische
Blutzufluss von der Arterie her ist sehr gering. Die Temperatur der Ohr-
spitze sinkt bis auf 5° gegenüber der Spitze eines Sympathikusohres. Die
erhebliche Verminderung des Blutzuflusses geht auch daraus hervor, dass
man in diesem Stadium den nicht mehr hell- sondern dunkelblauroten
76 Allgem. pathol. Morphologie und PhyBiologie.
Entzündungsherd durch und durch stechen kann, ohne dass an den meisten
Stellen, von wenigen abgesehen, ein Blutstropfen hervorquillt. Überall
sonst treten nur Exsudattropfen auf. Diesem sehr beschränkten Blutzufluss
entspricht es, dass die Blutsäule in den Gefässen schwer oder gar nicht ver-
schiebbar ist, schwer kehrt auch das verdrängte Blut wieder zurück. Strychnin-
krämpfe, welche die Arterie zur engsten Kontraktion bringen, ändern an
der Füllung der Kapillaren und Venen nicht das geringste. Auch im Tode
nimmt diese Röte nicht ab. Doch verfallen diese Partieen mit ganz be-
schränkter Blutcirkulation durchaus nicht dem Brande, sondern sind der
Wiederherstellung fähig ohne alle grösseren Substanzverluste. Am Ent-
zündungsherde ist erst am neunten Tage ein völUger Rückgang der Schwel-
lung zu verzeichnen. Der längst eitrig gewordene Blaseninhalt verschorft,
fällt ab. Zahlreiche violette Entzündungsflecke, von Gefässektasieen her-
rührend, bleiben zurück, bis allmählich zum 14. Tage der Herd völlig ge-
heilt sein kann unter Abstossung von grösseren oder kleineren Schorfen
und Regeneration der Haut. Am Entzündungshofe bleibt weder Abschup-
pung noch Haarausfall, noch irgend eine Ernährungsstörung zurück. In
diesem Gesamtbild der akuten Entzündung ist es deuüich die arterielle
Kongestion, welche in die alterierten Gefäss wände die grössere Blutmenge
hineinführt, dadurch in den Gefässen den Rubor und Calor veranlasst
und durch die reichliche Beschaffung des Exsudationsmaterials Tumor und
Dolor verursacht. Die Wendung zur Heilung tritt dadurch ein, dass die
Arterie innerhalb des ganzen affizierten Gefässnetzes sich zuerst erholt,
durch Beschränkung der Blutcirkulation und Exsudation den Prozess zum
Stillstand bringt. Die Abhängigkeit des Entzündungsödems von der
Stärke der arteriellen Kongestion ist aufs deutlichste dargethan. Damit ist
nachgewiesen in wie hohem Grade der Tumor und die Fimctio laesa. durch
die arterielle Kongestion bedingt sind. Die arterielle Kongestion ihrerseits
ist zum Teil Effekt der Alteration der Arterienwand, also Koefifekt der
lokalen Alteration der Gefässwände, ziun Theil aber nachweisbar Effekt
der Reflexparalyse der Gefässnerven, hervorgerufen durch die Reizung der
sensiblen Nerven, wie bei dem Einflüsse der Blutcirkulation und Inner-
vation auf den Entzündungsprozess noch näher auszuführen sein wird.
Zur Herstellung des Charakters der akuten Entzündung haben also in
einander zu greifen, die Alteration der Gefässwände des ganzen lokalen
Gefässnetzes, die Fortdauer der Blutcirkulation, die Verstärkung des Blut-
zuflusses durch eine bis zur maximalen gehenden arteriellen Kongestion.
Die letztere bedingt nicht den Entzündungsprozess an sich, dieser kann
auch z. B. beim Emplastrum cantharidum, bei schwacher arterieller Kon-
gestion, nie aber allerdings ohne allen arteriellen Zufluss, eintreten. Doch
ist es die arterielle Kongestion, die den kongestiven akuten Charakter des
Kntzflndung. 77
Vorganges, die Massenhaftigkeit des Exsudats, das Entzündungsödera be-
dingt, deren Nachlass auch die Rückbildung des Entzündungsprozesses ein-
leitet, natürlich Sublata causa, wenn durch das Weiterwirken der Ursache
die Rückbildung nicht unmögKch gemacht ist.
Die Details der CSrkulationstörung sind erst durch Cohnheim (12) zur
allgemeinen Anerkennung gelangt; wenn auch Dutrochet und Waller
(82) ÄhnUches gesehen haben, so scheinen sie sich der Bedeutung ihrer
Beobachtung wenig bewusst gewesen zu sein. Über die Triebfedern der
einzelnen Vorgänge wird noch viel debattiert- Die Wandstellung der Leu-
kocyten in den Venen wird nach älteren Versuchen von Schklarewski (69)
als ein rein physikalisches Phänomen gedeutet. Von fein pulverisierten
Substanzen, welche in Flüssigkeiten suspendiert in Röhren strömen,
sollen bei Verlangsamung des Stromes die spezifisch leichteren, dann auch
die schwereren in die Randzone übertreten. Viel ist über die Auswande-
rung der Leukocyten gestritten worden. Es handelt sich dabei, wie man
jetzt weiss, um durchaus nichts absolut Pathologisches, vielmehr finden
sie sich normal in manchen Geweben und wandern nicht bloss in Lymph-
gefässe, sondern auch in Blutgefässe ein (Bubnoff, Ranvier, Senft-
leben). Über dem Lymphadenoiden-Gewebe in der Schleimhaut sind sie
stets in reichlicher Menge und wandern durch die Epithelzellen, sie durch-
•Iringend, an die Oberfläche (Stöhr 74). Auch in den Lungenalveolen
sollen sie vereinzelt an die Oberfläche kommen (Sie bei). Bei den Ent-
zündungen handelt es sich also nur um ein bedeutendes Plus von Leuko-
cyten. Emigriert dieses Plus oder wird es exsudiert? Exsudation findet jeden-
falls statt aus den in der Entzündung durchlässigeren Gefässen mit Hilfe
des Blutdruckes, denn in serösen Entzündungen werden fast gar keine
Leukocyten, sondern nur Blutserum exsudiert und in hämorrhagischen rote
Blutkörperchen, die jeder Eigenbewegimg ermangeln. Dieselben Momente
müssen auch für die Leukocyten wirksam sein. Ist der Blutdruck stark
herabgesetzt, wie durch Unterbindung der zuführenden Arterie, so tritt
auch Exsudation, auch Eiterung erst mit der Entwickelung des KoUateral-
kreislaufs ein. Nichtsdestoweniger wird man, da den Leukocyten einmal
die amöboide Bewegungsfähigkeit zukommt, derselben einen Anteil an der
oft sehr starken Leukocyten-Emigration zuschreiben müssen. Die Leukocyten
haften besser an der Wand an, schicken ihre feinen Ausläufer leichter
durch die Gefässwände durch, ziehen und dehnen sich nach Bedürfnis^
wandern auch an der Aussenwand leichter fort als die Erythrocyten. Neben
der grösseren Durchlässigkeit der Gefässwand und dem Blutdruck wird also
auch der Mobilität der Leukocyten ein Anteil zuzuerkennen sein. Ihre Lebens-
energie wird nach Thoma (79) durch Kochsalzlösung von 1,5 ®/o, nach
Binz (5), Appert, Kerner durch Chinin und Jodoform herabgesetzt.
78 Allgem. patbol. Moi*phologie und Physiologie.
Während Eberth einen derartigen Einfluss des Chinins nicht feststeilen
konnte. Als die vorzüglichsten Durch wanderungssteilen sehen Arnold (1),
Thoma (79), Engelmann (16) die sogenannte Stomata an, eine weiche
Kittsubstanz zwischen den Rändern der Endothelzellen, welche bei deu
mit Zellenemigration verbundenen Cirkulationstörungen eine Änderung
erleidet, indem zahlreiche umschriebene Erweiterungen sichtbar werden.
Infolge des Durchwandems von Leukocyten in grösserer Menge an diesen
Stellen wird dann die Kittsubstanz noch durchlässiger und es können als-
dann an diesen Stellen auch rote Blutkörperchen rasch hinter einander
durchtreten.
Es ist neuerdings der Versuch gemacht worden, die ganze Auswan-
derung der Leukocyten auf Chemotaxis zurückzuführen, ja eine chemotaktische
Entzündungstheorie aufzustellen. Die Chemotaxis, die von Pfeffer {5<5)
1883 zuerst erkannte Anlockung und Abstossung beweglicher Pflanzen- und
Tierzellen durch chemische Wirkungen, so von Myxomyceten, Bakterien,
Infusorien, Schwarmsporen und Samenfäden, ist von Leber (39), Buch-
ner (7), Massart (47), Bordet (46), Gabritschewsky (18) auch auf
die Leukocyten angewandt worden. Leber (36) sagt in seinem Werke:
Über Entstehung der Entzündung, 1891 S. 465 folgendes: „Die Frage er-
scheint wohl berechtigt, ob dieselbe Ursache, welche die Richtung der
Wanderung der Leukocyten ausserhalb der Gefässe beherrscht, nicht auch
an der Auswanderung derselben aus den Gefässen beteiligt ist und viel-
leicht den wesentlichsten Faktor dabei abgiebt. Eine Mitwirkung kann
nicht von der Hand gewiesen werden, da die StofEe, welche die Wande-
rung der Leukocyten beeinflussen bei ihrer Weiterverbreitung durch Diffu-
sion sicher auch in die Blutgefässe gelangen und da kein Grund abzusehen
ist, warum sie auf die im Innern der Gefässe enthaltenen Leukocyten, zu-
mal wenn sich diese schon zu der ruhenden Schicht an die Gefässwand
angelagert haben, nicht in gleicher Weise wirken sollten wie auf diejenigen,
welche schon das Gefässinnere verlassen haben. Er kommt zu dem Resul-
tate S. 475: Was aber die Auswanderung der meisten Blutkörper betrifft,
so dürften sowohl Blutdruck als vermehrte Diu-chlässigkeit der Gefässwände
nur Umstände sein, welche das Durchtreten der Leukocyten begünstigen
und für die oft so grosse Massenhaftigkeit und Geschwindigkeit der Aus-
wanderung keine Rechenschaft geben. Die eigentliche Ursache muss wohl
in den Umständen gesucht werden, welche die latente Bewegungsfähigkeit
der Leukocyten anregen und die nach aussen gehende Richtung derselben
bestimmen." Und S. 437 : „Die Gruppierung der Leukocyten an der Ent-
zündungsstelle drängt zu der Annalime, dass die entzündungserregenden
Substanzen, nachdem sie durch Diffusion zu den Gefässen gelangt sind,
nicht nur die Auswanderung der Leukocyten veranlassen, sondern aucli
EntzfiDdung. 79
die Auswanderung beherrschen. Ist die Wirkung der toxischen Substanzen
gering, so können die Leukocyten bis an den Ort des Reizes gelangen, ehe
sie die Hemmung erfahren/' Seite 530 heisst es ; „Die Entzündung stellt
sieh als eine Reihe von Vorgängen dar, welche sämtlich durch die Ein-
wirhing der Schädüchkeit hervorgerufen, dem Zwecke, diese zu bekämpfen,
dienstbar sind." S. 531: „übi Stimulus, ibi affluxus bezieht sich ebenso
wohl auf die Eiterbildung, als auf die entzündliche Hyperämie und üefäss-
neubildung und findet jetzt in der chemotaktischen Wirkung der Entzün-
duDgsreize seine tiefere Begründung.*' S. 631 : „Der Nutzen der eitrigen
Entzündung beruht auf dem Vorgang der Histolyse und der durch Enzym
vermittelten Lösung des Fibrins, welches aus den Blutgefässen infolge der
Schädigung ihrer Wandungen austritt und gerinnt.*' So Leber. — Prüft
man die Theorie im ganzen, so muss man sagen, dass die chemotaktische
Theorie zur Erklärung des ganzen Entzündungsprozesses durchaus unzu-
reichend ist. Die Chemotaxis wirkt auf kleine Entfernungen und mit
geringer Kraft. Dass sie bedeutende Widerstände zu überwinden vermag,
i?t in exakten botanischen Versuchen durchaus nicht 'dargethan. Bei der
Entzündung müsste sie aber veranlassen, dass von der Mitte der Kornea
aus eine Attraktion ausgeübt wird auf die in den Randgefässen der Kornea
cirkulierenden Leukocyten, eine Anziehung, welche mächtig genug wäre,
den Widerstand der Gefässwände und der peripheren Korneazellen bis zur
Mitte zu überwinden. Ferner werden Entzündung und Eiterung durch die
allerverschiedensten festen Fremdkörper veranlasst, auch durch solche, welche
wegen ihrer Festigkeit und Unlösbarkeit gar keine chemotaktischen Einflüsse
zu üben vermögen. Eiterung stellt sich auch bei blosser Verbrühung ein und
W Anämie von 8— 10-stündiger Dauer, wo von Chemotaxis gar keine Rede
sein kann. Die Entzündungen aus mechanischen und physikalischen Ur-
sachen verlaufen aber denen aus chemischen Ursachen so analog, dass völlig
verschiedene Erklärungsprinzipien unstatthaft und unausreichend wären. So
w^enig wie alle phlogogenen Ursachen chemotaktische sind, so wenig sind auch
alle chemotaktische Ursachen phlogogene. Geraddie allerersten Umwandlungs-
l-rodukte von Eiweisskörpem aus Muskeln, Leber sind nach Buchner aus-
gezeichnete chemische Lockmittel, es wäre aber sehr gefährlich für unsem
Korper, insbesondere für Magen und Darmkanal, aber auch anderwärts,
wenn dieselben auch Entzündungsursachen wären. Die Selbstentzündungen
in unserem Organismus würden gar nicht aufhören. Gänzlich bedeutungslos
wäre die Chemotaxis für die Eintreibung der Wenn auch geringen Menge
Leukocyten mit dem Entzündungsödem in den Entzündungshof. Wenn
sich nach der Verbrühung der Ohrspitze Leukocyten bis zur Ohrwurzel
taden, so können sie nicht durch Chemotaxis bis in die Ohrwurzel getrieben
^in, sondern sie sind unter wesentlicher Beihilfe der grösseren Durch-
gO Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
lässigkeit der Gefässwände, durch den Exsudationsdruck getrieben. Mit
dem Nachlass der starken arteriellen Kongestion hört dann auch der
Exsudationsdruck auf, das Odem wird resorbiert. Diesen Exsudationsslrom
beherrschen also ganz andere Kräfte. Nur als untergeordnetes Moment
für die Ansammlung und Festhaltung der Leukocyten an der Läsionsstelle
an der bedrohten Stelle könnten Kräfte von so geringer Femwirkung wie
Chemotaxis und taktile Reizbarkeit in Betracht kommen. Nicht die
Wanderung der Leukocyten, sondern nur ihre Ansammlung, ihr dauerndes
Verbleiben an einzelnen Stellen könnte dadurch vielleicht erklärt werden.
Unter dem frischen Eindruck der unerwartet grossartigen Erfolge der
Lister sehen Antiseptik wurde die bakterielle Infektion vielfach als das
alleinige ätiologische Moment angesehen und insbesondere war es Hüter,
der nur eine Ursache der Entzündungen, zumal der eitrigen, anerkennen
wollte, die Spaltpilze. Wer früher bereits — Experimenti causa — mit
den verschiedenartigsten Entzündungsursachen zu thun hatte, der wusste
aber, dass es trotz der Allgemeinverbreitung der Bakterien gar nicht leicht
ist, eine grössere Eiterung zu erzielen, dass es von den chemischen
Stoffen fast nur in grösserem Umfange mittelst Terpentinöl und besonders
mittelst Petroleums gelingt. Indess hat es der experimentellen Arbeit bis
in unsem Berichtszeitraum (Kr onac her (34) 1890) bedurft, mn neben der beim
Menschen am häufigsten bakteriellen Eiterung auch die vollständig keimfreie,
rein chemische Eiterung über jeden Zweifel sicher zu stellen. Der Ruf „keine
Eiterung ohne Mikroorganismen" ist denn auch verhallt. Als häufigste Eiter-
bakterien sind jetzt allgemein anerkannt der Staphylococcus pyogenes aureus,
dieser in 80^/o aller Fälle, der ihm nahe verwandte Staphylococcus pyogenes
albus und der Streptococcus pyogenes. Dies sind die häufigsten Ursachen
unsrer vulgären Eiterungen. Seltner kommen vor der Bacillus pyocyaneus
der Micrococcus pyogenes tenuis, der Bacillus pyogenes foetidus und der
Staphylococcus cereus albus imd flavus. Eine besondere spezifische Bedeutung
hat der N ei SS er sehe Gonococcus und der Fränkelsche Pneumoniecoccus.
Aber neben diesen und andern pyogenen Bakterien giebt es nach den sehr sorg-
fältigen und einwandsfreien Untersuchungen von Grawitz und de Barry,
Scheurlen (72), Rosenbach, Kronacher (34) und zahlreichen andern eine
ganze Anzahl völlig keimfrei gehaltener Substanzen, wie Terpentinöl, Petro-
leum, Argentum nitricum, Liquor ammonii caustici u. a., die in der Sub-
kutis akute und starke Eiterung zu setzen vermögen. Aber auch die
sterilisierten Kulturen verschiedener Mikroorganismen wirken in gleicher
Weise wie Kadaverin (19), Tuberkulin, Penthamethylendyamin , ja die
Leichen der verschiedensten Bacillen, insbesondere der Tuberkelbacillen
gehören geradezu zu den stärksten pyogenen Substanzen. Daraus geht
aber hervor, dass auch das in den Bakterien wirksame Prinzip ebenfalls
Entzfindung. gl
ein chemisches ist, wodurch nun die Eitererzeugung durch Bakterien
eine ganz andere Physiognomie erhält. Die Entzündungslehre wird
dadurch wieder erheblich vereinfacht. Wenn wir als sicheren Gewinn der
Bakteriologie für die Entzündungslehre den Satz festhalten dürfen, dass
die Eiterung unter den gewöhnüchen Verhältnissen beim Menschen zumal
durch die Anwesenheit von Mikroorganismen entsteht, so dürfen wir nun-
mehr hinzusetzen, dass die Art ihrer Wirksamkeit in einer durch Gifte
hervorgerufenen Alteration der Gefässwände und Gewebe besteht. Also
nicht alle Entzündungen sind infektiösen Ursprunges und die infektiösen
Ursachen selbst wirken grösstenteils durch chemische Läsion, selten durch
Gefässverstopfung und mechanische Läsionen allein.
Seit Cohnheim ist die Exsudation der Leukocyten aus den Blut-
gefässen unbestritten, gleichviel ob durch Emigration oder Chemotaxis, auf
chenaische oder bakterielle Anlässe. Neben dieser Herkunft aus den Blut-
gefässen wurde schon früher von Stricker (76, 77) und Heitzman,
neuerdings vonGrawitz (22, 24) und seinen Schülern eine Entstehung von
Eiterkörperchen aus Schlummerzellen des Bindegewebes behauptet. Die
hichlummerzellen des Bindegewebes sollten erwachen, mobil werden und
eine reichliche sogenannte kleinzellige Infiltration Uefem, ehe nur eine
einzige farblose Blutzelle eingewandert oder eine einzige fixe Zelle in Mitose
übergegangen ist. Die eitrige Schmelzung beruht nicht auf einer auf-
lösenden Wirkung des Eitergiftes auf Bindegewebe, sondern auf aktive Um-
wandlung der Intercellularsubstanz zu Zellen. Nach Grawitz ist es eine
«iurchgehendes Gesetz für Bindesubstanzen, für Muskeln und peripheres
Xen-engewebe, dass sie sich alle aus ursprünglich indifferenten embryonalen
Zellen aufbauen, dass sie alle eventuell nach Verlust ihrer charakteristischen
Bestandteile (Intercellularsubstanz, Fett, Myosin, Myelin) in denselben
ztUigen Zustand zurückkehren und endlich wieder durch Übergang der
Zellen in den Schlummerzustand zu faserigem Bindegewebe oder Schleim-
gewebe umgewandelt werden können. Allenthalben sollen in den Geweben
Jiese verborgenen, unseren kemfärbenden Farben nicht zugänglichen und
Jäher nicht erkennbaren Schlummerzellen liegen , die dann bei der Ent-
zündung erwachen, sich vergrössern, durch Kernfarben färbbar und da-
flurch erkennbar werden. 95^/o aller vorhandenen Zellen sollen geradezu
^eh im Schlummerzustand befinden. — Über diese sogenannte Schlummer-
zellentheorie ist eine ganze Litteratur entstanden, welche von Beneke (3)
»ehr eingehend dargestellt worden ist. Fast alle namhaften Autoren, wie
Weigert (87),.Eberth (15) erklären sich gegen diese „Intercellularpathologie''.
Aus den lang bekannten Bildern entzündeter und neugebildeter Gewebe
i?t der Nachweis einer Entstehung von Zellen aus Zwischensubstanz nicht
g^föhrt. Nicht die Bilder werden geleugnet, sondern die Beweiskraft der
Lsbarsch-Os tortag, Ergebnisse Abteil. H. 6
32 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Schlüsse. Ziegler (91) resümiert den von den meisten Pathologen ange-
nommenen Standpunkt gegenwärtig dahin (S. 342) : Die bei den akuten
Entzündungen in den ersten Stunden und Tagen sich in den Geweben
anhäufenden Zellen sind aus dem Blute ausgetretene Leukocyten und es
gilt dies insbesondere für alle Zellen, welche den Charakter poly- und
mononucleärer Leukocyten tragen. Eine Gewebswucherung stellt sich zwar
im Laufe der Entzündung fast immer ein, allein sie vermag erst im Laufe
einiger Tage eine grössere Menge von Zellen zu produzieren und die Zellen
tragen nicht den Charakter von Lymphocyten. Ein Zweifel über die Herkunft
der Zellen besteht nur bei einem Teile der mononukleären Formen, indem
das wuchernde Gewebe Zellen produzieren kann, welche den grösseren
Formen der mononukleären Leukocyten sehr ähnlich sind und thatsächlich bis
jetzt nicht von denselben unterschieden werden können. — Abgesehen da-
von, dass die Leukocyten sich noch ausserhalb der Gefässwände teilen
können, wird bei Katarrhen noch eine ganze Summe von Eiterkörperchen
den jungen unfertigen Epithelialzellen zugeschrieben. Manchmal geht ihre
Herkunft aus sichern Merkmalen hervor, aus der Flimmerkrone, aus der
Epithelzellenform und Gestalt. In andern Fällen zeichnen sie sich noch
durch ihren grossen Kern vor den Leukocyten aus. Auch dass andere
junge unfertige neugebildete Zellen sich im Eiter der Masse der Leukocyten
zumischen, sei zugegeben.
Alle mobilen Zellen, — und die Leukocyten gehören ja zu ihnen,
überdies aber auch alle proliferierenden jungen Zellen eignen sich zur Phago-
cytose. Wir haben dieselbe flüchtig zu Eingang erwähnt, um die allein
darauf basierte vergleichende Entzündung zurückzuweisen. Hier haben
wir ihrer als einer unter andern Entzündungserscheinungen zu gedenken.
Phagocyten können in sich kleine Fremdkörper, abgestorbene Gewebs-
bestandteile und Gewebstrümmer aufnehmen, also Reste von roten Blut-
körperchen, Pigment und Fett ebenso gut, wie Bakterien, Russ und Farb-
stoffe. Die mobilen Zellen umfliessen die Fremdkörper mit ihrem Proto-
plasma und ziehen dieselben in ihren Leib hinein. Diese Fremdkörper
werden in den Phagocyten zum Teil aufgelöst und zerstört, verdaut, zum
Teil erhalten sie sich, zum Teil wachsen sie auf Kosten ihres Wirtes.
Teilweise kommen die Phagocyten auch ins Wandern, geraten in dieLymph-
und Blutbahn, und werden vorzugsweise alsdami in Milz, Knochenmark
und Leber abgelagert. Ob die Phagocyten über die in sie eindringenden
Parasiten mächtig werden, oder letztere über erstere oder ob beide mit
einander eine Symbiose eingehen, gestaltet sich ungemein verschieden, ver-
schieden nach der Krankheit, der Individualität, der Gesamtheit der chemi-
schen Verhältnisse. Oft gehen die Bakterien in den Leukocyten unter, bei
Lepra und Tuberkulose vermehren sie sich sogar und können verschleppt
Kntzandung. 83
werden, zu Metastasen Anlass geben. Die „Fresszellen** fressen also nicht
immer auf, was sie der Theorie nach auffressen sollen und verbreiten sogar
mitunter ein Übel, das sie heilen sollen.
Unter Ansammlung von Leukocyteu kommt es bisweilen zur eitrigen
Schmelzung, zur Vereiterung, zur Abseessbildung, zur Suppuration. Für
diesen Zustand der Vereiterung wäre es aber höchst unzweckmässig,
wie Leber (36) S. 508 seines oft citierten Werkes vorschlägt, den Aus-
druck Histolyse zu brauchen. Für diese wohlbekannte und recht sicht-
bare eitrige Schmelzung existiert ein Bedürfnis nach neuen Ausdrücken
ganz und gar nicht, wünschenswert bleibt vielmehr der Ausdruck Histolyse
für die spurlose, unbemerkbare Auflösung von Zellen und ganzen Gewebs-
partieen, ohne restierende Zellleichen und ohne \'erjauchung, Vereiterung.
In dieser Weise gehen spur- und geräuschlos rote und weisse Blutkörperchen
unter, Osteoklasten, Sarkolyten, Nervenfasern, die Schwänze der Frosch-
larven, ganze embryonale Organe beim Menschen mid die Thymusdrüse
beim Erwachsenen. Die Thatsachen der Zellenauflösung, die, sobald Er-
satz ausbleibt, bis zur Gewebsauflösung fortschreitet, diese Thatsachen
unter einer einheitlichen Bezeichnung zu sammeln, dazu liegt allerdings ein
täglich steigendes Bedürfnis vor. Bleiben wir für die hier vorliegende Frage
beider Bezeichnung „Vereiterung'* so machte in Bezug auf die angeblich ver-
eiternde Eigenschaft der Leukocyten Leber einen Versuch geltend, wonach
rine in die vordere Augenkammer gebrachte, entzündungserregende Sub-
stanz bei sicher nachgewiesener Abwesenheit von Mikrobien eine von innen
her beginnende Erweichung der Hornhaut und Sklera hervorruft. Dahin rech-
ü« t er die Wirkung der Injektion gekochter Aufschwemmungen von Staphylo-
Cöccus aureus in die vordere Kammer, die eitrige Infiltration der tiefsten Hom-
hautschichten und ülceration nach Einführung von Röhrchen mit sterilen
Kokkenextrakten oder mit Krotonöl, endlich die gleiche Veränderung nach
Einspritzung von Quecksilber oder Einführung von Kupferhydrat in die
vordere Augenkammer, wobei die eitrige Erweichung sogar zur Ausstossung
d«^ Fremdkörpers führen kann. Er hat Versuche gemacht, in denen das
Oewebsstück vor der Einführung in den Körper unter antiseptischen Kau-
telen mit einer sterilen entzündungserregenden Substanz imprägniert wurde;
nach Einführung in die vordere Augenkammer wird dasselbe von einer
dichten Leukocyteninfiltration eingenommen, vollkommen erweicht und zur
Vereiterung gebracht.'* — Dem gegenüber muss daran festgehalten werden,
da«s so wenig in, wie ausserhalb der Entzündung den Leukocyten an sich
^ine schmelzende, gewebslösende Eigenschaft zukommt. Der schlagendj<te
Beweis dafür ist wohl, dass bei der Petroleiterung Eiterhaufen wie sonst nirgends
produziert werden, die wie grosse Knoten hervorragen, aber allmählich
der Verfettung und Resorption anheimfallen, ohne trotz ihrer Massenhaftig-
6*
84 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
keit den geringsten deletären Einfluss auf die Nachbarschaft auszuüben.
Die Leukocyten . können es also nicht sein, welche allein für sich Gewebs-
schmelze erzeugen. Wohl kommt aber die direkte primäre Gewebsläsion
zur Geltung, welche in vielen Fällen von vornherein und gleichzeitig mit
der Gefässwandalteration die Gewebe lädiert und sie allmähUch zum Ab-
sterben bringt. Bei den Bakterien kommt noch die Wucherung und Gift-
produktion hinzu, welche die Gewebe je länger desto mehr schädigt. Oft
handelt es sich auch noch um Störungen der Blutcirkulation und sekun-
däre Gewebsschmelzung.
Über den Einfluss der Blutcirkulation und Innervation sind neuere
Versuche von Samuel mitgeteilt (66). Die älteren Versuche über den
Einfluss der Sympathikus-Lähmung gingen immer von dem Standpunkt
aus, als Vergleichsobjekt gegenüber der Entzündung des Sympathikus-
Ohres die Entzündung des andern intakt gelassenen Ohres zu gebrauchen.
An demselben Tiere schien dadurch die passendste und exakteste Gegen-
probe hergestellt zu sein. Samuel weist zunächst das IrrtümUche dieser
Gegenprobe nach. Wird der Sympathikus einerseits gelähmt, so bleibt
das andere Ohr, wenn auch vöUig unberührt, doch deshalb nicht unverän-
dert. Die grössere Blutraenge, die nach Lähmung des Sympathikus in
die Gefässe der korrespondierenden Seite fliesst, rührt von den Gefässen
der andern Seite her, diese letztere wird also um so viel blutärmer an-
ämischer oder doch ischämischer. Uno actu bekommen wir also auf der
einen Seite eine hyperämische, auf der andern eine ischämische Entzündung,
beiderseits aber nicht eine Entzündung normalen Verlaufes. Zur Kontrolle
müssen wir uns also der Entzündung, der ganz gleich graduierten Entzün-
dung, eines bis dahin ganz gesunden Ohres bedienen. Mit diesem Mass-
stabe gemessen, geben die früheren Versuche keine stichhaltigen Resultate.
W^ird die Ohrspitze mit Wasser von 54 ® C. 3 Minuten hindurch gebrüht bei einem
Ohre mit frischer Sympathikuslähmung und dem gegenüber bei dem Ohre
eines ganz gesunden Tieres, so erhalten wir bei dem Sympathikustiere
eine kongestive Entzündungsform, die kongestiven und exsudativen Ent-
zündungserscheinungen sind vermehrt und verstärkt. Trotzdem verlaufen
die Fälle günstig, doch ist durchaus nicht zu konstatieren, dass sie etwa
günstiger, wie die gewöhnlichen Entzündungsfälle ohne Sympathikusläh-
mung verlaufen. Im Gegenteil verlaufen diese letzteren rascher und
minder heftig. Die Arterienkontraktion, welche bei der Entzündung über-
all den Wendepunkt zur Rückbildung einleitet, tritt bei gleichzeitiger Sym-
pathikuslähmung hier mindestens 24 Stunden, meist noch später ein und
wird nie in gleichem Grade vollständig wie in gewöhnlichen Entzündungs-
fällen. Immerhin hat die Arterie die Tendenz sich zurückzubilden, wenn
auch diese Tendenz durch die vorhandene Vasomotorenlähmung bis zu
EntzOndung. g5
einem gewissen Grade paralysiert wird. Ebenso fanden de Paoli (55),
Roger (61), und Ochotine (54), dass nach Sympathikuslähmung alle
EutzüDdungen, sowohl die durch Verbrühung entstandenen, als auch die
parasitären, durch Streptokokken verursachten, einen kongestiven stärkeren
Verlauf nehmen.
Über den Einfluss der Anämie auf den Entzündungsprozess waren
von Samuel schon früher (63, 64) zahlreiche schlagende Versuche am
Kaninchenohre mitgeteilt worden. Zum Verständnis der später auszu-
führenden Beobachtungen seien die Versuchsresultate betreffs der Anämie
kurz rekapituliert. Ohren, die durch einseitige Karotisunterbindung oder
durch volle Durchreissung und Loslösung der Arteria auricularis an der
Ohrwurzel anämisch geworden, zeigen, solange sie übrigens imgestört
bleiben, auch nicht die geringste Ernährungsstörung; sie sind blass, kühl,
sonst normal und bleiben normal. Aber auf Entzündungsursachen reagieren
anämische Teile anormal, da infolge der Anämie eine Kongestion in
ihnen nicht sofort einzutreten vermag. Bei Ausbleiben der Kongestion
zeigt sich alsdann in den alterierten Venen eine itio in partes, d. h. eine
Souderung weisser Blutkörperchen, die sich in Form von hellen, bläschen-
ahnlichen Klümpchen im Gefässlumen vorzugsweise an den Teilungsstellen
zusanunenballen. Tritt später die arterielle Kongestion ein, so lösen sich
durch den Blutstrom die Klümpchen wieder, die Tendenz zur Adhäsion
der Leukocyten an der Gefässwand bleibt aber in Form der Wandstel-
lung zurück. Mit der Kongestion tritt jedenfalls immer erst ßubor,
Calor, Exsudation und Trübung ein. Bleibt die Kongestion von der Ar-
terie her völlig aus oder tritt sie bei hoher Luftwärme spät ein, so wan-
delt sich die itio in partes, je wärmer die Aussenluft, desto früher, in vol-
len Blutstillstand, in Stase um, mit schliessüch völUgem Untergang der
Ijtiroffenen Stelle. So Verlauf und Ausgang nach den verschiedensten
Eiitzündungsursachen, insbesondere nach der Verbrühung und Krotoni-
sierung. — Bei einer derartigen Anstellung der Anämieversuche würde
ohne Entzündtmgsursachen die Blutcirkulation zwar schwach, aber vollstän-
dig ungehindert und für die Ernährung ausreichend bleiben. Desto schla-
gender geht aus diesen Versuchen hervor, welch wichtige unentbehrliche
Komponente des Entzündungsprozesses die Kongestion bildet. — Je schneller
Dach der eben gedachten Anämie der KoUateralkreislauf sich einstellt,
desto rascher wird auch die Reaktion gegen Entzündungsursachen wieder
^ine ganz normale. Auf die Vollendung des KoUateralkreislaufes üben die
Nerven einen hochgradigen Einfluss aus in der Art, dass nach Durch-
Klmeidung der sensiblen Nerven sich der KoUateralkreislauf verzögert,
iiaoh Durchneidung des Sympathikus er sich beschleunigt. Werden sensible
Qiid vasomotorische Nerven zusammen gelähmt, so kommt der Kollateral-
gg Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
kreislauf so rasch zu stände, wie nach Lähmung der vasomotorischen
Nerven allein. Wenn also nach Samuel nach Durchschneidung der sen-
siblen Nerven allein der KoUateralkreislauf bei Unterbindung der Karotis
um das doppelte und dreifache der sonstigen Zeit verzögert wird, so trägt
der alsdann ausbleibende Reflex der sensiblen Nerven auf die Gefässnerven
daran Schuld.
Über diesen für die Kongestion und dadurch für den Entzündungs-
prozess so wichtigen Reflex zwischen sensiblen Nerven und Vasomotoren
haben van der Becke-Callenf eis undLovän im Ludwigs-Laboratorium
schon 1864 sehr wichtige Versuche gemacht. Durch centrale Reizung der
sensiblen Nerven wird zunächst eine kurze Verengerung, dann eine länger
dauernde Erweiterung der Ohrarterie und konsekutiv des ganzen Gefäss-
netzes herbeigeführt. Die Erweiterung ist grösser als die nach Lälimung
der Gefässnerven zu beobachtende, bringt aber auch niemals eine diffuse
Kapillarhyperämie zu Wege. Auf diese Erweiterung folgt wieder, entweder
noch während der Reizung oder bald nach derselben, eine Gefässverengeruug,
die beträchtlicher sein kann, als sie vor der Reizung gewesen. Bei einer
analogen Reizung des N. dorsalis pedis zeigt es sich ganz klar, dass die ge-
schilderten Veränderungen der Arterie allein dem von dem Reflex betroffenen
Hauptaste zukommen, nicht aber oder nur äusserst wenig auf den Hauptstamm
der iVrterie übergreifen. Während im Aste die Pulsationen gewaltig auf-
traten, waren sie im grossen Arterienstanmae sehr unbedeutend und wurden
bei der Reizung gar nicht verstärkt. Der Ast wurde also weiter wie der
Stamm. Der Reflex zeigt sich zwar meist allein, jedenfalls am stärksten
auf derselben Seite, bisweilen aber auch, wenn auch stets weit schwächer,
auf der korrespondierenden Stelle der anderen Seite. Samuel fiel bei An-
stellung dieser Versuche mittels häufig wiederholter Quetschung der Ohr-
spitze auf, wie ausserordentlich rasch nach Aufhebung der Aurikular-
reizung die Arterienkontraktion wieder wie auf Kommando eintritt, so
dass jeder Gedanke an die vorherige Übermüdung der Wandmuskulatur
ausgeschlossen ist. Der ganze überaus exakte Vorgang macht durchaus
den Eindruck, dass durch die centrale Reizung der sensiblen Nerven eine
plötzliche und bis in die äusserste Peripherie gehende komplete Hemmung
der Vasomotoren eintritt, eine Hemmung, deren Aufhebung unmittelbar
wieder zur Wiederaufnahme der Thätigkeit der Gefässnerven, d. h. zu so-
fortiger Gefässenge führt. Weiter gelang es durch alternierende Quetschung
nur zweier Stellen diese ausserordentlich heftige reflektorische Kongestion
stundenlang zu unterhalten.
Durch diese Fundamentalversuche über den Einfluss der Hyperämie
und der Anämie auf die Entzündungskongestion und über die Wirkung des
Reflexes der sensiblen Nerven auf die vasomotorischen werden nun nach-
EDtzQndang. g7
folgende Versuche Samuels (66) über den Nerveneinfluss auf den Entzün-
dungsprozess verständlich. Wkd links der Sympathikus gelähmt, rechts der
Auricularis major und minor und beide Ohren a tempo in Wasser von
r)4*^ 3 Minuten gesteckt, a tempo herausgezogen, so ist der Entzündungs-
verlauf auf beiden Ohren ein vollständig verschiedeüer. Links entsteht
eine kongestive Entzündung mit ihren lebhaften Erscheinungen und zögern-
dem Verlauf, rechts treten keine Entzündungserscheinungen ein, son-
dern fast nur Gerinnungsphänomene in den Blutgefässen, mit vollem Un-
tergang der ganzen Partie. Der Unterschied kann nicht grösser sein als
er ist, links nach einigem Zögern volle Restauration, rechts gänzliche Ne-
krose der verbrühten Partie. Der Unterschied ist scharf, aber völlig er-
klärbar, die arterielle Kongestion blieb rechts aus, einmal, weil die Sym-
pathikushyperämie links das Blut ablenkte, alsdann, weil durch die An-
ästhesie auch die Möglichkeit der reflektorischen Kongestion rechts ausge-
schlossen war. Es blieb also rechts bei der Anämie, daher kam es unter
dem Einfluss der Entzündungsursache zu Stase und Brand. Daraus geht
hervor, dass rein durch Nerveneinflüsse ohne jede direkte Verlegung der
arteriellen Bahn eine starke indirekte arterielle Anämie erzeugt werden
kann und damit eine Unfähigkeit zur Kongestion, welche den verhängnis-
vollsten Einfluss auf den Verlauf der Entzündungen ausübt.
Kapillaren werden in der Regel als passive Anhängsel der Arterien
angesehen, die denmach ohne weiteres das Schicksal der Arterie in Blut-
fülle und Armut zu teilen haben. Offenbar mit Unrecht. Das Lumen
der Kapillaren wird, nach Roy und Brown, obwohl sehr variabel, doch
durch äusseren Druck auffallend wenig beeinflusst, was auf eine aktive
Kontraktilität der Kapillarwand deutet. Eine solche Kontraktilität hat
Stricker schon immer auf Grund direkter Beobachtungen behauptet,
^iauerstoff des Blutes verengt, Kohlensäure erweitert sie. Wie selbständig
die Kapillarwand ist, geht aber vor allem daraus hervor, dass sie bei ar-
terieller Hyperämie und bei venöser Stauung sich sehr wenig erweitert
und der Blutfülle einen erfolgreichen Widerstand entgegensetzt. Nur wenn
'lie Kapillaren selbst direkt atonisch werden, wie beim Entzündungspro-
zesso, dann dehnen sie sich zu einer Weite aus, die sonst nirgends erreicht
wird. Über die Innervation der Kapillaren ist bisher noch nichts Sicheres
Wkannt.
Auch die Venen sind wir nicht gewohnt, als selbständige Gebilde zu
brachten, obschon sie nachweisbar eine starke Muskulatur besitzen, wenn
auch eme geringere, als die kleinen Arterien. An der Flughaut der Fle-
dermäuse pulsieren die Venen aktiv, ebenso bei allen Säugetieren die
Endstücke der Hohlvenen und Lungenvenen und zwar synchron isch mit
den Ventrikeln. Diese Pulsation hört bei den Fledermäusen nicht auf,
88 Allgem. pathol. Morphologie u. Physiologie.
bei Durchschneiduug der von aussen zutretenden Nerven, muss also auf
innerer gangliöaer Innervation beruhen. Neuerdings ist es nun Mall (45) ge-
lungen, motorische Nerven in der Pfortader nachzuweisen. Nach Unter-
bindung der Aorta dicht unterhalb der Art. subcl. sinistra konnte er durch
Reizung der N. splanchnici die Vena portae bis zum Verschwinden ihres
Niveaus verengen. Da, was von der Pfortader gilt, nicht minder auch bei
anderen Venen Geltung haben wird, so eröfEnet sich dadurch der Ausblick,
dass auch die Venen dem direkten Nerveneinfluss unterUegen, einem Ner-
veneinfluss, der auch für den Entzündungsprozess Einfluss und Geltung
beanspruchen kann.
Unsere Kenntnis der Säf tecirkulation im Entzündungsprozess ist höchst
lückenhaft, so lange wir die Lymphcirkulation nur unvoUständig über-
sehen. Wir haben leider nur wenige zuverlässige Zahlen. In 3 Stunden
fUessen aus einer gesunden Hundepfote nur 4 ccm Lymphe mit 4 — 5^;o
festem Rückstand. Bei der venösen Stauung steigt die Lymphmeuge
in derselben Zeit auf 28,5 ccm, aber doch nur mit 2— 3®/o Rückstand, in
der Entzündung aber auf 28,5 ccm mit 7®/o festem Rückstand. Dies gilt
natürlich nur von Entzündungen mit kongestivem Charakter bis zur Höhe
der Kongestion. Hier reichen aber sogar diese Zahlen für die Lymphabschei-
dung nicht aus, da die Masse des Entzündungsödems hinzugerechnet werden
muss. Wird das Entzündungsödem zum Teil ausgedrückt, so ersetzt es
sich nicht rasch wieder, es dauert einige Zeit, bis der alte Umfang nieder
hergestellt ist. Ist die Kongestion schwach, versagt die Blutcirkulation
durch Stase mehr oder minder, so nimmt auch natürUch die Lymphmenge
ab. Hervorzuheben ist der normalen Lymphe gegenüber der Eiweiss-
reichtum der Entzündungslymphe und die Eiweissarmut der Stauungs-
lymphe, während der Salzreichtum der Lymphe unverändert bleibt. Die
Stauungslymphe gerinnt spät und nur in zarten Flöckchen, die Entzün-
dungslymphe bald zu einer festen Gallerte wegen ihres Gehaltes an Leu-
kocyten. Die Rolle der Lymphe für die Resorption des Entzündungsödems
und der Exsudate, ihre Weiterführung in die Lymphdrüsen braucht nur ge-
streift zu werden. Hingegen muss auf die Lymphbildung nach den Unter-
suchungen Hei den hains, aufmerksam gemacht werden, in denen derselbe
durch scharfsinnige Experimente und sorgfältigen Überlegungen zu dem
Schlüsse kam, dass schon die normale Lymphbildung nicht durch Fil-
tration, sondern durch eiue Art Sekretion erfolgt und dass die Triebkraft
der Sekretion in der Kapillarwand selbst liegt (27). „Sind aber die Kapillarzellen
nicht Filter, sondern sekretorischer Thätigkeiten fähig, so werden sie für
die Zufuhr chemischer Materialien sorgen können, auch ohne grosse
Wassermengen in Bewegung zu setzen. Da chemische Reizung der Kapillaren
erwiesen ist, so können die Stoff Wechselprodukte der verschiedeneu Or-
fintzündung. 89
als Reize auf die Kapillarzellen wirken, derart, dass sie in jedem Or-
gane die Absonderung der Substanzen veranlassen, welche deren Bedarfs-
konto entsprechen z. B. in der Leber der Kohlenhydrate für die Glykogen-
ablagerang, in der Milchdrüse der Eiweiskörper*'. Vollständig unbekannt
ist der Einfluss der Nerven auf diese Lyinphsekretion, wenn man nicht
ältere Versuche von Lautenbach und von Holz hierher beziehen will , nach
denen eine mangelhafte Resorption von Kochsalzlösung nach Zerstörung
des Gehirns und Rückenmarks erfolgt ist. Will man für die entzündliche
Exsudation einen pathologischen Zustand des Endothels der Gefässwände
geltend machen, so sieht man, mit wie komplizierten Faktoren bei der patho-
logischen Lymphe und beim Exsudat zu rechnen ist.
Über die entzündliche Neubildung ist insoferne eine nahezu allge-
meine Einigung erreicht, als der früher von Ziegler (89) ventilierte Gedanke,
einer BeteiHgung der Leukocyten an der Neubildung von ihm selbst auf-
gegeheu worden ist. Die Leukocyten gehen unter. Auch hier wachsen
die Gewebe in der Kontinuität der Generationen unter Metaplasie nah
verwandter Gewebe. Betreffs der Ursache der Proüferation unterliegt es
keinem Zweifel, dass in den meisten Geweben die Abnahme der Wachs-
tumswiderstände genügt, um die Wachstumskraft zu entfesseln, die nur ge-
bändigt, nicht aufgehoben ist. Die Abnahme der Wachstumswiderstände
genügt, also Nachlass des Druckes, Aufhebung des Gleichgewichtes, Ver-
minderung der Spannung zur Entfaltung der nur schlummernden, nicht
aufgehobenen histogenetischen Energie. Dieser Modus ist sichergestellt,
er ist am eklatantesten von Samuel beim Federwachstum nachgewiesen.
Ob nun in proliferationsfähigen Geweben auch die Zunahme des Linen-
<lrucks durch Eindringen geeigneter Ernährungsflüssigkeit, ob Eindringen
von Parasiten, Reizstoffen und Fremdkörpern genügt, inn die Karyokinese
anzuregen, dies ist der vieldiskutierte Punkt. Der Bezeichnung derartiger
Fremdkörper als Wachstumsreize steht der Umstand entgegen, dass es sich
meist um deletäre Stoffe handelt, die eher geeignet sind, Zellen zu zer-
stören, als sie zu einer so komplizierten Thätigkeit anzuregen, wie
Wachstum imd Zellteilung sind.
Auch im Granulationsgewebe will Jul ins Amol d (1) nur den Wander-
zeHeu die Fähigkeit zuschreiben, provisorische und transitorische Be-
standteile desselben abzugeben. Die Wanderzellen vermögen sich wohl
sehr lange als epithelioide, spindelförmige und verästelte Formen zu erhalten,
werden aber doch später durch kontinuierlich herein wachsende , jedenfalls
bleibende Fibroblasten ersetzt.
Unter dem Titel „Über eine Art von Immunität nach überstandener
Krotonentzündung" schildert Samuel (68), dass ein Kaninchenohr nach
eben überstandener Krotonentzündung gegen alsbald erneute Kroton-
90 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
ölapplikation wesentlich anders, weit milder, als ein gesundes Ohr reagiert.
Es geschieht dies auch, wenn das Ohr regelmässig und systematisch kro-
tonisiert wird acht Tage hindurch und länger, überlässt man aber eine
von der Krotonentzünduug geheilte Fläche ganz ungestört sich selbst, so
stellt sich unter voller Regeneration der Epidermis und rascher Wieder-
behaarung spätestens in 4 — 6 Wochen auch die frühere normale Entzün-
dungsfähigkeit wieder her. Diese Art von Immunität stellt sich nur auf
dem früher entzündeten Ohre ein.
Viel weiter gehend und nicht bloss auf örtlicher Abstumpfung be-
ruhend ist die Immunisierung, welche Ehrlich nach Abrin und Ricin
genau wie nach Bakterien und Bakterientoxinen konstatiert hat. Durch
systematische Ricinapplikationen von minimalen unschuldigen Dosen an
immer steigend, lassen sich schliesslich fünffache Mengen der tödlichen
Dosis vertragen. Die Ricinimmunität zeichnet sich durch Schnelligkeit
der Entwickelung , kritisches Einsetzen am sechsten Tage aus, und nicht
bloss in den Organen, auf welche die Applikation stattgefunden hatte,
sondern im ganzen Körper, bei subkutaner Injektion z. ß. und bei Appli-
kation aufs Auge. Dadurch, dass das Blutserum eines derartig ricin- und
abrinfest gemachten Tieres sich auf ein ganz gesundes Tier übertragen
lässt mit dem Erfolge, dass nun auch dieses Tier ricinfest wird, sieht
man sich zu dem Schlüsse gezwungen, dass im Blute des erst immunisierten
Tieres eine Antitoxinbildung stattfinden müsse und dass dieses Antitoxin
übertragbar sei.
Die Entwnckelung von Geschwulstbildung aus chronischen Entzün-
dungen ist durch neuere Untersuchungen nicht weiter gefördert worden.
Man weiss, dass die Entzündungs- und Geschwulstbildung dabei sowohl
durch infektiöse, wie durch nichtinfektiöse Ursachen hervorgerufen sein
kann. Bekannt sind die Paraffinkrebse, die sich an Stellen alter chroni-
scher Entzündungen bilden. In Gallenblasen, die Steine enthalten, bilden
sich öfter Gallenblasenkrebse, Magenkrebse leicht am Rande oder in der
Narbe eines Magengeschwüres. Im Kehlkopf finden sich Krebse auf der
Basis oder auf Narben von tuberkulöser oder auch syphilitischer Granulations-
wucherungen (91).
In der Meinung, dass es unmöglich ist, einen bestimmten patliologi-
schen Vorgang als gemeinsames Kriterium der Entzündung aufzustellen,
hat E. Neumann (52) in einem Aufsatz „Über den Entzündungsbegriff*
vorgeschlagen, überhaupt das Zweckmässigkeitsprinzip zur Basis des Ent-
zündungsbegriffes zu machen. „Wenn wirklich die Vorgänge bei derselben
einem bestimmten Ziele zustreben , so lässt sich erwarten , dass der Orga-
nismus je nach der Art und Weise des stattgefundenen schädlichen Ehi-
griffes verschiedene Wege zur Erreichung dieses Zieles einzuschlagen ge-
Entzündung. 91
nötigt und bei der Reichhaltigkeit der ihm zu Gebote stehenden Mittel
auch dazu befähigt sem wird." „Die Entzündung würde sich nach dieser
Auffassung, sagt E. Neumann weiter, anreihen an die physiologischen
Begriffe der Verdauung, der Atmung, der Zeugung und an den patholo-
gischen Begriff der Regeneration, denn auch hier handelt es sich um eine
Kombination von Vorgängen sehr verschiedener Art, die nur das Gemein-
same haben, dass sie sämtlich einem bestimmten Zwecke dienen. Wäre
uns dieser unbekannt, so müsste ims trotz der genauesten Kenntnis der
einzelnen Vorgänge ihre Zusammengehörigkeit zweifelhaft bleiben und die
Aufstellung jener Begriffe wäre immögUch gewesen. Unter Entzündung
ist diejenige Reihe von Erscheinungen zusammenzufassen, welche sie nach
primären Gewebsläsionen (laesio continui oder Nekrose) lokal entwickeln
und die Heilung dieser Läsionen bezwecken." Diese Neumann sehe Auf-
fassung ist eine spezielle Anwendung des Pflüger sehen teleologischen
Kausalgesetzes und lautet mit Pflügers Worten: „Die Ursache eines je-
den Bedürfnisses eines lebendigen Wesens ist zugleich die Ursache der
Befriedigung des Bedürfnisses oder in anderer Fassung mit spezieller An-
wendung auf pathologische Störungen: jede durch eine Krankheitsursache
hervorgerufene Voränderung des Körpers hat das Eintreten anderer Ver-
änderungen in ihrem Gefolge, welche den schädlichen Einfluss der ersteren
aufzuheben geeignet sind/*
Dem gegenüber hat Samuel (67) in einem speziellen Aufsatz „Die
Selbstheilung der Entzündung und ihre Grenzen" (67) festzustellen versucht,
wie weit überhaupt die Natur die Überwindung der Entzündungsursachen
durch den Entzündungsprozess und wie sie alsdann die Rückbildung des
letzteren herbeizuführen im stände ist. Gewiss thut auch hier unser Or-
ganismus das Beste, was er thun kann. Aber während er für physiologi-
sche Aufgaben gut accommodiert ist, ist seine Accommodation für patholo-
gische Aufgaben doch eine sehr beschränkte. Der Entzündungsprozess ist
wohl günstiger, als diejenige lokale Ernähnmgsstörung, die zumeist eintreten
müsste, als der Brand, der aber allerdings nur an der unmittelbar affizierten
>telle auftreten würde. Doch ist die Entzündung, wenn auch ein relativ gerin-
geres Übel, als ein ganz lokalisierter Brand, doch oft ^in schweres Übel. Er
entspricht wenig einer bestimmten Korrelation zwischen Ursache und Wir-
kung. Feste Fremdkörper, die zu ihrer Lockerung einer grösseren Flüssig-
keitsmenge bedürfen, erfahren diese Lockerung erst in sehr langer Zeit.
Flüssigkeiten und Parasiten treten meist ihren Gang durch den Körper
ganz ungehindert an. Dabei veranlassen manche phlogogene Flüssigkeiten
sehr intensive örtUche Entzündungen, obschon sie durch Verteilung und
Resorption ihre Regulation und definitive Ausscheidung aus dem Organis-
mus leicht erfahren können. Wo also zur Regulation eine starke örthche
92 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Entzündung eintreten sollte, da ist sie schwach und träge, wo eine inten-
sive Entzündung eintritt, ist sie zur örtlichen Regulation gar nicht nötig.
Wo bei Eindringen von Bakterien starke örtliche Entzündungen not-
wendig wären zur Demarkierung und Exfoliierung der Keime, da sehen
wir alle diese teleologischen Entzündungsaufgaben nur selten und in geringem
Masse erfüllt. Von den Gesetzen der DifEussion und Resorption und sehr
wenig vom Regulationsbedürfnis sehen wir die Stärke der Entzündungs-
erscheinungen abhängen. Rasch diffusible Stoffe bewirken Gefässalteration
auf weite Strecken und somit starke Kongestion und Exsudation, wenig
oder gar nicht difEusionsfähige hingegen eine minimale Kongestion, obschon
es zur Zielstrebigkeit umgekehrt der Fall sein müsste. Dazu kommt, dass
der Entzündungsprozess sich durchaus nicht auf die Läsionsstelle beschränkt,
welche allein der Reparatur bedarf, sondern weit darüber hinausflutet.
Oft kommt eher eine Panophthalmie zu stände, ehe nur eine ausreichende
Lockerung eines Metallsplitters in der Hornhaut des Auges erfolgt. Wie
gross ist oft der durch den Entzündungsprozess veranlasste Substanzver-
lust, wie schädUch die Ansammlung des Exsudats im Entzündungsherde,
wie stark die funktionelle Störung durch das Entzündungsödem im Ent-
zündungshof. Unter dem Gesichtspunkte der Überwindung der Entzün-
dungsursache und des Prozesses müssen vielmehr die Entzündungen gerade-
zu in drei verschiedene Gruppen geteilt werden, in sufficiente, insufficiente
und excessive Endzündungen. Nur die sufficienten sind es, die notdürftig
den teleologischen Ansprüchen etwa entsprechen, die excessiven gehen
durch Umfang und Stärke weit über das Regulationsbedürfnis hinaus,
schädigen das Leben des Teiles, ja des Individuums, die insufficienten
chronischen Entzündungen bleiben hingegen unter diesem Bedürfnis zurück,
werden mit der Krankheit spät oder gar nicht fertig. So unvollkommen
ist die Teleologie der Entzündungsprozesse.
2.
Hämorrhagie und Pigmentbildung.
Von
M. B. Schmidt» Strassburg.
Litteratur des Jahres 1894.
I. Hämorrhagie.
Manch ot, Hämorrhagische Diathese bei einem Morphinisten während der Entziehungskur.
Deutsche med. Wochenschr. Nr. 20. Vereins Beilage. S. 20.
II. Pigmentbildmig.
1. Goebel, Über Pigmentablagerung in der Darmmuskulatur. Vir eh. Arch. Bd. 186.
2. Hintze, Über Hämochromatose. Virch. Arch. Bd. 189. S. 459. 1895.
3. Jooss , Über den Ursprung des Pigments in melanotischen Tumoren. Dissert. München.
4. y. Kahlden, Über die Ablagerung des Silbers in den Nieren. Zieglers Beiträge.
Bd. XV.
5. Lubarsch, Beiträge zur Histologie der von Nebennierenkeimen ausgehenden Nieren-
geschwülste. Virch. Arch. Bd. 185.
6. Lubarsch, Über Hämorchr omatose. Sitzungsberichte der naturforschenden Gesell-
schaft in Rostock. 1894.
T. M anasse, Über die Beziehungen der Nebennieren zu den Venen und dem venösen
Kreislauf. Virch. Arch. Bd. 185.
^. Marc, Beiträge zur Pathogenese der Vitiligo und zur Histogenese der Hautpigmen-
tienmgen. Virch. Arch. Bd. 186.
9. Post, Über normale und pathologische Pigmentierung der Oberhautgebilde. Virch.
Arch. Bd. 135.
I. Hämorrhagie.
Die beiden Formen der Hämorrhagie, welche nach den feineren ana-
tomischen Vorgängen unterschieden werden, die per rhexin und die per
^liapedesin, haben bezüglich ihres Vorkommens noch keine scharfe gegen-
^itige Abgrenzung erfahren. Sicher ist, dass die Diapedese, die Durch-
wanderung roter Blutkörperchen durch die Wand der Kapillaren und kleinen
94 Allgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
Venen entsprechend den Stomata der Kittsubstanz zwischen den Endothelien
nur kleine Extravaaste zu liefern vermag : Im Gewebe stellen sich dieselben
als Ecchymosen, Petecliieen dar, und wenn sie in freie Räume, besondere
seröse Höhlen erfolgen, mischen sie sich dem meist unter denselben Be-
dingungen entstandenen Transsudat bei. Alle grösseren und rasch auftre-
tenden Blutergüsse sind auf Rhexis zu beziehen, indessen müssen auch
gewisse kleinere Blutungen, besonders wenn sie um kleine Arterien herum-
liegen — z. B. die Hämatome der Gefässscheiden im Gehirn, die soge-
nannten dissecierenden Aneurysmen — auf echte Zerreissung kleiner Äste
zurückgeführt werden.
Als Bedingungen der Diapedese sind diu'ch direkte Beobachtung unter
dem Mikroskop sichergestellt worden 1. Entzündung und vor allem 2. ve-
nöse Stauung; und als die wesentlichen Momente, welche die KitÜeisten
durchgängig machen, müssen danach erhöhter Druck im Innern und ver-
mehrte Wandspannung angesehen werden. Unter diesen Verhältnissen
kombiniert sich die Auswanderung der roten Blutkörperchen in der Regel
mit Vermehrmig des Transsudatstromes aus den Gefässen, und so erlauben
gewisse Hämorrhagieen durch diese Kombination einen Rückschluss auf
ihre Genese per diapedesin: Vor allem die blutigen Ödeme bei Stauung,
die blutigen Transsudationen in die serösen Höhlen bei Tuberkulose und
Carcinomatose der serösen Membranen(v. Recklinghausen), ferner im Ge-
webe die verstreute Einlagerung roter Blutkörperchen ohne scharfe Abgren-
zung; und vielleicht sind auch die ringfönnigen kleinen Hämorrhagieen,
z. B. der kapillären Retinablutungen bei pemiciöser Anämie Quincke.^
als Ausdruck der Diapedese aufzufassen, wenn man Klebs Erklärung
beistimmt, dass zuerst die Hämorrhagie das Gefäss gleichmässig dicht um-
giebt, und dann, wenn das letztere nicht von der Cirkulation ausgeschlossen
wird, wie nach der Zerreissung, eine Resorption der dem Gefäss benach-
barten Schichten erfolgt.
Für die nicht traumatischen Rhexis-Blutungen sind zwei Momente
als bedeutungsvoll bekannt: Erhöhung des Blutdruckes und Veränderung
mit Widerstandsabnahme der Gefässwand. Für viele Hämorrhagieen reichen
diese beiden Bedingungen zur befriedigenden Erklärung aus; ob sie bei
allen Blutergüssen die in letzter Linie bedingenden Faktoren darstellen,
mag noch unentschieden sein, z. B. für die neuropathischen Blutungen.
Bei der Vermehrung des Blutdruckes kann es sich um eine relative Steige-
rung handeln, die dadurch hervorgerufen wird, dass der Druck der Atmo-
sphäre abnimmt, wie es unter dem Einfluss der Schröpfköpfe geschieht,
obwohl hier ausserdem noch Stauungen im Schröpfkopfhals im Spiele sind:
Einathmungsbewegungen bei behindertem Luftzutritt wirken ähnlich den
Schröpfköpfen und führen zu den besonders vom Neugeborenen bekannten
H&morrhagie und Pigmentbildung. 95
eubpleuralen und subperikardialen Ecchymosen. Die relative Blutdruck-
erhöbung, welche bei Tunnelarbeitem, Tauchern etc. nach dem Übergang
aus komprimierter Luft in die gewöhnliche Atmosphäre auftritt, ist wohl
nicht direkt als Ursache der unter diesen Verhältnissen beobachteten
Blutungen anzusehen; vielmehr werden die letzteren auf embolische Gefäss-
Verstopfungen durch die im Blute freiwerdenden Blasen der unter dem
hohen Druck absorbierten Gase, speziell des Stickstoffs zurückgeführt;
treten sie doch besonders gern an dem vom äusseren Atmosphärendruck
relativ am wenigsten, nur durch die Lymphgefässverbindungen abhän-
gigen Rückenmarke auf.
hn allgemeinen darf angenommen werden, dass bei gesunder Gefäss-
wand eine Erhöhung des Blutdruckes nur an venösen Gefässen zur Ruptur
fülirt ; daher rühren die zahlreichen Stauungsblutungen per rhexin — neben
denen durch Diapedese — bei allgemeiner besonders aber lokaler Druck-
steigerung im Venensystem (Hirnblutungen bei Sinusthrombose u. ähnl.);
normale Arterien ertragen, wenigstens in der Regel, auch extreme Druck-
steigerungen ohne zu zerreissen, und bei arteriellen Kongestionen, z. B. im Ver-
laufe von Entzündungen, kommt es im normalen Gefässystem nur zu
kapillären Blutungen. Für notorisch arterielle Hämorrhagieen muss eine
Erkrankung der Wand vorausgesetzt werden: Beim Platzen der gröberen
Aneurysmen ist dieselbe gegeben 1. in der Existenz der Mediadefekte,
welche der Aneurysmenbildung selbst zu Grunde liegen, 2. in der durch
die allmähUche lokale Dehnung entstehenden Verdünnung, 3. der sekun-
dären Bindegewebsneubildung entzündlicher Natur in der Wand. Für die
dissecierenden Aneurysmen der Aorta und ihrer Äste liess sich freilich ein
vorher bestehender pathologischer Zustand der Wandung bisher nicht
nachweisen und deshalb wird vielfach eine traumatische Entstehung der
Intima- und Mediazerreissung angenommen. Für die spontanen arteriellen
Hirnblutungen sind als Wandveränderungen von Charcot und Bouchard
die miliaren Aneurysmen bezeichnet und regelmässig gefunden worden,
während nach anderen (v. Recklingshausen) die Konstanz keine so
absolute ist. Für diese übrig bleibenden Fälle muss zunächst die Druck-
erhöhung allein verantwortüch gemacht werden.
Als massgebender Faktor wirkt die lokale Drucksteigerung ferner bei
den kapillären Blutungen durch Gefässverstopfung ; nur muss man dann
für die Mehrzahl dieser Fälle eine momentan vorübergehende Erhöhung
zum Sprengen der Kapillarwand als hinreichend betrachten, da ja schon
nach Sperrung grösserer Arterien die öiÜiche Steigerung des Blutdruckes
binnen kürzester Zeit durch Kollateralen wieder ausgeghchen wird, und
nach Verlegung einzelner Kapillaren die Ablenkung des Blutes in Nachbar-
bezirke noch leichter von Statten geht. Hierher gehören wenigstens die-
96 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
jenigen multiplen Ecchymosen, welche sich an gutartige KapiUar-Embolieen
und Thrombosen ^nschliessen : Fettembolien, Pigmentpfröpfe bei Malaria,
Blutplättchenthromben nach Verbrühungen u. a.; femer die hyalinen
Kapillarthromben bei hämorrhagischen Infarkten (v. Recklinghausen),
die während der Sistierung des Blutstroms sich bilden und nach Wieder-
herstellung der Cirkulation für letztere ein Hemmnis bilden. Dagegen spielt
bei den mykotisch embolischen Blutungen im Verlauf septischer Erkran-
kungen auch die Schädigung der Gefäaswand durch die verstopfenden
Mikroorganismen eine ursächliche Rolle. Wohl muss dieser Hämorrhagie
bei septischer Infektion die hämorrhagische Diathese an die Seite gestellt
werden , welche infolge mancher Infektionskrankheiten beobachtet
wird, zweifellos die bei ulcerösen Endokarditis, die Blutungen der Haut
und inneren Organe bei hämorrhagischen Pocken (Weigert); doch werden
in anderen Fällen, z. B. bei Typhus abdominalis (v. Recklinghausen
und P. Meyer), Petechialtjrphus u. a. in den Ecchymosen Kapillarthromben
vermisst, sodass der Gedanke nahe hegt, dass chemische Veränderungen
des Blutes die Kohäsion der Gefässwände stören und so die Blutung her-
beiführen. Auch für den ausgesprochen hämorrhagischen Cliarakter der
bei den letzten Influenzaepidemien beobachteten Entzündungen, vor allem
das relativ häufige Auftreten hämorrhagischer Encephalitis , ist noch keine
genügende Aufklärung gegeben; nur für die hämorrhagische Beschaffen-
heit der Influenza pneumonieen hat v. Recklinghausen in den hyalinen
Kapillarthromben eine erklärendes Moment gefunden.
In Fällen von verbreiteten Blutungen im Verlauf von Icterus gravi«,
akuter gelber Leberatrophie und akuter Phosphorvergiftung bleibt die Ge-
nese der Blutungen ebenfalls noch unentschieden, denn von Verstopfungen
der Gefässe in den hämorrhagischen Partieen konnte bisher nichts nach-
gewiesen werden ; ob aber der besonders bei Phosphorvergiftung meist nicht
seltene Befund von Gefässverfettung zur Zerreissung disponiert, mag mit
Rücksicht auf das überaus häufige Vorkommen dieser Veränderung ohne
jede Blutung zweifelhaft erscheinen; überhaupt ist der Beweis dafür noch,
nicht erbracht, dass diese Hämorrhagieen wirklich auf Zerreissung berulieu
Der Phosphorintoxikation reihen sich noch andere Vergiftungen an,
welche mit Blutungen einhergehen können, die mit Platin, Antimon und
besonders mit Quecksilber: Mit Vorliebe erscheinen hier die Hämorrha-
gieen im Darmkanal, jedoch auch an anderen Stellen (Harnblase, Herz,
Lungen etc.), ohne dass sich aber an den Gefässen eine anatomisch nach-
weisbare Ursache dafür hätte eruieren lassen. Von Cohnheim wurde
für die Blutungen bei den hochgradigen und andauernden Anämieen und
bei der Leukämie die Verschlechterung der Blutbeschaffenheit, vor allem
der Mangel an funktionsfähigen roten Blutkörperchen als ein Moment be-
Hämorrhagie und Pigmentbildang. 97
zeichnet, welches eine Läsion der Gefässwandungen nach sieh zieht und
so die Blutungen veranlasst. Allerdings fehlt es nicht an Mitteilungen
über den Befund von Gefässveränderungen und besonders Verstopfungen
bei Erkrankungen der erwähnten Art, nur können dieselben noch nicht
als beweiskräftig bezeichnet, mindestens nicht verallgemeinert werden. Von
Ulli vier und Ran vier s Leukocytenthromben in den Kapillaren bei
Leukämie ist es noch nicht bewiesen, dass sie nicht erst nach derEcchy-
mosierung zu stände gekommen sind (v. Recklinghausen); Kretschys
Beobachtung von gelben, fast nur aus Leukocyten und Fibrin zusammen-
gesetzten Pröpfen in den kleinen Arterien in einem Falle von Leukämie
bedarf ebenfalls noch einer ausgedehnteren Bestätigung, ehe man diese
Thromben als Ursache der Extravasate auffassen darf. v. Kogerer
hat die unter dem Bilde der Purpura sich darstellenden Hauthämor-
rhagieen, welche bei tuberkulösen, carcinomatösen, senilen Kachexieen sich
einstellen können, mikroskopisch untersucht und regelmässig Thromben in
den kleinen Venenstämmchen, jedoch auch den kleinen Arterien, gefunden, oft
allerdings nur in spärUcher Zahl, in einzelnen Fällen auch Gefässwandverdick-
uügen; indessen ist auch hierbei noch keineswegs entschieden, dass diese
Zustände wirkUch die Ursache der Blutungen bilden und nicht nur eine
lieben anderen, dieselbe veranlassenden, einhergehende Veränderung dar-
«ellen.
Die hämorrhagische Diathese kann als selbständiges Leiden von
akutem und chronischem Verlauf auftreten imd zu verschiedenenartigen
Krankheitsbildem führen: Skorbut, Purpura hämorrhagica und Morbus
ijiacuiosus Werlhofii und der in den Familien so exquisit vererblichen
Hämophilie. Für diese spontan sich entwickelnden Blutkrankheiten ist
nach einer Veränderung der Blutzusammensetzung mit besonderem Eifer
gesucht und als Ausdruck derselben Verdünnung des Blutes, Verminde-
ruDg des Fibrins, Verringerung der Zahl roter Blutkörperchen angesehen
worden, ohne dass aber diese Mitteilungen irgend welche Übereinstim-
mung erkennen lassen und ohne dass die notwendigen Folgezustände der
Blutverluste für die BlutbeschafEenheit genügend davon getrennt worden
^aren. Nach den äusseren Verhältnissen, in denen die skorbutischen In-
«üviduen gewöhnlich leben, ist der Änderung des Salzgehaltes der Nah-
rung eine besondere Bedeutung zugeschrieben, aber von den Einen
«lie Verminderung, von anderen die Erhöhung desselben geltend gemaclit
worden. Auch angenommen, dass die Blutzusammensetzung der wirksame
Faktor ist, so hat sich doch noch keine einheitliche Auffassung darüber
gewinnen lassen, in welcher Weise dieselbe den Anlass zur Hämorrhagie
abgeben soll: teils ist die dadurch bedingte schlechte Ernährung und
Brüchigkeit der Gefäjsswände herangezogen worden (Cohnheim), teils
LQ^arsch-Ostertag, Ergebnisse Abteil. II. 7
98 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
eine hypothetische Fähigkeit des Blutes, Niederschläge zu bilden, die
kapilläre Embolieen veranlassen (Lew in), in der Art, wie Hayem bei
Hunden nach Einführung von Rinderblutserura in die Cirkulation sich
kleine Körnchen und durch diese Gefässverstopfungen und hämorrhagische
Infarkte bilden sah. Von anderen ist, gleichgültig, ob eine Blutverände-
rung die letzte Ursache abgiebt oder nicht, als der die Hämorrhagie ver-
anlassende Faktor eine histologisch nachweisbare Gefässerkrankung be-
zeichnet und so den Blutungen ein „vaskulärer" Ursprung zugeschrieben
worden: Uskow hat in Arterien und Kapillaren des Zahnfleisches und
Periosts bei Skorbut, Schwellung der Endothelien und Anhäufung von
roten und weissen Blutkörperchen gefunden, und Hayem beschreibt
wenigstens für einen Teil der Fälle von Purpura haemorrhagica eine
disseminierte Arteriitis als diejenige Veränderung, welcher die Extra-
vasationen nach Art der Infarkte folgen; damit ist auf die alte Anschau-
ung Cruveilhiers zurückgegriffen, welcher diese hämorrhagischen Prozesse
auf Kapillarphlebitis zurückführte, v. Kogerer fand bei Skorbut und
Morbus Werlhofii zwar Gefässthromben in den hämorrhagischen Partieen
der Haut ohne dieselben jedoch mit der Blutung in ursächlichen Zu-
sammenhang zu bringen.
Für die Hämophilie muss angesichts der ausgesprochenen Erblichkeit
und der Thatsache, dass ausser der Disposition gewisser Lokalitäten, besonders
der Nasenschleimhaut, zu spontanen Blutungen, alle Gefässbezirke schon
nach leichten Traumen zu grossartigen Ergüssen Gelegenheit geben, eine
lokale erworbene Gefässerkrankung als Ursache von vornherein ausge-
schlossen und höchstens eine angeborene allgemeine Missbildung des Gefäss-
Systems in Betracht gezogen werden. Als solche ist von Virchow in einem
Falle die evidente Enge und Dünnwandigkeit der. Aorta bei gut ausge-
bildetem Kapillarsystem bezeichnet worden. Für den Gedanken, dass die
auffallend geringe Neigung dieser Blutungen, zum Stehen zu kommen,
auf einer herabgesetzten Gerinnungsfähigkeit des Blutes beruhe, sind durch
die bezüglichen Untersuchungen keine belegenden Thatsachen zu Tage
gefördert worden. v. Reckling hausen verlegt die Neigung zu den
spontanen Blutungen bei Hämophilie in die Gefässnerven und stellt damit
das Leiden der Gruppe von Hämorrhagieen nahe, welche als neuropathisehe
bezeichnet werden. An erster Stelle dieser Art von Hämorrhagieen steht
die Menstruationsblutung, welche als ein durch die Ovulation angeregter
reflektorischer Vorgang aufzufassen ist, der sich gelegentlich auch an an-
deren Schleimhäuten als der des Uterus, vor allem der des Magens und
der Nase abspielt; da diese Blutungen an abnormen Stellen hauptsächlich
dann auftreten, wenn der Erguss im Uterus nur gering ist, sind sie als
vikariierende oder supplementäre bezeichnet worden. Ob Diapedese oder
Hämorrhagie und Pigmentbilduog. 99
Gefässzerreissung diesen menstrualen Hämorrhagieen zu Grunde liegt, ist
noch nicht aufgeklärt. Eine weitere Gruppe neuropathischer Blutungen
knüpft sieh an das Bestehen funktioneller Nervenleiden vor allem der
Hysterie, und tritt meist nach besonderen Affekten zu Tage, hauptsächlich
an der Haut, dann auch an verschiedenen Schleimhäuten, (der Nase, des
Uterus etc.); dabei können die Hauthämorrhagieen mit den nervösen Stö-
rungen eine ausgesprochene Übereinstimmung in der Lokalisation zeigen:
So sah Lanceraux bei einer Hysterica Hemiaftiästhesie und halbseitigen
Purpurazustand der Haut auf derselben Körperhälfte. Noch deutlicher
tritt diese Abhängigkeit von nervösen Störungen hervor, wenn organische
Nervenkrankheiten vorliegen und die Blutungen in der dem erkrankten
Nervenbezirk entsprechenden Haut lokalisiert sind: Faisans sah zwei Fälle
alkoholischer Neuritis der Unterextremitäten, in denen die Ecchymosen
10—11 Tage nach dem Beginn der neuralgischen Schmerzen erschienen
und entsprechend der Ausbreitung des entzündeten Nerven, und zwar
deutlichst an die schmerzhaftesten Punkte gebunden, lagen; ähnlich war
ein Fall doppelseitiger Ischias mit symmetrischer Purpura. Hautblutungen
bei Rückenmarksläsionen sind selten beobachtet und mit Vorsicht zu be-
urteilen. Indessen wird die Vermutung eines nervösen Ursprungs der
Purpura nahegelegt in dem Falle von Chevallier, in welchem bei einem
mit multipler Sklerose behafteten Individuum, dessen motorische und sen-
sible Störungen fast ganz auf die rechte Seite beschränkt waren, Pocken
auftraten und ausschliesslich an der rechten Körperhälfte hämorrhagischen
Charakter trugen; ferner bei der Beobachtung von Strauss über Haut-
hämorrhagieen bei Tabes: dieselben sassen fast immer an dem Glied und
»lemjenigen Teile des Gliedes, wo die hauptsächlichsten Schmerzen vor-
handen waren, aber regelmässig etwas proximal von der dem Schmerz-
raaximum entsprechenden Stelle, und erschienen mit dem Höhepunkt der
Schmerzen. Über das Zustandekommen dieser neuropathischen Blutungen
sind noch keine befriedigenden Ansichten gewonnen worden. Wohl wird
allgemein eine lokale Kongestion als Folge der Störung vasomotorischer
Nervenfasern angenommen; ob aber diese allein ausreicht, ob nicht etwa
trophische Veränderungen der Gefässwand vorliegen, ob die Kongestion
wirklich den primären Effekt der CJefässstörung darstellt, sind noch offene
Fragen. Dieselben lassen sich zur Zeit umso weniger leicht beantworten,
als es experimentell bisher nicht gelungen ist, in der Haut Blutungen von
den vasomotorischen Nerven aus hervorzurufen, und die durch Eingriffe
am Nervensystem erzeugten Blutungen innerer Organe, besonders des
Magens und der Lunge, noch keine sichere Deutung zulassen.
Ein eigentündiches Auftreten hämorrhagischer Diathese ist neuer-
dings von Manchot (1894) mitgeteilt worden: Dieselbe befiel einen Mor-
100 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
phinisten, der keine Zeichen von Kachexie aufwies, während der Ent-
ziehungskur und war auf diie Haut der Beine und Unterarme beschränkt.
Da sich die Blutungen durch Streichen mit stumpfen Instrumenten will-
kürlich hervorrufen liessen, war ein genauerer Einblick in das Geschehen
möglich: zunächst entstand ein Streifen lokaler Hyperämie, nach 2 Stun-
den eine quaddelförmige Erhebung und nach 4—6 Stunden war diese
verschwunden und durch dichtstehende Hämorrhagieen ersetzt.
IL Pigmentbildniig.
Die pathologischen Pigmentierungen, welche durch Bildung des Farb-
stoffes im Organismus entstehen können, beruhen 1. auf diffuser Durch-
tränkung, 2. auf festen, körnigen oder krystallinischen Abscheidungeu.
Im allgemeinen gilt die Auffassung, dass diffuse Färbungen der zelligen
Elemente durch einen in Blut oder Gewebssäften gelösten Stoff nur an
abgestorbenen oder in der Lebensfähigkeit herabgesetzten Zellen auftreten,
dass dagegen lebenskräftiges Protoplasma das gelöst zugeführte Material ver-
arbeitet, entweder dasselbe zerstört, oder in Form von Körnern fixiert. An der
Zwischensubstanz kann eine diffuse Färbung auch bei voller Lebensenergie
der Gewebe eintreten, z. B. beim Ikterus. Als sichere Quellen der Pig-
mentierungen sind bekannt:
1. der Blutfarbstoff,
2. die Gallenfarbstoffe,
unter welch letzteren das Bilirubin das Hauptpigment bildet; nach der herr-
schenden Annahme werden auch die Gallenfarbstoffe in letzter Linie vom
Hämoglobin abgeleitet. Das Hämoglobin vermag als solches keine dauernde
pathologische Pigmentierung hervorzubringen, sondern erfährt, aus seinem
normalen Sitz in den roten Blutkörperchen ausgetreten, eine zugleich mit
chemischen Veränderungen verbundene Umwandlung zu körnigen mid
krystallinischen Dauerformen, selten zu diffus färbenden Lösungen, da-
gegen entstehen die abnormen Pigmentierungen durch Gallenfarbstoffe nur
durch übermässige Anhäufung des physiologischen Materials in den ver-
schiedenen Geweben in gelöster Form, höchstens als Schollen und Kömer,
aber ohne chemische Metamorphosen.
Auf dem Boden dieser Thatsachen bauen sich die zahlreichen noch
nicht abgeschlossenen Untersuchungen auf, inwieweit die sogen, melano-
notischen Pigmente des Körpers in ihrem physiologischen Vorkommen
(Haut, Haare, Auge, Pia mater) und den pathologischen Steigerungen des-
selben, sowie in den pathologischen Neubildungen dieser Gewebe auf die
präexistenten Farbstoffe nach dem bekannten Umwandlungsmodus, oder auf
eine eigentümUche und metabolische Thätigkeit der Zellen zurückzuführen
Hämorrhagie und Pigmentbildung. 101
ßind, in welchem Verhältnis ferner die nicht melanotischen abnonnen Pig-
mentierangen, z. B. bei Hämochromatose, Ochronose, Chloromen, zu den
physiologischen gefärbten Substanzen des Körpers stehen.
Der Modus der lokalen hämatogenen Pigmentbildung, wie sie nach
Hämorrhagieen, Entzündungen, in Thromben, kurz überall da, wo rote Blut-
körperchen funktionsunfähig, aus der Cirkulation ausgeschaltet werden, sich
abspielt, ist bis auf Fragen sekundärer Art genau studiert. Sicher ge-
stellt erscheint, dass dabei aus dem Hämoglobin zweierlei gefärbte Körper
eütstehen, welche chemisch und morphologisch verschieden sind, obwohl
nicht immer die gleichen chemischen und morphologischen Eigenschaften
zusammentreffen: 1. Eisenfreies Pigment, Hämatoidin; 2. eisenhaltiges
Pigment — Hämosiderin (Neumann 1888), in letzterem der Eisengehalt
durch Perls BerUnerblau- oder Quinckes Schwefelammonium -Reaktion
nachweisbar. Der Regel nach stellt sich Hämatoidin krystalUnisch , als
feine Nadeln oder schiefe Rhomboeder dar, Hämosiderin kömig und
schollig; doch kann — als Ausnahme — auch Hämatoidin in Körnerform
auftreten; jedoch ist eisenhaltiges Pigment nie in Krystallen beobachtet
worden. Allerdings ist auch für das Hämosiderin der mikrochemisch
nachweisbare Eisengehalt eine, wenn schon lange dauernde, doch vorüber-
gehende Eigenschaft: Vor der vollen Entwickelung ist dasselbe trotz mor-
phologischer Vollendung eisenfrei, und in denselben Zustand kehrt es nach
der Periode der positiven Eisenreaktion zurück (M. B. Schmidt 1889). Da-
nach kann das Ausbleiben der Eisenreaktion nicht als Kriterium gegen
den hämatogenen Charakter verwandt werden. Diese beiden chemisch-mor-
phologisch differenten Blutpigmente gehen auch in ihrer Entwickelung aus
dem Hämoglobin getrennte Wege (Neumann 1888). Hämatoidin entsteht,
wenn das Blut in lebensunfähiges, Hämosiderin, wenn es in lebendes Ge-
webe extravasiert war; wenn beide nebeneinander in Hämorrhagieen oder
Thromben auftreten, liegt das Hämatoidin vorwiegend im Blutgerinnsel
selbst, das Hämosiderin dagegen in dem umgebenden Gewebe, und in einer
intermediären Zone finden sich beide nebeneinander. Hämatoidinbildung
diu-f man wohl als einen von vitaler Gewebsthätigkeit unabhängigen Pro-
zess betrachten, bei dem nach Virchows ziemlich allgemein gültiger, von
Langhans (1870) nicht geteilter Ansicht Krystalle und Kömer aus dem
gelösten und diffundierten Blutfarbstoff ausfallen. Immerhin ist auch die
Hämatoidinbildung kein einfach chemischer, sondern nach v. Reckling-
hausens (1883) Annahme von gewissen, komplizierten fermentativen Vor-
gängen abhängiger Prozess: Denn nur im überlebenden, fäulnisfrei
aufbewahrten Blut lassen sich künstlich Hämatoidinkrystalle hervorrufen
(V. Recklinghausen 1883, Hauser 1886), nicht aber durch chemische
Prozeduren. Auch das körnige Hämosiderin kann aus gelöstem Blutfarb-
102 Allgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
Stoff hervorgehen, wie Neumann (1888) durch die experimentellen Ein-
spritzungen von in Äther gelöstem Hämoglobin nachwies. Beim Menschen
ist indessen wohl als Regel die direkte Umwandlung der roten Blut-
körperchen oder ihrer Toilstücke, oder auch des tropfenförmig vom
Stroma getrennten Hämoglobins in gelbe und braune Körner ohne vor-
herige Lösung zu betrachten. Umstritten ist noch die Frage, ob dieser
Prozess notwendig im Innern von „blutkörperhaltigen" Zellen sich abspielt,
oder ebensogut extracellulär ablaufen kann; die Ausschliesslichkeit des
ersteren Vorgangs ist von Langhans bei seinen grundlegenden Ex-
perimenten (1870) angenommen worden, von anderen werden beide Mög-
hchkeiten anerkannt. Physiologisch kommt Hämosiderinbildung in den
blut-bildenden und zerstörenden Organen, Milz, Leber, Knochenmark, vor
und wird hier durch alle den Untergang roter Blutkörperchen steigernden
Vorgänge oder künstliche Eingriffe vermehrt (Quinckes Siderosis bei
pemiciöser Anämie und künstlicher Plethora 1880, J. Arnold 1885). Die
pseudomelanotischen Färbungen bei Gangrän und Leichen Fäulnis, welche
am Kadaver auf gewisse Organe beschränkt und unabhängig vom Blut-
gehalt derselben auftritt, ist nach v. Recklinghausen (1883) und Neu-
mann (1888) auf eine Kombination vitaler und kadaveröser Vorgänge
zurückzuführen, derart, dass Hämosiderin vorhanden sein muss, w^eleher
unter dem Einfluss fauliger Zersetzimgsprodukte , wahrscheinlich des
Schwefelwasserstoffs, in schwarze Körner übergeführt wird.
Vom Ort erster Bildung kann das notorisch aus Hämorrhagieen her-
vorgegangene Pigment eine allgemeine Verbreitung erfahren : Hämosiderin
in den von einem Blutungsherd abhängigen Lymphgefässen und Lymph-
drüsen ist häufig nachzuweisen, ausserdem auf Leber, Milz und Pankreas
ausgedehnt von Tillmann s (1878) nach traumatischen Gewebszerreissungen
und in einem Falle von Morbus maculosus Werlhofii von Hindenlaug
(1880) gefunden und von letzterem als Resultat einer „Blutpigmentmetastase''
gedeutet worden, v. Recklinghausen (1889) hat eine häufig und in
weiter und typischer Verbreitung vorkommende ähnliche pathologische
Färbung der Organe als „Hämochromatose" beschrieben. Dieselbe ist cha-
rakterisiert durch das Nebeneinanderauftreten zweier Pigmentarten, welche
den befallenen Geweben eine makroskopisch kenntliche Braunfärbung ver-
leihen: 1. des ockerfarbenen Hämosiderins in Leber (Sekretions- und Stern-
zellen), Lymphdrüsen, serösen Membranen, Scheiden grösserer Gefässe und
Fettgewebe; 2. eines von v. Recklinghausen Hämofuscin genannten
feinkörnigen, gallenbraunen, eisenfreien Farbstoffs in den glatten Muskel-
fasern der Darm- und Magenwand, der Blut- und Lymphgefässe, der Harn-
blase, Ureteren, Vasa deferentia, ferner in den an Saftkanälen reichen
Bindegewebsscheiden der Blutgefässe und Drüsen, immer intracellulär ge-
Hämorrhagie und Pigmentbildnng. 103
lagert, endlich in den Epithelien der Magen- und Darmdrüsen, Speichel-
und Thränendrüsen , Schleim- und Schweissdrüsen. Beide Pigmentarten,
das eisenfreie Hämofuscin und das Hämosiderin, sind offenbar von der
gleichen Quelle abzuleiten, nämlich von kapillären Blutungen oder Dia-
pedesen und als Ausdruck hämorrhagischer Diathese zu betrachten (be-
sonders bei chronischen hämorrhagischen Entzündungen, z. B. der serösen
Membranen und der Leber beobachtet); das Hämosiderin entsteht am Ort
der Blutungen direkt aus den roten Blutkörperchen, das Hämofuscin
wahrscheinlich so, dass es den betreffenden Geweben in gelöster Form
zugeführt und in den glatten Muskelzellen u. s. w. kömig verdichtet wird.
Diese Annahme einer gleichzeitigen, nebeneinander hergehenden
Bildung von Hämofuscin und Hämosiderin modifiziert Göbel (1894, 1) auf
Grund seiner Beobachtungen über die Pigmentierung der Darmmuskulatur,
hei deren höheren Graden andere Organe an der Färbung teilnehmen.
Die rntersuchung von 100 Därmen der verschiedensten Lebensalter liess
feststellen, dass feine gelbe cisenfreie Pigmentkömehen (Hämofuscin) beim
Erwachsenen fast ausnahmslos an einzelnen Zellen der Darmmuskulatur
vorhanden sind, und dass ihre Menge proportional dem Alter wächst, wie
es von Maas (1889) für die physiologischen Pigmentierungen des Herzens,
der Leber, Nieren, Hoden etc., konstatiert worden ist. Kachexieen, besonders
carcmomatöse und tuberkulöse, steigem die Ablagemng, in deren höchsten
Graden die Darmwand rostbraun gefärbt erscheint. Auffällig ist die be-
sondere Disposition gewisser Darmabschnitte; am stärksten des Jejunum,
weniger des Ileum, Cöcum und Colon; überall liegt das Pigment allein
oder reichlicher in der Längsmuskulatur gegenüber den Ringmuskeln und
der Muscul. mucosae. Mit den höheren Graden dieser Darmpigmentierung
verband sich regelmässig eine gleiche Ablagerung in den glatten Muskel-
fasern und dem Bindegewebe anderer Organe, vor allem der Gefässwände des
Darms, der Nieren, Leber, Lmigen, der Bronchialmuskulatur u. s. w., in dem
iuWrstitiellen Gewebe der Submaxillardrüse , der Leber etc., nie aber rief
fliese Pigmentierung auffälhge makroskopische Färbung der Teile hervor.
Immer erwies sich dieses Pigment als Hämofuscin mid lag nur im Innern
von Zellen, die nie Atrophie, vielmehr fast stets Vergrösserung („Pigment-
spindeln'*) aufwiesen. Wichtig ist, dass das gleichzeitig vorhandene Hämo-
Hderin in den Parenchymzellen der Leber, Milz und Nieren bezüglich der
Reicldichkeit mit der Hämofuscinbildung nur in einer verschwindenden
Zahl der Fälle Hand in Hand ging, ferner aber auch in den höheren
Oraden der Färbung fast nie eine hämorrhagische Diathese oder Anzeichen
stattgehabter Blutungen existierten. So möchte Göbel die einfache
Vermehrung des Blutzerfalls innerhalb der Blutbahn, der durch das Alter,
Kachexieen und vielleicht AlkohoUsmus gefördert wird, als Quelle der Färb-
104 Ailgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Stoffbildung ansehen; den Zusammenhang der zwei Pigmentarten Häino-
siderin und Hämofuscin denkt er sich derart, dass das hierbei zunächst
an den gewöhnlichen Ablagerungsstätten, Leber und Milz, gebildete Hämo-
siderin wieder ausgelaugt und als Hämofuscin über den Körper ver-
breitet wird, wahrscheinlich in gelöster und erst in den Zellen verdichteter
Form, sodass Leber und Milz wieder pigmentfrei werden. Erst nach star-
ker Überschwemmung aller Körperteile mit Hämofuscin, wie sie in den
hohen Graden der Hämochromatose auftritt, bleibt das direkt aus den
roten Blutkörperchen in Milz und Leber gebildete Hämosiderin als solches
in diesen Organen liegen; oder von vornherein entsteht bei gesteigertem
Zerfall der Blutscheiben in der Cirkulation, falls derselbe langsam er-
folgt, Hämofuscin, wenn rascher, Hämosiderin. So können die von
Göbel gesehenen Fälle mit ausgedehnter Hämosiderinbildung als ge-
ringer Grad der Hämochromatose aber mit ihr identisch aufgefasst wer-
den. Von dieser Auffassung v. Racklinghausens und G ob eis weicht
Hintze (9) in einer jüngst (1895) erschienenen Arbeit in einigen Punkten
ab, nämlich sowohl bezüglich des Ursprungs der Hämosiderinherde, als
bezügUch der Bildungsweise des Hämofuscin. In den Ablagerungen des
eisenhaltigen Pigments sieht er nicht nur Residuen von Blutungen an den
betreffenden Stellen, resp. nach Fortschaffung des Blutes in die abhängigen
Lymphdrüsen, sondern den Ausdruck eines vermehrten Blutzerfalls inner-
halb der Cirkulation; denn nur in einigen seiner 6 Fälle waren Hämor-
rhagieen vorhanden, deren Ausdehnung mit der Menge des Hämosiderins
im Einklang stand; regelmässig dagegen betraf die Hämochromatose Indi-
viduen mit allgemeinen Kachexieen (carcinomatösen, tuberkulösen etc.), bei
denen reichliche intravaskuläre Zerstörung der roten Blutkörperchen zweifel-
los stattfand. Die V^eraibeitung der so zu Grunde gehenden Blutkörpc^r-
chen zu Hämosiderin erfolgt nach Hintze an den gewöhnliclien
Stätten, d. h. in Milz. Knochenmark, Leber, Lymphdrüsen. Für die
ausgebreiteteren Färbungen, bei denen die EpitheUeu der Speicheldrüsen,
Thränendrüsen , Nieren etc. beteiligt werden, nimmt Hintze eine andere
Entstehungsweise des Hämosiderin an, nämlich die aus gelöst zugeführteni
Blutfarbstoff, welche als eine Pigment-,, Ausscheidung" durch diese secer-
nierenden Epithelien aufgefasst werden kann. Um diese Möglichkeit der
Eisenpigmentbildung aus gelöstem Material, welche bisher nur experimentoll
von Neumann (s. 0.) erwiesen ist, annehmbar zu machen, weist Hintze
auf die in einem Falle beobachtete Braunfärbung der Lymphdrüsen
durch diffundierten Farbstoff hin.
Bezüglich des Hämofuscins arbeitet Hintze die von Lubarsch
(5) ausgesprochene Anschauung weiter aus: dasselbe soll nicht in allen
Geweben und Organen ehie einheitliche Genese besitzen, sondern zum Teil
Hämorrbagie und PigmentbilduDg. 105
aus Hämosiderin durch Verlust der Eisenreaktion hervorgehen, zum Teil
von vornherein eisenfrei gebildet werden. Ersteres gilt für das Hämo-
fuscin der Bindegewebs- und Epithelzellen; und zwar gründet sich diese
Hypothese auf den Befund von Übergangsbildern zwischen eisenhaltigem
und eisenfreiem Pigment, welche von v. Recklinghausen vermisst wur-
den; an jenen Stellen können die beiden gegen die Eisenreaktion sich ver-
schieden verhaltenden Farbstoffe weder durch Form noch Lagerung, noch
optisches Verhalten von einander unterschieden werden, liegen sogar oft
nebeneinander in einer und derselben Zelle. Auch im Herzmusfcel fand
Hintze wie Göbel bei Hämochromatose das braune Pigment stets ver-
melirt, femer aber neben den wie im normalen Zustand eisenfreien
Körnern auch eisenhaltige; mit Recht zieht er daraus nur mit Reserve
den Schluss, dass der eisenfreie Teil aus dem eisenhaltigen entstanden
und demnach als Derivat des Blutfarbstoffs aufzufassen sei. Auf das
Pigment der glatten Muskelfasern kann die entwickelte Hypothese nicht
ausgedehnt werden, da hier niemals neben dem Hämofuscin eisenhaltige
Körner nachgewiesen werden können. Die Bildung des Hämofuscins
als solchen durch die Muskelzellen erkennt Hintze an, nur mit dem
Zusatz zu v. Recklinghausens Anschauung, dass eine spezifische
Thätigkeit derselben vorhanden sein muss, durch welche sie aus dem in
gelöster Form zugeführten Blutfarbstoff unter allen Umständen nur eisen-
freies Pigment produzieren. Ein Beweis für diese Fähigkeit liegt in den
Resultaten, welche Lubarsch durch Einspritzung von defibrinirtem und
mit NaCl-Lösung verdünntem Blut unter die Serosa des Kaninchenmagens
erzielte; Nach 4 — 6 Tagen traten in den Muskelfasern kleine, gelbe eisen-
freie Kömchen auf; fem er steht damit im Einklang die von Lubarsch
angefügte Beobachtung eines Falls von Lebercirrhose mit Blutungen in
<lie Darmmusktdatur, wo trotz der lokalen Entstehung der Pigmentierung
üQ diesen Stellen doch nur eisenfreier, teils diffuser, teils feinkörniger
Farbstoff in den Muskelfasern zu stände gekommen war.
Als Konsequenz dieser Untersuchungen ergiebt sich für die Auffas-
sung der Hämochromatose, dass das Hämosiderin in Epithel- und Binde-
gewebszeÜQn unter denselben Bedingungen auftritt, wie das Hämofuscin
in den glatten Muskelfasern, und die Verschiedenheit der Endprodukte
nur auf einer eigentümlichen Thätigkeit der Muskelzellen beruht.
Nicht erwiesen, aber wahrscheinlich ist die hämatogene Natur der
Mgnientes in den drei bisher bekannt gewordenen Fällen von Ochronose
Virchow, 1886, Boström 1891, Hansemann 1892). Die Färbung war
lokalisiert in sämtlichen Knorpeln, die wie in Tinte getaucht aussahen,
^em verdichteten Bindegewebe der Sehnen und Bänder, in der Aorten-
intima und in Lymphdrüsen, und zwar fast stets an pathologisch verän-
106 Allgem. pathol Morphologie und Physiologie.
(lerten Stellen derselben (KnoipelaufiEaserung, Arteriosklerose); in Haiise-
raanns Falle bestand dazu 18 Jahre hindurch Ausscheidung schwar-
zen Urins. Die Färbung haftete an der Intercellularsubstanz als diffusse
und kömiges Pigment (beide Arten aber nach Hansemanns Expe-
rimenten identisch), und erweckte den Eindruck eines Imbibitionsphlino-
mens. War auch mikrochemische Eisenreaktion nicht zu erzielen und in
Virchows und Böströms Fall Eisen nur spurenweise aufzufinden,
so wird doch die Abstammung vom Blutfarbstoff als wahrscheinlich ange-
nommep, nach Virchow als Steigerung der an Knorpeln und Seimen
alter Leute häufigen Braunfärbung, nach Boström dagegen hervorgerufen
durch lokalisierte hämorrhagische Prozesse, von denen aus, ähnlich wie bei
Ilämochromatose, die Verschleppung des gelösten Farbstoffs stattfindet.
Wahrscheinlich hämatogen ist ferner der Farbstoff in den grünen
Chloromen, die zum Teil echt sarkomatöse Tumoren, zum Teil hyperpla-
stische Wucherungen lymphoider Apparate (Lymphdrüsen, Knochenmark
etc.) darstellen, immer aber zellenreiche, bisweilen verkäste Knoten; mikro-
skopisch nicht greifbar als gelöste, diffus imbibierende Substanz, vnrd die
Beziehung dieses Pigments zum Hämoglobin dadurch statuiert, dass die
Chlorome öfters (Waldstein 1883, Di t trieb 1846) in Fällen hämoiTha-
gischer Allgemeinerkrankungen, perniciöser Anämie und Skorbut beobach-
tet wurden. Im Xanthelasma haftet das Pigment an Fetttropfen in den
Tumorzellen; der braune Farbstoff den Leber (1871) daneben gefunden
hat, ist von anderen nicht wahrgenommen worden.-
Zu den sicher hämatogenen Pigmenten müssen die amorphen Körn-
chen gezählt werden, welche bei Intermittens auftreten und durch ihre
dunkelbraune bis kohlschwarze, selten helle Farbe im einzelnen, den rein
schwarzen Ton in ihren Anhäufungen die Bezeichnung der Melanämie
rechtfertigen. Längst bekannt (Meckel 1847) und in den Blutbahnen, be-
sonders den Kapillaren der Milz, des Gehirns, nachgewiesen, sind sie
ursprünglich von der Milz als Ursprungsort abgeleitet worden, und erst
später zeigten Arnstein (1874) und Kelsch (1875), dass sie im Blute
entstehen und in den Organen im Innern von Zellen abgelagert werden.
Der Modus ihrer Bildung ist von Laveran (1881), Marchiafava und
Celli (1885), Golgi (188G) erkannt worden: Die eigentümlichen Para-
siten der Malaria dringen in die roten Blutkörperchen ein und produzieren
in sich unter Abblassen der letzteren und aus deren Hämoglobin das Pig-
ment. Diese notorisch hämatogenen Körner geben keine mikrochemische
Eisenreaktion, auch nicht in ihren jüngsten Formen (Neumann 1889);
doch hat Carbon e (1891) aus dem extrahierten Farbstoff Eisenoxyd ge-
W'Onnen, auch durch spektroskopiche Untersuchungen und die Erzeugung
von Häminkrystallen seine Identität mit Hämatin festgestellt.
Hftmorrhagie and PigmeDtbiidang. 107
Die abnormen im Leben eintretenden Pigmentierungen durch Gallen-
farbstoffe, die ikterischen Färbungen, beruhen auf Anwesenheit unverän-
derten Bilirubins in abnormer Menge oder an abnormer Stelle, und zwar
haftet dasselbe haui)tsäehlich in gelöster Form an der Grundsubstanz des
Gewebes, während Zellen nur bei hohen Graden des IkteiTis an der Fär-
bung teilnehmen und dann in der Regel in Form braungelber und grüner
Kömer (Biliverdin), welche letztere wohl als Oxydationsprodukte des Bilirubins
aufzufassen sind. In den gew^öhnlichen Fällen von Ikterus handelt es sich
um den in der Leber gebildeten (N au nyn und Minkowski (1886^ Farb-
stoff der Galle, welche wegen Verlegung der Ausführungsgänge retiniert
und, durch Resorption ins Blut gelangt, den Geweben zugeführt wird; nach
V. Freys (1892) Untersuchungen geht die Beförderung der retinirten Galle
durch die Lymphbahneu der Leber in den Ductus thoracicus und von da in
die Blutcirkulation; denn durch Unterbindung des Ductus thoracicus
konnte v. Frey den Eintritt des Ikterus nach Gallengangsunterbindung
verhindern.
Das Urteil, ob jeder Ikterus als hepatogener, Resorptions-Ikterus zu
deuten ist, auch wenn kein Hindernis für den Abfiuss der Galle in den
Darm besteht, wird erschwert durch die kaum noch zu bezweifelnde Iden-
tität des Bilirubins und Hämatoidins. Die MögUchkeit ist denkbar, dass
unter pathologischen Bedingungen durch Zerstörung roter Blutkörperchen
im Blute selbst Hämatoidin in gelöster Form ohne Mitwirkung der Leber
erzeugt und den Organen zugeführt wird; so sind vor allem Fälle von
fJelbsucht bei septischen Allgemeinerkrankungen und bei Herzfehlem mit
Erhöhung des Druckes im Aortenkreislauf gedeutet worden und besonders
der Icterus neonatonim, obwohl für letzteren von manchen Seiten ein
Hindernis im Gallenabfluss — Ödem der Glissonschen Kapsel (Birch-
Hirschfeld) — angenommen wird. Für solche Fälle, wo die Entleerung
der Galle in den Darm nicht gestört ist, wird von den Vertretern des
an-sohliesslich hepatogenen Ikterus eine Mitwirkung der Leber in der Art
angenommen, dass durch erhöhten Blutzerfall Polycholie entsteht und eine
ße^rption der in der Leber überreichlich gebildeten Galle eintritt (N a u n y n).
Die Möglichkeit, dass unter pathologischen Verhältnissen, d. h. bei reich-
licher Zerstörung roter Blutkörperchen Gallenfarbstoff-Lösung gebildet und
nicht nur durch die Leber, sondern auch die Nieren ausgeschieden wird
IV. Recklinghausen), ist nach gewissen Erfahrungen nicht zu be-
zweifeln, und auf Grund derselben wird von einigen Autoren der häma-
tcfgene Ikterus aufrecht erhalten, v. Recklinghausen (1883j sah am
>trum des lebend aufbewahrten Froschblutes ikterische Färbung sich ein-
stellen unter Auflösung und Zersprengung eines Teils der roten Blut-
körperchen; femer an den Eihäuten des Menschen um die arteriellen Ge-
108 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
fasse gallengrüne Farbe, die zweifellos aus gelöstem und imbibiertem Blut-
farbstoff gebildet war; und einmal bei einem Knaben, bei dem wegen
hochgradiger Anämie Lammbluttransfusion vorgenommen wurde, welcher
nach 14 Stunden (!) der Tod folgte, am Blutserum und den sonst farb-
losen Geweben eine ockerbraune Farbe und in allen serösen Membranen,
Blut und Harn dichte Hämatoidinnadeln. Allerdings ist diese Hämatoidin-
bildung im Blut nicht die gewöhnhche Folge einer Auflösung der cirku-
lierenden Blutkörperchen, welche sich durch Hämoglobinurie bekundet;
es müssen also noch für das Zustandekommen besondere Bedingungen,
vielleicht eine Fermentation, angenommen werden (v. Recklinghausen).
Indessen, wenn somit die Möglichkeit dieser Entstehung nachgewiesen ist,
wird vor allem die Auffassung des Icterus neonatorum als Blutikterus da-
durch begünstigt, dass bei ihm in Blut, Harn und Fettzellen, sowie als
„BiUrubininfarkt" in den Harnkanälchen Hämatoidinnadeln auftreten, die
sich nach dem Tode noch vermehren (Neumann 1867, 68, 76) und des-
halb alle als postmortale feste Ausscheidung des im Leben gelösten Farb-
stoffs aufzufassen sind.
In wieweit die spontan im Körper auftretenden Kgmentierungen auf
die zwei in ihrem Ablauf bekannten Vorgänge oder wenigstens auf diese
Quellen, Blut und Galle, zurückgeführt werden dürfen, ist noch nicht end-
gültig festgestellt und bis in die neueste Zeit Gegenstand zahlreicher Unter-
suchungen. Für die normalen, nicht zu den melanotischen gehörenden Farb-
stoffen der Nieren, Nebennieren, Hoden, des Herzens, der Leber scheint eine
Bildung in den betreffenden Parenchymzellen sichergestellt; sie sind normale
Produkte des Stoffwechsels, welche im allgemeinen mit dem Alter an Reich-
Uchkeit zunehmen (Maas 1889); ihre Ableitung vom Blut kann auf Grund
der positiven Eisenreaktion nur für das Leberpigment und das der inter-
stitiellen Hodenzellen durchgeführt werden; für das Herzpigment scheint
nach Maas ein fettartiger Körper die Vorstufe zu bilden. In welcher Be-
ziehung der Farbstoff, welcher bei Behandlung frischer Nebennieren mit
Alkohol denselben braun oder rot färbt, zu dem normalen Pigment des
Organs steht, ist noch unentschieden; möglich erscheint es auch, dass er
herstammt von der eigentümlichen, ursprüngUch ungefärbten, nach
Chromsäure Verhärtung aber intensiv braunen Substanz, welche v. Brunn
(1872) u. a. in den Markzellen fanden und welche Manasse neuerdings
(1894; 5) als hyaline Ausfüllungsmasse in die Venen der Marksubstanz
übertreten sah.
Für die melanotischen Pigmente in Tumoren und die übermässigen
Anhäufungen derselben in normalen Geweben fällt die Entstehungsfrage
zusammen mit der für die normalen Pigmentierungen der Haut und Haare
und des Auges; denn an der Identität dieser pathologischen und physio-
Hämorrhagie und Pigmentbildung. 109
logischen Farbstoffe muss wohl festgehalten werden, sowohl nach den
übereiustiminenden Eigenschaften derselben als danach, dass der primäre
Ausgangspunkt der melanotischen Geschwülste in der Regel in einem der
physiologisch pigmentierten Gewebe liegt. Die Bezeichnung „Melanin*' für
diese Pigmente gründet sich nur auf das im allgemeinen dunkle Aussehen
derselben, besonders wenn sie dicht aufgehäuft sind, doch fallen unter die
Bezeichnung auch die helleren Nuancen der Färbung ; der Zusammenhang,
in welchem sie durch die Bezeichnung mit dem Melanin der Malaria ge-
l'racht werden, ist nur ein äusserUcher, durch die Farbe bedingter; die
Geuese beider Melanine geht offenbar weit auseinander, und durch die
Untersuchungen von Carbone (s. o.) sind kürzlich auch chemische Dif-
erenzen der beiden Körper festgestellt worden.
Wird das Melanin autochthon durch metabolische Thätigkeit d. h.
aktive Vorgänge im Protoplasma der pigmentierten Zellen bereitet, oder
stammt es aus dem Blutfarbstoff? Die gebräuchliche Gegenüberstellmig
von „autochthonen" und „hämatogenen" Pigmenten ist keine glückliche, so
lange die Begriffe sowohl den Ort der Entstehung inner- oder ausserhalb
der Zellen als die Quelle des Farbstoffs umfassen. Geboten erscheint es, in
diesem Gegensatze unter „autochthonen'' Farbstoffen die unabhängig vom
Hämoglobin durch Umsetzung des Protoplasmas der Pigmcntzellen ge-
bildeten zu verstehen, imter „hämatogenen*' diejenigen, welche vom Hämo-
globin stammen und für welche eine Umwandlung der gelöst zugeführten
wid aufgenommenen Blutfarbstoffe in Körner im Innern von Zellen eben-
>ogut denkbar ist als eine reine Intussusception der in fertigeraZustand zuge-
führten Körner. Dann würde zu den beiden gestellten Fragen nach der
Quelle des Farbstoffs noch als dritte die anzureihen sein, ob aus den
histologischen Bildern und vielleicht auch aus klinischen Beobachtungen
Anzeichen für einen Transport des Pigments zu entnehmen sind? Am
wenigsten untersucht ist der Modus der Pigmentbildung im Auge. Die
chemischen Analysen haben noch kein übereinstimmendes Resultat er-
geben insofern, als manche Autoren Eisen, wenn auch in geringer Menge
Jarin aufgefunden haben (Hirschberg 1870, Mays 1878 u. 93), während
'ieu meisten Untersuchern der mikrochemische und chemisch-analytische
Eisennachweis missglückte (Perl s, Kulenkampf, Sieber, Scherl 1893).
1d «ler Chorioidea scheint nachRiehl (1891) das Pigment in sternförmigen
fixen Bindegewebszellen gebildet zu werden; dafür, dass der Farbstoff aus
dem Blut entnommen wird, kann angeführt werden, dass nach Scherl
ilBl»3) sein erstes Auftreten im embryonalen Auge mit der Gefässent-
K'ickelung in direktem Zusammenhang steht: Denn bei allen Tieren mit
feinem sogenannten inneren Gefässsystem im Glaskörperraum tritt das Pig-
ment zuerst an der Innenfläche der proximalen Glaskörperlamelle nach
110 Allgeni. pathol. Morphologie und Physiologie.
der Gefässentwickelung an dieser Stelle auf, bei den Vögeln mit nur äus-
serem Gefässsystem zuerst an der Aussenfläche der proximalen Lamelle.
Doch muss es noch dahingestellt bleiben, ob das Material für
das Augenpigment durch das Hämoglobin oder eine ungefärbte, gelöst
dem Saftstrom zugemischte Substanz repräsentiert wird.
Dass der einfachste Modus häraatogener Pigmentbildung, d, h. die
lokale Entstehung aus Extravasaten, für die normale Haut ebensowenit,'
wie für das Auge annehmbar ist, erscheint selbstverständlich; doch aucli
für die pathologischen Pigmentanhäufungen hat sich diese Auffassung nicht
durchführen lassen: Hämorrhagische pigmentierte Tumoren werden von
den melanotischen streng getrennt und auch die Hämorrhagieen in der
Kutis bei Morbus Addisonii, welche Riehl (1886) in dreien seiner vier Fälle
antraf, in der Nachbarschaft von arteriitischen Gefässveränderungen ud«1
Thrombosen, und für die Quelle des Epithelpigments erklärt, sind von an-
deren Untersuchern (v. Kahl den 1888) trotz eifrigen Suchens nicht auf-
gefunden worden.
Aus den bisherigen chemischen Untersuchungen des Haut- und
Haarfarbstoffs ergeben sich keine zwingenden Gründe für die Ableitung
desselben vom Hämoglobin; denn mit vereinzelten Ausnahmen (Floyd
1877) wurde er von den Autoren als eisenfrei befunden. Doch ist dieser
Zusammenhang mit dem Blutfarbstoff vielfach aus anderen Thatsachen
geschlossen worden, vor allem aus den Einflüssen, diu-ch welche die Pig-
mentierung der Haut in den physiologischen Grenzen oder in pathologischer
Weise gesteigert wird: Alle solchen Prozesse, welche mit Hyperämie und
Entzündung und „vaskularisierter Neoplasie" einhergeheu, haben auchPig-
mentose oder Hyperpigmentose im Gefolge (Kaposi 1890), besonders alle
Erytheme und diese Hyperämie darf vielleicht auch als das Mittelglied
aufgcfasst werden bei dem zweifellosen Effekt, den die Belichtung der
Haut für ihre Färbung hat. Im allgemeinen nimmt das Kolorit des
Menschen nach dem Äquator hin zu, und die unbedeckten, der Sonne ex-
ponierten Körperteile erscheinen dunkler als die bedeckten ; dass dabei das
Blut eine erhebliche Rolle spielt, wird ferner aus dem Umstände abgeleitet,
dass chlorotische Individuen mit herabgesetztem Hämoglobingehalt trotz der
Hyperämie günstigsten Bedingungen (Insolation etc.) sich nicht bräunen
(Kaposi). Eine Abhängigkeit der Hautpigmentierung von nervösen Ur-
sachen ist hauptsächlich auf Grund gewisser Pigmentdefekte angenommen
worden. Wohl kann die gelegentliche symmetrische Anordnung des par-
tiellen Nigrismus in diesem Sinne gedeutet werden; doch liegen für die
Entfärbungen neben dem ebenfalls bisweilen symmetrischen Auftreten
sprechendere Argumente vor : So die weissen, allmählich sich ausbreitenden
Flecken an der kranken Gesichtsseite bei Hemiatrophia facialis progressiva,
Hämorrhagie und Pigmentbildung. 111
das nach Schwimmer, Thibierge (1891) u. a. häufige Zusammentreffen
von Vitiligo mit Erkrankungen des Nervensystems (Tabes dorsalis, pro-
jjressive Muskelatrophie), ferner Leloirs Befund (1882) von Atrophie der
Xervenfasem innerhalb leukodermischer Flecke, halbseitiges Ergrauen der
Haare bei Hemiplegie u. a. m.; wohl lässt sich aus diesen Beobachtungen
der Einfluss der Nerven auf die Pigmentierung erschliessen , jedoch nicht
ohne weiteres direkt auf vasomotorische Veränderungen zurückführen,
sondern ebensowohl eine trophische Störung pigmentbereitender Zellen als
Zwischenglied denken. Allerdings war eine mit dem Pigmentmangel ein-
hergehende Hautatrophie bei Vitiligo bisher nur von Leloir beschrieben,
von anderen (z. B. Kaposi) dagegen nicht beobachtet worden. Wohl
aber wird in einer neuesten Arbeit von Marc (1894; 6), der von einem
mit Vitiligo migreus ohne nachweisbare nervöse Erkrankung behafteten
Soldaten Hautstückchen excidierte und histologisch studierte, betont, dass
die Vitiligo nicht nur eine Pigmentatrophie darstellt, sondern eine Atro-
phie aller Hautbestandteile: Die Malpighische Schicht war verdünnt, die
Papillen abgeflacht und gefässarm, reich an Mastzellen, ihre Kapillaren
verengt; die Atrophie der markhaltigen Nerven erscheint freilich zweifel-
haft, da nur der Achsencylinder geschädigt, die Markscheide aber intakt
war; endlich fehlten die Chromatophoren. Für den Morbus Addisonii ist
der aus der häufigen Koincidenz von Nebennieren-Erkrankung mit Haut-
pigraentierung geschlossene ursächliche Zusammenhang beider Affektionen
in letzter Zeit von verschiedenen Seiten geleugnet worden zu Gunsten der
Hypothese, dass eine Erkrankung des Sympathikus und des den Neben-
nieren benachbarten Ganglion semilunare ohne notwendige Beteiligung der
Nebennieren selbst die dunkle Hautfärbung ebenso wie die nervösen
Symptome der Krankheit hervorrufe. Doch ist dieselbe auch nach den
hijfherigen Zusammenstellungen (v. Kahl den 1888) über die Häufigkeit
^ies Zusammentreffens von Sympathikusschädigung und Bronzekrankheit
teineswegs fester begründet worden. Wohl aber hat man in neuerer Zeit
<ien Versuch gemacht, Störungen des Centralnervensystems , welche aller-
dings noch keinen durchgehends greifbaren Ausdruck gefunden haben, für
'lie ganze Erkrankung verantwortlich zu machen (Alexander 1892). Im
Gegensatz dazu greift Lubarsch (1894; 4) wieder auf die Nebennieren
zurück. Auf Grund des Nachweises der glykogenbildenden Thätigkeit der-
selben nimmt er an, dass diesem Organ die Funktion zukommt, aus dem
mit Blut und Saftstrom zugeführten Material eine eigentümliche, in der
Glykogenbildung ihren Höhepunkt erreichende Modifikation das Eiweiss
herzustellen, welches an anderen Stellen (Haut, Schleimhäute) zur Pigment-
bereitung benutzt werden könnte.
Bezüglich der Haut im normalen, wie pathologisch pigmentierten
112 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Zustand, d. h. in der gebräunten Linea alba der Schwangeren, bei phthisi-
schen und carcinomatösen Kachexieen und bei Morbus Addisonii ist auf
Anregung Ehrmanns (1885, 86, 91, 92) darauf Wert gelegt worden, dass
sich überaus häufig an der gleichen Stelle im Korium und im überziehen-
den Epithel Pigment findet, ebenso wie im Haar und in seiner Pa-
pille. Diese beiden Pigmentstätten sind dann in verschiedene Beziehung
zu einander gesetzt worden, im allgemeinen derart, dass das Koriumpig-
ment die Quelle desjenigen des Epithels sei, und ein stetiger Abfluss
desselben nach der Oberfläche zu erfolge, die Körner in den Saftspalten
zwischen die EpitheUen und schliesslich in letztere selbst eindringen. Ein
DifEerenzpunkt lag in dem Modus dieses Transports: In der Kutis erscheint
der FarbstofE gebunden an weitverästigte, sternförmige Zellen, die Chromate-
phoren, deren Ausläufer zwischen die Epidermiszellen hineinreichen, indeüi
sie sich den Spalträumen anpassen. Von der Haut der Amphibien und
Fische wie des Menschen schon länger gekannt, sind sie in ihrer Bezieh-
ung zum Epithel zunächst von Riehl (1884) beschrieben und in der nor-
malen und pathologischen Haut von Aeby (1885), Ehrmann (1885),
Nothnagel (1885), v. KöUiker (1887), Karg (1888) u. a. bestätigt
worden. Nach Ehr mann bildeten dieselben ein unbewegUches Netz,
innerhalb dessen das Pigment strömt, nach Anderen (Aeby, Karg) wan-
dern sie selbst vom Bindegewebe ins Epithel, sei es aktiv oder passiv.
Jedenfalls galten sie für Zellen bindegewebiger Natur. Dass der Vorgang
der Pigmentwanderung auch in umgekehrter Richtung aus dem Epithel
ins Bindegewebe erfolgen kann, konnte Karg bei der Untersuchung der
auf weisse Individuen transplan tierten Negerhaut beobachten; dieselbe gebt
vor sich vermittels der gleichen mit Fortsätzen versehenen Chromatophoren;
und wahrscheinlich darf dieser Modus der Pigmentresorption auch auf
anderweite Prozesse Anwendung finden. Riehl s Annahme desselben bei
der Ausbildung des Leucoderma syphihticum wird allerdings von Ehr-
mann nicht geteilt, welcher vielmehr dafür einen mangelhaften Nach-
schub von Pigment nach normaler Abstossung der gefärbten Epithelzellen
gelten lässt. Doch fallen Jarischs (1890) Befunde bei Pigmentatrophieen
verschiedener Art für diesen rückwärtigen Transport ins Gewischt. Ferner
hat Schmorl (1893) für den Morbus Addisonii eine Verschleppung des körni-
gen Farbstoffs aus der Haut in die peripheren Lymphdrüsen regelmässig
nachweisen können, weiterhin aber als physiologischen Vorgang an zwei
Negern und zwei Mulatten aus der fleckigen oder diffusen grauschwarzen
Färbung sämtlicher von der Haut abhängiger Lymphdrüsen wahrschein-
lich gemacht. Wurde also die Entstehung des Farbstoffs in das Korium
verlegt, so schien für die speziellere Ableitung desselben ein Fingerzeig
gegeben in der überaus häufigen Lagerung der Chromatophoren um die
Hftmorrhagie und Pigmentbildung. 113
Biu^efässe, besonders die Kapillaren der Kutis, und dadurch die Abstam-
mung vom Hämoglobin gesichert. Nach Karg findet in der Negerhaut
eine Dunkelfärbung präexistenter Granula statt, die, mit der Blutzufuhr
zwar im Zusammenhang, doch mit dem gewöhnlichen Vorgang der häma-
togenen Pigmentbildung nichts gemein hat. Andere halten an letzterem
fest, lassen rote Blutkörperchen einzeln und stetig durch Diapedese aus
den Kapillaren auswandern und in der Kutis die Metamorphose bis zum
vollendeten Pigment durchlaufen; nur zieht Nothnagel (1885) auch den
alleinigen Austritt des Blutfarbstoffs aus den Gefässen in Betracht. Aller-
•lings haftet dieser Annahme einer lokalen Bildung des Pigments aus roten
Blutkörperchen das Bedenken an, dass es nie gelungen ist, auch nur an
einem Teile der Körner in der Kutis mikrochemisch Eisen nachzuweisen.
In neueren Untersuchungen ist für die Haut und die Haare im
normalen und erkrankten Zustand die regelmässige Existenz, die Herkunft
und die Bedeutung der Chromatophoren in ein anderes Licht gestellt und
die Frage nach der Bildungsweise des Pigmentes mehr zu Gunsten
einer autochthonen Entstehung in den Zellen unabhängig vom Blutfarbstoff
beantwortet worden. Nach J arisch (1890) u. a. enthält im Haar auch
bei massenhafter Existenz von Pigment in den Matrixzellen die Papille
nur ausnahmsweise Kömer; dieselben treten nach Pluschkoff (1890)
überhaupt zuerst in den Epithelien auf und erst nach maximaler Füllung
derselben auch in den Zellen des subepitheHalen Gewebes. Noch über-
zeugendere Beweise für diese Entstehung des Pigments in den Epithelien
tonnte Schwalbe (1893) beibringen durch Beobachtung des Farben -
Wechsels winterweisser Tiere, speziell des Hermehns, das im Sommer braun
gefärbt, im Winter schneeweiss wird und zwar nicht durch Abblassen resp.
Gefärbtwerden der präexistenten Haare, sondern durch zweimalige voll-
ständige Neubildung des Haarkleides. Dabei war das neue Pigment zu-
nächst nur in der eigentlichen Haarwurzel der jimgen Haare, zu keiner
Zeit aber in der Papille, den Wurzelscheiden oder der Kutis vorhanden,
sodass an eine Einschleppung nicht gedacht werden kann. Femer ist
bereits durch Jarisch (1891, 92), bald auch Kromeyer (1893) die binde-
gewebige Natur der Chromatophoren in Abrede gestellt und ihre epithe-
liale Abstammung vertreten worden. Bei dieser immer mehr zur Geltung
gelangenden Meinung von der selbständigen Bereitung des Pigments durch
die Epithelzellen wird das färbende Prinzip im allgemeinen noch immer
vom Blut und stillschweigend vom Hämoglobin abgeleitet, und nur Schwalbe
il893) spricht für eine Bildung desselben aus einer vom Blut stammenden
farblosen Flüssigkeit. Post (1894, 7) erweitert diese Erfahrungen über
die Beziehung zwischen dem Farbstoff im Bindegewebe und im Epitliel :
ß^im Haarwechsel und der Regeneration der epilierten Haare und Federn
Lnba rs c h - O 8 ter ta g , Ergebnisse Abteil. II. 8
114 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
ist das Bindegewebe vollkommen frei von Farbstoff; wo aber in gefärbter
Haut in Bindegewebe und Epithel Pigment liegt, stimmen die einzelnen
Elemente dieser beiden Pigmentarten nicht überein, sondern die des Epi-
thels erscheinen stäbchenförmig, die des Bindegewebes in rundlichen
Körnern; beide entstehen normalerweise unabhängig von einander und
oft isoliert im Epithel oder im Bindegewebe; nur kann aus dem Epithel
ein Transport ins Bindegewebe erfolgen. Wahrscheinhch entspringen nach
Post beide einem gemeinsamen Stoff Wechselprodukte der Haut, welches
zunächst im Epithel verbraucht und erst nach Sättigung desselben auch
im Bindegewebe umgewandelt wird. Die Chromatophoreö hält auch Post
für epitheliale Gebilde, die mit einer besonders energischen Fähigkeit der
Pigmentbildung begabt sind, und von denen aus der Farbstoff mit dem
Beginn der Verhornung von Haar und Feder in die verhornenden Zellen
übergeführt wird. Für die pathologische Färbung in Lentigines und bei
Morbus Addisonii nimmt Post nur eine Steigerung der physiologischen
Vorgänge an, für die Naevi pigmentosi denselben Typus, daneben jedoch
eine entzündliche Einwanderung pigmentierter und pigmentloser Zellen
aus dem Bindegewebe ins Epithel, ohne dass jedoch diese verschleppten
Farbstoffkömer in die Epithelzellen aufgenommen werden.
Das Pigment der melanotischen Tumoren ist bezüglich der chemi-
schen Eigenschaften des Melanins noch häufiger, wegen der leichteren
Gewinnung in grosser Quantität, verwertet worden in der allgemeinen
Annahme, dass dasselbe mit dem der normalen Haut und des normalen
Auges identisch ist. Die fast regelmässige Entstehung der primären mela-
notischen Geschwülste aus den physiologisch pigmentierten Geweben legt
diesen Zusammenhang der Pigmente nahe. Die chemischen Untersuchungen
waren in erster Linie wieder auf die Frage gerichtet, ob der Farbstoff
hämatogen sei oder nicht, und an diese hat sich als zweite aus den ana-
tomisch-histologischen Verhältnissen abgeleitete die Frage geschlossen, ob
es lokal im Tumor gebildet, oder demselben im fertigen, höchstens gelösten
Zustand zugeführt wird, um in seinen Zellen in Körnerform deponiert zu
werden. Für die gewöhnlichen Melanosarkome darf die Annahme, dass
das Pigment aus den roten Blutkörperchen innerhalb der Tumoren nach
dem gewöhnUchen Typus lokal gebildet wird, von der Hand gewiesen
werden, denn die Befunde von Gussenbauer (1875), welcher Stagnation
des Blutes in den Gefässen mit folgender Auflösung und Diffusion des
Hämoglobins und schliessliche körnige Ausfällung in den Zellen annimmt,
haben ebensowenig allgemeine Anerkennung gefunden, wie Langhans
(1870) Auffassung, dass im Tumor extravasierte rote Blutkörperchen die
direkte Umwandlung in Pigment-Schollen und -Körner erfahren. Der Um-
stand, dass in fast allen Melanosarkomen ein geringer Teil des Pigments
Hämorrhagie und Pigmentbildang. II5
Eisenreaktion giebt, dass ferner der Farbstoff, ausser in den Geschwulst-
zellen, sehr reichlich in den gefässtragenden Bindegewebssepten liegt, dass
endlich bisweilen gleichzeitig starke Pigmentierung anderer ferngelegener
normaler Organe beobachtet wurde, kann den Gedanken nahelegen, dass
das Melanin der Tumoren nicht in denselben entsteht, sondern an anderen
Orten gebildet und nach teilweiser Einbusse der Eisenreaktion ihnen zu-
geführt und in ihnen deponiert wird (M. B. Schmidt, 1889). Fälle von
reinen Pigmentherden ohne Tumorentwickelung in Herz und Nieren bei
melanotischem Krebs der Haut mit vielfachen echten Metastasen (Wagner,
1860), die dunkle Färbung der Haut, Schleimhäute, serösen Membranen,
des Fettgewebes bei Melanosarkom der Haut (Oppenheimer, 1886) und
ähnliche Beobachtungen könnten diese Annahme stützen, ebenso wie der
Umstand, dass bei bestehendem Melanosarkom eine Ausscheidung von
Farbstoff im Urin stattfinden kann derart, dass der Urin gelb gelassen,
beim Stehen sich braun färbt. Von anderen sind die eisenhaltigen Kömer
als zufällige, aus Hämorrhagieen stammende Einlagerungen und im Gegen-
satz zu ihnen die Farbe und Gestalt der eigentlichen Melaninkörner als
Gegenbeweis gegen die hämatogene Bildung angesehen worden.
Die chemische Analyse der Geschwulstmelanine hat bisher sehr in-
konstante Resultate zu Tage gefördert und ist der hauptsächUche Anlass
zur Teilung der Ansichten geworden, je nachdem Eisen gefunden wurde
(Eiselt, 1862, Dressler, 1865, Nencki-Oppenheimer, 1886, Mörner,
1S87 u. a.) und eine Ableitung vom Hämoglobin nahelegte, oder das Fehlen
dtsselben (Virchow, 1847, Berdez und Nencki, 1886 u. a.) eher auf
eine Bildung des Pigments unabhängig vom Blutfarbstoff schliessen Hess.
Als auffallendes Ergebnis neuerer Untersuchungen tritt ein mehrfach kon-
statierter hoher Schwefelgehalt des Melanins hervor (Berdez und Nencki,
Mörner u. a.), welcher über lO^/o steigen kann. Auf Grund dieser That-
sachen und der verschiedenen Beurteilung derselben findet jede der beiden
Theorieen, die der hämatogenen Entstehung und die der autochthonen Be-
reitung ohne Beihülfe des Hämoglobins ihre Verteidiger und Bekämpfer.
Die Frage ist noch vollkommen offen und wird auch nicht durch Jooss
(1894, 2) gelöst, welcher seiner „Überzeugung" Ausdruck giebt, dass die
Sarkomzellen ihren Farbstoff aus den ungefärbten Eiweisskörpern des Blut-
plasma produzieren, und dass in diesem letzteren trotz der gegenteiligen
Resultate der bisher darauf gerichteten Untersuchungen „Eisen enthalten
sein muss" und so den häufig konstatierten Eisengehalt der Tumoren er-
tlare, ohne dass das Hämoglobin für denselben verantwortlich sein müsse.
Wohl mag der angeführte hohe Schwefelgehalt in manchen Fällen als ein
Hinweis darauf aufgefasst werden, dass sein Eiweisskörper bei der Pigment-
bildung beteiligt sein muss, dass also das Hämatin allein nicht das Material
116 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
dafür bilden kann, was allerdings auch von Niemand bisher behauptet
worden ist.
Unter den von aussen in den Körper eindringenden Pigmenten stein
in erster Linie dasjenige, welches zu der gewöhnlichen, fast physio-
logischen Schwarzfärbung der Lunge, der Anthrakose, führt. Nachdem
schon früher durch Pearson (1818) und Laönnec (1819) die Luugen-
melanose auf eingeatmete Kohle zurückgeführt und durch Beobach-
tungen von besonders intensiver Färbung bei Kohlenarbeitem diese An-
nahme gestützt war, hatte der Zweifel Virchows und Hasses (1841)
an der Möglichkeit des Durchgangs fester Elemente durch die Alveoleu-
wand die Verbreitung dieser Theorie verzögert, bis Traube (1860)
durch mikroskopische Untersuchungen die Identität der Pigmentkörper-
chen mit Holzkohlenstaub schlagend bewies. Seither haben zalilreiche
Experimente über Russeinatmung bei Tieren (Knauff 1867, Arnold
1885 u. a.) die Bahnen klargelegt, welchen der inhalierte Staub folgt:
Derselbe wird z. T. in „Staubzellen" epithelialer imd lymphoider Natur
in den Luftwegen gefunden, von solchen auch in die Gewebe hinein
getragen, ein anderer Teil tritt von den Alveolen aus frei durch die Kitt-
leisten zwischen den Epithelien in Saftbahnen der Alveolarwand ein, um
hauptsächlich in inter- und periinfundibulären, weiterhin auch den perivas-
kulären und peribronchialen und endlich den pulmonalen, subpleuraleu
und mediastinalen Lymphknötchen deponiert zu werden. Ein anderer Teil
wird in die Bronchialdrüsen abgeführt. Für die Staubmetastase des Men-
schen, die hauptsächlich mit Lungenemphysem zusammentreffende Anthra-
kose der Milz, Leber, Nieren u. s. w., wobei die Staubpartikel hauptsäch-
lich in den Bindegewebshüllen der Gefässe deponiert werden , koromt nach
Arnold (1890) ausser einer Verbindung zwischen Bronchialdrüsen und
Lungengefässen noch eine direkte Durchwanderung vom Lungengewebe
durch die Gefässwandung in Betracht; der „albinistische" Zustand solcher
cmphysematösen Lungen kann z. T. auf eine vermehrte Abfuhr des Staubs
auf diesen Wegen zurückgeführt werden und braucht nicht allein auf der
von Virchow (1888) geltend gemachten verminderten Ablagerung in den cm-
physematösen Partieen zu beruhen. Bei den in Blattgoldfabriken beschäf-
tigten Arbeiterinnen haben Zenker (1867) imd Merkel (1869 u. 1871)
intensiv ziegelrote Färbung des ganzen Lungenparenchyms gefunden, welche
durch Einatmung und Ablagerung pulverisierten Eisenoxyds zustande
gekommen war. Diese „Siderosis pulmonum" stellt die zweite Form der zu
abnormen Pigmentierungen führenden Pneumonokoniosen dar.
Der Zustand der Argyrie, der Ablagerung feinster Silberkömehen
in verschiedenen Organen nach länger dauerndem innerlichen Gebrauch
von Argentum nitricum beruht wahrscheinlich auf Resorption des gelösten
Hämoirbagie niid Pigmentbildung. 117
Silbers im Darmkanal — nicht nach Biemers Ansicht auf der Aufnahme
ff^ler Körnchen in die Darmwand — und nachfolgender Abscheidung in
den Geweben. Hauptdepots bilden Nieren, Haut, Schleimhäute, Bindege-
webe der Darmzotten und Plexus choroides, Dura und andere seröse Mem-
branen, immer vorwiegend das adenoide Bindegewebe (v. Reckling-
liausen 1883). In der Niere ist die Abscheidung am konstantesten an
den Glomerulusschlingen und an den geraden Harnkanälchen des Markes
beschrieben worden, und zwar an letzteren in der Membrana propria, ohne
dass Schädigungen des Nierenparenchyms durch dieselbe herbeigeführt
worden wäre. v. Kahldens (1894; 3) jüngst mitgeteilter Fall zeigt für
die Xiere eine von diesem gewöhnUchen Bild abweichende LokaUsation
insofern, als ausschliessUch die Marksubstanz in der Gegend der Papillen
schwarzgrau gefärbt waren, während in der Rinde, speziell den Glomeruli,
keine Spur von Kömchen sich auffinden liess; eine Besonderheit bietet
der gleiche Fall dadurch, dass die pigmentierten Stellen des Markes bei
gesunder Rindensubstanz durch chronische Entzündung, Wucherung des
Bindegewebes und Atrophie und Desquamation, der Epithehen hochgradig
verändert waren, offenbar infolge der Silberablagerung; durch reichliche
Silbergaben per os erzielte v. Kahl den bei einem Kaninchen die
gleiche Lokalisation der Silberabscheidung ausschUessüch in der Marksub-
stanz ohne Gewebsveränderung und konnte nachweisen, dass im Gegen-
satz zu der herrschenden Anschauung die Einlagerung nicht nur in der
Grundsubstanz, sondern auch im Innern von Bindegewebszellen um den
Kern herum erfolgt. Nach der gewöhnhchen und dieser abnormen Lokali-
sation zu schliessen, steht die Argyrie der Nieren nicht mit der ausschei-
denden Funktion des Organs im Zusammenhang, sondern stellt eine ein-
fache Ablagerung dar.
3.
Thrombose und Embolie.
Von
C. J. Eberth in Halle.
Litteratur.
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klinische Medizin. Bd. 52. 1894. Heft 5/6. 8. 557—568.
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5. Lubarsch, 0. Dr., Zur Lehre von der Parenchymzellenembolie. Fortschritte der
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6. Lys, H. Grabham, Pulmonary Emboliam. Britiah med. Jomal. 1894. Nr. 1143.
S. 1126.
7. Marchand, Zur Kenntnis der Embolie und Thrombose der Gehimarterien , zugleich
ein Beitrag zur Kasuistik der primären Herztumoren und der gekreuzten Embolie.
Berliner klinische Wochenschrift 1894. Nr. 1.
8. Meslay, Thromboae de la veine axillaire droite. Bulletins de la Soci^t^ anatomique
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9. Perry, 8. H., A case of Thrombosis of the basilar Artery. Birmingham medical
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11. Ribbert, Über Fettembolie. Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte. Jahrg. XXFV. 1894.
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1893. 8^ 15 S. Inaug.-Diss. Göttingen.
Thrombose und Kmbolie. 119
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19. Wagenmann, A., Beitrag zur Kenntnis der patholog. Anatomie der Embolie der
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Ans dem pathologischen Institut zu Freiburg i. B. Zieglers Beiträge zur patholog.
Anatomie und allgem. Pathologie. Bd. XV. 1894. H. 3. S. 543-580.
Nach Wlassow (20) bilden bei der Gerinnung des Blutes durch
Schlagen wie bei der Thrombenbildung nicht die Blutplättchen das erste
Gerinnsel, es sind vielmehr die roten Blutkörper, welche, indem sie sich
desorganisieren, die Blutplättchen liefern. Damit beantwortet Wlassow
zugleich die Frage nach der Herkunft der Blutplättchen.
Von der Destruktion der roten Blutkörper unterscheidet Wlassow
drei verschiedene Formen, worüber Näheres im Original nachzusehen ist.
Die kernlose Erythrocyten der Warmblüter bestehen nach Wlassow
1. aus dem farblosen Nukleoalbumin, 2. dem Protoplasma, welches Hämo-
globin, eine körnige protoplasmatische Substanz und homogene Substanz
(Schatten) enhält.
Die Blutplättchen sind aus den kernlosen Erythrocyten ausgetretene
nukleoalbumine Bestandteile. „Im Centrum des roten Blutkörperchens spal-
tete sich der farblose Bestandteil in Form eines rundlichen Gebildes be-
wegte sich nach dem einen Ende der Zelle und schied sich nach aussen
als ein kömiges, stark Uchtbrechendes, kreisrundes Scheibchen in der Grösse
von einem Viertel des normalen roten Blutkörperchens aus, ein regel-
mässiges scheibenförmiges Blutplättchen darstellend."
Die Bildung des Blutplättchens im ungemischten Blut ist in physika-
lischen Verletzungen zu suchen, welche das Blut bei Berührung mit einem
fremden (ungefetteten) Körper, resp. beim Vorhandensein der Adhäsion
erleidet. So tritt ebenfalls bei der Berührung der Erythrocyten mit der
mechanisch verletzten Oberfläche eines Gefässes oder mit einem durch
das Gefäss gezogenen Zwirnsfaden die Desorganisation der roten Blut-
törper ein. Man findet im Thrombus nukleoalbumine Bestandteile und
degenerierte, in feinkörnige Massen zerfallene Zellen.
Die Adhäsion ist als ein Trauma zu betrachten, welches den Anstoss
zur Störung der chemischen Beziehungen zwischen den verletzten Zellen
und dem Plasma giebt. Das Plasma, welches vorher eine nutritive Flüssig-
keit war, wird eine zerstörende für mechanisch veränderte rote Blutkörper-
ehen. Vor allem spaltet und löst es die nukleoalbumine Substanz; dabei
120 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
verlieren die degenerierten Zellen Hämoglobin und zerfallen oder sie schei-
den den abgespaltenen nukleoalbuminen Bestandtheil in Form korpusku-
larer Gebilde aus.
Die feste Verbindung der Zerfallsprodukte der roten Blutkörper unter-
einander und mit der Gefässwand ist durch eine klebrige Substanz in den
roten Blutkörpern bedingt, welche in deren homogener Umhüllung sich
findet, von der ein Teil als sog. Schatten nach Zerstörung der Zellen
zurückbleibt.
Die Blutplättchen in der Randzone des Thrombus entstehen aus
plättchenbildenden Erythrocyten, die als sehr hinfällige Elemente bei Be-
rührung mit dem Thrombus in Blutplättchen zerfallen. Würde durch
mechanische Bedingungen die Anlagerung der Blutplättchen und Leukocyten
veranlasst sein, so müsste die Thrombenbildung bis zum Schlüsse des Ge-
fässes andauern. Das ist jedoch nicht der Fall und findet seine Erklärung
in dem Umstände, dass die Anhäufung von plättchenbildenden Zellen
und Leukocyten mit dem Ausfliessen der Gewebsflüssigkeit oder der Dif-
fusion chemischer Stoffe durch die thrombotische Masse in strömendes Blut
im Zusammenhang steht.
Die Verzögerung der Gerinnung in eingefetteten Glasgefässen und
die Beschleunigung derselben durch Schlagen mit einem Fremdkörper ist
dadurch begründet, dass bei dem ersten Versuch nur die Plättchen bilden-
den resp. senilen Erythroc}^en eine Piasmoschisis erfahren, bei der sie zu
Blutplättchen werden, während durch Schlagen des Blutes auch viele an-
dere rote Blutkörper zerstört werden und dem Plasma ihren nukleoalbuminen
Bestandteil abgeben.
Die Erythrolyse und Erythroschise bedingen aber nicht nur die Bildung
der Blutplättchen und des Thrombus, sondern sie sind zugleich die Ur-
sache der intra- wie extravaskulären Blutgerinnung. In dem nukleoalbu-
minen Bestandteil der roten Blutkörper scheint auch eine Substanz ent-
halten zu sein, welche nach ihrer Reaktion auf Farben dem Fibrin ähnlich
sich verhält.
Verf. hat seine Untersuchungen an Schnitten durch Thromben und
am extravaskulären Blut angestellt, jedoch die Thrombenbildung nicht direkt
am strömenden Gefäss verfolgt. Vielleicht aus diesem Grund unterlässt
Wlassow eine Erklärung für die so rasche Anhäufung der Blutplättchen (als
solcher), wie man sie oft nach geringfügigen Läsionen der strömenden Ge-
fässe beobachtet.
Da der Thrombus sich aus intakten, durch den Blutstrom zugeführten
roten Blutkörpern, welche plötzlich in loco sich zersetzen, entsteht, scheint
es Wlassow fraglich, ob die bei Beobachtung des strömenden Blutes in
Mesenterialgefässen konstatierten Anhäufungen von Blutplättchen die Be-
Thrombose und £mbolie. 121
Zeichnung von Thromben verdienen. (Darüber Hesse sich doch wohl
streiten. Ref.)
Die Stromverlangsamung und mechanische Momente (Rauhigkeiten),
denen Eberth undSchimmelbusch eine wesentliche Bedeutimg für die Ent-
stehung der Thromben zugeschrieben haben, sind nach Wlassow also nur
Hülfsmomente, welche den Ort für die Anlagerung bestimmen können, aber sie
sind keineswegs nötig. Die Hauptursache der Entstehung des weissen
Thrombus ist die Destruktion der Blutkörper und die spaltende und zer-
störende Kraft des strömenden Plasmas. Nach Verletzung der Gefässwand
tritt der Gewebssaft aus der Wand aus und verursacht den Zerfall einer
grossen Zahl roter Blutkörper. Es entsteht so der Kern oder die Grund-
masse des weissen Thrombus.
Kann man für die Versuche an den Mesenterialgefässen, auch wenn sie
mit aller Vorsicht ausgeführt werden, Schädigungen des empfindlichen
Säugetierblutes auch nicht ganz ausschliessen, so besteht doch für den
vorhin erwähnten Versuch die Annahme zu Recht, das die Blutplättchen
präexistierten. Und wenn Wlassow gerade den senilen Ery throcyten eine
so grosse Neigung zur Destruktion und damit zur Bildung von Plättchen
innerhalb wie ausserhalb der Gefässe vindiziert, so können wir eine derartige
Veränderung als physiologisch im strömenden Blut nicht von der Hand
weisen. Und damit wäre ja die Präexistenz der Blutplättchen zugegeben.
Eguet (2) und Sahli (12) benutzten hauptsächlich das frische Blut-
egelinfus, dessen Wirkung am konstantesten war (1 Blutegelkopf auf 5 ccm
Infus). 5 Tropfen Infus machen 1 ccm Kaninchenblut für eine Zeit lang
gerinnungsunfähig oder 5 ccm Infus (einem Blutegel entsprechend) 20
ccm Blut.)
Xach Einwirkung des Blutegelinfuses senken sich die roten Blut-
korper, das Plasma bleibt klar und flüssig. Beim Eintritt der Gerinnung
bilden sich die ersten Spuren des Fibrin in der roten Schicht als Fibrin-
fiiden, die später auch die übrige Flüssigkeit einnehmen.
Das Blutegelinfus alteriert die weissen und roten Blutkörper nicht,
seine Wirkung beruht aber nicht auf einer Konservierung der Blutplättchen,
welche vielmehr ebenso wie sonst die viscöse Metamorphose durchmachen,
sondern auf einer Zerstörung des Fibrinfermentes.
Nachdem in die Vena jugularis ext. des Kaninchens eine Schweinsborste,
um einen Fremdkörperthrombus zu erhalten, eingeführt war, wurde eine
gegebene Menge BlutegeUnfus in die Blutbahn injiziert und hierauf noch
in die Vena jug. der anderen Seite eine Schweinsborste gebracht.
Während sich um die vor der Injektion eingeführten Borste ein
Thrombus gebildet hatte, fehlte ein solcher an der anderen Vene. Weiter
^"urde festgestellt, dass für eine Zeitdauer von 40 Minuten das Infus eines
122 AUgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
Blutegels genügt um ca. 55—60 ecm Kaninchenblut vor Fremdkörper-
thrombenbildung zu schützen.
Das Blut des Kaninchens bleibt unter dem Einflüsse des injizierten
Egelinfuses so lange flüssig, als dieses noch nicht durch die Nieren aus-
geschieden ist.
Kockel (3) teilt drei Fälle von Thromhose der Extremitätenvene , zwei Fälle von
Himsinnsthrombose bei Ghlorotischen mit.
In dem einen Fall war die Thrombose von dem Sinns transvera. ausgegangen and
hatte sich auf die Vena magna Galeni fortgesetzt, in dem anderen Falle handelte es sich
um eine frische Thrombose der Vena mag. Galeni. In beiden Fällen fand sich Hydrocephalus
int. und im zweiten ausserdem rote Erweichimg der die Seitenventrikel begrenzenden
Himsubstanz.
Voelcker (18) fand ohne jede Klappenerkrankung unterhalb des offenen Foramen
oval, am Vorhofseptnm 1. einen grossen geschichteten wandständigen Thrombus. An seiner
Basis war er von zahlreichen embryonalen Gefässen durchzogen und seine Hauptmasse
von gelatinösem Aussehen, so dass man an eine myzomatöse Neubildung denken konnte.
Eine den Thrombus Aberziehende Epithelschicht Hess sich nicht nachweisen.
Schilling (15): Die 55jährige Patientin war wiederholt an Gelenkrheumatismus er-
krankt, zu dem sich ein Herzleiden gesellt hatte. Beim Versuche nachts aufzustehen, fiel sie plötz-
lich unter heftigen Schmerzen in den Beinen um. Die Extremitäten waren qnoad motum
et sensum ganz gelähmt, schwach livid, Reflexe aufgehoben, beide Schenkelarterien palslos.
Nach 10 Stunden zeigen sich zahlreiche grosse blaue Flecke an den kalten unteren Ex-
tremitäten. Tod nach 33 Stunden unter den Erscheinungen der Herzparalyse. Die
Sektion ergab Verfettung des Herzmuskels, Dilatation beider Ventrikel, Stenose und Insufficienz
der Mitralklappe, welche nur die Spitze des Zeigefingers aufnimmt. Im linken Vorhof,
bezw. im linken Herzohr, zwei kleinfingerdicke, wandständige, geschichtete, brUchige braune
Thromben. Die enge Aorta ohne Atherom. 6 cm über der Teilungsstelle der Aorta in die
Iliacae findet sich ein die Aorta vollkommen obturierender, frischer Thrombus, der mit
einem 4 cm langen auf der Teilungsstelle der Arteriae iliacae reitenden, braunen, brüchigen
Embolus von der Farbe, Brüchigkeit wie die im linken Herzen gefundenen Thromben zu-
sammenhängt. Jenseits des Embolus ist das Stromgebiet der beiden Arteriae iliacae voll-
kommen thrombosiert.
Marchand (7) beschreibt einen Fall von polypösem Myxom der linken Vorhofscheiden-
wand mit Verdickung der linken Arteria fossae Sylvii infolge von älterer Embolie, mehr-
facher Geschwulstembolie anderer Arterien, frischer Embolie des Stammes der rechten
Arteria fossae Sylvii und kleinem embolischen Aneurysma eines Astes der rechten Art.
foss. Sylv. Die aneurysmatische Erweiterung eines Astes der Art. foss. Sylvii war durch
Wucherung der angeschwemmten Geschwulstmasse erzeugt Auf die Geschwulstembolie
ist zweifelsohne auch die Verdickung und Verknöcherung der Arterienwand zurückzuführen.
Zur Beseitigung eines Kankroidrecidivs der rechten Schläfengegend
wurde die Carotis comm. dicht unter der Teilungsstelle und ausserdem
noch die Carotis ext. und int. dicht oberhalb derselben unterbunden.
28 Stunden post operationem linksseitige Lähmung der Extremitäten, Tod
24 Stunden nach Eintritt der Lähmung.
Die Carotis int. dextra war an der Eintrittsstelle in die Schädelhöhle
von einer teils dunkeln, teils braunroten Thrombenmasse ganz ausgefüllt,
die sich auch in die Art. foss. Sylv., Art. cerebri ant., nicht aber in die
Art. comm. ant. und post. und Art. ophth. fortsetzt.
Thrombose und £mboIie. 123
Die rechte Hemisphäre ist stark durchfeuchtet und vergrössert, es
sind aber nicht die Lymphscheiden der Gefässe stärker gefüllt, das Ödem
findet sich vielmehr in derNeuroglia und hemmt den Abfluss des Venen-
blutes. Die angeschwollene Hemisphäre verlegt durch Verdrängung der
Nachbarschaft den Abfluss der Cerebrospinalflüssigkeit nach abwärts,
während ein anderer Teil seinen Weg durch Nervenscheiden und pacchio-
iiische Granulationen sucht.
Verf. erörtert dann das Zustandekommen des apoplektischen Insults.
Die plötzliche Absperrung der arteriellen Zufuhr von einem umfangreichen
Teil des Gehirns ist die nächste Ursache der Bewusstseinstörung. Das
abwinden kurz dauernder Herdsymptome findet seine Erklärung in der
unvollkommenen Ausschaltung derselben von der Cirkulation. Die Nekrose
entspricht ja nicht immer der ganzen Ausdehnung des von der Embolie
betrofEenen Gebietes.
Die graue Substanz und die grossen Ganglien sind nach Unterbrech-
ung der arteriellen Zufuhr viel früher verloren als die weisse Substanz
und die Granglienzellen der Hirnrinde scheinen selbst eine minutenlange
Absperrung der Blutgefässe nicht zu vertragen.
Marchand (7) beschreibt weiter einen Fall von einem kleinen Throm-
bus in einer Vene des rechten Unterschenkels mit Embolie der 1. Carotis int.
und beginnender Erweichung der 1. Hemisphäre, der seine Erklärung in
einer kleinen Öfibiung des Foramen ovale finden dürfte, durch welche sich
ein kleiner Pfropf gedrängt, der sich auf der linken Seite der Scheidewand
vergrösserte und zur EmboUe führte, wenn man nicht annehmen will, dass
anderswo sich ein Thrombus gebildet, der total abgelöst worden war.
Wenn bei obigem Fall die gekreuzte Embolie zweifelhaft blieb, so
stellt der folgende ein charakteristisches Beispiel einer solchen dar.
Ein 69jähriger Mann mit schwerer Syphilis maligna starb plötzlich
Wi der Untersuchung. Beide Äste der Pulmonalarterie waren durch
Thrombusmassen verschlossen, in der Milz fanden sich mnfangreiche keil-
förmig derbe Infarkte, im 1. Kleinhirn ein älterer Erweiehungsherd, ein
lockerer bräunlich roter Pfropf sass in der 1. Koronararterie, die Venen
Wider Oberschenkel waren frei von Thromben, dagegen fand sich der
rechte Unterschenkel bis zum oberen Dritteil ausgedehnt thrombosiert. Im
Herzen und den Arterien weder Thromben noch Rauhigkeiten. Das Foramen
oval, war noch für die Spitze des kleinen Fingers durchgängig.
Xach Saveliew (13) finden sich in der Mehrzahl der Fälle von
<Jehimembolie Herzfehler, bei mehr als 89 Prozent.
Die erste Erscheinung nach Embolie ist Anämie der embolisierten
Bezirke. Nicht so selten kommt ausser der arteriellen Anämie venöse
Stauung vor, wässerige Exsudation und Hämorrhagie.
124 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Die frühesten makroskopischen Zeichen der Encephalomalacie fanden
sich 10 und 23 Stunden nach experimentell erzeugter Himembolie.
Bei der Symptomatologie wird hervorgehoben, dass nur selten die
Embolie keinen Verlust des Bewusstseins veranlasst. Konvulsionen sind
nicht konstant. Reitbahnbewegungen finden sich besonders bei Embolien
des vorderen Teils der Sehhügel. Bezüglich der Sensibilitätsstörung Hess
sich keine Regel aufstellen, Reflexe können erhöht oder aufgehoben sein.
Auch in der psychischen Sphäre finden sich Störungen.
Aphasie findet sich nur bei Embolie der 1. Art. foss. Sylv. oder der
rechten Arterie. Die linkshändigen Modilitätsstörungen sind nicht notwendige
Begleiterscheinungen der Embolie.
Lubarsch (7) giebt eine zusammenfassende Darstellung unserer Kennt-
nisse von der Parenchymzellenembolie, von der er 1. die Embolie
mit Leberzellen, 2. die mit Placentarzellen und 3. die mit Knochenmarks-
riesenzellen unterscheidet.
Die Leberzellcnembolie ist entweder eine traumatische oder
findet sich bei Intoxikations- und Infektionskrankheiten. Die traumatische
Leberzellcnembolie steht mit der Ausdehung der Verletzung keineswegs in
einem bestimmten Verhältnis. Die verschleppten Leberzellen fiinden sich
ausser in den Lebervenen , im Herzen, in Lungenarterien , Aesten der
Leber und Nierenarterien, In diesen Fällen handelt es sich um einen
Transport diurch das offne Foramen ovale.
Die Leberzellcnembolie bei Intoxikations- und Infektionskrankheiten findet
sich sehr häufig bei Eklampsie in der Lunge, in Gehirn- und Nierenvenen,
in Leberarterien- und Pfortaderästen (bei offenem Foramen ovale), bei Chorea.
Bei Scharlachangina mit ausgesprochener Leukocytose in den Kapillaren
und Venen der Leber, kleinen Lymphomen und Blutungen fanden sieh
Leberzellen enil)olien in Lebervenen, Nierenarterie, in der Kranzarterie des
Herzens (bei offenem Foramen ovale) ^), Ferner fanden sich innerhalb der Leber
Leberzellenembolieen bei Nekrosen und Blutungen mit Erweichungsherden bei
Leberabscess, bei vereitertem Lebergumma, bei Lebertuberkulose mit Eiterung.
Das gemeinsame Moment für Leberzellcnembolie sindBlutungen und Nekrosen
der Leber. Mechanische Erschütterungen sind für das Zustandekommen der
Embolie nicht absolut nöthig, sie befördern aber die Fortschwemmung
der Leberzellen. Retrograder Transport — Vorkommen von Leberzellen
in Nieren und Gehirnvenen — findet sich bei hochgradigen Stauungen wie
bei Eklampsie.
1) Da Lubarsch niemals Leberzellen in Lungenvenen fand, bezweifelt er die Passage
jener durch die Lungenkapillaren. Vergleiche hierüber Scheven.
Thrombose und Kmbolie. 125
Die versclileppten Leberzellen können je nach ihrer Beschaffenheit
und der Resorptionskraft der Körpersäfte verschieden lange persistieren
{3 Wochen bis 2V« Monate). Proliferations Vorgänge sind an ihnen nicht
nachzuweisen.
Die LeberzellenemboUe bei Eklampsie ist als ein sekundärer Vorgang
aufzufassen. Anwesenheit von Leberzellen in Blutgefässen wirkt gerinuungs-
erregend und veranlasst Thrombenbildung. Ein Teil der bei Eklampsie
vorkommenden Thromben sind jedoch primäre.
2. Die Placentarzellenembolie finden sich am häufigsten, aber nicht
konstant bei Eklampsie und zwar in der Lunge (Kapillaren und Arterien), den
Uterinvenen, dem rechten Herzen. Sie stammen sowohl von der Decidua
wie von den Zotten. Sie scheinen früher als die Leberzellen zu Grunde
zu gehen. Die Zellenembolieen bei Eklampsie und Chorea gravidarum
sind nicht die Ursachen der mit Krampfanfällen verbundenen Krankheiten,
sondern sie sind die Folgen der Krampfanfälle.
3. Die Knochenmarkriesen zellen embolie fand Lubarsch
nach Operation am Oberschenkel in der Lunge. Aber auch bei tuberkulöser
Höftgelenkentzündung kommt sie vor. Danach ist anzunehmen, dass auch
Riesenzellen von Knochentuberkeln verschleppt werden können.
Die gerinnungserregende Eigenschaft der Knochenmarkriesenzellen
ist jedenfalls keine bedeutende.
Als atypische Embolie bezeichnet Seh even (14) in seiner auf die An-
regung von Lubarsch ausgeführten Arbeit die sog. paradoxe oder gekreuzte
EmboUe, bei welcher der Embolus in der entgegengesetzten Seite des Kreis-
laufs sich vorfindet vne der primäre Thrombus, oder wo ein Thrombus
durch ein offenes Foramen ovale aus dem venösen Blute in die arterielle
Gefässbahn hineingeschleppt ist und die Embolie durch retrograden Trans-
j>ort, die sowohl im Venensystem wie in der Lymphbahn beobachtet wird.
Von der ersten Form bringt Verf. aus der Litteratur wie aus den
Protokollen der Züricher und Rostocker pathologischen Institute mehrere
Fälle. Für die Überwanderung von thrombotischem Material aus dem
rechten Herzen in den linken Vorhof sind abnorme Druckverhältnisse in
den Arterien, Erhöhung des Blutdrucks im rechten Herzen notwendig.
Im Vergleich zur Häufigkeit der Persistenz des Foramen ovale ist die
gekreuzte EmboUe immerhin ein seltener Prozess, der sowohl für die Ver-
breitung blander und infizierter Thromben, von Parenchymzellen und Ge-
schwulstelementen eine Rolle spielt und wahrscheinhch auch für die Aus-
breitung der Tuberkel bei der akuten Mihartuberkulose (nach Tuberkulose
des Ductus thoracicus) von Wichtigkeit ist. Nach einer Besprechung der be-
kannten Fälle der atypischen EmboUe durch retrograden Transport erwähnt
Verf. einen solchen Fall von Scirrhus des Magens mit Metastasen in den
126 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
retroperitonealen, mesenterialen, inguinalen und tracheobronchialen Lymph
drüsen, multiplen Metastasen des Herzens, Darm- und Beckenserosa, Darm-
schleimhaut, Uterus, Ovarien, Vagina, Harnblase und Trachea. Die Metastasen
der retroperitonealen, mesenterialen bronchialen und trachealen Lymphdrüsen
sind als auf dem Wege der Lymphbahn entstanden zu betrachten, während
dieübrigenMetastasen auf die VerschleppungvonGeschwulstkeimendurch rück-
läufige Strömung in die betreffenden Lymphbahnen zurückzuführen sind.
Die veränderte Stromesrichtung, welche den rückläufigen Transport
in den Venen ermöglicht, welche keine Klappen besitzen, kann sowohl
durch positiven Druck im Thorax bei forzierter Exspiration, Stenose der
Luftwege und der Trachea oder Bronchien veranlasst werden. Bei dem
retrogi'aden Transport im Lymphgefässsystem ist dagegen der Verschluss
der Hauptbahn die erste Bedingung für die Umkehr des Lymphstroms und
der dadurch bedingten Verschleppung korpuskularer Elemente.
Versuche über retrograden Transport haben den Verf. überzeugt, dass
kleine und mittelgrosse Grieskömer die Lungenkapillaren passieren können
und dass am häufigsten in denjenigen Teilen der venösen Blutbahn eine
retrograde Verschleppung nachzuweisen ist, in denen ein geringer und
Schwankungen unterworfener Druck herrscht wie in der Cava, Leber-,
Nierenvene und den Hirnsinusen.
Nach Ribbert (11) können ausser den bekannten Ursachen der Fett-
embolie, wie Entzündungen und Zerreissungen des Knochenmarks, der
Entzündungen des Unterhaut- und Beckenfettgewebes, Quetschungen und
Nekrosen der Leber und fettig zerfallenen Thromben, auch einfache heftige
Erschütterungen des Knochens ohne jede Fraktur, eine Fettembolie zur
Folge haben. Beim Kaninchen genügt es schon, während 1 — 2 Minuten
in der Narkose eine Reihe kurzer Schläge mit einem hölzernen Instrument
auf beide Tibiae auszuführen, um eine massig hochgradige FettemboUe zu
erhalten. Das Knochenmark zeigt keine makroskopische Veränderung luul
nur einen massigen Fettgehalt.
Die Folgen der Fettembolie in der Lunge sind häufig kleinere Ecchy-
mosen, seltener umfangreichere Blutungen. Vielleicht wird auch das Auf-
treten des Lungenödems durch die Embolie begünstigt.
In den Nieren dürfte eine fettige Degeneration der Tubuli contorti,
zweiter Ordnung, Schwellung und Ablösung des Kapselepithels Folge der
Embohe von Glomerulis sein.
Ecchymosen finden sich auch im Gehirn als Folge von kapillarer
FettemboHe.
Fleckige Fettentartung des Herzmuskels konstatiert Ribbert in sieben
hierauf untersuchten Fällen von Fettembolie des Herzens.
Thrombose und Embolie. 127
Betreffs der weiteren Schicksale des embolisierten Fettes bezweifelt
Ribbert, dass es durch die Niere ausgeschieden wird, da wenigstens beim
Kaninchen, dessen Glomeruli dicht mit Fett gefüllt worden waren, eine
halbe Stunde nach dem Versuch noch kein Fett in die Kanälchen aus-
getreten war. Dies scheint erst nach länger dauernder Anämie infolge von
ZerreissuDg der Glomerulusgefässe zu geschehen.
Ausgedehnte Fettembolie der Lunge kann gewiss allein schon den
Tod zur Folge haben, ebenso die Embolie des Gehirns, besonders, wenn
es zu zahlreichen Blutungen kommt. Auch bei zahlreichen Embolien des
Herzmuskels können die vielen Degenerationsherde daselbst den letalen
Ausgang veranlassen.
4,
Metastase.
Von
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1. Arnold, Die Geschichte des eingeatmeten Metallstaubes im Körper. Beiträge zur
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die Kenntnis des Lymphgefässsystems der parenchymatösen Organe. Virch. Arch.
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S. 78.
Der BegrifE der Metastase ist, wie v. Recklinghausen (10) näher ausge-
lührt hat, allmählich immer mehr ein humoralpathologischer geworden, indem
man darunter eine Versetzung von pathologischen Stoffen von einem Orte des
Körpers auf einen andern versteht. Diese Beschränkung des Metastasenbegriffes
ist im allgemeinen so fest beibehalten worden, dass man auch die Verschlepp-
ung normaler Parenchymzellen von einem Organ an entferntere Stellen des
Kürpers nicht als Metastase, sondern als Parenchymzellembolie bezeichnet
liat, und wenn Ziegler (allg. Pathologie 8. Aufl.) davon abgewichen ist
und von einer Parenchymzellenmetastase spricht, so ist das wenig em-
pfehlenswert, da hierdurch die einzige feste Grenze zwischen den emboli-
abeu und metastatischen Vorgängen eingerissen würde. Nachdem durch
die Fortschritte der bakteriologischen Forschung die schon zu Beginn der
«<^r .Jahre von v. Recklinghausen und Klebs begründete Lehre von
'itr Spaltpilzmetastase durch KapillaremboUe immer grössere Bedeutung
gewonnen hatte und feste Begründung erhielt, sind in den letzten Jahren
äaf diesem Gebiete Fortschritte prinzipieller Natur nicht gemacht worden.
Wühl aber hat mau sich, wiederum angeregt durch Untersuchungen von
ßecklinghausens, eingehender mit den Wegen beschäftigt, auf denen
üe pathologischen Stoffe verschleppt werden und es wird im folgenden
gerade hierauf besondere Rücksicht genommen werden. Es werden im
Agenden kurz erörtert werden 1. die Verschleppung von in den Körper
von aussen eingeführten Metallen, 2. die Verschleppung von Kohlenstaub,
i die Verschleppung von Geschwulstzellen.
ad 1. Arnold (1, 21 hat sich besonders mit den Schicksalen des ein-
geatmeteu Metallstaubes beschäftigt, indem er die Organe von Gold- und
'^ilberarbeitem einer genauen und quantitativen chemischen Analyse unter-
warf. Er fand, dass die Bronchialdrüsen den grössten Gehalt an Silber
Qüd Gold besassen, in 8 von 10 Fällen mehr als beide Lungen zusammen,
m 9 Fällen mehr als Leber und Milz zusammen , und in 5 Fällen sogar
lüehp wie Lungen, Leber und Milz zusammen. Es geht daraus hervor, dass
tine wesentliche Quelle die Zufuhr von Metallstaub mit der Einatmungs-
♦Jft ist und dass der Staub auf dem Lymphwege in die Bronchialdrüsen
lubarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteilnng 11. 9
130 Allgem. pathol. Morphologie und Ph^'siologie.
gelangt. Die Lungen können sogar wieder frei von Metallstaub werden,
in dem durch die Bronchialwand eine Weiterbeförderung von den peri-
bronchialen Lymphknötchen und Lymphscheiden her sich vollzieht; bei
Lungenemphysem findet auch ein Übertritt des Metalles in die Blutgefässe
statt, so dass in solchen Fällen der Gehalt der Milz und Leber an Gold
und Silber erklärlich ist. In gewöhnlichen Fällen ist jedenfalls das Metall
nicht vom Magen und Darm her in die grossen Unterleibsdrüsen gelangt,
da sonst die Lymphdrüsen mit dem Staub angefüllt sein müssten, was
nicht der Fall ist. — Das Schicksal des in Form von Argentum nitricum
im Körper eingeführten Silbers hat Kobert (7) genauer verfolgt und beson-
ders mit der Siderosis verglichen. Beide Metalle — Silber und Eisen — wer-
den bei plötzlicher Einfuhr ins Blut in erster Linie in den Leberzellen zurück-
gehalten, wo sie in eine unlösliche Modifikation übergeführt werden; von
hier werden die Stoffe durch einwandernde Leukocyten nach den Leber-
lymphgefässen und weiter in die verschiedensten lymphoiden Organe ver-
schleppt. Auch die Ausscheidung der Metalle, die bei chronischer Ver-
giftung allerdings nur in sehr geringem Grade stattfindet, findet unter Be-
teiligung von Leukocyten nach dem Verdauungstraktus hin statt, während
durch den Harn gar kein Metall aus dem Körper entfernt wird. — - Bei
chronischer Vergiftung sind die metallhaltigen Leukocyten nicht mehr
nachzuweisen, sondern das Silber und Eisen hegt scheinbar formlos in
Körnchen und Klumpen zwischen den Zellen. Ein wesentlicher Unter-
schied zwischen der Silber- und Eisenablagerung besteht darin, dass bei
der Argyrie mit VorUebe die verschiedensten bindegewebigen Organteile
und die Haut befallen werden, bei Siderosis dagegen nicht. —
ad 2. Die Verschleppung des Kohlenstaubs im Körper ist bekannt-
lich von Arnold (2) besonders genau, sowohl bei Tieren wie beim Men-
schen verfolgt worden. Der inhaherte Kohlen- (oder Stein-) staub gelangt
aus den Aveolen teils frei teils an Zellen gebunden zwischen die Aveolar-
epitheüen hindurch in die Saftbahnen des Lungengewebes und von da in
die grösseren Lymphgefässe, endlich in die Bronchialdrüsen hinein. Die
Folgen der Staubablagerung in den Lungen sind nicht immer die gleichen und
Arnold unterscheidet daher eine Anthracosis simplex und indurativa, wo eine
indurierende Bronchopneumonie oder fibröse Peribronchitis sich an die Ein-
atmung grösserer Staubmengen anschliesst. Auch in den Bronchialdrüsen eta-
bliert sich eine chronische hyperplastische Entzündung, wodurch sie vergrössert
werden, allmählich aber wieder atrophieren und erweichen. Von hier aus
findet die weitere Verschleppung des Kohlenstaubes in der Weise statt,
wie es Weigert (15) schon früher geschildert hat. Derselbe konnte näm-
lich nachweisen, dass in \delen Fällen, in denen Kohlenpigment in Milz,
Leber und Portaldrüsen gefunden wird, eine Verlötung der Lungenvenen-
Metastase. 131
oder Arterien Wandung mit den pigmentierten Bronchialdrüsen besteht und
iliehitima der Blutgefässe ganz dunkel pigmentiert erscheint. Thatsäehlich
zeigt auch die mikroskopische Untersuchung, dass keine scharfe Grenze
zwischen anthrakotischer Lymphdrüse und Blutgefässwand besteht, das
Pigment vielmehr sich bis unmittelbar an das Gefässlumen fortsetzt. Die
Verschleppung des Pigments kommt also durch einen direkten Einbruch
in Blutgefässe zu stände, nachdem durch eine Art Periadenitis eine Ver-
wachsung zwischen Drüse und Blutgefässen stattgefunden hat. Sind ein-
mal die Kohlenpartikel in die Leber gelangt, so erkranken die portalen
Lymphdrüsen dadurch, dass die Leberlymphbahnen ihnen das Kohlenpig-
ment zuführen. Arnold konnte die Untersuchungen Weigert s voll-
ständig bestätigen und erweitem, indem er zeigte, dass auch ohne grössere
Durchbrüche, die Kohle direkt von der Adventitia her in die Arterien
eindringen kann. — Diese von Weigert begründete Auffassung über
«iie Wege der Staubraetastase hat Weintraud (16) dadurch einzuschrän-
ken versucht, dass er auch hier die v. Recklinghausensche Lehre
von der Metastase durch retrograden Lymphtransport zur Geltung zu bringen
suchte. Er fand in einem Viertel aller Fälle in den Leichen Erwachsener
^cllwa^zes Pigment in Leber, Milz und den abdominalen Lymphdrüsen, ver-
misst es aber in der Niere und im Gegensatze zu Weigert und Arnold
auch im Knochenmark. Gerade deswegen und wegen der Ablagerung
'1er Kohle in den Gefässscheiden glaubt Weintraud, dass die Pigment-
metastase auf dem Wege des retrograden Lyniphstroms stattfindet, der
^ich durch Bildung oder Erweiterung von Kollateralen nach anthrakotischer
'Witeration der der Lunge näher gelegenen Lymphdrüsen ausbildet und
allmählich bis in die Wurzeln der Lymphgefässe fortschreitet. Die Staub-
vtrselileppung findet sich vom Lungenliilus an stets in zusammenhängenden
Ablagerungen bis zu den Lymphgefässverzweigungen in Leber und Milz,
'la stets dabei die portalen und retrogastrischen Drüsen erkrankt gefunden
werden, und diese wiederum niemals Staub enthalten, ohne dass auch die
mediastinalen, dicht über dem Zwerchfell gelegenen Drüsen anthrakotisch
*ind. — Dass ein retrograder Transport von Kohlenstaub vorkommt, ist
'lurch die Arbeit Weintrauds wohl sicher bewiesen und Scheveu (19)
Win seiner unter Lubar schs Leitung gemachten Arbeit in manchen Fällen
Weintrauds Angabe völlig bestätigen können und darauf hingewiesen, dass
^n solchen Fällen, wo in der Lunge noch reichlich Pigment vorhanden ist
i^Hn oder ein geringes Emphysen besteht und vor allem die Bronchial-
'irüsen nirgends fester mit den Gefässwandungen verwachsen sind, während
'lie portalen und retrogastrischen Drüsen reichlich Kohlenstaub enthalten,
•ine andere Annahme, wie die Weintraud sehe nicht möglich ist. Es
fragt sich nur, welche Ausdehnung der hämatogenen und welche der retro-
9*
132 Allgetn. pathol. Morphologie und Physiologie.
graden Lymphverschleppung zukommt. In sofern erscheint es wohl zu
weit gegangen, wenn Weintraud nur die Fälle mit Sicherheit als häuia-
togene Verschleppung ansehen will, in denen im Knochenmark oder den
Nierengefässen Pigment gefunden wird. Es giebt nicht wenig Fälle, in
denen im Knochenmark der Kohlenstaub fehlt und doch an eine Ver-
schleppung durch retrograden Lymphtransport nicht gut gedacht w^erden
kann ; das sind namentlich solche, wie ich sie auch gesehen habe, in denen
die Pigmentierung der thorakalen Lymphknoten sehr stark ist und vor allem
eine Obliteration der Drüsen, die zu einer Umkehrung des L3rmphstronievS
hätte Veranlassung geben können, nicht vorliegt. — Man wird deswegen
wohl berechtigt sein, beiden Arten der Staubverschleppung einen gleich
grossen Raum einzuräumen.
ad 3. In der Lehre von der Geschwulstmetastase sind es immer
noch drei Punkte, welche das Interesse hauptsächlich in Anspruch ^;^e-
nommen haben, a) Aus was für Zellen entwickeln sich die metastatischeu
Geschwulstknoten? b) Auf welchen Wegen findet die Metastasierung statt?
c) Welches ist die Ursache der Metastasenbildung? — ad a). Die alte
Auffassung, dass die Zellen der metastatischen Geschwulstknoten aus den
Zellen desjenigen Gewebes entstehen, in welches die Geschwulstzellen hinein-
gelangen, so dass es sich, wie Rindfleisch es ausdrückte, um eine ge-
webliche Infektion handelt, hat der Lehre Platz machen müssen, dass
alle metastatischen Knoten sich aus den verschleppten Zellen der Primär-
geschwulst entwickeln. Nur Klebs (6) hat auch noch neuerdings die
Meinung vertreten, dass sich an der Bildung der metastatischen Knoten
auch andere Zellen als die verschleppten Zellen beteiligen: „die in ein Blut-
gefäss eingeführten Geschwulstzellen schicken nicht nur ihre junge Brut
in das benachbarte Gewebe hinein, sondern erregen eine ihnen homologe
Entwickclung innerhalb derselben. Hier findet also eine Gewebsmetaplasie
statt, wie sie im normalen Gewebe gar nicht vorkommt". Er beschreibt
dann auch geradezu eine Umwandlung von Muskel- und Leberzellen in
Krebsepithehen. Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung ist namentUch von
Hansemann umfassend nachgewiesen worden, welcher die ausserordent-
lich grosse Übereinstimmung zwischen den Zellen der metastatischen und
primären Knoten (vor allem im Stadium der Mitose) hervorhob und
besonders zeigte , dass irgend welche Proliferationsvorgänge an den
Zellen des sekundär befallenen Gewebes nicht nachzuweisen sind.
Zehnder (21) hat dann durch sorgfältige Untersuchung von Lymph-
drüsenmetastasen gezeigt, dass sich die Zellen der Lymphknoten, ein-
schliesslich der endothelialen Elemente, die sich nach Rindfleisch
besonders reichlich in Krebszellen umwandeln sollten, völlig passiv ver-
halten, während in den Krebszellen zahlreiche Mitosen auftreten. Ich
Metastase. 133
selbst habe au geeignetem Material aus den meisten Organen mich
immer wieder davon überzeugt, dass „Übergangsbilder" nicht schwer zu
konstruieren sind, dass sich aber die Gewebszellen stets passiv verhalten
Es würde ja auch das Verständnis ungemein erschweren, wenn wir an-
nehmen müssten, dass sich eine Leberzelle einmal in eine verschleimende
Cylinder-, das andere Mal in eine verhornende, glykogenreiche Platten-
epithelzelle umwandeln könne. Die Übergangsbilder sind ja auch nur für
eine oberflächliche Betrachtung da ; geht man auf die feinere Struktur der Zellen
ein, so fallen sie eigentlich ganz fort; niemals hat mau beobachten können,
wie sich die kömige Struktur der Leberzelle in die Faserstruktur eines
Plattenepithelium umwandelte, ad b). Die Wege, auf welchen die Me-
tastasierung vor sich geht, sind die der Lymph- und Blutgefässe, und die
genauere Beobachtung hat gezeigt, dass die Carcinome meistens auf dem
Lvmphwege, andere Geschwülste, wie besonders die Sarkome, auf dem
Blutwege metastasieren. Doch kommt es bekanntermassen auch vor, dass
Carcinome in die Blutbahn einbrechen und der Fall von Bernauer (4)
bildet ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass auch Krebsmetastasen
aus embolisch verschleppten Geschwulstzellen hervorgehen, da er den
direkten histologischen Nachweis führen konnte, wie sich ein krebsiger
Lungenarterienembolus in das Lungengewebe fortsetzte. In neuerer Zeit
hat man nun besonders denjenigen Arten der Metastasierung grössere Auf-
merksamkeit geschenkt, die ein Abw^eichen von den gewöhnlichen Ver-
breitunß^s wegen erkennen lassen: 1. Metastasierung durch KapillaremboHe,
2. durch paradoxe Embolie, 3. durch venöse, retrograde Embolie, 4. durch
retrograden Lymphtransport. Die Metastasenbildung durch KapillaremboHe
war noch von v. Recklinghausen (10) als nicht völlig bewiesen ange-
sehen worden, indem er darauf hinwies, dass da, wo innerhalb oder zunächst
vor Sekundärgeschwülsten Kapillarverstopfung durch Geschwulstmaterial
gefunden wnrd, es sich auch um eine retrograde Verschleppung von dem
^^kundärknoten aus handeln kann, so dass die Verstopfung nicht das
primäre, sondern das sekundäre Ereignis sein würde; und Zahn (19) hatte
betont, dass „nur da, wo bei Sitz der Primärgeschwulst auf Seite des
Venensystems neben Abwesenheit eines Foramen ovale und
von Lungenmetastasen sekundäre Gesehwulstknoten in der Peripherie vor-
gefunden werden, von denen anzunehmen ist, dass sie nicht auf dem Wege
des retrograden Transports zu stände gekommen sind" an eine Ent-
stehung durch Kapillarembolie gedacht werden könne. — Später hat dann
aber Zahn (17) selbst drei Fälle mitgeteilt, bei denen allerdings die Wahr-
scheinlichkeit, dass es sich um Metastasierung durch Kapillarembolie ge-
Imndelt hat, sehr gross ist. Es handelte sich um ein Carcinom der Mamma
und der Submaxillardrüse und ein p]ndotheliom des Hinterhauptes, bei denen
134 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
es ZU reichlichen Knochenmetastasen gekommen war, ohne dass Lmigen-
metastasen bestanden oder paradoxe EmboUe möglich war. Und man wird
in der That durch diese Fälle den Beweis erbracht sehen müssen, dass
es eine Geschwulstmetastase durch Kapillarembolie giebt, lun so mehr, als
in den betr. Fällen die Geschwulstzellen so klein waren, dass sie die Lungen-
kapillaren passiert haben konnten. Ob allerdings, wie Z a h n meint, viele
Geschwulstmetastasen auf diese Weise entstehen, ist mir etwas zweifelhaft.
Ich selbst habe eigentlich nur einmal mit Sicherheit einen derartigen Fall
zur Beobachtung bekommen:
Es handelte sich um eine Frau bei der vor drei Jahren ein Carcinom der linken
Mamma mit Achseldrüsen entfernt war. Heilung, kein Recidiv. Patientin kommt ios
Krankenhaus wegen Spontanfraktur des rechten Femur. Klin. Diagnose: Knochenmetastase.
Bei der Sektion finden sich zahlreiche kleine Metastasen auf der Pleura pulmonalis, dia-
phragmatica und costalis; Lungen vollkommen frei; einige grössere G^schwulstknoten im
linken Leberlappen. Zahlreiche teils knotige, teils diffuse Metastasem im rechten Femur
dem Becken und den Lendenwirbeln; Rippenknochen frei. Foramen ovale geschlossen.
Es handelte sich, wie die mikroskopische Untersuchung ergab, um ein
besonders kleinzelliges Carcinom ; und wird dadurch verständlich, dass die
Geschwulstzellen die Lungenkapillaren passieren konnten. Da femer parodoxe
Embolie und retrograder Transport ausgeschlossen werden musste, liegt hier
in der That ein gutes Beispiel von Metastasenbildung, durch Kapillar
embolie vor. 2. Auch die Bedeutung] der paradoxen Embolie für die Ge-
schwulstmetastasierung ist besonders von Zahn begründet worden. Er
hat im ganzen 4 Fälle beschrieben, (19, 20), in denen die Metastasen bei
offenem Foramen ovale als durch paradoxe Embolie hervorgebracht ange
sehen werden mussten. Andere Fälle sind von Bonome (4) und von
Scheven(13) mitgeteilt worden, von denen der letztere auch dann die xVn-
nahme einer paradoxen Embolie für berechtigt hält, wenn trotz bestehender
Lungenmetastasen die Lungenkapillaren und -Venen frei von Geschwnlst-
thromben gefunden werden. Zenker (22) hatte gerade deswegen, weil
in einem von ihm beobachteten Fall, der Einbruch von Geschwülsten in
Lungenvenen nachweisbar war, trotz Offenbleibens des Foramen ovale eüie
direkte Metastasierung angenommen. — 3. Es ist wesentUch v. Reck-
linghausens (11) Verdienst, die Lehre von der retrograden, venösen und
lymphatischen EmboUe begründet und ihre Bedeutung für die Geschwulst-
metastasierung hervorgehoben zu haben. Er hat eine Reihe von beweisen-
den Fällen augeführt und ist näher darauf eingegangen, die Bedingungen
festzustellen, imter denen es zu einer rückläufigen Verschleppung von Ge-
schwulstkeimen kommt. Es hat sich dabei herausgestellt, dass für die Ge-
schwulstmetastasierung die Umkehr des Lymphstroms nach Verschluss
einer Hauptbahn eine grössere Rolle spielt, wie die retrograde venöse Embolie,
welche übrigens häufiger bei offner Bahn zu stände kommt als bei ge-
Meiastase. 135
sclilossener. Thatsächlich kann die Umkehr des venösen Blutstroms auch
nur eintreten bei solchen Venen, die keine Klappen besitzen und in denen
ein äusserst geringer Blutdruck herrscht; alle Momente, die geeignet sind,
den Blutdruck noch weiter herabzusetzen, können demnach die retrograde
Embolie begünstigen und das ist besonders der Fall, wenn der innerhalb
des Thoraxraumes auf den grossen Venen lastende Druck grösser wird,
al3 der ausserhalb des Brustkorbes herrschende. Die nicht wenigen Bei-
spiele von retrograder Geschwulstzellenverschleppung, wie sie noch von
Recklinghausen, von Bonome (5), Arnold (3), Pommer (9), Scheven
(13) und Vogel (14) angeführt worden sind, haben die grundlegenden
Anschauungen v. Recklinghausens bestätigt, ebenso wie die experimen-
tellen Untersuchungen Arnolds und Schevens. Vogel (14) hat sogar
den interessanten Versuch gemacht, Fälle von retrograder lymphatischer
xMetastase zur Erweiterung unserer Kenntnisse über die Verbreitung des
Lymphgefässsy Sterns zu benutzen.
ad c). Die Frage nach den Ursachen der Geschwulstmetastase ist
eine der wichtigsten der Onkologie, ja sie fällt fast zusammen mit der-
jenigen nach den Ursachen der Malignität gewisser Geschwülste. Am auf-
fallendsten ist ja die Metastasenbildung bei den Carcinomen und Sarkomen,
bei denen in der That ausserordentlich häufig Metastasierung beobachtet wird
Müller (8) fand z. B. bei 521 Carcinomen in 47,2®/o und bei 102 Sarkomen
in 63,7®/o der Fälle Metastasenbildung. Die am meisten verbreitete Mei-
nung über die Ursachen der Metastasenbildung knüpft deswegen auch haupt-
sächlich an die Erfahrungen beim Carcinom und Sarkom an und besteht
darin, dass die besondere Qualität der Geschwulstzellen die Ursache sein
soll oder wie Hansemanu es formuUert hat, dass die Anaplasie der
Zellen und die daraus folgende gesteigerte Proliferations - Fähigkeit und
•Selbständigkeit zur Metastasenbildung führe. Nun haben sich aber die
Fälle gemehrt, in denen auch histologisch gutartige Neubildungen metasta-
sierten. Den älteren Fällen von Metastasierung einfacher Gallertkröpfe (Coh n-
heim, E. Neumann etc.) und von Enchondromen, haben sich in neuerer Zeit
2 Fälle von Metastasierung von Uterusmyomen angeschlossen, von denen
der von Klebs (6) vielleicht nicht ganz einwandfrei ist, während der von
Krische (6a) und Orth, mit seinen ausgedehnten Metastasen im Knochen
etc. wohl jeder Kritik standhalten kami. Klebs hat denn auch die Mei-
nung vertreten, dass die Metastasierungsfähigkeit nicht nur an bestimmte
(Jeschwulsttypen gebunden ist, sondern dass sie eine besondere Entwickelungs-
phase im Verlauf der Geschwulstbildung darstellt, welche a priori keiner
f'eschwulstart abzusprechen ist. Die Frage, ob auch normale Gewebszellen
öietastasieren können, wird von Klebs im Anschluss an die bekannten
Versuche von Zahn und Leopold verneint und hervorgehoben, dass man
136 Allgem. pathol. Morphologie und Phyaiologie.
es bei der Metastaseubildung mit sehr komplizierten Vorgängen zu thun
hat. — Auf der anderen Seite ist von Cohnheim und Maas die Frage
aufgeworfen worden, ob die Ursache der Metastasierung nicht in einer Verän-
derung der physiologischen Widerstände des Organismus zu sehen ist; eine
Entscheidung hierüber ist noch nicht erfolgt ; die Frage wird noch eingehender
bei der Lehre von den Geschwülsten besprochen werden. — Ebensowenig
aufgeklärt ist man darüber, warum die Metastasenbildung in bestimmten
Organen nur ausnahmsweise vorkommt. Virchow, hatte geradezu den
Satz aufgestellt, dass fast alle diejenigen Organe, welche eine grosse Nei-
gung zu protopathischer Geschwulstbildung zeigen, eine sehr geringe Nei-
gung zu metastatischer darbieten und umgekehrt." Zahn (18) hat neuer-
dings einige Fälle von Geschwulstmetastasen in Magen, Ovarium und Ton-
sillen mitgeteilt, aber ebenfalls keine Aufklärung über die inneren Gründe
des auffallenden Verhaltens gefunden, vielmehr selbst zugegeben, dass auch
jetzt noch der Virchowsche Satz gilt. -^ Als ein gewisses Kuriosum sei
des Falles von Schaper (12) gedacht, wo die Metastase eines primären
Lungenkrebses in ein Uterusmyom stattfand. Einen ähnlichen Fall habe
ich neuerdings beobachtet, wo ein papilläres Cystocarcinom des rechten
Pvarium mehrere kleine Metastasen in einem grossen Fibromyom des
linken Eierstocks hervorgebracht hatte.
IIL
ALLGEMEINE
PATHOLOGIE DER ERNÄHRUNG.
A. Regressive Ernährungsstörungen.
1.
Nekrose und Nekrobiose.
Von
H. Schmaus, München und E. Albrecht, München.
Litteratur.
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21. Schmaus, H. u. Albrecht, E., Über Karyorrhexis. Virch. Arch. Bd. l38. Suppl.
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24. Stilling, Versuche über die Atrophie des verlagerten Hodens. Zieglers Beitr.
Bd. 15. 1894. S. 337.
25. Ströbe, H., Experim. Untersuchungen über die degenerativen und reparatorischen
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Bd. 15. 1894. S. 383.
26. Thoinot, L. et Massel in, E. T., Contrib. ä Tetude des localisations m^dullaires
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27. Uschinsky, N., Über die Wirkung der Kälte auf verschiedene Gewebe. Zieglers
Beitr. Bd, 12. 1893. S. 115.
28. Vas^ F., Zur Kenntnis der chron. Nikotin- und Alkohol- Vergiftung. Arch. f. exp.
Path. u. Pharm. Bd. 33. 1894. S. 141.
29. Volkmann, R., über die Regeneration des quergestreiften Muskelgewebes beim
Menschen und Säugetier. Zieglers Beitr. Bd. 12. 1893, 233.
30. Yamagiva, Zellstudie an sich regenerierendem Sehnengewebe. Virch. Arch. Bd. 135.
1894. S. 308.
In seiner speziellen Pathologie und Therapie und in der Cellular-
pathologie führte Virchow neben dem Begriff der Nekrose als eiuer
Mortifikation der Teile mit mehr oder weniger vollständiger Erhaltung der
äussern Form denjenigen der Nekrobiose ein, bei welcher der befallene
Teil verschwindet, „so dass wir ihn in seiner Form nicht mehr zu erkennen
Nekrose und Nekrobiose. 139
vermögen. Wir haben am Ende des Prozesses kein nekrotisches Stück,
keine Art von gewöhnlichem Brande, sondern eine Masse, in welcher von
den früheren Geweben absolut gar nichts mehr wahrnehmbar ist. Die
üekrobiotischen Prozesse, welche von der Nekrose völlig getrennt w^erden
müssen, haben im allgemeinen als Endresulat eine Erweichung im Gefolge.
Dieselbe beginnt mit Brüchigwerden der Teile; diese vertieren ihre Kohä-
sion, zerfliessen endlich wirklich, und mehr oder weniger beweghche, breiige
oder flüssige Produkte treten an ihre Stelle."
Die Virchowsche Definition der Nekrobiose ist, wie man
sieht, eine makroskopische; ihr Hauptrepräsentant ist die fettige De-
generation, die Virchow deshalb bei seiner Einteilung der „passiven Pro-
zesse'' von den „einfach degenerativen Formen" der Amyloidmetamorphose
und Verkalkung abtrennt.
Mit der Uebertragung auf das mikroskopische Gebiet hat sich in
dieser Begriffsbestimmung insofern eine Verschiebung vollzogen, als
man zur Zeit nach dem Vorgang von Klebs ziemlich allgemein als Nekro-
biose (oder indirekte Nekrose; sekundäre Nekrose 'infolge degenerativer
Zustände) jene langsameren Absterbevorgänge zusammenfasst, während
deren sich noch gewisse, z. T. als Lebens Vorgänge aufzufassende Verände-
rungen einstellen.
Auch Israel (10), welcher die Virchowsche Einteilung festhält,
überpflanzt die Virchowsche Definition der Nekrobiose auf mikro-
skopischen Grund, und verändert sie zugleich, wenn er sagt: „Auch heute
noch müssen wir die nekrobiotischen Formen, welche durch eine Reihe
von pathologischen Lebensvorgängen zum Tode der Zelle führen, von den-
jenigen trennen, in denen ein verhältnismässig plötzlicher Tod der Zelle
eintritt, wobei die Erscheimmg der Zellen durch das Sterben nicht geändert
wd, w^o jedoch an der Zellenleiche eine Reihe von Veränderungen ein-
treten, die es notwendig machen, unterschiedliche Formen der Nekrose
anzuerkennen."
In diese Definition ist einerseits das Hereinspielen vitaler Prozesse
aufgenommen; andererseits der Schwund der toten Teile als ein Unter-
scheidungsmerkmal für gewisse postmortale Veränderungen zur Ver-
fügung gestellt, vom Begriff der Nekrobiose getrennt worden.
Ausser in den durch starke Säuren und Alkalien erzeugten Ver-
änderungen bietet nach Israel der soeben eingetretene Tod der Zelle
noch keine charakteristischen Kennzeichen; diese zeigen sich erst nach
Einwirkung besonderer Faktoren: äusserer (Verwesung, Fäulnis) oder in
<ier lebenden Umgebung erzeugter Einflüsse, sowie Kombinationen beider
— einfache Nekrose (Verkäsung, Verkalkung, Erweichung), trockener und
feuchter Brand.
140 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Dagegen hat Klebs ^) eine Einteilung der direkten Nekrose gegeben
in welcher er, allerdings ohne scharfe Scheidung der postmortalen Ver-
änderungen, primäre Unterschiede in der Art des Absterbens auf-
stellt. Greift die abtötende Noxe gleichmässig die Zelle in allen ihren
Teilen an, so resultirt ein der künstlichen Abtötimg entsprechendes Bild,
mit relativ erhaltener Struktur (Mineralsäuren, Salze der Schwennetalle,
manche „Protoplasmagifte"); bildet der Kern den ersten Angriffspunkt, so
ergiebt sich entweder eine Kernauflösung (Karyolyse, Kemschwund) oder
ein Zerfall der Kerne in Chromatinbröckel — Karyorrhexis oder Kem-
zerfall. Während in diesen Fällen die Zellleibsverändeningen ganz gering
sein können und in ihrer Art wechseln („Koagulation*', feine körnige
Trübung etc.), giebt es endhch Formen des Zelltodes, in welchen das Pro-
toplasma zunächst angegriffen erscheint. Diese „Plasma-Rhexis*' oder
primäre vakuoläre Entartung des Zellleibs charakterisiert sich durch eine
Zersprengung der Masse des Protoplasmas, wobei die Kerne von an Hohl-
räume angrenzenden Epithelien austreten können. Zur Erklärung nimmt
Klebs das Auftreten von mechanisch zerstörend wirkenden Exsudatmassen
in dem geschädigten Zellleib an.
Während die Erscheinungen des Kernschwunds und Kemzerfalls
besonders bei gewissen Mykosen gefunden wurden, führi; Klebs als Belege
für die letztgenannte Erscheinungsgruppe die von Langhans und seinen
Schülern nach Einwirkung von Säuren und irritierenden Substanzen am
Nierenepithel beobachteten Veränderungen an. Es muss nun allerdings
bemerkt werden, dass z. B. in der Beschreibung von Mürset die Kern-
veränderungen eine recht bedeutende Rolle spielen, sowie dass in den beiden
anderen Gruppen, die Klebs aufstellt, teils Zellleibsveränderungen beob-
achtet wurden, teils deren „Fehlen'* mit einem ziemlichen Grade von Wahr-
scheinlichkeit auf die Einseitigkeit und Mangelhaftigkeit der Methoden
bezogen werden darf; immerhin aber liegt in der Einteilung von Klebs
der Versuch einer morphologischen Unterscheidung der verschiedenen Arten
des Zelltodes vor. Es sind seither die Angaben über diese Kategorie ziem-
lich spärlich geflossen, immerhin kann man auf Grund des voriiegenden
Materials w^ohl behaupten, dass nicht bloss die postmortalen Veränderungen,
sondern auch ihre genuinen Verschiedenheiten zu einer Klassifizierung
der Nekrosen wohl berechtigen.
Als direkte Folge mechanischer Einwirkungen (Kontusion, Kom-
pression) sah Condorelli^) Kernruptur, von einfacher Wandzerreissung
an einer Stelle bis zur völligen Fragmentierung und Zerstreuung der Kern-
1) Die allgemeine Pathologie. H. 1889. S. 10.
2) Istiopatologia del nucleo nelle contusioni. Catania 1891.
Nekrose und Nekrobiose. 141
bestandteile im Zellleib, sowie auch Zertrümmerung dos letzteren. Nahe-
liegenderweise ist der Formenkreis der mechanisch entstandenen Zell-
nekrose ziemlich eng begrenzt; besonderes Interesse würden vielleicht die
bei Commotio anzunehmenden direkten Ganglienzellennekrosen bieten,
die meines Wissens bisher weder in ihren ersten Stadien noch mit den
neueren Methoden studiert worden sind. Von künstlich erzeugten „Kern-
nipturen" wird weiter unten die Rede sem.
Für die einfache Quellung*) und Schrumpfung der Zellleiber und
Kerne dürfte im einzelnen Falle eine schärfere Trenntmg von nekrotischen
uud postmortalen Veränderungen nicht gut durchführbar sein. Beschrei-
bungen liegen vor von Eberth, Yamagiwa u. a.
Chemische ßeagentien erzeugen Nekrose, teils unter Gerinnung,
teils unter Lösung, sobald sie in einer' gewissen, nach der Art der Zellen
TO nach der Qualität des Gifts variierenden Konzentration einwirken^).
Je nach der Beständigkeit und Löslichkeit der entstehenden Verbindungen
wd sich das morphologische Ergebnis einer derartigen Abtötung mehr
uder weniger demjenigen nähern, welches unsere „Fixationsmittel" erreichen.
Für manche „Protoplasmagifte'' wird die Annahme eine gewisse Berech-
tigung haben, dass bei ihnen eine spezifisch vernichtende Wirkung auf
gewisse Zellbestandteile statthabe, die dm:ch ihre Ausschaltung dem Leben
der Gesamtzelle ein Ende machen. Vielleicht dass man späterhin in diesem
Sinne noch von Kern- und ZelUeibsgiften in einer der Klebsschen Auf-
fassung entsprechenden Weise wird reden können. Für eine derartige
Spezialisierung der Giftwirkungen — auch hierzu finden sich die ersten
Ansätze bei Klebs (1. c. S. 117) — ist natürlich vorläufig noch keine
Unterlage vorhanden.
Die als ., Frostgangrän'' beschriebenen Veränderungen dürften in
*ler Hauptsache nicht mit der Ertötung des Gewebes zusammenfallen, viel-
mehr durch die nachherige Erwärmimg, Cirkulationsemeuerung etc. erzeugt
^in. Volkmann (29) beschreibt in den direkt abgetöteten Partieen schol-
Jgen Zerfall der Muskeln, starke ödematöse Durchtränkung, Verlust der
Kernfärbbarkeit (s. u.). Uschinsky (27) hat in der Epidermis bei Ather-
'lurehfrierung Vakuolenbildtmgen innerhalb der Zellen beobachtet, wobei
die Kerne noch längere Zeit erhalten bleiben ; in den Muskeln war im all-
gemeinen die Quer- und Längstreifung gut erhalten, doch fanden sich hie
0 Siehe auch anten S. 146 u. 154.
^) Im Speziellen wird sich diese Einwirkung auch innerhalb der Zelle ziemlich ver-
s^iuedenartig gestalten; so kann der gleiche chemische Körper mit Eernbestandteilen lös-
Ik'he Verbindungen eingehen, während er im Zellleib Gerinnung erzeugt, eine Überlegung,
'•■>■ z. B. filr die Verbindung von Koagulationsnekrose und Kernschwund in Betracht kommen
dürfte.
142 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
und da homogene Schollen oder hyalin entartete Muskeln, an manchen
Stellen eme eigentümliche, sehr ausgesprochene Längsstreifung. Die Nerven
bewährten auch der Kälte gegenüber ihre grosse Widerstandsfähigkeit. Bei
plötzlicher Einwirkung trockener Hitze erfolgt der Tod wohl durch die
Gerinnung einzelner bezw. aller (je nach dem Hitzegrade) Eiweissköri>er
der Zelle; während bei langsamem Ansteigen der Erwärmung ebenso wie
bei langdauernder Überwärmung (Litten u. a.) nekrobiotische Prozesse
(trübe Schwellung, Verfettung etc.) sich noch einzustellen vennögen.
Über die Nekrose durch p hotische und elektrische Einwirkunu
liegen nur ganz spärliche Notizen vor. Als wertvolle Vorarbeit seien hier
die Untersuchungen Eschles (4) erwähnt. Derselbe fand bei Einsenkung
der Nadeln ins lebende, bezw. frisch entnommene Gewebe KoUiquation an
der Kathode, an der Anode Schrumpfung, dort basische, hier saure Re-
aktion; Gasentwickelung, im Muskel Bildung von Kry stallen (E seh le lässt
unentschieden, ob aus Fettkörpern, Blutfarbstoff oder Verbindungen der
Fixierungsmittel mit Extraktstoffen der Muskelfaser entstanden) ; histologisch
zeigte sich im toten Gewebe geringe Färbbarkeit mit Safranin (besonders
an der Anode); statt der charakteristischen Kemfärbung nach längeren
Verweilen nur diffuse graurote bis bräunüche Tinktion; Imbibition mit
Blutfarljstoff ; die Muskelfaseni im Bereich der Anode oft vollständig ho-
mogen gefärbt. Längs- und Querstreifung, sowie Kenie nicht erkennbar,
auch an der Kathode waren keine Kerne nachzuweisen, dagegen in den
distal zur Einstichstelle gelegenen Partieen meist eine deutlich erhaltene
Längs-, zuweilen auch Querstreifung. Eine konstante mikroskopische Difft^-
renz zwischen den Befunden an Anode und Kathode war nicht zu erkennen,
abgesehen von der an der Anode noch ausgesprochenen Schlechtfärbbarkeit
der Kerne.
Über die auf die Umgebung der Elektroden beschränkte Nekrose im
lebenden Gewebe bringt Esc hie keine näheren Angaben.
Die wenigen vorstehenden Angaben mögen genügen als ein vorläufiger
Beleg für die durch fernere Untersuchungen auszuführende Annahme, dass
auch die direkte Nekrose keine einheitliche Form darstelle, sondern ent-
sprechend ihren verscliiedenen Ursachen variiere.
Für die Untersuchung der weniger prägnanten Beispiele, wie die
Nekrosen im Organismus sich gemeinliin darstellen, wird neben dem Um-
stände, dass dort gewöhnlich degenerative, nekrobiotische, nekrotische und
postmortal veränderte Bilder in bunter Mischung sich finden, die schon
angedeutete, auch von Israel hervorgehobene Wahrscheinlichkeit er-
schwerend in Frage kommen, dass die einzelnen Bestandteile der Zelle nicht
unter allen Umständen zugleich zu Grunde gehen dürften, dass vielmehr
eine „partielle Zellnekrose'\ wie Weigert sie für die Entstehung der
Nekrose und Nekrobiose. 143
Tuberkelriesenzellen heranzog, vielleicht in einem recht grossen Umfang
vorkommt.
Wie weit die Einzelbearbeitung diesen vorderhand leider noch recht
spekulativen Voraussetzungen nachzukommen im stände sein wird, wird
von der Leistungsfähigkeit der Mikrotechnik und der Wahl glücklicher
Objekte abhängen. Für die folgende Aufführung der einzelnen Formen
des Zelluntergangs halten wir uns an die geläufigeren morphologischen
(lesiehtspunkte, indem wir nur bei ihrer Würdigung und Einreihung auf
die angeregten theoretischen Fragen kurz zurückkommen.
Als „Kernschwund'' beschrieb Weigert, nachdem schon lange
vorher Virchow diese Erscheinung erwähnt hatte, ein Unfärbbar- und
Unsichtbarwerden der Kerne, welches Weigert und seine Schüler auf die
Durch Strömung des abgestorbenen Gewebes mit Plasma zurückführen.
Klebs glaubt wenigstens für die mykotischen mit Kernschwund einher-
geheuden Nekrosen aus den engen Lagebeziehungen der kernlosen Zellen
zu den eingedrungenen Mikroorganismen eine direkt die Kerne auflösende
und angreifende chemische Wirkung derselben annehmen zu dürfen.
Kraus betrachtete auf Grund seiner an aseptisch aufbewahrten Organ-
stücken angestellten Versuche die Entfärbung als eine von der Durch-
strömung unabhängige, von chemischen Umwandlungen des Chromatins
in einen für Farbstoffe indifferenten Körper bedingte und dem Absterben
überhaupt folgende Erscheinung.
Arnheim^) (und ihm schliesst sich Israel an) betont ebenfalls die
Bedeutung chemischer Vorgänge für das Zustandekommen der Ent-
färbung und gelangt durch seine an Schnitten ausgeführten Untersuch-
ungen zu dem Schlüsse, die abgestorbenen Zellen hielten das Chromatin
^j wenig fest, dass es ihnen schon durch Agentien entzogen wird, welche,
obwohl sie denselben beständig durchströmen, den lebenden Kern nicht
zu afBzieren vermögen. In den unterbundenen Nieren (21) zeigt sich eine
augenfällige Beziehung des Kemschwundes, nach Ausdehnung und Schnellig-
keit des Eintretens zur Intensität der Durchströmung — am stärk-
sten und frühesten deshalb bei wiedergelöster Ligatur der Arterie; viel
langsamer erfolgt der Kemschwund in denjenigen Abschnitten, welche,
aus der eigentlichen Cirkulation ausgeschaltet, nurmehr einer Durchträn-
^n^ und minimalen Durchströmung mit Plasma unterliegen. Ob das
Cbromatin des Kerns auch ohne Durchströmung mit Plasma in einen
unfärbbaren Körper übergehen kann (Kraus), erscheint aber vorläufig noch
1) Ähnliche Vorstellungen liegen wohl auch der von Pfitzner aufgestellten Be-
z«ichonsg «chemische Dekonstitotion* (allmählicher Verlust der Färbbarkeit des unter-
e^henden Keims) zu Grunde.
144 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
immerliin nicht ausgeschlossen. — Da in den gefärbten Partieen der unter-
bundenen Nieren sich die geformten Träger der Färbbarkeit noch längere
Zeit ungefärbt nachweisen lassen, so erscheint es wahrscheinlich, dass das
Chromatin vor seiner ev. Lösung in den Körpersäften eine chemische
Umwandlung (Kraus, Arnheim) durchzumachen hat.
Aus dem gleichen Grunde erscheint es notwendig den „Chromatin-
schwund" (Unfärbbarkeit des Kerns mit den „KernfarbstofEen" s. str.)
zu unterscheiden vom „Kernschwund", welch letzterer nach unseren
Beobachtungen in der Hauptsache ein Aufgehen der achromatischen Be-
standteile des Kerns in die ZelUeibsstruktiu' und dadurch bedingte Auf-
liebung der morphologischen Unterschiede zwischen beiden darstellt.
Weiter haben die angeführten Untersuchungen ergeben, dass der
Kemschwund keineswegs immer einer einfachen Entfärbung des Kerns
entspricht, sondern in der Mehrzahl der Fälle den Abschluss einer
Reihe von Veränderungen im Chromatinbestand des Kerns
bildet, die als „Karyorrhexis zu bezeichnen sind (s. u.). Die Entfär-
bung kann in allen Stadien der Kernumwandlungen einsetzen, stellt also
diesen gegenüber etwas Fremdes, Accessorisches dar; wobei, wie er-
wähnt, immerhin die Entfärbung auch den typischen, nicht durch äussere
Momente der Durchströmung etc. bedingten Abschluss gewisser Kernverwand-
lungen zu bilden vermag. Dass der „Kernschwund*' nicht ein für einen be-
stimmten Prozess, etwa die Koagulationsnekrose, charakteristisches, etwa
mikropathognomonisches Merkmal bedeutet, haben Goldmann und Wei-
gert gegenüber Miss Verständnissen selbst hervorgehoben.
Als eine Art Pendant derKaryolyse gedenkt Klebs (1. c. 43) der
„Plasmolyse'^ als einer besonders für die toxischen Hämoglobinu-
rie en zutreffenden, meist mit der Bildung von hyalinen Cy lindern eiu-
hergehenden Lösung der Zellleiber. Eine weitere Verfolgung hat diese
Zusammenstellung meines Wissens nicht gefunden.
Eine recht grosse Mannigfaltigkeit der Formen bietet die von Klebs
sog. „Karyorrhexis". HauptsächUch handelt es sich um Anhäufung,
Umlagerungen des Chromatins, das sich bald im Keminnern (Gerüst-
hyperchromatose) bald an der Kernwand (Kernwandhyperchro-
matose) vorwiegend ansammelt, oder auch den ganzen Kern mehr gleich-
massig anfüllt, aber auch die Kern wand überschreitet und in Form
grober, spärlicher, oder zahlreicherer feinerer Sprossen in den Zellleib
gerät; schliesslich können sich die Sprossen völlig ablösen imd im
Cytoplasma sich entfärben. Der Kern kann dabei in den ersten An-
fängen normal gross, selbst vergrössert erscheinen; und besonders manche
Formen der Kemwandhyperchromatose erinnern ausser durch diese Volums-
zunahme auch durch die Grösse, Gleichmässigkeit in Gestalt und Anordnung
Nekrose und Nekrobiose. 145
(1er an der Kemwand anliegenden chromatischen Körner recht lebhaft an
gewisse Vorgänge bei der mitotischen Knäuel bildung. Im allgemeinen
inacht sich am Kerne eine zunehmende Verkleinerung bemerkbar, die
oft von einer diffusen chromatischen Färbbarkeit des Kernsafts
begleitet ist (auf diese letztere Veränderung sind wahrscheinlich viele der
(1er Angaben über verwaschene, gleichmässige Färbung nekrotischer Kerne
zu beziehen). Seinen Ausgang nimmt der Prozess entweder in Kern-
schwmid oder in die weiter unten anzuführende Verdichtung. Im ersteren
Falle verschwindet die Färbbarkeit der Kemwand, welche weiterhin in
ihrer Kontinuität unterbrochen wird (Vakuolenbildung) und verschwin-
det — Kernwanddegeneration — ; den Abschluss bildet ein körniger,
kömigfädiger oder vakuoliger Zerfall des Kerns, der so im gleichartig
veränderten Zellleib untertaucht (s. ob.)
Über die Bedeutung dieser Umwandlungen bestehen verschiedene
Anschauungen. Stolnikow, der in der Phosphorleber derartige Bilder
jjah, fasste dieselben, speziell den Austritt von Kernbestandteilen (Karyo-
somen, Plasmosomen), als den Beginn progressiver, zu neuer Kern-
bildung führender Prozesse auf; doch lassen gerade seine Abbildungen
(ebenso wie eine Anzahl anderer von Steinhaus, Ogata u. a. gegebener)
beträchtliche Zweifel betreffe ihrer Entstehungsweise übrig (wahrscheinlich
ftiiid die meisten dieser Nukleolen- etc. Austritte, Artefakte), und die Be-
ATündung wird mehr in Gedankengängen der Gau leschen Schule als in
objektiven Beweisstücken gegeben. Kraus, der ähnliche Formen (mit
Ausnahme der Sprossen) in sicher abgetötetem Gewebe erhielt, betrachtet
sie als kadaveröse Erscheinungen. Wir (21) erhielten von aseptisch auf-
bewalirten, verschieden behandelten Nierenstücken gleichfalls Veränderungen,
die bis zu einem gewissen Grade, doch in bedeutend geringerer Ausbildung,
den in den unterbundenen Partieen auftretenden Bildern der Kary o rrhexis
entsprechen. Die morphologischen Beziehungen gevdsser Formen zur Mitose
;*«. oben) anderer zur indirekten Fragmentierung), die Älnilichkeit gerade
•1er Frühformen mit den im normalen Körper vielfach vorkommenden
Kemdegenerationen („Chromatolyse*' Flemmings etc.), in der unter-
bundenen Niere auch ihre Lokalisierung, scheinen wieder der Ansicht Raum
zu geben, dass es sich für viele der Formen um noch vitale, zum Teil
agonale Vorgänge handle. Die gerade mit den Anfangsformen verbun-
dene fettige Degeneration lässt sich für unser Objekt nicht als Beleg für
diese Meinimg betrachten, da die Verfettung möglicherweise vorausgegangen
sein könnte; obwohl es wahrscheinlich zu machen war, dass manche der
Chromatinsprossen sich fettig umwandeln; beweisender scheinen die Angaben
Von Statkewitsch (22) zu sein, der beim Hungern schon vor dem Ein-
tri'ten der Verfettung und gleichzeitig mit trüber Schwellung Kernumwand-
Labarsch- Otter tag, Ergebnisse Abteilang II. 10
146 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
langen beschreibt, die ganz in den Rahmen der Karyorrhexis (speciell
der Kemwanddegeneration) zu gehören scheinen (s. unten). Wahrschemlich
haben auch Lukjanow und Benario in ihrer Beschreibung der bei der
trüben Schwellung vorkommenden Kernveränderungen analoge Bilder vor
Augen gehabt (s. unten).
Nach dem Gesagten umfasst der Name Karyorrhexis ein ziemlich
weites Gebiet von Kern Veränderungen , die zum Teil wahrscheinlich nocli
während des Lebens einsetzend, auch nach dessen Erlöschen noch weiter-
gehen oder auch erst einsetzen können. Im letzteren Falle erfahren sie
unter den Bedingungen des lebenden Körpers oder diesen möglichst nahe
kommenden ihre beste Ausbildung. Eine Trennung der einzelnen Stadien
oder Formengruppen nach den Terminis Nekrobiose, Nekrose, postmortale
Veränderungen ist für die Karyorrhexis derzeit unmöglich; vielmehr
scheint gerade diese Form des Kernunterganges einen nicht unwichtigeu
Beweis für die angedeutete Annahme zu bieten, dass die Lebenserschei-
nungen mnerhalb des Körpers durch ganz allmähliche Übergänge mit den
postmortalen verbunden sind, möglicherweise innerhalb einer und derselben
Zelle vitale und „kadaveröse" Vorgänge in einander greifen können^).
Eine häufige Ausgangsform der vorbeschriebenen Formen von
Karyorrhexis bildet ein Vorgang, welcher wie der Kernschwund in ver-
schiedenen Perioden einsetzen kann und, wie dieser zur Durchströmmig,
so zur Ablösung der Zellen (Niere) in auffälliger Beziehinig steht. Das
Wesentliche desselben liegt in einer zunehmenden Verdichtung, Ver-
Sinterung (Pyknose) von Kern und Zellleib. Der erstere wird stark
verkleinert, dicht gekörnt oder leuchtend diffus gefärbt, mit besonderer
Affhiität zu Safranin (Safranin-Gentianaf ärbung) ; ferner können in diesen
Kernen Vakuolen auftreten, die Kontouren zackig imregelmässig werden,
die Kerne in toto in einzelne Bruchstücke zerfallen (Kernzerklüftung);
mannigfaltige Besonderheiten bieten sie ferner je nach den verschiedenen
Stadien, in welchen sie aus den ursprünglichen Untergangsformen sieh
bildeten. Der Zellleib erscheint dicht, dunkler, oft diffus von Kemfarb-
stoffen tingiert, manchmal dicht gekörnt, oft durch einen hellen Hof vom
Kerne abgesetzt. In der Niere bilden diese Zellformen, die weiterhin körnig
oder schollig zerfallen, auch sekundär entfärbt werden können, mit ein-
1) Es sei hier bemerkt, dass besonders die Formen der Kemwanddegeneration in
vielem den von Grawitz und seinen Schülern als „erwachende Kerne'' gedeuteten Chro«
matingebilden zu entsprechen scheinen: diese wären alsdann als reine Degenerationsbilderj
wie dies Yamagiwa (30) bereits wahrscheinlich zu machen suchte, aufzufassen. Ein ge
wisses Kontingent haben die Formen der Karyorrhexis, besonders aber die folgender
der Pyknose auch zu den Carcinomparasiten gestellt.
Nekrose und Nekrobiose. 147
ander verbacken die bei der Arterienligatur ziemlich reichlichen Epithel-
cylinder.
Verwandt mit den hier Pyknose genannten Formen scheint die für
die Nervenzellen zuerst von Friedmann ^) bei akuter Myelitis beschriebene
,,Sklerose" zu sein. An den im übrigen ziemlich intakt aussehenden
Zellen treten stark glänzende, mit den Kernfärbemitteln sieh intensiv tin-
gierende Schollen auf, zunächst an einer Stelle der Peripherie oder im
Innern, wie aus dem Zusammenfluss der chromatischen Streifen und Kolben
entstanden. Weiter verkleinert sich die Zelle unter Zunahme der glänzen-
den Färbung; der Kern kann ziemlich lang erhalten bleiben. Pändi (13)
schildert die durch chronische Brom- bezw. Kokain -Vergiftung erzeugte
Sklerose dahin, dass die chromatischen Fäden zunächst dicht aneinander
gedrängt liegen, mit rauher Oberfläche, glanzlos, hier und dort mit der
tiefgefärbten Grundsubstanz verschmolzen. Die Kerne heben sich kaum
ab, die Kemkörperchen sind vergrössert, glanzlos, schmutzig gefärbt. Die
Zellränder erscheinen hart, brüchig, stellenweise hell. Bei chronischer
Nikütinvergifttmg findet sich durchwegs Verkleinerung, später Schrumpfung
der Nervenzellen, Paraplasma und Kern sind dunkelgefärbt, das Chromatin
in grobe Schollen zerfallen, die später mit dem Paraplasma zusammen-
fliessen; weiterliin verblasst der Zellleib vom Rande her. Der Kern ver-
liert frühzeitig seine Abgrenzung, schrumpft zumeist stark; selten finden
sieh grosse, lichte Kerne mit blassen, etwas vergrösserten Kemkörperchen.
Auffällig ist, dass Vas (28), welcher 1894 eine Studie über chronische
Alkohol- und Nikotinvergiftung veröffentHchte, etwas Entsprechendes nicht
beobachten konnte.
Eine kurze Erwähnung müssen auch noch die von Israel^) bei
der anämischen Nekrose der Nierenepithelien beobachteten Ver-
änderungen der Alt mann sehen Granula finden. Die verkleinerten
Epithelien, welche die gleichfalls verschieden stark im Volumen reduzierten
Ktme noch länger erkennen lassen, haben die Bürstensäume schon nach
-4 Stunden verloren ; die reihenweise Anordnung der G r an u 1 a ist frühzeitig
verwischt; sie erscheinen gleichmässig dicht gelagert und verschwinden
sehr langsam (noch am 6. Tage reichlich). In einigen frischen Fällen ent-
hielten die Zellen vergrösserte Granula an der Basis, während der innere
Teil granulafrei war; gleichzeitig fand sich Vakuolisierung der Zellleiber.
Israel stellt auf Grund dieser Ergebnisse dem Kernschvvund den
Körperschwund der Zelle zur Seite; hier wie dort ist die Auflösung
eine partielle, allmählich vor sich gehende.
i) Über die degenerativen Veränderungen der Ganglienzellen bei akuter Myelitis.
Nenrolog. CbL 10, 1891, 1.
2) Die anämische Nekrose der Nierenepithelien. Vir eh. Arch., 123, 1891, 310.
10*
148 Allgem. pathol. Morphologie nud Physiologie.
Eine fortschreitende Auflösung des Zellprotoplasmas kenn-
zeichnet auch nach Burmeister (2), der imter Lubarschs Leitung ar-
beitete und zum Teil nur Ergänzungen zu Lubarschs früheren Unter-
suchungen über die Entstehung der hyalinen Hamcylinder lieferte, einen
Vorgang, welcher bei toxischer Nephritis (neutr. chroms. Ammonium) einen
ziemlich breiten Raum einnimmt und von Burmeister — ohne recht zwin-
gende Gründe — als Koagulationsnekrose *) bezeichnet wird. Für die Kerne
gibt Burmeister an, dass sie zunächst unregelmässige Konturen bekom-
men, die sich verwischen und verschwinden, zuletzt schwindet das Kem-
körperchen; seltener findet sich Karyolyse und Karyorrhexis,
über die Burmeister keine bemerkenswerten Angaben bringt. Mit Alt-
mannscher Färbung zeigt sich zunächst eine Anhäufung der Granula
am freien Rande der Zelle, Verlust der stäbchenförmigen Anordnung,
dichtere Lagerung derselben; deutliche Vergrösserung einzelner Granula
1 — 2 in einer Zelle). Nach 20 Stunden liegen die Granula zumeist ent-
weder an der Basis oder am freien Rande der Zelle, femer im Lumen
und in den Cylindem, „so dass man annehmen muss, dass die absterben-
den Zellen ihre Kömer auszustossen vermögen, oder dass dieselben
passiv durch eine Art Protoplasmaströmung herausgeschwemmt wer-
den." Dass in seinen Versuchen die Zellleibs Veränderungen mit dem
Untergang der Kerne auch zeitlich parallel gehen, — entgegen den Resul-
taten Israels — erklärt Burmeister mit dem langsameren Absterben
der Zellen in seinen Fällen, sowie aus den frühzeitig durch die Vergif-
tung eintretenden Cirkulationsstörungen (?).
Am Schlüsse dieses Abschnittes sei noch einiger weiterer Arbeiten
über Nekrose aus dem letzten Jahre gedacht.
Bei seinen Versuchen über „funktionelle Ausschaltung der Leber bei
Säugetieren" durch Injektion verdünnter Säuren und Alkalien vom Duc-
tus choledochus aus erzeugte Pick (14) multiple Nekrosen besonders im
Centrum der Acini, in welchen er 2 Arten der protoplasmatischen
Degeneration unterscheidet. Das Protoplasma ist entweder hell, zer-
bröckelt, stellenweise aufgelöst, oft undeutlich begrenzt; häufiger sind
die Zellen trüb, homogen, von scharfen Konturen , mit Safranin oft ver-
schieden stark gefärbt (Pyknose durch Säurewirkung?). Die Kerne der
nekrotischen Leberzellen zeigen entweder schwächere Färbung, Chromatin-
abnahme, Schwund des Fadenwerks, Runzelung der oft nicht mehr ge-
färbten Kernmembran (in einem Falle Kernschwund aller nekrotischen
Herde); oder — und diese Veränderung war regelmässig in den kleinen
1) Vergl. auch die Beschreibung von Schilling (das Verhalten der A Um an n sehen
Granula bei der trüben Schwellung) (s. unten).
Atrophie. 149
trüben Zellen — der Kern zerfiel in verschieden zahlreiche, starkgefärbte
verschieden grosse Chromatinkörner. Der weitere Zerfall erfolgte für die
hellen Zellen durch Zerbröckelung zu feinem Detritus, für die homogenen
Zellen durch Zerfall in mehrere Stücke oder Einschmelzung vom Rande
her. Der Zeit nach waren schon nach 1 Stunde die homogenen, kleinen, trüben
Zellen mit kleinen Vakuolen, aber ohne Kerndegeneration zu erkennen;
erst nach 8 Stmiden traten diese, sowie die andern angegebenen Erscheinungen
reichlicher auf.
Eine detailUerte Beschreibung zweier Fälle von Stauungsikterus, mit
multiplen, besonders scharf abgegrenzten Nekrosen der Leber bringt Sauer-
hering (18) bei; zugleich mit einer Besprechung der älteren Litteratur.
2.
Atrophie.
Von
H, Schmaus, München und E. Albrecht, München.
Die mikroskopischen Untersuchungen der einfachen Atrophieen ist
bkher nicht sonderlich viel gepflegt worden. Die vorhandenen Arbeiten
zeigen indessen bereits, dass von einem eingehenden Studium derselben
manche Aufschlüsse, besonders über das Wesen der Zelldegeneration, zu
erhoffen sind.
In einer Untersuchung der senilen Veränderungen in den soge-
nannten Blutgefässdrüsen weist Pilliet (15) nach, dass die Involution der-
selben auch unter physiologischen Verhältnissen recht bedeutende Unter-
schiede besitzt. In der Milz atrophieren die Malpighischen Körperchen und
die Pulpa, die Venen erweitem, die kleinen Arterien und die Trabekel
verdicken sich; vornehmUch die letzteren werden pigmentreich, während
an der Pulpa die Pigmentierung zurücktritt. In der Schilddrüse ver-
kleben die Alveolarwände, und dichtes Bindegewebe tritt an die Stelle des
Pareuchyms.
Die Nebennieren erfahren Verminderung der Grandry sehen Bläschen,
die Pigmentschicht erweicht, die Rinde wird sehr fettreich. Es bilden
sich femer atrophische und sklerotische Herde, aus letzteren fetthaltige
Knötchen und diese geben wieder den Ausgangspunkt für Adenombil-
duDgen ab.
Die senilen Metamorphosen der Ganglienzellen sind von Vas
uiid Hodge studiert worden.
Vas (1. c. 384) konstatierte mittels Nissischer Färbung gewisse
r>ogenerationen des Chromatins, die im Greisenalter eintreten: teils fein-
kiimigen Zerfall, teils nur von der Mitte nach der Peripherie fortschreitende
150 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
Homogenisierung; in einem dritten Stadium ist der Zellleib zu einer stark
gefärbten, formlosen Masse verwandelt, welche ebenfalls noch schollig-
körnig zerfallen kann. Bei einem 92jährigen an Marasmus gestorbenen
Greise fand Hodge (8) im allgemeinen ziemlich normales Verhalten der
Ganglienzellen, nur die Purkinjeschen Zellen an Zahl vermindert und
leicht geschrumpft. In den Spinalganglienzellen war fast durchwegs der
Kern undeutlich konturiert, geschrumpft, und ohne Kemkörperchen; das
Zellprotoplasma enthielt reichlich Fett und Pigment, die beim Fötus fehl-
ten. Bei einem 47jährigen Mann fand Hodge ebenfalls Fett und Pig-
ment in reichlicher Menge, doch meint er in diesem Falle vorzeitige Senes-
cenz auf Grund von Alkoholisraus annehmen zu müssen.
Bei Bienen sind die Veränderungen quantitativ weit ausgesprochener
als beim Menschen, im übrigen jenen qualitativ entsprechend: Schrumpf-
ung der Kerne, Vakuolenbildung im Protoplasma, daneben auch Abnahme
der Zellzahl.
Die Altersveränderungen besitzen viel Ähnlichkeit mit den von Hodge
schon früher als Ermüdungssymptome von Nervenzellen beschriebenen.
B. Solger (22) beobachtete Alterserscheinungen in der Inter-
cellularsubstanz des hyalinen Knorpels vom Menschen, welche sich
„ohne erkennbare Mitwirkung der Zellen*' vollziehen und gerade die von
den Zellen entferntesten Partieen betreffen. Die im embryonalen und
jugendlichen Zustande homogene Intercellularsubstanz sondert sich in dick-
wandige, die Knorpelzellen oder Gruppen von solchen umschliessende homo-
gene, nach aussen nicht scharf begrenzte Schalen, die durch gewisse Re-
agentien sich wieder in mehr oder minder ausgedehnte schalenförmige Seg-
mente zweiter Ordnung zerklüften lassen.
Das Altern der Zelle zeigt sich in der Ausbildung einer dünn-
wandigen, nach aussen scliarf begrenzten Kapsel, die entweder als eiufaclie
Lamelle oder schon im frischen Material konzentrisch geschichtet sich dar-
stellt. Schliesslich treten die gleichfalls ohne Reagentien sichtbaren Halb-
monde oder Sicheln auf: zackig begrenzte, halbmondförmige, feinge-
strichelte Ausscheidungen, oft mit Abscheidung von feinen Körnchen kom-
biniert und vielleicht aus solchen hervorgegangen. Die Ablagerung kann
einseitig oder mehrseitig, ein- oder mehrfach sein, auch mit Fettablagerung
und Fettentartung der Zelle einhergehen.
Entsprechende Erfahnmgen haben De khuyzen und Czermak mit-
geteilt.
Über die Atrophie des in die Bauchhöhle verlagerten Hodens
beim Kaninchen berichtet Stilling (24). Als Ursache der Entartimg be-
trachtet Stilling die durch Knickung des Nebenhodens erzeugte Unter-
brechung des ausführenden Kanalsystems (Sekretretention); auch nach
Degenerationen. 151
Durchschneidung des Nebenhodens und nachträglicher Verlagerung des
Hodens in die Bauchhöhle erfolgt die Atrophie sehr rasch.
hl den verlagerten Hoden sistiert die Spermatogenese, das Epithel
kleidet die Wände aus in Form einer protoplasmatischen Masse mit undeut-
lichen Zellgrenzen und in unregelmässigen Abständen gelegenen Kernen,
die sich gut färben und meist in einfacher Reihe liegen ; nur selten finden
&ich spermatogonienähnliche grössere Zellen. Häufig sind in der Epithel-
lage Vakuolen, leer, oder hyaline, mit Eosin stark färbbare Kugeln ent-
haltend, in welcher Kemfragmente sich nachweisen lassen; die Kugeln
sind etwa von der Grösse der Zellen oder etwas grösser und enthalten
ebenfalls bisweilen kleine Vakuolen.
Nach dem Lmnen zu geht die protoplasraatische Auskleidung in ein
anregelmässiges Netzwerk fädiger imd körniger Massen auf, welche die
Lichtung füllen und neben den hyaünen Kugeln auch gut gefärbte Kerne
enthalten.
3.
Degenerationen.
A.
Vaknoläre ~ fettige Degenerationen.
Von
H. Schmaus, München und E. Albrecht, München.
Vaküolisation. — Homogene Schwellang. — Körniger ZerfaU. — Trübe Schwellung. —
Verfettung.
Als eine Zellveränderung, welche ebenso wie die Karyorrhexis
sowohl postmortal wie als Degenerationserscheinung auftreten kann, sei
hier noch vor Besprechung der Degeneration s. str. die Vakuolisation
aufgeführt.
Die Klebssche Aufstellung der primären vakuolären Degeneration
des Zellleibs als einer Form der direkten Nekrose wurde bereits besprochen.
Eme grosse Anzahl älterer Befunde von Vakuolisation besonders in Nerven-
zellen ist seither als durch artefizielle Veränderungen (namentlich Müll er-
sehe Flüssigkeit) bedingt erwiesen worden (Rosenbach, Pöcqueur, Beck,
Xerlich u. a); es existieren aber auch aus neuerer Zeit zahlreiche An-
gaben über VakuoUsation sowohl in den Zellleibern, (besonders für Ner-
ven- und Muskelzellen) als auch in Zellkernen.
Über die Entstehung der typischen Vakuolisationsbilder giebt N er-
lieh') einige Auskunft, der in einem Fall von Kopftetanus ausgedehnte
1) Ein Beitrag zur Lehre vom Eopftetanus. Arch. f. Psychiatrie 23, 1892, S. 672.
152 ADgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Vakuolisierung von Ganglienzellen in den Kernen des Hypoglossus,
Facialis und der motorischen Trigeminus- Wurzeln konstatierte. Die am
wenigsten ergriffenen Zellen lassen eine hellere, nicht scharf begrenzte
Stelle mit grober Granulation erkennen, welche weiterhin scharf begrenzt,
lichter und feingekömt, schliesslich ganz hell wird. Die Vakuolen finden
sich meist in Mehrzahl (bis 20) in den Zellen, welche gleichzeitig ver-
schiedenartig gebläht, plump und unförmig, manchmal von einem gros-
sen Pericellularraum umschlossen sind. Die Kerne sind wohl erhalten,
zuweilen durch die Vakuolen zur Seite gedrängt.
Auch Beck erwähnt als seltenere Verändenmg bei experimentellem
Tetanus Vakuolisation der Nervenzellen (Nissisches Verfahren). Im
übrigen wird Vakuolisation von Nervenzellen als ein bald mehr, bald
weniger häufiger Befund für die verschiedensten Erkrankungen angegeben:
bei infektiösen Krankheiten (Thoinot u. Masselin, Cavazzani, Popoff)
in den Herzganglien bei akuter Mineralsäurevergiftung — zugleich mit
Kernvakuolisation — (Kazowsky), beim Hungern (Statkewitsch) u. s. w.
Als wahrscheinlich direkte Folge vom Gasaustritt beschreibt sie Nikifo-
roff; Stroebe erwähnt in Ganglienzellen zweier durchschnittener Spinal-
gauglien verschiedene grosse Vakuolen im Protoplasma, welches dadurch
z. T. vollkommen schaumig aussah (neben geschrumpften Zellen).
Zur Vorsicht in der Beurteilung der an Nervenzellen gesehenen Va-
kuolen mahnt die Angabe von Hodge^), dass die Ganglienzellen bei elek-
trischer Reizung Vakuolisation zeigen. Hodge fand nach Faradisation
die Zellen des gereizten Ganglions verkleinert, das Protoplasma von V^a-
kuolen durchsetzt, feiner granuliert, weniger stark gefärbt; die ebenfalls
verkleinerten Kerne stärker tingiert, das Fadenwerk körniger.
Dagegen giebt allerdings Vas^) an, dass nach elektrischer Reizung
der Zellieib sich stark vergrössere, die Umgebung des Kerns auffallend
chromatinarm werde; das Zelleibschromatin sammelt sich als grobkörniger
Ring an der Peripherie an; der gleichfalls vergrösserte, etwas chromatin-
reichere Kern geht gleichfalls an die Zelloberfläche und kann diese mit
einem Segment überragen.
Die Verschiedenheit der angewandten Reizintensitäten, der unter-
suchten Tiere, der benützten Färbemethoden, erklären die Divergenzen
der Befunde wohl nur zum Teil und lassen eine weitere Untersuchung
nötig erscheinen. Immerhin ist es wohl möglich, dass auch die von Vas
1) Sorae effects of electrically stimulatiiig ganglion cells. Am. J. of Phys. 1888/89.
S. 376 und A microscopical study of changes due to functional activity in nerve cells.
J. of Morphol., 7, 1892, 95.
'i) Studien über den Bau des Chromatins in der symp. Ganglienzelle. Arch. f. mikr.
Anat. 40, 1892, 375.
Degeneration. 153
angegebene Aufhellung des Zellinnern dem entspricht, was frühere Metho-
den als „Vakuole" erscheinen Hessen. Jedenfalls erinnern diese Angaben
an die Möglichkeit, dass manche der als Nervendegeneration beschriebenen
Verwandlungen nichts anderes als den Effekt von stärkerer Arbeit ev.
Überreizung bestimmter Zellgruppen darstellen.
So wird man gerade in dem Falle Nerlichs^) daran denken müs-
sen, ob nicht statt der Nerlich sehen Annahme einer Fortwanderung des
Tetanusgiftes entlang der Nervenbahnen (wobei für die auffällige Lokali-
sierung der Veränderungen die „beginnende Inanition der unaufhörlich
erschöpfend arbeitenden Ganglienzellen" der betroffenen Bezirke herange-
zogen wird), gerade wegen dieser Lokalisierung die direkte Überreizung
der Ganglienzelle eine näher hegende und einfachere Erklärungsmögüch-
keit bietet.
Auch für die Muskelzellen ist Vakuolisation häufig konstatiert worden.
Ich führe nur die jüngsten Angaben Volkmanns (29) (s. dort die ältere
Literatur) an, der sie beim Typhus abdom. genauer untersuchte. „In noch gut
quergestreiften oder auch in solchen Fasern, welche die Querstreifung ver-
loren haben und nur eine kräftige Längsstreifung zeigen, bilden sich spin-
delige oder ovoide, mit klarer Flüssigkeit gefüllte Hohlräume aus, w^elche
einzeln oder in Reihen imd Gruppen stehend die Fibrillen auseinander-
drängen, und welche konfluierend die befallenen Fasern mit einem förm-
lichen Röhren- und Lückensystem durchziehen''.
In verschiedenen Berichten über solche Vakuolen ist die Rede
davon, dass in derartigen Hohlräumen sich Plasmareste und ganze Zellen,
oder auch riesenzellartige Gebilde finden. (Litten, Roth, Schaffe r,
Hofmann): es ist wohl ziemlich sicher, dass es in all' diesen Fällen sich
um Einwanderung lebender Gebilde (wuchernde Muskelelemente, Wander-
zellen) handelt in entweder vorgebildete oder erst durch die eindringenden
und resorbierenden Zellen geschaffenen Hohlräume.
Die bei Nerven- imd Rückenmarksdurchschneidung entstandenen aus-
gedehnten Vakuolenbildungen in der Nähe der Schnittstelle (blasige Auf-
tmbung von Mark- und Achsency lindern) sind zunächst von Stroebe ge-
nauer beschrieben worden. Sie lassen sich in der Hauptsache auf mecha-
nische Momente (Quellung etc.) zurückführen.
Im allgemeinen ergiebt sich aus der vorangehenden kurzen Darlegung
<ier Zellleibsvakuolisationen (die häufigen Angaben über Vakuolisation in
<len Parenchymzellen der drüsigen Organe sind übergangen worden, da
1) Ein Gleiches gilt fflr den entsprechenden Erklärungsversuch, welchen Beck (1)
för den bei Tetanus von ihm gesehenen Zerfall der dem Ursprungshügel des Achsen-
cviinderfortsatzes benachbarten Partieen des Zellleibs geltend macht.
154 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
sie nichts Neues bieten), dass unter diesem Namen nach Ursache und
Qualität ziemlieh disgruente Vorgänge zusammengefasst sind, welche durch-
aus nicht durchweg sich mit dem oft synonym gebrauchten Namen der
„hydropischen Entartung*' decken, sondern wahrscheinlich zum
Teil vitale, zum Teil kadaveröse Veränderungen darstellen, in welchen
bald die Quellung bestimmter Zellbestandteile, bald einfache Wasserauf-
nahme unter Bildung von Zelleibslücken, das Wesenthche sein mögen.
Ueber Vakuolisation des Kerns sind erst in neuerer Zeit Beobach-
tungen bekannt geworden. Dieselbe gestaltet sich verschieden, je nachdem
der Kerns in toto oder partiell „vakuolisiert" wird. Kazowsky (11) giebt
an, dass in den Kernen der von dieser Veränderung betroffenen Herz-
ganghenzellen sich zuerst um den Nukleolus ein dui-chsichtiger, ungefärbter
ßiug bilde ; die ursprünglich noch gut gefärbten peripherischen Abschnitte
des Kerns blassen mit zunehmender Verbreiterung des Ringes ab, ivährend
der Nukleolus erst sehr spät verschwindet. öchliessUch erscheint der Kern
als ein farbloses Bläschen, das an Grösse meist die gewöhnhchen Kenie
übertrifft und zuweilen fast die ganze Zelle einnimmt.
In ähnlicher Weise hat bereits fniher (nach Kazowsky) P od wyssozki
in der Leber und verschiedenen Geschwülsten Vakuolisation des Kerns
beschrieben. Cavazzani (3) bezeichnet als vesikuläre Degeneration
eine Veränderung, welche den Kern in ein Bläschen ohne soliden Inhalt
verwandelt, worauf derselbe einfach verschwinden oder durch Platzen zu
Grunde gehen kann. Die letztere Angabe deutet daraufhin, dass Cavazzani
diese Degeneration als eine Art Quellung des Kerns betrachtet; vielleicht
kann man auch die Angaben Kazowskys unter einen ähnlichen Gesichts-
punkt bringen. Audi in der unterbundenen Niere lässt sich etwas Ähn-
liches beobachten. Es erscheinen manche Kerne vergrössert, heller, die
Kernmembran tritt deutlich hervor, im Innern sieht man neben wenigen
verwaschen gefärbten, grösseren und kleineren Chromatinpartikeln einzelne
blasse Fäden ; am Ende findet man den vollständig entfärbten Kern niclit
selten frei im Lumen des Harnkanälchens. Man thut also wohl besser, den
Ausdruck „Vakuolisation" des Kerns in toto durch denjenigen der Quellung
des Kern zu ersetzen; nachdem „Vakuolisation" für gewöhnlich das Auf-
treten von Vakuolen in einem Gebilde bezeichnet.
Die partielle vakuoläre Degeneration des Kerns gestaltet sich nach
Statkewitsch (22), der sie beim Hungern in allen Organen, obwolil nir-
gends häufig, beobachtete, folgendermassen : es bildet sich im Kern eine
schwach oder nicht gefärbte Höhle, welche das Chromatin des Kerns
an einer Seite der Wand zusammendrängt. In einzelnen dieser Vakuolen
findet sich ein (zuweilen auch mehrere) bedeutend schwächer als das
Degeneration. 155
Chromatin färbbarer Körper von der Grösse eines Nukleolus, von runder
oder unregelmässiger Form. Die Deutung dieser Gebilde lässt Statke witsch
in suspenso.
Es mag darauf aufmerksam gemacht werden, dass in vielen Fällen
grosse Zellleibsvakuolen den Kern platt drücken, so dass er ihnen wie eine
Haube aufsitzt. Bei oberflächlicher Betrachtung kann in solchen Fällen
leicht der Eindruck entstehen, dass es sich um eine Vakuole des Kerns
handle. Als Kriterium kann vielfach einzig das Vorhandensein oder Fehlen
eines vollständigen Kernkonturs gegen die Vakuole gelten, da auch bei
Vakuolisierung des Kerns die in die vakuoHge Partie einbegrifEene Kem-
wand sich zumeist bald entfärbt, ebenso wie der Inhalt der Vakuole.
Das Auftreten multipler Vakuolen in pyknotischen Kernen ist bereits
erwähnt worden.
Wenn wir nunmehr zur Besprechung der im strengeren Sinne als
„Degenerationen" bezeichneten Vorgänge übergehen, so möchten wir auch
hier voraus den Umstand betonen, dass die Degeneration durchaus nicht
immer die Zelle im ganzen anzufallen braucht, sondern zunächst partiell
innerhalb der Zelle lokaüsiert bleiben kann. Eine besondere Stütze
^lieser Anschauung bieten die Beobachtungen, die an den grossen, struk-
turell gut differenzierten und besonders durch die Nissischen Methoden
wenigstens in Bezug auf das Verhalten des Zellleibs einer genaueren Unter-
suchung zugänglich gewordenen Nervenzellen gemacht worden sind. Zu-
erst hat Friedmann hervorgehoben, dass die bei akuter Myelitis ein-
tretenden Veränderungen (homogene Schwellung, körniger Zerfall, sklero-
tische Degeneration) stets partiell einsetzen^); sämtliche spätere Untersuch-
ungen haben diese Beobachtung bestätigt. Auffallenderweise scheint der
Kern der Nervenzellen bei fast allen Degenerationsarten derselben sehr
lange ohne besondere Veränderungen sich zu erhalten; doch geben die
vereinzelten Angaben von Friedmann, Schaff er, Beck, Pändi u. a.
(Auftreten reichlicherer Körner im Kern, Gerüstverdichtung, diffuse Trübung,
körniger Zerfall des Nukleolus) zu der Vermutung Anlass , dass auch hier
ara Kemchromatin Veränderungen nach Art der als Karyorrhexis oben
aufgeführten vorkommen und mehr die Mängel der etwas zu einseitig ver-
wendeten zellleibfärbenden Methoden für die Spärlichkeit der bisherigen
Beobachtungen verantwortUch zu machen sind.
Gleichfalls von selten der Neuropathologen besitzen wir mehrere Be-
schreibungen von Degenerationsarten, für die an anderen Zellen bisher keine
1) yWi'e man Bieht, hat man den Begriff der Solidarität deB Zellorganismus als eines
'ianzeo nicht zn eng zu fassen, und man wird auch wohl anzunehmen berechtigt sein, dass
^ie nur partiell entartete Zelle zunächst noch funktionsfähig bleibt. ** Friedmann 1. c.
>. 13.
156 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Analogieen bekannt sind. Auch hier dürfte eine weniger ausschliessliche
Verwendung der Ni s s Ischen Zellleibsfärbungenbezw. deren Kombination mit
andern Plasmafärbemethoden manche Aufschlüsse bringen. Die „Sklerose''
wurde bereits aufgeführt; neben ihr stellte Friedmann in der öfter citierten
Arbeit noch die Typen der hombgenen Schwellung, des körnigen
Zerfalls und der „lichten (ausgelaugten) Zelle" auf. Letztere, deren
Zellgrundfärbung wie ausgelaugt erscheint, von deren chromatischer Sub-
stanz nur mehr Reste an der Zelloberfläche erhalten sind, wurde seither
nicht mehr beschrieben. Fried mann liess die Frage offen, ob sie nicht
aus der homogenen Schwellung sich ableite. Da Friedmann mit der
Nissischen Färbung ein wirkUches Anschwellen der Nervenzellen nur mit
gleichzeitiger glasig-homogener Entartung derselben beobachtete, nicht bei
der körnigen Umwandlung derselben, so wählte er für diese Formen den
Namen homogene Schwellung. Dieselbe beginnt stets im Zellcentrum ;
der anfangs intakte Kern kommt excentrisch zu liegen; später schwindet
er. Der entartete Zellleib tingiert sich diffus mit Karminfarben, wesentlich
heller mit Kernfärbemitteln. Häufig finden sich diese Zellen in relativ
grossen Gewebslücken ; als Ursache der glasigen Entartung nimmt Fried-
mann Flüssigkeitsimbibition, „Zellenödem" an^). Schliesslich schrumpfen
diese Zellen zum Teil beträchtlich; andere zerfallen molekular.
Von späteren Autoren erwähnen die homogene Schwellung Beck
bei Tetanus) (1), Keresztszeghy-Hanns (nach Rückenmarksdurchschnei-
dung (12), Sarbö (Phosphor -Vergiftung)^), Vas (chronische Nikotin-
und Alkohol- Vergiftung), zum Teil etwas abweichend von Friedmann.
Der körnige Zerfall des ZelUeibs der Nervenzelle geht nach Fried-
mann in der Weise vor sich, dass erst partiell, dann über den ganzen
Zellleib, die chromatischen Streifen und Kolben desselben zu Kömchen
zerfallen, welche zunächst noch ihre ursprüngliche Lagerung beibehalten,
dann aber über die Zelle sich verstreuen und ihre Chromatophilie einbüssen.
In der Zelle können gleichzeitig Vakuolen auftreten, schliesslich zerfällt sie,
indem auch Kern und Fortsätze zu Grunde gehen, ev. nach sekundärer
Fettentartung.
Der körnige Zerfall von Ganglienzellen ist gleichfalls von späteren
Autoren mehrfach beschrieben worden: so von Kazowsky (11), der bei
einem Teil der betroffenen Zellen Vergrösserung fand und den Vorgang
1) Man beachte, dass die Schilderung Friedmanns in mehreren Stücken an die
von Vas beschriebenen Veränderungen der , gereizten Nervenzellen* erinnert
2) Über die normale Struktur der Ganglienzellen des Kaninchenrückenmarks und
über deren path. Veränderungen bei Vergiftungen mit Phosphor und Morphium, üng.
Arch. f. Med., I, 1892, 264.
Degeneration. 157
zur parenchymatösen Schwellung rechnet; von Keresztszeghy-Hannss
(12), welche gleichfalls Schwellung und Körnung sahen; von Sarbö (1. c),
welcher einen primären grob- und sekundären feinkörnigen Zerfall der
Chromatinklümpchen imterscheidet ; von Schaffer (19) (bei chronischer
Bleivergiftung)^)], Thoinot-M asselin (26) (bei infektiöser Myelitis), Vas
27) (chronische Nikotin- und Alkoholvergiftung) u. a.
Es geht aus diesen Arbeiten hervor, dass der „körnige Zerfall*'
doch im wesentüchen unter den Begriff der „trüben Schwellung" sich
einreihen lässt: die Verschiedenheiten sowohl gegenüber den landläufigen
Vorstellungen von trüber Schwellung als auch der einzelnen Beschreibungen
untereinander sind wohl auf die komplizierte Struktur der Nervenzellen
zurückführbar, welche bekann thch auch bei den verschiedenen Arten der
Nervenzellen variiert. Es ist wahrscheinlich, dass auch an der hoch differen-
zierten Muskelzelle sich bei genauerer Untersuchung der albuminoiden
Degeneration Eigen tümUchkeiten ergeben werden, die derselben eine ahn
liehe Sonderstellung neben den meist untersuchten Formen der trüben
^hwellung der grossen Drüsen (Leber, Niere) anweisen, wie die Nerven-
zellen sie einzunehmen scheinen.
Vorläufig mag hier nur angemerkt sein, dass bereits Schaffer*) von
der feinkörnigen Trübung einen grobkörnigen Zerfall unterschied, wie auch
Statke witsch beim Hungern in den Muskeln (allerdings auch in den
übrigen Organen) auf eine fein- eine grobkörnige Degeneration folgen lässt.
Auffallend ist, dass Statkewitsch in den Muskeln an die körnige
niemals eine fettige Degeneration, wie dies in Leber und Niere die Regel
war, sich anschliessen sali.
Wenden wir uns nunmehr zu der trüben Schwellung in ihren
typischen Formen. Eine Darlegung der älteren Geschichte derselben
findet man bei Benario („Die Lehre von der trüben Schwellung in ihrer
Eütwickelung und Bedeutung". Würzburg. 1891). Benario kommt auf
Grund der vergleichenden Würdigung der verschiedenen Ansichten, sowie
aus eigenen Untersuchungen (Terpentinvergiftung, akute gelbe Leberatrophie,
Verbrühung) zu dem Schlüsse, „dass die trübe Schwellung nicht, wie
Virchow anfängUch meinte, den Ausdruck einer gesteigerten nutritiven
0 Seh äff er fand einen um den Kern beginnenden Zerfall der Chromatinfäden,
»elcher nach der Peripherie und in die Protoplasma-Fortsätze fortschreitet. Die Chro-
matinstäbchen zeigen zunächst minimale Vakuolen und zerfallen dann in äusserst feine
Körnchen, so dass im fortgeschrittenen Stadium der Zellkörper beinahe gleichmässig über-
^^abt erscheint. Der Kemkontur verschwindet gleich im Beginn der Degeneration. Die
^lle Terblasst schliesslich zu einem homogenen Gebilde mit geschrumpftem Kern.
2) Ober die histologischen Veränderungen der quergestreiften Muskelfasern in der
herie von Geschwülsten. Virch. Arch. 120, 1887, S. 443.
158 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Aktivität darstellt, sondern der Ausdruck einer ehemischen Veränderung
des Protoplasmas sei". (Ausscheidung eines normal gelösten Eiweisskörpers
aus dem Safte des Protoplasma; Cohnheim, Rindfleisch.) Diese Ver-
änderungen können die parenchymatöse Entzündung begleiten, sind aber
meist nicht primärer, sondern sekundärer Natur. Aus dem Mangel
jeder Kernteilungsfigur in den trübgeschwellten Partieen folgert Be na rio,
dass der Prozess von Anfang an keinen progressiven Charakter (im
Sinne der nutritiven Reizung Virchows) trägt; der Untergang der Kerne
und die der trüben Schwellung folgende und häufig mit ihr verbundene
fettige Degeneration kennzeichnen den Prozess als einen entschieden re-
gressiven. Die von Benario angeführten Beweise sind, wie man sieht,
in keiner Weise entscheidend, da der Begriff des „Progressiven'*, wie er der
nutritiven Reizung anhaftet, mit Kernteilung erst in zweiter Linie zu schaffen
hat, und ausserdem die häufig sich anschliessende fettige Degeneration
nicht leicht gegen die Virchowsche Auffassung der trüben Schwellung
als einer Art „akuter Hypertrophie mit Neigung zur Degeneration ins Feld
geführt werden kann. Die Entscheidung wird vielmehr nur damit gebracht
werden können, dass einmal die Veränderungen des Kerns genauer unter-
sucht, eventuell als von vornherein degenerative nachgewiesen werden,
und dass zweitens klar gestellt wird, ob die im Zellleib auftretenden Kör-
nungen durch Vermehrung der vorhandenen Elemente bezw. Einlagerung
von Material zwischen die sonst nicht stärker veränderten genuinen Zell-
leibskömer entstanden sind, oder ob mit ihrem Auftreten eine gröbere
Umwandlung oder ein Untergang der Protoplasmakörner einhergeht.
Eine Verfolgung des zweiten Punktes ist natürüch nur denkar bei
Anwendung vergleichender Methoden, von denen wenigstens eine für die
Zellleibskönmngen spezifisch ist — wae dies in gewissem Sinne die Alt-
mann sehe Granulafärbung leistet. In dieser Richtung bewegen sieh
denn auch die Erwägungen, welche Lukjanow in seiner allgemeinen
Pathologie der Zelle giebt. Lukjanow nimmt für die trübe Schwellung
eine Vermehrung der Zellgranula an, wobei dieselben vielleicht
einen Teil ihrer Eigenschaft einbüssen, bezw. neue erwerben können. Ihrem
Grundmechanismus nach stellt nach Lukjanow die „albuminöse körnige
Metamorphose*' „eine gewisse Modifikation der metabolischen Thätigkeit
der Zelle*' dar, die wahrscheinlich abhängig ist von gewissen Funktions-
änderungen im Kerne.
Wir gehen auf eine Kritik der rein theoretischen Aufstellungen Luk-
janows nicht weiter ein, nachdem inzwischen die von Lukjanow auf-
geworfene Frage bereits eine erste Beantwortung in einer Arbeit von
Schilling (20) gefunden hat, welcher die nach Unterbindung einer Nieren-
Degeneration. 159
vene in der anderen Niere auftretende trübe Scli wellung mittels der Alt-
mann scheu Methode untersuchte.
Die Veränderungen beschränken sich auf die Tub. cont. 11. Ord-
nung. In derjenigen Zellform derselben, welche schon in der Norm eine
geringere Anzahl Granula besitzt, stellt sich eine Herabsetzung der Färb-
barkeit, eine Auflösung der normal reihenförmigen Anordnung und eine
Verminderung in der Zahl der Granula ein.
Die zweite, durch grösseren Körnerreichtum unterschiedene Zellform
der Tub. cont. 11. Ordnung erfährt eine Sonderung der Granula: die
mehr basal gelegenen Granula verlieren grösstenteils ihre Färbbarkeit voll-
kommen, wogegen die mehr central gelegenen grossen Körnchen ihre inten-
sive Färbbarkeit (noch nach 96 Stunden behalten. Dabei bleiben aber in den
basalen Abschnitten stäbchenförmige, blassrot gefärbte Gebilde zurück, über
deren Beziehung zu den normalen Stäbchen und Kömern sich Schilling
nicht weiter ausspricht.
In beiden Zellarten treten nach 48 Stunden in der Grundsubstanz, beson-
ders an der innem Grenze der basalen Stäbchenschicht, feine Lücken *) vom
Durchmesser etwa eines mittelgrossen Granulums auf, welche sich weiterhin
noch beträchthch vermehren; da dieselben weder die Fettreaktion geben,
nochauchzu den veränderten Granulis Übergänge zeigen, so stellt Schilling
die Vermutung auf, dass diese Lücken mit den für die trübe Schwellimg
charakteristischen Körnchen im Zusammenhange stehen. Jedenfalls aber
sind diese Eiweisskömchen nicht identisch mit den Altmann sehen
GranuUs; mit dem Auftreten der ersteren geht im Gegenteil der Schwund
der letzteren Hand in Hand.
Favre*), welcher schon 1892 nach Unterbindung einer Nierenvene
trübe Schwellung in der anderen Niere konstatierte, betrachtet dieselbe als
den Ausdruck einer vom Blute ausgehenden Infektion und Intoxikation
der verbleibenden Niere.
Dagegen betrachtet Schilling (welcher die Favresche Untersuchung
nicht kannte) die trübe Schwellung in seinen Versuchen als ein Vorstadium
der durch viele frühere Versuche erwiesenen Hypertrophie der einen Niere
üach Exstirpation der anderen; die trübe Schwellung der Niere selbst ist
ihm eine Reaktion auf die Veränderung der Blutbeschaffenheit, ein Folge-
zustand der Überladung des Blutes mit Harnbestandteilen. Die Verände-
rung der Epithehen muss nach dem Verhalten der Altmann sehen Granula
1) Vergl. die Angaben von Israel und Burmeister (Nekrose der Nierenepithelien)
S- U7 u. 148.
*) Die Ursache der Eklampsie eine Ptomatnämie etc. Vir eh. Arch. 127. 1892. S. 33.
160 ' Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
als eine Degeneration angesehen werden, die jedoch die Lebensfähigkeit
der Zellen nicht zerstört, sondern eine vollständige Regeneration erfährt
Auffallend muss besonders die strenge Lokalisierung der Verände-
rungen der Altmann sehen Granula in den Schilling sehen Versuchen
bleiben, da die „trübe Schwellung" wie sie für die gewöhnlichen Methoden
erkennbar ist, anscheinend eine viel weitere Ausdehnung besitzt. Es wäre
unter dieser Voraussetzung denkbar, dass die von Schilling nachgewiesenen
Vorgänge in denTub. cont. IL Ordnung eigenartiger Natur und mit der
trüben Schwellung nur verbunden, nicht identisch sind.
Femer erscheint eine Fortführung der Schillingschen Versuche auf eine
längere Periode notwendig (Schilling Hess seine Tiere nur bis 96 Stun-
den leben). Falls in der That die trübe Schwellung weiter in hypertropliiscbe
und proliferative Prozesse übergeht, so wäre es von grösstem Interesse zu
entscheiden, wie die beiden Arten von Vorgängen sich zu einander stellen :
ob die Hypertrophie erst nach Rückgang der trüben Schwellung einsetzt,
oder sich direkt aus dieser entwickelt. Die Befunde Schillings würden,
sofern man sie als charakteristisch für die trübe Schwellung anerkennt,
eher das erstere vermuten lassen und alsdaim keinen Beweis gegen die
Ansicht liefern, dass die trübe Schwellung als solche rein regressiven
Charakter trage.
Über die Veränderungen der Kerne, bei der trüben Schwellung be-
sitzen wir nicht allzuviele Notizen. Benario giebt an, dass er fast immer
Vergrösserung, Aufquellung des Kernes beobachtete; in gewissen Stadien
verschwindet zuerst die chromatophile Substanz, sehr bald auch die farb-
losen Kernfäden und die Kernmembran. Lukjanow (1. c. 72) berichtet,
dass Tschetweruchin Erscheinungen der morphologischen und chemi-
schen Dekonstitution am Kerne gesehen habe, und wirft seinerseits die
Frage auf, ob nicht auch „eine, hauptsächUch albuminöse, kömige Kern-
metamorphose" existiere. Die thatsächliche Grundlage dieser Vermutung
bilden die Beobachtungen Auerbachs über „polynukleoläre" Kerne,
sowie die Hermann sehen Befunde in degenerierenden Spermatocyten
— Bilder, welche vorläufig wohl besser unter die Vorgänge der Karyor-
rhexis (Kernwandhyperchromatose) schlechthin eingerechnet werden.
Statkewitsch (22), der beim Hungern trübe Schwellung, körnige
und fettige Degeneration beobachtete, sah an den Kernen ausser der be-
reits besprochenen V^akuolisation eigentümliche Veränderungen, welche mit
den oben als Karyorrhexis beschriebenen sehr grosse Ähnlichkeit zeigen.
Im Muskel finden sich in den Kernen häufig ziemlich grosse Körn-
chen, die bald zerstreut, bald in Form einer Kette liegen; die Kemkou-
turen können verschwinden, das Chromatin in Form einer Kette oder auch
grösserer Schollen frei zu liegen kommen. In der Niere (besonders in
Physiologische Degeneration. 161
<leu gewundeneu Harnkanälchen) treten schon früh an Stelle der Nukleolen
grössere Chromatinkömchen mit deutlich ausgeprägtem, chromatinannem
Xetzgeflecht ; weiterhin lagern sich die Kömchen der inneren Fläche der
Kerawand an. In der zweiten Hälfte dos Hungerns wird der Kern zu-
sammengedrückt, undeutlich etc., oder das Chromatin erscheint zu einer
stark rotgelb sich färbenden Masse zusammengeballt.
In der Leber Avurde ausser der Anlagerung des Chromatins an die
Kemmembran auch ein Austreten der Körnchen in den Zellleib beob-
achtet*); in der zweiten Hälfte des Hungems allmähliche Abnahme in der
Meuge des Chromatins.
Diese Angaben von Statke witsch lassen kaum einen. Zweifel dar-
über, dass bei trüber Schwellung die Prozesse der Kernwandhyper-
ihromatose, Kemwand- Degeneration und Pyknose vorkommen und
liefern sohin in der That einen Beweis dafür, dass diese Formen intra
vitam wenigstens beginnen können; andererseits scheinen sie dafür zu
sprechen, dass die trübe Schwellung von Anfang an degenerativen Cha-
rakter trage. Doch reichen natürüch auch diese Beobachtungen nicht aus,
am ein endgiltiges Urteil in dieser Richtung zu begründen.
Spezialuntersuchungen über fettige Degeneration sind in den
letzten Jahren nicht erschienen; eine Anzahl von Einzelbeobachtungen
^Tirde bereits gelegentlich erwähnt. Galeotti hat in Zellen, welche in
fettiger Degeneration begriffen waren, Teilungsfiguren gesehen (s. u. S. 64)
und dieselben (imMon. zoolog. ital.) als einen Beweis dafür angeführt,
(lass auch in degenerierenden Zellen noch karyokinetische Prozesse
eintreten können. Näherliegend scheint vorderhand die Annahme, dass
umgekehrt die in Mitose begriffenen Zellen von der Degeneration befallen
^Tirden; zum wenigsten stimmt die genauere Beschreibung, welche Ga-
leotti von dem Vorgang giebt (s. u.), ebensogut zu dieser Auffassung, da die
mitotischen Figuren entsprechend dem Grade der Fettentartimg stärkere
^iw. geringere Störungen zeigen.
B.
Physiologische Degeneration.
Von
IL Schmaus, München und E. Albrecht, München.
Nicht bloss unter pathologischen Verhältnissen, sondern auch im nor-
Doalen Organismus findet, wenn auch in den einzelnen Geweben in ausser-
ordentlich wechselnder Intensität ein Abbau nicht bloss der innerhalb der
1) Wie schon früher von Ziegler und Obolonsky bei Phosphorvergiftung. Zieg-
lers Beitrage, ü. 1887.
Labar seh-Ostertag, Ergebnisse Abteil. U. 11
162 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Zellen funktionierenden lebenden Substanz, mit Erhaltung der Zelliii-
tegrität, sondern auch im Zugrundegehen ganzer Zellindividuen fort-
während statt. Für die Epithelien der Haut und Schleimhäute ist dieses
Verhalten längst bekannt; die Untersuchungen Pfitzners haben die bei
der Verhornung eintretenden Veränderungen der Kerne der „morpholo-
gischen Dekonstitution" (wohl Hyperchromatose und Pyknose) zuge-
wiesen; bekannt sind auch die häufigen Degenerationen, welche man an
Leukocyten antrifft, und w^elche besonders durch M. Heidenhain ge-
nauere Untersuchung erfahren habe. In ihnen, wie in den meisten audeni
der von Heidenhain und Hermann beschriebenen Degenerationsformen
(Spermatocyten, Knorpelzellen der Ossifikationsgrenze , sessile Knoclien-
raarkszellen, 'Riesenzellen des Knochenmarks etc.) handelt es sich zumeist
um Varianten (besonders auch in Kombination mit Pyknose) eines zu-
erst von Flemming für die Epithelien untergehender Graafscher Follikel
alsChromatolyse beschriebenen Vorgangs, der seinerseits mit der oben-
beschriebenen Kernwandhyperchromatose und deren weiteren Schicksalen
Verwandtschaft zeigt. Das Chromatin des Kerns sammelt sich dabei in
Form meist grösserer schalenartiger Gebilde (auch Tropfen oder Balken)
an der Kernoberfläche an, während das Achromatin die Form einer im
Kerninnern gelegenen Kugel annimmt; das Chromatin erhält eine beson-
dere Affinität zu gewissen Farbstoffen (Safranin etc.) und versch\niidet
schüesslich durch Zerfall und Lösung; für die Achromatinkugel hat Her-
mann in degenerierenden Spermatocytenkernen eine Ausstossung in den
ZcUleib beobachtet. Durch die Untersuchungen von Flemming, Rüge,
Schottländer, Paladino, Löwenthal ist weiter gezeigt worden, diu^s
der Untergang einzelner Eierstockseierund Graafscher Follikel eine fast
konstante, physiologisch zu nennende Erscheinung darstellt; sowie dass
dabei noch mannigfache Besonderheiten der Kerndegeneration vorkommen
(Pyknose etc.) Aber auch an andern Orten ist das Vorkommen einer
physiologischen Degeneration angegeben worden. Wie im Knochen ein
lange andauerndes Wechselspiel von Zerstörung und Wiederanbau statt-
findet, so sucht Solger (22) für den Knorpel den Untergang älterer Ele-
mente, z. Teil unter Ersatz durch neue Zellen (so schon im embryonalen
Knorpel) wahrscheinlich zu machen. Im Skleralknorpel des Stichlings
färben sich die untergehenden Zellen mit Methylgrün nicht mehr dunkel,
sondern mit einem hellgrünen Ton ; sie füllen die Knorpelhöhle nur mehr
zum Teile aus, schnüren Partikel ab und können ganz in Bruchstücke
zerfallen; der frühere Kontur der Zellhöhle ist dann nicht mehr zu sehen.
Dieser Untergang zelliger Elemente im sogenannten permanenten Knorpel
scheint nach S olger „ein häufiges und stetiges Vorkommnis" zu sein.
Degeneration von Mitosen. 163
Schliesslich hat auch für die peripheren Nerven Sigmund Mayer ^)
schon 1881 zu erweisen gesucht, dass in denselben auch unter normalen
Verhältnissen eine Degeneration von Nervenfasern statt hat; leider haben
seine Untersuchungen zwar Korrekturen in Einzelnheiten, doch keine um-
fassende Nachprüfung erfahren. In den Muskeln scheint gleichfalls der
Untergang (Sarkolytenbildung) und Wiederersatz der Elemente ein
ständiger zu sein (vergl. Schaffer, Wiener akadem. Sitzungsberichte
102, 3. Abt^Uung, S. 7).
Begnügen wir uns mit diesen fragmentarischen Hinweisen auf ein
Gebiet, dessen Erforschung für das Verständnis nicht nur der De-
generationen, sondern des Gesamthaushaltes des Körpers von grosser Be-
deutung ist Es handelt sich dabei nur um Vorgänge „physiologischer"
Art, doch pflegen die Darstellungen der normalen Histologie aus nahe-
liegenden Gründen denselben keine, oder nur ungenügende Berücksich-
tigung zu schenken; die Kenntnis dieser Prozesse aber ist, wie M. Hei-
denhain schon vor Jahren mit Recht betonte, für den Histologen wie
Pathologen gleich unerlässlich , und so mag denn wenigstens die vor-
stehende kurze Skizze hier angefügt sein.
C.
Degeneration von Mitosen.
Von
H. Schmaus, München und E. Albrecht, München.
Es ist leicht einzusehen, dass neben den durch die spezifische Be-
s<:hafifenheit der verschiedenen Gewebe bedingten Unterschieden, auch unter
Zellen derselben Gewebsart der jeweilige Zustand der von degenerativen
Eiaflüssen betroffenen Zellen sowohl auf die Art als die Intensität der ein-
tretenden Entartung von Bedeutung sein müsse. Ein ziemlich rohes, aber
eben zur Zeit das einzige einigermassen näher untersuchte Beispiel der-
artiger Sonderformen der Degeneration bieten die an Mitosen
gesehenen Untergangsbilder.
Ich denke dabei zunächst nicht an die asymmetrischen Mitosen und
ähnliche Bilder; dieselben stellen zwar Abweichungen — und meist wohl
pathologischer Art — vom typischen Gang der Mitose dar, neigen wohl
auch in besonderem Masse zur Degeneration ; aber sie sind an sich keine
eigentlichen Untergangsformen der Karyokinese. Dagegen hat G a 1 e o 1 1 i
in anderer Richtung wertvolle Beiträge zur Kenntnis dieser degenerativen
Vorgänge gebracht.
1) Über Vorgänge der Degeneration und Regeneration im peripherischen Nerveu-
syj^tem. Zeitßchr. f. Heük. II, 1881, S. 154.
11*
164 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
An Carcinomzellen sahGaleotti (5) in jeder Periode der Mito^je,
besonders häufig an den hypochromatischen Figuren Entartung eintreten.
Der Vorgang beginnt im Cytoplasma, welches zunimmt, heller, ftist
homogen wird und Vakuolen von verschiedener Grösse zeigt. Die Reste
der Kemmembran verschwinden ganz. Dann werden die achromatischen
Fibrillen der Spindel zerstört und lösen sich die Chromosomen auf oder
verlieren sich im Zellprotoplasma. Die Chromosomen bleiben zu An-
fang unverändert und erhalten eine Zeitlang ihren Bau; dann fangen sie
ebenfalls an zu degenerieren, sich in Kömchen von verschiedener Grösse
zu teilen und sich nach Flemming auf besondere Weise zu färben. Das
Cytoplasma wird unter dem Druck der Umgebung verkleinert; die Chro-
matinkömchen vereinigen sich jetzt bisweilen wieder zu unförmigen Haufen,
wie Pfitzner es beschreibt. Schliesslich verliert die Zelle ihre Gestalt
ganz und wird zu einem dünnen Streifen reduziert. Die Chromatinkömcheii
verschwinden ganz und werden von den Leukocyten oder den umliegenden
Epithelzellen aufgenommen oder treten in die Intercellularräume ein, wo
man sie oft wieder finden kann^).
Galeotti (6) hat weiterhin auch experimentell Unregelmässigkeiten
der Kernteilungen erzielt, indem er die Wundlieilung an Salamander-
schwänzen unter der Einwirkung verschiedener Reagentien in wechselnder
Konzentration verfolgte. Er beobachtete von degenerativen Erscheinungen
im wesentlichen eine verschieden starke Anordnung der chromatisclien
Figuren, wobei den zerstreuten, schwächer gefärbten oder positiv oxychro-
matisch sich tingierenden, auch in Form und Grösse mannigfach veränderten
Schleifen ein Mangel der zugehörigen achromatischen Fibrillen entspricht;
schliesslich können die chromatischen Fäden zu Haufen verbacken oder
im Zellleib zerstreut sein. Bei Antipyrinzusatz fand Galeotti eine Ver-
änderung der Kerne, die er „hyaline Degeneration" nennt. Schon
während der Vorbereitung erscheinen im Kern ein oder zwei Kügelchen
hyaliner Substanz, die sich vergrössern, die Schleifen centrifugal drängen und
an die, nicht zum Verschwinden kommende, Kern wand anpressen ; schliess-
lich werden die Streifen in amorphe Haufen umgewandelt, welche immer
zwischen der hyalinen Substanz und der Kernwand liegen. Die Zellleiber
zeigten im allgemeinen Schwellung und Homogenisation, besonders häufig
Vakuolisation. Bei Chininbehandlung zeigt sich fettige Umwandlung des
ausserhalb und nach innen von den schlechter färbbaren, aber leidlich ge-
ordneten Schleifen gelegenen Cytoplasmas; erst bei stärkerer Unordnung
der Schleifen dringen die Fettkömchen auch zwischen diese ein. Im
1) .Die Ursache dieser Rückbildung und dieser Chromatolysis ist bisweilen nicht
erklärlich; bisweilen hängt sie von der Gegenwart jener Elemente ab, welche neuerlich als
Parasiten des Krebses beschrieben worden sind/
Degeneration von Mitosen. 165
übrigen weist auch die Chinineinwirkung die oben genannten Zellleibs- und
Schleifenveränderungen auf. Nicht unerwähnt mag schliesslich bleiben,
dass auch unter den asymmetrischen Mitosen Hansera anns in geringer
Zahl sich derartige Degenerationsbilder finden, ebenso unter den „patho-
logischen Mitosen", welche Hacker (7) von Cyclops- Eiern beschreibt
und dem bekannten Befund Boveris an Furchungszellen von Ascaris
megalocephala sowie den Hansemannschen Figuren zur Seite stellt.
Nach Hacker spalten sich manchmal in den somatischen Zellen Chro-
matinpartikel zur Zeit der Schleifenordnung im Äquator ab ; sie liegen an-
fangs in der ganzen Kernperipherie, später (besonders auffäUig im Dyaster)
im Äquator; im Dispirem liegen sie einseitig in einiger Entfernung vom
Kern, zwischen ilim und der an dieser Stelle etwas eingezogenen Eiperi-
pherie. Aus einer Vergleichung der Hack er sehen Figuren ergiebt sich
weiter ein fast gänzlicher Mangel der achromatischen Fäden, sowie dichte
und fast homogene Beschaffenheit des nicht regelmässig begrenzten Tei-
lungsraums in mehreren der pathologischen Mitosen (Fig. 3 imd 2), wäh-
rend in Abbildung 4 eine einfache (vielleicht doch artifizielle?) Schleifen-
abspaltung vorUegt. Es ist klar, dass diese Bilder (und die entsprechenden
boi Hansemann) mit den asymmetrischen Mitosen nicht zusammenge-
worfen werden dürfen, sondern wirkliche Degenerationsformen darstellen.
M Auffällig ist, dass bei Ascaris wie bei Cyclops gerade die somatischen Furch«
uDgszellen befallen werden, während die Keimzellen, bezw. deren „plurivalente Mitosen"
Ton pathologischen Einflüssen frei zu bleiben scheinen: ein Umstand, der von Hacker
auf eine besondere Widerstandsfähigkeit der Keimbahnelemente gegen äussere Einflüsse,
«ntsprechend der psychiologischen Verschiedenheit der beiden Zell- und Teilungsarten, be-
zogen wird.
D.
Glykogendegeneration.
Von
O. Lubaxsch, Rostock.
Litteratur.
1. Czerny, A., Zur KenntDis der glykogenen und Amyloiden Entartung. Archiv f. exper.
Pathol. Bd. 81. S. 190.
la. Driessen, Untersuchungen über glykogenreiche Endotheliome. Zieglers Beiträge
Bd. 12.
2. Ehrlichi P. , Über das Vorkommen von Glykogen im diabetischen und normalen
Organismus. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. VI. 1883.
3. Gabritschewsky, Mikroskopische Untersuchungen über Glykogenreaktion im Blute.
Arch. f. experim. Pathologie. Bd. 28.
4. Kleb 8, Handbuch der allgem. Pathologie. Bd. II. S. 98 ff.
5. Külz, Beiträge zur Kenntnis des Glykogens. Festschrift fUr G. Ludwig. 1891.
6. Langhans, Über Glykogen in pathologischen Neubildungen und den menschlichen
Eihäuten. Vir eh. Archiv. Bd. 120. S. 29.
7. Lubarsch, Über das Vorkommen und die Bedeutung des Glykogens in normalen und
patholischen Bildungen. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Rostock.
1892.
8. Derselbe, Über den Nachweis des Glykogens. Centralbl. f. allgem. Pathol. Bd. V.
S. 861.
9. Derselbe, Beiträge zur Histologie der von Nebennierenkeimen ausgehenden Nieren-
geschwülste. Vir eh. Archiv. Bd. 135. S. 149.
9a. Minkowski, Untersuchungen über den Diabetes mellitus etc. Arch. exper. Pharmakol
u. Pathol Bd. 31.
10. Sandmeyer, Beitrag zur patholog. Anatomie des Diabetes mellitus. Deutsch. Arch.
f. kHn. Med. Bd. 50. S. 581.
11. Trambusti, Beitrag zur Kenntnis der glykogenen und hyalinen Metamorphose in-
folge von Exstirpation des Plexus coeliacus. Centralbl. f. allgem. Pathol. Bd. III.
S. 657.
Der Begriff der Glykogendegeneration, der auch in die Lehr- und
Handbücher (Ziegler, Klebs) übergegangen ist, ist kein ganz klarer und
feststehender. Denn es ist ausserordentlich schwer festzustellen, ob das
GlykogendegeneratJon. 167
Glykogen dort , wo man es findet , infolge einer Alteration (Degeneration)
der Zellen entstanden oder von aussen hinein gekommen, infiltriert ist.
Und auch da, wo eine Ablagerung des Glykogens nicht gut angenommen
werden kann, z. B. in Geschwülsten, ist es durchaus nicht sicher, ob dem
Auftreten des Glykogens eine degenerative Bedeutung zukommt. Man
würde also vielleicht ein Recht haben, zwischen Glykogeninfiltration und
Degeneration zu unterscheiden. Obgleich hier nur das Auftreten des Gly-
kogens unter pathologischen Verhältnissen dargestellt werden soll, so muss
doch ein kurzer ÜberbHck über das Vorkommen des Glykogens unter
normalen Bedingungen gegeben werden, um ein richtiges Urteil über die
Bedeutung der pathologischen Glykogenablagerung zu erlangen.
Durch die chemische Untersuchung kann Glykogen in den meisten
Organen des erwachsenen Individuums nachgewiesen werden in grösseren
oder geringeren Mengen ; nur wenige Organe, wie z. B. die Mamma und das
gesamte Nervensystem sind frei von Glykogen. Aber nur in wenigen
Organen gelingt es, auch mikrochemisch Glykogen aufzufinden, vorwiegend
in der Leber, den Muskeln, den Henleschen Schleifen der Nieren (Ehrlich),
dem Knorpel sowie den geschichteten PlattenepitlieUen der Haut und Schleim-
häute (Langhans (6), Schiele *), sowie den Epithelien des Fundus uteri
(Langhans); femer spurweise im normalen Blute, extracellulär (Gabrit-
schewsky). In den Organen des Embrj'^os wird es dagegen fast überall auch
mikroskopisch in grossen Mengen aufgefunden ; hier fehlt es nur im Nerven-
system völlig und erscheint in der Leber später, wie in anderen Organen,
z. B. dem Darm und den Nieren. Li Bezug auf die optischen und
morphologischen Eigenschaften des Glykogens sei folgendes hervor-
gehoben. Optisch zeichnet es sich durch seinen starken Glanz und seine
Stnikturlosigkeit aus, es gehört somit liistologisch zu den „hyalinen'' Sub-
stanzen (Langhans). In welcher Form es auftritt, ist noch strittig. Ehrlich (1)
glaubt auf Grund seiner Untersuchungen au Trockenpräparaten, dass esgleich-
mässsig in der Zelle verteilt sei, in der Leberzelle mit dem hyalinen Para-
plasma verbunden, ebenso wie es auch in der Muskelfaser nur in der
iüterfibrillären Kittsubstanz sich findet. Erst nach dem Tode, wenn das
Protoplasma und die noch zäh flüssigen Substanzen in Form von Kugeln
ausgepresst werden, bilden sich die Körner-, Kugel- und Schollenformen
aus, unter denen uns das Glykogen erscheint. Es ist aus diesem Grunde
auch stets an einen besonderen Glykogenträger gebunden und tritt nie
iJlein für sich auf. Marchand ^) dagegen bestreitet Ehrlichs Angabe,
1) Über Glykogen in normalen und pathologischen geschichteten Epithelien. Centralbl.
f- ^. med. Wissenschaften 1880. S. 648.
2) Geschwulst aus quergestreiften Muskelfasern mit ungewöhnlichem Gehalt an Gly-
kogen. Virch. Aich. Bd. 100.
168 Allgero. pathol. Morphologie und Physiologie.
dass das Glykogen im frischen Zustande nie in Form von Tröpfchen auf-
trete. Langhans (6) kommt zu keinem bestimmten Urteil; zwar fand er
es, auch wenn ihm die Gewebsstückchen noch während der Operation zur
Untersuchung tibergeben wurden, schon zum grössten Teil in scharf abge-
setzten Formen ; aber er glaubt nicht in der Lage gewesen zu sein, frisch
genug die Untersuchung vorzunehmen. Eine ge\*'is8e Stütze für Ehrlich?
Anschauung sieht er darin, dass oft das Glykogen im erhärteten Präparat
dort gefunden wird, wo es vermöge seiner Schwere im Momente der Här-
tung gelegen hatte. Ich selbst glaube auf Grund zalilreicher Untersuchungen,
dass Ehrlichs Ansicht für die überwiegende Mehrzahl der Fälle richtig
ist; sowohl in der Leber, wie in den weissen Blutkörperchen, in den
Knorpel- und Epithelzellen, auch in vielen Geschwulstzellen findet man es
bei frischer Untersuchung gleichmässig verteilt; die Braunfärbung durch
Jod ist diffus, Körnchen und Kugeln werden nicht sichtbar. Nur eine
sichere Ausnahme habe ich beobachtet, nämlich in den granulierten Leuko-
c\i:en des Eiters; hier sah man immer von vornherein kleine Kügelchen,
welche die Glykogenreaktion gaben, also wohl Glykogen enthaltende Z(41-
grauula waren. — Auf die übrigen Verhältnisse, die mikrochemischen Reak-
tionen und die tinktoriellen Eigenschaften, sei erst weiter unten nälier
eingegaugen.
Unter pathologischen Verhältnissen tritt das Glykogen unter
folgenden Bedingungen auf:
1. Im Blute bei Vermehrung des Zucker- und Pep tongeh altes extra-
cellulär und intracellulär (Gabritschewsky (3)).
2. In weissen Blutkörperchen bei Eiterungen und Entzündungen
(Ehrlich (2)).
3. In den Nierenepithelien bei Diabetes (Ehrlich).
4. In echten Neoplasmen (Langhans (6)).
ad. L Während im normalen Blute mikrochemisch (durch die Jod reaktion)
nur das extracelluläre Glykogen nachweisbar ist (Gabritschewsky)
oder doch an den mehrkernigen Leukocyten des Hundeblutes nur eine
sehr schwache Glykogenreaktion ausnahmsweise erhalten wird (Trambusti
(11)), kann unter patliologischen Zuständen der Glykogengehalt des Blutes
erheblich gesteigert werden. Nach Gabritschewsky (3) steigt bei Dia-
betes mellitus, wenn der Zuckergehalt des Blutes um das Doppelte ver-
mehrt ist, der extracelluläre Glykogengehalt um das 2— 3fache der Norm
•und auch innerhalb einiger Leukocyten tritt bereits deutlich die Jodreak-
tion ein. Ebenso gelingt es durch Fütterung oder intraperitoneale Einver-
leibung von Kohlehydraten und Pepton bei Meerschweinchen den Glykogen-
gehalt der Leukocyten bedeutend zu erhöhen. Auch beim Menschen fand er in
2 Fällen von Leukämie in mehrkernigen Leukocyten Glykogen. Czerny (I)
Glykogen'iegeneratioD. 169
stellte zunächst fest, dass bei gesunden Kindern die Leukocyten des strömenden
Blutes kein Glykogen enthalten. Bei krankhaften Prozessen verschiedenster
Art trat aber bald die Glykogenreaktion an den weissen Blutkörperchen
ein. Besonders bei atrophischen und anämischen Kindern, die an den
Folgen chronischer Magen-Dannkatarrhe litten, fanden sich stets glykogen-
haltige Leukocyten und zwar um so reichlicher, je weiter vorgeschritten
<ler atrophische Zustand war; dasselbe fand sich bei kachektischen Zuständen
infolge von chronischer Lungen- und Knochentuberkulose, sowie bei Kindern,
<iie an langdauemden Respirationsstörungen litten und endlich bei den
liieisten Erkrankungen, die mit entzündlicher Leukocytose einhergehen.
- Auch experimentell konnte Czerny bei Hunden unter ähnlichen Beding-
untren das Auftreten von glykogenhaltigen Leukocyten beobachten. Schon
bt'i einfacher Abkühlung erschienen derartige Blutkörperchen im Blute,
über erst, wenn die Temperatur wieder anstieg; Respirationsstörungen,
Anäniie und Eiterungen hatten den gleichen Effekt wne beim Menschen;
doch wirkte nicht jede Gewebsläsion derartig ; denn bei Phosphorvergiftung
iiiit hochgradigen Verfettungsvorgängen blieben die Leukocyten unverändert.
Auch Trambusti (11) konnte bei Hunden eine starke Zunahme des
Olykogengehaltes nachweisen nach Exstirpation des Plexus coeliacus.
ad 2. Bei Eiterungen und Entzündungen hat zuerst Ehrlich
•2) Glykogen in d^n ausgewanderten weissen Blutkörperchen gefunden und
zwar bei Pneumonie, im eitrigen Sputum von Phthisikern, bei frischer
Pleuritis, pyämischen Abscessen, Gelenksentzündungen, Gonorrhoe, im
ritrigen Harn bei Nephritis chronica, bei Erysipel etc. Diese Beobachtungen
>n\(] ziemlich allgemein bestätigt worden; Czerny hat besonders für die
Tor{>entineiterung beim Hunde den grossen und konstanten Glykogengehalt
*:er Eiterzellen hervorgehoben und es wahrsclieinlich gemacht, dass die
KlutkOrperchen sich erst im Eiterherde mit (Hykogen beladen und dann
i:> Blut zurückwandern. Ehrlich fand weiter, dass bei Pneumoniecn der
<ilykogengehalt der Leukocyten schon nach einigen Tagen schwindet und
;:]aubt daher, dass nach einiger Zeit, wenn das Exsudat sich abgesetzt hat,
das Glykogen wieder schwindet und Langhans (6) will es so erklären,
<!ass in den Leukocyten von Tuberkeln und Guramaten Glykogen stets
vcrmisst wird; da eben die Infiltrationen, die wir in den exstirpierten tuber-
kulösen oder syphilitischen Herden zu sehen bekommen, nicht mehr ganz
irisch sind. Auch ich (7) habe die Beobachtung von Langhans, dass in
t'i^^erkulösen und gummösen Bildungen niemals Glykogen nachweisbar ist,
in ausgedehnter Weise bestätigen können ; ob aber wirklich nur das relativ
liohe Alter der entzündlichen Infiltration an dem Fehlen dos Glykogens
'^'ehuld ist, erscheint mir zweifelhaft, nachdem ich auch in frischen Infil-
trationen von experimentell erzeugten Tuberkeln Glykogen vermisst habe
170 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
(bei Meerschweinchen 4—6 Tage nach der Impfung mit Tuberkelbacilleu-
reinkulturen).
ad 3. Der ebenfalls von Ehrlich (2) zuerst erhobene Befund von
glykogenhaltigen Nierenepithelien in den Henl eschen Schleifen bei Diabetes
ist vielfach bestätigt worden; so von Pisenti und Acri*), von Sand-
meyer (10), der in einem Falle von Diabetes auf 100 g Nieie 0,1158 g
Glykogen fand. Auch beim experimentellen Diabetes wurde in den Nieren
Glykogen gefunden. Es liegt vorwiegend an der Grenze von Rinde- und
Marksubstanz imd in den He nie sehen Schleifen; die Epithelien erscheinen
gequollen, glasig, das Glykogen ist gleichmässig im Zellprotoplasma verteilt.
Gerade bei der Niere ist nun die Frage aufgeworfen worden, ob es sieh
um einen Infiltrations- oder Degenerationsprozess handelt. Ehrlich hat
wenigstens die Auffassung, dass sich zu dem Infiltrationsprozess aucli ein
wirklicher Degenerationsprozess gesellt und Strümpell glaubt, dass die
Umbildung des Zuckers in den diabetischen Nieren einer speziellen Funk-
tion der zelligen Elemente zuzuschreiben ist. Dafür würden Versuche vcn
Pisenti sprechen, der in den Nierenepithelien Glykogen nicht finden
konnte, wenn er mit Aceton vergifteten Kaninchen Glykogen in die Jugu-
laris einspritzte. FreiUch ist dieser Versuch auch noch nicht vollständig
beweisend, da nicht nachgewiesen ist, dass bei Kaninchen mit gesunden
Nieren das eingespritzte Glykogen in den Epithelien zurückgehalten wird.
Da Minkowski (9a) nachgewiesen hat, dass Lävulose bei diabetischen
Hunden in Glykogen umgewandelt wird, Dextrose aber nicht, so wäre es
denkbar, dass in der Niere zunächst eine Umwandlung des rechtsdrehenden
Zuckers in hnksdrehenden und dass in den Epithelien die Umwandlung
in Glykogen stattfände. Nur wäre dann diese Thätigkeit an sich noch kein
Zeichen der Degeneration; es würde sich vielmehr darum handeln, ob dun*h
diese Thätigkeit nicht die Degeneration der Zelle bewirkt wird und ob
auch die Protoplasmateile in Glykogen umgewandelt werden. Das letztere
scheint in der That der Fall zu sein, denn löst man durch Speichel das
Glykogen auf, so erscheinen die Epithelien völlig homogen und leer. Auch
Trambusti (11), der nach Exstirpation des Plexus coeliacus Glykogenab-
lagerung in der Niere beobachtete, hält denProzess für einen degenerativeu.
Er fand die Glykogenentartung am stärksten in den gewundenen Kanälchen,
ferner auch, was beim Menschen nicht beobachtet ist, an den Wandungen
kleiner Arterien und Venen in diffuser Weise. Die von ihm für die dege-
nerative Natur des Prozesses angeführten Gründe sind mir allerdings nicht
recht klar geworden; denn die bald gleichmässige, bald körnige Verteilung
des Glykogens, wie er sie in den Zellen beobachtete, könnte auch bei einer
1) Pisenti e Acri. Rene diabetico. Atti dell Acadeniia di Med. e Chirurgia.
Perugia VIl. 1890.
Glykogendegeneration. 171
Infiltration zu stände kommen; ganz abgesehen davon, dass, wie oben an-
gedeutet, die körnige Beschaffenheit des Glykogens erst eine postmortale
Erscheinung zu sein braucht.
ad 4. Das Vorkommen von Glykogen in Neoplasmen ist wohl zu-
erst von E. Neumann konstatiert worden, der in seiner Arbeit über die
Judreaktion der Knorpel- und Chordazellen (Areh. f. mikroskop. Anatomie,
Band XIV, S. 54) erwähnte, dass auch in den Knorpelzellen der Enchon-
drome Glykogen, und zwar in vermehrter Menge, vorkommt. Schiele (1.
c.) erwähnte Glykogengehalt in den von geschichteten Epithelien ausgehen-
den Carcinomen und Marc band (1. c.) beschrieb ein Rhabdomyom mit
ungewöhnhch grossem Glykogengehalt. Die ausführlichsten Untersuchungen
über diesen Gegenstand verdanken wir endlich Langhans (6), der bereits
1887 in seiner Arbeit über die Hodentumoren (in Kochers Krankheiten
des Hodens, Deutsche Chirurgie) das nahezu regelmässige Vorkommen von
Glykogen in Hodenkrebsen und Adenomen notierte. Er stellte zunächst
ftrst, dass immer nur in einer Minderzahl von Fällen in den Tumoren
Glykogen gefunden wird; gerade in den am häufigsten vorkommenden
Xeiihildungen (der Mamma, Haut- und Lymphdrüsen) wird es vermisst;
man muss dieses Ergebnis wohl als ein sicheres auffassen, da es sich auf
ein grosses Material von wohl über 1000 Tumoren bezieht. Ich selbst habe
im grossen und ganzen die gleiche Erfahrung gemacht; denn, wenn ich
von den entzündlichen Granulationsgeschwülsten (Tuberkel, Gummata, Le-
prome, Aktinomykome , Lymphome), in denen niemals weder von Lang-
hans noch von mir Glykogen gefunden wurde, absehe, konnte ich unter
480 Neubildungen ') nur 62 mal mikrochemisch Glykogen entdecken, wobei
liur die Fälle mitgerechnet sind, wo die Tumoren möglichst umgehend
nach der Operation zur Untersuchung gelangen konnten. Dabei muss gleich
bemerkt werden, dass die Gefahr der postmortalen Zersetzung und Lösung
'les Glykogens eine sehr verschiedene ist. In Hodenkrebsen scheint es
allerdings frühzeitig aufgelöst zu werden, denn Langhans vermisste
es nur in solchen Fällen, die von aussen zur Untersuchung eingesandt
waren. In Knochensarkomen trat mitunter rasche Auflösung, aber
keine Zersetzung ein, in Hoden sarkomen, in Enchondromen des Kno-
tens und Knorpelmischgeschwülsten der Parotis und des Hodens hielt
^s sich dagegen Tage lang unverändert. Nach meinen Erfahrungen tritt
eine verhältnismässig rasche Auflösung des Glykogens in den Cylinder-
I) Darunter allerdings 114 Mammatumoren , 17 Ovarialtumoren und 29 Uterua-
ges^hwülste, die nicht immer frühzeitig genug zur Untersuchung gelangten; ferner 8 Melano-
sarkome, in denen niemals Glykogen vorkommt, so dass nach Abzug dieser Fälle unter
'>18 Tumoren 62 mal, d. h. in ca. 20^/o Glykogen gefunden wurde.
172 Allgein. patboJ. Morphologie und Physiologie.
epitlielien des Uterus und den hiervon ausgehenden Neubildungen auf; in
Endonietritiden vermisste ich Glykogen oft schon nach wenigen Stunden;
ausserordentlich resistent ist es dagegen in den angiosarkomatösen Tumoren
der Niere (9), die ich als „hypeniephroide" Tumoren bezeichnet habe; auch
in den meisten Plattenepithelkrebsen und vielen Sarkomen ist es sel])st
noch nach Tagen erhalten; selbst in der Leiche wird es in Myosarkomen
der Niere, sowie in Sarkommetastasen nicht angegriffen. — Was nun das
Auftreten des Glykogens in den verschiedenartigen Geschwülsten anbetrifft,
so konnte zunächst von Langhans festgestellt werden, und meine Er-
fahrungen stimmen damit völlig überein, dass es in den meisten gutartigen
Geschwülsten, vor allem in Fibromen, Lipomen, Myxomen, Osteomen, An-
giomen und Leiomyomen regelmässig felilt; ausserdem findet man es nur
ganz ausnahmsweise in den Tumoren der Mamma. — Langhans konnte es
dort einmal, ich unter 114 Fällen keinmal finden; vermisst wird es ferner so
gut wie regelmässig in den Tumoren des Magen-Darmkanals (Langhans
fand Imal Glykogen in einem Carcinoma recti) und der Eierstöcke. Ich
glaube, dass man auch die Adenome zu denjenigen Tumoren rechnen darf,
in denen Glykogen nicht vorkommt. Denn die Hodenadenome, in denen
Langhans häufiger Glykogen fand, nehmen eine ganz besondere Stellung
ein. Will man eine Einteilung über das Vorkommen des Glykogens in
Geschwülsten vornehmen, so kann man folgende Fälle unterscheiden,
A. Vorkommen des Glykogens in solchen Tumoren, die von
normalerweise Glykogen enthaltendenZellen ausgehen. B.Vor-
kommen in Tumoren, die von glykogenfreien Zellen ausgehen.
— ad A. Hier kann man wieder 2 Fälle unterscheiden: a) Vermehrung
des Glykogengehalts. Sie wird am häufigsten beobachtet in den Rhabdo-
myomen und Enchondromeu. Langhans fand es bald mehr diffus über
die ganze Zelle verbreitet und bald nur in einzelnen scharf abgegrenzten
rundlichen oder strahlenförmigen Schollen in den Enchondromen der Knochen
der Lunge, Parotis, der Knorpelinseln von Hodenadenomen und im Netz-
knorpel der Aurikularanhänge. ß) Verminderung des Glykogenge-
h altes. Im Verhältnis zu dem Vorkommen des Glykogens in den nor-
malen Zellen findet sich eine Verminderung des Glykogengehalts in den
von geschichteten Plattenepithelien und Cyhnderepithelien ausgehenden
Tumoren. Besonders in den Carcinomen der Haut und des Uterus, wo
normalerweise reichlich Glykogen vorkommt, findet sich Glykogen meist
nur in geringen Mengen vor; Lang h ans giebt sogar an, dass es in den
Ilautcarcinomen mehr in der Umgebung des Krebses, als in den eigent-
lichen Krebszellen vorkommt. Doch habe ich auch Fälle beobachtet —
allerdings nur 2 mal — , wo in den Krebszellen selbst reichlich Glykogen
vorhanden war, so dass die Fälle sogar eher zur Kategorie a gerechnet
Glykogendegeneration. 173
werden können. Einmal habe ich auch ein Carcinom der Nasenhöhle ge-
sehen mit sehr reichlichem Glykogengehalt. — In den Uteruskrebsen und
denen der Portio und Vagina findet sich, wie ich in Übereinstimmung mit
Langhans angeben muss, nur sehr wenig Glykogen; in Vaginalcysten,
•üe allerdings nicht eigentlich zu den echten Neoplasmen gehören , fand
Langhans dagegen sehr viel Glykogen. In manchen Zellen scheint es
auch vorzukommen, dass das Glykogen, das in den normalen Zellen vor-
handen war, in den wuchernden völlig schwindet. So z. B. in den Deciduomen
fe Uterus*), in denen ich niemals Glykogen fand, obgleich doch in den
Deciduazellen reichlich Glykogen vorkommt (Langhans, Lubarsch). —
ad B. Hier kommen hauptsächlich Sarkome und Hodentumoren in Betracht.
In den Sarkomen der Haut findet man nur selten Glykogen, ziemlich aus-
nahmslos dagegen in gewissen Knochensarkomen und Hoden tumoren.
Langhans erwähnt von letzteren in erster Linie Hodencarcinome und
•adenome, während er nur einen Fall von Sarkom untersuchte, in dem
der Glykogengehalt übrigens nicht sehr reichUch war. Ich habe dagegen
in allen Hodensarkomen mit Ausnahme eines vereiterten Fibrosarkoms
Glykogen in geradezu colossalsten Mengen und gleichmässig verteilt ge-
funden, im ganzen in 5 Fällen. Regelmässig handelte es sich um mehr
oder weniger grosszellige Angiosarkome oder wenigstens perivaskuläre
Sarkome. Hodenkrebse habe ich dagegen überhaupt nicht zur Unter-
suchung erhalten; vielleicht ist die Differenz mit Langhans darauf zu-
rückzuführen, dass ich auch solche Tumoren, die deutUch cylindrisehe
Zellen enthalten, als Sarkome bezeichne, wenn sie wie ein Mantel den
'lünnwandigen Kapillaren aufsitzen. — Unter den Knochenneubildungen
Mud nach Langhans Beobachtungen besonders diejenigen glykogenreich,
welche vom Periost ausgehen. Auch nach meinen Erfahrungen sind es
l^auptsächlich die perivaskulären Sarkome des Periosts, die Glykogen in
grossen Mengen enthalten, in Spindelzellensarkomen habe ich dagegen nie,
Langhans nur Imal Glykogen gefunden. In zweifellos myelogenen
^Jarkomen mit reichlichem Gehalt an Riesenzellen haben Langhans und
ich Glykogen stets vermisst. — Auch Dri essen hat in perivaskulären
Sarkomen des Knochens — er bezeichnet sie als Endotheliome — sehr
r^'ichlich Glykogen nachweisen können. Im Periost kommt normalerweise
l>eim erwachsenen Individuum, wie auch Langhans angiebt, Glykogen
nicht vor. — Ganz besonders auffallend ist das Vorkommen von Glykogen
in den hypemephroiden Tumoren der Niere, d. h. denjenigen Geschwülsten,
<lie von aberrierten Nebennierenkeimen abzuleiten sind. Sie entsprechen
io ihrem Bau am meisten den perivaskulären Sarkomen und sind des-
') Inzwischen habe ich übrigens doch in einer Blasenmole sowohl, wie in einem Pia-
c^ntarpolypen, wenn auch spärlich Glykogen in den Deciduazellen gefunden.
174 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
wegen auch vonDriessen als Endotheliome, von de Paoli^) und Hilde-
brand ^) als Angiosarkome bezeichnet worden. Ich habe zuerst nachge-
wiesen, dass in ihnen so gut wie regelmässig Glykogen in oft ungeheuren
Mengen vorkommt und die Beobachtungen von Driessen, Askanazy^)
und Hildebrand sind Bestätigungen hiervon. — Von anderen Niereu-
tumoren seien hier nur noch die Angaben von Langhans erwähnt, der
Imal in einen Nierenkrebs Glykogen in geringen Mengen fand und eiii
Fall von mir (9), wo in einem MyoHposarkom der Niere sehr reichlich
Glykogen gefunden wurde. Neuerdings habe ich ein ausserordentlich
grosses in Form multipler Knoten auftretendes Lipoleyomyosarkom beider
Nieren beobachtet, das nur in minimalsten Mengen und zwar diffus im
Stroma Glykogen enthielt (doch war die Geschwulst von aussen eingesandt,
kam also nicht ganz frisch zur Untersuchung). — Weiter gehört liierlier
noch eine Beobachtung von mir (7). In einem Carcinom der Highmors-
höhle fand sich Glykogen in ganz ungeheuren Mengen vor, obgleich doch
im Schleimhautepithel normalerweise kein Glykogen vorkommt. —
Welche Bedeutmig kommt nun dem Glykogen in diesen verschiedenen
pathologischen Zuständen zu? Die Beantwortung dieser Frage würde erleich-
tert sein, wenn wir die Entstehung des Glykogens successive verfolgen
könnten und darüber aufgeklärt wären, ob das, was wir als Glykogen be-
zeichnen, überhaupt als ein einheitlicher Körper zu bezeichnen ist. Die
bisher vorliegenden Arbeiten gestatten nach dieser Richtung kein klarvs
Urteil. Zwar wissen wir, dass Glykogen sowohl aus Kohlehydraten im
Körper gebildet werden kann, wie aus Eiweisskörpern. Die Versuche
Minkowskis (9a) zeigten, dass selbst im diabetischen Körper Glykogen
aus linksdrehenden Zuckerarten gebildet wird, und die Versuche Gabrit-
schewskys ergaben das Resultat, dass sowohl bei Zuführung von Kohle-
hydraten, wie bei Peptoneinführung in den weissen Blutkörperchen Gly-
kogen auftritt. Aber die successive Art der Umwandlung und namentlich
die Frage, cb es Zwischenstufen zwischen dem Glykogen und diesen Bil-
dungsstoffen giebt, ist noch nicht geklärt. Ehrlich (2) hat allerdings an-
gegeben, dass man neben den Glykogenkörnem und -tropfen gleichartige
glänzende Gebilde in und zwischen den Zellen antreffen kann, welche auf
Jodzusatz nur gelb oder gelblichbraun werden, und ich selbst (7, 9) habe
eine Reihe von Thatsachen gesammelt, welche für den allmälüichen Über-
gang von Protoplasmamassen in Glykogen angeführt werden können.
1) de Paoli, Beiträge zur Kenntnis der primären Angiosarkome der Kiere. Zieglers
Beiträge. Bd. 8.
2) Hilde brand. Arcb. f. klin. Chirurgie. Bd. 47.
^) Askanazy, Die bösartigen Geschwülste der in der Niere eingeschlossenen Neben-
nierenkeime. Zieglers Beitr. Bd. 14. S. ^3.
Glykogendegeneration. 175
Diese Beobachtungen, die unten noch näher angeführt werden sollen, sind
aber allein nicht beweisend genug, so lange es nicht experimentell gelingt,
gleiche Übergänge nachzuweisen, und das ist mir wenigstens, trotz ziem-
lieh umfangreicher Versuche, bis jetzt nicht mit Sicherheit gelungen.
Nachdem ich nämlich im Gegensatz zu allen bisherigen Untersuchern ge-
funden hatte, dass es gelingt das Glykogen in bestimmter Weise zu fär-
ben (mit einer Modifikation der Weigert sehen Fibrinmethode und wäs-
serigen oder alkoholischen Jodhämatoxylinlösungen), hegte ich die Hoff-
nung, dass es gelingen würde durch diese Methoden, welche eine bequeme
und klare Untersuchung auch mit den stärksten Systemen gestatten, die
ttwaigen Übergangsformen des Glykogens nachzuweisen. Aber es ist das
bis jetzt noch nicht in deutlicher Weise gelungen; namentlich habe ich bei
Exi^rimenten an Hunden und Meerschweinchen noch nicht übereinstim-
mende Ergebnisse erhalten, ob die eine Färbung eher auftritt, wie die
andere. Freilich schien es bei einigen Versuchen an Hunden (Terpentin-
eiterung), dass die Gentianaviolettfärbung in den Leukocyten eher eintrat,
als die Jodreaktion; aber dieses Verhalten war nicht konstant, so dass
zum mindesten noch weitere, variierte und zahlreichere Versuche zur Ent-
peheidung herangezogen werden müssen. Die Beobachtungen an mensch-
lichem und tierischem Material sprechen freilich für solche Übergangsstufen
und ich will hier nur anführen, dass ich mehrmals — so in einem Carci-
üom der Highmorshöhle, in einem Fall von Zungensyphilis und in gekörn-
ten Zellen der Froschniere — Körner nebeneinander gefunden habe, die
in ihren färberischen Reaktionen übereinstimmten, mikrochemisch aber —
im Verhalten zum Speichel -— gewisse Unterschiede darboten. — Ebenso-
wenig, wie die vorhergehende Frage ist die zweite zu beantworten, ob es
verschiedene Arten von Glykogen giebt. Was nach dieser Richtung ange-
führt werden kann, ist 1. die verschiedene Löslichkeit des Glykogens im
Wasser, 2. das verschiedene tinktorielle Verhalten. Dabei muss selbstver-
ständlich vorausgeschickt werden, dass neben dem Verhalten zum Jod und
den Färbimgen ausschlaggebend für die Glykogennatur das Verhalten zum
Speichel ist, durch den Glykogen mehr oder weniger rasch, aber sicher
aufgelöst wird. — Was die Löslichkeit des Glykogens im Wasser anbetrifft,
so haben schon Ehrlich (2); Schiele und Langhans (6) gewisse Ünter-
K-lüede angegeben. Leicht löslich im Wasser ist das Glykogen der Leber,
aer diabetischen Niere, der Eiterkörper, der Knochensarkome und Hoden-
tumoren, sowie der Muskeln; schwer löslich dagegen ist das Knorpelglyko-
gen und das der geschichteten Epithelien, das Ehrlich geradezu als unlös-
lich bezeichnet. Doch bemerkt Langhans, dass auch das Glykogen der
Epithelien mitunter leicht löslich sein kann und ich kann das bestätigen;
^^trsonders habe ich in einem Falle von Carciuom der Highmorshöhle sehr
176 Allgem. pathol. Morphologie und Tby Biologie.
leicht lösliches Glykogen gefunden; auch in der Placenta ist- die Löslich-
keit des Glykogens verschieden; in den Deciduazellen schwer löslich, iin
Amnion dagegen leicht löslich. Ähnliche Unterschiede in der Löslichkoit
finden sich auch in gleichartigen Tumoren vor; so war in den liyper-
nephroiden Tumoren die Niere das Glykogen bald sehr leicht, bald sehr
schwer in Wasser löslich. Aber diese Beobachtungen beweisen noch keineswegs,
dass es sich um verschiedene Abarten von Glykogen handelt, denn es kann
die verschiedene Löslichkeit auch auf der verschiedenen festen
Verbindung zwischen dem Glykogen und Glykogenträger be-
ruhen. Zudem muss noch bemerkt werden, dass es sich in vielen Fällen
gar nicht um eine besondere Löslichkeit des reinen Glykogens, sondern um
die leichte Löslichkeit der Jodverbindung des Glykogens, handelt, d. h. erst
nach Anstellung der Jodreaktion tritt die grosse Löslichkeit in Erscheinung.
Wichtiger sind schon die von mir gemachten Beobachtungen, wonach aucli
bei dem rein dargestellten Glykogen verschiedener Herkunft verscliieden
grosse Löslichkeit in Wasser besteht. So war z. B. rein dargestelltes Gly-
kogen aus der Froschleber weniger leicht löslich, wie solches aus der
Kaninchenleber, und dem ausserordentlich leicht löslichen Glykogen aus
dem oben erwähnten Highmorshöhlencarcinom konnte sehr schwer lös-
liches aus einem Schilddrüsensarkom entgegengestellt werden. Aber auch
das genügt noch nicht, um einen chemischen Unterschied der verscliie-
denen Glykogene festzustellen ; da eben doch schliesslich das rein dargestellte
Glykogen stets in Wasser löslich war, konnte die geringere oder grössere
Löslichkeit auch auf physikalischen Verhältnissen beruhen, um so mehr,
da die Reindarstellung des Glykogens nicht regelmässig nach einer und
derselben Methode erfolgt war. — Das verschiedene Verhalten des Glyko-
gens zu den von mir angegebenen Färbungsmethoden beruht in manchen
Fällen zweifellos auf der verschiedenen Wasserlöslichkeit; so gelang z. B.
an dem so leicht löslichen Glykogen des Highmorshöhlencarcinoms nur die
Färbung mit alkoholischem Jodhämatoxylin und auch in der Kanincheu-
placenta wurden die leicht löslichen Glykogenschollen bei Färbung mit
wässeriger JodhämatoxyUnlösung gelöst, während andere Partieen sehr gut
gefärbt wurden. In anderen Fällen dagegen kann das differente Verhalten
nicht auf diese Weise erklärt werden; so versagt z. B. in den hyper-
nephroiden Tumoren, trotz sehr geringer Löslichkeit des Glykogens, stets die
Jodhämatoxylinreaktion, Noch wichtiger ist es, das auch das rein darge-
stellte Glykogen sich zu den verschiedenen Färbungen verschieden verhalt
unabhängig von seiner Löslichkeit, so dass in der That daraus Argumente
für eine nicht vollkommene Einheitlichkeit des Glykogens genommen w^erden
können. Auch noch andere Beobachtungen gehören hierher. Bütschli
hat in Gregarinen einen sich mit Jod bräunenden Körper gefunden, den
Glykogeodegeneration. 177
er anfangs für Amyloid hielt, dann aber als Paraglykogen bezeichnete,
weil die chemischen Reaktionen es dem Glykogen näher stellten, als dem
Amyloid. Ich (7) habe an denCoccidien der Kaninchenleber gezeigt, dass
das Protoplasma sowohl die Jodreaktion giebt, als auch die Gentianafär-
buDg und die Färbung der Russeischen Fuchsinkörper annimmt; bei der
Reindarstellung wurde dann auch ein Körper in Pulverform gewonnen,
«lerdurch verdünnte Schwefelsäure in Zucker übergeführt wurde, aber keine
deutliche Jodreaktion mehr gab, also dem Achrooglykogen Landwehrs
nahe steht. Czerny (1) endlich hat sogar* angegeben, dass das Glykogen
in den weissen Blutkörperchen bei Terpentineiterung auch die Amyloid-
reaktionen (Jodschwefelsäure- und Methylviolettreaktion) gäbe und als eine
Vorstufe des Amyloids betrachtet werden müsse, weil an die Terpentin-
eiterung bei Hunden nach 9—11 Wochen amyloide Degeneration der
Milz anschloss. — Ich (9) habe angeführt, dass es Fälle giebt, in denen
die Russeischen Fuchsinkörper, sich dadurch dem Glykogen nähern,
dass sie bei Vorbehandlung mit Speichel ihre Färbbarkeit nur im verringer-
ten Masse behalten oder sogar gänzlich einbüssen oder endlich sich sogar
durch den positiven Ausfall der Jodreaktion und dem Verhalten zum
Speichel als echtes Glykogen erweisen. Hierfür wurden namentlich ge-
wisse gekörnte Bindegewebszellen in den Nieren einiger Winterfrösche
angeführt, deren Granula 1. die Jodglykogenreaktion, 2. meine Gentiana-
uud Jodhämatoxylinreaktion, 3. die Russeische Färbung gaben. Dabei
tiel auf, dass die Färbung niemals ganz gleichmässig war, sondern neben
braungelbea bis dunkelrotbraunen Körnern hellgelbe, und neben blauen und
roten (bei der Gentiana- und Fuchsinfärbung) blassere und ganz ungefärbte
auftraten. In Wasser waren die Gebilde nicht löslich, wohl aber in Speichel,
bis ich in tieferen Partieen auch auf solche im übrigen sich völlig gleich-
artig verhaltende Kömer stiess, die auch im Speichel nicht mehr löslich
waren und sowohl die Jodachwefelsäure-Amyloid-, wie die Gentianaamy-
loidreaktion annahmen. — Durch diese Beobachtungen wird die Frage
angeregt, ob nicht gewisse Übergänge von den als Russe Ischen Körper
bezeichneten Eiweisskörpem zum Glykogen und von dort zum Amyloid
bestehen. Freilich muss dabei immer von neuem betont werden, dass die
Cbereinstimmung bei gewissen Färbungen nicht eine chemische Identität
oder auch nur Verwandtschaft beweist, sondern dass nur neben der über-
einstimmenden oder ähnlichen mikrochemischen Reaktion die
gleiche Färbbarkeit ins Gewicht fällt. Nun harren aber besonders die Angaben
Czernys über die Natur des in den Leukocyten bei Terpentineiterung auf-
tmenden Stoffes und seine Beziehungen zum Amyloid noch der Bestätigung.
Ich selbst (9) habe bei gleichen Versuchen an den weissen Blutkörpern
zwar die Jod- und meine Gentianareaktion, niemals aber die Amyloidreak-
Lubarseh-OBtertag, Ergebnisse Abteil. U, 12
178 Allgern. pathol. Morphologie und Physiologie.
tionen erhalten, ebenso wenig, wie ich bei fortgesetzter Terpentineiteruug
selbst nach 14 — 16 Wochen, bei Hunden jemals amyloide Degeneration
beobachtet habe. — Aber selbst wenn sich die Beobachtungen vonCzeniy
öfter bestätigen sollten und meine Beobachtungen durch reichlicheres Ma-
terial ergänzt w^ürden, ginge es noch nicht an, anzunehmen, dass man es
mit verschiedenen Entwickelungsstufen eines chemisch wohl charakterisierteu
Körpers zu thun hat; es wäre vielmehr wahrscheinlicher, dass es sich
überhaupt nicht um einen einzigen Körper, sondern um Verbin-
dungen verschiedener Stoffe handelt. Man würde dann die Be-
ziehungen des Glykogens zu gewissen Protoplasmakugeln dahin deuten
müssen, dass es sich in ihnen ablagert und eine mehr oder weniger feste
Verbindung mit ihnen eingeht; während die Beziehungen zum Amyloid
so aufzufassen wären, dass bei ganz fester Verbindung gewisser Eiweiss-
körper mit dem Glykogen die von uns als Amyloid bezeichnete Modifi-
kation entsteht. —
Welche Bedeutung das Auftreten des Glykogens unter krankhaften
Verhältnissen besitzt, ist nun freilich damit noch nicht festgestellt. Für
die Geschwülste hat Langhans einige Punkte berührt, welche die Be-
dingungen, unter denen das Glykogen sich findet, betreffen. Dem Alter raisst
er nur insoweit Bedeutung zu, als die Geschwülste des Greisenalters wenig
oder kein Glykogen enthalten, während die glykogenreichsten Tumoren —
Hodentumoren und Knochensarkome — mehr dem jugendlichen und reiferen
Alter eigentümlich sind; doch bilden die hypemephroiden Tumoren der
Niere hiervon sicher eine Ausnahme, als hier gerade das höhere Alier
bevorzugt wird. Unter 11 Fällen von Driessen, Askanazy undmir waren
je ein Fall im Alter von 50, 52, 57, 59, 64, 73 und 79 Jahren, 2 im Alter
von 54, und nur je 1 Fall im Alter von 34 und 40 Jahren. Ein Einfluss
des allgemeinen Ernährungszustandes und der Zusammensetzung der
Nahrung konnte ebensowenig festgestellt werden. — Unmöglich ist es
ferner, das Auftreten des Glykogens lediglich als den Ausdruck einer regen
Proliferation zu betrachten, wozu besonders Kleb s (4) geneigt ist, der das
Auftreten des Glykogens in wuchernden Zellen dem Glykogenbefund in
embryonalen Geweben an die Seite stellt. Denn sowohl die meisten
Carcinome, wie Sarkome, mit zum Teil enormer Wachstumsenergie ent-
beln-en völlig des Glykogens; während ein Teil der glykogenreichsten
Tumoren, wie die hypemephroiden Nierentumoren und Knochensarkome»
keineswegs sich durch übertrieben rasche und üppige Proliferation aus-
zeichnen. Es haben dann weiter Langhans und Askanazy die Ver-
mutung ausgesprochen, dass es nicht unmöglich sei, dass gerade die an
embryonale Keime sich anschliessenden Tumoren besonders reich an Gly-
kogen wären; und ich habe mich dem angeschlossen und bin geneigt ge-
Gly kogendegeneration. 179
wesen, in dem Vorhandensein des Glykogens, wenn man von den Tumoren
absieht, die von glykogenhaltigen geschichteten Epithelien ausgehen, geradezu
den Ausdruck der embryonalen Abstammung der Geschwülste zu finden. Allein
damit ist die Sache noch nicht erschöpft und vor allem ist nicht der umgekehrte
Sehluss gerechfertigt, dass alle von embryonalen Keimen ausgehenden
Neoplasmen glykogenhaltig sein müssten; denn dagegen sprechen 1. alle
melanotischen Neubildungen, 2. die angebomen Angiome, welche niemals
(Glykogen enthalten. Andererseits würde ja auch diese Erklärung keine
Anwendung finden können in den Fällen, wo wir bei Entzündungen und
Eiterungen, bei Nekrosen, z. B. in Herzinfarkten (Ehrlich) Glykogen an-
treffen. Hier weist vielmehr alles darauf hin — und auch die experi-
mentellen Untersuchungen Gabritschewskys und Czernys sprechen
dafür — , dass der verstärkte Gewebs- insbesondere der Eiweisszerfall
die Ursache der Glykogenbildung ist und hierfür würde sich auch die Beobach-
tung von mir verwenden lassen, dass im leukämischen Knochenmarke neben
anderen Zerfallsprodukten Glykogen vorkommt. Man könnte deswegen
weiter fragen, ob nicht auch bei den Geschwülsten der neben der Gewebs-
proliferation wohl niemals fehlende Gewebszerfall Ursache der Glykogen-
bildung ist; allein hiergegen spricht die Thatsache, dass gerade dort, wo
der stärkste Zerfall in Geschwülsten ist, Glykogen völlig fehlt; ferner
auch die Beobachtung, dass auch in ganz jungen noch nicht zerfallenden
Metastasen glykogen reicher Tumoren Glykogen reichlich vorhanden ist,
gleichviel in welchem Organe die Metastase sitzt. Daraus ergiebt sich, dass
die Glykogenbildung auf einer spezifischen Tliätigkeit der Geschwulstzelle
beruht, w'elche allerdings von allgemeinen Faktoren beeinflusst werden
kann; wofür die Beobachtung Aska na zys spricht, dass mit zunehmender
Kachexie in dem Recidive des von ihm untersuchten Nierentumors das
(ilykogen schwand. — Es erscheint aus allen diesen Gründen erlaubt, fol-
gende Hypothesen über die Bedeutung des Glykogens unter pathologischen
Bedingungen aufzustellen.
1. Das Auftreten des Glykogens bei Entzündungen, Ei-
terungen, Nekrosen etc. ist durch einen gesteigerten Gewebs-
zerfall bedingt.
2. Das Vorkommen von Glykogen in Neoplasmen, die
nicht von glykogenhaltigen Epithelien abstammen, weist auf
die embryonale Abstammung derselben hin und ist der Aus-
druck eines veränderten und gesteigerten Stoffwechsels der
Zellen.
12*
ISO Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
E.
Die albnminösen Degenerationen.
Von
O. Lubarsch» Rostock.
Der BegrifE der albuminösen Degeneration ist von Klebs (Handbuch
der allgem. Pathologie Nr. II S. 100) eingeführt worden. Er versteht
darunter solche Ernährungsstörungen, bei denen unlösliche Eiweisskörpei
in den Geweben abgelagert werden unter mehr oder weniger grossen
Funktionsstörungen. Er unterscheidet dabei drei Fälle : l. Die celluläre
oder protoplasmatische Degeneration — lebendes Eiweiss wird in
totes verwandelt. Prozesse, welche der Nekrose nahestehen. 2. Exsuda-
tive albuminöse Degeneraton. Cirkulierendes Eiweiss wird durch
eine Art von Koagulation in ungelöstes umgewandelt und von den Cir-
kulationsbahnen aus innerhalb von Zellen und Zellprodukten abgelagert,
wobei die Ablagerungsstätten sich passiv verhalten. 3. Sekretorische
Form der albuminösen Degeneration. Die Zufuhr der ungelösten
EiweissstofEe geschieht unter Einfluss von Drüsenzellen. — Diese Ein-
teilung, welche vom Standpunkt des Verständnisses der Vorgänge aus ent-
schieden Vorteile bietet, hat insofern Nachteile, als man sehr eng zusammen-
gehörige Prozesse auseinanderreissen müsste — wie man z. B. hiernach
sowohl bei der schleimigen, als hyalinen Degeneration einzelne Teile
unter die 2., andere unter die 3. Kategorie zu stellen gezwungen wäre.
Klebs behält daher auch selbst in der speziellen Auseinandersetzung die
bisherigen Einteilungen bei und auch im folgenden soll dies geschehen.
Nur möchte ich der Besprechung der mucinösen, kolloiden, hyalinen und
amyloiden Degeneration ein Kapitel vorausschicken, in dem zwei Bildungen
besprochen werden, welche unter die gewöhnlichen Kategorieen nur schwer
unterzubringen sind, am meisten aber noch dem sekretorischen oder de-
generativen intracellulär gebildeten Hyalin (Kolloid) entsprechen.
»
a) Die Russe Ischen Fuchsinkörperchen und die Corpora
amylacea.
Litteratur.
1. Fox, W., Medical chirnrgical Transactions. Bd. XLI. S. 361.
la. Goldmann, Beitrag zur Lehre von malignen Lymphom. CentralbL f. allgem. Pathol.
Bd. m. S. 665.
2. Klebs, Handbuch der allgemeinen Pathologie. Bd. IL
3. Elien, Über die Beziehungen der Russeischen Fuchsinkörperchen zu den Alt-
mann sehen Zellgranulis. Zieglers Beiträge. Bd. XL 8. 125.
4. Lubarsch, Über das Vorkommen und die Bedeutung des Glykogens in normalen
und pathol. Bildungen. Verhandl. der naturforschenden Gesellschaft in Rostock 1892.
AlbumiDöse Degenerationen. 181
5. Lnbarsch. Beiträge zur Histologie der von Nebennierenkeimen ausgebenden Nieren-
geschwObte. Vir eh. Arch. Bd. 135. S. 149.
6. May, Zur pathologischen Anatomie des menschlichen Magens. Sitzungsberichte der
GeseUscbaft für Morphologie und Physiologie in München. 1890. Bd. 5, 6.
7. Niehns, Beitrag zur Pathologie der Cavemitis chronica. Vir eh. Arch. Bd. 118. S. 161.
8. Posner, Studien fiber Steinbildung II. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 16. S. 144.
9. Raum, über granuläre Einschlüsse in Geschwulstzellen. Arch. f. mikrosk. Anatomie.
Bd. 39. Heft 1. S. 137.
10. Redlich, Die Amyloidkörperchen des Nervensystems. Jahrbücher f. Psychiatrie.
Bd. 10. Heft 1.
11. Rüssel, Anadress on a characteristic Organ ism of Carcinoma. Brii med. joum. 1890.
p. 1356.
12. Sachs, Zur Kenntnis der Magendrüsen bei krankhaften Zuständen. Inaug. -Dissertation.
Breslau 1886.
13. Seifert, Über Russeische Fuchsinkörperchen. Sitzungsberichte der Würzburger
physikal.-med. Gesellschaft. Y. Sitzung. 3. März 1894. Sonderabdruck.
14. Siegert, Untersuchungen über die , Corpora amylacea sive amyloidea*. Vir eh.
Arch. Bd. 129. S. 513.
lo Touton, Ein durch Arsen geheilter Fall von sogenannter allgemeiner Hautsarkomatose
auf leukämischer oder pseudoleukämischer Grundlage. Protozoenähnliche Gebilde
(Russe Ische Eörperchen) in den Hauttumoren. Münch. med. Wochenschr. 1893.
Nr. 2 u. 3. Sonderabdruck.
16. Derselbe, Über Rüssel sehe Fuchsinkörperchen und Gold mann sehe Kugelzellen.
Virch. Arch. Bd. 132. S. 427.
1~. Derselbe, Demonstration von Gregarinenpräparaten und solchen von Russe Ischen
Körpercfaen. Sonderabdruck aus den Verhandlungen des IV. deutschen Dermatologen-
Kongresses.
15. Wichmann, Die Amyloiderkrankung. Zieglers Beiträge. Bd. 13. S. 534.
Die Ru SS eischen Fuchsinkörperchen, die im Jahre 1890 von Rüssel
als Sprosspilze und Erreger der Krebsbildung beschrieben wurden, haben
das Schicksal gehabt, mehrfach entdeckt zu werden. Prof. Langhans
liat mich vor 2 Jahren brieflich darauf aufmerksam gemacht, dass eine
genaue Beschreibung der Fuchsinkörperchen sich bereits in der Arbeit
seines Schülers Niehus über die Cavernitis chronica findet. Hier wird
zugleich auf eine Arbeit von Sachs hingewiesen, welcher im Bindegewebe
der Magenschleimhaut namentlich in den oberen Schichten, in Spalten und
Lücken des Gewebes glänzende, rundliche und gebuckelte Körperchen auf-
fand, die, nach der Beschreibung zu urteilen, mit den Fuchsinkörperchen
identisch sein müssen. Dieselben Gebilde sind bereits früher, wie ich einer
Notiz v. Recklinghausens (AUgem. Pathologie des Kreislaufs, S. 411)
entnehme, von William Fox (1) als Hyalinkugeln in dem Bindegewebe
der verdickten Magenschleimhaut gesehen worden. Mir selbst waren die
glänzenden, nach der Gram sehen und Weigert sehen Methode färbbaren
Gebilde bereits seit 1887 aufgefallen und ich habe sie auch in meiner
Arbeit „Untersuchungen über die Ursachen der angeborenen und erworbenen
Immunität" auf Seite 116 kurz beschrieben, da ich ihnen besonders häufig
182 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
in den Nieren von an Milzbrand verstorbenen Mäusen begegnet war. End-
lich hat noch Goldmann (la), dem vielleicht die Mitteilungen von
Rüssel entgangen waren, in einem Falle von malignem Lymphom Gebilde
beschrieben, die er als „Kugelzellen'^ beschreibt, da er neben stark acidophileu
Kugeln im Protoplasma Kerne nachweisen konnte. Wenn wir zunächst von
diesen Befunden absehen, müssen wir die Fuchsinkörperchen folgender-
massen charakterisieren: Es handelt sich um völlig homogene, runde
Körperchen verschiedenster Grösse, welche meist frei zwischen den Zellen
liegen. Nach Klien (3) haben die kleinsten einen Durchmesser von etwa
0,5, die grössten einen solchen von circa 20 Mikren. Niehus (7) giebt
einen Durchmesser von 1 bis 12 ^i an, Touton (16) erwähnt Kugeln bis zu
25 /M Grösse, May (6), Seifert (13) machen keine Grössenangaben, eben-
sowenig Goldmann (la) und Raum (9), aus dessen Abbildungen aber
hervorgeht, dass sie nur die mittelgrossen Gebilde von der Grösse eines
roten Blutkörperchens gesehen haben. Sie besitzen fast immer einen be-
deutenden Glanz und namentlich im Wasser untersucht haben sie eine
gewisse Ähnlichkeit mit Fetttropfen. Die grössten hegen einzeln zwischen
den Gewebszellen, die kleineren dagegen in Gruppen von 6 — 8, 10, 20—30,
ja mehr Individuen (Klien, Niehus, Touton, Lubarsch). Tinkto-
riell sind sie dadurch charakterisiert, dass sie sich sowohl nach der Grani-
Weigert sehen Gentianamethode , wie nach der Russe Ischen (Karbol-
säurefuchsin, l®/o Karbolsäiu'ejodgrün) intensiv färben, und femer eine
besondere Affinität zu sauren AnilinfarbstofFen zeigen, so dass sie bei An-
wendung der Ehrlich-Biondischen und Bergonzinischen Triacid-
lösung, sowie der van Giesonschen Färbung durch Säurefuchsin inten-
siv gefärbt werden. Touton (16) giebt allerdings für die geringe Anzahl
der von ihm untersuchten Fälle an, dass hierbei die Pikrinsäiu^färbung
überwiegt, Seifert erwähnt mit Recht, dass die van Giesonsche Methode
nicht immer ganz gleichmässige Färbung ergab; auch ich kann das be-
stätigen, muss aber hinzufügen, dass die Differenzen wohl davon abhängen,
dass die Zusammensetzung der Lösung keine konstante ist. Übrigens
kommt es auch bei Anwendung der Triacidlösungen vor, dass einzelne
Körperchen nicht durch Säurefuchsin, sondern durch Orange gefärbt werden,
wie überhaupt auch bei Anwendung der G ramschen und der Russeischen
Methode mannigfache Verschiedenheiten in der Intensität der Färbung
auftreten. Von anderen Tinktionen sei noch hervorgehoben, dass nach
den Angaben von Sachs (12) und Niehus (7) bei den eigentümlichen
Gebilden der Magenschleimhaut durch Färbung mit HämatoxyUn-Kali-
bichromicum nach Heide nhain eine Schwarzfärbung eintritt. Die Fär-
bungen mit anderen Farbstoffen, namenthch mit Kemfarbstoffen, sind sehr
inkonstant; Seifert erwähnt, dass sie durch Boraxkarmin schwach gefärbt
Albuminose Degenerationen. Ig3
werden, was ich bestätigen kann. Eine Kontroverse besteht darüber, ob
die (iebilde eine besondere Hülle besitzen. Klien beschreibt um die
Körperchen herum einen lichten Hof, der nicht nur die einzelnen Körper-
eheu umgiebt, sondern auch bei den aus kleinen Körperchen bestehenden
Gruppen und Haufen vorhanden ist; und auch Niehus beschreibt einen
glashellen, glänzenden Saum, der bei den Kugeln mittlerer Grösse von
4,5—7 /i Durchmesser eine Breite von 1 /i erreicht und sich gegen
das gefärbte Innere der Kugel ziemlich scharf absetzt. Touton bestreitet
dagegen das Vorhandensein eines derartigen Hofes und meint, dass dort,
wo zwischen Zellprotoplasmeu und den Kugeln ein lichter Ring vorhanden
ist, es sich um eine Retraktionserscheinung postmortalen Ursprungs durch
die Alkoholhärtung handelt. Toutons Ansicht ist nur dadurch erklärlich,
dass er die eigentüchen frei liegenden, nicht in Zellen eingeschlossenen
Fuehsinkörperchen, wie seine Abbildungen und Beschreibungen ergeben,
gar nicht zu Gesicht bekommen hat. Bei den Gebilden, die Rüssel (11)
in erster Linie im Auge gehabt hat, kann man sich oft von dem Vor-
handensein eines derartigen Hofes überzeugen, der auch im ungefärbten
Präparat bei Untersuchung im Wasser als ein stärker konturierter Ring
auffällt Dass der Hof nicht ein Artefakt (durch Alkoholhärtung) ist, geht
auch daraus hervor, dass er sich auch in solchen Präparaten nachweisen lässt,
die in Müllerscher oder Zenkerscher Lösung, Sublimat oder Formalin ge-
härtet sind. Was endhch die Gestalt anbetrifft, so stimmen alle Untersucher
darin überein, dass die Hauptform die Kugelform ist; nur Sachs giebt
an, dass sie gebuckelt sind und wie eine dicht behaugene Traube aussehen
können, Touton (16, 17) beschreibt auch längliche und elliptische Formen;
May (6), dessen Befunde, wie weiter unten erörtert werden soll, ebenfalls
hierher gehören, schildert sie als teils kreisrunde, teils ovale oder längs
gestaltete, homogene, mattglänzende Gebilde. Wenn man ein Urteil darüber
ge^-iunen will, ob die von verschiedenen Autoren beschriebenen und nicht
direkt als Russeische Körper bezeichneten Gebilde zusammengehören oder
doch wenigstens nahe mit einander verwandt sind, so ergiebt sich zunächst
ein bereits vorhin angedeuteter Unterschied; ein Teil der Autoren (Gold-
mann, May, Touton, Seifert) beschreibt nur die in Zellen eingeschlossenen
Kugeln, die eigentlichen Goldmannschen Kugelzellen, ein anderer Teil
dagegen (Sachs, Niehus, Lubarsch, Rüssel, Klien) berichtet in erster
Linie über frei, nicht sicher in Zellen eingeschlossene Gebilde. Freilich
hat auf der einen Seite Seifert (13) ein Freiwerden der Kugeln durch
Bersten der Zellmembran beschrieben und auf der anderen Seite glaubt
Klien (3) auch einen Teil der Kugeln, an denen von Zellbestandteilen
nichts mehr erkannt werden kann, als intracelluläre Gebilde auffassen zu
müssen, indem er die Fettzellen zum Vergleich heranzieht. Sachs, welcher
184 Allgem. patho]. Morphologie und Physiologie.
allerdings auch Zellbestandteile in seinen Schollen der Magenschleimhaut
nachwies, glaubt, dass die Kerne und Zellfe-agmente von eingewanderten
Leukocyten herrühren und May (6) rechnet die Kerne, die er fand, gar
nicht zu den glänzenden Gebilden, welche er als hyaline Tromben ansieht,
sondern betrachtet sie als Kerne von GefässendotheUen. Es kann kaum
einem Zweifel unteriiegen, dass auch die frei liegenden Kugeln grössten-
teils aus den im Zellprotoplasma liegenden hervorgangen sind, namentlich
deswegen, weil es mitunter noch gelingt, in typischen Russeischen Kör-
pern einen Protoplasmasaum und einen, wenn auch nur sehr schwach färb-
baren, Kern nachzuweisen ; nur bei manchen in Bindegewebsspalten Hegen-
den länglichen Gebilden wird es zu erörtern sein, ob man sie nicht als
Lymphthromben betrachten darf. Im übrigen ist es im einzelnen nicht
gut möglich, zu entscheiden, ob alle zu den Russelkörpem gerechneten
Gebilde hierher gehören; geht man auf die ursprünglichen Angaben
Russeis zurück, so wird man z. B. die Angaben Unnas, Töröks,
Vorenheckes und Tommasolis über hyaline Degenerationen des Epitliel-
protoplasmas, die Seifert ebenfalls hierher rechnet, ausscheiden müssen,
weil hier weder stets eine deutliche Kugelform noch die Anordnung zu
mehreren Paaren vorhanden ist; ob aber diese Dinge nicht doch genetisch
hierher gehören, wird sich erst feststellen lassen, wenn die Entstehung der
typischen Russeischen Körper klargestellt ist.
Wo findet man nun die Fuchsinkörperchen? Sachs (12) hat bereits
hervorgehoben, dass die unter pathologischen Verhältnissen in der Magen-
schleimhaut reichlich gefundenen Gebilde auch normalerweise vorkommen ;
N ich US (7) hat sie in der normalen Glans penis, wenn auch in wenigen
Exemplaren, einzeln oder in Gruppen von 2 — 3 Individuen, Seifert (13)
in der normalen Nasenschleimhaut gefunden. Klien (3) giebt an, dass in
der Leber und der Nebenniere eines 70jährigen an Marasmus senilis ver-
storbenen Mannes reichlich Fuchsinkörperchen vorhanden waren, obgleich
andere als regressive, atrophische Veränderungen in den betreffenden Organen
fehlten. Ich selbst habe bereits an verschiedenen Stellen (4, 5) mitgeteilt,
dass sie sowohl in normalen, wie pathologischen Bildungen vorkommen
und auf ihr Vorkommen in deit normalen menschlichen und tierischen
Nebenniere hingewiesen. Meine fortgesetzten Untersuchungen, die sich auf
ein sehr grosses Material erstrecken, haben folgende Resultate ergeben.
Die Russe Ischen Körper finden sich normalerweise beim Menschen: in
den Schleimhäuten der Nase, der Highmorshöhle, der Mundhöhle, des
Magens und -Darms, der Urethra, Harnblase und des Endometriums, m
den Lymphknoten, Tonsillen und Milz, den Nieren, dem Gehirn und Rücken-
mark. Hier sind sie allerdings nicht regelmässig, aber bei genügender
Ausdauer doch meistens, wenn auch in geringer Anzahl, nachzuweisen;
Albaminöse Degeneration. Ig5
vermisst habe ich sie bis jetzt in der Leber, den Lungen, dem Herzfleisch
und der Speiseröhre. Wo sie normalerweise gefunden werden, liegen sie
stets deutlich extracellulär und meist zu mehreren Exemplaren vereinigt.
Bei Tieren ist das Vorkommen nicht so regelmässig, so habe ich sie bei
Kaninchen und Meerschweinchen im gesamten Magendarm traktus fast immer
vennisst, dagegen in Lymphknoten, Gehirn, Rückenmark imd Niere meistens
gefunden. Bei Fröschen, Salamandern, Schildkröten und Blindschleichen
kommen sie auch im Darmkanal, seltener in der Milz, vor. Diese verschie-
denen Ergebnisse legen die Frage nahe, ob wir in der That behaupten
dürfen, dass sie bereits unter ganz normalen Verhältnissen vorkommen.
Es ist auffallend, dass sie beim Menschen, wo wir doch das Untersuchungs-
niaterial von Leichen oder von Menschen erhalten, die irgend einen krank-
haften Prozess an sich haben, so viel häufiger gefunden werden, als bei
Tieren, die wir in vollster Gesundheit zum Zweck der besonderen Unter-
suchung töten können. Man könnte daher wohl die Meinung vertreten,
dass das Vorkommen von Russeischen Körpern stets der Ausdruck einer
gewissen Alteration des Individuums sei; jedenfalls können wir aber mit
Sicherheit feststellen, dass sie beim Menschen mit einer gewissen
Regelmässigkeit auch in solchen Geweben angetroffen werden,
die irgend welche pathologischen Veränderungen sonst ver-
missen lassen, d. h. es würde dabei die lokale Intaktheit betont werden,
ohne bereits zu präjuduzieren, ob es sich nicht doch um eine Ablagerung
von Substanzen handle, die erst bei, wenn auch geringfügigen, Störungen
entstehen. — Einen ausführlichen Überblick über die einzelnen krankhaften
^'e^ände^ungen zu geben, bei denen sie in grösserer Anzahl auftreten, ist
kaum nötig. Denn man kann feststellen, dass es kaum einen Prozess giebt.
Im dem sie vermisst werden. Rüssel (11) hat freilich angegeben, sie
zwar unter 45 Carcinom fällen 43 mal, sonst aber nur ganz ausnahmsweise
(in einem Ulcus crxuis, Gelenktuberkulose, Kehlkopfssyphilis, Gumma der
Dura mater, Mammaadenom) gefunden zu haben ; aber die weiteren Unter-
suchungen haben das nicht bestätigt. Klien fand sie in Sarkomen, Carci-
nomen, Adenomen, bei Tuberkulose, in atrophischer Nebenniere, Leber und
Lunge, Niehus bei Cavernitis chronica, Sachs bei verschiedenen patho-
lo^schen Zuständen des Magens, Touton und Gold mann bei Lympho-
sarkomatose, ersterer auch noch in Carcinomen, Seifert bei allen akuten
und chronischen Entzündungen der Nasenschleimhaut, in syphilitischen
und tuberkulösen Bildungen, in hypertrophischen Gaumen- und Rachen-
tonsillen, in Schleimpolypen der mittleren Muschel, während sie dagegen
iu mehreren bösartigen Tumoren des Nasen- und Rachenraumes vermisst
wurden; endlich hat nach einer Angabe von Klien Birch-Hirschfeld
Hv besonders reichUch bei den verschiedensten sypliilitischen Bildungen
Igg Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
gefunden und Oornil und Alvarez (Archives des physiologie, 1885, Tom.
6, S. 24 und 25) haben beim Rhinosklerom in Zellen eingeschlossene kugelige
Gebilde beschrieben, die zweifellos hierher gehören. — Da durch diese Über-
sicht schon fast alle pathologische Prozesse erschöpft sind, so will ich aus
meinen sich auf ca. 2000 Präparate erstreckenden Erfahrungen nur das
anführen, was zur Ergänzung dienen kann. Ich habe sie noch gefunden
in Papillomen der Haut und Schleimhäute, in Fibromen des Zahnfleisches
(Epuhs), in Adenomen der Niere und Leber, bei Leukämie, Pseudoleukämie
und Typhus in den lymphatischen Neubildungen der Niere, Leber- und
Lymphknoten, bei Leukämie auch im Knochenmark, bei experimentell er-
zeugter Nierenentzündung, bei akuter, subakuter und chronischer Nephritis
des Menschen, bei glandulärer Endometritis, in Myomen des Uterus und
Magendarm traktus , bei atrophischen Zuständen des Gehirns, sowie in der
Nähe von Erweichungsherden und Tumoren, in akuten, eitrigen und
chronischen Entzündungen des Pankreas, bei sämtüchen pathologischen
Prozessen des Magens, die ich zur Untersuchung erhielt und besonders
reichlich in den verschiedensten aktinomykotischen Granulationen. — Hier-
bei ist noch zu bemerken — und das bezieht sich nicht nur auf meine
Erfalirungen — dass sie bei allen den Prozessen, wo man sie antrifft, durch-
aus nicht konstant gefunden werden, d. h. man findet sie z. B. sehr häufig
in Carcinomen und Sarkomen, bekommt aber auch hier und da solche zur
Untersuchung, in denen sie vermisst werden. Häufig finden sie sich bei
den genannten pathologischen Prozessen in wahrhaft ungeheuerer Menge,
immer sind sie reichlicher vorhanden, als unter normalen Verhältnissen.
Welcher Natur sind nun die Fuchsinkör perchen ? Die Ansicht Rus-
seis (11), dass es sich um Sprosspilze handle, kann füglich übergangen
werden, nachdem besonders Klien (3) sie eingehend widerlegt und damit
allgemeine Zustimmung gefunden hat. Touton, der sie anfangs (15) für
Sporozoen hielt, hat sich dann weiter (16, 17) der Mühe unterzogen, diffe-
rentialdiagnostische Merkmale zwischen ihnen und Protozoen aufzufinden.
Er giebt darüber folgendes an: die Sporozoenkugeln nähmen mit Vorliebe
die Kernfarbstoffe an und verhielten sich gegen saure AniUnfarbstoffe ab-
lehnend, während sich die Russeischen Körper umgekehrt verhielten;
auch wäre bei den Sporozoen doch wenigstens eine Andeutung von Keru
vorhanden, bei den Coccidien läge der relativ kleine Kern stets in der Mitte
der rundlichen oder ovalen Zelle, während gerade bei den Kugelzellon der
oder die Kerne — denn es kommen auch 2—3 vor, was bei Protozoen
ebenfalls nicht beobachtet wird — an die Peripherie der Zelle gedrängt
wäre. Diese von Touton angegebenen und demonstrierten Unterschiede
ti*effen thatsächlich nur während bestimmter Entwickelungsstadien der
Sporozoen zu, während es namentlich bei den Coccidien des Kaninchens
Albaminöse Degeneration. Ig7
und gewissen im Salamaiiderdarm vorkommenden Protozoen Stadien giebt,
wo eine grosse Übereinstimmung herrscht; das ist nämlich der Fall, wenn
der Goccidienleib mit Paraglykogenkömem vollgepfropft ist — letzere,
welche als mehr oder weniger grosse Kugeln von etwa 4— 5 /i Durch-
messer auftreten, füllen den grössten Teil der Coccidienzelle an und drängen
den Kern an die Seite und wenn man sich nur auf morphologische Kri-
terien einlassen wollte, könnte während dieses Stadiums thatsächlich eine
Verwechslung mit Fuchsinkörperchen stattfinden, die natürlich bei genauerem
Studium der Entwickelung völlig ausgeschlossen ist. Nach dieser Richtung
ist auch, worauf auch Touton (16) aufmerksam macht, die Lagerung der
Russe Ischen Körper von Wichtigkeit. Diese liegen frei im Bindegewebe
und dessen Spalten, während die Sporozoen intracelluläre Parasiten sind.
Nach Klien (3) liegen die Körperchen in Geschwülsten vorzugsweise in
dem Grenzgebiet zwischen Geschwulst- imd Muttergewebe und in letzterem
selbst; das tritt namentlich in Sarkomen deutlich hervor, während in Carci-
nomen sowohl in dem kleinzellig infiltrierten Gewebe, wie den Krebszellen
selbst, die Körperchen vorkommen. — In Bezug auf die Deutung der
Gebilde stehen sich im w^esentüchen folgende Anschauungen gegenüber.
Touton hält die in Bindegewebszellen, vielleicht auch in wandernden
Leukocyten vorkommenden Kugeln für aus dem Blute hervorgegangen und
zwar aus einer in den Blutgefässen vorhandenen, homogene („hyaline**)
Thromben bildenden Substanz. May (6) erklärt die von ihm in der Magen-
schleimhaut bei Carcinom, Lungentuberkulose und chronischem Herzleiden
gefundenen, excentrische Kerne besitzenden Gebilde schlechtliin für hyaline
Thromben der Schleimhautkapillaren. Sachs (12) dagegen hat eine Identi-
fizierung mit dem v. Recklinghausenschen Hyalin abgelehnt, weil sie
sieh auch mit basischen Farbstoffen tingieren lassen; ebenso hat er eine
Entstehung aus Kernen, welche Redlich (10) bei seinen zweifellos hierher
gehörigen „Corpora amylacea" des Centralnervensystems annimmt, abgelehnt ;
er glaubt, dass es sich um ein Produkt der Gewebsflüssigkeit handelt, wo-
bei zu einem anfänglichen Gerinnungsprozess ein degenerativer hinzutrat.
Niehus hat sich aller Hypothesen über die Natur der Körperchen ent-
halten und nur festgestellt, dass sie nicht gut in einem thatsächlichen Zu-
sammenhang zu der Entzündung stehen könnten, da sie ja auch im nor-
malen Gewebe vorkommen; vielmehr schienen andere chronische Reize
einen Einfluss auf ihre Vermehrung zu besitzen. Seifert und Klien
sind dagegen der Meinung, dass es sich um eine eigenartige Umwandlung
^es Zellprotoplasmas handelt. Seifert bezeichnet diese Degeneration
schlechthin als hyaline und glaubt zwei Entwickelungsstadien annehmen
zu müssen. Einmal bilden sich von Anfang an im Protoplasma nahezu
gleich grosse Kügelchen, die schliesslich die ganze Zelle ausfüllen, sich
188 Allgem. patfaol. Morphologie und Physiologie.
durch gegenseitigen Druck abplatten und durch Bersten der Zelhnembran
frei werden können. Im anderen Fall bilden sich im Protoplasma nur
einzelne verschieden grosse Kügelchen, welche allmählich grösser werdend
konfluieren, so dass nur eine sehr grosse homogene Masse die Zelle aus-
füllt; auch diese Massen können durch Bersten der Zellmembran frei wer-
den und dann nach Seiferts Meinung resorbiert werden. — Klien hat
die Meinung vertreten, dass die Fuchsinkörperchen nichts anderes sind, als
veränderte Altmannsche Granula und zwar solche, welche durch Fett-
assimilation sich vergrössert haben. Als Stütze dieser Ansicht führt Klien
eine Reihe von Fällen an, in denen er auch nach der Altmann sehen
Methode zur Darstellung der Zellgranula untersuchen konnte imd eine
völlige Übereinstimmung zwischen den Fuchsinkörpercheji und durch Fett-
aufnahme vergrösserten Granulis auffand. Freilich war es durchaus nicht
immer möglich, eine derartige Übereinstimmung nachzuweisen, und nament-
lich in einem Lymphosarkom waren viel mehr Fettgranula (die sich durch
Osmiumsäure schwärzten) vorhanden, als Fuchsinkörperchen. Da fenier
bei Härtung in Müll er scher Flüssigkeit mehr Fuchsinkörperchen sichtbar
werden, als bei Alkoholhärtung, so glaubt Klien, dass man es in der That
bei den Fuchsinkörperchen mit einer Fettverbindung zu thun hat, welche
eine Vorstufe der Assimilation der Neutralfette darstellt.
Von den angeführten Ansichten ist es leicht, die von Touton und
May zu widerlegen. Toutons Meinung stützt sich auf die in wenigen
Fällen gemachte Beobachtung, dass in den Blutgefässen rundliche und
unregelmässig geformte (korall enstockähnliche) Massen vorhanden waren,
die sich durch die Russe Ische Färbung ebenfalls rot tingierten, so dass
namentlich die kugelförmigen Massen schwer von den eigentlichen Russel-
körpern unterscheidbar waren. Weim selbst diese Beobachtungen häufiger
eintreffen sollten, als es der Fall ist, wäre es keineswegs erlaubt, die
glänzenden Kugeln in Bindegewebszellen aus dem Blute abzuleiten; son-
dern es würde — vorausgesetzt, dass nicht nur in der Färbung, sondern
auch im mikrochemischen Verhalten völlige Übereinstimmung konstatiert
werden könnte — höchstens der Schluss erlaubt sein, dass die an ver-
schiedenen Stellen gefundenen Substanzen auf die gleiche Art entstanden
wären. Nun bekommt man aber, wie Seifert schon mit Recht anführt
und wie ich auf Grund meiner ausgedehnten Untersuchungen bestätigen
kann, sehr häufig, ja meistens Russeische Körper zu sehen, ohne die
von Touton beschriebenen Veränderungen des Blutgefässinhalts ; auch ist
es keineswegs richtig, dass gerade Cirkulationsstörungen und Alteration
der Blutbeschaffenheit die Bildung der Kugeln begünstigen, wie schon daraus
hervorgeht, dass sie auch unter normalen Verhältnissen häufig beobachtet
werden. Ob femer die in den Blutgefässen liegenden Kugeln überhaupt
Albuminuse Degeneration. Ig9
bereits intravitale oder erst postmortale Bildungen sind» ist äusserst zweifel-
haft; namentlich die auf Toutons Fig. 9 abgebildeten Kugeln scheinen
mir einfach frei gewordene Hämoglobinkugeln zu sein, die ja bekanntlich
saure AnilinfarbstofEe ebenfalls begierig aufnehmen. — Mays Anschauung
wird nach meiner Überzeugung dadurch widerlegt, dass 1. regelmässig in
den Gebilden ein Kern nachzuweisen ist, den May freilich für den Kern
einer KapiUarendothelzelle hält. Wenn das der Fall wäre, müsste es doch
möglich sein, auch noch an der gegenüberliegenden Seite einen Kern zu
finden, was mir nie gelungen ist; 2. durch die Form der glänzenden Ge-
bilde; sie sind durchaus nicht immer länglich (der Form der Kapillaren
entsprechend), sondern häufig gebuckelt, aus mehreren Kugeln zusammen-
gesetzt; 3. kann man neben ihnen mitunter deutlich die gefüllten Kapillaren
zur Darstellung bringen; 4. sind sie mit den hyalinen Thromben v. Reck-
linghausens und von Openchowskis keinenfalls identisch, da diese
nicht nur in den Schleimhautkapillaren, sondern auch in grösseren Gefässen
gefunden wurden, deren Wandungen selbst hyaUn degeneriert waren; 5. habe
ich namentlich in Carcinomen des Duodenum und Pankreaskopfes die gleichen
Gebilde nicht nur an der Oberfläche gefunden, sondern auch zwischen
Epitheüen eindringend nachweisen können, so dass kein Zweifel besteht,
dass es Wanderzellen sind. — Freiüch muss ich zugeben, dass mitunter
eine grosse Ähnlichkeit mit hyalinen Kapillarthromben vorhanden ist und
dass es wohl möglich ist, dass ein Teil unserer Gebilde Kapillar- oder
Lymphthromben sind. — Am meisten Beachtung verdient wohl die Auf-
fassung Kliens, der ich mich insofern anschliessen kann, als es mir
zweifellos erscheint, dass die eigentlichen Fuchsinkörperchen nicht aus dem
Blute oder dem Saftstrome abgelagerte Substanzen, sondern Zellprodukte
sind. Auch das ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass wenigstens
ein Teil derselben veränderte Zellgranula sind. Ausser durch die Beob-
achtungen Kliens wird das sichergestellt durch meine in der Arbeit
meines Schülers Burmeister*) näher angeführten Beobachtungen über
die durch chromsaures Ammoniak erzeugte Nephritis. Hier Hess sich
einerseits feststellen, wie mit zunehmender Degeneration derNierenepithelien
die Zellgranula durch Konfluenz sich vergrössern und dann als grössere
Kugeln aus den Zellen hervortreten, andrerseits, dass sie die gleichen färberi-
^•lien Reaktionen annehmen, wie Fuchsinkörperchen und schliesslich zu
grossen Ballen, die hyalinen Nierencylinder verschmelzen. Ein zweiter
^vichtiger Punkt, der mir dafür zu sprechen scheint, dass es sich wesent-
lich um chemische imd physikalische Veränderungen bereits präexistierender
1) Burmeister, Beiträge zur Histologie der akuten Nierenentzündungen. Vir eh.
Arch. Bd. 137.
190 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Granulationen handelt, ist die von den meisten Untersuchern notierte That-
Sache, dass dort, wo Vermehrung von Fuchsinköperchen besteht, auch
eine Vermehrung von Mastzellen nachgewiesen werden kann. Schon Nie-
hus (7) hat aus dem Nebeneinandervorkommen beider Gebilde die Ver-
mutung geschöpft, dass beide zu den Gewebsveränderungen in dem gleichen
oder einem ähnlichen Verhältnisse stehen, und Klien (3) hat darauf hin-
gewiesen, dass Mastzellen und Russe Ische Körper in Geschwülsten eine
gleichartige Lagerung besitzen. Diese Momente würden natürlich noch
nicht genügen, um eine genetische Beziehung zwischen Mastzellen und
Russe Ischen Körpern nachzuweisen, um so mehr als ja die Granulationen
der Mastzellen basophil sind*, wenn es mir (4, 5) nicht gelungen wäre
zu zeigen, dass gerade dort, wo sich Russe Ische Körper finden, auch
Reaktion und oft auch Form der Mastzellengranula verändert wird. Auch
die Mastzellengranulationen nehmen dann die Weigertsche und Russeische
Färbung an und zeigen sich stark acidophil, wenn man ein Farbstoffgemisch
anwendet, während sie bei Anwendung basischer Farbstoffe auch noch ge-
färbt werden, wie das vielfach auch mit den Fuchsinkörperchen der Fall
ist. Da ferner auch mitunter die Granula der Mastzellen deutlich ver-
grössert sind, ja sogar teilweise die Grösse der mittelgrossen Fuchsinkörper-
chen erreichen, so halte ich es für wahrscheinlich, dass ein Teil der Russ ei-
schen Fuchsinkörperchen aus den Granulis von Mastzellen und
Wanderzellen (vielleicht auch Leukocyten) durch chemische
Umwandlung und Konfluenz hervorgehen. Hierdurch würde es
sich auch erklären, warum beide Gebilde bei den verschiedensten patho-
logischen Prozessen in vermehrtem Masse und in gleicher Lokalisation an-
getroffen werden; ebenso würde auch der Parallelismus in ihrem Vorkommen
in normalen Geweben verständlich sein. Welches aber die eigentliche
Ursache ihrer Entstehung ist, würde damit noch nicht klargestellt sein,
weil wir über die Bedeutung der Mastzellen auch noch recht wenig wissen.
Hier mag nur die H5^pothese erlaubt sein, dass die granulierten Wander-
zellen unter allen Bedingungen auftreten, wo vermehrter Zerfall organischer
Substanz vorhanden ist, so dass auch unter normalen Verhältnissen die
Anwesenheit von Mastzellen der Ausdruck eines regen Stoffumsatzes sein
würde. Kommen wir damit zu dem Ergebnis, dass wahrscheinlich auch
die Russ eischen Körper nur dort auftreten, wo ein Zerfall organischer
Materie stattfindet, so können wir die ausserordentliche Verbreitung der
Gebilde und die grosse Mannigfaltigkeit der ätiologischen Momente ver-
stehen. Und es ist deswegen auch durchaus nicht von der Hand zu weisen,
dass sie durch direkten bakteriellen Einfluss entstehen, wie das Cornil
und Alvarez, sowie Pawlowsky bei Rhinosklerom annehmen. Einige
Beobachtungen von mir würden ebenfalls dafür angeführt werden können; so
AlbuminSse Degeneration. 191
habe ich namentlich bei experimenteller, sehr chronisch verlaufender
Tuberkulose der Kaninchen in der Milz geradezu ungeheure Mengen von
Fuebsinkörperchen gefunden und gerade in solchen Fällen, wo noch keine
oder nur geringe Tuberkelbildung vorhanden war. — Wie imn die freiliegen-
den Fuchsinkugeln entstehen, ob es sich um eine Art Sekretion der Zellen
cxler um eine Degeneration handelt, ist noch nicht entschieden. Es ist sehr
wohl möglich und mir sogar wahrscheinlich, dass beides vorkommt. Unter
normalen Bedingungen scheint mehr eine Art Sekretion, Freiwerden und
vielleicht auch erst nachträgliches Konfluieren der Granula, eine Rolle zu
spielen, unter pathologischen kommt auch wohl eine Zelldegeneration in
Betracht; jedenfalls habe ich öfter zahlreiche Kugeln in Zellen liegen sehen,
die keinen oder nur einen äusserst schwach färbbaren Kern besassen. —
Neben dieser Entstehungsweise aus Mastzellen, kommt zunächst noch eine
andere in Betracht, die prinzipiell mit ihr übereinstimmt: Entstehung aus
dem Protoplasma von Epithelien. Vieles von dem, was man früher schlecht-
weg als kolloide Degeneration bezeichnet hat, gehört hierhin; und gerade
liier lässt sich mitunter besonders gut die Entstehung der Körperchen ver-
folgen, wie mir das namentlich in Mammaadenomen und Magencarcinomen
mehrfach gelungen ist; denn hier sieht man zunächst die Kugeln in sonst
intakten Epithelzellen liegen, als auch findet man sie in desquamierten
Epithelien mit degenerierenden Kernen. Bei einer dritten Möglichkeit der
Entstehungsweise haadelt es sich um Gebilde, die mehr tinktoriell und
Diikrocheniisch, als morphologisch mit den Fuebsinkörperchen überein-
stimmen. Schon bei den hyaHnen Gebilden der Magenschleimhaut habe
ich es für möglich erklärt, dass es sich teilweise um Lymph- oder Blut-
gefässthromben handeln kann; noch wahrscheinlicher ist mir dies geworden
in einem Fall von Elephantiasis faciei, wo in Bindegewebsspalten und
Lmphgefässen grosse längliche und rundliche stark acidophile Schollen
gefunden wurden. — Noch weit unklarer wie die Entstehung ist die
chemische Konstitution und der Bildungsprozess der Fuebsinkörperchen.
Ob es sich um einen Quellungs- oder Gerinnungsvorgang, ja überhaupt
um einen einheitlichen Vorgang handelt, wissen wir nicht. Vieles spricht
ja für eine Art von Gerinnungs Vorgang, wie er ähnlich auch bei der
Hyalinbildung vorkommt. Die chemischen und optischen Eigenschaften
-- Unlöslichkeit in Wasser, Alkohol und selbst konzentrierteren Säuren,
starker Glanz — sowie das färberische Verhalten sprechen für eine gewisse
Venrandtschaft mit von Recklinghausens Hyalin; andrerseits weisen
Kliens Untersuchungen doch darauf hin, dass es sich um eine Fettver-
bindung handelt. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, und halte auch
noch daran fest, dass die Fuebsinkörperchen möglicherweise aus Lecithin
Wehen. Dafür würde sprechen die von mir gefundene Thatsache, dass
192 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
rein dargestelltes Lecithin die gleichen färberischen Reaktionen aufweist,
wie die Fuchsmkorperchen, femer dass sie in lecithinreichen Organen
(Nebenniere) besonders reichlich vorkommen und dass im Centralnerveu-
system die gleiche oder ähnUche optische, färberische und chemische
Eigenschaften besitzenden Kugeln aus dem Lecithin sehr nahestehenden
Myelin bestehen. — Freilich sind das noch keine scharfen Beweise; denn
die Farbenreaktionen teilen mit dem Lecithin und Myelin auch noch andere
Stoffe, wie Zelleiweiss und Paraglykogen — imd es besteht nach meinen
Untersuchungen auch kein Zweifel, dass manche der Russeischen Körj)er
dem Glykogen näher stehen, wie dem Lecithin ; femer ist das reine Lecithin
in Alkohol leicht lösUch, die Fuchsinkörperchen dagegen nicht. Aber solche
Unterschiede können ähnlich wie beim Glykogen, von der Verbindung be-
dingt sein, in der das Lecithin mit Eiweisskörpern sich befindet. — Würden
wir ein Recht haben als einen Bestandteil der Fuchsinkörperchen Lecithin
und glykogenartige Körper zu erblicken, so müssten wir zugleich die Auf-
fassung vertreten, dass wir es mit einer Zwischenstufe zur Fettmetamorphose
zu thun hätten, da aller Wahrscheinlichkeit nach Lecithin nicht aus Fett,
sondern aus Kohlehydraten oder Eiweiss als eine Vorstufe des Fettes ge-
bildet wird. Wir würden also auch darin! eine Bestätigung unserer Meinung
finden müssen, dass das Auftreten der Fuchsinkörperchen Ausdruck eines
regen Stoffumsatzes ist. —
Etwas schärfer begrenzt, wie der Begriff der Russeischen Fuchsin-
körperchen, ist der der Corpora amylacea. Freilich sind auch hier, wie
namentiich Siegert (14) gezeigt hat, verschiedenartige Dinge zusammen-
geworfen worden. Das zeigt besonders die Arbeit von Redlich (10).
Dieser Autor hat sich besonders mit den Corpora amylacea des Central-
nervensystems beschäftigt und beschreibt sie als mattglänzende, homogene
kugelige oder ellipsoide Gebilde, die niemals konzentrische Schieb,
tung besitzen sollen. Damit ist eigentlich festgestellt, dass sich seine Ar-
beit auf die eigentlichen Corpora amylacea gar nicht bezieht, denn diese
Gebilde zeigen in der That Bo gut wie regelmässig konzentrische Schich-
tung. Wenn auch die Blaufärbung bei Jodschwefelsäurezusatz Beziehung
zu den Corpora amylacea verrät, so ist es mir doch nicht ganz klar ge-
worden, w^as Redlich eigentUch unter Corpora amylacea versteht; ein
grosser Teil der völlig homogenen, strukturlosen Kugeln giebt nach meinen
Untersuchungen nicht die Jodschwefelsäurereaktion, sondern verhält sich in
allen Punkten wie die Russeischen Fuchsinkörperchen, abgesehen davon,
dass sie, wie auch Redlich angiebt, durch HämatoxyUn gefärbt werden
können; diejenigen Gebilde dagegen, die die Jodreaktion geben, sind niclit
homogen und strukturlos, sondern besitzen konzentrische Schichtung, mit-
unter auch radiäre Streifung. Ebensowenig kann ich mich Redlich s
AlbuminSse Degeneration. 193
übrigens bereits früher von Klebs (2) ausgesprochener Meinung an-
«chliessen, dass seine homogenen Amyloidkörperehen aus den Kernen der
Xeuroglia entstehen; wenn Redlieh dafür anführt, dass sie namentUch im
Rückenmark unter den Kernen verstreut und diese gleichsam ersetzend
litgen, so ist damit noch keineswegs eine Entstehung aus den Gliakernen
erwiesen, da vor allem irgendwelche Übergangsbilder f etilen ; und auch
'lie von Klebs nach Steudner angeführte glasige Umwandlung der Glia-
kerae keineswegs immer nachzuweisen ist. — Während, wie schon oben
ben-orgehoben, die im Central ner vensy st em, den Lungen, der Prostata, den
Schleimhäuten der Harnwege, in verschiedenartigen Tumoren gefundenen
i,Tü9seren, glänzenden, meist konzentrisch geschichteten Gebilde von den
meisten Autoren ohne Rücksicht auf Entstehungweise und chemische Zu-
sammensetzung unter dem Namen der Corpora amylacea zusammengefasst
wurden, hat sich Siegert (14) das grosse Verdienst erworben, eine genauere
Einteilung vorzunehmen. Er fasste zunächst die durch starkes Licht-
bn'chungsvermögen,sowiedurchgrosse Widerstandsfähigkeit gegen chemische
Ati^entien charakterisierten Gebilde unter dem Namen „Corpora colloidea''
zu:fümmen und suchte dann unter ihnen durch genauere Feststellung ihrer
morphologischen und chemischen, sowie tinktoriellen Eigenschaften eine
Siheidung vorzunehmen. Er benutzte zur Färbung teils die von Lang-
luuis zum Nachweis des Glykogens angegebene Methode, teils folgendes
Verfahren : Die in Wasser gut ausgewaschenen Schmtte werden mit starker
J'^ljodkalilösung rasch tiefbraun gefärbt und dann in konzentriertem Al-
kohol wieder völlig entfärbt und gelangen dann in 10^1 q Salzsäurelösung,
in der die Färbung der Amyloidkörper wieder gut auftritt, während das
Gt'webe entfärbt bleibt. Auf diese Weise und unter Benutzimg verschie-
'lener chemischer Agentien gelangte er zu folgender Einteilung der cor-
l-ora coUoidea:
A. Corpora versicolorata (weil sie durch Jod, Brom etc. bunt ge-
färbt werden).
Charakterisiert
1. durch ihr Verhalten zu den Halogenen (Chlor, Brom, Jod), welche
sie bunt färben; ausserdem zeigen sie die Anilinfarbstoffamyloid-
reaktion,
2. durch ihre spröde Konsistenz,
3. durch ihre Form; sie sind:
a) kugeUg, eiförmig, mehreckig mit abgerundeten Ecken,
b) konzentrisch geschichtet,
c) mitunter radiär gestreift,
LQbarich -Oster tag, Ergebnisse Abteil. U. 13
X94 Allgein. patfaol. Morphologie und Physiologie.
4. durch ihre Entstehungsweise : Sie entstehen nie durch direkte
Umwandlung von Zellen,
5. durch den Mangel an Verkalkung.
B. Corpora flava.
Charakterisiert
1. durch ihr abweichendes Verhalten zu den Halogenen und Anilin-
farbstoffen; sie werden durch Jod nur gelb gefärbt und geben
nicht die Amyloidreaktion,
2. durch ihre wachsartige Konsistenz,
3. durch ihre grosse Form Verschiedenheit, sie sind:
a) bald regelmässig kugelig, bald ganz unregelmässig gestaltet,
b) die konzentrische Schichtung kann fehlen,
c) sie sind nie radiär gestreift,
4. durch ihre Entstehungsweise: Sie entstehen durch direkte Um-
wandlung von Zellen,
5. durch ihre Neigung zur Verkalkung.
Siegert rechnet auf Grund dieser Einteilung zu den
A. Corpora versicolorata:
1. die „Corpora amylacea" des Centralnervensystems,
2. die von Friedreich entdeckten Körper der Lungen,
3. einen Teil der Prostata concretionem,
4. die „Corpora amyloidea" der Schleimhäute der Hamwege;
zu den
B. Corpora flava:
1. die „Corpora arenacea" des Centralnervensystemg,
2. die von Langhans in einem Lungencarcinom beschriebenen
Gebilde,
3. die Psammomkörner Virchows und die in verschiedenen Tu-
moren der Eierstöcke und Brustdrüse vorkommenden Gebilde,
4. einen Teil der Prostata concretionem, —
Mit dieser Einteilung befindet sich Siegert zum Teil in bewusstem
Gegensatz zu seinen Vorgängern, von denen eine Trennung nicht vorge-
nonmaen war. Nur Stilling^) hatte bereits darauf aufmerksam gemacht,
dass in der Prostata neben den typischen konzentrisch geschichteten und
radiär gestreiften, die Jodreaktion gebenden Körpern, solche vorkommen,
die nie radiär gestreift sind und nie die Jodreaktion geben; aber er hatte
1} Beobachtungen über die Funktion der Prostata und ttber die Entstehung der pro-
statischen Konkremente. Vir eh. Arch. Bd. 98. S. 1.
AlbuminÖse Degeneration. ]95
gerade daraus und einigen anderen Beobachtungen den Schluss gezogen»
Jass die Corpora amyloidea durch eine eigentümliche Umwandlung des
Protoplasmas absterbender Zellen entstehen und dass die hyalinen Massen
\'orstufen der arayloiden sind. — Bei der Frage über das Wesen der in
Frage stehenden Gebilde, die wir mit Siegert unter dem Namen Corpora
coUoidea zusammenfassen wollen, sind folgende Punkte auseinander zu
halten: 1. Unter welchen Bedingungen treten sie auf? 2. Wie entstehen
sie? 3. Worauf ist die konzentrische Scliichtung und radiäre Streif ung
zurückzuführen? 4. Wodurch entsteht die eigentümliche Reaktion der
('orpora versicolorata. —
ad. 1. Hier stimmen die meisten Untersucher überein, dass sie
unter nahezu normalen Verhältnissen auftreten. Sowohl die Corpora vcr-
sicoiorata, wie die Corpora flava sind in der Prostata und im Central-
ncrvensystem beim Erwachsenen regelmässig vorhanden, wie überein-
stimmend von Stilling, Posner (8), Redlich (10), Klebs (2) und Siegert
(14) angegeben wird. Redlich hat im Centralnervensystem Auftreten und
Lokalisation besonders studiert und giebt an, dass sie im Rückenmarke zu-
erst in den dreissiger Jahren auftreten und in den vierziger niemals ver-
misst werden; im Grosshirn finden sie sich in der Auskleidung der Ven-
trikel in erster Linie, ferner häufig im Tractus olfactorius und selten im
Kleinhirn. FreiUch sind diese Angaben aus den oben erörterten Gründen
mit Vorsicht aufzunohmen, weil sie sich nicht direkt auf die echten Cor-
[Kjra versicolorata des Centralnervensystems beziehen. Thatsächlich stimmt
t^ doch mit Beobachtungen von mir und anderen Autoren überein, so
dass hieraus schon hervorgeht, was übrigens auch Sieg er t bemerkt, dass
dort, wo Corpora amylacea sind, auch die hyalinen (Myelin-) Tropfen auf-
treten. In der Lunge und den Schleimhäuten der Harnwege sind sie nicht
^ regelmässig beim Erwachsenen aufzufinden, wie in der Prostata und dem
^'ehim; am reichlichsten finden sie sich auch hier bei älteren Personen
oder unter pathologischen Bedingungen; in der Lunge, besonders in em-
physematösen Partieen oder in der Nähe von bronchopneumonischen und
atelektatischen Herden, sowie hämorrhagischen Infarkten; in den Harn wegen
ausser im höheren Alter bei schweren Allgemeinerkrankungen (Anämie,
Tuberkulose, Krebs etc.) (Siegert). Jedenfalls ist es unter allen Um-
ständen klar, dass die Corpora coUoidea überall dort auftreten, wo schon
normalerweise oder unter pathologischen Bedingungen Rückbildungsvor-
?ange stattfinden. Es verhält sich damit ähnlich, wie mit dem Auftreten
braunen Pigmentes, welches in den verschiedensten Organen (Herz, Leber,
^ieren, Prostata, Samenbläschen, Hoden und Nebenhoden) geradezu regel-
mässig bei erwachsenen Individuen gefunden wird und für das ich den
tarnen „Abnutzungspigment" vorgeschlagen habe. Auch das Auftreten
13*
196 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
der Corpora colloidea ist nichts, wie eine Abnutzungserscheinung,
die natürlich sowohl durch allgemeine, wie lokale Verhältnisse (in der Pro-
stata durch hyaline Degeneration der Muskelfasern und „Myxangioitis liya-
linosa'' Still in g) begünstigt werden kann.
ad 2. In Bezug auf die Entstehung ist Klebs (2), welcher die Kör-
ner geradezu für Stärke hielt, der Meinung, dass gewisse Epithelzellen die
Fähigkeit besitzen Amylum zu produzieren, welches zuerst in gelöster Form
die Zellsubstanz durchtränkt, dann sich in Gestalt von Kömern ausscheidet:
die letzteren fliessen zusammen, und bilden entweder um den Zellkern
oder um Fremdkörper, die in den Zelleneingeschlossen sind, verschiedene
Schichten. Im besonderen glaubt er, anknüpfend an Beobachtungen von
ü. Klebs über die Entstehung der pflanzlichen Stärke, dass die Zellkerne
bei der Bildung des „tierischen Amylum*' beteiligt sind; und diese Auf-
fassung vertritt, wie oben erwähnt, Redlich im besonderen für die (-or-
pora amylacea des Centralnervensystems. Posner (8) glaubt, dass die
Prostatakonkretionen in ähnlicher Weise entständen, wie Harncyünder, durch
eine Art Gerinnung des flüssigen Drüseninhalts oder durch eine eigentüm-
liche Metamorphose der Epithelzellen. Als Anfangsstadien betrachtet er
helle hyaline Flecke, die uuregelmässig zerstreut ohne Schichtung aufzu-
weisen in dem mehr körnig geronnenen Inhalt der Drüsenbläschen auffallen
und jedenfalls durch einen wahren Zufall der zeUigen Elemente entstanden
sind. Dass diese hyalinen Gebilde Vorstufe der amyloiden wären, bestreitet
Pos n er schon deshalb, weil gleich grosse und daher wohl auch gleich alte Bil-
dungen, bald sehr gut, bald gar nicht auf Jod reagierten. — Auch Wicli-
mann (18) kommt bei seinen Untersuchungen zu dem Schluss, dass die
Amyloidkörper Zellenprodukte eiweissartiger Natur sind, welche durch eine
Zelldegeneratiou entstehen; inwiefern der Kern hierbei beteiUgt ist, wäre
noch nicht zu entscheiden. Siegert trennt, wie bereits hervorgehoben,
scharf die Corpora versicolorata, von den Corpora flava. Die ersteren entständen
nie durch direkte Umwandlung von Epitlielien, wie die letzteren. Bei den
('orpora versicolorata der Lunge handelt es sich nach seinef Meinung um eine
echte Steinbildung: stets findet man einen Fremdkörper (meistens Kohlenfrag-i
ment), welcher die Veranlassung zum Niederschlag der im Gebewebssaft unlös-i
liehen Substanz giebt. Wie klein aber auch das Corpus veraicoloratum ist,'
von Anfang an zeigt sich radiäre Streifung, konzentrische Schichtung und'
Jodreaktion in ausgeprägter Weise, während die spezielle Form des KörJ
pers von der Gestalt des Kerns (Fremdkörpers) abhängig ist. In wieweit
desquamierte, zu Grunde gehende EpitheUen an der Bildung der die Koii
kretionen formenden Substanz beteiligt sind, erscheint schwer bestimmbar,
Dass sie irgend eine Rolle dabei spielen, scheint Siegert sicher zu sein
weil Zahn in einem Falle in und ausserhalb von desquamierten Epitheliet
Album in Öse Degeneration. 197
Tröpfchen mit schwacher Jodreaktion fand und ausserdem die Amyloid-
körperchen ausschliesshch innerhalb der Alveolen gebildet werden. In
diesem letzten Punkte befindet sich Siegert allerdings im Widerspruch
mit Wichmann (18), der sie nur interstitiell, in meist verdichtetem Ge-
webe gehmden haben will. Ich selbst muss mich allerdings, wie das ja
auch durch Zahns ältere Untersuchungen erwiesen erschien, auf Siegerts
Seite stellen, denn ich habe niemals interstitiell gelegene Corpora amy-
lacea in der Lunge gesehen. Wich man ns Angaben scheinen mir so erklär-
lieh, dass auch hier die Körper ursprüngUch in den Alveolen lagen und
nur durch eine später folgende interstitielle Entzündung und Bindege-
websneubildung die Alveolarabgrenzung aufgehoben wurde. — ßei den
Corpora versicolorata der Prostata nimmt Siegert mit grösserer Sicher-
heit eine BeteiUgung der Drüsenepithelien an; durch degenerative Vor-
gänge in ihnen sollen Substanzen frei werden, die in Verbindung mit dem
durch Stagnation oder aus anderen Ursachen veränderten Drüseninhalt zur
Bildung der in Frage stehenden Gebilden führen. Sie unterscheiden sich
von den gleichartigen Körpern der Lungen durch das häufige Fehlen der
mdiären Streifung und dadurch, dass von aussen her allmählich Schicht
auf Schicht abgelagert wird. In ähnlicher Weise werden auch die Corpora
versicolorata des Centraluervensystems und die der Schleimhäute der Harn-
wege darauf zurückgeführt, dass freigewordenes verändertes Zellprotoplasma
mit normalem Gewebssafte in Verbindung tritt. — Die im Gegensatz zu den
Corpora versicolorata stehenden Corpora flava sollen dagegen, wie Siegert
in Cljereinstimmung mit Stilling annimmt, direkt aus degenerierten Drüsen-
('pithehen entstehen. Dieser Auffassung kann ich mich besonders für
manche Prostatakonkremente und die Psammomkugeln der Mamma-, Eier-
JitiK-ks- und Uterusgeschwülste im grossen und ganzen anschliessen mit
einigen geringfügigen Modifikationen, auf die unten näher eingegangen
werden soll.
ad 3. Die konzentrische Schichtung kann wohl meist und besonders
lj*^i den Corpora flava darauf zurückgeführt werden, dass sich um einen
Kern immer neue Schichten anlagern und so erklären ja in der That
Klebs (2), Wichmann (18) u. z. T. auch Siegert ihr Zustandekommen.
Pösner (8) sieht aber gerade in der konzentrischen Schichtung eine Stütze
hir die Anschauung, dass die Prostatakonkremente echte Steinbildungen
seien; denn er unterscheidet an einem Steine einen organischen Grund-
stmk, der im wesentlichen. aus konzentrisch gelagerten Schichten zusammen-
gesi^tzt ist, und eine den Grundstock durchsetzende Versteinerungsmasse.
Sieger t verlegt dagegen, indem er die Annahme eines organischen Stein-
Skelettes verwirft, sowohl Schichtung wie radiäre Streifung in die Materie
selbst. Es ist eben die besondere Eigenschaft der die Konkretion bildenden
198 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Materie, von dem Augenblick an, wo sie als eine unlösliche Substanz sich
niedergeschlagen habe, eine radiäre Streifung, sowie die charakteristische
Jodreaktion anzunehmen. Pos n er will dagegen die radiäre Streifung auf
eine Einlagerung von Lecithinkrystallen beziehen.
ad 4. Nur Klebs hält noch an der älteren Auffassung Virchows
fest, dass die Jodreaktion durch die Anwesenheit von Stärke bedingt sei.
Mit Recht hat Posner die Gründe dargelegt, welche gegen diese Ansicht
sprechen. 1. Ist Stärke in kochendem Wasser quellbar — die Körperclien
nicht. 2. Stärke wird durch Kochen mit verdünnten Säuren in Dextrin
und Zucker gespalten — die Körperchen bleiben unverändert. 3. Kalte
rauchonde Salpetersäure und Schwefelsäure löst Stärke, aber nicht die Kör-
perchen. 4. Reagiert Stärke auf Methyl violett und auf Bromwasser anders
als die Körperchen. — Aber auch vom echten Amyloid lassen sich die
Corpora versicolorata abtrennen. Durch Bromwasser wurden sie ähnlich
gefärbt wie durch Jod, während Amyloid ungefärbt bleibt, durch Osmiuni-
säure wurden sie dunkelbraun, Amyloid nicht, kochender Alkoholätlier löst
sie auf, während Amyloid unverändert bleibt. Wichmann hebt auch nodi
hervor, dass Methyl violett nur eine hellrote Färbung der Corpora hervor-
bringe, während Amyloid rubinrot gefärbt wird. Po sn er glaubt vielmehr,
dass die Jodreaktion durch einen lecithinartigen Körper hervorgebracht
wird, wofür folgendes spräche: 1. der Befund nadeiförmiger Krystalle (von
Lecithin?) im Innern von Prostatakonkrementen, 2. das Verhalten zu Al-
kohol-Äther, 3. die Analogie mit den Corpora des Centralnervensystems.
welche nach der herrschenden Auffassung durch eine Gerinnung des dem
Lecithin so nahe stehenden Myelin entstehen. Es gehören demnach nach
Posner zwei Faktoren zur Bildung der Corpora versicolorata: 1. Gerinnung
innerhalb eines eiweissreichen Saftes der absterbenden Zellen, 2. Durch-
tränkung dieses Gerinnungsproduktes oder einzelner Teile desselben mit
einem als Lecithin zu bezeichnenden Körper. Der Unterschied zwischen
den Corpora versicolorata und flava würde demnach wesentlich darin be-
stehen, dass bei letzteren kein Lecithin zu dem Gerinnungsprodukt hinzu-
kommt, und hierdurch wäre es auch zu erklären, dass nur die Corpora
flava, d. h. die noch unveränderten organischen Gerüst- Substanzen ver-
kalken können, nicht aber die bereits durch die Lecithinablagerung „mit
Beschlag belegten*' corpora versicolorata. — Wichmann (18) glaubt da-
gegen, dass die Farbenreaktion wahrscheinlich zum Teil auf einem stärkeren
oder geringeren Gehalt an Glykogen zurückzuführen sei, zum Teil auf
Modifikationen des Eiweisses, welche dem Amyloid nahe stehen ; doch kann
er irgend welche schärferen Beweise für diese Auffassung nicht beibringen.
Siegert hat nun besonders gegen Pos n er gezeigt, dass 1. kochender Al-
koholäther ohne jeden Einfluss auf Reaktion und radiäre Streifung bliel),
Albominöee Degeneration. 199
während kochende Salpetersäure die Gebilde zerstörte, 2. dass Lecithin erst
bei Temperaturen unter 0^ krystaUisiert , und dass alle Reagentien, die
Lecithin lösen, wie Chloroform, Benzin u. s. w. ohne Einfluss auf die Jod-
reaktion bleiben. Er erklärt daher die Ursache der Jodreaktion ebenso-
wenig angeben zu können, wie die chemische Konstitution dieser colloiden
Körper. — Auch hierin muss ich mich Siegert anschUessen und möchte
noch besonders gegen Posner und Wichmann hervorheben, dass sowohl
gegen die Lecithin- wie Glykogennatur nicht nur die mikrochemischen
Reaktionen, sondern auch die färberischen Reaktionen sprechen ; so geben
oft gerade die Körper, welche auf Jodzusatz nur braunrot werden, eine
ausgeprägte Methylviolettamyloidreaktion, was Glykogen nicht thut, während
die Hauptfärbung des Lecithins nach Rüssel und Weigert gerade bei
den Konkrementen völlig versagt, die ausgesprochene radiäre Streifung und
Jodreaktion aufweisen. — Nur in einem Punkte möchte ich mich gegen
die strenge Scheidung Siegerts bei der Entstehung der Corpora versi-
colorata und flava aussprechen — das ist bei den Psammomkörnern und
den Corpora arenacea. Wenn ich auch durchaus zugeben muss, dass für
eine direkte Umwandlung von Zellen in Corpora versicolorata keine Beweise
zu bringen sind — auch ich habe nie etwas sicheres nach dieser Richtung
hin finden können — und wenn ich weiter ebenfalls in Übereinstimmung
mit Siegert, Marchand, Flaischlen u. a. anführen muss, dass die
Corpora flava — insbesondere die Corpora arenacea und Psammomkörner
- meist durch direkte Umwandlung von Zellen entstehen, so giebt es doch
davon Ausnahmen. Ich habe mich in mehreren Fällen von Psammocarci-
uomen und Psammoadenomen des Eierstockes, sowie in einem obliterieren-
den Angiom des Plexus choroides davon überzeugen können, dass der Kern
der Psammomkugeln nicht aus epithelialen Zellen, sondern aus den Rus-
J^e Ischen Fuchsinkörperchen äusserst ähnlichen Kugeln bestand, so dass
also auch hier nicht die ganze Zelle, sondern nur Sekretionsstoffe derselben
das Punctum crystallisationis darstellten. Also lediglich durch die meist ver-
scliiedene Entstehungsweise kann der ehemische und z. T. auch morpho-
logische Unterschied zwischen Corpora versicolorata und flava nicht zurück-
geführt werden, sondern es wird wohl sehr viel, wie auch Siegert angiebt,
auf die Beschaffenheit des Gewebssaftes ankommen. Dass Corpora versi-
colorata und flava auch genetisch enger zusammengehören, wie Siegert
l)ei seiner im übrigen ja äusserst dankenswerten Scheidung erkennen lässt,
J^cheint mir auch daraus horvorzugehen , dass 1. beide Arten häufig zu-
sammen vorkommen, 2. dort wo Corpora flava auftreten fast regelmässig
in und ausserhalb der Zellen die gleichen hyalinen Tropfen sichtbar wer-
den, wie man sie bei der Entstehung der Corpora versicolorata beobachtet.
Muss man auch auf Grund der Untersuchungen Siegerts annehmen, dass
200 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
eine Umwandlung von Corpora flava in versieolorata nie oder wenigstens
höchstens ausnahmsweise vorkommt, so seheint es mir doch anderseits
sicher, dass bei der Entwickelung beider Gebilde sekretorische und dege-
nerative Vorgänge der Zelle eine Rolle spielen. Und hierin, sowie in dem
Vorkommen unter normalen und nur geringfügig-pathologischen Verhält-
nissen, sehe ich auch das Gemeinsame mit den Fuchsinkörperehen und
habe sie deswegen gemeinsam abgehandelt.
ß) Die hyaline und amyloide Degeneration.
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43. Derselbe, Lehrbuch der pathoL Anatomie. Bd. I. 8. Aufl.
Begriff der Hyalindegeneration. Seitdem v. Reckling-
hausen den Begriff der hyalinen Entartung aufgestellt hat, hat man es
bald als einen Mangel empfunden, dass die unter dem Namen des „Hyalins"
zusammengefassten Stoffe in chemischer Hinsicht nicht scharf charakte-
risiert sind. V. Recklinghausen (31) hat es 1. durch sein optisches Ver-
balten (grosses Lichtbrechungsvermögen), 2. durch das chemische Ver-
lialten (Widerstandsfähigkeit gegen Wasser, Alkohol, Säure- und Ammoniak-
l<'!?aTigen), 3. durch das tinktorielle Verhalten (Affinität zu sauren Anilin-
i^irbstoften) charakterisiert. Er hat aber selbst hervorgehoben und auch
'lurch seine Schüler immer wieder betonen lassen, dass das Hyalin ein
202 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
richtiger organischer Körper im chemischen Sinne nicht ist und dass mög-
Hcherweise Mischungen verschiedener Körper vorliegen. Da er aber unter
seinem Hyalin eine Reihe von Bildungen aufführte, welche von alters her
als genetisch nicht zusammengehörig betrachtet wurden und deren Ex-
treme auf der emen Seite durch die „hyalinen" Ausfüllungen der Schild-
drüsen- und Hypophysenbläschen, auf der andern durch die hyalinen
Thromben und hyalinen Balken der pseudomembranösen Schleimhauteut
Zündungen gekennzeichnet werden, suchte man von verschiedenen Seiten
aus eine schärfere Begriffsbestimmung vorzunehmen. Klebs (14) hat dies
jedenfalls in scharfer und nach meiner Ueberzeugung glücklicher Weise
dadurch zu thun gesucht, dass er diejenigen Hyaline v. Reck 1 in g-
hausens, welche nachweisbarer Weise als epitheliale Ausscheidungen
betrachtet werden müssen, unter dem alten Namen „Kolloid'' vom Hyalin
trennt, und das eigentliche Hyalin als rein parablastische Bildung betrachtet.
Ernst (7) hat dagegen ein anderes und, wie mir scheint, w^eit unsichreres
Unterscheidungskriterium einzuführen gesucht, nämlich das tinktorielle
Verhalten. Was die färberischen Eigenschaften des Hyalins anbetrifft, so
hat ja V. Reckling hausen besonders die sauren Anilinfarbstoffe (Eosin,
Säurefuchsin) zur Färbung verwendet ; K a m o c k i (13) hat in neuester Zeit
angeführt, dass ausser Säurefuchsinfärbung, noch die Färbung nach der
Weigert sehen Fibrinmethode, die Russe Ische Färbung und die mit
Thionin, wodurch es einen Seledinfarbenton erhält, anwendbar sei. Ernst
machte nun die Bemerkung, dass sich scheinbar gleichartige hyaline Sub-
stanzen bei Anwendung des vanGieson sehen Farbengemisches (150 ccm
conc. wässerige Pikrinsäurelösung -f- 3 ccm conc. wässerige Säurefuchsin-
lösung) different verhalten, indem ein Teil purpurrot, ein anderer Teil da-
gegen orangengelb gefärbt wird. Seine systematisch mit dieser Methode
ausgeführten Untersuchungen hatten das Ergebnis, dass die vom Blut-
gefässbindegewebsapparat abzuleitenden Hyaline (interstitielles Hyalin in
der Schilddrüse, hyaline Glomeruli in Nieren, Hyalin in den Ovarien,
hyaline Gitterwerke in Geschwülsten) durch Säurefuchsin intensiv rot, die
dagegen von Epithelien abstammenden eine orangegelbe Mischfarbe an-
nehmen. Da sich aber zwischen diesen Extremen noch reichliche Farben-
übergänge nachweisen Hessen, besonders bei den sogenannten hyalinen
Nierenzylindern, die nach Ernst chemisch und genetisch sehr verschieden
sind, und da Ernst nachgewiesen zu haben glaubt, dass durch das ver-
schiedene Verhalten zu einer Färbung auch die chemische Verschiedenheit
abgeleitet werden dürfe, so schliesst er, dass es viele Hyaline (in
dem bisher gebräuchlichen Sinne) g i e b t , unter denen er zunächst
hauptsächlich 2 Arten, das epitheliale und konjunktivale Hyalin
trennen will. Schon Pick (29) hat gegen die ganze Beweisführung Ernsts
Albuminöse Degeneration. 203
geltend gemacht, dass es sehr misslich sei, namentlich bei Farben nrit
komplizierter molekularer Struktur die Farbenreaktion als alleiniges che-
misches Charakteristikum anzusehen ; er hat aber weiter noch gezeigt, dass
gerade hyaUne Thromben — also exquisites konjunktivales Hyalin im
Ernstschen Sinne — sich nicht rot, sondern gelb, wie „colloide*' Massen
färben. Nach meiner Meinung ist die ganze Ernstsche Beweisführung
sowohl in ihren prinzipiellen Voraussetzungen, wie in ihren einzelnen
Begründungen hinfällig. Die Voraussetzung, dass das verschiedene Ver-
lialten von Substanzen bei Anwendung von FarbstofEgemischen , eine ver-
schieden chemische Zusammensetzung beweise, hat dann eine gewisse Be-
rechtigung, wenn 1. die in dem Farbengemisch vorhandenen Farben che-
misch stark different sind (z. B. die eine Farbe basisch, die andere sauer)
und 2. die Beziehungen konstanter Natur sind. Wenn es sich aber um
zwei saure Farbstoffe handelt, so ist selbst bei starken Unterschieden im
Säuregrad nicht sehr viel mit den difEerenten Färbungen anzufangen, so
kann man z. B. bei Anwendung des Bergonzinischen Farbengemisches
(Methylgrün, Säurefuchsin, Goldorange) nicht selten granulierte Bindegewebs-
zellen finden, deren Granula bald rot, bald orange gefärbt sind; wenn
dieses verschiedene Verhalten in einem und demselben Schnitt statt-
findet, so kann noch daran gedacht werden, dass es sich um chemische
oder wenigstens physikalische Unterschiede handelt, wenn dagegen, wie
ich öfter beobachtet habe, in verschiedenen Schnitten desselben Ob-
jektes bald alle Granula rot, bald orange gefärbt sind, so kann das
nur an einer gewissen UnvoUkommenheit der Methode liegen. Und
so könnte auch das verschiedene Verhalten hyaliner Substanzen zur
van Giesonschen Methode auf einer derartigen Launenhaftigkeit der
Färbung beruhen; und das muss wohl für alle solche Fälle angenommen
werden, wo das Verhalten ein sehr inkonstantes ist. In denjenigen Fällen
aber, wo gewisse konstante scharf ausgeprägte Unterschiede vorliegen,
könnte auch noch eine verschiedene Dichtigkeit der hyalinen Substanzen
oder die Verschiedenheit des Grundgewebes Ursache der verschiedenen
Färbung sein. Im einzelnen aber sind folgende Punkte gegen Ernst ein-
zuwenden. 1. Die hyalinen Thromben, die nach Ernsts Ansicht sich rot
färben naüssten, verhalten sich sehr verschieden; meist werden sie gelb,
nur sehr selten intensiv rot, mitunter leicht rot gefärbt. 2. Die hyalinen
Hamcylinder, die sich nach der Weigertschen Methode blau färben und
nach Ernst hyalin umgewandeltes Fibrin sind, also ebenfalls als konjunk-
tivales HyaUn rot gefärbt werden müssten, färben sich nach Ernsts
eigener Angabe, sowie meiner eigenen und meines Schülers Burmeister
rntersuchungen , ebenfalls orangengelb. 3. Die coUoiden Ausfüllungen der
l^childdrüsenbläschen färben sich, wie v. Kahl den angiebt und ich eben-
204 Allgem. patboi. Morphologie und Physiologie.
falls gefunden habe, mitunter rötlich, obgleich sie zweifellos epithelialer
Abkunft sind. 4. Könnte man auch noch das sehr verschiedene Verhalten
der Russeischen Fuchsinkörperchen anführen; doch soll darauf wegen
der nicht völUgen Klarheit, die über diesen Gegenstand herscht, kein grosser
Wert gelegt werden. Trotzdem ich aus diesen Gründen die Ernst sehe
Scheidung des Hyalins verwerfen muss, will ich doch gerne den Vorteil
der Methode anerkennen , die für manche Fälle ohne weiteres gestattet,
die Hyaline verscliiedener Abstammung im gleichen Objekt sinnfällig zu
unterscheiden. Der Hauptvorteil, welcher Ernst völlig entgangen ist, liegt
nach meinen Beobachtungen aber vielleicht darin, dass wir mit ihr erkennen
können, ob neben dem Hyahn noch eine andere, bindegewebige Substanz
vorhanden ist. Wenn wir uns an die ganz intensive Rotfärbung halten,
so wird von allen Hyalinen nur das hyalin umgewandelte Bindegewebe
intensiv rot gefärbt, ebenso wie jedes homogene, derbe, sklerotische Binde-
gewebe purpurrot wird. Das geschieht aber nicht deswegen, weil das
Hyalin ein anders geartetes ist, sondern weil schon die normale Binde-
gewebsfaser intensiv rot gefärbt erscheint und die Substanzen, welche bliese
Färbung bedingen, auch in dem hyalin degenerirten Bindegewebe noch
vorhanden sind. Deswegen färben sich auch die hyalinen Thromben nur
orangegelb und ebenso nimmt interessanterweise auch die hyalin degene-
rierte glatte Muskelfaser, welche schon normalerweise sich orangegelb färbt,
eine Orangenfarbe an, obgleich bei ihr die Entstehung der hyalinen De-
generation wohl am meisten der des Bindegewebes entspricht. Das Ergebnis
dieser Untersuchungen würde also gerade das Umgekehrte von dem sein,
was Ernst erwiesen zu haben glaubt: dass nämlich reine hyaline
Substanzen, auch wenn sie verschiedener Genese sind, gleich-
artig gefärbt werden und die verschiedene Färbung nur durch
verschiedenartige Beimischungen bedingt ist. Muss man demnach
den Ernstschen Einteilungsversuch als gescheitert ansehen, so scheint mir
dagegen die Klebssche Einteilung durchaus annehmbar, namentlich, wenn
man von dem parablastischen Hyahn, ausser dem epithelialen auch noch
das sekretorische, im weitesten Sinne, abtrennt. Wir würden dann also
unter dem Begriffe des epithelialen Hyalins (CoUoid), diejenigen hyalinen
Substanzen zusammenfassen, welche aus Epithelien durch Sekretion oder
Zerfall hervorgegangen sind, während wir unter sekretorischen diejenigen
verständen, welche aus anderen Zellen durch Sekretion, ohne Zelldegene-
ration, frei werden können (Fuchsinkörperchen). FreiUch ist auch diese
Einteilung keine scharf logische und wäre es dann vielleicht noch besser,
wenn man einteilte in I. Sekretorisches und degeneratives intra-
cellulär gebildetes Hyalin (colloid), a) epitheliales, b) conjunktivales.
11. Extracellulär entstehendes Koagulationshyalin a) häma-
Albuminöse Degeneration. 205
togeues, b) konjunktivales. Der Vorzug dieser Einteilung bestände da-
rin, dass eine ehemische Unterscheidung, über die wir vorläufig auch
nichts aussagen können, gar nicht versucht wird ; der Nachteil muss darin
gesehen werden, dass die Genese, die naturgemäss strittig sein muss, zum
Einteilungsprinzip erhoben wird. Immerhin erscheint mir diese Einteilung
auf Grund unserer heutigen Kenntnisse nicht unzweckmässig und habe
ich deswegen die unter I angeführten coUoiden Substanzen bereits beson-
ders besprochen.
Vorkommen der hyalinen Degeneration. Halten wir uns an
unsere Einteilung, so können wir bei II. a) Hämatogenes Hyalin zwei
Hauptgruppen unterscheiden: 1. die hyaline Thrombose und 2. das exu-
(lative Hyalin, ad 1. Schon v. Recklinghausen hat hyaline Gerin-
nungen auf der Gefässwandung und dem Endocardium, in Aneurysmen
und Haematomen beschrieben, femer besonders die Aufmerksamkeit auf
hydine Verstopfungen der Kapillaren gelenkt, welche er bei diphtherischen
Entzündungen, hämorrhagischen Lungeninfarkten, kroupöser Pneumonie,
akuter interstitieller Nephritis, bei Ergotinvergiftung etc. beobachten konnte.
Diese Beobachtungen sind dann erweitert worden durch Han au (8, 9), der ex-
perimentell durch Injektion von Fermentblut oder Leberzellenhyaline Throm-
bose erzeugte, K 1 e b s ( 14, 15), welcher bei Glaukom in Kapillaren der Choroidea,
bei Chorea hereditaria in Gehirngefässen, bei Eklampsie in Leber-, Lungen-
uiid Gehimkapillaren, bei Influenza in Lungenkapillaren, ferner bei Alters-
gangrän kapilläre hyaline Thrombosen fand, Welti (39), der sie bei Verbren-
nungen, und Kriege (17), welcher sie bei Erfrierungen nachweisen konnte.
Umfassendere Untersuchungen liegen dann besonders vor von Man asse (25),
wälirend Pick gelegenthch des Auffindens von hyalinen Thromben in
einem Uterussarkom, seine allgemeinen Auseinandersetzungen nur auf
Grand des einen Falles vortragen kann. Manasse fand in 20 Fällen bei
Individuen, die an einer ernsten Infektionskrankheit gestorben waren
(Typhus abdominalis, Pneimionie, Peritonitis, Pyämie, Diphtherie, Meningitis,
Puerperalfieber), sowohl in Kapillaren, wie in mittleren und grösseren Ge-
fässen des Gehirns bald feinkörnige hyaline Massen, bald kleinere und
grössere hyahne Kugeln, die sich nach der Weigert sehen Methode gut
färbten, während er in 19 anderen Fällen an Individuen, die nicht an
akuten Infektionen gestorben waren, solche Gebilde vermisste. Auch experi-
menlell konnte er an einem Hunde durch intravenöse Injektion euier
fauligen Macerationsflüssigkeit solche hyaline Thromben in Gehirngefässen
erzeugen, so dass damit der positive Beweis für das intravitale Zustande-
kommen der Thromben geUefert wurde. Manasse kommt daher zu dem
Schluss, dass 1. bei akuten Infektionskrankheiten in den Gehirngefässen
hyaline Ballen und Thromben konstant nachgewiesen sind und 2. diese
206 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
Thromben intravital entstehen. Ich möchte gleich hier bemerken, dass ich
die Konstanz von Man asse 's Befunden nicht bestätigen kann, so habeich
sie bei einem Gehirnabscess und akuter tuberkulöser Meningitis vermisst,
bei Pneumonie und Influenza allerdings gefunden. — Die Befunde von Klebs
bei Eklampsie habe ich (21) bestätigt und weiter noch gezeigt, dass auch bei
anderen Prozessen, bei denen Leberzellen in die Blutbahn treten, hyaline
Thromben vorkommen, während an andere Parenchymzellenembolieeu
(Placentar- und Knochenmarksriesenzellen) nur ausnahmsweise hyaline
Thromben anschliessen. — ad 2. Das exudative Hyalin findet sich vor
allem bei allen pseudomembranösen, mit Nekrose einhergehenden Entzün-
dungen in Form von sich verflechtenden Balken und Knollen, v. Reck-
linghausen bezeichnet sie geradezu als „die Hauptmasse der diphtheri-
tischen Pseudomembranen*'. Weigert (38) wies besonders darauf hin, dass
bei den fibrinösen Entzündungen seröser Häute sehr oft die Auflagerungen
hyalin werden oder wenigstens die tiefsten (ältesten) Schichten der Auf-
lagerungen hyalin sind. v. Recklinghausens Schüler Wieger wies
bei chronischer Lymphdrüsenentzündung und in Tuberkeln Hyalin nach
und auch hier wird es nicht gut anders, wie als ein exudatives Produkt
angesehen werden können, nachdem durch meinen Schüler O. Falk*) das
häufige Vorkommen von Fibrin in Tuberkeln nachgewiesen ist. — II. b) das
konjunktivale Hyalin tritt auf 1. bei chronischen Entzündungen aller Art
als hyaline Entartung der Kapillarwandungen (v. Recklinghauseu)
und neugebildeter Bindegewebsfasern, ferner als hyaline Entartung von
Kapillarwandungen bei Erfrierungen (Kriege) und bei Altersveränderungen
im Gehirn (Holschewnikoff (12)), 2. in a) einfach hyperplastischen
Tumoren der Konjunktiva — Raehlmann (30), Voss ins (37) — der
Zunge und des Kehlkopfs — Ziegler (42), Grawitz — der Lunge, Zunge,
des Epikards und des Darms — Wild (41). b) in angiosarkomatösen
Tumoren, den sogenannten Cylindromen ; doch handelte es sich in diesen
Fällen nicht immer um wirklich hyaline, sondern öfter um richtige muci-
nöse Degeneration. In den einfachen bindegewebigen Neubildungen handelt
es sich vorwiegend um eine Entartung der Bindegewebsfasern, während
bei den Angiosarkomen die Gefässe Hauptsitz der hyalinen Degeneration
sind, femer in den sogenannten Psammomen (Ernst). 3. als hyaUne De-
generation der quergestreiften und glatten Muskulatur, die Beneke (1)
auch experimentell zu erzeugen wusste.
Entstehung und Wesen der hyalinen Degeneration. Hier
sind im wesentlichen drei Ansichten aufgestellt, v. Recklinghausen
und seine Schüler (Holschewnikoff, Kriege, Manasse) leiten die
1) Über die exudativen Vorgänge bei der Tnberkelbildung. Virch. Arch. Bd. 139.
S. 319.
Aibuminöse Degeneration. 207
hyaline Substanz im allgemeinen von dem Zellprotoplasma, unser Koagu-
lationshyalin , im besonderen von weissen Blutkörperchen, eventuell auch
von Gefässendothelien ab; Klebs will wenigstens bei der hyalinen Throm-
bose die hyalinen Pfropfe aus roten Blutkörperchen hervorgehen lassen,
während Weigert in der Hyalinbildung in allen Fällen einen Koagulations-
vorgang erblickt und für viele Fälle eine Umprägung fibrinöser Massen
in hyaline annimmt, v. Recklinghausen und seine Schule führen
für ihre Auffassung folgendes an: 1. Werden lebende Zellen, insbesondere
Wanderzellen, mit Salzlösungen oder konz. Harnstofflösungen behandelt,
so treten Haufen von Kugeln ganz hyaliner Substanz aus, die sich allmäh-
lich durch Zusammenfliessen zu Schollen und Zapfen ausbilden, welche an
Grösse weit über die Dimensionen einzelner Zellen hinausgehen. Sie finden
sich besonders häufig auf den postmortalen Blutgerinnseln der Venen, am
leichtesten an denen der Leber; ferner als hyaline Körner und Kugeln in
kleinen Gefässen, bei Infektionskrankheiten neben roten und farblosen Blut-
körperchen in dem lockeren Filz der Fibrinfasem, ohne mit diesen in irgend
einem direkten Zusammenhang zu stehen. Entzieht man ferner Fröschen
einige Tage Wasser oder setzt sie in stärkere 3 — 4^/oige Salzlösungen, so
erscheinen besonders im Leberblute solche hyalinen Kugeln schon im Leben,
welche ebenfalls aus dem Zellprotoplasma stammen müssen. Manaspe
beobachtete in einer Pharynxtonsille, welche mit einer Zange herausge-
nommen und dabei gedrückt war, zahllose helle glänzende Tropfen, die
durch Zusammenfliessen die sonderbarsten Figuren bildeten und wie die
mikroskopisch fi Beobachtung ergab, unzweifelhaft aus Leukocyten ausge-
presst waren. 2. Die hyalinen Balken in den diphtherischen Entzündungen
grenzen sich von dem oft gleichzeitig vorhandenen Fibrin so scharf ab,
dass sie schon deswegen eine andere Entstehung haben müssen. Besonders
mit Rücksicht auf die gleichartigen Vorkommnisse innerhalb von Lymph-
knoten und Tuberkeln erscheint es auch hier wahrscheinlich, dass die alten
und neu auftretenden Wanderzellen die Lieferanten des Hyalins sind. 3.
Das Auftreten von hyalinen Thromben und hyahnen Balken und Körnern
in Extravasaten, Hämatocelen, Aneurysmen , endoarteritischen Verdickun-
gen etc. dürfte ebenfalls auf die farblosen Blutzellen und Endothelien zurück-
zuführen sein, denn sie treten unter Umständen auf, wo sonst eine An-
sammlung von weissen Blutkörperchen, weisse Thrombenbildung beobachtet
räd. Auch Kriege glaubt deswegen die hyalinen Thromben seiner Er-
irierangsversuche von weissen Blutkörperchen ableiten zu müssen und
V. Recklinghausen führt noch an, dass bei flüchtiger Applikation von
Äther oder Ammoniak auf das blossgelegte Mesenterium Thrombose durch
farblose Blutkörperchen eintritt, die nach und nach zu gleichmässigen
Massen verschmelzen.
208 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Schon die Anführung dieser Gründe zdgt, dass sie nicht sehr be-
weiskräftig sind, sondern dass es sich nur um gewisse Analogien handelt.
Weigert hat besonders für die hyalinen Balken der pseudomembranösen
Schleimhautentzündungen gezeigt, dass hier niemals HyaUn in Schollen
auftritt, die den weissen Blutkörperchen an Grösse und Gestalt gleichen,
niemals noch erhaltene Leukocyten in genügender Anzahl mit Bezieh-
ungen zum Hyalin gefunden werden. Auch die Beobachtungen über Aus-
tritt hyaliner Kugeln aus den Leukocyten, wie sie von Recklinghausen
und Ma nasse gesammelt worden sind, sind nicht völlig beweisend, weil
solche hyaline Tropfen fortwährend auch aus anderen Zellen austreten
können. Die Kugeln, die man im Froschblut unter verschiedenen Be-
dingungen auftreten sieht, sind nach meiner Meinung nicht ohne wei-
teres mit den gewöhnUchen hyalinen Thromben zu identifizieren mid hier
ist es iu der That gar nicht zu entscheiden, ob sie aus weissen oder roten
Blutzellen hervorgehen; sie stimmen in vieler Beziehung mit den Russ ei-
schen Fuchsinkörperchen überein, werden durch Osmiumsäure dunkel-
braun, verhalten sich überhaupt so me Lecithin, so dass man wohl daian
denken könnte, dass sie aus roten Blutkörperchen entstfüiden sind. Aber
ich halte es nicht gut für möghch, eine sichere Entscheidung zu treffen,
obgleich auch die Beobachtung für eine Entstehung aus roten Blutkörper-
clien spricht, dass sie bei Winterfröschen, wo rote Blutzellen reichücher zu
Grunde gehen, fast ausnahmslos in Blutgefässen gefunden werden. In der
Leber sieht man dann oft daneben, dicht an Blutgefässen, typische Fuchsin-
körperchen hegen. — Auch der 3. Punkt, das Vorkommen von hyalinen
Thromben unter Bedingungen, wo sonst weisse Thromben vorkommen, ist
nicht mehr beweisend, seitdem die Untersuchungen von Eberth und
Schimmelbusch gezeigt haben, dass bei der Thrombenbildung nicht nur
weisse Blutkörperchen, sondern auch Blutplättchen beteiligt sind und
Hanau (9) hat. direkt für die bei Ätherinjektionen auftretenden hyalinen
Thromben eine Entstehung aus Blutplättchen wahrscheinhch gemacht.
Noch weniger kann allerdings die zuerst von Langhans, dann von
Klebs ausgesprochene Ansicht von der Entstehung des Hyalins aus roten
Blutkörperchen für bewiesen angesehen werden. Klebs selbst nimmt auch
nicht wohl eine direkte Umwandlung roter Blutzellen in Hyaün an, son-
dern betrachtet nur die Blutplättchen, aus denen die hyahnen Thromben
entstehen sollen, als Globulinniederschläge aus roten Blutkörperchen.
Schon V. Recklinghausen hat gegen Langhans eingewendet, dass die
hyalinen Thromben vöUig farblos sind und daher gar keine Beziehungen
zu den Erythrocyten zu besitzen scheinen; noch weiter kann man darauf
hmweisen, dass auch in der Nähe von hyalinen Thromben rote Blut-
körperchen meist ebenso vermisst w^erden, wie Leukocyten; ferner, dass sie
AlbnininOse Degeneration. 209
auch unter Umständen entstehen, wo nachweisbar keine roten Bhitkörper-
clien, wohl aber andere Zellen (Endothelien, Leberzellen), in der Blutbahn
zerfallen.
Die von Weigert begründete AufEassung, dass Fibringerinnung,
Koagulationsnekrose und Hyalinbildung ausserordentlich nahe verwandte Pro-
zesse seien, stützt sich auf folgende Punkte. 1. Gehen bei der Hyalin-
bildung, in ähnlicher Weise, wie bei der Koagulationsnekrose, die Kerne
verloren; beide Substanzen — die koagulationsnekrotischen und hyalinen
— zeigen grosse Neigung zur Verkalkung. 2. Vorher geronnene Massen
können später hyalin werden: z. B. das kanalisierte Fibrin, ferner die äl-
teren Auflagerungen bei fibrinösen Entzündungen seröser Häute. 3. Ein
und dasselbe Agens bringt an einer Stelle HyaUnbildung, an einer anderen
Stelle Fibringerinnung hervor (die Auflagerungen im Rachen bei der Diph-
therie bestehen aus hyalinen Balken, in der Luftröhre dagegen aus Fibrin).
4. Bei Prozessen, die sonst zur Verkäsung (Koagulationsnekrose) führen,
ja neben ihnen treten hyaline Bildungen auf — hyaline Tuberkel; auch
liier handelt es sich kaum um zwei prinzipielle verschiedene Veränderungen,
?(»iidem um denselben Prozess in verschiedenen Entwickelungsstadien. — In
neuerer Zeit hat man zur Stütze dieser Ansicht noch hinzugefügt, dass
sich bei Anwendung der Weigertschen Fibrinmethode manche hyaline
Substanzen in fädiges Fibrin auflösen lassen, wie z. B. die hyalinen
Thromben in Lungeninfarkten (Schaff er), andere, wie O. Israel und
Ernst, haben sogar aus dem färberischen Verhalten hyaliner Nieren-
cylinder die fibrinöse Natur derselben erschliessen wollen. — Weigert
iiat im weiteren versucht zu erklären, warum das eine Mal eine richtige
Fibringerinnung, das andere Mal eine Hyalinbildung eintritt. Nach seiner
Meinung sind es zwar durchaus nicht immer die gleichen Bedingungen,
welche das Hyalinwerden und Versintern der koagulierten Massen hervor-
nifen, aber ein Umstand scheint ganz besonders die Hyalinbildung zu be-
günstigen, nämlich die Einwirkung eines sehr bedeutenden Plasma-
überschusses auf die geronnenen oder gerinnenden Substanzen. Dieser
Plasmaüberschuss kann sich in verschiedener Weise einstellen, a) dadurch,
^lass der Plasmastrom besonders lange und gründlich einwirkt, was na-
mentlich dann der Fall sein wird, wenn die Flüssigkeit zwischen die ein-
zelnen auseinandergewichenen Teile der geronnenen Massen hineingelangon
kann — Langhans kanalisiertes Fibrin, längere Zeit bestehende Infarkte,
manche Formen der Verkäsung. b) Ist das Verhältnis zwischen Plasma
un<l den selbst in bedeutender Menge absterbenden oder abgestorbenen
Protoplasniamassen auch nur relativ zu Gunsten der Flüssigkeit, so tritt
v.»ii vornherein eine Hyalingerinnung ein. Beispiel: Die Hyalinbildung bei
•l'T Racheudiphtherie. c) Ist die Flüssigkeit auch niclit in besonderer
Labarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteil. II. 14
210 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Menge vorhanden, die Grösse der gerinnenden Substanzklumpen aber eine
sehr geringe, wie das z. B. der Fall ist, wenn in einem Organ das ge-
fässführende Stroma erhalten bleibt, während die Parenchymzellen ab-
sterben, so kommt es ebenfalls sofort oder sehr rasch zur HyaUnbildung.
(Niereninfarkte, wachsige Muskeldegeneration.)
Wenn wir uns bereits oben im grossen und ganzen zu Gunsten der Wei-
ge rt sehen Anschauung entschieden haben, so geschah das aus folgenden Grün-
den. Bei der hyalinen Thrombenbildung ist 1. unter Umständen direkt nach-
weisbar, dass die scheinbar hyalinen Massen aus fädigem Fibrin zusammen-
gesetzt sind, 2. treten hyaline Thromben unter allen den Bedingungen
auf, unter denen auch eine echte Blutgerinnung eintritt. Und zwar ist es
hier besonders gut nachzuweisen, wie gerade dort unter solchen Beding-
ungen, wo ausgedehnte Ansammlung von Leukocyten eintritt, hyaline
Thromben nicht entstehen, wohl aber dann, wenn sich lokal nur wenig
zellige Elemente oder geringe Protoplasmabestandteile (Blutplättchen) an-
sammeln. Bei Zerfall von Leberzellen, die niemals in grösseren Mengen
in der Blutbahn auftreten, entstehen Blutplättchen — und hyaUne Throm-
ben; und hier gelingt es oft geradezu Übergänge zwischen den noch deut-
lich körnigen und bereits homogenen Pfropfen nachzuweisen. Freilich
soll auch hier nochmals hervorgehoben werden, dass das positive Verhalten
zur Weigertschen Färbung allein noch nicht beweist, dass hyaline Ge-
bilde durch Gerinnung entstanden; überhaupt soll die Hyalinbildung nur
mit der Gerinnung verglichen, nicht identifiziert werden. — Fast
noch stärker spricht für die Bedeutung der Plasmadurchströmung das Auf-
treten hyaliner Massen bei chronischen Entzündungen und tuberkulösen,
käsigen Herden. Hier ist die Hyalinbildung unserem Verständnis da-
durch noch näher gerückt, seitdem von mir und Falk der Nachweis
geführt ist, dass auch bei der Tuberkelbildung serös-fibrinöseExudationen eine
grosse Rolle spielen. Endlich wird man auch die Hyalinbildung in hyperplas-
tischen Bindegewebstumoren und Sarkomen auf eine stärkere Durch-
strömung und Umspülung des Gewebes mit Flüssigkeit zurückführen müssen.
Wenn Klebs gerade diesen hyalinen Bildungen einen proüferativen Cha-
rakter zuspricht, weil hier die Hyalinbildung mit der Proliferation der Zel-
len Schritt hält, so ist das doch eine missverständliche Deutung. Wenn
man selbst bei den Endotheliomen das im Lumen der neugebildeten Zell-
schläuche liegende „Hyalin" mit dem interstitiellen identifizieren wollte,
so könnte man denselben nicht einen proliferativen, sondern viel eher einen
degenerativen Charakter beilegen, da gerade in den frischesten Teilen
der Neubildungen die hyalinen Kugeln vermisst werden; aber um dieses
Hyalin handelt es sich gar nicht, sondeni vielmehr um das interstitielle,
die hyalinen Balken und Schläuche, denen die proHferierenden Zellen als
Albaminöse Degeneration. 211
ein Mantel aufsitzen. In dieser Beziehung erscheint es mir besonders wich-
tig, (lass man in allen Angiosarkomen, in mehr oder weniger ausgespro-
chener Weise hyaline Degeneration finden kann. Hier gehören die hya-
linen Massen stets den Gefässwandnngen an, um die herum die Zellen-
wuchening stattfindet; die hyaline Entartung scheint dann durch zwei
Momente bedingt 1. durch den in Folge der Zell Wucherung immer stärker
zunehmenden Druck, welcher auf den Blutgefässen lastet. 2. Durch die
stete Umspülung der äusserst dünnwandigen Gefässe mit Flüssigkeit; des-
wegen findet man hyaline Degenerationen auch vor allem in solchen Ge-
schwülsten, in denen die Zellwucherung um dünnwandige Gefässe grup-
piert ist (Angiosarkomen, Hämo- imd Lymphangiomen) und man findet sie
ia den Angiosarkomen so regelmässig und so viel häufiger, wie in einfachen
Angiomen, weil bei ihnen auch die starke Zeilproliferation, welche zu Er-
nährungsstörungen in den Gefässwandnngen leicht Anlass giebt, in ausge-
(leFmter Weise vorhanden ist. — Freilich sei hier nochmals hervorgehoben,
'lass nicht alles „Hyalin'' in Geschwülsten auf diese Weise entsteht und
als Koagulationshyalin betrachtet werden darf — so müssen wir z. B. nach
meiner Auffassung gerade in den Cylindromen unterscheiden 1. ein sekre-
torisches, bezw. degeneratives endotheliales Hyalin und 2. unser extra-
cellulär gebildeten Koagulationshyalin. — Wenn wir den Unterschied zwi-
schen dem sekretorischen und dem Koagulationshyalin nochmals scharf
hervorheben sollen, so besteht er darin, dass Substanzen, die vielleicht in
chemischer Beziehung übereinstimmen oder einander wenigstens nahe ver-
wandt sind, auf verschiedene Weise entstehen : einmal dadurch, dass durch
irgend welche Einflüsse das Zellprotoplasma oder wenigstens Teile davon
in hyaline Substanz umgewandelt werden und als bereits fertig gebildetes
Hyalin aus den Zellen heraustreten; zweitens dadurch, dass absterbendes
Zellprotoplasma durch reichliche oder fortgesetzte Durchtränkung mitFlüssig-
keit in die starre, hyaline Modifikation umgewandelt wird. Ob freilich der
Tiiterschied in der Entstehung ein so grosser ist, wie es vorläufig scheint,
(las festzustellen muss weiteren Untersuchungen überlassen bleiben.
In der Erforschung der amyloiden Degeneration sind es nach
Hie vor 5 Punkte, auf welche sich das Interesse der Forschung konzentriert.
1. Der Begriff der amyloiden Degeneration. 2. Sitz und Vorkommen des
Amyloids. 3. Die Beziehungen zwischen dem Hyalin und dem Amyloid.
^ Die Resorbirbarkeit des Amyloids. 5. Die Theorie der Amyloidbildung.
ad 1. Der Begriff der amyloiden Entartung schien eine Verschiebung
<ladurch zu erleiden, dass nach Auffindung der Anilinfärbung für das
Amyloid das Gebiet der amyloiden Degeneration eine Erweiterung zu er-
fahren schien. Es musste daher die Frage aufgeworfen werden, inwieweit
•lie angegebenen Reaktionen und Färbungen charakteristisch für das Amy-
14*
212 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
loid sind und ob man mit Virchow nur das Amyloid nennen darf, was
die Jodschwefelsäurereaktion giebt. Gegen die Bedeutung der Methyl- und
Gentianaviolettfärbung ist von verschiedenen Autoren (Virchow, Köster,
Stilling (34), Lubarsch (23)) eingewendet worden, dass auch andere Sub-
stanzen wie Colloid und Hyalin damit gefärbt werden können, während
Orth (Lehrbuch) die Reaktion für so zuverlässig hält, dass er auf Grund der
Gentianaviolettfärbung das Vorkommen aray loider Nierenzylinder für bewiesen
hält und ganz allgemein die Anilinviolettreaktion für mindestens ebenso
typisch erklärt, wie die Jodreaktion, während Birch-Hirschfeld (2, 3)
und Wichmann (40) die Anilinviolettreaktion nur dann für typisch halten
wollen, wenn die Differenzierung mit Essigsäure vorgenommen wird und die
hyaline Substanz dann eine „leuchtend" rote Färbung annimmt. Ich halte
die Meinung Wichmanns, dass alles auf die Anwendung der Essig-
säure als Differenzierungmittel ankommt nicht für richtig, denn auch
bei dieser Methode — die ich übrigens stets benutzt habe — können
Dinge, wie Amyloid gefärbt werden, die nichts mit Amyloid zu thun haben,
wie das Colloid der Schilddrüse und Schleim, namentlich Mucinfäden
nehmen oft genug eine sehr deutliche hellrote, wenn auch nicht gerade
leuchtend rote Farbe an ; hyaline Nierenzylinder, auch die hyalinen Tropfen
der Magenschleimhaut werden dabei mitunter, nicht nur schwach, sondeni
ausgeprägt rot gefärbt. Man darf also thatsächlich nicht den Satz auf-
stellen, dass alles, was durch Anilin violett rot gefärbt wird, Amyloid
ist. Trotzdem stellt die Methode eine grosse Bereicherung dar, und trotz-
dem darf man nicht etwa verlangen, dass nur das als Amyloid anerkannt
werden darf, w^as die Jodschwefelsäurereaktion giebt. Denn es wird wohl
allgemein anerkannt und von Wichmann und Eberth^) besonders hervor-
gehoben, dass auch die Jodschwefelsäurereaktion nicht selten im Stiche läs^^t
und sogar an einem und demselben Objekt verschieden ausfällt; ferner hat
Ilansemann (10) in einem Fall beobachtet— und das wurde von Virchow
geradezu als ein wesentlicher Fortschritt bezeichnet — dass die amyloidc
Substanzen nur in einem Teile der Organe, nämlich in Nieren, Darm und
Schilddrüse und den grösseren Herzgefässen die Jodreaktion gaben, während
in Milz, Leber und Lymphknoten nur die Anilinviolettreaktion erzielt w^erden
konnte. Ich kann diesem Falle zwei an die Seite stellen, in denen nur
in der Milz, welche auch ganz allein makroskopisch amyloid erschien, die
Jodreaktion zu erzielen war, während in Niere, Leber, Magen, Dann und
Herz, in denen übrigens nicht die Kapillaren, sondern fast nur die grösseren
Gefässe erkrankt waren, lediglich die Geutiaviolettreaktion erhalten wurde.
Man wird deswegen durchaus zugeben müssen, dass durch die Einführunj^j
1) Mikroskop. Technik 1894. S. 167.
Albuminöse Degeneration. 213
der Anilinviolettreaktion das Gebiet des Amyloids erweitert ist und man
wird folgende Grenzen für die Geltung dieser Reaktion feststellen können,
1. hat sie überall dort Giltigkeit, wo sie mit der Jod- bezw. Jodschwefel-
säurereaktion übereinstimmt (abgesehen von den Corpora amylacea), 2. wird
sie auch ohne eine derartige Übereinstimmung als positive Amyloidreaktion
angesehen werden müssen, wenn die reagierenden Substanzen optisch,
chemisch und in der Form mit amyloiden Substanzen übereinstinnnen,
sowie unter Bedingungen auftreten, bei denen erfahrungsgemäss amyloide
Degeneration erwartet werden kann. — In chemischer Hinsicht wäre noch
zu bemerken, dass Kostjuri n (16) im Laboratorium von E. Ludwig
(Wien) gezeigt hat, dass die amyloide Substanz in stark zerkleinertem
Zustand vom Magensaft verdaut wird. Tscher mak (36) bestätigte letzteres
und fand weiter, dass durch Trypsinverdauung, sowie durch Erhitzen mit
Wasser und Alkalien Amyloid leicht gelöst wird. Dabei erhält man ge-
löstes Amyloid, Albuminate, primäre und sekundäre Albumosen, sowie
Pepton; aulfälligerweise sollen alle diese Produkte die Reaktionen der
Muttersubstanz geben. Tschermak hält das Amyloid für eine besonders
modifizierte Koagulationsform des cirkulierenden Eiweisses, wahrscheinlich
des Serumalbumins bei allgemeiner Amyloidentartung , des Zellplasmas
bei lokaler Amyloidbildung.
ad 2. Die früher allein herrschende Auffassung, dass Amyloid in
den Zellen gebildet und abgelagert wird, ist fast vollkommen verlassen.
V. Recklinghausen unterscheidet zwar noch zwei Arten der Amyloid-
ablagerung 1. innerhalb der Zellen und 2. zwischen den Zellen (interstitiell)
und auch Orth hält es wenigstens für möglich, dass die Epithelien der
Harakanälchen amyloid erkranken können, aber positive Beobachtungen
'ie^en kaum vor, Orth selbst giebt sogar direkt an, dass er eine derartige
Epitheldegeneration niemals beobachtet habe. Nur Schuster (33) hat wieder
in neuerer Zeit die Behauptung aufgestellt , dass Nierenepithelien amyloid
entarten können, auf Grund eines selbst beobachteten Falles. In einer
chronisch und ungleichmässig indurierten Niere fand er glänzende Massen
in der Marksubstanz, die auf Jodzusatz bereits eine blaugrüne Farbe an-
nahmen und durch Gentianaviolett rot gefärbt wurden; die Glomeruli und
alle Arterien der Rinde waren völlig frei, dagegen bildeten die amyloiden
Massen in der Marksubstanz zylinderähnliche, langgestreckte mit zentralem
Lumen versehene Formen. Einen Teil derselben hält Schuster für amy-
loid entartete Tunicae propriae, einen andern dagegen für amyloide Epithelien
und Zylinder. Er führt hierfür folgendes an: 1. konnte man mitunter
auf einer gut kenntUchen normalen Tunica propria einen amyloiden breiten
^aum wahrnehmen, der am zentralen Teil oft eigentümlich quer ge-
gestrichelt war; 2. waren sonst mit leidlich normalem Epithelbelag ausge-
214 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
stattete gerade Kaiiälchen an einzelnen Stellen, wo die Kerne fehlten, mit
bröckeligen amyloiden Schollen angefüllt; 3. fehlten an einzelnen Stellen
die Epithelien vollkommen, während die Harnkanälchenlumina amyloid
aufgequollen war. — Es liegt auf der Hand, dass diese Beobachtungen
nicht eindeutig sind, namentlich 1 und 3 ist leicht dadurch zu erklären,
dass die Epithelien zugrunde gingen und völlig degeneriert wurden, während
eine zwischen Membrana propria und Epithelien gelegene Substanz amyloid
degenerierte, ähnlich, wie man mitunter zwischen der Grundmembran und
den Epithelien hyaline Substanzen finden kann; xmd auch Punkt 2 kann
in gleicher Weise erklärt werden, nur mit dem Zusatz, dass hier die
starren Massen noch weiter ins Lumen hineingelangten und als amyloide
Zylinder liegen blieben. Jedenfalls kann dieser eine Fall — bei dem es
sich zudem um sehr altes und lokal ausgedehntes Amyloid handelte —
nicht die durch viele Beobachtungen gesicherte Thatsache umstossen, dass
überall, wo man mit einiger Sicherheit, Entstehung und Ausbreitung der
amyloiden Degeneration verfolgen kann, die zelligen Elemente frei gefunden
werden. Das hat in neuerer Zeit besonders Birch-Hirschfeld (2) für die
Leber überzeugend nachgewiesen und Wichmann hat durch sehr sorg-
same Untersuchungen, die sich über sämtliche Organe und Gewebe des
Körpers erstrecken, gezeigt, dass ganz ausschliesslich das Bindegewebe der
amyloiden Entartung anheimfällt, oder doch wenigstens die Amyloidsubstanz
stets interstitiell abgelagert ist. Ich kann mich auf Grund vieler und
fortgesetzter Untersuchungen Wichmann nur anschliessen und möchte
besonders betonen, dass auch die glatte und quergestreifte Muskulatur nie
amyloid entartet, sondern auch hier entweder das Bindegewebe oder die
Zwischensubstanz. Ob, wie Wich mann meint, wirklich die Intima der
Blutgefässe, nie amyloid entartet, ist mir zweifelhaft; ich glaube doch Bilder
gesehen zu haben, in denen die basale Bindegewebsschicht der Intima
amyloid verändert war. — Mit diesen Beobachtungen würden zweifellos
in Widerspruch stehen die Beobachtungen und Anschauungen Czerny s (6)
über die Entstehung des Amyloids aus einer in den weissen Blutkörper-
chen vorhandenen Vorstufe. Ich habe bereits oben hervorgehoben, dass
es mir nie gelungen ist, die Beobachtungen Czernys zu bestätigen imd
dass man deswegen diesen Punkt auch in suspenso lassen muss. Freilich
habe ich beim Menschen 2 mal amyloide Substanz in weissen Blutkörperchen
gesehen; aber hier muss die Deutung eine andere sein. Beide Male
handelte es sich um Milzamyloid mit beginnender amyloider Degeneration
von Nieren und Leber; beide Male lagen die, kleine, amyloide Schollen ent-
haltenden Blutkörperchen in grösseren Portal venenästen, in denen ausser-
dem noch freie amyloide Schollen vorhanden waren. Es handelte sich
liier also um einen Transport amyloider Massen von der Milzvene in die
Albuminöse Degeneration. 215
Pfordader und einige wenige Leukocyten hatten dann wohl amyloide
Substanzen inkorporiert. Nicht aber handelte es sich um amyloide Ent-
artung des Leukocytenplasmas. — Was nun die besondere Lokalisation
der amyloiden Entartung anbetrifft, so wird allgemein angegeben, dass
zuerst die kleinen Arterien und Kapillaren zu entarten pflegen. Der
Schustersche Fall bildet eine Ausnahme von diesem Gesetz, noch mehr
wohl meine oben erwähnten Fälle, in denen die grösseren Blutgefässe
früher erkrankten, wie die kleinen; aber auch hier handelte es sich wohl
um eine Ablagerung der Substanz zwischen den Bindegewebsfasern. — In
Bezug auf die Entstehung des Amyloids wissen wir, dass sowohl lokale, wie
allgemeine Ursachen die Amyloidentartung verursachen können und dass bei
der allgemeinen Entartimg der Beginn in der Milz zu sein pflegt. Bei der all-
gemeinen Entartung spielen als ätiologische Momente hauptsächlich chronische
Eiteraugen und Eiweissverluste eine Rolle, wie auch neuere Statistiken, z. B.
von Hjelmann (11), bestätigen. Derselbe fand unter 189 Fällen 98 mal
Lungentuberkulose , 25 mal Knochen- und Gelenkstuberkulose und 35 mal
Svphilis als Grundleiden vor: 7 mal unter 197 Krebsfällen wurde Amy-
loid gefunden , 4 mal bei Nierenentzündungen. Wenn noch von Reck-
linghausen es für zweifelhaft hielt, ob Nierenentzündungen wirklich
die Ursache der amyloiden Entartungen darstellen können und nicht viel-
mehr beide Veränderungen auf eine gemeinsame Ursache — etwa Syphilis
— zurückzuführen seien, so glaube ich, geht aus Hjelmanns Fällen,
der Syphilis ausschliesen konnte, hervor, dass die chronische Nierenent-
zündung die Ursache der Amyloidentartung sein kann. Auch ich habe
zwei solche Fälle beobachtet und möchte hierbei noch hervorheben, dass in
solchen Fällen die Entartung in den Nieren am stärksten und ältesten zu
sein pflegt. — Birch-Hirschfeld (3) erwähnt femer das seltene Vorkommen
der amyloiden Degeneration bei Leukämie. Cordua (5) hat in neuerer Zeit
wieder die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen der Amyloidentartung bei
der Pseudoleukämie gelenkt, nachdem es schon früher von Wilks (1856)
und Buchanan*) festgestellt war; da aber in seinem Falle neben den
pseudoleukämischen Veränderungen eine, wenn auch nur sehr geringe
Tuberkulose vorhanden war, so möchte er die Hodgkinsche Krankheit
nicht allein verantwortUch machen für die Amyloidentartung, sondern den
tuberkulösen Prozessen eine prädisponierende Bedeutung beimessen. —
Während noch v. Recklinghausen unter den bösartigen Tumoren, bei
denen Amyloidentartung vorkommt, nur die verjauchenden Uterus- und
und Magencarcinome anführt, hat de Paoli (28) auch in einem Falle
0 Bachanan, A case of Hodgkin's disease associated with ainyloid disease. Glagow
mei Journ. 1889. 8. 117.
21 G Allgem. patfaol. Morphologie und Physiologie.
von Angiosarkom der linken Niere mit Lymphdrüsenmetastasen amyloide
Degeneration der Milz, Leber und des Darms beobachtet. — Dass auch
ohne eine nachweisbare Ursache Amyloidentartung eintreten kann, wird
sowohl von Birch-Hirschfeld, wie von Hjelmann, welcher vier der-
artige Fälle beobachtete, angegeben. — In Bezug auf die Zeit, in der
sich eine amyloide Entartung entwickeln kann, führt Hjelmann als
kürzeste Dauer 2, 3 und 4 Monate an, in Fällen von Typhus mit lentes-
eierenden Darmgeschwüren, eitriger Parametritis und eitriger traumatischer
Gonitis.
ad 3. Die Beziehungen zwischen der hyalinen und amyloiden Ent-
artung sind vor allem von v. Reckling hausen hervorgehoben worden,
der einerseits meint, dass in chemischer Hinsicht ,,zwischen dem Hyalin
einerseits, dem Amyloid und dem Schleim andererseits keine absolute Grenze
zu ziehen ist", andererseits es auch in Bezug auf die Entstehung der Ver-
änderungen für wahrscheinlich hält, „dass das Hyalin und das Amyloid
nur verschiedene Stufen einer gleichartigen Umwandlung der Gewebselc-
niente repräsentieren, nicht Produkte von Degenerationen sind, die sich im
Wesen von einander trennen". Zur Stütze dieser Anschauung ist schon
von V. Recklinghausen angeführt worden, dass 1. die Reaktionen des
Amyloids wie des Hyalins in einem gewissen Grade variabel sind, 2. beide
Degenerationsformen nebeneinander in demselben Grade vorkommen, 3.
beide Substanzen viele morphologische Eigenschaften mit einander teilen.
Seit diesen Angaben v. Recklinghausens haben sich die Beobachtungen
über das gleichzeitige Vorkommen von hyaliner und amyloider Entartung
bedeutend vermehrt; die Fälle beziehen sich allerdings hauptsächUch auf
das Vorkommen von lokaler Amyloiddegeneration neben Hyalinablagerung.
Besonders wichtig sind in dieser Beziehung die Beobachtungen über die
hyaHnen und amyloiden Neubildungen in der Konjunktiva des Auges,
welche als hyperplastische Bildungen chronisch entzündlicher Natur anzu-
sehen sind; schon die von vielen Untersucheni (Raehlmann, Leber,
Mandelstamm und Rogowitsch, Vossius) festgestellte Thatsache, da^s
beide Degenerationen unter den gleichen Bedingungen in demselben Ge-
webe vorkommen, ist bedeutsam, bedeutsamer noch die von Raehlmann
und Vossius, von Krüdener in acht und Rumschewitsch (32) in vier
Fällen erhobenen Beobachtungen über das gleichzeitige Vorkommen von
Plyahn und Amyloid in einem und demselben Falle. — Weiter hat es sich
gezeigt, dass in den meisten Fällen von lokaler Amyloidentartung auch
hyaline Degeneration vorhanden ist, wie neben den älteren Fällen von
Lesser und Zahn (Hyalin und Amyloid in einem Osteofibrom der Zunge),
vor allem die Beobachtungen von Grawitz, Ziegler und Wild zeigen.
Audi ich habe in Zürich bei einer 75 jährigen Frau in den Lungen hydine
AlbuminOse Degeneration. 217
Knoten gefunden, die grösstenteils aus hyalinen Bindegewebsbalken zu-
sammengesetzt waren, teilweise aber auch amyloide Gewebszüge enthielten.
Wenn Ziegler (42) und Wild (41) aus ihren Beobachtungen, welche an
hyalinen Knoten des Endo- und Perikards und des Peritoneums, bezw. der
Zunge und des Darms gemacht wurden, schlössen, dass nahe Beziehungen
zwischen der hyalinen und amyloiden Entartung bestehen müssen, so hatte
ürawitz sich aus seinen Beobachtungen in Tumoren der Nasenschleim-
haut und Luftröhre des Pferdes noch nicht zu einem derartigen Schluss
berechtigt gesehen und Stilling (34) betonte, dass ein gleichzeitiges Vor-
kommen beider Substanzen nicht genüge zu dem Beweise, dass die eine
die Vorstufe der anderen sei. Deswegen sind diejenigen Fälle von weit
grösserer Bedeutung, wo in frischen Fällen von allgemeiner amyloider
Degeneration auch hyalin entartete Teile und Übergänge zwischen beiden
nachgewiesen wurden. Das ist besonders Stilling in zwei Fällen bei
amyloider Degeneration der Milz gelungen, wo er an einzelnen kleinen
Milzarterien hyaline neben amyloiden Stellen fand; auch Wild sah
Gefässe, deren Media xmzweifelhaft amyloid degeneriert war, während die
Adventitia und Intima nur HyaUnreaktion zeigten; und Ziegler konnte
in seinem Falle auch in solchen Organen, wo keine Amyloidtumoren
vorhanden waren, ausgebreitete hyaline Entartungen in den Blutgefässen
nachweisen. Von besonderer Wichtigkeit erscheint mir auch der von mir
beschriebene Fall (23), wo bei schwerer Lungen- und Darmtuberkulose, so-
wie Carcinombildung im Ileum, in Milz, Leber und Niereu hyalin entartete
Kapillaren und Arterien angetroffen wurden, welche zwar niemals die Jod-
oder Jodschwefelsäurereaktion gaben, aber teilweise eine allerdings nicht
immer sehr ausgesprochene Rotfärbung durch Gentianaviolett zeigten, so
da;5S man es hier in der That wohl mit einer beginnenden Amyloident-
artung zu thun hatte. Solche Fälle sind um so wichtiger, weil hier durch
besondere Umstände — die Carcinombildung im Ileum — die Dauer des
Leidens abgekürzt und somit die Entwickelung der Amyloiddegeneration
frühzeitig unterbrochen wurde, wie das übrigens auch in den beiden Fällen
von Stilling der Fall war; und es bleibt deswegen auch verständlich,
dass Beobachtungen, wie die von Stilling und mir nur äusserst selten
gemacht werden; ich habe nur noch einmal in einem Fall von beginnen-
der Amyloidentartung der Milz bei eitriger Osteomyelitis, wo im Anschluss
an eine Operation der Tod durch Fettembolie eintrat, in Follikelarterien
einen Teil der Wand amyloid, einen anderen Teil nur hyalin entartet ge-
funden. Wahrscheinlich gehört auch der oben erwälmte Fall Hanse-
rnanns (10) hierher, der dann aber bereits eine weiter vorgeschrittene
?tufe der Entartung zeigen würde. Jedenfalls ist es aber zu weit gegangen,
diese hyalinen Stellen in amyloiden Partieen stets als die Vorstufen des
218 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Amyloids anzusehen, wie das Wich mann (40) thut, welcher auch Für-
bringers*) Fälle hierher rechnet. Hier, wo zwar makroskopisch die Clia-
rakteristika des Amyloids vorhanden waren und es sich um sehr lange
dauernde Krankheiten handelte, muss man vielmehr die Möglichkeit zu-
lassen, dass hier die ursprünglich amyloide Substanz eine w^eitere Umwand-
lung eingegangen war, die man in Analogie zum „Achroo -Glykogen" als
„Achrooamyloid'* bezeichnen könnte. Immerhin würde durch solche Fälle
mehr noch wie durch die von Hanse mann und mir auch das zweite
Postulat Stiliings erfüllt werden, dass die bekannten chronischen Affek-
tionen, welche zur Amyloidentartung führen, auch allgemeine hyaline De-
generation hervorbringen können. — Endlich sei noch hervorgehoben, dass
in denjenigen Tumoren, in denen förmlich regelmässig Hyalinentartung
vorkommt, in den Angiosarkomen, relativ häufig auch Amyloidentartung
gefunden wird. Ich habe besonders in vielen Cylindromen — sämtlichen
in der Sammlung des Züricher pathologischen Institutes befindüchen, da-
runter auch denen, die früher von Ewetzky untersucht waren, sowie zwei
Cylindromen der Speicheldrüse aus der Sammlung des Rostocker Institutes
und einigen angiosarkomatösen Tumoren der Halsgegend, ferner einem
Cylindrom der Pleura — mehr oder weniger ausgeprägte amyloide Dege-
neration neben hyaliner gefunden. Da die Fälle noch nicht publiziert
sind, so will ich nur erwähnen, dass gerade in diesen Tumoren besonders
reichhch alle mögUchen Übergänge zwischen hyaliner und amyloider Ent-
artung nachzuweisen waren. Von dem einen dieser Tumoren hat Krück-
mann*), der ihn in einer anderen Zwecken dienenden, unter meiner Lei-
tung angefertigten Arbeit, kurz beschrieben hat, bereits angegeben, dass
die amyloiden Schollen bei sämtlichen Reaktionen (Anilinviolett-, Jod- und
Jodschwefelsäurereaktion) alle möglichen Farbenabstufungen zeigten und
dass an einer mittelgrossen Arterie der Amyloidring der Gefässwaudung
an einer Stelle von einem Hyalinring durchbrochen wurde. Auch in anderen
dieser Tumoren habe ich sowohl diese Farbenabstufungen, wie das Vor-
kommen von Amyloid und Hyalin in einer und derselben Arterie beob-
achtet. In einem Cylindrom der Submaxillaris (Sammlung Zürich) fiel nur
die Anilin Violettreaktion positiv aus mit Ausnahme einiger weniger grösserer
Gefässe, die auch die Jodreaktion gaben. Da in diesem Falle daneben auch
noch deutUch schleimige Entartung vorhanden war, würde es in Frage
kommen, ob nicht auch schleimige Substanzen in Amyloid umgewandelt
werden können, wofür auch die Beobachtung von St ratz über amyloide
1) Zur Diagnose der amyloiden Entartung der Nieren. Vir eh. Arcb. Bd. 71.
2) Ober Fremdkörpertuberkulose und Freradkörperriesenzellen. Vircb. Arch Bd. 138.
Supplementbeft 8. 165 ff.
Albuminöse Degeaeration. 219
Degeneration iii einem Uleruspolypen sprechen könnte. Doch ist hierüber
vorläufig wenigstens noch nichts Sicheres auszusagen. — Dass dagegen das
Hyalin — in unserem eng begrenzten Sinne — eine Vorstufe des Amyloids
sein kann, scheint bewiesen 1. durch das Vorkommen unter gleichen lokalen
Bedingungen und an einem und demselben Orte, 2. durch das Vorkommen
unter den gleichen allgemeinen Bedingungen, 3. durch die Abstufungen
und Übergänge bei den verschiedenen färberischen Reaktionen. — Aber
es wäre entschieden vorläufig zu weit gegangen, wenn man behaupten
wollte, dass das HyaUn stets nur eine Vorstufe des Amyloids ist. Denn
es wird beobachtet, dass manches Hyalin niemals zu Amyloid wird. An-
dererseits ist es auch noch keineswegs bewiesen, dass die amyloide Substanz
stets die hyaline Zwischenstufe durchmachen muss ; es wäre vielmehr durch-
aus denkbar, dass ähnlich, wie wir mit Weigert eine direkte Hyalinbildung
annehmen müssen, auch eine direkte Amyloidbildung stattfinden kann.
ad. 4. Die Frage nach der Resorbirbarkeit des Amyloids ist besonders
von Litten (19,20) angeregt worden , welcher angeregt durch frühere An-
schauungen von Frerichs die Frage experimentell zu entscheiden suchte.
Er brachte Kaninchen kleine Würfel gehärteter, amyloider Milzen oder
Nieren in die Bauchhöhle und stellte dann nach Wochen oder Monaten
fest, welche Veränderungen die amyloiden Substanzen durchgemacht hatten.
Neben allen Vorgängen, die sonst bei Fremdkörpereinheilung gefunden
werden, beobachtete er reichlich Riesenzellen, die teils den amj^loiden
Ma^en anlagen, teils auch amyloide Substanzen aufgenommen hatten. Die
Reaktion der Amyloidsubstanz war teils völlig verloren gegangen, teils
undeutlicher geworden, so dass namentlich bei Anwendung der Methyl-
violettreaktion alle Abstufungen vom leuchtenden Rot bis zum matten
Rosa erschienen. Hieraus schloss Litten, dass durch Thätigkeit lebender
Zellen die amyloide Substanz aufgelöst werden kann und glaubte solches
auch beim Menschen wenigstens für die beginnende Amyloiddegeneration
annehmen zu müssen. Virchow hat in der Diskussion über Littens
\'ortrag energisch dagegen opponiert und höchstens die Möglichkeit zuge-
geben, dass Amyloid in eine Flüssigkeit umgewandelt und dann resorbirt
werden könne ; eine Neubildung von Zellen aus Amyloid wäre aber völlig
unmöglich, was auch Litten natürlich nicht angenommen hatte. Klebs
(U) stellt sich ziemlich auf Seiten Littens und glaubt sogar, dass selbst
für die Anhänger der cellulären Genese des Amyloids eine Restitutio ad
integrum nicht völlig von der Hand zu weisen sei. Wichmann, der
ja besonders scharf nur eine interstitielle Ablagerung des Amyloids annimmt,
glaubt sogar, „dass bei beginnender, noch wenig fortgeschrittener Amyloid-
erkrankung nach Beseitigung der Primärkrankheit und der chro-
nischen Anämie durch Steigerung der Zellprozesse, durch ge-
220 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
steigerte Proliferationsthätigkeit der zelligen Elemente eine
Heilung möglich, ja sehr wahrscheinlich ist'', und führt besonders
Rählmanns (30) Beobachtung ins Feld, welcher einen Amyloidtumor der
Konjunktiva durch Keilexcisionen völlig zum Schwinden brachte, somit also
eine Resorption des Amyloids direkt nachwies. Es erscheint in der Tliut
durch diese Beobachtung und Littens Versuche bewiesen, dass amyloide
Substanz wieder aufgelöst werden kann und auch der von Krückmann
beschriebene Tumor kann in Analogie zu den Versuchen gestellt werden,
da auch bei ihm die verschiedenartigen Abstufungen in der Färbung und
amyloide Schollen enthaltende Riesenzellen gefunden wurden ; ja die Fig. 10
auf Taf. VIII, welche eine diffuse Amyloidreaktion an dem Protoplasma
einer Riesenzelle zeigt , beweist fast direkt die Auflösbarkeit der amyloiden
Substanz. Dass das aber wohl nur in einem bestimmten Stadium de?
Prozesses möglich ist, geht schon aus Cohn hei ms Beobachtungen hervor,
der in einem grossen Milzabscess die amyloiden Schollen noch unverändert
erhalten fand; auch wird an die Resorption amyloider Massen nur dann
eine wirkliche Restitutio ad integrum anschliessen können, wenn die zelligen
Elemente durch die interstitielle Amyloidablagerung noch nicht zu stark
geschädigt waren.
ad. 5. V. Recklinghausen (31) hat sich über die Genese der
Amyloidentartung die Hypothese gebildet, dass aus den Zellen homogenes
Material austritt und, von dem Gewebssaft, indirekt von dem Blute bespült,
wie die Schleimklumpen anschwillt und zusammenfliesst und sich dabei zu
Knollen und Balken umformt. Er hat nichts dagegen, wenn man diesen
Vorgang der Fibringerinnmig parallelisiert , wozu ja Weigert (38) vor
allem neigt, vorausgesetzt dass man diese Art der Gerinnung durch das
Zusammentreten von Bestandteilen der Gewebselemente mit Teilen des
Blutes zu Stande kommen lässt. Für diese besondere Rolle, welche die
Gewebselemente bei der Amyloidenentartung spielen , spricht ja vor allem
auch die Thatsache, dass nur eine beschränkte Anzahl von Gewebsarten
— höchst wahrscheinlich ja ausschliesslich das Bindegewebe — der Er-
krankung anheim fallen. Klebs (14) steht der Recklinghausensclicn
Auffassung nahe, nimmt aber an, dass im Blute eine Vorstufe des Amy-
loids gebildet würde und dass eine Herabsetzung der Zellprozesse die
Bildung des Amyloids begünstige. Auch Czerny (6) glaubt, dass zuerst
eine Vorstufe des Amyloids, freilich nicht im Blute, sondern in den Eiter-
zellen gebildet würde, welches dann in anderen Geweben abgelagert noeli
weiter in eigentliches Amyloid umgewandelt würde. Ziegler (43) glaubt
dagegen, dass das Amyloid wesentlich aus dem cirkulierenden Eiweiss
entsteht in der Weise, dass die Gewebszellen das Eiweiss nicht mehr in
normaler Weise zu zerlegen vermögen, wodurch es an Ort und Stelle
AlbomiDÖse Degeneration. 221
liegen bleibt und dann eigenartige Modifikationen erfährt. Wich mann
steht dieser Auffassung sehr nahe, wenn er als Cirund der Amyloid bildung
eine Herabsetzung der physiologischen Leistungen der Gewebe sieht, sodass
das normalerweise aus dem Blute zugeführte Ei weiss nicht mehr assimiliert
v^-ird, in den Gewebslücken liegen bleibt und später unter Verbindung mit
linderen Eiweisskörpern eine besondere chemische Umwandlung erleidet.
In nicht so klarer Weise, aber doch innerlich nahe verwandt, kommt auch
Buchanan, dessen Meinung Cordua (5) eine gewisse Berechtigung nicht
absprechen will, auf ähnliches heraus, wenn er meint, dass ein phtisischer
Habitus als phtisische Belastung eine Prädisposition für die Amyloident-
artung bildet. Birch-Hirschfeld (3) endlich glaubt, dass es vorläufig
unmöglich ist, eine Theorie der Amyloidentartung aufzustellen.
Zur Aufstellung einer Theorie der Amyloidentartung müssten 3 Fragen
klar beantwortet werden können : a) Durch welche Momente wird die Amy-
loidentartung veranlasst? welches ist das Gemeinsame bei den verschieden-
artigen Krankheiten, die zur Amyloiddegeneration Anlass geben; beruhen
iusV)esondere lokale und allgemeine Amyloidentartung auf denselben Ur-
^^^c•llen? b) Wie entsteht die amyloide Substanz? c) Durch was für
chemische Substanzen wird die spezifische Reaktion hervorgebracht?
ad a. Bei der allgemeinen amyloiden Degeneration kann man in der
That ein allgemeines Moment auffinden, das ist der fortgesetzte Eiweiss-
verlust oder, was besonders Wich mann betont hat, die chronische An-
ämie, die auch in solchen Fällen vorhanden war, wo scheinbar eine beson-
dere Ursache für die Amyloidentartung fehlte. Es würde dadurch die eine
\'oraussetzung für das Zustandekommen der Amyloidentartung gegeben
sein, die mangelhafte assimilierende Thätigkeit der Gewebszellen. Als 2.
M'»ment kommt aber hinzu eine innige Durch- und Umspülung des Ge-
webes mit Flüssigkeit, wodurch eine Art Gerinnung der nicht mehr nor-
mal funktionierenden Teile herbeigeführt wird. Der Mangel an Durchspülung
mit Gewebsflüssigkeit würde es erklären, warum Epithelien nicht amyloid
entarten, auch dann nicht, wenn ihre physiologische Thätigkeit völlig dar-
nieder liegt. Gleich wie bei der hyalinen Gerinnung würden also , wie
niir in Übereinstimmung mit v. Recklinghausen sicher zu sein scheint,
uithrere Faktoren nötig sein. 1. Eine bestimmte chemische Konstitution
des (iewebes. 2. Eine besondere Schädigung der funktionellen Thätigkeit
des Gewebes. 3. Eine reichliche Durchspülung mit Gewebsflüssigkeit. Alle
diese Punkte spielen auch bei der lokalen Amyloidentartung eine Rolle.
Auch hier entarten nur bindegewebige Substanzen, gegenteihge Angaben
Krüdeners (18) für die Amyloidtumoren der Konjunktiva sind durch
Vossius (36) und Rumschewitsch (32) widerlegt; auch hier besteht eine
starke Durchtränkung der Gewebe mit Flüssigkeit, hervorgebracht entweder
222 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
durch eine entzündliche Exudation bei den einfach hyperplastischen Tumor-
bildungen oder durch die innigen Beziehungen der echten Neubildungen
zu Blut- und Lymphgefässen. Aber auch hier muss noch eine besondere
Herabsetzung der Zellenthätigkeit angenommen werden, die teils durch
Druckverhältnisse in den ungleichmässig wachsenden Gebilden, teils durch
allgemeine Momente (senile Atrophie) hervorgebracht werden können. Denn
es ist jedenfalls sicher, dass nicht wenige hyaline Massen stets auf dieser
Stufe stehen bleiben, niemals amyloid werden.
ad b. Was die eigentliche Entstehung des Amyloids anbetrifft, so
haben wir oben gesehen, dass in nicht wenigen Fällen das Hyalin die
Vorstufe des Amyloids sein kann. Nach dem, was über die Entstehung
des Hyalins festgestellt werden konnte, tritt somit auch die Amyloidbildung
in einen gewissen Konnex zu den Gerinnungsvorgängen. Was im speziellen
hierfür und gegen eine direkte Entstehung aus weissen oder roten Blut
körperchen (Obrzut 26) spricht, ist bereits teilweise angeführt worden;
hier sei nur nochmals auf die alten Beobachtungen Fried reich s über die
amyloide Umwandlung eines Gerinnsels in einer Hämatocele retrouterina
liingewiesen, ferner auf die auffallenden Übergänge und Varietäten in den
färberischen Reaktionen des Amyloids, Die Beobachtungen von mir und
Hansemann zeigen, dass die Anilinviolettreaktion einem früheren Stadium
entspricht, wie die Jodreaktion, Still ing (34) hat ferner gezeigt, das es
Amyloid giebt, welches nur noch die Jodreaktion, und nicht mehr die
Anilin Violettreaktion giebt und ich kann das bestätigen; Eberth und ich
haben gesehen, dass in den Nieren die Jodschwefelsäurereaktion oft nur
an den zweifellos ältesten amyloiden Partieen eintritt; Schusters Beobach-
tung weist darauf hin, dass es bei ganz besonders altem Amyloid zu noch
weiteren Veränderungen der Reaktion kommen kann und Frerichs und
Fürbringe r haben es, wie bereits Klebs (14) hervorgehoben, wahr-
scheinlich gemacht, dass es ein Achroo- Amyloid giebt, was durch R a e li 1-
manns und Litten s Untersuchungen über das Wieder-Hyalin werden ur-
sprünglich amyloider Substanzen direkt dahin gedeutet werden muss, dass
auf einer gewissen Altersstufe eine noch weitere Veränderung der amy-
loiden Substanz möglich ist. Man könnte deswegen schematisch eine Skala
entwerfen, welche von der echten Fibringerinnung über das Hyalin zum
Achrooamyloid führt und wo die durch das verschiedene färberische Ver-
halten von einander geschiedenen Gebiete in einer bestimmten Breite mit
einander zusammenfallen können. Das Schema würde dann folgender-
massen lauten: Achroo-
_^ Hyalin Amyloid amyloid
I I — 1__.. I 1
Fi- Bezirk der Wei- Anilin violett- Gentiana-Jod und JodHjSO« atypisclie
brin gertschen Färbung reaktion allein Jodll^SOfreaktion roaktion Jodreak*
allein tion
AlbuminOse Degeneration. 223
ad. c. Die schwierigste Frage, die auf Grund unserer heutigen chemi-
schen Kenntnisse auch hypothetisch kaum beantwortet werden kann, ist
die Dach der besonderen chemischen Umwandlung, welche die Amyloid-
reaktionen bewirkt. Durch die Versuche Czernys(6) und durch einige von
mir gemachte Beobachtungen (24) muss die Frage erörtert werden, ob
nicht gewisse Beziehungen zwischen dem Amyloid und dem Glykogen be-
stehen und man könnte dann soweit gehen, die Auffassung zu vertreten,
dass der als „Amyloid" bezeichnete Körper aus einem Eiweissderivat und
einem Kohlehydrat (Glykogen oder einem glykogenähnlichen Körper) be-
steht. Das verschiedene Verhalten des Amyloids und Glykogens zu Wasser,
Säuren und zum Speichel würde nicht a priori hiergegen sprechen, da durch
die feste Verbindung des Glykogens mit dem Eiweissderivat die chemi-
schen Eigenschaften verändert werden könnten. Auch würden gerade die
Versuche Czernys und meine Beobachtungen dafür sprechen können.
Czerny fand bei Erzeugung von Terpentineiterung bei Hunden in den
Eiterzellen und den Leukocyten des Blutes einen Körper, der die mikro-
chemischen Reaktionen des Glykogens gab und aus dem sich jedenfalls
auch bei der quantitativen Bestimmung Glykogen abspalten Hess, der sieh
aber von dem gewöhnlichen Glykogen dadurch unterschied, dass er sowohl
die Jodschwefelsäure- wie Anilinviolettreaktion gab. Ich habe ferner in
der Niere von Winterfröschen Mastzellen gefunden, von denen ein Teil
sich nicht nur tinktoriell, sondern auch chemisch ganz wie Glykogen ver-
liielt, während ein anderer Teil neben den Glykogenfärbungen auch die
Amyloidfärbungen annahm und dann in Speichel nicht mehr löslich war.
Während meine Beobachtungen keine direkten Beziehungen zur Amyloid-
biidung hatten, schien dies bei Czernys Versuchen um so mehr der Fall
zu 8*^in, als er bei zwei Hunden bei fortgesetzter Aüfrechterhaltung der
Terpentineiterung während 10 — 11 Wochen eine amyloide Degeneration
der Milz auffand. Nahm man an, wie Czerny wollte, dass die Amy-
ioidentartung der Milz durch den fortgesetzten Transport der Eiterzellen
von den Eiterherden aus zu stände gekommen war, so blieb kaum etwas
anderes übrig, als in dem in den Eiterzellen vorhandenen, teils wie Glykogen,
teils wie Amyloid reagierenden Körper eine Vorstufe des Amyloids zu erblicken ;
und da der Körper im wesentlichen (Verhalten zum Speichel) mit dem
Glykogen völlig übereinstimmte, so wäre der weitere Schluss berechtigt
gewesen, dass die spezifische Färbung des amyloiden Eiweisskörpers von
der Verbindung mit dem Glykogen bedingt sei. Allein selbst wenn die
tliutsächlicheu Beobachtungen Czernys über das tinktorielle Verhalten der
Eiterzellen richtig wären, wäre dadurch der Schluss noch nicht bewiesen,
'ia.ss die amyloide Entartung der Milz durch Ablagerung des in den Eiter-
«.llen vorhandenen Körpers hervorgebracht wird, sondern es könnte sich
224 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
bei der Entstehung des Amyloids um zwar ebenfalls vom Eiter ausgehende,
aber nicht mit den Eiterzellen in direkter Verbindung stehende Wirkmigen
handeln; die oben angeführten neueren Untersuchmigen Tschermaks
würden übrigens direkt gegen eine derartige Verbindung mit Glykogen
sprechen. — Nun habe ich aber in zahlreichen gleichartigen Versuchen
zwar stets die Glykogenreaktionen an den Eiterzellen und Leukocyten
erhalten, nie aber die Amyloidreaktion, ebensowenig, wie ich selbst bei
14 wöchentlicher Aufrechterhaltung der Eiterung eine amyloide Degene-
ration in irgend einem Organe auffinden konnte. Damit wird es vorläufig
wahrscheinlich, dass wir auch in der Terpentineiterung kein sicheres Mit-
tel zur Erzeugung der Amyloidentartung besitzen und dass die positiven
Ergebnisse von Czernys Versuchen auf Zufälligkeiten beruhten, die es
vorläufig unmöglich machen, allgemeine Schlüsse aus ihnen zu ziehen. —
Damit wären wir auf den Punkt der experimentellen Erzeugung der amy-
loiden Degeneration gekommen. Ausser Czernys positiven Angaben,
giebt es nur noch die erfolgreichen Versuche Birch-Hirschfelds, der
einmal durch Injektion von Eiter eines an Caries und Amyloiderkrankun«];
leidenden Knaben bei einem Kaninchen bereits nach 6 Wochen Amyloid-
degeneration erzielte, und Charrins, dem es einmal gelang bei seinen
Versuchen mit Bacillus pyocyaneus Amyloidentartung im Herzen zu er-
zeugen ; ferner eine etwas zweifelhafte Angabe von Condorelli-Mangeri (4),
dass er bei Kaninchen durch Einspritzung von Kulturprodukten des Bacteriuni
termo (?) Amyloidentartung in Leber und Nieren erzeugt habe. Aber alle
diese spärlichen positiven Versuchsergebnisse zeigen im Gegensatz zu den
überaus zahlreichen negativen, dass noch irgend welche besonderen Bedin-
gungen erfüllt sein müssen, damit es zur amyloiden Degeneration kommt. Die
wenigen positiven Experimentalergebnisse haben unsere Kenntnisse über die
Amyloidentartung noch in keiner Weise gefördert, weil sie vereinzelt geblieben
sind. Erst wenn wir ein sicheres Mittel zur Erzeugung der Amyloiddegenera-
tion in der Hand haben, werden wir dazu gelangen können, eine wirkliche .
Theorie dieser Erkrankung aufzustellen. Alle die Fragen, die bis jetzt nur
mit grosser Reserve oder hypothetisch beantwortet werden können, nach dem
Verhalten des Amyloids zum Hyalin, zum Glykogen, über Entstehung und
chemische Zusammensetzung würden dann ihrer Lösung wesentlich ge-
nähert werden. Vorläufig scheinen wir aber von diesem Ziel noch sehr weit
entfernt zu sein und auch die neusten Versuche von Krawkow*) werden
uns wohl kaum dem Ziele näher bringen; denn dass wir in der Injektion
von Staphylokokken in die Blutbahn von Kaninchen kein sicheres Mittel
zur Erzeugung der Amyloidentartung besitzen, kann ich versichern; da ich
viele vergebliche, mannigfach variierte Versuche damit gemacht habe.
') Über bei Tieren experimentell hervorgerufenes Amyloid. Ctbl. f. allgem. Pathol.
Bd. 6. S. 337, 1895.
B.
Progressive Ernährungsstörungen.
1.
Regeneration und Hypertrophie.
Von
Ludwig Aschoff, Göttingen.
Litteratur.
1. Angelacci nnd Ne eisen, Experimentelle nnd histologische Untersuchungen aber
Keratoplastik. Klinisch. Monatsblatt f. Augenheilkunde. 1880. Bd. XVIII. S. 286.
2. Arnold, Über die Geschicke der Leukocjten bei der Fremdkörperembolie. Vir eh.
Arch. Bd. 133. 1893. S. 1.
•l Derselbe, Experimentelle Untersuchungen über die Entwickelung der Blutkapillaren.
Virch. Arch. Bd. 53. 1871. S. 70. Bd. 54. 1872. S. 1.
i Askanazy, Zur Regeneration der quergestreiften Muskelfasern. Virchows Arch.
Bd. 125. 1891. S. 520.
3. Ballance und Sherrington, Über die Entstehung des Narbengewebes, das Schicksal
der Leukocyten und die Rolle der Bindegewebskörperchen. Ctbl. f. allgem. Pathol.
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163. Derselbe, Beiträge zur kompensatorischen Hypertrophie und Regeneration. Archiv
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164. Derselbe, Über die kompensatorische Hypertrophie der Geschlechtsdrüsen. Vir-
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und spez. Chir. von Pitts und Billroth. I. Abt. 2. 1878. S. 553.
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Regeneration und Hypertrophie. 233
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204 Verson, Zur Beurteilung der amitotischen Kernteilung. Biol. Centralblatt XI. 1891.
(Nicht zugänglich.)
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211. Yamagiwa, Zellenstudie an sich regenerierendem Sehnengewebe. Virchows
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212 Derselbe, Über die entzündliche Gefässneubildung, spez. diejenige innerhalb von
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213. Zabarowaki, Ezperim. Unters, über die Regen, der quergestreiften Muskeln. Arch.
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214. Zeller, Plattenepithel im Uterus. Zeitschr. f. Geburtshülfe und Gynäkologie. XI.
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X. intern. Kongr. 1890. Berlin Bd II. Abt. 3. S. 1.
i'16. Derselbe, Über die Ursachen der patholog Gewebsneubildungen. Intern. Beiträge
zur wissenschaftlichen Medizin.. Festschrift, Rudolph Virchow gewidmet. Berlin.
Hirschwald 1891. Bd. II. S. 21.
217. Derselbe, fiistorisches und Kritisches über die Lehre von der Entzündung.
Zieglers Beiträge XU. 1892. S. 152.
218. ZiegJer,H. E, Die biologische Bedeutung der amitotischen Kernteilung im Tierreich.
Hiolog. Centralblatt. XI. 1891. (Nicht zugänglich.)
V. Recklinghausen hat in seinem Handbuche der allgemeinen
Pathologie des Kreislaufes und der Ernährung (1883) die damals giltigen
Anschauungen über Regeneration und Hypertrophie zugleich mit der
liij^toriscben Entwickelung derselben in so umfassender Weise dargelegt,
dass sein Werk als Grundlage für alle späteren kritischen Besprechungen
vorangesetzt werden muss. Über die Ergebnisse des letzten, seit dem ver-
flossenen Jahrzehnt hat sichBarfurth in grösseren, zusammenhängenden
und in der Hauptsache erschöpfenden Referaten für die Merke 1- Bonne t-
^•hen Jahresberichte geäussert, so dass mir die Aufgabe eines Rückblickes
-mf die bis heute in den Fragen der Regeneration und Hypertrophie ge-
wonnenen Kenntnisse wesentlich erleichtert wurde und eigentlich über-
tlössig erschien. Ich habe mich daher bemüht, nur die für den patholog.
Anatomen wichtigen neueren Errungenschaften über die Regeneration der
234 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Gewebe kurz zusammenzufassen, während die von Bar für th ausführlich be-
handelte Frage der Post- und Regeneration des Eies und des Embryo nur
flüchtig gestreift werden konnte.
Die Vorgänge des physiologischen Wachstums, der Regeneration und
der Hypertrophie beruhen auf einer Eigenschaft der Zellen, deren innere
Ursache uns unbekannt ist, der Proliferationsfähigkeit. Das Wesen des
Wachstums äussert sich vor allem in einer Vermehrung der nötigen Bau-
steine, der Zellen ; dieselbe geht vor sich durch die Zellteilung: omnis cellula
e cellula. Doch erzeugt nicht jede Zelle zwei völlig ähnliche, wenigstens
nicht bei den höher zusammengesetzten Lebewesen, sondern auch un-
gleiche. Die einzelnen Teile des Körpers, die einzelnen Zellen werden
also differenziert, sie erhalten spezifische Eigenschaften.
Da die Frage der Regeneration von den neueren Forschem mit der-
jenigen der Spezifizität der Zellen eng verknüpft worden ist, müssen die-
selben im Zusammenhange behandelt werden.
O. Hertwig, Weismann, de Vries, Roux, Hansemann, Bard
u. s. w. stimmen darin überein, dass in der befruchteten Eizelle, bezw.
Eikerne das den ganzen Körper bildende Prinzip, die Erbmasse, in Form
kleinster Elementarorganismen, von O. Hertwig Idioblasten, von anderen
anders benannt, enthalten ist.
Das spätere Auftreten von Keimzellen in dem ausgebildeten Körper,
also von Zellen, welche das ursprüngliche Keimplasma oder die Erbma^^se
in alter Menge und Eigenschaft enthalten müssen, wenn man die Möglich-
keit einer Vererbung erklären will, und die Fähigkeit der Regeneration
eines ganzen Tieres aus einer einzelnen Furchungszelle (Driesch) führten
einzelne Forscher, wie 0. Hertwig, und de Vries, zu der Annahme,
dass das Keimplasma bei der Teilung gleichwertig auf alle Zellen des
Köipers übertragen wird. Wie aber kann dann eine Differenzierung der
Zellen eintreten? Nach der Theorie von de Vries, der sich 0. Hert-
wig anschlicsst, treten aus dem Kernverband d. Pangene (der Idioblasten)
einzelne in das Zellprotoplasma aus, doch so, dass in der zurückbleibenden
Idioblastenmasse die ausscheidenden noch vertreten bleiben und zur alten
Stärke heranwachsen können. Der in das Protoplasma ausgetretene Teil
bedingt die spezifische Funktion der Zelle, ihre Spezifizität. Die übrige
im Kern enthaltene Masse von Idioblasten bleibt dabei latent. Sie tritt
nur in Wirksamkeit bei dem physiologischen Wachstum, wenn eine weitere
Differenzierung erfolgt, oder bei der Regeneration. Je nach der Grösse
des zu ersetzenden Teiles muss in den restierenden Zellen eine grössere
oder geringere Menge des latenten Keimplasmas aktiviert werden. Diese
Aktivierung geht leicht vor sich, wenn die Differenzierung der regene-
rierenden Zelle eine geringe ist, schwerer, wenn das Gegenteil der Fall
Regeneration uod Hypertrophie. 235
ist, oder kann unmöglich werden, wenn die Differenzierung sehr weit fort-
geschritten ist.
Roux glaubt, dass von Anfang an zwei Idioplassonarten in dem be-
fruchteten Eikern vorhanden sind, das Idioplasson der direkten Entwicke-
luDg, welches die Differenzierung der Gewebe bewirkt und zwar durch un-
gleiche Teilung, und das Idioplasson der Re- oder Postgeneration, welches
gleichmässig auf die Zellen verteilt wird. Diese gleichmässige Verteilung
des letzteren hat aber auch eine Grenze, dann beginnt eine ungleiche
Teilung; innerhalb dieser Grenze, die z. B. bis zur Bildung der Morula
ausgedehnt sein kann, ist die Regenerationsfähigkeit unbegrenzt, omni-
[lotent, da ja ein vollwertiges Idioplasson übertragen wird, je stärker aber
die ungleiche Teilung des Regenerationsidioplasson wird, z. B. bei der
Bildung der Keimblätter, um so geringer wird die Regenerationsfähigkeit.
Nach Weismann wird das Keimplasma unverändert in geringer
Menge nur auf ganz bestimmte Zellen übertragen, die zur Bildung der
Keime führen, das übrige Keimplasma spaltet sich ungleich bei der Bil-
dung der Körperzelien bis in die es zusammensetzenden Determinanten,
von denen jeder den Charakter einer Zelle oder gleichwertigen Zellgruppe
bestimmt. Daneben enthält aber jede Zelle durch Abspaltung ausser
dem seine Natur bestimmenden Hauptidioplasson noch ein Nebenidio-
plasson, welches aus den Determinanten der von ihr aus regenerierbaren
Teile besteht. Diese Determinanten treten in Thätigkeit, wenn ein Sub-
stanzverlust eingetreten ist. Weis mann giebt zu, dass ursprünglich allen
Zellen solche Ersatzdeterminanten in ausgiebigstem Masse mitgegeben sein
können, dass aber allmählich dieser Reichtum verloren ging; es blieben
nur diejenigen Zellen mit besonderen Ersatzdeterminanten ausgerüstet,
welche zur Regeneration eines biologisch wichtigen oder häufigen Ver-
lusten ausgesetzten Organs bestimmt waren, die übrigen verloren sie ganz.
l>ie Regenerationsfähigkeit ist also eine durch Selektion erhaltene Eigenschaft
bestimmter Gewebe.
Alle genannten Forscher nehmen an, dass zwei Arten von Plasmen in
den einzelnen somatischen Zellen enthalten sind , eines , welches den Cha-
rakter, die Spezifizität der Zelle bedingt, und eines, welches die Regenera-
üonsfähigkeit in sich birgt. Das erste muss für verschiedene Zellen ver-
^'bieden sein, das letztere kann gleich (0. Hertwig) oder auch differenziert
^rin(Roux, Weismann).
Hansemann, welcher die angeführten Hypothesen für die Erklärung
der Entstehung von Geschwülsten verwertet, glaubt, dass die Verteilung
des Idioplasmas von Anfang an ungleich geschieht , so dass von den ver-
^hiedenen ursprünghchen Plasmaarten der Stammzelle in den Tochterzellen
bestimmte Plasmen als Hauptplasmen überwiegen, die anderen als Neben-
236 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
plasmen vorhanden sind. Darin beruht die Differenzierung der Zellen.
Eine solche Differenzierung durch ungleiche Verteilung der einzelnen Plasroen
tritt immer nur nach bestimmten Intervallen auf, denn jeder inäqualen
Furchung folgt eine Reihe äqualer. Bei derjenigen Form von Regeneration,
bei welcher nur Zellen mit gleichem Charakter gebildet werden, ist die äquale
Furchung einfach vermehrt. Bei derjenigen Form, wo ganze Organe oder
Gliedmassen, also Zellen von ganz anderer Funktion neugebildet werden
sollen, müssen die regenerierenden Zellen neue Kräfte erhalten, und dies
geschieht dadurch, dass die Nebeuplasmen wieder ebenbürtig in Aktion
treten. Dies tritt um so leichter ein, je weniger Generationsstadien seit
dem Ei verstrichen sind. Damit wäre die verschiedene Regenerationsfähig-
keit der einzelnen Gewebe erklärt.
Wenn man also noch bei niederen Tieren oder den embryonalen
Stadien höherer Tiere eine weitgehende Regeneration mit Neubildung anders
funktionierender Elemente und ganzer Organe findet, so lässt sich bei der
notwendig weitergehenden Differenzierung der Elemente beim erwachsenen
Menschen eine wesentliche Abnahme dieser Fähigkeit erwarten, v. Reck-
linghausen kommt zu dem Schluss, dass beim Menschen der Wieder-
ersatz eines verloren gegangenen Organs nicht beobachtet ist. Beim Men-
schen kennen wir auch bis jetzt nur eine Wiedererzeugung der Gewebe
für sich, nicht eine gleichzeitige Ausbildung verschiedener Gewebe in der
Masse und in dem Verhältnis zu einander, in welchem sie zusammen ein
ganzes Organ aufbauen (S. 157 und 273).
Nun wissen wir, dass der erwachsene Mensch kein festgefügtes, uu-
veränderUches System von Zellen darstellt, sondern dass auch an ihm ein
während des ganzen Lebens andauernder Verlust und Ersatz von Zellen
stattfindet, die physiologische Regeneration. Doch kommt es auch hier
immer nur zu einem Wiederersatz von Geweben, niemals von Organen.
Nicht alle Gewebe unterliegen diesem andauernden Wechsel, sondern nur
einzelne. In dem letzten Jalu'zehnt ist der Nachweis einer solchen Rege-
neration dadurch wesentlich erleichtert worden, dass man die Zellvermehrung
auch da, wo sie nicht so augenfäUig ist, wie etwa an der äusseren Haut,
durch die Beobachtung der Kernteilüngsfiguren nachweisen kann.
Inwieweit bei dieser normalen Regeneration nur mitotische oder auch
amitotische Formen eine Rolle spielen, das ist mit Sicherheit noch nicht
entschieden. Nach Flemming kann man wohl bei dem heutigen Stand
der Untersuchungen dem Satze vomRaths beistimmen: „Ein regenerativer
Charakter der Amitose ist weder bei Metazoen noch bei Protozoen wirklich
nachgewiesen".
Flemmings Arbeiten und die seiner Schüler, sowie diejenigen von
Podwyssozki, Bizzozero und Vassale u. a. haben die Ausdehnung
Regeneration und Hypertrophie. 237
und das Vorkommen der Kernteilungsvorgänge im normalen Körper klar-
zustellen versucht. Konnte man n\m auf Grund der gefundenen Mitosen
die physiologische Regeneration bestimmter Gewebe behaupten, so ging
Hausemann noch weiter, indem er für jede differenzierte Zellart eine
besondere Form der Mitose aufstellte, so dass aus derselben der Charakter
m Gewebes, zu dem die Zelle gehört, erkannt werden kann. „Bei den
einzelnen Gewebsarten finden sich individuelle Unterschiede der Karyo-
kinese, die es bei genügender Übung gestatten, die einzelnen Gewebsarten
an der Form ihrer Mitose zu unterscheiden. Die Mitosen einzelner Zell-
arten, z. B. diejenigen der Gefässepithelien, der Epidermiszellen und der
Lyraphocyten sind so verschieden von einander, dass man sie fast auf den
ersten Blick unterscheiden kann. Die Mitosen anderer Gewebe aber, und
i-esonders solcher, die entwickelungsgeschichüich nahe Beziehungen zu
einander haben, z. B. die Epidermis, Talgfollikel- und Haarbalgzellen haben
so viel Ähnlichkeit mit einander, dass man sie erst nach längerem Studium
unterscheiden lernt'* (79, S. 20).
Da Hansemann seine ausgedehnten Untersuchungen über das Vor-
kommen von Mitosen an menschlichen Geweben anstellte, so sind die Er-
gebnisse besonders wichtig. Er fand unter normalen Zuständen Mitosen
nur au wenigen Gewebsarten, den Epithelien aller mit der Aussenwelt
kommunizierenden Oberflächen, in erster Linie an der äusseren Epidermis
und der Kornea, an der Schleimhaut der Atmungs-, Harn- und Geschlechts-
organe; femer an den Haar- und Talgf ollikeln , den Lieberkühnschen
Krypten und den Epithelrecessus des Uterus, endlich an den Drüsenaus-
führangsgängen und an den Lymphfollikeln. Alle diese Gewebsarten unter-
tt^en also einer physiologischen Regeneration.
Es fehlen jedoch Mitosen in allen übrigen Organen der Bindesubstanz-
^-üie, den Muskeln, Nerven, Pia und vor allem in echten Drüsen. Eine
^Jüderatellung nehmen die Hoden- und die Milchdrüsen ein, von denen
•l^e letzteren ein zeitweiliges Auftreten von Mitosen erkennen lassen.
Nicht unerwähnt sei, dass Hansemann in Übereinstimmung mit
ßi zzoz e ro die L i e b e rk ü h n sehen Klrypten als einfache Schleimhautrecessus
t-etrachtet, in deren Tiefe die Kernteilung besonders lebhaft ist, während
=> an der Oberfläche fehlt. So dienen die Krypten als Keimcentren für
'^ Oberflächenepithel. Bizzozero hat das Resultat seiner ausgedehnten
(^ritersuchungen über physiologische Regeneration dahin zusammengefasst:
We Gewebe des menschlichen Körpers können bezüglich der Regenerations-
•-ige in drei Klassen eingeteilt werden :
1. Gewebe, deren Zellen sich während des ganzen Lebens des Indivi-
iumns vervielfältigen und so zu einer kontinuierlichen Regeneration Ver-
^lassung geben. Gewebe mit labilen und nicht beständigen Zellelementen.
238 Allgexn. pathol. Morphologie und Physiologie.
Dazu gehören u. a. die Drtisenparenchyme , deren Sekretionsprödukte aus
morphologisch gut charakterisierten Elementen zusammengesetzt sind (Milz,
Knochenmark, Lymphdrüsen, Ovarien, Hoden) und die Epithelien der
Drüsenausbuchtungen (tubulöse Drüsen des Darmes und des Uterus), die
Talgdrüsen, Schleimdrüsen des Magens.
2. Gewebe, deren Elemente sich durch Teilung bis zur Geburt und
noch einige Zeit nach der Geburt, wenn die Elemente bereits ihre spezi-
fischen Eigenschaften erlangt haben, vermehren. Ist diese Periode vorüber,
so findet keine weitere Vermehrung statt und im Gewebe ist kein physio-
logischer Regenerationsprozess nachweisbar. Gewebe mit beständigen Ele-
menten : Parenchym der Drüsen, welche flüssige Sekrete absondern (Leber,
Niere, Pankreas, Speicheldrüsen etc.). Binde-, Knorpel- und Knochengewebe,
das Gewebe der glatten Muskulatur.
3. Quergestreifte Muskulatur und Nervengewebe. Bei diesen hört die
Vermehrung durch Mitose in einer relativ frühen Periode des embryonalen
Lebens auf , bevor noch die Elemente ihre spezifischen Charaktere erlangt
haben. Eine physiologische Regeneration existiert nicht.
Die Untersuchungen über die Vorgänge bei der physiologischen
Regeneration ergaben also positive Resultate nur für ganz bestimmte Gewebe.
Die pathologische Regeneration , der Wiederersatz eines abnormen Defektes
im ausgebildeten Körper, kann sämtliche Gewebe treffen und wdr müssen
diese erst kennen lernen, wenn wir über die Art und Ursache der Rege-
neration überhaupt etwas aussagen wollen.
Epithelien.
Die physiologische Regeneration des Epithels der äusseren Haut und
ihrer Anhänge, der Haare, Nägel und Talgdrüsen erfolgt nach dem über-
einstimmenden Urteil aller Forscher, die sich damit beschäftigt, nach dem
Typus der Karyomitose.
Für die pathologische Regeneration der Epidermis oder des ihr gleicli-
wertigen Kornealepithels gehen die Anschauungen in so weit auseinander,
als auch direkte Kernteilungen, so besonders von Mayzel an dem Defekt-
rand der Kornea wunde beobachtet, von Ne eisen bestätigt worden sind.
Die Untersuchungen von Peters, Neese, Somya machen es für die
Wundheilung an der Kornea wahrscheinUch , dass verschiedene Prozesse
dabei in Betracht kommen; zunächst findet eine Deckung des Defektes
durch eine einschichtige Zelllage statt, welche durch wandernde Epithelien,
die sich allmählich von dem Geschwürsrand vorschieben, hergestellt wird.
Der definitive Aufbau eines mehrschichtigen Epithelgewebes kann natür-
lich nur durch eine Vermehrung der Zellen erfolgen, die jedoch nicht nur
Regeneration und Hypertrophie. 239
am Wundrand, sondern, was wichtig ist, weit davon entfernt, über die
ganze Kornea zerstreut dujch Mitose vor sieh geht und erst später eintritt.
Ein Teil der in den ersten Stunden nach der Verletzung reichlich auf-
tretenden Mitosen in der nächsten Umgebung der Wunde ist wohl auf die
Reizung zurückzuführen. Die dabei gleichfalls vorhandenen amitotischen
Teilungen sind nach dem Vorgange von Ziegler und vom Rath, sowie
Barfurth nur als degenerierende Zellvermehrungen, die kein dauerndes
Gewebe schaffen, aufzufassen.
Den auffälligen Befund der Mitosen in weitester Entfer&ung von dem
eigentlichen Defekt betont auch Ziegler für die Hautwunden auf Grund
der Arbeiten seiner Schüler. Auf die Bedeutung derselben soll an anderer
^Stelle näher eingegangen werden.
Eine Neubildung der Epithelien aus anderen Zellen, z. B. denjenigen
des Bindegewebes, wird nicht mehr anerkannt. Das Epithel stammt nur
vom Epithel.
Über den Wiederersatz oder den Wechsel der Haare, der sowohl
physiologisch an den Kopfhaaren der Neugeborenen, an den Cilien der
Augenlieder, sowie pathologisch nach verschiedenen Infektionskrankheiten
vorkommt, liegen neuere Arbeiten von Garcia, Giovannini, Stieda, bei
Tieren von Schwalbe vor.
Während Stieda, auch noch in seiner letzten Mitteilung, die Bildung
einer neuen Papille für das neue Haar betont, spricht sich Garcia dahin
aus, dass bei dem Haarwechsel der Neugeborenen die Papille bestehen
Meibt, sich jedoch verkleinert und allmählich mit dem ausfallenden Haar
in die Höhe nickt bis zum Beginn der Wucherungszone der äusseren
Wurzelscheide. Von ihr aus wird die Papille wieder mit Keimepithel
in^deckt, welches das neue Haar liefert. Auch Giovannini, welcher den
Wiederersatz ausgerissener Haare untersucht, leitet das die Papille be-
deckende neue Keimlager von den wuchernden VV^urzelscheiden ab. Die
Persistenz der alten Papille als Grundlage für die neue betont Schwalbe.
Über die Regeneration der Linse bei vollständiger Entfernung derselben
^amt ihrer Kapsel hat Wolf f bei Urodelen Versuche angestellt und kommt
zu dem auffallenden Schluss, dass die Neubildung von dem Epithel der
Iris und zwar des oberen Randes derselben ausgeht. Über die entwicke-
lungsmechanische Erklärung dieses Vorganges muss das Original nachge-
lesjen werden.
Betreffs der physiologischen und pathologischen Regeneration der
>H:hleimhäute bei den Säugetieren ist eine Einigung dahin erzielt worden,
dass das Epithel nur vom Epithel stammt und die Neubildung durch
Mitosen erfolgt. Die Angabe von Driesch über freie Kernbildung in der
Trachealschleimhaut ist durch die Arbeiten von Bockendahl und
240 AUgem. pathül. Mo^phologio und Physiologie.
Flemming, die Behauptung von Duval, dass die Epitbelbekleidung des
puei-peralen Uterus aus dem Bindegewebe stamme, durch Strahls Unter-
suchungen widerlegt.
In den Lieberkühnschen Drüsen hat Bizzozero die Keimlage für
das Oberflächenepithel des Darmes zu sehen geglaubt und die gleichen
Beziehungen zwischen Uterusschleimhaut und Uterusdrüsen mit Vassale
zusammen nachgewiesen. Die Kernteilungen sind am zahlreichsten in der
Tiefe der Drüsen. Von hier aus werden die neugebildeten Zellen zum
Ersatz der verloren gegangenen oberflächHchen hinaufgeschoben. In ähn-
Ucher Weise äussert sich Hansemann.
Für den Magen stellen die Magengrübchen das Keimlager für die
Deckepithelien dar. Die schon von v. Recklinghausen betonte Restitutio
ad integrum der Magenschleimhaut nach hämorrhagischen Erosionen konnte
von Griffini und Vassale auch für ausgedehntere mechanische Ver-
letzungen beim Tier experimentell nachgewiesen w^erden. Aus dem vom
restierenden Drüsenepithel ausgehenden Epithelüberzug der Wunde ent-
stehen durch Einstülpung die neuen Labdrüsen mit Differenzierung ihrer
verschiedenen Zellarten. Diese Angaben wurden im wesentlichen von
Matthes bestätigt.
Für die Harnblasenschleirahaut konnte Beltzow die mitotischen Tei-
lungen des regenerierenden Epithels nachweisen, fand aber auch vereinzelte
Fragmentierungen und Riesenzellenbildung.
Noch ungelöst ist die Frage, wie sich das Epithel des Uterus bei der
Menstruation verhält, ob hier überhaupt ein Defekt in der Schleimhaut
entsteht und wie weit sich derselbe erstreckt.
Möricke und de Sinöty leugnen jeden Defekt in der Schleimhaut,
während Leopold, Wyder und v. Kahlden eine Abstossung des Epithels
und der oberen Schleimhautschichten behaupten, die Regeneration von
stehen gebliebenen Epithelinseln oder allein von den Drüsenzellen her-
leiten. Die neuesten Untersuchungen von Christ haben unter anderem
bei einem am zweiten Menstruationstage verstorbenen Mädchen einen bis
auf ganz minimale Defekte unversehrten Epithelüberzug ergeben. Wie
weit diese Beobachtung für die späteren Tage der Menstruation mass-
gebend ist, müssen weitere Untersuchungen lehren.
Wenden wir uns zur Regeneration der eigentlich sezernierenden
Drüsen, an denen wie an anderen Stellen erwähnt, ein physiologischer
Zellverbrauch und Ersatz nicht statt hat, so ist die Beurteilung der Frage,
was wir unter Regeneration zu verstehen haben, recht schwierig. Wenn
eine Niere exstirpirt wird und die andere die Funktion überninamt, ohne
sofort eine Vermehrung der Masse zu zeigen, so ist eine Wiederherstellung,
eine Regeneration der Funktion emgetreten. Dieselbe ist nur von kurzer
Regeoeration und Hypertrophie. 241
Dauer, sie beruht auf der Entfaltung von Reservekräften, welche wir
den einzelnen Zellen für solche erhöhte Leistungen zusprechen müssen,
und sie wird bald gefolgt von einer formalen Regeneration. Dieselbe kann
einerseits in einer Neubildung spezifischer Drüsenkörper bestehen, nach
dem embryonalen Typus von den Drüsenausführungsgängen ausgehend,
durch Sprossung derselben und Umwandlung in spezifische Drüsen und
Bläschen, eigentliche lokale oder anatomische Regeneration — oder in einer
Vergrösserung der zurückgebliebenen Drüsenabschnitte durch Vergrösse-
rung oder Vermehrung der einzelnen sie zusammensetzenden Drüsenzellen,
diffuse kompensatorische Hypertrophie oder Hyperplasie. Podwyssozki
nennt diese Vorgänge Regeneration per appositionem und Regeneration per
intussuseeptionem. Ist das Organ ein doppelseitiges, so lässt sich die
kompensatorische Hyperplasie in ihrer reinsten Form verfolgen, wie bei
den Nieren, bei den übrigen kompUzieren sich regenerierende und kompen-
satorisch hypertrophierende Vorgänge. Während man eine Wiederher-
stellung von Drüsengewebe in grösserem Umfange früher für unmöglich
hielt, haben die Untersuchungen der letzten 10 Jahre, besonders die Ex-
perimente Ponficks mit der Leber bewiesen, dass selbst von so lebens-
wichtigen Drüsen wie die letztgenannte ^U des Gewebes entfernt werden
können und dennoch die Wiederherstellung des Drüsenvoliunens und der
Funktion stattfindet.
Es blieb nur die Frage zu lösen, wie weit handelt es sich dabei um
Regeneration, wie weit um Kompensation. Das Experiment brachte leider
einen neuen imvermeidlichen Faktor hinzu, die pathologische Reizung durch
iie Verwundung. Als Folge derselben sind wohl die Sprossungen an Gallen-
kanäleu, die Wucherungen von geraden Harnkanälchen in das junge Granu-
lationsgewebe der experimentell erzeugten Wunde, wenigstens zum Teil, auf-
zufassen. Jedenfalls ist die regeneratorische Bedeutung dieser Wucherungen,
wie sie von Podwyssozki für die Leber und noch Aeuerdings von Peiper s
für die Nieren beschrieben worden sind, eine sehr geringe, weil sie nur
im beschränktesten Massstabe stattfinden. Dagegen ist die bei den Nieren
-angst bekannte kompensatorische Hypertrophie nun auch für die Leber
von Ponfick und von Meister, für die Schilddrüse von Beresowski
nachgewiesen. Wie es sich bei der Vergrösserung der Nieren nicht um
^ine Neubildung von Glomeruli oder Harnkanälchen, sondern um eine
Vergrösserung der Glomeruli, bezw. der Epithelzellen oder um eine Vermeh-
rung der Zahl der letzteren handelt (Barth), so kommt es auch bei der Re-
gt^neration der Leber nicht zur Neubildung von Leberläppchen am Wund-
Hinde, sondern durch Zellvermehrung zu einer Vergrössermig der einzelnen
zurückgebhebenen Läppchen um das drei- bis vierfache. Eine Wucherung
'ier Gallengänge und des Blutgefässsystems hat nur in soweit statt, als zur
Lub&Tsch-Ostertag, Ergebniise Abteil, n. 16
242 AlJgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Ableitung des Sekrets und Versorgung des neuen Gewebes mit Kähr-
material notwendig ist. Für diese Neubildung des Lebergewebes, welche
allein durch den für den restierenden Teil sehr erhöhten funktionellen
Reiz ausgelöst wird, schlägt Ponfick den Namen Rekreation vor.
Wie viel Anteil bei der Wiederherstellung einer Drüsenfunktion die
Regeneration, wie viel die kompensatorische Hypertrophie bei den einzel-
nen Drüsen hat, haben die experimentellen Arbeiten Ribberts für Schild-
drüse, Mamma, Hoden, Martinottis für Pankreas, Leber, Nieren, Pod-
wyssozkis für Leber, Nieren, Speichel- und Meibomsche Drüsen, Loth-
rops für den Eierstock, Petrone für die Lungen und vieler anderer klar-
zustellen versucht.
Zieht man aus allen diesen Einzeluntersuchungen das Facit, so er-
giebt sich, das die eigentliche Regeneration von Drüsengewebe beim erwach-
senen Tiere fast ganz gegen die kompensatorische Hypertrophie, bezw.
Hyperplasie zurücktritt, und zwar ist nach Ribbert die Regeneration
eines Organes um so stärker, je geringer die kompensatorische Hyper-
trophie und umgekehrt.
Für einzelne Organe, vne z. B. die Geschlechtsdrüsen, ist die Frage
der kompensatorischen Hypertrophie noch nicht positiv entschieden (Rib-
bert, Nothnagel).
BiDdegewebe.
Auf dem X. internationalen Kongress zu Berlin war als erstes
Thema „die Beteiligung der Leukocyten an der Gewebsneubildung'' zur
Diskussion gestellt. Es sollte damit die alte Streitfrage, ob nur die Zellen
des fixen Gewebes oder nur die Recklinghausen sehen W^anderzellen
oder beide zusammen an dem Aufbau des neuen Gewebes mitwirken, end-
gültig entschieden werden. Der Nachweis der Kemteilungsfiguren schien
die Aufgabe wesentlich zu erleichtern, so lange man annahm, dass nur
die fixen Zellen die Fähigkeit der mitotischen Teilung besässen, anderer-
seits nur den Wanderzellen die Beweglichkeit zugesprochen wurde. Die
erste Hypothese ist bereits durch mehrfache Befunde von mitotischen Teilungs-
vorgängen an Wanderzellen und weissen Blutkörperchen gestürzt (Spronck,
Flemming, Arnold, H. F. Müller, Peremeschko, Grawitz, Hanse
mann, Troje, Deekhuyzen; Klemensiewicz Neumann u. a.). Die
Schwierigkeit der Frage wurde durch den Nachweis erhöht, dass die wuchern-
den fixen Gewebszellen ebenfalls mobil werden und sich zu Wanderzellen
umgestalten können, welche zuweilen schwer von den eigentlichen Wander-
zellen zu unterscheiden sind (Arnold, Reinke, Bardenheuer, Mar-
chand, Nikiforoff, Ziegler, Eberth, Graser u. a.)
Regeneration und Hypertrophie. 243
Doch stimmen die meisten Untersucher darin überein, dass die Mitosen
der Wanderzellen, wenn sie überhaupt beobachtet werden, gegen diejenigen
der fixen Zellen, welche an ihrer Grösse und Lage erkannt werden können
völlig verschwinden, und dass andrerseits die Mehrzahl der wandernden
Bindegewebszellen ihre EigentümUchkeiten, Beschaffenheit des Protoplasmas,
des Kernes, der Mitose bewahren, so dass eine Trennung von den Wander-
zellen mögUch ist. So kommt Ziegler als erster Referent über das Thema
zu dem Schluss, dass die Bildung des neuen Gewebes in erster Linie von
den fixen Zellen ausgeht, dass aber eine Beteihgung von eigentUchen Wander-
zellen, wenn auch nicht bewiesen, so doch nicht positiv auszuschliessen
ist. Marchand betont den Unterschied zwischen den Exsudatzellen, d. h.
den aus dem Blut stammenden Wanderzellen und den Bildungszellen noch
schärfer, und Grawitz kommt auf Grund der Kernteilungsfiguren, welche
für dieLeukocyten charakteristisch klein sein sollen, ebenfalls zu einer end-
gültigen Trennung der beiden Zellarten; ein positiver Anteil der spezifi-
schen Wanderzellen am Gewebsaufbau wird von ihnen geleugnet. Ihnen
schliesst sich Eberth völHg an.
Trotzdem sind noch mehrfache Versuche gemacht worden, den Wander-
zellen ihre alten historischen Rechte zu wahren. Besonders ist es Arnold,
der die Möglichkeit einer progressiven Entwickelung der hämatogenen (im
Gegensatz zu histiogenen) Wanderzellen auf Grund neuerer Experimente
bt^tont. Er konnte bei Warmblütern nach Injektion von Weizenkörnern
in die Blutbahn eine Umwandlung der Leukocyten zu spindelförmigen
Gebilden und Riesenzellen beobachten innerhalb einer Zeit, wo eine Wuche-
rung der fixen Endothelien ausgeschlossen war. Ribbert, welcher die
Entstehung der kleinen einkernigen Lymphocyten aus den fixen Zellen
lür möglich hält, schreibt ihnen und ihren eingewanderten Kollegen die
Fähigkeit zu, bei der Endothelauskleidung der neuen Spalten und Saft-
lückeu mitzuwirken. Gegen die Abstammung der Lymphocyten aus dem
Gewebe in loco wendet sich Baumgarten auf Grund seiner Untersuch-
ungen über die Tuberkelbildung. Er konnte zu der Zeit, wo die Anhäufung
von Lymphocyten im Tuberkel beginnt, keine oder nur spärliche Mitosen
an den fixen Zellen nachweisen.
Immerhin muss, selbst wenn eine progressive Entwickelung der häma-
togenen Wanderzelien vorkommen sollte, betont werden, dass dieselben bei
<ien erdrückenden Beweisen für die starke Proliferation der fixen Zellen
nur eine sehr geringe sein kann. Man darf daher auch für das Bindege-
webe den Satz gelten lassen, dass es sich aus seinen eigenen fixen Elementen
^generiert.
Zu diesen alten und immer noch nicht ganz geklärten Streitfragen
bat Grawitz eine neue hinzugefügt mit seiner Behauptung, dass ein
16*
244 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
grosser Teil der bei der Regeneration wuchernden Zellen aus der Grund-
substanz „aufgewacht'' seien. Diese Anschauung, dass bei der Bildung
der faserigen Grundsubstanz zahlreiche Zellen in toto durch Umwandlung
in Fasermasse verschwinden, und dass diese Fasermassen sich wieder zu
kernhaltigen Zellen zurückbilden können, hat bisher trotz mannigfacher
Kontrolluntersuchungen keine Unterstützung von anderer Seite gefunden.
Zur genaueren Orientierung sei auf das zusammenfassende Referat von
Beneke hingewiesen, da eine ausführlichere Besprechung dieses Themas
an anderer Stelle erfolgen wird.
Über die Regeneration des Sehnengewebes äussern sich Viering
und Yamagiwa dahin, dass die Bildung des die Stümpfe verbindenden
Granulationsgewebes in erster Linie von der Sehnenscheide und dem lockeren
Bindegewebe der Sehne selbst ausgeht. Die Sehnenzellen wuchern erst
spät imdin geringem Umfange. Enderlen legt umgekehrt grossen Wert
auf eine lebhafte Proliferation der spezifischen Sehnenelemente und betont
das sehnenartige Aussehen der Narbe.
Die neuen Arbeiten über postfötale Bf utgefässneubildung von Thoma
und Yamagiwa kommen zu dem übereinstimmenden Resultat, dass auch
hier die Spezifizität des Gewebes gewahrt wird. Die neuen Kapillaren ent-
stehen in erster Linie durch Sprossungen der alten KapiUarendothelien
(Arnold, Billroth, Meyer). Eine Neubildung aus Strängen von Keimzellen
(Billroth und Thiersch), die mit den Gefässen in Verbindung treten,
oder aus besonderen Gefässbildnern, den Cellules vasoformativesRanviers,
kommt nicht vor. Freilich lässt Yamagiwa die Bindegewebszellen bei
der Verschmelzung zweier Kapillarsprossen eine helfende Rolle spielen.
Die Sprossbildung geht von dem Protoplasma der Endothelzellen aus,
deren Kerne sich mitotisch teilen und mit dem wachsenden Protoplasma-
fortsatz vorwärts rücken. Die Trennung des Gesamtprotoplasmas in einzelne
Zellterritorien erfolgt, wenigstens beim Menschen, erst spät. Daraus erklärt
sich wolil eine Differenz zwischen zwischen Thoma und Yamagiwa.
Ersterer betont, dass die Bildung des neuen Lumens durch Erweiterung
der intercellulären Spalten vor sich geht, während Yamagiwa eine Aus-
höhlung des Protoplasmas von dem Kapillarlumen her, also eine intracelluläre
Kanalbildung annimmt.
Über die Regeneration der elastischen Fasern in der Haut haben
Passarge und Krösing Studien angestellt. Nach Passarge ist eine
Regeneration, besonders in Narben, wohl nachweisbar, während Krösing
sie nur für möglich, aber nicht für bewiesen hält. Beide Autoren schliessen
eine Beteiligung der Zellen bei der Faserbildung aus. In direktem Gegen-
satz dazu steht Hansen, der als ein Schüler von Grawitz die Fasern
aus den Zellleibern entstehen und sich zu Zellleibern mit Kernen wieder
Regeneration und Hypertrophie. 245
zurückbilden lässt. Gold mann hat auf die Neubildung elastischer Fasern
in überpflanzten Hautstückchen aufmerksam gemacht. Er leitet sie durch
Sprossenbildung von dem elastischen Gewebe des Mutterbodens ab.
Die isogenetische Entwickelung der Hypertrophieen der glatten Musku-
latur bei Verengerungen im Darmkanal sowie der Wundheilungen der
Darmwand und der Gebärmutter ist von Stilling und Pfitzner, A.
Ritschi und Busachi durch den Nachweis echter Mitosen in den Muskel-
zellen sichergestellt worden. Freilich ist die Regeneration des Defektes
durch neugebildete Muskelmasse beim Warmblüter nur gering, hauptsäch-
lich beruht sie auf bindegewebiger Vernarbung. Dafür aber tritt auch an
entfernteren Stellen- eine Wucherung der Muskelfasern ein, so dass hier
das Gesetz der funktionellen kompensatorischen Hypertrophie wie bei den
drüsigen Geweben zur Geltung gelangt.
In Uterusmyomen wurden mitotische Teilungen von Busachi nach-
gewiesen. Neben der Hyperplasie findet sich bei der Regeneration der
Muskel wunden eine deutUche echte Hypertrophie der Fasern (Busachi),
die auch von Orth an der üterusmuskulatur bei Myombildungen aufge-
funden und von Bertelsmann durch Nachuntersuchungen im Göttinger
Institut bestätigt werden konnten.
Die Anschauungen, welche Ribbert über die Entstehung derLymph-
körperchen in den Lymphdrüsen hegt (Abstammung von den wuchernden
Endothelien, im Gegensatz zu Flemming, welcher die Lymphocyten durch
fortgesetzte mitotische Teilung sich vermehren lässt), finden sich auch in
seiner Arbeit über die Regeneration der Lymphdrüsen wieder. In erster
Linie sind es die Endothelien, dann die Gefässwandzellen und fixen Binde-
gewebszellen, welche in den Defekt hinein wuchern, hier ein Retikulum
bilden, in dessen Maschen sich die wuchernden Endothelien ansammeln,
um sich allmählich in typische Lymphocyten umzubilden. Die alten Lymph-
köq>erchen nehmen nicht durch Wucherung, sondern nur durch Einwan-
derung an der Bildung des neuen Gewebes teil. Der ausgebildete Lympho-
cyt ist nicht weiter wucherungsfähig. Dasselbe glaubt Baumgarten,
während Hansemann auf Grund der spezifischen Mitosen der Endothehen
und Lymphocyten der Flemming sehen Anschauung beitritt. Nach S t ö h r
werden die Tonsillen durch Einwanderung der Lymphocyten aus der Blut-
bahn in das Gewebe gebildet; der weitere Ausbau geschieht durch mito-
tische Teilung der ausgewanderten Elemente. Die bekannte Regenerations-
fähigkeit des Knochengewebes, welche auf die spezifische Thätigkeit des
Periosts und des Knochenmarks zurückgeführt wird, hat durch die Ar-
beiten des letzten Jahrzehnts (u. a. Kr äfft) nur eine Bestätigimg erhalten.
Über Wachstum und Regeneration des Knorpels hegt eine neuere
experimentelle Arbeit von Sieveking vor. Er bestätigt das Wachstum
246 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
des Ohrknorpels beim Kaninchen durch mitotische Zellteilung in dem ersten
Lebensmonat. Im zweiten erfolgt die Grössenzunahme durch Vergrösserung
der Zellen, Vermehrung der Zwischensubstanz und appositionelles Wachs-
tum seitens des Perichondriums , welches später allein die Vermehrung
bedingt. Künstliche Defekte im wachsenden Knorpel werden vom Peri-
chondrium aus durch Apposition neuen Knorpelgewebes gedeckt. Bei dem
erwachsenen Menschen ist die osteogene Thätigkeit des Perichondriums
gegenüber der chondrogenen nach den chirurgischen Erfahrungen über-
wiegend.
Quergestreifte Maskalatnr.
In das fast unentwirrbar scheinende Chaos der Meinungen nnd Deu-
tungen bezüglich der bei Regeneration von quergestreifter Muskulatur
beobachteten Vorgänge wird durch die Arbeiten der letzten Jahre eine
grössere Ordnung gebracht, die sogar eine baldige Lösung des schwierigen
Rätsels verheisst. Ich sehe von den älteren Arbeiten, in welchen das
Bindegewebe oder die Wanderzellen als die Erzeuger des jungen Muskel-
gewebes angesprochen wurden, ab, da alle genaueren Untersuchungen der
neueren Zeit nur in den alten Muskelfasern die Quelle der Wiedergeburt
sehen. Die lebhaft diskutierte Frage, ob überhaupt ein muskulärer Ersatz
von untergegangenem Muskelgewebe statthaben kann, ist im Sinne der allen
schon von v. Recklinghausen wiedergegebenen Anschauung durch wie-
derholte Untersuchungen und Experimente, noch neuerdings von Volk-
mann, dahin gelöst worden, dass bei einfachen Schädigungen der spezi-
fischen kontraktilen Substanz, wo das Sarkolemm mit den Muskelkernen
und die bindegewebige Stützsubstanz erhalten bleiben, wie beim Typhus
oder der Erfrierung, eine auch funktionell vollständige Regeneration statt
hat, dass aber bei traumatischen Verletzungen nur dann eine muskuläre
Vereinigung eintritt, wenn der Substanz verlust sehr gering ist, während
bei grösseren Defekten eine bindegewebige Vernarbung folgt. Die Zone
der Muskularisierung ist nicht breiter als 1—2 mm vom Wundrande aus.
Diejenigen Autoren, welche eine Spezifizität der Muskelregeneration
anerkennen, waren bislang in zwei Lager getrennt; die einen erkannten nur
eine Regeneration durch die sogen. Muskelzellen nach embryonalem Typus
an (Weber, Kraske), die anderen allein durch eine Knospung von der
alten Faser aus (Neumann, Nauwerck).
Die neueren Arbeiten von Barfurth, Kirby und Volkmann haben
uns gezeigt, dass eine scharfe Trennung dieser Vorgänge überhaupt nicht
möglich ist, sondern dass thatsächlich beide Regenerationsformen vorkommen,
die auch in ihrer prinzipiellen Bedeutung gleichwertig sind. In seinem
Regeneration und Hypertrophie. 247
letzten Referate über die Muskelregeneration betont Barfurth besonders,
dass für die verschiedenen Formen des Neubildungsprozesses einerseits die
Art und das Alter des Versuchstieres, wie er es gezeigt, andererseits die
Art der Verletzung, durch Infektion, thermische Einflüsse, Traumen u. s. w.,
wie Volkmanns Untersuchungen beweisen, von grosser Bedeutung ist.
Doch lässt sich trotz aller Verschiedenheit und Buntheit der Bilder
lin gemeinsamer C'harakterzug in diesen Wucherungsvorgängen festhalten,
das ist das Selbständigwerden der, die komplizierte Muskelfaser zusammen-
setzenden, Einzelgebilde. Zwar ist die Muskelfaser nicht vielzellig, wohl aber
vielkernig, und zu jedem Kern muss eine bestimmte Protoplasmamenge, sei
es auch nur durch eine stärkere Anhäufung des Sarkoplasmas, in Beziehung
^'»Hotzt sein. Das Selbständigwerden dieser Kerne mit dem ihnen zugehö-
rigen Protoplasma kann, wie die Untersuchungen aller Autoren lehren, in
dvu mannigfachsten Formen vor sich gehen. Einmal kann es sich um eine
«iirekte Auflösung der Muskelfaser in die kleinen Einzelzellen handeln. Ist
<b'e kontraktile Substanz der Muskelfaser, wie z. B. beim Typhus oder bei
Frosteinwirkung, zerstört, sind die Kerne und ihr Sarkoplasma erhalten ge-
Mieben, so tritt eine lebhafte Wucherung dieser Kerne und Vermehrung
d*s Protoplasmas ein, welches zur Bildung einer wahren Brut von neuen
Zellen oder Riesenzellen führt, die den erhalteneu Sarkolemmschlauch voU-
-tiiudig ausfüllen und so die typischen, von Waldeyer als Muskelzellen-
^chläuche benannten Gebilde zusammensetzen (Vohkmann).
Ist die Muskelfaser durch Trauma oder auf andere Weise in ihrer
Kontinuität getrennt, so zeigt sich ebenfalls als erste Erscheinung eine leb-
hafte Wucherung der Muskelkerne, nicht allein derjenigen, welche an dem
iiwh teilweise erhaltenen Sarkolemmschlauch des zerstörten Faserabschnittes
fl'T Vernichtung entgangen sind, sondern auch an denen, welche dem er-
haltenen Faserstumpf angehören. Dabei verliert das Protoplasma in der
lingebung der wuchernden Kerne seine normale Streif ung, es tritt eine
feinkörnige Masse als Protoplasmahof der Kerne auf. Diese Wucherung
<\vT Kerne und diese Vermehrung des Protoplasmas kann wiederum zu den
Verschiedensten Bildungen führen. Entweder lösen sich die neugebildeten
Ki^niente von ihrem Mutterboden ab und werden zu selbständigen Muskel-
7-' llen, oder sie bleiben mit demselben in Zusammenhang, können also dem
Sarkolemm angeheftet sein oder direkt dem alten Faserstumpf entsprossen
'Xeumann-Nauwercksche Muskelknospen). Endlich kann der zurück-
h:eibende Faserstumpf, ehe sich an ihm Wucherungs Vorgänge zeigen, oder
im Beginn derselben, mehrfach gespalten w^erden, und an jedem Spaltungs-
produkt können sich die oben beschriebenen Vorgänge wiederholen. W^eitcr-
hin werden an den Muskelknospen Abspaltungen einzelner Muskelzellen
U^obachtet, die isolierten, zu spindelförmigen Elementen ausgewachsenen
248 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Muskelzellen können sich zu grösseren Bildungen Avieder vereinigen, oder
vor ihrer vollständigen Ablösung netzartig untereinander verbunden bleiben,
endlieh können aus den Muskelzellen, den Muskelknospen, den wuchernden
gespaltenen Muskelfasern riesenzellenartige Gebilde hervorgehen, so dass
die Schwierigkeit in der Deutung dieser Bilder, die durch die Wucherungen
des Bindegewebes, die Leukocytenein Wanderung, den Zerfall der Muskel-
fasern, noch komplizierter werden, eine sehr grosse wird und die Mannig-
faltigkeit der Muskelregenerationstheorieen erklärt. Folgen wir aber der
Ansicht Kirbys, welcher in der isolierten Muskelzellenbildung von den
zurückgebUebenen Kernen aus und in der Knospung durch Kernwuclie-
ruug des Faserstumpfes denselben Vorgang, nur verschieden lokalisiert,
erblickt, beachten wir Barfurths und Volkma uns Ergebnisse, da^s die
verscliiedenen Formen der Wucherungen sich meist kombinieren, dass aber
je nach dem Alter des Tieres oder der Art der Verletzung die eine die
andere überwiegt, so wird das Verständnis wesentlich erleichtert.
Bleiben die Muskelkerne, wie beim Typhus, erhalten, und geht die
Gesamtmasse der kontraktilen Substanz unter, so kann nur eine Wuche-
rung von Muskelzellen erfolgen, ist das Sarkolemm mit den Kernen ver-
nichtet, so kann nur aus dem erhaltenen Faserstumpf, sei es in Form der
Knospung oder der sich schneller vom Mutterboden lösenden Muskelzellen
die Neubildung statthaben.
Findet aber auch eine wirkliche Neubildung statt? Sind diese Bilder
nicht als Degenerationen aufzufassen ? Ich glaube nicht, dass die Behaup-
tung Nauwerks, es sei der Übergang der spindelförmigen Muskelzelleu
in wirckliche, gestreifte Fasern, wie v. Recklinghausen sich gleichfalls
äusserte, eine unbewiesene Thatsache, heute noch zu Recht bestehen kann,
nachdem Volkmann quergestreifte junge Muskelfasern beim Typhus ohne
jede Sprossung vom Faserstumpf her beobachtet hat. Die Umwandlung dei^
feinkörnigen Protoplasmas der Muskelknospen in gestreifte Substanz ist
gleichfalls sicher gestellt. Andererseits kann unmöglich, wie Nauwerck
mit Recht betont, die ganze junge Zellenbrut zu Muskelfasern werden, und damit
stimmt der besonders von Nauwerck betonte, meist durch fettige Degene-
ration bedingte Untergang des grössten Teils derselben überein. Von
grossem Interesse ist die Frage, ob die ersten Kern Wucherungen einen
regenerativen oder degenerativen Charakter tragen. Wenn man daran fest-
halten wollte, dass nur die Mitose die Regeneration einleitet, die direkte
Kernteilung dagegen nur eine einfache Zellvermehrung bezw. eine Reiz-
erscheinung ist, so läge die letztere Thatsache vor, denn die Mehrzahl dei
Beobachter, deren Befunden nur die Leven scheu entgegenstehen, haben
im Anfang eine direkte Kernteilung, ersts päter Mitosen festgestellt. Eine Gesetz-
mässigkeit liegt aber hier sicher nicht vor, da auch in späteren Stadien ge-
Regeneration und Hypertrophie. 249
rade bei der Muskelknospung direkte Kernteilung beobachtet wurde
iVolkmann).
Man hat die jungen wuchernden Muskelzellen Sarkoblasten genannt;
von ihnen sind die sog. Sarkolyten, d. h. Bruchstücke quergestreifter Sub-
stanz, die oft in sehr grosser Zahl den Muskelsohlauch anfüllen können,
scharf zu trennen. Sie sind nur Folgen der Degeneration und wurden
von Si gm. Mayer und Barfurth in ungeheurer Menge in den der Rück-
bildung unterworfenen Muskelfasern des Schwanzes metamorphosierender
ßatrachierlarven gefunden. Werden diese Bruchstücke von wuchernden
Zt^llen aufgenommen, so ist die Entscheidung schwer, ob es sich um an-
hängende alte Kerne und Sarkoplasma handelt oder um neue junge Zellen
mit Einschlüssen. Für die Wegschaffimg der Zerfallstrümmer kommen
auch hier, wie überall in erster Linie die Wanderzellen und die Abkömm-
linge der fixen Zellen, die sich zu Riesenzellen umbilden können, in Be-
tracht. Nach Volkma uns Untersuchungen müssen aber auch die eigen t-
liclien Muskelkörperchen als Vertilger dieses toten Materials angesehen
werden.
Dass die Regeneration unabhängig vom Nerveneinfluss verläuft, hat
Kirby mit Durchschneidung des N. ischiadicus gezeigt. Die Wucherungen
fanden in gleicher Weise statt wie am gesunden Bein.
An den neugebildeten Fasern tritt zuerst eine feine Längsstreifung,
dann eine Querstreifung auf. An den grösseren Fasern zeigt sich auch
'iie Bildung eines Sarkolemms, welches Nauwerck als ein Produkt der
Muskelzellen ansieht.
Eine neuere Arheit von Galeotti und Levy kehrt zu der Auffassung
zurück, dass nur ein Bildungsmodus, die Regeneration durch Sarkoblasten
für minder hoch organisierte Tiere (Kröte und Salamander) in Betracht
kommt.
Nicht unerwähnt darf eine unter Graw^tz Einfluss niedergeschrie-
ene Arbeit von Kr ö sing bleiben. Er lässt die Muskelfasern durch An-
einanderlagerung spindelförmiger Zellen entstehen, deren Kerne ein-
K'lilummem. Bei krankhaften Störungen erwachen die Kerne, die quer-
.iri-streifte Substanz wird zur Protoplasmabildung verbraucht, es spalten sich
^l^indeIfö^mige Zellen (auch mit Leukocytenkernen) von den Muskelfasern
ab, oder es sammeln sich junge erwachte Zellen innerhalb der Muskel-
fasern an. Ein Teil der neuen Zellen geht zu Grunde: „Wenn fertige
Zivilen entstanden sind, so können dieselben direkt in Bindegewebe, Fett-
p'webe, Knorpel, Knochen, Tuberkel, Eiter, Käse umgebildet werden.*' (1)
Ob eine physiologische Regeneration der Muskulatur beim Menschen
vorkommt, ist eine noch unentschiedene Frage. Die Beantwortung der-
K-lben ist um so schwieriger, als wir über die normale Entwickelung der
250 Allgeni. pathol. Morphologie und Physiologie.
Muskulatur noch nicht genügend unterrichtet sind. Zwar hat sich Köl-
liker auf Grund der Felixschen Untersuchungen für eine Vermehrung
der einmal angelegten Muskulatur im späteren fötalen oder postfötalen
Leben entschieden, doch lassen neuere Arbeiten Zweifel an der Richtigkeit
der Deutung laut werden. Felix äussert sich folgendermassen : „Während
der Anlage des Muskelsystems werden immer neue Fasern nach embryo-
nalem Typus gebildet. Sobald alle angelegten Fasern ausgebildet sind, tritt
ein Stillstand in der Vermehrung der Faserzahl ein, der zunächst zum
Längen- und Dickenwachstum der einzelnen Fasern benutzt wird. Der
Stillstand ist in den dritten Monat zu verlegen. Von einer bestimmten
Grenze an, die zwischen der Mitte des dritten Monats und dem vierten
Monat liegen muss, beginnt wieder eine Vermehrung der Faserzahl, dieses
Mal nur durch Längsteilung der vorhandenen Fasern." (50, Schluss.)
Dieser Spaltung der Fasern geht eine Kernvermehrung und Anord-
nung der Kerne in mehreren Reihen in der Mitte des Faserverlaufes vor-
aus, dann trennen sich die kernhaltigen Reihen durch schräge Längs-
spaltung und bilden so die neuen Fasern. Zugleich ist das anliegende
Perimysium verdickt zu der sogenannten Muskelspindel (Köllikers Mus-
kelknospe). Daneben erwähnt Felix noch eine starke Kernwucherung an
den Sehnenendeu der Muskelfasern, die zum Teil das Längenwachstum
besorgen, zum Teil degenerative Prozesse darstellen sollen. Auch Seh af-
fer will bei 10 — 16 Wochen alten Embryonen einen Zerfall des querge-
streiften Muskelmantels und Entfernung desselben durch Leukocyten be-
obachtet haben, während der axiale Teil mit den Kernen bestehen blieb.
An diesem axialen Strang kommt es durch Kernwucherung zur Sprosseu-
bildung oder zur Loslösung einzelner Muskelzellen, welche die neuen Fa-
sern liefern. Es sollen also im Embryo Degenerations- und Regenerations-
vorgange neben einander herlaufen.
Gegen eine spätere Vermehrung der einmal angelegten Muskelfasern
wendet sich Halban. Im Embryo zeigen die Fasern der einzelnen Mu.<-
keln desselben Körpers keine oder nur sehr geringe Dickenunterschiede.
Die Muskelfasern werden vom 4. Embryonalmonat an bis zur Geburt
dicker und zwar wächst der Durchmesser in allen Muskeln ganz gleicli-
mässig um das Doppelte. Von der Geburt an tritt aber ein sehr un-
gleichmässiges Dickenwachstum je nach der Funktionszunahme der ein-
zelnen Muskeln ein. Mit der Dicke der Fasern wächst auch proportional
der Gesamtmuskel. Für das Dickenwachstum der Muskeln im posteni-
bryonalen Leben reicht das Dickenwachstum der Fasern vollkommen aus.
Die Bedeutung der Köllik er sehen Muskelknospen für das Wachs-
tum des normalen Muskels ist keineswegs so sichergestellt, wieKölliker
anzunehmen scheint. Eine Untersuchung von Laura Forster ergab den
Regeneration und Hypertrophie. 251
auffälligen Befund, dass diese Gebilde bei einer hochgradigen Atrophie der
Muskulatur infolge puerperaler Myelitis ganz unverändert bleiben. Verf.
schliesst daraus, dass sie selbständige Gebilde sind und mit dem Wachstum
'xler der Regeneration des übrigen Muskels nichts zu thun haben. Auf
die Litteratur der Muskelspindeln näher einzugehen , muss ich an dieser
Stelle verzichten, zumal Volkmanns Untersuchungen ergeben, dass die-
selben für die pathologische Regeneration gar nicht in Betracht kommen.
Über die Heilung von Herzwunden liegen nur spärliche Beobach-
tungen vor. Bonome kommt zu dem Resultat, dass wohl eine Kernver-
mehrung an der alten Muskelfaser eintritt, aber keine Zellteilung. Die
Xarbenbildung erfolgt vom Bindegewebe aus.
Die Dickenzunahme der Herzmuskelfasern bei dem physiologischen
pjystfötalen Wachstum und bei der Herzvergrösserung , also die echte
Hypertrophie der einzelnen Zellen, welche von Goldb erger für den Men-
schen sichergestellt war, wurde von Tangl durch vergleichende und
experimentelle Untersuchungen am Kaninchen bestätigt. Eine numerische
Hyperplasie ist damit keineswegs ausgeschlossen.
Nervensystem.
Die Regenerationen am centralen und peripheren Nervensystem müssen
insofern schon einen anderen Charakter tragen als die bisher besprocheneu,
als es sich nicht um Gewebe mit gleichmässig funktionierenden Elementen,
wie die einfachen Drüsen, handelt, sondern um Komplexe sehr differenter
Zellen. Und diese selbst sind wiederum ganz sonderbar gebaut, besitzen Aus-
läufer von solchen Dimensionen, wie wir sie an anderen Zellen auch nicht
im entferntesten kennen. Für die höheren Säugetiere lässt sich schon jetzt
Jie Behauptung aufstellen, dass eine Wiederherstellung untergegangener
(langlienzellen nicht stattfindet (v. Kahlden, Ströbe), wenn auch Zeichen
lebhafterer Kemthätigkeit in Gestalt von Mitosen (Coen, Sanarelli, von
StrObe freilich nicht bestätigt) beobachtet werden konnten. Wird dagegen
das Ceutrum der Zelle mit dem lebenswichtigen Kerne erhalten, so können
>ehr ausgedehnte Substanzverluste der Zellfortsätze, der centralen und
[peripheren Nervenfasern, durch Neubildung ausgeglichen werden. Es
handelt sich dabei um die Ausbesserung einer einzelnen defekten Zelle,
einem eigenartigen Vorgange, wie er sonst im Körper nicht beobachtet wird.
Zu dieser Anschauung führen wenigstens die neuen sorgfältigen
Untersuchungen Strohes, der mit einer eigenen Färbungsmethode die
Frage der Regeneration peripherer Nerven und des Rückenmarks experi-
mentell zu lösen versuchte. Ströbe war dazu durch eine Arbeit v. Bünguers
veranlasst worden, der in dem Hauptpunkte der Regenerationsfrage, woher
252 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
die neugebildeten Achsencylinder und Markscheiden stammen, zu dem Re-
sultat gekommen war, dass sie diskontinuierlich entstehen und abschuitts-
weise von den Kernen und dem Protoplasma der erhalten gebHebenen
Seh wann sehen Scheide gebildet werden. Diese Zellen, die also nicht,
wie andere Forscher annehmen, bindegewebiger, sondern nervöser Natur
sind, die sogenannten Neuroblasten wuchern stark, ihr Protoplasma ver-
schmilzt und durch Umwandlung der centralen Partieen zu einer streitigen
Masse entsteht der Achsencylinder, um den sekundär die Markscheide ge-
bildet wird. Durch Verschmelzung der einzelnen neu gebildeten Nerveu-
faserabschnitte mit dem Nervenstumpfe erfolgt die endgültige Regeneration.
Eine direkte Vereinigung der abgetrennten Nervenfasern mit dem Stumpf,
eine Heilung per primam intentionem, wie man sie früher für möglich
hielt, giebt es nicht. Die peripheren Nervenstücke gehen alle zu Grunde,
nur die Schwannschen Scheiden bleiben bestehen.
In diesem letzten Punkte stimmt Ströbe mit ihm überein, schreibt
aber den Zellen der Schwannschen Scheide nur eine bindegewebige Natur
zu, die mit der Regeneration der Nervenfasern direkt nichts zu thuu
haben.
Die wuchernden Zellen der Schwannschen Scheide dienen nur zur
Fortschaffung der Zerfallstrümmer der alten Fasern als Phagocyten, von
denen ein grosser Teil in die Lymphgefässe überwandert und von dem
Schauplatz der Thätigkeit verschwindet, andererseits zur Bildung neuer
Seh wann scher Scheiden. Die Achsencylinder selbst wachsen kontinuierlich
aus den alten Nervenfasern aus, \ne es Ströbe durch seine t'orzügliche
Färbungsmethode beweisen konnte und nehmen zugleich einen dünnen
Mantel von Markscheide mit. Sie können einfach bleiben oder sich dicho-
tomisch teilen. Ist das Granulationsgewebe der Wunde durchsetzt, so
können sie jetzt in den alten noch offenen Schwannschen Scheiden weiter
wachsen, oder sie suchen sich zwischen denselben neue Bahnen und erhalten
vom Bindegewebe neue Scheiden.
Mit den Untersuchungen Ströbes stimmen die Ergebnisse der
gleichzeitig erschienenen Arbeit v. Notthaffts in den Hauptpunkten
überein.
Über die Heilung von Wunden am Centralnervensystem bestätigen
Ströbes Untersuchungen die früheren Anschauungen (v. Kahl den,
Keresztszeghy und Hanns), dass die Vernarbung durch nicht ner-
vöse Elemente, Glia und Bindegewebe erfolgt. Das letztere hat aber, wie
auch V. Kahlden betont, den Hauptanteil an der Wucherung.
Sehr interessant ist die Beobachtung Ströbes, dass von den durch-
schnittenen hinteren Wurzeln aus ein Hineinwachsen neuer Fasern in die
Rückenmarkswunde statt hat. Ebenso kommt es auch an den Faaersystemen
Regeneration und Hypertrophie. 253
der weissen Substanz zur Neubildung von Nervenfäserchen durch Aus-
:rprossung der altem Fasern. Dieselben teilen sich häufig. Ihre Wuche-
rung ist eine begrenzte und ein wirklicher Ersatz der durchtrennten Ner-
veufasem durch die Narbe hindurch hat nicht statt. Die Regenerations-
fälligkeit des centralen Nervenfasersystems ist also weit geringer als
diejenige des peripheren.
Die völlige Unfähigkeit feinerer nervöser Elemente zur Regeneration
ist für die Retina durch Tepljaschins Arbeiten von neuem bestätigt
Transpl antation.
Der Schluss der spezielleren Kapitel sei einer kurzen Erwähnung der
neueren Arbeiten über Transplantation gewidmet. Für die früheren An-
schauungen, welche ausf ührUch von v. Recklinghausen erörtert wurden,
sind in dem letzten Jahrzehnt die histologischen Untersuchungen als Be-
weise in grösserem Umfange herangezogen worden.
Dabei hat sich manches als irrtümlich herausgestellt, manches ist
endgültig bestätigt worden. Ich sehe hier von der Proliferationsfähigkeit
der fötalen Gewebe ab. Den besten Beweis für die Lebensfähigkeit trans-
plantierten Gewebes bildet noch immer die Haut. Die Untersuchungen von
Garre, Karg, Jungengel, Goldmann u. a. haben gezeigt, dass
zunächst eine Verklebung des transplantierten Stückes, Epidermis mit einem
Teil des Papillarkörpers , mit dem Boden durch fibrinöse Exsudatmassen
statthat. Die endgültige Verbindung erfolgt durch Einwuchem von Gra-
nulationsgewebe in das transplantierte Bindegewebe, an welchem von
Üjatschenko für die überpflanzte Schleimhaut des Mundes ebenfalls
Wucherungen an den Endotheüen der eigenen Gefässe beobachtet worden
sind. Doch ist die Teilnahme des überpflanzten Bindegewebes sicher nur
eine geringe Die Mehrzahl der Gefässe verödet oder dient den jungen
J-iefässsprossen des Muttergewebes als Leitungsbahn. Um so lebhafter
gestalten sich die Wucherungen im Epithel. Zwar gehen zunächst die
obersten Schichten durch Abstossung, blasige Auftreibung zu Grunde, doch
i>ildet das zurückgebUebene Epithel ein an Mitosen reiches Keimlager und
an denjenigen Stellen , wo Haarbälge oder Drüsenausführungsgänge durch-
sc-hnitten worden waren, kann es zu einer energischen Wucherung des
El'ithels in die Tiefe kommen.
Ist die Heilung vollendet, so fällt die Beweglichkeit der neuen Haut
sehr in die Augen, imd Goldmann glaubt, dass dieselbe neben dem Aus-
bleiben eines wirkUchen Narbengewebes auf die Regeneration elastischer
Faserbündel im transplantierten Stück zurückzuführen sei. Die elastischen
Fasern bilden sich durch Sprossung aus den alten des Muttergewebes.
254 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Gold mann macht ferner die Angabe, dass die Sensibilität am frühesten
in den Randbezirken, aber auch inselförmig innerhalb des transplantierteu
Gewebes auftritt. Auf die älteren interessanten Beobachtungen Kargs
über die Entfärbung der auf Europäer transplantierteu Negerhaut und Fär-
bung der weissen Haut beim Neger, die mit Pigmentverschleppung durch
wandernde Zellen in Beziehung gesetzt wird, sei hier kurz hingewiesen.
Neben dieser Transplantation von menschlicher Haut (selbst von Leichen)
hat man auch tierische für die Zwecke der Überhäutung verwandt. Die
Litteratur findet sich in einer Abhandlung vonReverdin zusammengestellt,
welcher die Anheilung von Froschhaut beobachtet haben will. Experimen-
telle Untersuchungen von Beresowsky, welcher Froschhaut auf Säuge-
tiere, Hundehaut auf Meerschweinchen überpflanzte, führte zu völlig Dcga-
tiven Resultaten.
Gegen die Lebensfähigkeit transplantierter komplizierterer Gebilde sind
ebenfalls Bedenken laut geworden. Barth behauptet, dass isolierter leben
der Knochen bei der Implantation in anderen lebenden Knochen unfehlbar
nekrotisch und erst allmähhch durch neues Knochengewebe substituiert wird.
Volk mann spricht transplantierteu Muskeln, Ströbe überpflanzten
Nerven jede Wachstumsfähigkeit ab. Dem gegenüber hält Gluck für die
Knochentransplantationen an der alten Ansclxauung fest, dass lebender los-
gelöster Knochen einheilen und direkt als lebendes Stück in den Organis-
mus eingefügt werde. Neue experimentelle Beweise werden nicht bei-
gebracht.
Über die Transplantation drüsiger Organe liegen überraschende Be-
obachtungen von V. Eiseisberg, Christiani u. a. m. vor. v. Eiseis-
berg konnte Scliilddrüsenteile in die Bauchhöhle oder Bauch wand der
Versuchstiere (Katzen) einbetten und erhielt völlige Einheilung. Exstirpierte
er nach Wochen den Rest der Schilddrüse, so trat kein Tetanus ein, wohl
aber, wenn nun die transplan tierte Schilddrüse ebenfalls entfernt wurde.
Die mikroskopische Untersuchung ergab das Resultat, dass die transplan-
tierten Schilddrüsenstücke ihren normalen Bau wenigstens in grossem Um-
fange bewahrt hatten und durch Blutgefässe des neuen Mutterbodens ernährt
worden waren.
Fasst man die bisher erörterten Einzeluntersuchungen über Regene-
ration zusammen, so ergiebt sich einmal die Bestätigung des Gesetzes
omnis cellula e cellula, das andere Mal der Nachweis, dass die pathologische
Regeneration im allgemeinen nach dem Typus des physiologischen Wachs-
tums oder der physiologischen Regeneration verläuft. Sie kann in einer
RcgitiAtx« ssi Hrpertr<>: - « ?,V>
Z\]vermehnJiig iregenerat«">rircLe H\T«cri'.ai:-. •-i-r r::.rr Z-'.>trjrr-,->*r.:'\z
.t^eatraiorische Hypertn>{.:iit: l-t-niii-t;.
Welches sind nun die o:.::e!vn Ge-s^tze, v-»ii il-:>r. lit- K- j» :.t'r.i:i::.>-
vorganjre beherrschi werdtn?
Das Ziel des phy«io>t<ri^*Kfn WacL-fju.s -:»r:.t Roux in ti:.t-r P::T^-
r^aitrang der Funktion. Sind dit* Funkt:« .L.vn diff^^^riiizirr;, s» k.-i.r.tt: «:a<
jTdrtrf Wachstum aulLOren. I>.«L zeiLt die { Ly-i...l. -ji-M/hf lULr^-r^trati-'U.
Liäs noch eine weitere Ztrilvermtrhnins «taiüiät, nacL i^m dtr <_>rj^\:i:-n.iis
& Grenze seiner Fonnau>bildung erreicht Lai. Hai.<enianu fa>st uitr-
hÜh- bereits als einen paiiiuk»;n^litrn Wr^ai::: auf, K^iii^u^ tiurch dt-n
Kampf des Organismus mit der Au^senwelL Auf jeden Fall «iient die
/ivsiologische Regeneration nicht zur weiteren Differenzierung. son*ifm
i^ Aufrechterhaltung der normalen Funktionen, die kfintu AugvnMiok
üiiterbrochen werden.
Wird die normale Funktion durch DefekibiMung gestört, so tritt die
pathologische Regeneration zur Wiederherstt-iluug der Funktion entwetUr
ouTch Vennehnmg der Zellen oder Vergrü<serung denrclben ein.
Indem ich von dem Streit zwu^hen Hertwig imd Roux. ob bei
*;rm normalen Wachstum eine jede Zelle nur im Zui-amnienhang mit dorn
Uürigen Orgauismus oder aus sich selbst heraus die gestalteUilen Kräfte zur
Entwickelung bringen kann, absehe, kann ich bezüglich der i>hysioloirisohen
and pathologischen Regeneration des erwachsenen Küri>ers die t'berein-
^Timmung der Forscher dahin feststellen, dass hierbei, freilich noch unbe-
Ä'aiiDte Korrelationen zwischen den verschiedenen Zellsystenicn des Körpers
-I .L'enommen werden müssen.
Roux drückt sich folgendermassen aus: „Die Auslösung der Rege-
/.t-rations- und Postgenerationsmechanismen geschieht wahrscheinlich nicht
«iunh ein qualitativ unwesentliches Moment, wie es der blosse Wegfall des
.^Htendnicks an der Unterbrechungsfläche ist, sondern durch das wesent-
lichste des Vorganges, durch den Wegfall der spezifisch differenzier-
ten Zellen und somit durch das Fehlen normaler, spezilischor Nachbar-
Hbafts Wirkungen, oder mindestens durch Einwirkung abnormer Reize infolge
der neuen Nachbarschaff
Für die Auffassung der Regeneration ist diese Beziehung zwischen
len verschiedenen Zellarten von grosser Bedeutung. Hansemann spricht
jicht nur von spezifischen Nachbarschaftswirkungen, sondern behauptet,
kss alle Zellen des Körpers, infolge der ungleichen Teilimg des Keim-
Jasraas, in engere Wechselbeziehungen gesetzt sind, die er in einem be-
onderen Kapitel, Altruismus, eingehender schildert (Schilddrüsenerkrankung
ind Kachexia strumipriva u. s. w.).
256 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Geht ein Teil der Körperzellen verloren, so geschieht Einbusse au
funktionsfähigem Material, es treten Störungen in den Wechselbeziehungen
der Zellen ein.
In seinem Vortrage über die Anpassung des Organismus an patho-
logische Veränderungen (Herzhypertrophie bei Kreislaufstörungen, kompen-
satorische Nierenhypertroplüe bei Defekt der anderen Niere, kompensatorische
Leberhypertrophie bei Verlust an spezifischem Lebergewebe u. s. w.) äussert
sich Nothnagel dahin: Bei dauernden Störungen entwickeln sich funk-
tionell-morphologische Anpassungen und Ausgleichungen, die für das Wohl-
ergehen des Individuums zweckmässig sind.
In welchen allgemeinen Ursachen muss der Anstoss für die Entstehung
derselben gesucht werden? Darauf giebt er die Antwort: In der erhöhten
Funktion des betroffenen Gewebes. Sie ist es, die bei dem Ausgleich einer
Störung, im kausalen wie im zeitlichen Sinne, die primäre Stellung ein-
nimmt. Die morphologische Anpassung folgt der erhöhten Funktion als
ihre Konsequenz.
Eine erhöhte Funktion ist im Anfange, wenn die morphologische An-
passung noch fehlt, nur durch die Entfaltung von Reservekräften erklärlich.
Was aber veranlasst die funktionelle Mehrleistung des betroffenen
Organs? Die Mehrfunktion eines Organs oder Organteiles kann nur durch
die Steigerung eines solchen Reizes veranlasst werden, welcher seine
spezifische Thätigkeit auslöst.
Übertragen wir diese Anschauungen Nothnagels auf die Regene-
ration der Gewebe, so müssen wir annehmen, dass bei Ausfall eines Ge-
websteiles — soweit keine anderen Ursachen mitwirken — die Funktion für
das restierende Gewebe vermehrt wird, und dass diese erhöhte Funktions-
thätigkeit den formativen Reiz für die Zellvergrösserung oder Zellver-
niehrung bis zum Ausgleich der Funktionserhöhung durch Verteilung auf
das neugeformte Zellmaterial bildet. Die Wiederherstellung der alten
Form ist dabei unwesentlich, soweit sie nicht für die Funktion von Be-
deutung ist.
In dieser Weise äussert sich auch Ponfick in seiner letzten Arbeit
über Leberrekreation: „Die Bedeutung, welche ihnen (d. h. den Experimenten
über Leberregeneration) für die Pathologie inne wohnt, liegt, meines Er-
achtens, hauptsächlich darin, dass sie uns ein klares und sicheres Beispiel
Hefern einer ebenso morphologisch riesigen, wie funktionell durchschlagen-
den, echten Hypertrophie: einer gleichartigen Neubildung, welche durch
einen ungemischten funktionellen Reiz hervorgebracht ist, und welche
demgemäss auch auf s Typischste ihren Abschluss findet, sobald nur dieser
funktionelle Reiz befriedigt ist^^ (154, c. S. 104).
Degeneration and Hypertrophie. 255
Und Ziegler sehliesst sieh deu Nothnagelschen Ausführungen über
die Hypertrophie der einen Niere nach Verlust der anderen an, indem er
betont, dass die Steigerung der Funktion der Drüsenzellen die Ursache
fler Hypertrophie ist, und dass die Funktionssteigerung auf vermehrte Zu-
fuhr von hamsauren Salzen beruht. „Ich bin danach der Meinung, dass
hier ein Fall vorliegt, in welchem eine Cellulation direkt durch die An-
wesenheit chemischer Substanzen, welche die Zellen zu erhöhter Thätig-
keit anregen, bewirkt wird^\ (216, S. 58).
Ist die Erhöhung der funktionellen Leistung die einzige Ursache bei
jeder Form von pathologischer Regeneration, oder können andere Ur-
sachen neben ihr herlaufen oder sie ganz ersetzen?
Die Beantwortung dieser Frage ist nahe verknüpft mit derjenigen
über die Ursachen der pathologischen Gewebsbildungen im allgemeinen:
Bezüglich derselben hat sich Ziegler in der Virchowschen Festschrift
jjeäussert. Ausgehend von dem Virchowschen Satze, die Ursache der
Hypertrophie und Neoplasie ist für viele Formen noch unsicher, doch
seheint es bis jetzt notwendig, überall auf einen Reiz zurückzugehen,
bespricht er die Anschauungen der früheren Autoren, was unter diesem
Reize zu verstehen sei (angeborene Anlage, Überernährung, Fortfall von
Hemmungseinrichtungen, mechanische, thermische und elektrische Reize)
und kommt auf Grund seiner eigenen Arbeiten und derer seiner Schüler
zu dem Schluss, dass pathologische Gewebsneubildungen
1. auf innere, immanente Ursachen, die in der Organisation des Keimes
gelegen sind, zurückgeführt werden können (im weiteren Sinne
angeborene Neubildungen).
2. auf Steigerung der zur Proliferation drängenden Kräfte oder aber
einer Abnahme der sich ihrentgegenstellenden Widerstände beruhen*)
(erworbene Neubildungen).
Für die Regeneration eines Gewebes, welches in einen entstandenen
Defekt einfach hineinwächst, würde also die Erklärung eine sehr einfache
sein. Es ist die Verminderung der Wachstumswiderstände, welche das
Nachbargewebe zu dieser Wucherung veranlasst.
Nur haben die genaueren Untersuchungen ergeben, dass in dem Epi-
thel, wie im Bindegewebe, im Leberparenchym, am Peritonealendothel, an
^len glatten Muskelfasern, in weit von der Wunde entfernten Stellen Mito-
sen aufzufinden sind; d. h. es findet sich neben einer örtlichen regene-
rativen Wucherung noch eine kompensatorische Hypertrophie benachbarter
^iebiete.
1) Anm. de^ Heraasgebers. Fortfall der normalen Spannungswiderstände zwischen
den einzelnen Zellen als Ursache der Regeneration ist bekanntlich zuerst von Weigert
uigegeben worden. Lübars eh.
Lubarsch-Ottertag, Ergebnisse Abteilung 11. 17
256 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
Ziegler wirft die Frage auf: „Sind nun sowohl die regenerativen
Wucherungen am Orte der Verletzung als auch die sie begleitenden kom-
pensatorischen Hypertrophieen durch eine Abnahme der Wachstumswider-
stände zu erklären?" (216, S. 35).
Für die Leber können wir wohl die Verminderung der Wachstums-
widerstände ausschliessen, soweit es sich nicht um Schliessung der Wunde
in der Glissonschen Kapsel handelt, da auch Ziegler die von Ponfick
scharf betonte Hypothese teilt, dass hier eine funktionelle Hypertrophie des
Leberzellengewebes vorliegt.
Noch klarer liegen die diesbezüglichen Verhältnisse bei der kompen-
satorischen Hypertrophie der Niere.
Wie verhält es sich dagegen mit der Regeneration der Hauti^ninde?
Ziegler selbst kommt zu dem Schlüsse, dass die Wegnahme der Wachs-
tumshindemisse eine wichtige und häufig massgebende Veränderung für
das Zustandekommen von Gewebsneubildungen ist, und dass sie auch für
die Hautwunde zutrifft.
Sollen wir also annehmen, dass die Bedingungen und Ursachen für
die Regeneration der drüsigen Organe und der Hautwunden verschieden
sind, oder lässt sich eine gemeinsame Quelle für alle rein regenerativen
Prozesse finden?
Diese Einigung ist sofort gegel)en, wenn die Veränderung des Ge-
websdruckes mit der spezifischen Funktion der Haut etwas zu thun hat.
Und es ist wohl ausser Frage, dass die Gewebsspannung mit der Gerüst-
substanz des Bindegewebes eng verknüpft ist, und dass ebenso das Deck-
epithel mit dem Druck in Beziehung gesetzt werden darf. Zieglers Satz:
„Für manche Fälle scheint aus den anatomischen Verhältnissen hervor-
zugehen, dass namentlich die Abnahme des Druckes, der auf den Zellen
lastet, oder die Verminderung der Spannung, in welcher sich die betreffen-
den Gewebe befinden, eine Abnahme des Wachstumes herbei führt" (216,
S. 43), darf als Unterstützung dafür angeführt werden. Damit soll nicht
gesagt sein, dass die betreffenden Gewebe nur diese Funktion eines Stütz-
apparates erfüllen, ebenso wenig wie die Leber nur Galle produziert. Neben
anderen haben sie aber auch solche, mehr in die Augen springende Funk-
tionen, und mit ihrer Hülfe können wir uns die von allen stark zerstören-
den Mitteln unbeeinflusste Regeneration als eine Folge der durch den Aus-
fall vermehrten Funktionsleistung der übrigen Stütz- und Decksubstanz
vorstellen.
Damit sind die Ursachen für die Regeneration aller Gewebe als die
gleichen erkannt, nur mit dem Unterschiede, dass es sich beim Deck-
epithel und Bindegewebe um gleichzeitig physikalische Einrichtungen han-
delt, so dass die abnormen Spannungs- und Druckverhältnisse in der Um-
Regene^tion und Hypertrophie. 257
gebung des Defekts am stärksten zum Ausdruck kommen und die stärkste
Wirkung ausüben.
Bei der Mehrzahl der regenerativen Vorgänge im Körper sind die-
selben aber nicht reine, d. h. nur zur Wiederherstellung der Funktion be-
stimmte, sondern kompliziert durch die Einwirkung der den Gewebsver-
lust bedingenden Ursachen und durch die chemischen Umsetzungen des
toten Gewebes selbst.
Eine fast reine Regeneration können wir nur an denjenigen Drüsen
beobachten, welche doppelt vorhanden sind (z. B. den Nieren), eine Regene-
ration, die man gewöhnlich mit dem Namen der kompensatorischen Hyper-
trophie belegt. Die Reize, welche die Regeneration bewirken, sind
nur verstärkte physiologische. Ihr Zweck ist der Versuch zur Wieder-
herstellung der Funktion.
Von der regenerativen Wucherung ist die entzündliche verschieden,
da sie pathologische Reize als Ursachen und neben der Wiederher-
stellung der Funktion die Entfernung, Verarbeitung und Vernichtung der
wirkenden Reize zum Ziele hat. Mit dem Aufhören des Reizes hört die
entzündliche Wucherung auf, die regenerative allein geht weiter, wenn
die Funktion noch nicht hergestellt und ihre Herstellung noch möglich ist.
In der Art, wie die meisten Defektbildungen zustande kommen, liegt
es begründet, dass Regeneration und entzündliche Wucherung stets mit-
einander verknüpft sind.
Bizzozero hat durch seine Schüler Penzo und Morpurgo den
Einfluss der Innervation und der Ernährung experimentell beim Kaninchen
untersuchen lassen; sie kamen zu folgenden Resultaten:
1. Auch im Zustande höchster Inanition laufen die physiologischen Mito-
sen, wenn auch träger als normal, und ebenso die Regenerationsvorgänge ab.
2. Die gesteigerte Blutzufuhr bei einseitiger Sympathikuslähmung ergab
bei gleich grosser Verletztmg an beiden Ohren ein schnelleres Wachstum
des blutüberfüllten.
3. Bei einseitiger Hyperämie der Ohren durch Erwärmung ohne Ver-
letzung fand sich nur eine stärkere Vermehrung des Epithels, keine Mitosen
im Knorpel- oder Bindegewebe.
4. Bei jungen wachsenden Tieren wuchs das erwärmte Ohr schneller
als das kältere.
5. Bei Kjiochenbrüchen heilte der Knochen der erwärmten Seite
schneller, als an der kälteren.
Also kann Hyperämie keine Wucherung oder Regeneration erregen,
wohl aber wachsende und regenerierende Gewebe in ihrer Thätigkeit unter-
stützen. Damit stimmen auch die Versuche Durdufis überein, welcher bei
Durchschneidung eines Halssympathikus beim erwachsenen Tiere keine
17*
258 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Vergrösserung des Ohres gegen das andere beobachten konnte, wohl aber
bei jungen wachsenden Tieren.
Bizzozero leugnet die Existenz trophischer Nerven und schliesst mit
den Worten: ,,Da, wie es unsere Experimente ergeben, nicht angeht, irgend
eine Proliferation auf Einflüsse der Cirkulation oder Innervation zurück-
zuführen, so kann man auch die nach Reizung auftretende Proliferatiou
nicht anders erklären, als mit der Lehre Virchows als Folge eines direkt
auf die Gewebselemente ausgeübten Reizes." (28).
Von der Regeneration ist die wahre Hypertrophie, die Steigerung des
Wachstumes der Körperteile über das normale Mass hinaus durch Anbildung
einer qualitativ gleichen Substanz, überhaupt nicht scharf zu trennen. Audi
sie beruht auf einer gesteigerten funktionellen Thätigkeit, verursacht durcli
Erhöhung des physiologischen Reizes. Sie trägt meist einen regenerativen
oder kompensatorischen Charakter. Je grösser das Gewicht, welches der
Muskel haben muss, je stärker der Widerstand, den die Herzpumpe oder
die Muskelpresse des Darmes zu überwinden hat, je reichlicher die Massen,
welche das Nierenfilter zu passieren haben, um so stärker die Hypertrophie
der betreffenden Organe.
Der vermehrte physiologische Reiz kann schon in der Keimesanlage
gegeben sein und sich bei der Differenzierung der Funktionen in einer an-
geborenen oder in der Wachstum speriode auftretenden Hypertrophie einzelner
Organe äussern (kongenitaler Riesenwuchs).
Der Nachweis der Mitosen Hess eine weitere Frage zur Entscheidung
kommen, die bei den einzelnen Geweben schon mehrfach berührt worden
ist, ob nämlich bei der Regeneration von Geweben die regenerierenden
Zellen nur von den restierenden gleichen Gewebselementen oder auch von
anderem Gewebe, oder endlich von besonderen indifferenten sogen. Keim-
zellen gebildet wurden. Als letztere hatte man vor allem die v. Reckling-
hausen sehen Wanderzellen angesehen.
Die Verhandlungen auf dem X. internationalen Kongress ergaben
die Übereinstimmung der Meinungen darüber, dass eine Gewebsneubildung
aus Leukocyten nicht positiv bewiesen werden könne, vielmehr unwahrschein-
lich sei. Bezüglich der beiden anderen Punkte neigte die Mehrzahl zu der
Auffassung, dass jedes neue Gewebe nur aus dem ihm gleichen alten Gewebe
entstände. So kam man für den erwachsenen Menschen zu dem Schluss:
omnis cellula e cellula ejusdem generis (Bard).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Gewebsart eine andere bilden
könnte, ist es, wie Hansemann hervorhebt, von Wichtigkeit, zweierlei
Dinge streng auseinanderzuhalten, die eigentliche Metaplasie und die histo-
logische Accommodation (Virchow). Mit der Metaplasie ist eine wesent-
Uche Veränderung der Funktionen der Zelle verbunden, mit der histo-
Regeneration und Hypertrophie. 259
logischen Accommodation, der Metatypie v. Reck lingh aus ens nicht. Ob
eine Epithelzelle Hörn produziert oder Schleim, oder ob sie* flimmert, bleibt
sich gleich, ihre Funktion dient stets zur Abwehr äusserer Schädhchkeiten.
Anders aber, wenn sie Gerüstsubstanz, wie eine Bindegewebszelle, produziert.
„Da somit die äussere Zellform in der einzelnen Gewebsart sehr
wechseln kann, führt Hansemann aus, so giebt sie uns keinen Anhalt
für die Frage ihrer Zugehörigkeit, ebenso nicht die Beschaffenheit des
Protoplasmas. Nur während der Teiluug, wo alle funktionellen und nutri-
tiven Thätigkeiten unterdrückt sind, darf man auf eine möglichst scharfe
AusprägiHig des Charakters schliessen, und man wird ihn am besten an der
Form der Kernteilung erkennen können." Die Hansemannschen Unter-
suohimgen führten, wie schon oben erwähnt, zu dem Ergebnisse, dass sich
bei den einzelnen Gewebsarten individuelle Unterschiede der Karyokinese
finden, die es bei genügender Übung gestatten, die einzelnen Gewebsarten
aii der Form ihrer Mitosen zu imterscheiden.
Da nim bei den pathologischen Regenerationen ähnliche Differenzen
(in den sonst ruhenden Abkömmlingen des Bindegewebes nachzuweisen
waren, so sieht Hansemann darin eine weitere Verstärkung der Ansicht,
diws alle Zellarten des menschlichen Körpers differenziert sind und niemals
in einander übergeheu.
„Die Existenz einer echten Metaplasie ist sehr unwahrscheinlich ge-
worden , und man wird immer mehr zu der Ansicht gedrängt , dass nicht
nur bei den Epithelien, von denen man schon früher eine solche Spezifi-
zität mehr oder weniger annahm, dieselbe eine absolute ist, sondern dass
auch bei den Bindesubstanzen die echte Metaplasie fehlt.** (79, S. 36.)
Wenn Hansemann aber fortfährt : „Ganz unannehmbar scheint mir die
Ansicht v. Recklinghausens, dass in den Lungen und den Nieren aus
denEpitheUen der Alveolen oder der Bow man sehen Kapsel Bindegewebe
entstehen könnte, oder dass, wie Baumgarten sagt, die Drüsen- und
Epithelzellen sich an der Bildung der Tuberkelzellen beteihgen, oder, wie
es Ribbert und Schmidt beschreiben, aus Endothelzellen Lymphkörper-
chen entstehen", so fragt es sich immer noch, ob nicht imter solchen
pathologischen Verhältnissen neben den Übergängen zwischen den- Zell-
formen, die als nicht charakteristisch von Hansemann verworfen werden,
auch Übergänge zwischen den Mitosenformen vorkommen. Ein starkes
Variiren derselben, selbst im normalen Gewebe, giebt Hansemann selbst
zu, und mir dünkt es sehr glaublich, dass eine Endothelzelle in situ eine
andere Mitose zeigt als unter den vöUig veränderten physikaUschen Ver-
liältnissen, wenn sie als weisses Blutkörperchen frei im Strome schwimmt.
(Es werden daher die Untersuchungen M. B. Schmidts über die Blut-
260 Allgexn. pathol. Morphologie und Physiologie.
bildung in den Leberkapillaren, die nach Hansemanns Theorie auch un-
möglich wäre, keineswegs umgestossen).
Die Hansemann sehen Bemerkungen zeigen, dass vereinzelte For-
scher keine imbedingte Spezifizität der Gewebe annehmen, sondern auch
echte Metaplasie zulassen. Auch Virchow hält noch an der Erzeugung
von Bindegewebe aus Leukocyten im Thrombus fest, und Arnold schliesst
seinen letzten diesbezügUchen Aufsatz mit den Worten:
Mit Rücksicht auf diese Erfahrungen wies ich auf die Möglichkeit
hin, dass die „hämatogenen" Wanderzellen bei der Entwickelung des Gra-
nulationsgewebes eine bedeutungsvolle Rolle, wenn auch die eines provi-
sorischen oder gar passageren Bestandteiles, spielen." — Es würde somit
auch in dieser Hinsicht bezügUch der Befunde an den Plättchen und an
den FremdkörperemboUs sowie bezüghch deren Deutung eine Überein-
stimmung sich ergeben — immer unter der noch zu erweisenden Vor-
aussetzung, dass in beiden Fällen eine Umwandlung von Leukocyten und
„hämatogenen'* Wanderzellen in Fibroblasten nicht vorkommt (2).
Dem gegenüber betont Bard eine ausgesprochene Spezifizität der
Zellen, und die Anhänger der Roux sehen Lehi-e von der Selbstdifferen-
zierung der Gewebe halten gleichfalls einen Umschlag der Zellarten in eiii-
andei- im ausgebildeten Körper für unmöglich (Barfurth).
In den letzten Jahren ist nun eine alte Theorie von Grawitz neu
aufgestellt worden, welche die Bildung der neuen Gewebszellen aus der
Grundsubstanz hervorgehen lässt, die Theorie der Schlummerzellen. Wie
wenig die thatsächlichen Verhältnisse einer derartigen Anschauung ent-
sprechen, und wie alle bisherigen Nachuntersuchungen die Unhaltbarkeit
derselben ergeben haben, wird bei den entzündüchen Wucherungen näher
zu besprechen sein. Soweit die Arbeiten seiner Schüler die Regenerations-
frage spezieller berühren, sind sie in den betreffenden Abschnitten erwähnt
worden.
2.
Entzündliche Neubildung.
Von
R. Paltauf, Wien.
Litteratur.
1. Ziegler, .Über die Beteiligung der Leukocyten an der Gewebsneubildang*. Ref. am
X. intemat. Eongress zu Berlin. 1890.
2. — Über die Ursachen der pathologischen Gewebsneubildungen. Festschr. f. R.
Virchow (intemat. Beitr. II.) 1891.
3. ~ Historisches und Kritisches ttber die Lehre von der Entzündung. Zieglers Bei-
träge. Bd. 12.
4. Marchand, F., Referat am X. intemat. Kongresse zu Berlin. 1890.
5. — Untersuchungen über die Einheilung von Fremdkörpern. Zieg Urs Beitr. Bd. IV.
6. Nikoforoff, Untersuchungen über den Bau und die Entwickelungsgeschichte des
Granulationsgewebes. Zieglers Beiträge. Bd. VIII.
7. Metschnikoff, £., Vergleichende Pathologie der Entzündung. Festschrift für R.
Virchow (intemat. Beiträge IL 1) 1891.
B. Arnold, J, Altes und Neues über Wanderzcllen , insbesondere deren Herkunft und
Umwandlungen. Virch. Aroh. Bd. 132. S. 502.
9. Zahn, Verhandlungen des X. internst. Kongresse zu Berlin. Bd. VI. 8. 90.
10. Reinke, Fr., Über Proliferation und Weiterentwickelung der Leukocyten. Zieglers
Beiträge. Bd. V. S. 439.
11 Eberth, Kern- und Zellteilung während der Entzündung und Regeneration. Festschr.
f. B. Virchow (intemat. Beiträge U) 1891.
12. — Schlummerzellen und Gewebsbildung. Fortschritte d. Medizin. 1892. Nr. 4.
13. Klemensiewicz, R., Über Entzündung und Eiterong. Festschr. f. AI. Roll et t. 1893.
U. Scherrington, Ch. C. u. Ballance, Ch. A., Über die Entstehung des Narbengo-
webes, das Schicksal der Leukocyten und die Stelle der Bindegewebskörperchen. Ctbl.
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S. 764.
262 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
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lers Beitr. Bd. 16. 1894
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21. Heidemann, W., Über Entstehung und Bedeutung der kleinzelligen Infiltration bei
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22. Kruse, Alf., Über Entwickelung, Bau und pathologische Veränderungen der Horn-
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26a. — Idem. Berliner klin. Wochenschr. 1893. S. 222.
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28. Jadassohn, Bemerkungen zu Unnas Arbeit über seine Plasmazellen. Berlin, klin.
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29. Marschalko, Thomas v. , Über die sogenannten Plasmazellen, ein Beitrag zur
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50. Gold mann, E., Eine ölhaltige Dermoidcyste mit Riesenzellen. Zieglers Beiträge.
Bd. vn. ,
Der Fortschritt in der Erkenntnis der Verschiedenheit der farblosen
Zellen des Blutes, von deren wesentlichen Bedeutung für die entzündlichen
Prozesse, seien sie infektiöser oder chemisch -physikalisch -traumatischer
Ursachen, Cohnheim uns überzeugt hatte, musste notwendig zu einer
genaueren Kenntnis auch der die entzündlichen Zellinfiltrate und der die
im Gefolge der Entzündung auftretenden Gewebsneubildungen zusammen-
setzenden Elemente führen; man erkannte ^uch hier, dass „Rundzellen"
und ., Rundzellen** durchaus nicht immer dieselben Gebilde sind. Diese
Erkenntnis führte — um Unnas ganz treffende Worte zu citieren „zum
Verschwinden eines Scheinbegriffes (Rundzelle — Rundzelleninfiltration),
der viel Unheil angerichtet hat — zuerst Verlegenheitsausdruck, wurde er
dann zum Deckmantel für viele klaffende Lücken unseres Wissens". Die
..Rundzelle" war aber bereits verschwunden, jedenfalls hatte ihr Verschwin-
den bereits begonnen, bevor Unna seine „Plasma" Zellen kennen lehrte,
zu deren Bedeutung er obige Worte in einem für die 63. deutsche Natur-
forscherversammlung in Nürnberg bestimmten Vortrage gesprochen hat;
jetzt wäre allerdings die „Plasmazelle" bald geeignet das Erbe anzutreten.
Dazu hat noch wesentlich beigetragen, dass im Laufe des letzten Dezenniums
die Überzeugung von der Spezifität der Zellen und Gewebe zugenommen
hat, dass man erkannte, dass die einmal embryonal differenzierten Zellen
nimmer wieder in einen solchen Zustand zurückkehren, dass Bezeichnungen
wie „embryonales Gewebe'' für ein aus jimgen, neugebildeten Zellen zu-
sammengesetztes Gewebe, wie es namentlich in der französischen Histo-
264 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
logie gebräuchlich war (tissue embryonaire) unkorrekt und unstatthaft sei;
aber vom X. internationalen med. Kongresse konnte Bard in einem Vor-
trage „la specifit^ cellulaire et les faits anatomopathologiques" noch, wenn
auch bereits schon teilweise verspätet, sagen „les auteurs confondent les
formes jeunes sous le nom banal de tissue embryonaire sans se donner la
peine de rechercher et de d^crire leurs differences'*. —
Auf demselben Kongresse haben auch hervorragende Pathologen in
gegenseitiger Übereinstimmung gewisse Thatsachen in der Zusammensetz-
ung des entzündlichen Neubildungsgewebes fixiert; so, dass die mehr
kernigen Leukocyten, sowie die kleinen einkernigen Lymphocyten aus dem
Blute ausgetretene Elemente sind, die sich an der Gewebsneubildung
nicht beteiligen, nur „präparatorische' Arbeiten erfüllen, dass die jungen
Gewebszellen („Bildungszellen") aber von den freien Gewebszellen und
ihren Abkömmlingen ausgehen, wenn sie auch den anderen einkernigen
Leukocytenformen ähnlich sehen, dass somit die Gewebsneubildungen
bei den Entzündungsprozessen aus der Proliferation der Gewebszellen
hervorgehen. Ziegler (1) und Marchand (4) erkannten bei aller Ähn-
lichkeit der Bildungszellen mit den grösseren einkernigen Leukocyten, dass
dieselben sich zumeist durch die verschiedene Beschaffenheit des Kernes
(hell, oval, bläschenförmig) häufig aber auch des Zellprotoplasmas unter-
scheiden lassen; sie sind auch amöboider Bewegung fähig, nehmen häufig
kleine Fremdkörper, Leukocyten mit fragmentierten Kernen (Ziegler
nach Untersuchungen Nikoforoffs (6) mit Biondis Farbengemisch) und
assimilieren dieselben; sie haben also die Bedeutung von kontraktilen
Wanderzellen, sind aber wesentlich von den emigrierten einkernigen Leuko-
cyten verschieden und von letzteren sowie den mehrkernigen Leukocyten
als „Exsudatzellen" zu trennen. Die Bildungszellen stammen von Binde-
gewebszellen, von den Endothehen der Gefässe oder der serösen Häute
ab. Während Marchand sich ganz absolut dahin ausspricht, glaubte
Ziegler die MögUchkeit, dass nicht auch (aus dem Blute ausgetretene)
mononukleäre Zellen sich an der Narbenbildung beteiligen, nicht absolut
ausschliessen zu können, wenn er auch betont, dass in dem Umstand,
dass aus Wanderzellen neues (iewebe entsteht, noch nicht der Beweis ge-
Uefert ist, dass Leukocyten Gewebe bilden können (da die Leukocytennatur
jener gewebsbildenden Wanderzellen eben nicht bewiesen ist).
Für die Umwandlung von Leukocyten in fixe Bindegewebszellen tritt
aber Metschnikoff (7) und seine Schüler ein; auch Arnold (8) schliesst
aus seinen Versuchen (Einbringung von Markplättchen und Binsenröhrcben
in den Lymphsack des Frosches), dass zu einer Zeit, in welcher die Be-
teiligung fixer Zellen und histogener Wanderzellen ausgeschlossen ist, ein-
kernige imd melu-kernige Zellen sich finden, die nur hämatogener Abstam-
Eotzflndliche Neubildung. 265
mung sein können, und sich in epitheloide, spindelförmige und verästigte
Zellen, auch Riesenzellen umwandeln. Als auffällig ist hier zu bemerken,
dass Metschnikoff sowohl als Arnold ihre Untersuchungen an Kalt-
blütern gemacht haben; es ist die Möglichkeit nicht abzuweisen (Arnold),
dass zwischen Wann- und Kaltblütern eine verschiedene Widerstandsfähig-
keit der Zellen besteht. Zahn (9) konnte im Gegensatz zu Arnold keine
progressiven Veränderungen an den Leukocyten der Froschlymphe kon-
statieren, wohl aber regressive Metamorphosen, die erst nach 2 Monaten
auftreten. Reinke (10), der die Plättchenversuche an Meerschweinchen
anstellte und durch Umlagern der Plättchen nach 24 Stunden auf ein
anderes Tier den Einfluss des Nachbargewebes eliminierte, dass die zu-
nächst auftretenden Leukocyten entweder untergehen, oder in die Lymph-
gefässe zurückkehren, dass erst mit der Proliferation des Bindegewebes
Wanderzellen auftreten, die grössere Lebensenergie zeigen und weiterer
Entwickelung fähig sein dürften.
Eberth (11) bestätigte nach Untersuchungen an der Kornea „die
Beteiligung der Leukocyten an der Gewebsneubildung lässt sich leicht ab-
lehnen'', ebenso fandKlemensiewicz (13), dass die Neubildimg von den
Homhautkörperchen ausgehe; er fand zu einer gewissen Epoche zahlreiche
Mitosen. Zu denselben Anschauungen über die ausschliesslich von den
AbkömmUngen der fixen Gewebszellen ausgehende Gewebsneubildung
kamen Charles S. Scherrington und Charl. A. Ballance (14) bei
Wiederholung der Zie gl ersehen Glasplättchen versuche; sie nennen die
jungen Gewebszellen ,, Plasmazellen**. Ribbert (15) wollte mehr aus
theoretischer Überlegung als auf Grund objektiver Thatsachen für die
kleinen einkernigen Lymphocyten einen Ursprung aus den Bindegewebs-
zellen annehmen, wogegen Baumgarten (16) auf seinen bei den Unter-
suchungen über die Pathogenese des Tuberkels gefundenen Thatsachen
besteht, dass die lymphoiden Elemente bei Abnahme der Karyokinese
an den aus den fixen Zellen hervorgegangenen Epitheloidzellen , in den
Tuberkel aus den Gefässen einwandern; die lymphoiden Elemente, als
einer weiteren Entwickelung auch nach Ribbert nicht fähig, haben mit
dem Aufbaue des Granulationsgewebes nichts zu thun. Baumgarten
vermutet in der verschiedenen Alteration der Gefiisse eine Ursache, warum
bei der akuten Entzündimg vorwiegend mehrkernige, bei chronischen Ent-
zündungen einkernige Leukocyten auswandern. Dass chemotaktische
Qualitäten nicht imstande sind auf die eine oder die andere Zellart einen
bestimmten stärkeren Reiz auszuüben, zeigten spätere Versuche Borrisows
(17), die an dieser Stelle Erwähnung finden sollen. Er untersuchte die
chemotaktische Wirkung verschiedener chemischer und bakterieller Sub-
stanzen, indem er den Zellinhalt der Röhrchen nach der Kategorie der
266 AlJgQm. pathol. Morphologie and Physiologie.
Zellen: 1. polynukleare, 2. mononukleare Leukocyten, 3. eosinophile Zellen,
4. Gewebszellen, 5. Übergangsformen mit Ehrlichs Farbengemisch unter-
suchte. Dass die von Grawitz (18) und seinen Schülern wiederholt vor-
gebrachte Annahme, dass auch jene Rundzellen (Leukocyten) mit gelapptem
Kern aus den Bindegewebszellen und ihren Abkömmlingen hervorgingen,
keinerlei Bestätigung^) findet, sei nur der Vollständigkeit wegen angeführt.
Über die Entwickelung des neugebildeten Gewebes aus den fixen
Elementen hat man sich nicht nur bei der Abkapselung der Fremdkörj^er
überzeugt; Marchand (5) und Ziegler (2) betonen, dass es derselbe Vor-
gaug ist bei der Verwachsung seröser Membranen oder bei der Organisation
des Thrombus, wo ebenfalls das das Exsudat oder die thrombotische Masse
um- und durchwachsende Gewebe vom Endothel der Gefässwand und ihren
Gefässen, respektive der serösen Membran abstammen. In diesem Sinne
finden sich in den neuen Lehrbüchern der allgemeinen Pathologie von
Ziegler, Schmaus, Thoma nicht nur die erwähnten Vorgänge und der
Aufbau der Wundgranulationen sondern auch jener spezifischen entzündlichen
Gewebsneubildungen bei der Tuberkulose, SyphiUs, Lepra, Aktinomykose
dargestellt.
Die Theorie Grawitzs (19), die Zellen, welche in einem Entzündungs-
herd vorkommen, weder der proliferierenden Thätigkeit von fixen Gewebs-
zellen noch der Emigration aus dem Blute zuzuschreiben, sondern von
Gebilden, welche der, scheinbar zellfreien, Intercellularsubstanz angehören,
abzuleiten, die aus diesem gewissermassen „schlummernden" unthätigen
Zustand erwachen, indem zunächst ein blasser Kern, der anfänglich ohne
Chromatingchalt, dann erst ein Plasmasaum sichtbar wird — also aus un-
sichtbaren Keimen, ähnlich wie die Zellentwickelung aus dem einstigen
Blastem, diese Theorie trug wohl von allem Anfange an als mit unseren
Anschauungen über Zellbilduug ganz unvereinbar und durch keine abso-
lute objektive Thatsache gestützt, den Todeskeim in sich. Um ja alle
Emigrationsvorgänge zu negieren, nmsste das fibrinöse Exsudat auf der
Oberfläche seröser Häute (Pleuritis, Peritonitis) auf umgewandelte fibrilläre
Intercellularsubstanz zurückgeführt werden (Schleiffurth) (20)*) oder die
Entwickelung von Eiterzellen aus Epithelieu acceptiert werden (Heide-
mann (21)). Diese Schlummerzellentheorie wurde allgemein, so von
Weigert (23), Eberth (12), Marchand (24) zurückgewiesen. Kiemen-
sie wicz') erhebt gegen Kruse (22) den ganz berechtigten Vorwurf, dass
1) Vergl. u. a. Marchand, zur Hcrkanft der Eiterkörperchen. Deutsch, med.
Wochenschrift 1892.
2) Vergl. Atlas der path. Gewebehre. Taf. XXIX.
3) 1. c. 12, 13.
EntzüDdliche Neabildong. 267
er die Entwickelung der Zellen aus der Grundsubstanz nicht ebenso in
der überlebenden Kornea verfolgt hat, wie man der Formveränderung und
Lokomotion der Wanderzellen in derselben direkt folgen kann.
Ein neues Element unter den die chronisch entzündlichen Infiltrate
zusammensetzenden Zellen , auch des Granulationsgewebes spezifischer
Ätiologie führte Unna (25) in der „Plasma^-Zelle ein; ihre Differenzierung
von den anderen Elementen beruht auf der Tinktion des Protoplasmas
durch Methylenblau (Unnas Methode: poUchromes Methylenblau, Glyzerin-
ätliermischung , resp. neutrale Orceinlösung), und zwar färbt sich das Gra-
noplaama elektiv; Anhäufungen der Plasmazellen bilden Unnas „Plas-
mome"; diese geben nach Unna (26) die Basis der sogenannten Granu-
lome, wie anderseits die an Spongioplasma reichen Zellen (Platten- und
Spinnenzellen) die Elemente der Spindelzellsarkome, Fibrome, Keloide,
Narben etc. liefern. In seiner ersten diesbezüglichen Arbeit bezeichnete
er dieselben als einseitig hypertrophierte Bindegewebszellen, mit Abrundung
der Form, die rundUch, oval, auch cubisch erscheint, mit centralem oder
an einem Ende der Zelle gelagerten Kerne ; sie theilen sich zunächst mit,
später ohne Mitosenbildung, daher sind Mitosen an ihnen selten zu sehen
und entspricht ihre Anzahl entfernt nicht der der Plasmatochterzellen.
Sie stammen von Bindegewebszellen ab, vorzugsweise von den Perithelien
der Gefässe und finden sich in grösster Ausbreitung und Entwickelung
beim Lupus, namentlich besteht der diffuse Lupus seiner Hauptsache nach
aus unverändertem tuberkulösem Plasmom; der cirkumskripte Lupus aus
degenerierten Plasmomherden — unseren „Tuberkeln^* oder besser Miliar-
tuberkeln. Die gemeinhin als Epitheloidzellen bezeichneten Gebilde der-
selben sind nämlich durch „homogene Schwellung" veränderte Plasmazellen,
wodurch sie einen breiteren Protoplasmasaum erhalten, ihre spezifische
Körnung schwindet, und sie homogen erscheinen ; homogenisierte Zellgruppen
bilden die Riesenzellen durch Verschmelzung der Zellsubstanzen, wobei
neben dem degenerierten Abschnitt (homogenisierte Zellgruppe) ein prolife-
rierender Abschnitt — die ringförmige komprimierte Umgebung, das ist eine
Gruppe gleichmässig partiell homogenisierter Zellen mit gut tingiblen
Kernen entwickelt, quasi justaponiert ist. So ist das Lupusknötchen — Tu-
berkelknötchen — nach Unna ein degenerierter Plasmomherd, dessen
peripheren (gemeinhin Rundzellen) wie centralen Elemente (gemeinhin Epi-
theloidzellen) einerlei Art, Plasmazellen, derselben Abstammung von Binde-
gewebszellen sind. Bekanntlich steht diese Auffassung der nach den Unter-
suchungen Baumgartens gangbarsten entgegen, nach welcher die Epithe-
loidzellen allein aus der Proliferation der fixen Gewebszellen hervorgegangen
sind, während die peripheren Rundzellen hämatogenen Ursprungs sind,
Unna hat seine zunächst am Lupus angestellten Beobachtungen ausführ-
268 Allgem. paibol. Morphologie uod Physiologie.
lieh beschrieben; in seiner Histopathologie der Hautkrankheiten
(27) hat er die Rolle der Plasmazellen bei den verschiedenen, zur Geschwulst-
bildung neigenden Entzündungen der Haut, Neubildungen etc. eingehend
festgestellt; wenn die Plasmazellen auch in der allgemeinen Histopatho-
logie noch nicht näher studiert und verfolgt sind, so ist ein näheres Ein-
gehen auf dieselben bei den verschiedenen Krankheiten der genannten
Kategorie, die ja ebenso auch an den anderen Organen und nicht nur an
der Haut sich abspielen, nöthig; ausserdem erfuhren Unnas Angaben
Nachuntersuchungen, die zwar die tinktorielle Differenzierung gewisser
Zellen nach Unna im entzündlichen Neubildungsgewebe bestätigen, bezüg-
lich der Natur derselben aber zu wesentlich verschiedenen Resultaten
geführt haben.
Folgen wir zunächst Unna in seinen Schilderungen über die Zu-
sammensetzung und den Aufbau des entzündlichen Neubildungsgewebes,
der Granulationen, ferner der spezifischen Granulationsgewebe bei der
leprösen, syphilitischen, skleromatösen und aktinomykootischen Entzündung,
wie er es in seiner Histopathologie der Haut darstellt.
Das Granulationsgewebe, welches den Ersatz bei Defekten und
Kontinuitätstrennungen der Haut bildet, besteht der Hauptsache nach aus
einer Anhäufung von Plasmazellen und hypertrophischen Spindelzellen,
die durch eine durchsichtige, schwach fibrilläre Zwischensubstanz zusammen-
gehalten werden und von senkrecht zur Oberfläche aufsteigenden Blut-
kapillaren durchsetzt werden. Die Plasmazellen hegen anfangs dicht bei-
sammen, haben eine bedeutende Grösse, während die kleinen Formen
mit feinem, stark tingiblem Protoplasmarande, wie sie namentlich reichlich
im Lupus vorkommen, ganz fehlen. Die Plasmazellen liegen namentlich
um die Gefässe, während zwischen den Gefässsträngen mehr die Spindel-
zellen hervortreten. Nach der Oberfläche zu gehen an den Plasmazellen
Veränderungen vor: teilweise eine Art Abbröckelung, so dass sie unregel-
mässig ausgenagte Konturen zeigen; die Abbröckelung führt endHch zu
nackten Kernen und durch Zerfall dieser zu Kömerhaufen ; daneben geht
auch eine Art Auswaschung des Protoplasmas einher, wodurch es seine
körnige Beschaffenheit verliert und das leere Netz des Spongioplasmas
erscheint. Anderseits entwickeln sie sich aber zu grossen zweikemigen
Zellen, und zu kleinen Chorioplasmen mit 3 und 4 Kernen, wie Unna sagt,
„wahrscheinlich" auf mitotischem Wege; die sichere Entscheidung des
Vorganges war ihm nicht möglich, da die vorhandenen Mitosen in Zellen
liegen, die der rundlichen Form nach Plasmazellen sein könnten, nach
dem aber grösstenteils das körnige Protoplasma fehlt , auch Spindelzellen
sein könnten. Ausserdem fand sich eine grosse Anzahl von Übergangs-
Entzfladlicbe Neubildung. 269
formen von Spindelzellen zu Plasmazellen, die in grosser Mehrzahl durch
diese Umwandlung und nicht durch Teilung der alten Plasmazellen entstehen.
Die Spindelzellen sind in jungen Granulationen spärlich, doch fehlen
sie nie, sie liefern ja auch das Hauptmaterial zur Bildung neuer Plasma-
zellen ; sie zeigen reichlieh Mitosen und tragen somit sicher zur Vergrösse-
rung der Granulationen bei.
Leukocyten finden sich spärlich und nur in den obersten Schichten
in nennenswerter Anzahl; keinesfalls tragen sie zum Aufbaue der Granu-
lationen bei, denn sie verhalten sich völlig inaktiv, zerfallen, soweit sie
nicht zurückwandern. Mastzellen sind nur in auffallend geringer Anzahl
vorhanden.
Für die Intercellularsubstanz findet Unna aus den Resten kollagener
Substanz Anhaltspunkte, dass dieselbe in den jungen Granulationen zumeist
durch Verflüssigung der alten, vieleicht auch Quellung dui'ch das allge-
meine Ödem entstünde, jedenfalls sind die Ansätze zur Bildung neuer
Gerüstsubstanz noch schwach, finden sich am ehesten noch in der Um-
gebung der Blutgefässe. Unna hält daher die junge Granulationsschichte
der Hauptsache nicht für neugebildetes, sondern für umgewandeltes
Kutisgewebe ; eine wirkliche Zellneubildung findet nur an den Gefässendo-
Üielien statt, in geringem Masse auch an den hypertrophischen Spindel-
zellen.
Diese Auffassung steht jedenfalls mit Unnas eigener Beschreibung
in einem unlösbaren Widerspruch: denn die grosse Menge der Plasma-
zellen, die den grössten Teil des Zellreichtums ausmachen, da die Emi-
grationsvorgänge nur geringen Grades sind, kann unmöglich aus der
Umwandlung der früher vorhandenen Spindelzellen entstanden sein, schon
aus dem nimoerischen Missverhältnisse ; bei den geringen Proliferations-
vorgängen an letzteren können sie auch nicht alles Substrat z.ur Umwand-
lung in die vorhandenen zahlreichen Plasmazellen geliefert haben; diese
müssen sich also vermehrt haben — ingendwoher muss der Zellreichtum
stammen.
Verdichtung der koUagenen Platten, Verödung zahlreicher Gefässe durch
Entarteriitis und Endophlebitis obliterans unter Schwund des Elastins,
Reduktion des Protoplasmas der Spindel- und Plattenzellen leiten die Ent-
wickelung der Narbe ein.
Es kann kein Zweifel sein, dass hier unter Plasmazellen auch die epithe-
loiden Zellen der Autoren, Jugendformen neugebildeter Bindegewebszellen
(Fibroplasten) gemeint sind; daher die Übergangsformen von Spindel-
zellen zu Plasmazellen und wieder von Plasmazellen zu Spindelzellen,
immerhin ist es aber auffallend, dass die Zellen eine so ausschhesslich
perivaskuläre Lagerung haben.
270 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Die ixlteren Granulationen sind ausgezeichnet durch die neu-
gebildete koUagene Substanz, die in parallel zur Oberfläche gerichteten
Lagen aufgeschichtet, Spindel- und Plattenzellen dazwischen enthält; über
die Entwickelung des kollagenen Gewebes ist Unna auch zu keiner Ent-
scheidung gekommen, doch vermutet er aus gewissen Lagerungsverhält-
nissen und der Andeutung feiner Lamellen in den im allgemeinen homo-
genen Platten mit spindelförmigem oder keilförmigem Querschnitt, dass
die Plattenzellen direkt in eine lockere, jüngere, koUagene Substanz über-
gehen, die erst vielleicht das Material für die kollagenen Platten abgebe.
Die senkrecht aufsteigenden Blutgefässe sind von einem Mantel von grossen
Plasmazellen begleitet. Während auch er das teilweise Einlagern perivas-
kulärer Spindelzellen zwischen koUagene Platten beobachtet, wo solche an
die Gefässe angrenzen, beobachtet er auch Übergänge der hier liegenden
Spiudelzellen zu den perivaskulären Plasmazellen und zwar solche, die für
die Umwandlung der letzteren in Spindelzellen mit langen Ausläufern
sprechen; dunklere Färbung unterscheidet sie von den anderen Spindel-
zellen. Die dichter werdenden Gefässwandungen zeigen feine elastische
Fasern, die Leukocyienauswanderung ist noch spärlicher als im jungen
Stadium, Mastzellen jedoch erscheinen reichlicher und vollkommener aus-
gebildet.
Wollen wir der Beteiligung der Plasmazellen bei den anderen
„Granulations^geschwülsten folgen, nachdem wir das Wesentlichste
über ihre Bedeutung und hervorragende Rolle beim Lupus, wo sie das
ganze Granulationsgewebe bilden, alle seine verschiedenen Zellfonnen
infolge verschiedener Degenerationen darstellen, bereits oben kurz ange-
führt haben, so wäre zunächst ihre Beteiligung bei den luetischen
Gewebsproduktionen anzuführen. Hier konkurrieren auch die Spindel-
zellen, namentlich deren hypertrophische Formen die „Spinnenzellen''
und das koUagene Gewebe bei der Neubildung, oder mit den Ausdrücken
Unnas: das „Fibrom'* und „Plasmom'^ Ansammlung von Proto-
plasmazellen innerhalb der Scheiden der Gefässe, Anschwellung der kolla-
genen Bündel an denselben, grosse Menge von zumeist in Reihen zwischen
den Bindegewebsbalken gestellten, fast ausnahmslos kleinen kubischen
Plasmazellen, durchzogen von einem Netz vergrösserter Spindelzellen mit
zahlreichen Mitosen — im Gegensatz zu den Plasmazellen, deren Ver-
mehrung auf amitotischem Wege erfolgen soll — femer von Mastzellen
in massiger Wucherung bilden die Initialsklerose. Die Roseolen zeigen
Anhäufung von Plasmazellen um die erweiterten Gefässe, namentlich der
Knäueldrüsen, „ein strangförmig dem Gefässbaum folgendes Granulom'',
die Papel ein die Papillen auftreibendes und die Epithelleisten verstrei-
chendes Plasmom mit Riesenzellen, aus Verschmelzung mehr und viel-
Entzandliche Neubildang. 273
kerniger, teilweise homogenisierter Plasmazellen entstanden, daneben hyper-
trophische Spindelzellen und fibrilläres Gewebe um die offenen Lymphwege ;
nur bei der bullösen Papel der Neugeborenen fehlen die Plasmazellen ; sie ist
aber ausgezeichnet durch die massenhafte Leukocytose, die bei der anderen
Form fehlt oder höchst unbedeutend ist. Das Gumma besteht central aus
besonders kleinen Plasmazellen, die allmählich degenerieren, schliesslich
zu weissgelben Herden eintrocknen, peripherisch von verdicktem koUagenen
(^webe eingeschlossen sind ; bei den erweichenden Gummaten führt die
fortwährende Erzeugung von Plasmazellen zum Schwunde des koUagenen
Gewebes, zum Durchbruch des eiterähnlichen, „in flüssiger Intercellular-
:!ubstanz, im Gewebssaft suspendierten Zellbreies".
Beim Rhinosklerom bilden grosse schöne Plasmazellen geradezu
«iie Grundlage der Geschwulst, wie Unna sagt, so dass das Rhinosklerom
als Typus eines Plasmoms aufzustellen wäre, daneben wenig Spindelzellen,
namentlich keine grossen angeschwollenen, keine Spinnenzellen, ausserdem
H\T)ertrophie des koUagenen Gewebes, auf welcher die pathognomonische
Härte des Rhinoskleroms beruhen soll. Auch bei der aktinomykotischen
Geschwulst bilden Plasmazellen die Grundlage, doch bilden sie eine relar
tive dünne Lage an der Peripherie, da sie nach innen bald degenerieren
und zwar durch eine Art KoUiquation oder durch hyaline Umwandlung;
leutral findet sich im Eiterherd, dessen Leukocyten ohne entzündliche Affek-
tiou der Gefässe infolge chemotaktischen Reizes von Seiten des PUzrestes
^ich ansammelten.
Nach Unna ist die hypertrophische Plasmazelle ferner die Grundlage
<Ier leprösen Neubildung; dieselben teUen sich amitotisch und bilden
kleine TochterzeUen, oft nur von der Grösse der Leukocyten, oder sie
erhalten durch Kemzerfall mehrere Kerne und können zu grossen viel-
kernigen Chorioplaxen heranwachsen, zumeist aber schwindet im Kontakt
mit den nach Unna bekanntlich intercellular gelagerten Bacillenhaufen
ibr Protoplasma, während die Kerne sich nur aufhellen, sonst aber erhal-
ten bleiben; diese hegen innig der baciUenhaltigen Gloea an und werden
^ für die Kerne einer hydropisch degenerierten mit Bacillen erfüUten
Zelle gehalten; die Wucherung betrifft namentUch das Saftkanalsystem der
Haut, bleibt auf die bindegewebigen Teile beschränkt und erhält ihr weiteres
Charakteristikum durch die mächtige Wucherung der Organismen speziell
auch noch durch ihre Verschleimung.
Bei der Entwicklung des Rotzknotens sind Plamazellen nicht
Wteiligt.
Reichlich und „schön"' ausgebUdet findet sich das „Plasmom" aber
Wim Ulcus molle, weniger beim Ulcus serpiginosum.
Ubarsch-Ost«rtag, Ergebnisse Abteil, n. 18
274 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Bei der Mycosis fungoides kommt die typische Form der Plasma-
zellen nirgends recht zur Ausbildung obwolil sie auch das Anfangstadium
bildet; Unna findet darin das hauptsächhchste Kriterium der Mycosis
fungoides gegenüber den echten Granulomen; an den zahlreichen vielge-
staltigen, teils der Spindelform sich nähernden, teils aber kugeligen oder
kubischen Zellen der Mycosis bestätigt Unna den Befund zahlreicher
Mitosen, welcher im Kontrast zur relativen Seltenheit derselben in den
zellreichsten Plasmomen steht; den Grund (!) hierfür findet Unna in der
mangelnden Ausbildung echter Plasmazellen.
Es würde zu weit führen, auf das Vorkommen der Plasmazellen bei
der Elephantiasis, Akne und Erythema, beim Careinom etc. noch einzugehen,
erwähnt sei noch, dass sie bei gewissen, namentlich proliferativen Neu-
bildungen fehlen, so bei Fibromen, Keloiden, Spindelzellsarkomen;
beim Rundzellensarkom soll auch die Plasmazelle ein vorübergehendes
Anfangsstadium bilden.
Es ist schon oben angedeutet worden, dass die PI asmaz eilen in
der allgemeinen Histopathologie noch nicht Eingang gefxmden haben;
auch Publikationen auf Unnas ureigenstem Gebiete, der Histopathologie
der Haut, nehmen von denselben wenig Notiz. Man wird nicht fehlen,
wenn man die Ursache für dieses ablehnende Verhalten der Autoren darin
sucht, das Unnas Beschreibungen selbst schon Zweifel in seine Deutung aut-
kommen lassen, die bei der Betrachtung von Präparaten nur noch gesteigert
werden. Es ist auffallend, dass die Plasmazellen sich so häufig finden, ihr reich-
liches Vorkommensich konstant an dieGefässe hält, dasssie femerals Abkömm-
linge der Bindegewebszellen geschildert werden, wofür, nebenbei gesagt, kehier-
lei Beweis erbracht ist, auch nicht versucht wird ; dass sie keine Mitosen zeigen
und Unna entweder keine Vermehrung derselben oder eine solche auf
amitotischem Wege annimmt, ohne übrigens auch diesbezüglich Anhalts-
punkte vorzubringen; es ist ferner auffallend, dass in Unnas Auffassung
und Schilderung die Emigrationsvorgänge so sehr in den Hintergrund treten.
In Granulationsgeweben — in den entzündlichen Gewebsneubildungen
finden solche immer statt, allerdings in verschiedener In- und Extensitüt;
Referent (31) hat seinerzeit bei der differenziellon Betrachtung des Ge-
webes der Tumoren bei der Mycosis fungoides sich zum Teil wesent-
lich von dem Abgang aller entzündlichen Emigrationserscheinungon be-
stimmen lassen, das mykoside Gewebe aus den „Granulationsgeschwülsten''
auszuscheiden. Ganz besonders sind wir aber bei den tuberkulösen Prozessen
auch denen der Haut, beim Lupus und beim Skrophuloderma, wo aber fa.<t
alle Zellen „Plasmom*' sind, von entzündlichen Vorgängen überzeugt.
Unna spricht auch hier denselben keine Bedeutung zu, nur bei der sero-
fibrinösen Entzündung des Lupus infolge der Tuberkulininjektion oder
Entzündliche Neubildung. 275
auch spontan infolge der von den Bacillen erzeugten Stoffwechselprodukte
(ebenso beim Skrophuloderma) ist eine massige Durchsetzung des Gewebes
mit Wanderzellen zugegeben. Erscheint es nun auch ganz gerechtfeiiigt
zwischen den produktiven und den exsudativen Vorgängen bei der Histo-
logie der tuberkulösen Prozesse zu unterscheiden, so ist doch Baumgartens
Anschauung von der Kombination produktiver und exsudativer
EütÄÜndungsprozesse im Tuberkel die im allgemeinen zutreffendste. Lu-
barsch(31a), der ebenfalls den tuberkulösen Prozessen eine morpholgische
Multiplizität zuerkennt, liess in einer Inaugural-Dissertation dieses Ver-
hältnis einer neuerlichen Untersuchung unterziehen. Die Trennung, Schei-
dung der tuberkulösen Prozesse in rein tuberkulöse (granuläre) und ent-
zündliche ist eine im Laufe der Jahrzehnte wiederholte Erscheinung; so
lange man den Tuberkelbacillus nicht kannte, war dies verhältnismässig
leicht; jetzt seit durch seine Kenntnis die ätiologische Einheit erwiesen ist,
^\'urde versucht die exsudativen tuberkulösen Prozesse als •Mischinfektionen
hinzustellen ( Ort n er (33), als ob wir nicht täglich ausgezeichnet exsudative
und doch rein tuberkulöse Prozesse sähen (Menningit. basil. tbc. z. B.).
Falk (32) hat nun unter Lubarschs Anleitung verschiedene Tuberkel
und tuberkulöse Erkrankungen auf das Vorhandensein von Fibrin unter-
sucht, (nach der W ei gert sehen Methode). Er konstatiert solches in miliaren
Tuberkeln, sowol interstitiellen, als in Gefässwand- und echten Alveolar-
tuberkeln, ferner findet er fibrinöses Exsudat bei Menningitis tbc. fibrinöse
Netzwerke in Tuberkeln des Kleinhirns, der Pleura, des Peritoneums, der
Leber, der Haut, ferner bei tuberkulöser Gonitis, bei Tuben-, Ovarial-,
Hoden- und Nebenhodentuberkulosen, fibrinöse Netzwerke, die völlig mit
•len in Blutgefässen, in Lungenalveolen beobachteten übereinstimmten.
Er konstatierte ferner, dass diese fibrinösen Netzwerke wirklich nur der
Thätigkeit der Tuberkelbacillen und nicht der anderer Mikroorganismen
zuzuschreiben seien. In Übereinstimmung mit Fränkel und Troje (34)
hat Falk femor zur Evidenz erwiesen, dass die Ansicht Ortners, die
exsudativen Prozesse in tuberkulösen Lungen seien auf Mischinfektionen
(Diploeoccus lanceol, Streptococcus etc.) zurückzuführen, unhaltbar sei.
Falk hat aber auch in anderen, ja allen Organen Fibrin, also das Produkt
eines entzündlichen Vorganges gefunden, ohne Mischinfektion.
Um wieder auf die Hauttuberkulose und die Plasmazellen zurück-
kommen, §0 sei aus jener Arbeit Falks noch angeführt, dass er in einem
im Unterhautzellgewebe gelegenen grossen Tuberkel, und in mehreren
kleinen der Umgebung dichtes Fibrinfasejwerk nachgewiesen hat; er fand
femer Tuberkel gleichen Fibringehalts in einer tuberkulösen Granulation
und in einem Lupusknötchen , hier „besonders deutlich und schön, fein-
Gdiges Fibrin"; dass auch in vorwiegend produktiven Tuberkeln sich
Ib*
276 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Fibrinnetze finden, darf nach den Untersuchungen Hausers*) nicht
wundem, da Fibringerinnüngen(netze) um und an Zellen, die emigrierte
oder Bindegewebszellen sein können, ohne besondere Zeichen des Zerfalles
sich entwickeln, wohl auch die fibrinoplastische Substanz nebst der fibino-
genen im entzündlichen Transsudate enthalten ist.
Wie bereits oben angeführt, ist man über die Rundzellen mit einem
Kern ziemlich allgemein einig, dass sie gewanderte Elemente sind, die
wohl zumeist auch aus dem Blute stammen; Baumgarten sowohl als
auch die Gegner, Metschnikoff und seine Schüler, Borrel, Pawlowsky,
Kostenitsch und Wolkow sind einig darüber, dass die Rundzellen an
der Peripherie des Tuberkels eingewanderte Zellen, Lymphocyten sind,
nur über die Abstammung der epitheloiden Zellen besteht die Divergenz,
indem Borrel undPawlowsky ihre Entwickelung aus den Lymphocyten
für zweifellos halten, und nun sollten nach Unna diese beiden Zellarton
gemeinsamer Abstammung aus dem Bindegewebe sein, wofür, wie er-
wähnt gar kein objektiver Beweis gebracht wird ; es erscheint daher ziem-
lich natüriich, dass bei solchen Widersprüchen Unnas Lehre von den
Plasmazellen wenig Anklang gefunden hat.
So fand denn auch Unna zunächst beim Lupus, an dessen Gewebe
er seine „Plasmom'^bildung zuerst darlegte, Widerspruch. Jadassohn (28)
bestritt entschiedenst die Identität der Epitheloidzellen mit den „Plasma-
zellen**; sowohl die morphologischen als tinktoriellen Verhältnisse lassen
beide Zellarten grundverschieden erscheinen und felüen bei der entgegen-
gesetzten Lagerung derselben um so bemerkenswerter jeghche Übergangs-
formen. Eingehend wurden nun Unnas Plasmazellen von Marschalko (20)
studiert und zwar sowohl experimentell als bei verschiedenen Hauter-
krankungen.
Marschalko bestätigt und das erscheint sehr wichtig für alle folgenden
Angaben, dass es möglich ist, eine gewisse Zellgruppe, die die in Unnas
erster Arbeit bezeichneten morphologischen und tinktoriellen Eigenschaften
besitzt, von der grossen Reihe anderer zeUiger Elemente im entzündlichen
Gewebe abzusondern und als eigene Zellart mit einem besonderen Namen
zu bezeichnen. Sie zeichnen sich tinktoriell dadurch aus, dass ihr Protoplasma
starke Affinität zum Methylenblau besitzt; zur Darstellung derselben genü^
in Übereinstimmung mit Jadassohn^) die Entfärbung der nach Alkohol-
härtung mit oder ohne vorausgegangener Fixierung im Sublimat gewonne-
nen, mit alkahschem Methylenblau oder Thionin überfärbten Schnitte in
angesäuertem Wasser, Entwässerung in absolutem Alkohol etc. Zumeist ein-
1) Pathologische Fibringerinnung. Deutsch. Arch. f. klin. Medizin. Bd. 50. 1892.
2) 1. c.
Entzaudliche Neubildang. 277
kernig besitzen dieselben runde oder ovale Form, nehmen aber, wo sie in
grossen Haufen liegen, eine mehr kubische, polygonale oder längliche
Form an. Ein besonders wichtiges Merkmal der Plasmazellen ist aber die
häufig excentrische Lage . des Kernes und die eigentümliche Verteilung
des Protoplasmas, indem dasselbe, wie an den Rand der Zelle gezogen,
die Peripherie stets am stärksten gefärbt erscheinen lässt, während in der
JCtte des Zellleibes ein heller Hof entsteht; das Zellprotoplasma erscheint
ferner häufig wie zusammengeballt und zerfetzt.
Man muss Marschalko nur Recht geben, wenn er an diesen cha-
rakteristischen Eigenschaften, die wirklich eine Differenzierung einer be-
stimmten Zellart gestatten, festhält und Unna nicht auf die Annahmen
verschiedenster Modifikationen derselben folgt, wodurch ihre Charakteristik
verwischt und wieder verschiedene Zellen zusammengefasst werden. Hält
man sich an die genannten Eigentümlichkeiten, so lässt sich in Über-
einstimmung mit Jadassohn unschwer feststellen, dass die „Plasmazelle'*
Unnas nicht identisch ist mit der von Waldeyer so bezeichneten Zell-
form, die ja besonders ausgezeichnet ist, durch die „grobkörnige" Be-
schaffenheit des Protoplasmas (Granulation im Sinne Ehrlich s), welche
den Zellen Unnas fehlt.
Marschalko schlägt daher einen andern Namen für diese Zellform
vor und würde mit Bezug auf die eigenartige Struktur des Protoplasmas
die Bezeichnung „Krümmelzellen" geeignet finden.
Dass diese Plasmazellen mit den Waldeyer sehen definitiv nichts
Gemeinsames haben, geht endlich aus ihrer Natur und Abstammung her-
vor, über welche Marschalko eingehende Untersuchungen geführt hat.
Dieselben führten zu dem Resultate, dass die Plasmazellen Unnas Lym-
phe cyten oder Abkömmlinge von Lymphocyten sind. Die Untersuchungen
wurden an künstlich erzeugten Entzündungsherden der Leber bei Kanin-
chen (Injektion von 1 — 2 Tropfen Karbolsäure) und des Unterhautgewebes
(Einbringen kleiner Stückchen von Drainrohren) bei Hunden angestellt.
Bei der Leberätzung treten, bevor noch eine Proliferation der fixen Bindegewebs-
zellen statt hat, oder gewiss zur Masse der zelligen Elemente nicht in
Betracht kommt, im Ätzherde und in seiner Umgebung, insbesondere um
die grösseren Gefässe Infiltrate von Zellen auf, die zumeist aus polynu-
kleären, dann aber auch mononukleären Leukocyten bestehn, die nach allen
ihren Eigenschaften nur Lymphocyten sein können; unter ihnen treten
bereits nach 24 Stunden die „Plasmazellen'' in solcher Menge auf, dass sie
unmöglich aus den fixen Bindegewebszellen, wenigstens auf mitotischem
Wege hervorgegangen sein können. Man findet auch später keinerlei
Übergänge von Bindegewebszellen zu Plasmazellen, wohl aber vom ersten
Beginne an einen solchen von Lymphocyten zu Plasmazellen ; die Lympho-
278 AlJgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
cyten finden sich in den Gefässen und zunächst um dieselben, etwas peri-
pher treten die Plasmazellen und die Zwischenformen auf, welche Unna
als „Tochterplasmazellen" beschreibt. Auch die Biondische Färbung spricht
für die Leukocytennatur der Plasmazellen. Die Masse der poljmukleären
Zellen nimmt bereits vom 2. Tage an rasch ab, während die Menge der
mononukleären Leukocyten, hauptsächlich der Lymphocyten und der Plas-
mazellen zunimmt, so dass vom 4. Tage nach der Ätzung das entzündhche
Infiltrat um die Gefässe hauptsächlich aus den „Krümel-" oder „Plasma-
zellen" besteht.
Die vom 2. Tag an bemerkbare Proliferation der Bindegewebszellen
nimmt zu und das junge fibrilläre Bindegewebe um die Gefässe mit zahl-
reichen jungen Spindelzellen hat am 7. Tage an Ausdehnung beträchtüch
zugenommen, während das entzündliche Infiltrat abgenommen hat; die
Plasmazellen werden spärlich, zeigen eine veränderte Fonn und Tinktion
Übergangsformen zu Bindegewebszellen, von welchen Marschalko es
unentschieden lässt, ob sie durch den Druck der fortschreitenden Binde-
gewebsneubildung hervorgerufene Degenerationsformen oder wirkliche Über-
gangsformen sind, wofür allerdings das Auftreten von Plasmazellen mit 2
und 3 Kernen sprechen würde. Anderseits ist zu bemerken, dass bei diesen
Ätzversuchen noch nach 24 Tagen zwischen den jungen Bindegewebs-
bündeln um die Gefässe herum teils allein, teils mit Lymphoc}i;en unter-
mengt, wohlerhaltene „Plasmazellen" in nicht geringer Zahl sich finden,
während bei der anderen Versuchsreihe aseptische Einheilung von Draiu-
rohrstückchen im Unterhautzellgewebe des Hundes neben lebhafter Biude-
gewebswucherung fast gar keine Leukocyten vorkommen und „Plasma-
zellen" vollkommen fehlen, selbst bei den erst untersuchten Präparaten,
nach 5 Tagen entnommen. Anderseits fanden dieselben sich wieder bei
einem Versuche, wo die aseptische Einheilung nicht gelang, sondern eine
eitrige Entzündung eingetreten war, in den Granulationen nach 24 und
48 Stunden zunächst spärlich, die Übergangsformen aus Lymphocyten aber
reichlich, um in den folgenden Tagen in umgekehrten Mengenverhältni.ssen
vorzukommen. Wichtig zu bemerken wäre auch hier, dass in den Prä-
paraten nach 48 Stunden trotz spärlicher Plasmazellen eine ziemlich leb-
hafte Bindegewebswucherung sich eingestellt hatte.
Zur vöUigen Evidenz gelangt aber die Abstammung der „Plasmazellen**
aus Lymphocyten bei der Untersuchung der Milz und der Lymphdrüsen
vom Menschen und von Tieren. Beim Menschen und beim Kaninchen
„finden sich in sehr grosser Anzahl solche Zellen, die sich von den „Plasma-
zellen" morphologisch gar nicht, tinktoriell aber nur insofern unterscheiden,
dass sich ihr Protoplasma mit Methylenblau um einen Gedanken blässer
färbt, als man das bei den letzteren gewöhnlich sieht; in der ganz nor-
Entzündliche Neubildung. 279
malen Milz sowohl der weissen Mäuse, wie auch der weissen Ratten exi-
stieren ganz massenhaft solche Zellen, die von den Plasmazellen sich weder
morphologisch noch tinktoriell unterscheiden lassen".
Bei künstlicher Leukocytose (durch Tuberkuüninjektion) finden sich
überall in der Milzpulpa beim Kaninchen schön gefärbte Plasmazellen, sie
finden sich aber reichlich auch in den hyperämischen Blutgefässen, eine
Thatsache die für die leukocytäre Natur der Gebilde an sich, für ihre Ab-
stammung aus ausgewanderten Lymphocyten bei den entzündlichen Pro-
zessen sehr bemerkenswert, ja beweisend ist.
Mit der leukocytären Natur der „Plasmazellen** wird auch Unnas
„Plasmom'^ hinfällig. Marschalkos Untersuchungen bestätigen unsere
bisherigen Auffassungen über die Histogenese der infektiösen Granula-
tionsgeschwülste.
In Übereinstimmung mit Jadassohn sind die als „epitheloid'* be-
zeichnete Zellen, entgegen der Behauptung Unnas von den „Plasma-
zellen" grundverschieden. Wohl aber ist das gesamte entzündliche Infil-
trat, welches die eigentliche tuberkulöse, aus epitheloiden und Riesen-
zelien bestehende Neubildung umschliesst, in Übereinstimmung mit Baum-
garten, Kostenitsch und Wolkow, ebenso Borrel fast ausschliesslich
aus Lymphocyten und „Plasmazellen" zusammengesetzt.
In der syphilitischen Initialsklerose begegnen sich die Untersuchungen
Marschalkos und Unnas, indem Marschalk o auch entsprechend einer
älteren Beobachtung Neissers die Hypertrophie der Bindegewebszellen
betont, überhaupt in der Sklerose das beste Beispiel für die allen infek-
tiösen Granulationsgeschwülsten gemeinsame Eigentümlichkeit, ein Misch -
Produkt von Bindegewebszellen und Lymphocyten resp. die Abkömm-
linge und Modifikationen derselben zu sein, findet. Auch bei der Lepra,
dem Rhinoscecrom begegnen sich die objektiven Befunde Beider, nur ist
die Deutung verschieden, indem Marschalko die Plasmazellen allenthalben
mit Lymphocyten, als ihren Mutterzellen nachweist.
Somit ist es Unnas Verdienst in der ,, Rundzellinfiltration'' auf
eine besondere Art von Zellen aufmerksam gemacht zu haben, die in allen
entzündlichen Neubildungen wenigstens der Haut wiederkehrt, wenn er
ihr auch.eine allem Anscheine nach unrichtige Rolle zugesprochen hat.
1) Unna (BO) hat allerdings in einer Entgegnung versucht, Marschalkos Resultate
Als teils bei einer anderen Methode gewonnen, daher inkorrekt, teils von Beobachtungen
beim Tiere stammend und daher nicht für die Verhältnisse beim Menschen beweisend hin-
zustellen. Die Untersuchungen Marschalkos förderten die Kenntnis derselben wesent-
lich, indem sie diese Zellart nicht nur bestätigten, sondern auch in Einklang bringen mit
den bisherigen Untersuchungen über die Zusammensetzung der entzündlichen Ge websneu-
büduDg im Sinne Baumgartens.
280 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
Über die Histogenese einzelner Granulationsgeschwülste sowie über
charakteristische Veränderungen (Degeneration) in denselben, seien noch
einige Arbeiten angeführt.
Eine, allerdings indirekte, Bestätigung Baum garten s lieferte Heyd e-
mann; auch er konstatiert bei der Entwicklung der Homhauttuberkel,
die Umbildung der Hornhautzellen zu epitheloiden Zellen; doch hat er
Mitosen fast gänzlich vermisst, wenn er central in die Hornhaut Bacillen
impfte, entgegen der Beobachtung Baumgartens bei peripherischer Im-
pfung tuberkulösen Gewebes; nach Eröffnung der vorderen Augenkammer
hier wirke der Reiz des toten Gewebsstückes, vielleicht auch eingeführter
Entzündungserreger, so dass eine reichere Vermehrung durch mitotische
Teilung angeregt werde. Heydemann fand keine Leukocyteneinwande-
rung, und erklärt die Vermehrung der Hornhautkörperchen im Sinne der
Theorie Grawitzs.
Bekanntlich wird die Histogenese des Tuberkels nach Baumgarten
von Metschnikoff und seinen Schülern bestritten, welche den Leukocyten
imd zwar den Lymphocyten die Fähigkeit zuschreiben, progressive Ver-
änderungen einzugehen, und sich zu jenen sogenannten epitheloiden Zel-
len umzuwandeln. Pawlo wsky (36) kam bei der Untersuchung der experi-
mentellen Gelenkstuberkulose zur Überzeugung, dass ausser den fixen Ge-
webszellen auch Leukocyten Epitheloidzellen bilden. Borrel (37) findet
überhaupt in den Lymphocyten die einzigen Elemente, welche die tuber-
kulösen Prozesse bilden, nicht nur die epitheloiden Zellen der Lymphgefäss-
Tuberkel und der perivaskulären Tuberkel, sondern auch die die Alveolen
erfüllenden Elemente, welche sonst allgemein als epithelialer Herkunft
(Alveolar-Epitliel) gelten, so dass er zum Schlüsse kommt „la cellule tuber-
culeuse est toujours une cellule lymphatique". Eine Bestätigung
findet er in der Verfolgung der Frage ausser an der experimentellen Lun-
gentuberkulose aush bei der Nierentuberkulose (38).
Pawlowsky und Maksutoff (39) finden diese Anschauungen
auch bei der Aklinomykose bestätigt; nach ihnen stammen die epitheloi-
den Zellen des aktinomykotischen Granulationsgewebes von den mononuk-
leären Leukocyten (Macrophagen) , die sich zur Abwehr gegen die im
Kampfe mit den Zellen frei gewordenen Pilze entwickeln; erst wenn diese
Epitheloid-Zellen degenerieren (fettig)-, stellt sich Eiterung ein.
Anderseits hat für die Entwickelung des leprösen Gewebes Philipp-
son (40) den Nachweis geliefert, dass Neubildung von Endothehen und Binde-
gewebszellen als die primäre Wirkung der im Lumen der papillären mid
subpapillaren Kapillaren embolisierten Bacillen auf das Gewebe aufzufassen
sind, während die Leukocyten auffällig wenig im histologischen Bilde her-
£ntzflndlicbe Neubildung. 281
vortreten. An die Vermehrung der Elemente schliesst sieh Hyperplasie
der Bindegewebszellen ; während aber die bacillenhaltige Endothelzelle sich
anscheinend nicht verändert, verfällt das Protoplasma der Bindegewebs-
zelle derfettigenDegeneration, die um die Bacillenhäuf chen im Proto-
plasma zunächst auftritt; die zweite Veränderung ist eine kugelige Lücken-
bildung des Protoplasmas um die Bacillen, wahrscheinlich eine Verflüssigung
des Protoplasmas.
Auch Lie (40) bestätigt, dass die Gewebsneubildungen in dem leprösen
Prozesse, sowie in den tuberkulösen, sowohl durch Wucherung der fixen
(jewebszellen als durch Auswanderung der farblosen Blutkörperchen ent-
stehen; die Reaktion des Gewebes kontrastiert zum Bacillenreichtura; erst
wenn mehrere Zellen invadiert sind, gelang es Kernteilungsfiguren zu finden
und spärliche ausgewanderte Leukocyten zu beobachten; auch Lie kon-
statiert die Vergrösserung der bacillenhaltigen Zellen; als charakteristisch
bezeichnet er die Vakuolenbildung.
An jungen skleromatösen Schleimhautinfiltraten fand ferner Juf-
finger (42) die Sklerombacillen in den Granulationszellen und bei ganz
jungen Stadien glaubt er bei der geringen Zellvermehrung die vorhandenen
Mikulicz sehen Zellen auf durch die Bacilleninvasion veränderte Bindege-
webszellen beziehen zu können. Mitosen fanden sich an Gefässwandzellen
ihrer nächsten Umgebung, in kleineren Granulationszellen. Aus diesen
entwickeln sich mit der Zunahme der Bacillen jene grossen charakteristischen
Masigen Zellen Mikulicz^); wenn einzelne Bacillen nur in einer Zelle
sind, so bemerkt man bereits einen hellen Hof, diese vergrössern sich mit
der Zunahme der Bacillen zu immer grösseren Bläschen. Wie aus früheren
Arbeiten bekannt und Referent aus eigenen Untersuchungen ebenfalls ver-
mutet, gehen die für das Skleromgewebe in zweiter Linie charakteristischen
hyalinen Kugelbildungen in den Zellen aus abgestorbenen Bacillen und
j^Ichen Bläschenbildungen hervor.
Pawlowsky, der dies seiner Zeit konstatierte, hält auch die Hyalin-
kugeln, die sich im aktinomykotischen Gewebe finden, bald grössere und
^<^nige, bald kleinere und zahlreichere, für Degenerationsprodukte aufge-
nommener und eingeschlossener Pilzfäden.
Um nicht den übersichtlichen Zusammenhang in der Darstellung
tnnas BKstologie der Granulationsgeschwülste zu verlieren, wurde es unter-
0 Marse halko hält diese Zellen „für nichts anderes als gut entwickelte — man
kr.nnte sagen, hypertrophische — »Plasmazellen* mit sehr oft 2, auch 3 Kernen." Das
*^en also Lymphocyten im Sinne Marschalkos; ich kann dem nicht beipflichten ; ge-
i^efitliche neuerliche Untersuchungen müssen die Aufklärung bringen; ich habe auch nie
Mikulicz sehe Zellen mit zwei und drei Kernen beobachtet. D. Ref.
282 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
lassen auf die spezifischen Eigentümlichkeiten jedes derselben, so weit sie
eine geänderte Auffassung erfahren haben, einzugehen; bei der Anführung
der spezifisch-eigentümlichen Degeneration kommen wir auf dieses Gebiet
und so sei noch auf einige Angaben Unnas eingegangen.
Dass der von 0. Jsrael in seinem Praktikum der pathologischen Histo-
logie S. 152 ausgesprochene Satz „Keiner der genannten Prozesse (Lepra,
Rotz, Typhus, Aktinomykose) ist mikroskopisch anderweitig zu differeDziereu
als durch die dabei aufgefundenen Mikroorganismen" in der Form nicht
richtig ist, fühlte wohl auch Unna und bemerkt nun für die einzelnen
Granulationsgeschwülste charakteristische Vorgänge; es ist ja auch eine
unbestrittene Thatsache, dass einmal der Aufbau des Granulationsgewebes,
das andere Mal die Beteiligung der Emigrations-Vorgänge, femer nament-
lich auch die an den Granulationszellen — Epitheloidzellen sich absjüelen-
den Veränderungen, häufig degenerativer Natur, Anhaltspunkte geben, um
auch histiologisch den betreffenden Prozess zu erkennen.
So ist das Gewebe der Rotzknoten durch die hochgradige Kerndegeuera-
tion, welche die Zellen sehr bald befällt, geradezu charakterisiert; Unna')
nennt den Vorgang „Chromatotexis** Kernschmelze; das Hervorheben
dieses nekrotischen Vorganges beim Rotze von Seiten Unnas ist ganz
richtig; Unna leugnet aber die Leukocytose, und die ist bei den Rotz-
knoten eminent ausgesprochen, ja die Leukocyteneinwanderung verdeckt
fast das übrige Gewebe, was noch durch jenen Kernzerfall gesteigert wird,
der auch die Leukocyten und zwar sehr bald ergreift. —
Bei der Aktinomykose findet Unna als Degenerationen „Kolliquation''
und „hyalhie Entartung"; von der Bildung der HyaUnkugeln war oben
bereits die Rede und stimmt Unnas Beobachtung mit der Anderer
überein, wenn er auch nicht jene Erklärung Pawlowskys im Vergleiche
mit dem Sklerom heranzieht; anders ist es mit der „Kolliquation", da
Unna mit keinem Woi-te die Verfettung der epitheloiden Zellen erwähnt,
die sehr bedeutend ist und von welchem Vorgange wohl die gelbe Farbe,
welche das weiche aktinomykotische Granulationsgewebe zeigt, herrühren
dürfte, so liegt es nahe zu vermuten, dass ein Teil des Vorganges der
Kolliquation die er „als Auftreten heller^ nicht tingibler Vakuolen in dtn
Plasmazellen, die sich rasch vermehren, vergrössem und konfluieren'' be
schreibt, jene Fettdegeneration ist, die auch Pawlowsky beschreibt. Auch
kommen Blutungen und Ablagerung von Blutpigment, wie es Unna be-
schreibt, dem aktinomykotischen Gewebe nicht zu. In Übereinstimmung
befindet sich der Referent mit der Ablehnung einer Mischinfektion
1) Histopathologie.
Endzfindlicbe NeabilduDg. 283
welche die 'Eiterung bei der Aktinomykose hervorrufe ; die Eiterbildung
und Ansammlung der Eiterzellen zunächst nur um die Pilzdruse, femer
die Entwickelung grösserer Abscesse durch Zerfall des Granulationsgewebes
kommt dem Aktinomyces beim Menschen als solchen zu. —
M. Vincent (43) giebt die Beschreibung des Granulationsgewebes
beim Madurafusse, Mycetoma (Unna). Ein sehr gefässreiches Granulations-
gewebe aus grossen Zellen mit Ansammlung von Eiterzellen im Centrum,
um die Pilzdruse herum, ganz ähnlich wie beim Aktinomyces findet sich
auch hier; in diesem Granulationsgewebe kommt es zu Blutungen und er-
seheint eine Pigmentierung des umliegenden Gewebes (auch nach eigenen
Untersuchungen) eine gewöhnliche Erscheinung zu sein. Im Granulations-
gewebe fand Vincent selten Riesenzellen, mit peripher gelagerten Kernen.
Eine besondere Besprechung gebührt noch den infolge von Fremd-
körpern entstandenen Granulationsgeschwülsten und entzündlichen Neu-
bildungen mit Bildung von Riesenzellen und miliaren Knötchen, besonders
auch wegen der diagnostisch bedeutsamen, aber möglichen Verwechslung
mit tuberkulösen Prozessen. Polypöse Granulome auf Fremdkörperwirkung
am Trommelfell, im äusseren Gehörgange und in der Paukenhöhle hat
Manasse beschrieben, ausgebreitete Knötchenbildung am Peritoneum
ähnlich einer tuberkulösen Peritonitis C. Meyer (45) und Hanau (48);
speziell mit Berücksichtigung auf die differentialdiagnostische Frage durch
4ie Lokalisation (Sehnenscheide, Fistelgang) oder wirkliche Kombination
mit Tuberkulose interessante Fälle hat unter anderen Krückmann (47)
mitgeteilt, der eine grössere Anzahl von Lubarsch gesammelter Fälle
unter dessen Leitung eingehender untersuchte. Als Fremdkörper figurieren
nicht nur die schon seit Langem bekannten Haare und Ligatur-Materiale,
auch Knochenpartikelchen, Pflanzenbestandteile des Mageninhaltes (Hau au),
tierische Parasiten (Cysticerkus und Echinokokkusblasen, Krückmann),
fenier Zellen des Körpers (Epidermiszellen Manasse) und krystallinische
Bildungen (Cholestearinkrystalle, C. Meyer, Manasse, Krückmann),
Fettsäurekry stalle, Pigmentschollen (Krückmann) und was besonders
bemerkenswert zu erwähnen ist , amyloide Massen (in einem sarkomatösen
Tumor, Krückmann); noch in einem andern Falle desselben Autors lernen
wir Riesenzellbildung in einem Sarkom (der Schilddrüse) kennen, die nicht
auf der Natur des Tumors, sondern auf Fremdkörperwirkung (Blutpigment)
zu beziehen ist.
Nach Marchand, Baumgarten, ähnlich wie seiner Zeit Lang-
lians, ist die Lage der Fremdkörper zu einander, und besonders ihr gegen-
seitiger Abstand, und ihre Grösse massgebend für den Typus der Riesen-
284 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Zellen, wenn die Fremdkörper resistent genug sind gegen Resorption, eine
Riesenzellbildiing als Reaktion zu erzeugen, und different genug sind,
um auf das Zellplasma zerstörend einzuwirken Partialnekrose desselben
oder partielle Kemlosigkeit nach sieh zu ziehen. C. Meyer führt dies
des weiteren aus ; zu nahe Lagerung der Fremdkörper z. B. bedingt centi-ale
Lagerung der Kerne, kleine, mehr oder weniger rundliche Fremdkörper,
die von den Zellen ganz aufgenommen werden, randständige Kemlage-
rung (Langhansscher Typus). Krückmann hat keinen derartigen Zu-
sammenhang gefunden. C. Meyer versuchte demnach auch in Überein-
stimmung mit Ziegler alle Riesenzellen auch die Myeloplaxen des
Knochenmarks auf eine einheitliche (Fremdkörper-) Ursache zurückzu-
führen, findet aber in der Proliferation der letzteren bei Tumoren ein nicht
einbeziehbares Verhältnis, ein Moment, welches eine gewisse Sonderstel-
lung verlangt.
Was die Entstehung der Riesenzellen anbelangt, so gehen die An-
sichten der Autoren wie von jeher sehr auseinander; während die einen
für die Abstammung derselben durch Verschmelzung ursprünglich getrennter
Zellen und zwar Leukocyten und Wanderzellen sind (Metschnikoff (44),
Arnold (40)), oder aber von „Bildungszellen", Granulationszellen (Marchand)
treten andere für die successive Teilung der Kerne mit mangelhafter Ab-
grenzung der neugebildeten Elemente, partieller Nekrose des Protoplasmas
(im Sinne Weigerts) ein; da können ausser Granulationszellen die Endo-
thelien der serösen Häute, der Blut- und Lymphgefässe, auch Epithelien
sich beteiligen.
Marc band kannte keine Karyomitosen in Riesenzellen, wohl aber
in der nächsten Umgebung beobachten, Goldmann (58), M anasse beol>
achteten Mitosen und die Übergänge aus 2- und Skemigen Zellen. Letz-
terer hat die Fremdkörperwirkung implantierter Epidermismassen experi-
mentell nachgewiesen und hier auch die Wucherung von Lymphgefäss-
endothelien mit Ricsenzellbildung, nachgewiesen. Anderseits ist wohl aueli
an der leukocytären Natur der die ins Blut injizierten Weizenmehlpartikel
umschliessenden Riesenzellen in den Versuchen Arnolds nicht zu zweifeln.
Ob den Riesenzellen eine phagocytäre Wirkung im Sinne Metsehni-
koffs zukommt, ist nicht strikte abzulehnen, da sie gewisse auflösende
und verdauende Fähigkeiten besitzen, wofür namentlich Krückmann
eine Reihe von guten Beispielen angeführt hat.
Wie aus den älteren Arbeiten ein verschiedener Entstehungsmodus
der Riesenzellen angenommen werden musste (Li eher kühn s Beobachtung
von vielkernigen Zellen im Tage lang in Glasröhrchen aufbewahrten Blut
vom Salamander, Cornil-Ranviers Anschauung des Entstehens der
Riesenzellen aus der Umwandlung verschiedener Hohlgänge, Blut und
Entzündliche Neubildung. 285
Lvmphgefässe, Epithelgänge etc.), so bestätigen dies auch die neueren Ar-
beiten und es ist gewiss, dass, wie die Riesenzellen wohl nicht alle als
gleichwertige morphologische und funktionelle Elemente zu betrachten
sind, sie es auch ihrer Entwickelung nach nicht sind. Speziell bei den
Ciranulationsgeschwülsten kommt sowohl eine verschiedene Abstammung
bezüglich des cellulären Ursprungs (Bildungszellen, EndotheUen, in gewissen
Organen auch Epithehen) als auch bezüglich des Modus, Entwickelung
aus Hohlgebilden in Frage, und Unna geht zu weit, wenn er alle Riesen-
zellen von der Konfluenz und Partialnekrose der „homogenisierten'' Plas-
mazellen ableitet, zudem er selbst die „Knäueldrüsen"-Riesenzellen beim
Lupus zugiebt.
3.
Cysten.
Von
E. Marckwald, Halle.
Litteratur.
1. Aschoff, L., Ein Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie der Schleim-
haut der Harnwege und ihrer drüsigen Anhänge. Virchows Arch. Bd. 138. Heft 1 a. 2.
2. Fränkel, Eugen, Über Corpus-luteum-Cysten. Archiv f. Gynäkologie. Bd. 47. H. 1.
3. Garrä, C, Über traumatische Epithelcysten der Finger. Dermatologische Zeitschrift.
Bd. I. Heft 1.
4. y. Eahlden, C, Über Ureteritis cystica. Beiträge zur pathologischen Anatomie und
zur aligemeinen Pathologie von £. Ziegler. Bd. 14. Heft 3.
5. Ledderhose, Über traumatische Lymphcysten des Unterschenkels. Virchows
Arch Bd. 136. Heft 2.
6. Lübars ch, 0., Über die angebliche parasitäre Natur der Ureteritis cystica. Ctbl. f.
allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie herausgegeben von E. Ziegler.
Bd. V. Nr. 11.
7. Pisenti, Üher die parasitische Natur der Ureteritis chronica cystica. Ibid. Bd. V.
Heft 15.
8. Thoma,Rich., Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Allgemeine pathologische
Anatomie. Stuttgart. F. Enke. 1894.
9. Tilger, Alfred, Beitrag zur pathologischen Anatomie und Ätiologie der Pankreas-
cysten. Virchows Arch. Bd. 136. Heft 2.
10. Ziegler, E. , Lehrbuch der allgemeinen und speziellen pathologischen Anatomie.
8. Aufl. Jena. Gustav Fischer. 1895.
Unter Cysten versteht man Hohlräume, welche eine aus Bindegewebe
Oller einem sonstigen Gewebe gebildete Wandung und einen von dieser
diltorcnten Inhalt besitzen.
Man teilt dieselben nach ilirer Beschaffenheit in multilokulare und
vu\ilokuläre Cysten ein; nach ihrer Entstehungsweise unterscheidet man:
Cysten. 287
L Cysten, die aus schon bestehenden Hohlräumen sich entwickeln.
Diese Hohlräume können ursprüngUch offen gewesen sein [Drüsen und
ihre Ausführungsgänge, Blut- und Lymphgefässe] : Retentionscysten ; oder
sie waren von vornherein geschlossen: FoUikularcysten.
II. Cysten, die in ursprünglich festem Gewebe entstehen: Erweich-
iiüfi:scvsten.
in. Cysten, die durch abgekapselte Parasiten, Fremdkörper etc. ge-
bildet werden.
IV. Cysten, die durch Neubildungs- und Wucherungsvorgänge aus
der Wand von Hohlräumen ihren Ursprung nehmen: Proliferationscysten,
^Vstome, cystoide Bildungen.
Von der Besprechung an dieser Stelle würden die kongenitalen Cysten
aller Art und die Proliferationscysten auszuschliessen sein , da sie eine
iScliilderung in anderen Kapiteln finden werden, ich werde mich vielmehr
darauf beschränken, um Wiederholungen bei der Schilderung der patho-
logischen Veränderungen der einzelnen Organe zu vermeiden, die Details
^ier Entstehung und Ätiologie bestimmter Cysten kurz zu schildern, die
im Berichtsjahre ein unsere Kenntnisse erweiterndes Studium erfahren haben.
So hat Ledderhose (5) nach schweren Traumen „Lymphcysten''
gefunden, die als Kombinationen von Retentions- und Erweichungscysten
aufzufassen sein dürften. Sie entstehen in Lymphgefässen und Lymph-
?palten des subkutanen Fettgewebes, deren Endothel auf einen traumatischen
Reiz mit Proüferation reagiert und die betroffenen Gefässe undurchgängig
macht. Die aufgestaute Lymphe bildet den Inhalt dieser Hohlräume, der
durch die Zerfallsprodukte der degenerierenden, gewucherten Endothehen
vermehrt wird. Das Fettgewebe in der Umgebung solcher Cysten wandelt
sich in Bindegewebe um, nimmt seinerseits an der Degeneration teil, und
es bilden sich mm aus einer Anzahl kleinerer, nach Usur ihrer Wan-
dungen, einzelne grössere Cysten aus.
Einen sehr interessanten Vorgang, der ebenfalls zur Bildung einer
Art cystischen Hohlraums führen kann, schildert Garr6 (3). Kleine
Traumen vne Schnitte, Stiche, Bisse etc. können kleinste Partikelchen der
äusseren Haut in die tieferen Gewebschichten verlagern. Bleiben diese
Partikelchen in Verbindung mit ihrem Mutterboden , so setzen sie ihre
normale Entwickelung fort, die obersten Schichten der Zellen verhornen,
werden abgestossen und bilden nun den Inhalt eines Hohlraumes, der von
subkutanem Bindegewebe umgeben wird, ohne dass sicli indessen eine
eigentliche Kapsel, eine Cystenwand ausbildet.
Dass sich aus Retentionscysten Erweichungscysten ausbilden können,
hat Tilg er (9) auch für Pankreascysten nachweisen können. Hier ist es
«1er Cysteninhalt, der vermöge seiner peptischen Wirkung die primären
288 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Cystenwandungen zur Einschmelzung bringt und so die rein mechanischen
Einwirkungen, die bei der Usurierung der Wandungen der geschilderten
Lymphcysten eine Rolle spielen, wirksam modifiziert.
Für die wiederholt früher ausgesprochene Vermutung, dass eine
Anzahl Ovarialcysten ihren Ursprung von Corporibus luteis nehmen, hat
Fränkel (2) den Beweis erbracht. Danach verfallen bisweilen Corpora
lutea nicht der normalen Rückbildung in Corpora fibrosa, ihre epithelialen
Zellen vermehren sich vielmehr, und die centralen Schichten derselben
degenerieren zu kolloiden Massen. So bilden sich cystische Hohlräume,
die beim Fortbestehen der Zellwucherung erhebliche Grösse erlangen
können. Transsudationen und Hämorrhagieri aus den Kapillaren des
corpus luteum können zur Vermehrung des Cysteninhalts beitragen. Von
den gewöhnlichen Ovarialcysten unterscheiden sie sich durch ihre Wan-
dungen, welche ein weitmaschiges Kapillarnetz enthalten, in dessen Maschen
grosse kugeüge Zellen eingeschlossen sind.
Noch streitig ist die Entstehung der Gebilde, welche die als Ureteriti^i
cystica bekannte Veränderung charakterisieren.
Nachdem Lu barsch (6) die Annahme einer Reihe früherer Autoren,
die Ureteritis cystica sei parasitären Ursprungs, zurückgewiesen hatte, indem
er nachwies, dass die als Coccidien bezeichneten Gebilde der Characteristicii
echter Coccidien entbehren, dass sie mit grosser WahrseheinUchkeit als
hyaline oder sonstige Degenerationsformen der EpitheUen der von Brunn-
schen Epithelnester seien, von welch' letzteren überhaupt die Cysten ab-
stammten, versuchte Pisenti (7) die Beweiskraft der Lubarschschen
Ansichten zu bezweifeln, ohne für seine eigene Auffassung positive Beweise
erbringen zu können. Während sich Aschoff (1) späterhin mit der Auf-
fassung von Lubarsch (6) im wesentlichen einverstanden erklärte, ver-
öffentlichte vonKahlden (4) wiederum zwei Fälle seiner Ansicht nach
parasitären Ursprungs. Die beobachteten Parasiten sollen grosse Ähnlich-
keit mit den von Pfeiffer beschriebenen Myxosporidien des Hechtes und
der Schleie haben. Wie weit die Fälle von Kahldens geeignet sind, die
diskutierte Frage endgiliig zu entscheiden, steht dahin.
Bei dem lebhaften Interesse, das von vielen Seiten der Ureteritis
cystica entgegengebracht wird, steht zu hoffen, dass eine sichere Aufklärung
in nicht allzu ferner Zeit erfolgen wird.
4.
Hyperplasie und Geschwülste.
Von
O. Lubarsch, Rostock.
Begriff, Einteilung und Entstehung der Neoplasmen.
Litte ra tu r.
1. Bard, La sp^cificit^ ceUulaire et les faita anatomo-pathologiques sur les qoels eile
s*appiiie. Yerhandl. des 10. internationalen mediz. Kongresses in Berlin f. Hirsch-
wald. Berlin 1891. Bd. II. Abi 3. S. 92.
2. Ders., La sp^ificit^ cellolaire et Fhistogönäse chez Tembryon. Arch. de Physiol. 1886.
Tm. 7. S4r. m.
•^. Birch-Hirschfeld, Grandriss der allgem. Pathologie. Leipzig 1892. S. 877.
4. Hanaa, Über einen neuen Fall von Acardiacus anceps (Ahlfeld) mit Bemerkungen
über normales und pathologisches Wachstum. Verhandl. der Gesellschaft deutscher
Naturf. tt. Ärzte. 63. Versamml. zu Bremen. Leipzig 1891. S. 194.
•j. Hansemann, Studien ttber die Spezifizität, den Altruismus und die Anaplasie der
Zellen mit besonderer Berücksichtigung der Geschwülste. Berlin, A. Hirsohfeld 1893.
6. Klebs, £., Lehrbuch der allgem. Pathologie. Bd. II. Kap. XI— XIII. 1889.
7* Knaak, Die morphologische Bedeutung der Geschwülste. Verhandl. der Gesellschaft
deutsch. Naturf. u. Ärzte. Leipzig 1891. S. 184.
8. Labarsch, Beiträge zur Histologie der von Nebennierenkeimen ausgehenden Nierenge-
schwflbte. Vir eh. Arch. Bd. 135. S. 149. 1894.
9. Bibbert, Über die Entstehung der Geschwülste. Deutsche med. Wochenschr. 1895.
Nr. 1—4.
10. Eoux, W., Zui Entwicklungsmechanik des Embryo. Vir eh. Arch. Bd. 114.
l<3a. Roux, W., Demonstration versprengter persistierender Farchungszellen in den Ge-
weben von Embryonen. Gtbl. f. allgem. Pathol. Bd. V. S. 858. 1894.
IL Schleich, ViheT die Ätiologie der Geschwülste. Berlin 1889. Im Selbstverlage des
Verfassers.
12. Thoma, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Bd. I. S. 629. 1894.
IZ. Ziegler, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Bd. I. 8. Auflage. 1895.
L «barsch -Oster tag, Ergebnisse Abteil. II. 19
290 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Wenn schon Virchow in seinem grossen Geschwulstwerk betonen
musste, dass die Grenze zwischen entzündlicher Neubildung, Hyperplasie
und echten Neoplasmen schwer zu ziehen sei, so kämpfen auch die neuereu
Arbeiten über die Geschwülste mit der gleichen Schwierigkeit. Freilich
ist in sofern ein Fortschritt erzielt, als man die infektiösen und entzünd-
Hchen Neubildungen von den echten „autonomen" Neubildungen, wie
Thoma (12) sie bezeichnet, abgetrennt hat. Aber gerade diese Trennung, die
praktisch von Wichtigkeit ist, zeigt die Grenzen einer jeden derartigen
Definition genau. Sobald die Ätiologie zur Begriffsbestimmung mit her-
angezogen wird, muss der Geltung der Definition durch unsere Unkennt-
nis Halt geboten werden. Werden unsere Kenntnisse erweitert, d. h. lernen
wir bei Neubildungen die Erreger kennen, so wird damit das Gebiet der
infektiösen Neubildungen vergrössert und das der „autonomen" verkleinert.
Und es ist bereits jetzt sehr wahrscheinlich, dass ein Teil der Sarkome —
die sogenannten Lymphosarkome — ebenfalls zu den infektiösen Neubil-
dungen gehören; jedenfalls habe ich sie bereits von den eigentlicheu Ge-
schwülsten abgetrennt und zu den infektiösen Neubildungen gestellt,
wo sie im nächsten Jahrgang ausführlicher besprochen werden sollen.
Auch darin liegt eine grosse Schwierigkeit, dass „entzündliche" Neu-
bildungen und an Entzündung anschliessende Neubildungen nicht iden-
tisch sind. Während die ersteren nur aus Bindegewebssubstanz bestehen,
können letztere auch aus anderen Geweben (Epithelien) bestehen oder sogar
zusammengesetzter Natur sein (Adenome). Diese Erwägungen zeigen be-
reits, dass das ätiologische Einteilungsprinzip nicht brauchbar ist, wenn
auch Birch-Hirschfeld (3) meint, dass — eine infektiöse Ursache auch
bei den echten Geschwülsten vorausgesetzt — ein wesentlicher Unter-
schied zwischen ihnen und den Infektionsgesdiwülsten doch darin bestehen
würde, dass bei ersterer Wucherung der verschiedensten Gewebstypen mit
Erhaltung des wesentlichen Charakters der Zellen, bei letzteren dagej^en
die Bildung eines indifferenten Gewebes stattfindet — Suchte man dalier
nach anderen unterscheidenden Kriterien, so machte sich eine weitere
Schwierigkeit, die Abgrenzung gegenüber der Hyperplasie bemerkbar.
Klebs (6) sucht diese Schwierigkeit dadurch zu überwinden, dass er einer-
seits jede Hyperplasie als etwas Progressives betrachtet, welche durch eine
Vermehrung des Bildungstriebes der Zellen zustande kommt, andererseits
behauptet, dass anfangs jeder Tumor eine einfache Hyperplasie
darstellt. Beide Ansichten sind aber kaum mit den Thatsachen in Ein
klang zu bringen. Freilich können auch Hyperplasieen einen Excess des
normalen Bildungstriebes der Zellen darstellen, aber nicht jede Hyperplasie
im gewöhnlichen Sinne ist auf eine Vermehrung des Bildungstriebes zu
beziehen, wie das namentlich bei einem Teil der regenerativen oder komix^n«
Hyperplasie und Geschwülste. 291
satoriachen Hypertrophieen — die eben thatsäehlich Hyperplasieen sind —
der Fall ist. Namentlich Ribbert hat ja in verschiedenen Arbeiten gezeigt,
dass die kompensatorische Hypertrophie besonders der Geschlechtsdrüsen
zum grossen Teile auf einer Wucherung von Zellelementen, also einer wirk-
lichen Hyperplasie beruht. Hier kann nicht gut von einer Vermehrung
des ßildungstriebes der Zellen gesprochen werden, vielmehr handelt es sich
gerade um einen durchaus physiologischen Vorgang. Aber auch in anderen
Fällen, wo die Hyperplasie durchaus den Eindruck des Pathologischen
macht, sind wir nicht berechtigt, ohne weiteres, von einem Excess des
Büdungstriebes der Zellen zu sprechen ; sondern wir können oft nur sagen,
dass nicht nur die innere Ursache der Zellenvermehrung, sondern auch
der äussere Anlass für uns verborgen ist. Noch weniger aber erscheint
t« gerechtfertigt , jeden Tumor im Beginn als eine einfache Hyperplasie
aufzufassen; vielmehr imterscheidet sich ein echtes Neoplasma auch
im Beginn bereits dadurch von der Hyperplasie, dass es sich auf
eine cirkumskripte Stelle beschränkt. — Thoma (12) hebt geradezu die
räumliche Beschränkung als ein Charakteristikum für die Autonomie der
Neubildungen hervor. Freiüch muss man Klebs insofern recht geben,
dass dem inneren Wesen nach die Hyperplasie schwer von der autonomen
Neubildung zu trennen ist, da beide auf einer Zellwucherung beruhen. Und
für seine Auffassung vieler pathologischer Prozesse ist es von einem ge-
wissen Vorteil, Hyperplasie und Geschwulstbildung bis zu einem gewissen
Grade zu identifizieren, weil es ihm möglich wird, auch noch die infek-
tiösen Neubildungen zwischen Hyperplasie und Geschwülsten einzureihen.
Aber thatsäehlich erschwert es doch grade die Auffassung, wenn man die tren-
nenden Momente nicht hervorhebt. Wie wenig in dieser Beziehung die An-
schauungen geklärt sind, ging auf der letzten Naturforscherversammlung in
Wien aus der Diskussion hervor, welche sich an den Vortrag von Kretz
über knotige Hyperplasieen des Lebergewebes anschloss. Während die einen
(Kretz, Chiari, Rindfleisch, Weich sei bäum) sie für einfache Hyper-
plasieen hielten, wurde von anderen (Eppinger, Lubarsch, Thoma,
Ponfick) betont, dass sie Adenome wären oder doch wenigstens ihnen nahe
standen. Ich habe damals bereits hervorgehoben, dass die Schwierigkeit
«1er Verständigung in dem Mangel einer sicheren Geschwulstdefinition be-
griindet sei; und besonders ist auch hier wiederum die Unbekanntschaft
mit der Ätiologie die Ursache, dass wir oft eine regenerative, eine entzünd-
liche Neubildung und eine autonome Geschwulst nicht sicher von einander
treouen können. Es ist deswegen nötig, eine allerdings vorläufige Trennung
auf Grund morphologischer und physiologischer Kriterien vorzunehmen.
Klebs (6) hat das in glückhcher Weise durch die Hervorhebung eines
njorphologischen Charakters gethau, indem er betont, dass die Geschwülste
19*
292 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
atypisch sind in Bezug auf die Körperform und nicht auf die
Körpergewebe. Zwar erwähnt er auch noch ein physiologisches Merk-
mal, wenn er bemerkt, dass die neugebildeten Zellen zwar morphologisch
mit denen des Mutterbodens übereinstimmten, möglicherweise aber funk-
tionell von ihnen verschieden wären, ohne aber auf diesen Punkt genauer
einzugehen. Birch-Hirschfeld (3) legt ihm dagegen einen ganz beson-
deren Wert bei, wenn er ihn bereits in die Definition des Geschwulstbe-
griffes mit aufnimmt. Nach ihm sind Geschwülste anscheinend spontan
entstandene, in anatomischer und funktioneller Hinsicht gegen das
physiologische Gewebe sich abgrenzende, aus Zellen des eigenen Körpers
hervorgegangene Neubildungen von fortschreitendem Wachstum. Und er
hebt weiter hervor, dass die Elemente der Geschwulst trotz ihrer morpho-
logischen Übereinstimmung mit normalen Zellen nicht an den Körper-
funktionen beteiligt sind. Gerade hierin sieht er den wesentlichen
Unterschied gegenüber den Hypertrophieen und Hyperplasieen. Auch
Thoma (12) hebt das vom Mutterboden abweichende funktionelle
Verhalten hervor, giebt aber zur Begründung als Beispiel nur die Lipome
heran, welche bei allgemeinem Schwunde des Fettgewebes häufig unver-
ändert bestehen bleiben. Ziegler (13), der im übrigen eine wenig glück-
liche Definition giebt, rückt das physiologische Moment ebenfalls in den
Vordergrund, wenn er die Neoplasmen als Gewebsneubildungen bezeichnet,
„welche einen atypischen Bau besitzen und keine dem Wohle des Gresamt-
organismus dienende Funktionen ausüben und auch kein typisches Ende
ihres Wachstums erkennen lassen". Allerdings liegt in Zieglers Einschrän-
kung „keine dem Wohle des Gesamtorganismus dienende Funktion" etwas
Richtiges. Denn es kann nicht ganz zugegeben werden, dass die Funk-
tion der Geschwulstzellen stets von der der normalen abweichend ist. Man
kann oft genug beobachten, dass in Leberadenomen noch Galle bereitet
wird, ja selbst in Leberkrebsen habe ich in und zwischen den Zellen
mitunter Gallenfarbstoff gefunden; wenn aber trotzdem diese erhaltene
Funktion dem Gesamtorganismus nicht zugute kommt, so liegt das an
dem anatomischen Bau des Neoplasmas, wodurch eine Überführung der
in den Zellen bereiteten Galle in die Gallenwege ausgeschlossen ist. Anderer-
seits scheint es aber auch Tumoren, und zwar sogar bösartige, zu geben,
deren Zellen gerade noch im.stande sind, die für den Gesamtorganisnius
besonders wichtige Funktion auszuüben. Hansemann (5, Seite 55) hat
die Thatsache, dass selbst bei tolaler krebsiger Metamorphose des Pankreas
Diabetes und bei Nebennierencarcinom Bronzekrankheit fehlen kann, da-
durch erklären wollen , dass die Krebszellen, als Nachkommen der be-
treffenden Organzellen noch genügende Funktion für den Körper besitzen,
um diese zu ersetzen, und ich habe (8) ganz besonders für das Verhältnis
Hyperplasie und Geschwfllgte. 293
z?nschen Nebennierenerkrankungen und Morbus Addison die Auffassung ent-
wickelt, dass primae Geschwülste der Nebennieren, auch wenn sie eine
grosse Ausdehnung besitzen, geringere Gefahren mit sich bringen, wie
metastatische, weil die Zellen der ersteren imstande sind, die spezielle
Stoffwechselregulierungsfunktion noch weiter auszuüben, und zwar selbst
dann, wenn sie weder qualitativ noch quantitativ die gleichen Stoffe pro-
duzieren. Und das scheint in der That auch für die anderen Stoffwechsel-
regulierungsorgane zu gelten ; denn auch bei den Tumoren der Schilddrüse,
bösartigen wie gutartigen, treten nur ausnahmsweise Symptome auf, die
im Sinne einer Alteration der spezifischen Organfunktion gedeutet werden
könnten*). Es scheint das daran zu liegen, dass bei den genannten Or-
ganen die von den Zellen produzierten Stoffe auch normaler Weise, ohne
dass besondere Ausführungsgänge vorhanden sind, direkt ins Blut über-
geführt werden. Und es muss daher in vielen anderen Fällen wo Neu-
bildungen drüsiger Natur ihre Funktion dem Gesamtorganismus nicht zu
Gute kommen lassen, die Ursache in dem mangelhaften Bau der Neu-
bildung, dem Fehlen der Ausführungsgänge, gesucht werden. Man sieht
daraus, dass sowohl die Formulierung Birch-Hirschfelds, wie die Zieg-
lers zu eng ist.
Unter den besonderen Benennungen, welche für die „Geschwülste"
neuerdings vorgeschlagen worden sind, sei besonders der Kl ebs sehen
Bezeichnung Blastome und Thomas „autonome Neubildungen" ge-
dacht (auf Knaaks (7) Bezeichnung „Cönome" wird erst weiter unten
eingegangen werden). Klebs Blastombegriff deckt sich ziemlich mit
dem, was Virchow als Proliferationsgeschwülste bezeichnet hat, und
würde wohl als eine Bereicherung unserer Nomenklatur gegenüber
dem etwas vieldeutigen Ausdruck „Geschwulst" betrachtet werden müs-
sen, wenn sich nicht zu leicht damit gewisse theoretische Vorstel-
lungen von Klebs verknüpften, die auf allgemeine Anerkennung kaum
Anspruch machen können. Dagegen möchte ich Thomas Bezeichnung
„autonome Neubildung" als einen sehr glücklichen Ausdruck empfehlen,
der nicht nur ein sehr wesentliches Charakteristikum hervorhebt, sondern
auch gleich den Gegensatz zur entzündlichen und infektiösen Neubildung
erkennen lässt. Was nun die Einteilung der autonomen Neubildungen
anbetrifft, so ist man sich auch hier noch nicht völlig über die Prinzipien
einig. Zwar gilt es als Grundsatz, dass man im Anschluss an Virchow
1) Diese zunäclist mehr auf Gnind negativer Verhältnisse ausgesprochene Anschäu-
Qog hat Yor kurzem eine positive Stütze erhalten durch die Beobachtung von Eisel-
^^fgs» dass nach Exstirpation eines metastatischen Schilddrüsentumors Tetanie auftrat,
also ähnliche Störungen stattfanden, wie nach Exstirpation der normalen Schilddrüse.
294 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
nach der histologischen Struktur die Einteilung vorzunehmen habe. Aber
man ist vielfach von diesem rein morphologischen Standpunkt abgewichen
und hat ihn durch den histogenetischen ersetzen wollen. Dieser Stand-
punkt, der früher auch von Ziegler vertreten wurde, jetzt aber von ihm
verlassen ist, findet wohl seinen schärfsten Ausdruck in der von Klebs(6)
vorgeschlagenen Einteilung. Indem er zunächst auf Grund seiner oben
erwähnten Anschauung von der prinzipiellen Gleichartigkeit der Hyper-
plasieen und der Blastombildung eine Einteilung angenommen hat in
A. Typische Blastome (Riesenwuchs) und B. atypische Blastome
teilt er dann auf Grund der Hisschen Keimblättertheorie diese ein in Para-
blastome und Archiblastome. Die nähere Ausführung dieser Einteilung
zeigt die Misslichkeit des Versuches; so können einzelne Geschwulstarten,
wie die Myome, nur schwer untergebracht werden und die Angabe, dass
die zu den Neuroblastomen (Archiblastome) gehörigen metastasierenden Tu-
moren zu den Sarkomen d. h. Parablastomen gehörten, bringt einen völligen
Riss in der Klebsschen Einteilung hervor. Ich habe mich (8) verschiedent-
lich gegen das histogenetische Einteilungsprinzip gewendet, denn erstens
ist die Grundlage dieses Prinzipes schwankend und 2. ist sie auch nicht
vollkommen durchführbar, weil es in vielen Fällen verkehrt sein würde,
auf die ursprüngliche Entwickelung zurückzugehen und nicht auf die be-
stimmte Art, in welcher das Gewebe sich während der Entwickelimg diffe-
renzirt hat. Ich wies darauf hin, dass noch der biologische Gresichtspimkt
mitsprechen müsse und dass man z. B. die von Nierenzellen ausgehenden
Neoplasmen unter allen Umständen als Adenome oder Carcinome bezeichnen
muss, gleichviel ob die Niere in letzter Linie vom Meso- oder Ektodemi
abstamme; ebenso wäre es unrichtig, die Tumoren der Nebenniere als
Adenome zu bezeichnen, trotz der ektodermalen Abstammung des Organs,
so lange man die Nebennierenzellen nicht als echte Epitheüen ansehen
darf. Diese Auffassung richtet sich sowohl gegen die streng-histogenetische
Richtung, wie gegen die rein morphologische, welche z. B. Hansemann
(5) vertritt, wenn er die echten Epithelkrebse mit den Endotheliomen und
Peritheliomen zusammenwerfen will. Selbst vom morphologischen Stand-
punkt aus wäre diese Vermengung nicht ganz zu rechtfertigen, weil bei
den Carcinomen das Stroma von gefässführendem Bindegewebe, bei den
Endotheüomen dagegen von Blut- oder Lymphgefässen gebildet wird; in
physiologischer Beziehung besteht aber zwischen Drüsen- und Blut- oder
LymphgefässepitheUen und ihnen nahestehenden Zellen (Nebennierenzellen)
der grosse Unterschied, dass erstere ihre Sekretionsprodukte in besondere
ableitende Wege absondern, letztere dagegen es direkt dem Blute oder
Gewebssaft beimischen. Wenn man diese Schwierigkeiten überwinden will,
so erscheint es am bequemsten und auch im einzelnen gut durchführbar,
Hyperplasie und Geschwülste. 29Ö
wenn man mit Birch-Hirschfeld (3) auf den entsprechenden physio-
logischen Gewebstypus zurückgreift und zu jeder Gewebsart eine typische
und atypische Geschwulstform statuiert*). Birsch-Hirchfeld gelangtauf
diese Weise dazu, 3 Klassen von Geschwülsten aufzustellen: 1. die Ge-
schwülste der Bindesubstanzreihe (Virchows histioide Geschwülste), 2. die
epithelialen organoiden Tumoren , 3. Geschwulste, die durch Kombination
verschiedener Geschwulstformen entstehen. Voraussetzung ist bei diesen
Einteilungen allerdings das Gesetz von der legitimen Succession der
Zellen oder wie Bard (1, 2) es formuliert hat: omnis cellula e cellula
ejusdem generis. In der That darf man es wohl als bewiesen ansehen,
dass eine Metaplasie bei der Geschwulstentwickelung keine Rolle spielt
und dass jede besondere Geschwulstform von dem gleichartigen physio-
logischen Gewebe aus sich entwickelt. Wenn schon Virchow hervorge-
hoben hatte, dass die Geschwulstzellen histologisch mit den Zellen des
Mutterbodens übereinstimmen, so haben die neuen Untersuchungen die
Beobachtung noch erweitert und eine Übereinstimmung bis auf die feinsten
Details nachgewiesen. Selbst bei den, die stärkste Atypie aufweisenden
Neubildungen, den Sarkomen und Carcinomen, zeigen die Geschwulstzellen
oft die gleiche Kern- und Protoplasmastruktur, wie die Zellen des
Mutterbodens. Und ich habe (8) nachgewiesen, dass vielfach selbst die
Altmannschen Granula in den Geschwulstzellen in gleicher Menge und
Anordnung vorhanden sind, wie in den Zellen des Muttergewebes. Auch
darin herrscht allgemeine Übereinstimmung, dass die Zellenneubildung
nach den gleichen Gesetzen verläuft wie normalerweise, d. h. dass die Zell-
teilung durch indirekte Kernteilung eingeleitet wird. Nur Hansemann (5)
hat es für mögUch gehalten, dass der Typus der Kernteilung bei den
Neoplasmen ein abweichender wäre und gerade hierin die Eigenart der
autonomen Neubildungen läge. Er wirft die Frage auf, ob man nicht
sämtliche echte Geschwülste auf eine Anaplasie, d. h. eine Entdifferenzierung
and zunehmende Selbständigkeit der Zellen zurückführen könne und die
gutartigen Neubildungen als diejenigen mit geringster Anaplasie, die bös-
artigen als solche mit stärkerer Anaplasie bezeichnen dürfe. Aber gerade
in dem Stadium, in dem die Anaplasie am stärksten hervortritt — in der
Mitose — lassen sich in den gutartigen Neoplasmen nach Hansemann
keine anaplastischen Veränderungen nachweisen, so dass nach seinem
eigenen Ausspruch bisher „einer Verallgemeinerung der Theorie über die
1) Es ist das auch von anderer Seite in der Weise geschehen, dass man Geschwülste
mit ausgebildetem und „embryonalen" Zellcharakter unterschied. Bekanntermassen ist nament-
lich von den Franzosen mit dem Ausdruck .embryonal*' viel Missbrauch getrieben worden.
Wenn man für embryonal unfertig sagt, so ist eine derartige Einteilung zu rechtfertigen,
vorüber bei den Sarkomen noch weiteres bemerkt werden soll.
296 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
Anaplasie jede Grundlage fehlt." Freilich könnte man dem entgegen-
halten, das8 von anderer Seite (Ströbe) auch in gutartigen Neubildungen
anaplastische Mitosen beschrieben worden sind, und femer darauf hin-
weisen, dass man um so weniger Mitosen zu sehen bekommt, je langsamer
das Wachstum einer Neubildung ist. Aber immerhin müsste man sich
darüber klar sein, dass diese Veränderungen der Zellen höchstens der mor-
phologische Ausdruck der biologischen Autonomie der Neubildungen,
nicht aber ihre Ursache ist. Doch wird auf diesen Punkt besonders bei
der Krebsfrage noch ausführlicher eingegangen werden müssen.
Was nun die Entstehung der Neubildungen anbetrifft, so sind auch
hier die Ansichten noch wenig geklärt. Zwei Hauptansichten stehen ein-
ander gegenüber: die eine will infektiösen Momenten die Hauptrolle zu-
schreiben, die andere greift auf die Cohnheimsche Hypothese von der
kongenitalen Anlage der Geschwülste zurück. Bevor wir hierauf näher
eingehen, wollen wir kurz zwei Arbeiten erwähnen, welche die schwierige
Frage von der Geschwulstentwickelung in rein spekulativer Weise zu
lösen suchen. Knaak (7) fasst die Entstehung der autonomen Neubild-
ungen als einen Rückbildungsprozess auf; wie sich alle Gewebe und somit
alle Organe aus einer Epithelzelle (der Ei- und Samenzelle) entwickeln,
so könnten durch eine Art Rückbildung die dijfferenzierten Zellen auch
wieder ähnliche Eigenschaften erhalten. Die Zellen erhalten wieder das
Bestreben, zur Kolonieform zurückzukehren — Rückkehr vom heteroplas-
tiden Zustand zur homoplastiden Form — von Knaak als CJoenobiose be-
zeichnet; oder es erfolgt die Rückbildung bis zu den niedersten Formen,
wobei sie neben der wiederkehrenden Fortpflanzungsfähigkeit (welche sie
als Somazellen nicht hatten) eine unbegrenzte Teilungs- und Keimfähigkeit
erhalten. Danach unterscheidet er zwei Klassen von Coenomen: 1. Coe-
nome homologen Charakters, 2. Coenome heterologen Charakters — Rück-
kehr zin* niedersten Zellform. — Schleich (11) glaubt dem Rätsel der
Geschwulstbildung dadurch näher zu kommen, dass er sie als eine Art
Infektion, d. h. „eine spezifische Alteration des Organismus und semer
Teile auffasst". Während bei den infektiösen Neubildungen pflanzliche
Mikroben den tierischen Organismus infizieren, handelt es sich bei der
Geschwulstbildung um eine endogene Infektion." Die Geschwulst ist das
Produkt einer pathologischen Zeugmig und Befruchtung. Ist irgend eine
Zelle in erheblicher Weise mechanischen, chemischen imd thermischen
Reizen ausgesetzt worden, so kann sie „infektiös" werden, d. h. die Rolle der
Spermazelle übernehmen und die anderen tierischen Zellen zu mehr oder
weniger schrankenloser Wucherung anregen. — Die kiurze Angabe dieser
Ansichten möge dazu dienen den Wert derartiger Spekulationen zu illu-
strieren. Auf die verkehrten und unrichtigen Anschauungen, welcher
Hyperplasie und Geschwalste. 297
K na aks Auseinandersetzungen zu Grunde liegen, braucht kaum hingewiesen
zu werden und auch bei S c hl ei c hs Analogisierung mit exogener Infektion
liegen unklare Vorstellungen über das Wesen der autonomen Neubildung
zu Grunde. Aber prinzipiell muss doch betont werden, dass derartige Spekula-
tionen gar keinen Wert haben, weil dadurch die eigentlichen Schwierig-
keiten verschleiert und ein unklarer Vorgang durch einen ebenfalls nicht
aufgeklärten erklärt werden soll. Die Worte „Rückbildung" und „geweb-
liche Infektion" sind in keiner Weise imstande, uns das Wesen der Ge-
schwulstbildung zu erhellen, sondern sie geben im günstigsten Falle Um-
schreibungen und wenig glückliche Analogisierungen des auffallenden Vor-
ganges. Dass namentlich durch Schlei chs Auffassung die Frage noch
erschwert vdrd, liegt auf der Hand; denn wie Körperzellen durch von
aussen kommende, die Zellsubstanzen bekanntermassen schädigende Reize
die Fähigkeit gewinnen sollen, die Rolle von Ei- und Spermazellen zu
übernehmen, müsste dauernd unverständlich bleiben. — ÄhnHche Aus-
stellungen können auch gegen die Ideen Klebs (6) vorgebracht werden,
dessen Anschauungen sich in mancher Beziehung mit denen Schleichs
decken. Allerdings besteht hier doch der wesentliche Unterschied, dass
sich Klebs überall bemüht hat, durch genaue Beobachtung eine morpho-
logische Stütze für seine Theorieen zu schaffen. Seiner oben erwähnten An-
sicht von der prinzipiellen Gleichartigkeit der Hyperplasieen mit den Ge-
schwulstbildungen giebt er weiter dadurch Ausdruck, dass er annimmt,
jede Geschwulstbildung begönne mit einer Holob lastose — der Wucherung
sämtlicher Elemente des Muttergewebes. Die relativ einfachen Ge-
websgeschwülste stellen daher nicht das Anfangs-, sondern das
Endstadium des ganzen Prozesses dar; erst durch den Wettstreit
der einzelnen die Geschwülste von Anfang an zusammensetzenden Geweben
und das Überwiegen der einen oder der anderen Gewebsart, entstehen die
sogenannten einfachen Geschwulsttypen, die aber auch mehr in der Theorie
als m der Natur existieren, da selbst bei den einfachsten Formen neben
der Wucherung der speziellen Gewebselemente eine Gefässneubildung
nachweisbar ist. Diese Auffassung ist insoweit wohl als gerechtfertigt an-
zuerkennen, als sie auf die scheinbar autonomen Hyperplasieen zutrifft,
welcher wohl ausnahmslos an entzündliche Reize anschliessen ; bei den
sogen. Polypen der Schleimhäute — besonders der Nasen-, Magendarm-
und üterusschleimhaut — ferner bei den eigenthchen Papillomen lässt
sich in der That nachweisen, dass fast alle Gewebselemente — mit Aus-
nahme von Nerven und Muskeln — in Wucherung geraten sind; und je
nach dem Überwiegen des drüsigen, bindegewebigen oder Gefässgewebes
kann man dann auch adenomatöse, fibromatöse und angiomatöse Polypen
unterscheiden. Auch muss man zugeben, dass die Theorie bestechend ist
298 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
für die Erklärung der Mischgeschwtilste, die nach Klebs dadurch entstehen,
dass die verschiedenen mit einander in Wettstreit Hegenden Gewebsarten
sich annähernd das Gleichgewicht halten. Aber auf der anderen Seite ist
es evident, dass mit zunehmender Autonomie der Neubildungen die Klebs-
sche Theorie immer ungiltiger wird. Gerade bei den von Klebs zum
Beweis herangezogenen Fibro-Neuromen lässt sich die von vornherein be-
stehende Einfachheit der Neubildung demonstrieren, indem hier nur das
Nervenbindegewebe wuchert, die Nervensubstanz dagegen vöUig passiv
sich verhält und durch Kompression atrophiert und degeneriert; dasselbe
gilt für viele Fibrome, namenthch der Haut, wo man^ gleichviel ob die
Wucherung von dem bindegewebigen Anteil der Nerven oder Drüsen aus-
geht, stets die völlige Passivität des eigentlichen Parenchyms nachweisen
kann. Und selbst für die kompliziert gebauten Carcinome und Sarkome
ist es leicht nachweisbar , dass ausschliesslich die den Charakter der Neu-
bildung bestimmenden wenigen Elemente, nicht aber sämtliche Gewebs-
elemente in Wucherung geraten, was besonders auffallend bei den Deck-
epithelcarcinomen der Fall ist, wo selbst die in den betreffenden Bezirken
vorhandenen sonstigen epithelialen Zellen (Anhangsdrüsen der Haut) nicht
mitwuchern, sondern allmählich atrophieren. Weiter misst Klebs
namentlich bei den bösartigen Neubildungen der von ihm beobachteten
Inmiigration weisser Blutkörperchen in die fixen Gewebszellen eine grosse
Bedeutung zu. Nach früher an Kanincheneiem gemachten Beobachtungen
glaubt er, dass durch die Leukocytenein Wanderung den Kernen mehr
Chromatin geliefert und somit die Kern- und Zellteilung angeregt würde.
In gleicher Weise soll auch bei der Geschwulstentwickelung d€is Chromatin
der einwandernden Leukocyten von dem Chromatin der fixen Zellen assi-
miliert werden imd somit den Leukocyten eine Art von befruchten-
der Fähigkeit zufallen. Abgesehen davon, dass selbst nach Klebs Angabe
die Leukocytenimmigration nur bei stark prohferierenden Neubildungen
im Anschluss an Cirkulationsstörungen auftritt, ist die Grundlage der
Theorie anfechtbar und durch embryologische Beobachtungen widerlegt.
Namentlich Rüge hat nachgewiesen, dass die schon von Klebs beobachtete
Einwanderung von weissen Blutkörperchen in Eizellen nicht mit der Pro-
liferation, sondern im Gegenteil mit der Rückbildung der Eier zusammen-
fällt : nur wenn Eier zu Grunde gehen, wandern Leukocyten ein. Das Gleiche
gilt auch für die autonomen Neubildungen; die Leukocyteneinwanderuug
geht der Neubildung von Gewebszellen nicht voraus, sondern tritt erst ein,
wenn die Zellen der Neubildung Ernährungsstörungen anheimfallen, d. h.
wenn durch einen beginnenden Gewebszerfall positiv- chemotaktische Stoffe
frei werden. Das ist von vielen Beobachtern u. a. auch besonders von
ötroebe nachgewiesen worden. Wären aber selbst die Beobaobtungeu
Hyperplasie und Geschwülste. 299
besser mit Klebs Theorie in Einklang zu bringen, als es der Fall ist,
so würde das Rätsel nicht gelöst, sondern die Frage nur verschoben und
erschwert sein. Es bliebe eben zu beantworten, wie und wodurch plötz-
lich so indifferente Zellen, wie Leukocyten, die Eigenschaften der am höch-
sten differenzierten Zellen — der Spermazellen — erwerben können. —
In Bezug auf die Cohnheimsche Theorie betreffs der Entstehung
der Geschwülste aus bei der fötalen Entwickelung nicht verbrauchten
Zellen, sind zwar im einzelnen zahlreiche Beobachtungen gesammelt worden,
welche zur Stütze der Theorie angeführt werden können; im allgemeinen
herrscht aber Übereinstimmung, dass die Theorie zur Erklärung der Ent-
stehung aller Neoplasmen nicht ausreicht, nachdem besonders auch
die Versuche Zahns und Leopolds der Theorie eine experimentelle
Basis zu verleihen gescheitert sind , und Weigert hat mitgeteilt,
dass auch Cohnheim selbst in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr
an die AUgemeingiltigkeit seiner Theorie festgehalten habe. Von grossem
Interesse sind aber jedenfalls für diese Theorie die von Roux schon vor
7 Jahren veröffentlichten (10) und neuerdings (10a) wieder demonstrierten
Beobachtungen über die Persistenz und Versprengung von Furchungszellen
im Froschembryo. Roux fand nämlich die grossen, durch die Dotter-
kömer, das centrale Pigment und den äusserst chromatinarmen Kern charak-
terisierten Furchungszellen bei Froschembryonen vereinzelt neben dem
Medullarrohr oder unter der epidermoidalen Oberfläche mitten im Gewebe
persistierend ; einmal wurden 13 solche versprengte, persitierende Furchungs-
zellen in einem Embryo gefunden. Roux konnte weiter feststellen, dass
sie bei sehr spät befruchteten Froscheiern ein regelmässiges Vorkommnis
darstellen und es gelang ihm auch sie experimentell zu erzeugen, wenn
er einen gewissen Dnick auf die Eier einwirken Hess. Er glaubt, dass
auch bei der Entwickelung menschlicher Eier, wenn sie vor der Befruch*
tung lange im Uterus verweilt haben, ähnliche Abnormitäten vorkommen
können. — So interessant die Beobachtungen an sich sind, so können sie doch
für die Cohnheimsche Lehre nicht eher verwertet werden, als bis man
weiss, was aus diesen persistierenden Furchungszellen weiter wird, imd ob
sie vor allem ihre Proliferationsfähigkeit längere Zeit bewahren. — Die
meisten Autoren lassen die Cohnheimsche Theorie nur in mehr oder
weniger beschränkter Ausdehnung gelten. So möchte sie Birch-Hirsch-
feld (3) hauptsächlich auf solche Neubildungen beschränkt wissen, welche
bereits im jugendlichen Alter auftreten. Ziegler (13) teilt die Neoplasmen
nach ihrer Entstehungsweise in 4 Gruppen ein: 1. in solche, die aus einer
besonderen kongenitalen Anlage hervorgehen, so dass sie im gewissen Sinne
als örtliche Gewebsmissbildungen angesehen werden können. Hierher
gehören manche Osteome, Chondrome, Angiome, Fibrome, Sarkome, Ade-
300 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
nome; sie sollen nach Ziegler vererbbar sein. Als besondere Unter-
gruppe unterscheidet er noch solche Tumoren, die von verirrten oder trans-
formierten Gewebskeimen ausgehen (Muskel- und Knorpelgeschwülste der
Niere, des Hodens und der Parotis etc.), 2. In solche, die nach traumati-
schen Gewebsverletzungen auftreten, wobei etwa 7 — 14®/q aller Fälle hin-
gehören sollen. 3. In solche, die an Entzündungen, namentUch an Ge-
schwürs- und Narbenbildung anschliessen (Gallenblasen- und Magenkrebse;
Lupus- und Syphiliscarcinome). 4. In solche, wo die Entwickelung da-
durch ausgelöst wird, dass die das Gewebe zusammensetzenden Teile
eine ungleiche Rückbildung erfahren, so dass gewisse Wachstumswider-
stände aufgehoben oder veringert werden (Krebse des höheren Alters). Man
kann diese Einteilung als eine erschöpfende anerkennen, um so mehr als
sie von ihrem Autor nicht mit dem Anspruch aufgestellt wird, das Wesen
der Geschwulstbildung zu erklären — sondern sie giebt mehr eine Zu-
sammenfassung derjenigen Umstände, unter denen wir Neoplasmen auf-
treten sehen, ohne behaupten zu wollen, dass diese Umstände auch die
Ursachen der Gewebsneubildung wären. Thoma (12) unterscheidet 2 Haupt-
ursachen für die Geschwulstbildung. 1. Die von Cohnheim in „offenbar
viel zu weit gehender Weise verallgemeinerte Aberration fötaler Keime."
2. Äussere (traumatische, toxische und infektiöse) Ursachen. Aber auch
hier ist es noch nötig eine besondere, angeborene oder mit dem Alt^r
zunehmende Disposition anzunehmen, welcher namentUch bei der Ätio-
logie der Krebse ein Hauptanteil zukonunen dürfte. — Hanau (4), welcher
bei der Untersuchung eines Acardiacus anceps zum Resultat gekommen
war, dass histiologische Struktur und Wachstum der Gewebe von der idio-
plastischen QuaUtät der Zellen, die Ausbildung der Form aber wenigstens
zum grössten Teil durch mechanische Momente bedingt ist, schlägt daran
anschliessend folgende hypothetische Einteilung der autonomen Neubil-
dungen vor, die mehr die Veränderungen der Gewebe, als ihre Zusammen-
setzung berücksichtigt. 1. Tumoren, aus mehr oder weniger gut ausge-
bildeten Organen zusammengesetzt, Teratome, welche einer gröberen
Transplantation eines Keimteiles ihre Entstehimg verdanken. 2. In gleich-
artigem Gewebe eingelagerte, aber in ihrer Struktur durch andersartige
Anordnmig der zelUgen Elemente und der Stützsubstanz abgegrenzte Tu-
moren; öfters mit selbständiger unbegrenzter Wachstumstendenz: Myome,
Fibrome, Chondrome, Osteome, Angiome, manche Adenome. Dieselben
sind dm-ch die Annahme gewöhrdich embryonal mechanisch isoUerter, aber
innerhalb ihrer spezifischen gewebUchen Qualität weiter entwickelter Zell-
haufen erklärbar. 3. Tumoren aus stets embryonal bleibendem, zum Altem
unfähigem Gewebe, die Sarkome. Hier genügt die Annahme embryonal
abgeschnürter Keime allein nicht, man müsste zugleich noch einen „idio-
Hyperplasie und GeschwfilBte. 301
plastischen Fehler" der Zellen annehmen. 4. Die Carcinome, deren Cha-
rakteiistikum die neuerworbene Eigenschaft desfipithels ist, in andere Ge-
webe schrankenlos einzudringen und sich auch losgelöst vom Mutterboden
zu vermehren, wobei aber die physiologische Umwandlungsfähigkeit des
Epithels imd die Eigenschaft, sich nach Analogie des Mutterepithels zu
gruppieren, erhalten bleiben kann. Diese Gruppe muss völlig isoliert betrach-
tet werden und ist nicht durch eine gemeinsame Hjrpothese mit jenen zu
erklären. — Im Gegensatz zu diesen Untersuchem, die in mehr oder weni-
ger bestinomter Weise einen gemeinsamen Erklärungsversuch für alle auto-
nomen Neubildungen abweisen, steht Ribbert (9). Er kommt vielmehr
auf Grund seiner Untersuchungen und Überlegungen zu dem Ergebnis,
„dass es keinen prinzipiellen Unterschied in der Genese der
intrauterinen, respektive auf Grund intrauteriner Prozesse,
und der nach der Geburt sich entwickelnden Tumoren giebt.''
Auch bei den aus embryonal aberrierten Keimen entstehenden Geschwülsten
müssten erst noch besondere Bedingungen erfüllt sein, damit es zur auto-
nomen Neubildung käme. Aus accessorischen Schilddrüsen, aus Neben-
milzen und Nebenlebern entständen keine Tumoren, weil der verlagerte
Teil in der Hauptsache ebenso gebaut ist, wie die Organe, von denen sie
abgesprengt wurden, gleiches gelte auch von den accessorischen Neben-
nieren, aus denen nur unter besonderen Bedingungen Geschwülste ent-
stehen können. Wenn ein normales Organ bis zu seiner durch Vererbung
übertragenen Grösse gewachsen ist, befinden sich alle Teile desselben in
einer Art gegenseitiger „Spannung", unter der man die Summe aller
gegenseitigen Einflüsse der Organbestandteile auf einander
versteht. Je stärker nun in einem abgesprengten Teile die Strukturab-
weiehungen sind, um so geringer wird Gewebsspannung und um so länger
dauernd die Proliferation sein. Diese Absprengung von Organbestandteilen
braucht nicht notwendig zu einer räumlichen Verlagerung zu führen,
sondern die abgelösten Zellgruppen können auch im Innern des Organs
liegen bleiben. Nicht unter allen Umständen braucht hieran eine Ge-
schwulstentwickelung anzuschliessen, sondern die aberriei'ten Keime können
zu Grunde gehen, wenn sie nur geringe Wachstumsenergie besitzen oder
am neuen Orte ungenügend ernährt werden oder zu grossen Widerstand
finden. Ist dies aber nicht der Fall, so wird der gelöste Zellabschnitt schneller
oder langsamer wachsen und so dürften auch die auf embryonaler Abspal-
tung beruhenden Neubildungen bereits kongenital, wenn auch vielleicht oft
in geringer Ausdehnung, vorhanden sein. Ribbert legt also den Haupt-
nachdruck nicht auf den embryonalen Charakter der Zellen, sondern auf
ihre Loslösung aus dem organischen Zusammenhange; nur so
lange dieser Zusammenhang bestände, ordnete sich die Zelle in typischer
302 AUgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
Weise in dass sich gesetzmässig entwickelnde Gewebsganze ein. — Indem er
an der Hand vieler Beispiele auch für die intrauterin entstehenden Tu-
moren nachzuweisen sucht, dass gerade auf die Loslösung der Zellen aus
dem organischen Zusammenhange alles ankommt imd z. B. der Meinung
ist, dass aus den in der Niere eingelagerten Nebennierenabschnitten nur
dann Tumoren entstehen könnten, wenn aus dem Zusammenhange der
verlagerten Abschnitte noch einzelne Zellen oder Zellgruppen abgetrennt
würden, will er eine Brücke schlagen zu der Entstehung von Neubildungen
im extrauterinen Leben; auch hier soll die Abspaltung von Gewebskeimen
aus dem organischen Zusammenhang die Grundlage der Geschwulstbildung
sein. Zur Stütze dieser Anschauung führt er 1. die multiplen Chondrome
und Exostosen an, welche nach Virchows, später von Ackermann,
Hanau, Zeroni u. a. bestätigten Beobachtungen aus Knorpelteilen hervor-
gehen, die bei anormaler Ossifikation an den EpiphysenUnien, z. B. bei
Rachitis aus dem Zusammenhange mit dem übrigen Knorpel getrennt
wm-den. 2. Die aus Decidua- und Piacentarresten entstehenden Uterussar-
kome. 3. Die durch abgesprengte Epithelien zustande kommenden Cysten
der Finger und der Iris. 4. Die bei chronischer Entzündung der Leber
und Niere auftretenden Adenome ; namentlich in der Niere soll es evident sein,
dass sie aus völlig aus dem Zusammenhang gelösten Hamkanälchenabschnitten
hervorgehen. 5. Die Entstehung von Carcinomen durch Epithelverlagerung,
wie sie z. B. von Pfannenstiel im Anschluss an die Operation eines
gutartigen Ovarialtumors, von ßibbert im Anschluss an die Exstirpation
einer Urächuscyste beobachtet wurde. 6. Die Metastasenbildung seitens gut-
artiger Geschwülste (Adenome und Enchondrome), welche nur dadurch ein-
tritt, dass die aus dem Zusammenhange gelösten Zellen selbständig weiter
wuchern. 7. Die Beobachtungen, dass die Bildung von Carcinomen mit
der Absprengung von Epithelzellen durch wucherndes Bindegewebe be-
ginnt. 8. Die durch künstliche Verlagerung von Chordazellen von ihm
experimentell erzeugte Ekchondrosis physaüfora. — Danach gelangt er
zu dem Schluss: „Die Geschwülste entstehen vor und nach der
Geburt auf Grund einer teilweisen oder völligen Abtrennung
von Zellen oder Zellgruppen aus dem organischen Zusammen-
hang. Die abgespaltenen Keime, dem Einfluss eines in sich
geschlossenen Zellverbandes entzogen, wachsen, sofern sie
nur vermehrungsfcähig sind und ohne erhebliche Unterbrechung
ihrer Ernährung in eine für ihre Fortexistenz günstige Umge-
bung gelangen, selbständig und werden zu Tumoren, die je nach
der Grösse und Organisation des abgesprengten Keimes bald in
der Hauptsache mit dem Organ, von welchem sie herrühren,
übereinstimmen, bald mehr, bald völlig von ihm abweichen/'
Hyperplasie und Gresckwfilste. 303
Dass die Ribbertsche Hypotliese den Vorzug der Einheitlichkeit
für sich hat, wird niemand leugnen können. Auch das muss zugegeben
werden, dass durch die Losiösung von Zellen aus dem organischen Zu-
sammenhang diejenigen Eigenschaften der Zellen, welche durch die Ver-
bindung mit anderen Zellen beschränkt werden, stärker hervortreten müssen;
dass aber gerade die Proliferationsfähigkeit der Zellen durch den Zusammen-
hang mit anderen Zellen wesentlich durch andere, als durch mechanische
(räumliche) Verhältnisse beschränkt wird, müsste erst noch bewiesen wer-
den. Ribbert steht hier jedenfalls im eigentümlichen Gegensatz zu
Hansemann, welcher die schrankenlose Wucherung bösartiger Ge-
schwülste durch eine EntdifEerenzierung der Zellen erklären will, während
ßibbert sie gerade auf das unbeschränkte Hervortreten der spezifischen
Zelleigenschaften zurückführen will. Femer muss berücksichtigt werden,
dass die abgelösten Zellen, wenn sie gute Emährungsbedingungen weiter
finden sollen, sich doch fest in ein Ganzes einfügen müssen, also auch
liier wieder in Beziehung zu Zellen treten, welche in mechanischer Weise
die Proliferation der Zellen begrenzen müssen. Freilich scheint es nicht
Ton der Hand zu weisen, dass unter gewissen Bedingungen abgelöste
Zellen noch proliferieren können; aber das ist doch wohl hauptsächlich
dann der Fall, wenn noch ein Zusammenhang mit dem Mutterboden be-
steht, und jedenfalls meist nur in sehr bescheidenem Masse. Auch die
besonderen von Ribbert zur Stütze seiner Auffassung herangezogenen
Beispiele sind nicht völlig beweiskräftig; bei den Enchondromen handelt
es sich eben um Zellen, deren besondere Bestimmung durch die Störungen
der Ossifikation nicht erreicht wurde, also im gewissen Sinne um unfertige
Zellen, die auf Grund ihrer idioplastischen Eigenschaften auch an abnormen
Orten das Endziel ihres physiologischen Entwickelungsprozesses erreichen.
Auch das sicher äusserst interessante Ergebnis der Ribbertschen Ver-
suche zur Erzeugung einer Ekchondrosis physalifora kann, wie Ribbert
selbst zugiebt, aus verschiedenen Gründen nicht beweisend für die Theorie
sein, vor allem weil die Versuche noch nicht lange genug fortgesetzt sind,
um sicher zu stellen, dass man es wirklich mit einer „autonomen" Neubildung
zuthun hat. Bei den meisten übrigen Beispielen, so besonders der Entstehung
von Uterussarkomen aus Decidual- und Chorionzellen, ist doch die Loslösung
der Zellen nur ein Moment und es kann fraglich sein, ob es der aus-
schlaggebende Faktor ist, da ja geringe Mengen von Deciduazellen wohl
regelmässig im Uterus zurückbleiben. Ebenso ist es, die Richtigkeit von
Pfannenstiels und Ribberts Beobachtungen zugegeben, keineswegs
beMfiesen, dass die Carcinome nur dadurch entstanden, dass in die Wunde
losgelöste Tumorzellen hineingelangten, denn für gewöhnlich folgt der
Transplantation von Zellen gutartiger Ovarialgeschwülste lediglich die Aus-
304 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
bildung einer gleichartigen Neubildung am fremden Ort (vgl. z. B. Baum-
gartens bekannten Fall). Noch weniger erscheint es bewiesen, dass eine
Metastasierung gutartiger Neubildungen nur dadurch zustande kommt,
dass die Zellen aus dem Zusammenhang gelöst werden, denn sonst dürfte
eine derartige Metastasierung nicht so ausserordentlich selten sein. Auch
die Beobachtungen über die unter anderen Verhältnissen auftretenden
Metastasierungen von Leberzellen, sowie Placentar- und Knochenmarks-
riesenzellen sprechen dagegen, wie Ribbert selbst andeutet, wenn auch
nicht zugiebt. Ich möchte gegen Ribberts Meinung, dass diese Zellen
keine genügende Wachstumsenergie besitzen und auch deswegen, weil
sie bei krankhaften Prozessen auftreten, rasch in der Blutbahn zu Grunde
gehen, noch hervorheben, dass auch bei Tierexperimenten die vorher durch-
aus gesunden, verschleppten Zellen rasch, ja rascher wie beim Menschen, zu
Grunde gehen. Das ist sowohl bei Leber-, wie bei Nieren- und Hautepithelien
der Fall, auch dann, wenn man die eben entnommenen Zellen demselben In-
dividuum einspritzt, auch dann, wenn man in mitotischer Teilung begriffene
Zellen benutzt. Auch nicht der Versuch einer Proliferation wird beobachtet.
In neueren, erst begonnenen Versuchen bin ich so vorgegangen, dass ich
Kaninchen zunächst keilförmige Stückchen aus der Niere excidierte und
dann nach einiger Zeit die regenerierten, wuchernde Zellen reichlicher ent-
haltenden Stückchen demselben Tiere in die Bauchhöhle transplantierte,
bis jetzt, ohne dass die verschleppten Nierenzellen irgendwelche Prolifera-
tionserscheiiumgen darboten. Wenn endlich die Leber- imd Nierenadenome
bei Schrumpf leber und -Nieren herangezogen werden, so muss doch gerade
hervorgehoben werden, dass sowolil Leber- wie Nierenadenome auch unter
anderen Bedingungen und ohne nachweisbare Absprengungen von Zell-
gruppen angetroffen werden. Der letzte Punkt, die Entstehung der Car-
cinome, würde zu einer ausführlichen Kritik herausfordern, welche aber
erst weiter unten bei den Carcinomen vorgenommen werden soll. So
bestechend mir auch nach mancher Richtung Ribberts Hjrpothese er-
scheint, so scheint sie mir an dem Grundfehler zu kranken, welcher den
meisten Erklärungsversuchen seit Virchow anhaftet, dass mji die beson-
deren Eigenschaften der Zellen zur Erklärung herangezogen, eine beson-
dere Organ- oder allgemeine Disposition nicht mehr zugelassen wird. In
wiefern nach meiner Meinxmg die rein lokalistische Geschwulsttheorie un-
zureichend ist, soll an den geeigneten Stellen der speziellen Morphologie
der Geschwülste gezeigt werden. Ebenso sei auch in Bezug auf den Ein-
fluss des Alters, der Vererbung und die Multiplizität der Neoplasmen auf
den speziellen Teil verwiesen.
Hier sei nochmals folgendes hervorgehoben: 1. Unter autonomen
Neubildungen hat man nach dem jetzigen Stande unserer
Geschwülste, Fibrome. 305
Wissenschaft Gewebswucherungen zu verstehen, die oft
ohne nachweisbaren Anlass entstanden, zwar in Bezug auf
die Gewebsstruktur mehr oder weniger mit dem Mutterbodeu
übereinstimmen, in Bezug auf die Körperform dagegen aty-
pisch sind und funktionell entweder qualitativ unterschieden
siiul oder doch wenigstens durch den anatomischen Bau
ihre Funktion nicht dem Gesamtkörper zugute kommen
lassen können. 2. Die Einteilung dieser Neubildung geschieht
am besten unter Berücksichtigung histogenetischer und
physiologischer Grundsätze. 3. Es erscheint zur Zeit un-
möglich, einen einheitlichen Erklärungsversuch für die Ge-
schwulstentwickelung aufzustellen.
A. Bindesabstanzneubildangen.
I. Fibrome.
Litteratur.
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0. Garrö, Über sekundftr maligne Neurome. Ebenda. Bd. 9. S. 465. 1892.
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10. Moses, Ein Fall von hereditärem multiplen Fibroma molle mit Elephantiasis mollis.
Demonstration in der Berliner med. Gesellschaft. Sitzung vom 26. Nov. 1890. Deutsch.
med. Wochenschr. Nr. 49. 1890.
H. Pooley, Gase of molluscum fibrosum. Journal of cut. and genit-urin. diseases.
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12. Schütz, Ein Fall von sogenanntem wahren Keloid kombiniert mit Narbenkloid. Arch.
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13. Suchannek,. Beiträge zur Rhinopathologie. Eorrespondenzblatt f. Schweiz. Ärzte.
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14. Unna, Die Histopathologie der Hautkrankheiten. Abschnitt Keloid-Neurofibrom. S. 842
u. 847. Berlin. A. Hirschwald. 1894.
Es kann hier nicht die Aufgabe sein, alles, was über die Fibrome
fetgestellt ist, wiederzugeben. Die Einteilung und Entwickelungsgeschichte
Lnbarscb-Ostertaif, Ergebniise Abteil. II. 20
306 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
der Fibrome ist bereits im wesentlichen von Vircho w umfassend geschildert
worden, und seine Auffassungen erfreuen sich noch heute allgemeiner An-
erkennung. Hier sollen nur einige für die allgemeine Pathologie dieser
Geschwülste wichtige Punkte auf Grund der neueren Litteratur berührt
werden und zwar 1. Einfluss von Traumen und Entzündungen auf ihre
Entstehung, 2. Bedeutung der kongenitalen Anlage und Heredität, 3. Mul-
tiplizität der Fibrome. —
ad 1. Gerade bei den Fibromen liegt der Gedanke einer entzünd-
lichen oder traumatischen Entstehung besonders nahe, weil sie in der
Struktur häufig Ähnlichkeit mit Narbengewebe besitzen und unter solchen
Umständen auftreten, wo Entzündung einen Einfluss gehabt haben kann.
Besonders tritt das ja bei der Elephantiasis, Klebs difEusem Fibrom,
deutlich hervor; aber auch bei dem tuberösen Fibrom hat bereits Virchow
auf die mitunter sehr deutlichen Beziehungen zu Entzündungen hingewiesen,
besonders bei den Fibromen in der Marksubstanz der Niere. Und das
ist wohl fast allgemein bestätigt worden ; nur möchte ich darauf hinweisen,
dass nicht selten auch in der Nierenrinde kleine Fibrome auftreten, die
fast noch deutlicher als entzündliche Hyperplasieen erkannt w^erden können,
da an diesen Stellen so gut, wie regelmässig, selbst wenn sonst entzünd-
liche Veränderungen fehlen, Verwachsungen mit der Nierenkapsel nach-
weisbar sind. — Was die Einflüsse von traumatischen Reizen anbetrifft,
so sei hier ein von Suchannek (13) berichteter Fall erörtert, der nach
einer Fraktur des Septum narium, ein Fibroma pendulum sich entwickeln
sah, welches sich wahrscheinlich aus einem Stück der zerfetzten Schleim-
haut gebildet hatte. Hier scheint in der That das Trauma die Ursache
der Fibrombildung gewesen zu sein, was bei dem Falle von Pooley (11),
wo sich im Anschluss an ein Erysipel multiple Fibrome entwickelten, nicht
mit gleicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Hier ist höch-
stens zuzugeben, dass das Erysipel die Bedeutung einer Gelegenheitsursache
gehabt hat. — feine gewisse Bedeutung wird bekanntlich traumatischen
Einflüssen bei den sogenannten Keloiden zugeschrieben. Während man
früher scharf die Narbenkeloide von den spontanen Keloiden imterschied,
sind namentlich die Dermatologen von dieser Auffassung zurückgekommen.
Unna (14), Schütz (12), Berliner (2) stimmen darin überein, dass das
Vorkommen eines „spontanen" Keloids nicht bewiesen sei, Schütz hebt
besonders hervor, dass das. für die „wahren" Keloide angeblich charak-
teristische Merkmal — das Intaktsein des Papillarkörpers — noch keines-
wegs beweise, dass überhaupt kein Trauma stattgefunden hatte, weil es
subepidermoidal erfolgt sein kann, und Unna giebt sogar im Anschluss
an einen Fall von Babes an, dass über einem anscheinend „spontanen"
Keloide durch Druckatrophie der Papillarkörper zum Schwund gebracht
Geschwülste, Fibrome. 307
werden könne. Sicher ist jedenfalls, dass die meisten Keloide sich auf dem
Boden entzündlicher oder traumatischer Vorgänge entwickeln; Berliner (2)
geht aber entschieden zu weit, wenn er annimmt, dass alle Keloide von
akneartigen Störungen ausgehen. Unna misst namentlich dem Auftreten
von Granulationsgewebe — gleichviel ob es sich um Wund- oder infektiöse
Granulationen (Lupus, Syphilis) handelt — grosse Bedeutung bei; er selbst
beobachtete einen Fall, wo sich bei einem Leprösen nach Ätzungen flecken-
förmiger Neurolepride 173 Keloide entwickelten. Er unterscheidet transi-
torische und bleibende Keloide; das charakteristische an beiden ist
die perivaskuläre Anlage der Bindegewebswucherung, so dass die Gewebs-
züge des Fibroms wurzelartig aus einzelnen Gefässen entspringen und der
Hauptgefässrichtung parallel laufen; während aber bei den bleibenden
Keloiden an die Bindegewebswucherung eine Verdickung der koUagenen
Fasern anschhesst, wodurch Gefäss- und Zellzüge atrophieren und auch die
übrigen Kutisbestandteile komprimiert und verdrängt werden, ist bei den
transHcmscben Formen die Fibromatose nur vorübergehend und das letzte
Stadium der koUagenen Hypertrophie wird nicht erreicht. Deswegen be-
j^tt'ht nach Exstirpation des Narbenkeloides auch keine so starke Tendenz
zum Rezidivieren, wie den scheinbar „spontanen" Formen. Gerade hieraus
scheint nun doch hervorzugehen, dass den traumatischen und entzünd-
liehen Momenlen für die Entstehung der Keloide doch nur dann eine Be-
'leutung zukommt, weim sozusagen eine besondere fibromatose Disposition
besteht und dass auch hier noch ein unbekanntes Etwas die eigentliche
Ursache der Persistenz und Rezidivierung der Keloide ist. Denn einfach
durch die traumatische Schädlichkeit könnte die Neigung zum Wieder-
keliren nicht erklärt werden. — Wenn Schütz (12), der im übrigen mit
Unna völlig übereinstimmt, das Keloid nicht zu den Fibromen rechnen
will, weil ihm die elastischen Fasern fehlen, so kann das als ein ausschlag-
gebender Grund nicht angesehen werden. —
ad 2. Die kongenitale Anlage von Fibromen wird durch eine Reihe
von Fällen wahrscheinlich gemacht oder sicher gestellt. So teilt Jürgens (9)
einen Fall mit, wo er bei einem 10 Monate alten, an Gehirn- und Lungen-
tuberkulose verstorbenen Kinde an der vorderen Wand des rechten Vor-
hofes ein kirschgrosses, breit aufsitzendes Fibrom fand, das wegen des kind-
lichen Alters doch wohl als kongenitaler Natur betrachtet werden dürfte.
Die sichersten Anhaltspunkte für die Lehre von der kongenitalen Anlage
! von Fibromen bieten uns aber die multiplen Fibrome der Haut und Ner-
I ven, über die wir ja besonders durch die Untersuchungen v. Reckling-
hauseus neue Aufklärungen erhalten haben. So konnte Bruns (4) unter
j •12 Fällen von sogenannten Rankenneuromen 23mal kongenitales Auftreten
! nachweisen, 2raal waren sie im ersten Lebensjahre, Imal im 2., je 2mal
20*
308 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
im 4. und 5., je Imal im 6., 8. und 9. Lebensjahre aufgetreten, so dass
Bruns es mit Recht für einleuchtend erklärt, dass die Anlage der
Rankenneurome stets in die Fötalzeit zurückreicht. Sehr häufig besteht
dabei eine Korabination mit Hautpigmentierungen , die Ausdehnung und
der Lieblingssitz fällt mit dem der kongenitalen elephantiastischen Tumoren
zusammen und in 12 Fällen war eine Kombination mit multiplen Fibromen
der Nervenstänmie, in vielen mit weichen Hautfibromen vorhanden. Bruns
fasst daher das Rankenneurom — besser Rankenneurofibrom — als eine
besondere Erscheinungsform der kongenitalen Elephantiasis
auf und bezeichnet sie geradezu als eine Elephantiasis nervorum. Ganz
ähnhche Fälle konnte Herczel (7) beobachten, der einmal bei einem 10-
jährigen Mädchen eine Kombination von Rankenneurom des Hinterhauptes
und allgemeinen multiplen Fibromen der Nervenstämme, ein anderes Mai
bei einem 9jährigen Knaben neben diffuser Elephantiasis mollis und ab-
normen Pigmentierungen der linken Armhaut eine mächtige Fibrombildung
am linken Plexus brachialis beobachtete. Jordan (8) kam auf Grund zweier
Fälle, die er unter Arnolds Leitung untersuchte, zu dem Ergebnis, dass
das Wesen der kongenitalen Elephantiasis in einer BindegewebshjT>erplasie
in allen zusammengesetzten Geweben des erkrankten Organteils liegt; er
unterscheidet zwei Arten von kongenitaler Elephantiasis, die eine: Fib ro-
matose der Nerven zeigt die Bindegewebsentwickelung im Anschluss an
die Nerven, die andere — diffuse angiogene Fibromatose — ist
dadurch charakterisiert, dass die Wucherung in der Umgebung präexi-
stierender oder neugebildeter Blutgefässe stattfindet. In Bezug auf die
Genese der Krankheit hält Jordan die Co hnh ei msche Theorie hier
nicht für angebracht, weil man dann multiple, im Gewebe zerstreute Keime
annehmen müsste. (Das würde ja freilich nach den oben erwähnten Be-
funden von Roux nicht so ganz unwahrscheinlich sein; die Ribbertsclie
Theorie würde übrigens hier ebenfalls auf grosse Schwierigkeiten stossen.)
Gold mann (6) hat dann noch durch Untersuchung einiger sogenannter
„maligner Neurome" (es handelt sich immer um Fibrome der Nerven)
den Nachweis geführt, dass auch die solitären Fibrome der Nervenstämme
kongenital angelegt sind; sie gelangen mit Vorliebe bei Individuen zur
Beobachtung, in deren Familien multiple Fibrom- oder Neurofibrombildung
notiert wurde ; ferner konnte als ein Wachstumsmodus der soHtären Neu-
rome das Auftreten multipler, rosenkrauzförmiger Auftreibungen des be-
fallenen Nervenstammes geschildert werden, so dass aller Wahrscheinlichkeit
nach der Unterschied zwischen den multiplen und solitären Tumoren auf der
verschiedenen Ex- und Intensität der gleichen Ursache
beruht. Garrö (5) hat endlich in einer sehr interessanten Arbeit ein
Fibrosarkom des Nervus ischiadicus beschrieben, welches insofern mehr
Geschwülste, Fibrome. 309
den Charakter eines Teratoms besass, als sich in ihm mit kubischen und
Flimmerepithel ausgekleidete Hohlräume vorfanden, welche von dem Cen-
tralkanal des Medullarrohres oder dem Schwanzdarm abzuleiten wären.
Die von Goldmann (6) hier gegen hervorgehobene Möglichkeit, dass es
sich um eine Metastase eines inneren Krebses in dem Nerventumor ge-
bmdelt haben kann, ist nicht nur an und für sich, wegen der äussersten
^felteiiheit derartiger Vorkommnisse, gezwungen, sondern wird durch den
Nachweis von Flimmerepithelien direkt widerlegt. In Bezug auf die Here-
dität zeigen die Angaben von Bruns (4), dass unter 42 Fällen 7 mal
aa^geprägte Heredität bestand, und zwar hatten regelmässig mehrere
FamiUenmitglieder gleiche oder ähnliche Affektionen (multiple Fibrome),
auch Herczel (7) sah in einem seiner Fälle, dass Vater und Mutter der
Patientin faustgrosse, weiche Fibromknoten besassen und Moses (10) de-
monstrierte einen 21jährigen Patienten mit zahllosen, meist erbsengrossen
Fibromen am Halse, der Scapula und der Axillargegend, dessen Mutter
mit der gleichen Affektion behaftet war. Es erscheint durch diese Fälle
in der That bewiesen , dass die Erblichkeit bei den multiplen Fibromen
eine Rolle spielt, was auch um so eher verständlich ist, als ja die kon-
genitale Anlage der Tumoren auf eine Keimesvariation zurückzuführen ist.
ad. 3. Die Multiplizität der Fibrome der Haut und Nerven ist eine
Thatsache, die bereits oben mehrfach erwähnt wurde. Einen wie hohen
Grad sie erreichen kann, zeigen die Fälle von Brigidi (3) und Pooley (11),
in welchen über 3000 einzelne Tumoren gezählt werden konnten. Die
Ursache dieser Multiplizität ist nicht völlig aufgeklärt; der Annahme so
zahlreicher versprengter Keime stehen viele Bedenken entgegen. Ansprechen-
der ist die Auffassung, welche "namentlich von Goldman n (6) ausge-
sprochen ist, der aber auch Garrö (5) und Jordan (8) geneigt zu sein
scheinen, dass es sich um eine Systemerkrankung handelt und die Ausbildung
der Tumoren von besonderen — äusseren — Einflüssen abhängt, so dass
je nach In- und Extensität der äusseren Einflüsse die Zahl knotiger Neu-
bildungen schwanken müsste. Man würde dann hierin eine Bestätigung
der Roux sehen Gesetze sehen dürfen, und die abnorme Wucherungs-
fähigkeit des Bindegewebes auf eine Veränderung der idioplastischen Eigen-
schaft der Zelle, die besondere Form, in welcher sie auftritt, dagegen auf
mechanische Momente zurückzuführen haben. Die Multiplizität von Ke-
loiden, wie sie Unna (14) erwähnt — 173 bei einem Patienten — wird
dagegen auf die MultipUzität der Reize bezogen werden müssen.
hn Anschluss hieran seien noch einige Bemerkungen über die histo-
logische Struktur der Neurofibrome gemacht. Bekanntlich ist es v. R e c k -
linghausen gewesen, der zuerst nachwies, dass die multiplen Fibrome der
Haut von dem Nervenbindegewebe, ausnahmsweise auch vom Bindegewebe
310 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie. |
der Schweiss- und Talgdrüsen, sich entwickeln; dabei hat er auch bereits
darauf hingewiesen, dass auch die sogenannten multiplen Neurome reine
Fibrome sind, denn er konnte keinen Anhaltspunkt für eine Vermehrung
von Nervenfasern, ebensowenig allerdings für eine Verminderung beibringen.
Zahlreiche Autoren haben diese Untersuchungen v. Recklinghausens be-
stätigt, (Kriege, Kyrieleis, Lahmann, Westphalen u. a.) nur Klebs
behauptet, dass auch eine Neubildung von marklosen Nervenfasern nach-
weisbar sei. Seine Angaben haben aber nirgends Bestätigung gefunden
und Bruns, Goldmann, Garrö wie Jordan haben sogar mehrmals in
den Nerven degenerative und atrophische Vorgänge nachweisen können.
Unna (14), welcher an den Nerven der Neurofibrome keine Veränderungen
gesehen haben will, hält dagegen für den auffallendsten Bestandteil des
Neurofibroms die Mastzellen, welche meist in bedeutender Anzahl in den
grösseren Knoten den Gef ässen folgend gefunden werden ; in den kleineren
Knoten sind sie nur spärlich vorhanden, finden sich aber in der unmittel-
baren Umgebung reichUch. Diese Mastzellen zeigen z. Teil bei Färbung mit
polychromem Methylenblau tiefrote, in dichten ovalen Haufen angeordnete
Kömer ; ein grösserer Teil ist aber noch von einem ungefähr den doppel-
ten Durchmesser der Mastzelle besitzenden, sich ebenfalls rot färbenden,
spongiös gebauten Hof umgeben, den Unna als Hüllplatte bezeichnet. Sie
ist nach seiner Meinung auf eine weit getriebene mucinöse Veränderung
der Bindegewebszellen zurückzuführen, welche ganz speziell dem Neuro-
fibrom eigentümlich ist. Ob letzteres in der That der Fall ist und des-
wegen differentialdiagnostische Bedeutung besitzt, wie Unna meint, werden
aber wohl erst weitere, ausgedehnte Untersuchungen lehren müssen.
2. Lipome und Xanthome.
Litterat ur.
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Geschwülste, Lipome. 311
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Nr. 27.
312 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Virchow hat in seinen klassischen Vorlesungen über die krank-
haften Geschwülste das Gebiet der Lipome derartig erschöpfend behandelt,
dass die Untersuchungen späterer Jahre nur wenig Neues haben beibringen
können. Sowohl die von ihm gegebene Einteilung, wie die von ihm fü:
die Ätiologie als bedeutsam angegebenen Momente haben kaum eine Er-
weiterung gefunden. Es werden deswegen auch hier nur einige Punkte
eine nähere Berücksichtigung verdienen: 1. Entstehung und Entwickelung
der Lipome, 2. traumatische Einflüsse, 3. kongenitale Anlage imd Erb-
hchkeit, 4. Multiplizität und Symmetrie der Lipome, 5. Einfluss des Alters
und des Geschlechtes.
ad l. Was die Entstehung und Entwickelung der Lipome anbetrifft,
so gilt es wohl als sicher, dass sie von dem präformierten Fettgewebe aus
entstehen, und sowohl histologisch, wie chemisch mit den Zellen des Mutter-
bodens völlig übereinstimmen. Wenn Virchow für sein heteroplastisches
Lipom der Niere annimmt, dass das Fettgewebe auch hier dadurch ent-
steht, dass in dem Bindegewebe zuerst eine zellige Wucherung stattfindet
und die neugebildeten Zellhaufen sich durch Aufnahme von Fett in Fett-
lappen umwandeln, d. h. dass also eine Metaplasie von Bindegewebe in
Fettgewebe vorliegt, so ist diese Auffassung durch neuere Untersuchungen
nicht bestätigt worden. Seiter (31) hat auf Grund der Untersuchung eines
Falles von multiplen Lipomen beider Nieren die Überzeugung gewonnen,
dass die wahren Lipome der Niere nur in der Nierenrinde vorkommen
und von versprengten Fettgewebskeimen ausgehen, die bei der Anlage
oder dem Wachstum des Organs hier eingeschlossen wurden. Er fand
nirgends Vermehrung des Bindegewebes, nirgends in Verfettung begriffene
Bindegewebszellen und auch an der Grenze der Geschwulst keinen all-
mählichen Übergang des Nierengewebes in Fettgewebe. Aisberg (1),
welcher einen Fall von grösseren multiplen Lipomen der Niere beobachtete,
glaubt dagegen, dass sie durch Einlagerung von Fett in das Bindegewebe
der Niere und unter gleichzeitiger Wucherung desselben oder von ver-
sprengten Nebennierenkeimen den Ausgang nähmen. Ich muss mich da-
gegen vollkommen Selters Auffassung anschliessen auf Grund der Unter-
suchung von 4 Fällen teils reiner, teils komplizierterer Lipombildungen
der Nierenrinde, welche demnächst ausführlicher von einem meiner Schüler
in einer Dissertation bearbeitet werden sollen. Auch die kleinsten Tumoren
— und ich habe solche gesehen, die mit blossem Auge überhaupt kaum
wahrnehmbar waren, liegen völlig frei in der Nierenrinde, ohne dass
Wucherungserscheinungen am Bindegewebe auffallen. Wenn man mitunter
zwischen den Fettzellen reichlicher und grössere Bindegewebszellen liegen
sieht, so beruht das auf einer beginnenden sarkomatösen Umwandlung.
GeschwOlste, Lipome. 313
Auch die 2 mal von mir beobachtete Kombination mit glatter Muskulatur
spricht für die Entstehxmg aus bei der Anlage versprengter Gewebskeimen.
Dass aber aus versprengten Nebennierenkeimen echte Lipome hervorgingen,
wie Aisberg, wohl auf einen nicht zweifellosen Fall von Grawitz gestützt,
annimmt, haben weder Seiter noch ich beobachten können. Die Selten-
heit der Tumoren ist wohl nicht so gross, wie Seit er meint, da ich in
ziemlich kurzer Zeit 4 Fälle gesehen habe; wohl aber muss auch ich zu-
geben, dass die echten Lipome der Niere ausschlieslich in der Rinde
vorkommen und dass die meisten als Lipome der Niere beschriebenen
Tumoren, wie auch Mono d (25) einen besehreibt und wie sie Thoma (37)
als längs der grossen Gefässverzweigungen an der Grenze von Rinde und
ilark verlaufende Gebilde schildert , einfach hyperplastische Fettgewebs-
^-ucherungen (von der Fettkapsel und dem Hilusfett ausgehend) sind. —
Freilich kann man an anderen Orten eine scharfe Trennung zwischen den
reinen Fettgewebshyperplasieen und den echten Lipomen durchaus nicht
immer vornehmen und Virchow hat bereits betont, dass sich die Poly-
sarcie zu den Lipomen ebenso verhält, wie die Elephantiasis zu den
Fibromen. Grosch (11) hat deswegen geradezu die Behauptung aui'ge-
i^tellt, dass „Obesitas- und Lipombildung pathologische Erscheinungen
darstellen, die sich zwar nach der formalen Seite von einander merklich
imterscheiden, jedoch ihrem Wesen nach vollkommen ähnlich sind''. Er
bat deswegen auch versucht für die Ätiologie einheitliche, auf physiologische
und anatomische Thatsachen gestützte Gesichtspunkte zu finden. Auf Grund
einer sich über mehr als 760 Fälle von solitären Lipomen erstreckenden
Statistik gelangt er zu dem Schluss, dass sämtliche Lipome — gleichviel
ob soütäre, multiple oder diffuse — einen streng gesetzmässigen Typus
'1er Lokalisation einhalten. Immer zeigt es sich nämlich, dass die Dichtig-
keit der Geschwulsteruption und überhaupt die Häufigkeit der Lipomlokali-
j^ation im umgekehrten Verhältnis zu dem Drüsenreichtum der Hautgebiete
.^teht. Da dort wo weniger Talg- und Schweissdrüsen vorhanden sind,
naturgemäss auch weniger «Fett ausgeschieden wird, so würde es sich er-
klären, warum bei allgemeiner diffuser Vermehrung des Fettgewebes nur
an besonderen Prädilektionsstellen richtige Lipome entstehen. Aber auch
bei den symmetrischen Lipomen, die bei sonst fettarmen Personen vor-
kommen, glaubt er unter Zuhilfenahme des centralen Nervensystems eine
Sekretverminderung der Hautdrüsen infolge einer Innervationsstörung als
Ursache annehmen zu dürfen. Die Grosch sehe Theorie, welche schon
für die symmetrischen Lipome nur durch eine gezwungene Hypothese
Geltung finden kann, erfüllt den Anspruch, eine allgemeine Erklärung für
<lie Entstehung der Lipome zu liefern, keineswegs, da sie im günstigsten Falle
für die Lipome der Haut, aber nicht für die der serösen Häute, Schleim-
314 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
häute und der grossen Unterleibsorgane zutreffen würde ^) und auch S toll (2><),
der aus seinen Untersuchungen ebenso wenig wie Langer (22) Gegengründe
gegen Groschs Theorie gewinnen konnte, giebt zu, dass sie ihre bedenk-
lichen Schwächen hat. — In dieser Beziehung leistet entschieden die
Unna sehe Theorie mehr. Nach ihm entsteht die Fettansammlung in der
Haut überhaupt durch Stauung in der Nachbarschaft fettbereitender Organe;
und die Lipombildung findet ihre Erklärung entweder in einer erhöhten
centripetalen Fettzufuhr aus dem nächsten fettbereitenden Organe oder
in einer erhöhten Stauung der fettreichen Lymphe im Hypoderm. Be-
sonders das Vorkommen von Lipomen an Stelle von Narben und Druck-
stellen, z.B. bei Lastträgern, soll nach Unna (41) durch diese Auffassung
erklärbar werden. In der That kann man dem zustimmen, namentlich
insoweit als sie im Gegensatz zuToldts, auch von Klebs (19) angenom-
mener Ansicht steht, dass das Fettgewebe aus besonderen Bindegewebs-
zellen — Lipoblasten — entstehe. — Wenn schon Flemming auf Grund
normal histologischer Untersuchungen zu entgegengesetzter Auffassung
gelangt ist, dass nämlich alle Bindegewebszellen, besonders aber die Gefäss-
epithelien die Fähigkeit besitzen aus der sie umspülenden fetthaltigen
Lymphe Fett aufzuspeichern, so sprechen noch mehr pathologische That-
sachen dafür, besonders das Auftreten von Lipomen in der gewöhnlich fett-
frei n Submukosa des Intestinaltraktus ; und insofern wäre es wohl möglich
die Unna sehe Theorie, welche eigentlich nur für die Lipome der Haut
gelten soll, zu verallgemeinern. Aber mit der Einschränkung, dass sie
nur für die hyperplastischen Lipome Geltung hat, von denen man zugeben
muss, dass sie im Prinzip auf gleiche Ursachen zurückzuführen sind, wie
die Polysarcie. Doch würde auch hier sehr wohl noch Baum sein für
Virchows Ansicht, dass eine besondere örtliche oder allgemeine Prädi<s-
position für die Lipombildung vorhanden sein muss, worauf schon die in-
dividuell äusserst verschiedene Neigung zum Fettansatz hinweise. Ferner
spricht für die Besonderheit und Autonomie vieler Lipome die Thatsacbe,
dass sie durchaus nicht nur bei fettreichen, sondern auch bei mageren
Personen auftreten und bei Abmagerung ihrer Träger oft nicht an Fett-
gehalt einbüssen. St oll (34) notiert z. B. unter 70 Fällen der Tübinger
Klinik 5 mal einen schlechten und 1 1 mal einen nur „massig guten" Er-
nährungszustand. — Man sieht daraus, dass eine einheitliche Theorie aucli
für die Lipome kaum möglich ist. Das ist wohl am schärfsten von Made-
lung (23) entwickelt worden, der zuerst eine besondere Art der multiplen
1) Schon Plettner (Beitrag zur Kenntnis der tiefgelegenen, snbfascialen Lipome.
Inaug.-Diss. Halle 1888), der 102 Fälle tiefgelcgener Lipome zusammenstellte, hat diesen
Einwand gegen die Groschsche Hypothese gemacht.
Geschwülste, Lipome. 315
Lipome — den Fetthals — als besondere Krankheit beschrieben hat. Es
handelt sich um eine meist im Alter von 36 — 45 Jahren auftretende, in
der Halsgegend lokalisierte Krankheit, welche, wie Virchow hervorhob,
eine Mittelform darstellt zwischen den eigentlichen lokalisierten Geschwül-
sten und der Polysarde („jener grossen über ganze Regionen des Körpers
sich erstreckenden diffussen Entwickelungen , die man nicht immer Ge-
schwülste nennt'*). Madelung hat in sehr eingehender Weise ausein-
andergesetzt, dass bei der Frage nach den Ursachen des Fetthalses sich
nur Weniges und nur Negatives feststellen lässt. In dieser Hinsicht sind
auch andere Untersucher, welche vor allem einen Kranken (Maler Druwe
aus Braunschweig, der später auch von Madelung in der Rostocker
Klinik vorgestellt wurde) untersuchten, nicht weitergekommen. Der Fall
ist mehrfach von Müller (26), Langer (22), Sick (32), Virchow (42)
und Schottmüller (30) beschrieben worden. Müller liess die Ätiologie
völlig im Unklaren, während Schottmüller auf einige Störungen im
Gebiete des Nervensystems hinwies und aus besonderen Gründen die
Meinung vertrat, dass es sich um Störungen der Gefässnerven handle.
Damit würde er sich der Grosch sehen* Theorie nähern, welcher auch
Ehrmann (9) zustimmt. Doch ist es, wie gesagt, unmöglich dieser Theorie
Ällgemeingiltigkeit zuzuerkennen.
ad 2. Dass bei der Entstehung der Lipome entzündliche und trauma-
tische Prozesse eine Rolle spielen, ist durch viele klinische und anatomische
Beobachtungen gesichert. Doch ist im einzelnen Falle die Ätiologie oft
sehr schwer festzustellen, wie auch Haferkorn (13) für die multiplen
Lipome hervorgehoben hat. Am eklatantesten tritt der Einfluss von Traumen
bei den Lipomen der Hand und Finger hervor. Steinheil (33) hat 3
derartige Beobachtungen mitgeteilt und dabei 62 Fälle — 37 der Hand
und 15 der Finger — aus der Litteratur zusammengestellt, von denen nur
5 kongenital waren; die Mehrzahl der Fälle betraf Männer und zwar Hand-
arbeiter, auch sass die grosse Mehrzahl der Lipome an der Hohlhand
bezw. der Volarseite der Finger, so dass hieraus die Bedeutung trauma-
tischer Einflüsse klar hervorgeht. An eine direkt infektiöse Entstehimg zu
glauben liegen keine Anhaltspunkte vor, wenn auch Dor (8) einmal in
einem Lipom Staphylokokken mit abgeschwächter Virulenz nachgewiesen
hat. Überhaupt ist ja auch für die Lipome der Hand und Finger keines-
wegs der Nachweis geführt, dass das Trauma die alleinige Entstehungs-
ursache ist; vielmehr spricht die relative Seltenheit der Bildungen dafür,
dass noch irgend welche andere Vorbedingungen, ererbter oder erworbener,
lokaler oder allgemeiner Natur erfüllt sein müssen.
ad 3. Die kongenitale Entwickelung von Lipomen ist besonders bei
solchen Tumoren hervorgehoben worden, die nicht ausschliesslich aus Fett-
316 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
gewebe bestehen. So hat vonReeklinghausen') zuerst gezeigt, dass bei
Spaltbildungen im Bereiche des Wirbelkanals und der Schädelhöhle aus
transponiertem Fett-, Muskel- und Bindegewebe Geschwülste entstehen und
die gemischten Lipome der Schädelhöhle, vielleicht auch die des Gehirns
sind auf eine derartige Keimesverirrung zu beziehen. Auch Arnold^)
und Ribbert') haben derartige Fälle mitgeteilt und ebenso sind die be-
haarten Rachenpolypen, die mitunter überwiegend aus Fettgewebe bestehen
(Arnold), als teratoide Bildungen aufzufassen. Auch der von Schmidt (29)
beschriebene Fall eines kleinhühnereigrossen Lipom zwischen Schwanzbein-
spitze und After bei einem 8 monatlichen Mädchen gehört wohl in die
Gruppe der mehr tertaoiden Bildungen. Bei vielen anderen kongenitalen
Lipomen sind Kombinationen mit Gefässneubildungen vorhanden. Pott (27)
hält die kongenitalen Lipome überhaupt für nicht selten, besonders die
subfascialen ; so sah er ein solches bei einem vierjährigen und ein mehr
diffuses bei einem sechswöchentlichen Knaben. Doch zeigen Steinheils (33)
Angaben, der unter 52 Fällen nur fünfmal kongenitale Lipome beobachtete,
dass das Vorkommen derselben doch nicht sehr häufig ist. In dem Falle
Qu^nus (28) — kongenitales Lipom der grossen Labie bei einem fünf-
monatlichen Mädchen — war daneben ein Angiom vorhanden. Auch
Stoll (34) beobachtete kongenitale Angiolipome, von denen 2 solitäre an
den Augenlidern und 2 multiple in der Rückengegend sassen; in einem
dieser Fälle war neben den z. T. äussert umfangreichen Tumoren des
Rumpfes, von denen sich Fortsätze durch die Zwischenwirbellöcher in den
Wirbelkanal erstreckten, noch ein Angiom des Rückenmarkes vorhanden.
Auch Henningsen (16) beobachtete ein kongenitales Lipom an der
Ferse eines 12jährigen Mädchens. Ob der von Häckel (12) beschrie-
bene Fall von Lipom der Brustdrüse bei einem 14jährigen Mädchen
auch noch zu den kongenital angelegten Tumoren gerechnet werden
darf, muss wohl dahingestellt bleiben. — Auf die kongenitale Anlage
der echten Nierenlipome ist bereits oben hingewiesen; ausser der
Topographie und dem Bau spricht dafür noch die relativ häufige
Kombination mit Leiomyomen, welche ich 2 mal beobachtete, und die
Neigung zur sarkomatösen Entartung und der aufiallend hohe Gly-
kogengehalt, die ich wenigstens einmal feststellen konnte*). — In Bezug
auf die Heredität hat Blaschko (3) einen Fall berichtet, der besonders
insofern interessant ist, als nur die männUchen Mitglieder einer Familie
1) Vir eh. Archiv. Bd. 105.
i) Zieglers Beiträge. Bd. 16.
3) Vir eh. Arch. Bd. 132.
4) Virch. Arehiv. Bd. 135.
Geschwülste, Lipome. 317
an multiplen Lipomen der verschiedensten Körperstellen litten, während
die weiblichen Mitglieder der Familie in auf- und absteigender Linie Völlig
frei blieben. Dabei begann bei allen die Entwickelung der Geschwülste
erst mit der Pubertät. Stoll konnte unter 129 Fällen von Lipombildung nur
einmal mit Sicherheit nachweisen, dass der Vater einer mit Lipom behafteten
Patientin ebenfalls ein Lipom der Scapula besass. Solche Fälle sind natür-
lich für die Heredität völlig unbeweisend, da es sich um ein rein zu-
fälliges Zusammentreffen handeln kann. Beweisender dürfte der Fall von
Blaschko wegen seiner Eigenart sein.
ad. 4. Die Angaben über die Multiplizität der Lipome sind sehr ver-
scliieden. Während Stoll unter 139 Fällen aus der Tübinger chirur-
gischen Klinik nur 6mal und Henningsen unter 109 Fällen der Kieler
Klinik ebenfalls nur 6mal multiple Lipome fand, koimte Haferkorn (13)
aus der Litteratur 80 Fälle zusammenstellen und, wie wir oben gesehen
haben, scheinen die echten Lipome der Niere, wie auch aus Aisbergs (1),
Mono d 8 und Selters Fällen hervorgeht, ausschliesslich multipel vor-
zukommen. Eine ganz besonders auffallende Erscheinung ist es aber, dass
ein grosser Teil der multiplen Lipome symmetrisch auftreten. Langer
(22) hat 6 derartige Fälle beschrieben und Haferkorn stellte fest,
dass unter 84 Fällen von multiplen Lipomen 38 mal ein symmetrischer
Sitz vorhanden war. Dass dabei das Volumen der Tumoren ein recht be-
deutendes sein kann, zeigt der Fall von Hallopeau und Jeanseime (14),
wo im Verlaufe eines Ikterus sich äusserst rapide grosse Lipome in der
Parotidengegend in symmetrischer Verteilung entwickelten. In Bezug auf
die Ursache der symmetrischen Anordnung sind alle Autoren mehr oder
weniger entschieden der Meinung, dass nervöse Einflüsse dabei eine Rolle
spielen. Antony (2), ßucquoy (5), Dartigolles (6), auch Köttnitz
heben gerade das nervöse Moment stark hervor. In Bucquoys Fall, wo
die Tumoren Warzengrösse besassen, aber nicht scharf abgegrenzt erschienen,
bestand daneben eine hartnäckige Ischias und Dartigolles (6) Patientin
war nicht nur neuropathisch belastet, sondern litt auch an Migräne und
rheumatischen Schmerzen; auch waren die Menses seit der Entwickelung
der Tumoren ausgeblieben. Auch bei den Patientinnen von Köttnitz
bestanden nervöse Beschwerden; bei einer 65jährigen Frau, die auch an
rheumatischen Schmerzen litt, waren im Alter von 27 Jahren zugleich mit
dem Aufhören der Menses an den Armen, Beinen und Rumpf symmetrische
Lipome ztit Entwickelung gelangt und auch bei einer 53 jährigen Patientin
waren Menopause und Entwickelung symmetrischer Lipome annähernd zu-
sammengefallen. Köttnitz meint daher, dass es sich um eine „Tropho-
neurose" handle. Desnos und Potain (7), welche zwar das nervöse
Moment nicht ganz zurückweisen wollen, glauben, dass die symmetrischen
318 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Lipome den rheumatischen Ödemen oder Pseudolipomen nahe stehen.
Ganz besonders spräche dafür das geradezu plötzliche Auftreten der Tumoren,
wie es Potain in einem Falle beobachtete, und die Thatsache, dass sie
mitunter auch spontan wieder verschwinden. Da übrigens die mikroskopi-
sche Untersuchung in dem Potain sehen Falle das Vorhandensein echten
Fettgewebes ergab, so kann den Cirkulationssträngen doch nur im Sinne
Unnas eine Bedeutung zugemessen werden, dass durch starke Stauung
der fetthaltigen Lymphe mehr Bindegewebszellen zur Fettaufapeicherung
veranlasst werden; so würden sich dann sowohl die Beziehungen zum
Rheumatismus, wie zu nervösen Einflüssen erklären lassen, ohne Zuhilfe-
nahme eines unbewiesenen mystischen trophischen Einflusses der Nerven.
ad. 5. Was das Alter anbetrifft, in dem die Lipome am häufigsten
auftreten, so zeigt sich fast immer eine Bevorzugung des mittleren Lebens-
alters; nach Haferkorn standen die meisten Patienten in einem Alter
von 30 — 50 Jahren, und auch Henningsen fand unter seinen 109 Pa-
tienten 81 im Alter von 30— 60 Jahren. Stoll fand die grössten Prozent-
sätze im 3. und 4. Jahrzehnt (23 und 29®/o), im 3. bis 5. Jahrzehnt zu-
sammen 67®/o, und Künne (21) hält bei den Lipomen der oberen Luft-
wege, von denen er 50 zusammenstellte, einen Einfluss des Alters für
unverkennbar, in dem nur Erwachsene, ja teilweise Leute im höheren
Alter betroffen waren. — In Bezug auf das Geschlecht variieren die An-
gaben; Hafer körn meint, dass bei den solitären Lipomen das weibliche,
bei den multiplen das männliche Geschlecht prävaliere, Stoll fand zwar
das letztere bei allerdings geringerem Material ebenfalls, die Unterschiede
zwischen der Beteiligung der weiblichen und männlichen Patienten bei den
solitären Lipomen waren jedoch gering (53,95 und 46,04 ®/o), auch Hen-
ningsen fand das weibliche Geschlecht etwas häufiger befallen (67:42).
Die Unterschiede in den verschiedenen Statistiken liegen z. T. wohl
daran, dass sehr verschiedenartiges Material benutzt wurde, so scheint
ja nach Steinheil bei den Lipomen der Hände und Finger die
männUche Bevölkerung ein bei weitem grösseres Kontingent zu stellen,
wie die weibhche, was durch die bei ersteren häufiger vorhandenen Ge-
legenheitsursachen verständlich würde. Ob bei den multiplen Lipomen
wirklich die Männer in erhebUch grösserer Anzahl beteiligt sind, müsste
wohl auch noch genauer festgestellt werden; bei den symmetrischen Lipomen
scheint das jedenfalls nicht der Fall zu sein. Eine Erklärung würde aber
vielleicht gegeben werden können durch die Beobachtung Blaschkos
über die nur bei den männUchen Mitgliedern einer Familie nachweisbare
Heredität.
Über die histiologische Struktur, die Neigung zur Erweichung und
Verkalkung — alles Dinge, die schon vonVirchow eingehend geschildert
Geschwfilste, Xanthoine. 319
wurden — liegen neuere Beobachtungen nicht vor; nur ein Fall von von
Bünau (4) sei hier noch erwähnt, welcher in einem seit 15 Jahren bestehen-
den gestielten I-ipom der Schenkelbeuge dicht unter der Oberfläche mehrere
mit öliger Flüssigkeit gefüllte, bis fast wallnussgrosse Höhlen auffand.
Da die Wandung der Höhlen nur von unverändertem Fettgewebe oder stellen-
weise auch nur vom Bindegewebe gebildet war, Nekrosen und Verkalkungen
im ganzen Tumor nicht auffindbar waren, so glaubt von Bünau, dass die
Höhlen nicht wie gewöhnlich durch partielle Nekrosen, sondern dadurch
entstanden, dass durch häufig wiederholte Traumen Fett aus den Zellen aus-
gedrückt wurde und sich zwischen ihnen ansammelte. —
Eine eigenartige zu den Lipomen in naher Beziehung stehende Neo-
plasmengruppe bilden die Xanthome. Wenn auch sowohl über histo-
logische Struktur, wie Genese und Ätiologie eine Übereinstimmung der
Meinungen bislang nicht erzielt ist, so kann doch kaum ein Zweifel darüber
herrschen, dass der Hauptbestandteil der Tumoren fetthaltige Zellen sind.
Inna (41) unterscheidet allerdings 2 Formen: a) dasXanthom der Augen-
lider mit den Unterabteilungen Xanthoma vulgare und Riesenzellenxan-
thom, und b) das generalisierte Xanthom. Elrsteres besteht nach seiner
Meinung keineswegs aus Fettzellen, sondern stellt nur einen „Xanthomatosen
Lvmphbahninfarkt" dar, d. h. die Zellkerne enthaltenden Klumpen sind
nicht fetthaltige Zellen, sondern nur Fettausgüsse der Lympf bahnen, in
welchen die uakten Kerne der Endothelzellen hineingeraten sind Obgleich
ich selbst niemals Gelegenheit gehabt habe, Xanthome zu untersuchen, so
kann ich die Unnasche Auffassung doch nicht für richtig halten. Einmal
gewinnt er seine Resultate mit Methoden, die keineswegs zuverlässig ge-
nannt werden können und zweitens zeigt er durch den Vergleich mit den Lepra-
zellen, dass seine Opposition gegen die Zellnatur der Xanthomzellen seiner
Anschauung über die Natur der Leprazellen entspringt. Die Erklärung,
wie die Kerne der Endothelzellen in die Fettausgüsse der Lymphbahnen
hineingelangen ist durchaus unbefriedigend, da man sonst doch auch irgend-
wo noch unversehrte ganze Endothelzellen neben kernlosen Fettklumpen
liegen sehen müsste. Auch die Thatsache, dass bei Leprösen in den Xantom-
zeUen Bacillenklumpen gefunden werden, ist keineswegs mit der Zellnatur
derselben unvereinbar, dehn es ist durchaus nicht einzusehen, warum nicht
auch Xanthomzellen Bacillen aufnehmen können. Die von Unna selbst
zugestandene Thatsache, dass es sich beim Xanthoma generalisatum um
eine Wucherung fetthaltiger Zellen handelt, spricht ferner dafür, dass die
Abweichungen, die sich wohl sowohl in formeller Hinsicht, wie in chemi-
scher Beziehung nachweisen lassen, nicht prinzipieller Natur sind. Man
wird sich deswegen der von Touton (40), Lehzen und Knauss (23), so-
wie vor allem von Török (38, 39) vertretenen Meinimg anschliessen müssen,
320 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
dass das Xanthom eine wirkliche Geschwulst ist, die durch eine Prolifera-
tion von embryonalen Fettzellen entsteht. Dabei ist es gleich, ob man
wie Touton und Knauss diese embryonalen Fettzellen als Lymph-
endothelien bezeichnet, oder wie Hallopeau (15) und Török schlechthin
von embryonalen Fettzellen spricht. Auch darin besteht bei den meisten
Autoren Einigkeit, dass der auffallende Fettgehalt der Zellen nicht von
degenerativen Vorgängen herrührt. Török führt zum Beweise dafür, dass
die Xanthomzellen identisch mit in Entwickelung begriffenen Fettzellen
sind, noch folgendes an: 1. Finden sich im entwickelten Fettgewebe Zellen,
die grosse Ähnlichkeit mit den Xanthomzellen haben, 2. ist die Lagerung
der Xanthomzellen um die Gefässe herum und in der Adventitia der (k-
fässe selbst durchaus übereinstimmend mit den von Flemmings ad venu-
tiellen Fettzellen, den normalen Vorstadien der ausgebildeten Fettgewebs-
zellen. Auch eine besondere Abart, das Riesenzellenxanthom anzunehmen,
deswegen weil mitunter, wie zuerst Touton gesehen und auch Unna an-
giebt, mehrkernige Riesenzellen im Xanthom vorkommen, ist nicht begrün-
det; besonders ist Unnas Ansicht, dass das Riesenzellenxanthom einer
durchaus anderen Gattung von Geschwülsten angehöre und wahrschein-
lich zu den lokalen Infektionsgeschwülsten gerechnet werden müsse, völlig
unbewiesen. Das Auftreten der Riesenzellen, in denen die Kerne im regel-
mässigen Kreis um ein trübes Centrum gestellt sind, welcher selbst noch
von einem breiten Protoplasmarande umgeben ist, beweist selbstverständ-
lich nichts für eine infektiöse Entstehung, während die gleiche Lokalisation
und die Übereinstimmung der klinischen Erscheinungen für die Zusammen-
gehörigkeit mit dem Xanthoma vulgare spricht. Auch ein besonderes elasti-
sches Xanthom, über das bisher nun zwei Beobachtungen vonßalzer und
Chauffard vorliegen, anzuerkennen, hält Török für unnötig, da die
Unterschiede — Degeneration der die Hauptmasse der Geschwulst dar-
stellenden elastischen Fasern und geringe Anzahl der Xanthomzellen —
nicht prinzipieller Natur sind. — Er imterscheidet daher nur zwei Formen:
das vulgäre und das diabetische Xanthom. —
Wenn auch der Lieblingssitz des vulgären Xanthoms die Augenlider
sind, so ist doch stets eine derartige Vorliebe zur Multiplizität und Gene-
rahsierung vorhanden, dass es nicht angeht, mif Unna das generalisierte
Xanthom als eine besondere Geschwulstart von der vulgären abzutrennen.
Vor allem begann auch in den meisten Fällen von generalisiertem Xan-
thom die Erkrankung an den Augenlidern (Lehzen, Stout(35) u. a.). Für
die Auffassung, dass die Xanthome auf eine primäre Entwickelungsstörung zu
beziehen sind, sprechen nun vor allem die Beobachtungen über das Xan-
thome juvenile und familial. Thibierge(36), Feulard{10), Török (38, 39)
haben mehrere derartige Fälle berichtet, aber auch in den Fällen von
Geschwülste, Xanthome. 321
Lehzen und Knauss konnte beobachtet werden, dass in derselben
Familie noch eine etwas jüngere (9 jährige) Schwester von der gleichen
Erkrankung befallen war. In Feulards Fall' handelte es sich um ein
12 jähriges Mädchen, bei dem die gelben, erbsengrossen Geschwülstchen an
der Rückenfläche beider Hände sassen; im Falle von Thibierge wurden
multiple, sehr ausgedehnte Tumoren bei 2 Brüdern beobachtet, von denen
der eine im 8., der andere im 14. Lebensjahre von der Krankheit befallen
wurde. Thibierge glaubt, dass bei genauerer Aufstellung der Anamnese
das FamiUeiixanthom noch viel häufiger zur ärzthchen Kenntnis gelangen
würde. Wenn schon Hallopeau, wie oben kurz bemerkt, die Xan-
thombildung auf die Wuchenmg embryonaler Fettzellen zurückführen will
und dafür sowohl histologische, wie klinische Gründe anführt, so ge-
schieht das in noch höherem Grade von Török, dem wir besonders
genaue Untersuchungen verdanken. Er betont neben dem Vorkom-
men des Xanthoms bei mehreren Mitgliedern derselben Generation einer
Familie noch die nachweisbare Heredität und giebt den Stammbaum
mehrerer Familien, um diese Heredität nachzuweisen. Ferner führt er das
gleichzeitige Vorkommen anderer kongenitaler Erkrankungen, besonders
von Naevis rmd Teleangiectasien an. Nach ihm handelt es sich ledig-
lieh um eine Vermehrung der Zahl der fixen Bindegewebszellen, die sich in
Fettzellen umwandeln, ohne dass Entzündungs- oder Degenerationsvorgänge
in Erscheinung träten. Freilich ist das ursächliche Moment der Disposi-
tion zur Fettumwandlung noch unbekannt; jedenfalls handelt es sich aber
um eine allgemeine Disposition, da das Vorkommen innerer Xanthome mehr-
fach auch durch die Sektion festgestellt ist, so im Kehlkopf, den Bronchien,
auf dem Endokard (Knauss) und an der Milzkapsel. Zweifelhaft muss es
aber noch erscheinen, ob auch in der Leber Xanthome vorkommen, wie
vielfach — und auch von Török — angenommen wird und besonders
ob der häufig bei Xanthompatienten vorhandene Ikterus auf eine Kom-
pression der Gallengänge durch Leberxanthome zu beziehen ist. Eine von
William Frank Smith gemachte Beobachtung, der in der perkutorisch
vergrösserten Leber Knoten fühlen konnte, ist nicht beweisend, da die
histologische Untersuchung fehlte, und in anderen Fällen ist es zweifel-
haft, ob es sich nicht nur mn Fettinfiltration der Leberzellen gehandelt hat.
Von diesen eigenartigen, multiplen Tumoren, die in ihrem eigentlichen
Wesen immer noch nicht völlig aufgeklärt sind, unterscheidet sich nun
wesentlich das Xanthoma diabeticorum. Johnston (18) hat dafür klini-
sche Gründe angeführt; besonders das plötzliche Auftreten der Efflores-
cenzen, ihre Festigkeit, das Freibleiben von Gesicht und Augenlidern so-
i^ie die rapide Involution der Neubildungen. Török hat dazu noch einige
histologische Gründe angeführt; es soll sich nämUch bei dem bei Diabe-
LobArsch-Ostertag, Ergebniue. U Abteil. 21
322 A]]gein. pathol. Morphologie und Physiologie.
tikern auftretenden Xanthomen um einen entzündlichen Prozess handeln,
der mit einer Rundzelleninfiltration beginnt und mit fettiger Degeneration
endet. Freilich haben nicht alle diese Unterscheidungsmerkmale gleichen
Wert und Unna hat deswegen auch das Xanthoma diabeticorum mit dem
vulgären identifiziert. Sicher scheint es, dass das rasche Verschwinden
auch bei Xanthomen vorkommt, die unabhängig von Diabetes entstehen;
wie ein Fall von Hutchinson (15) beweist. — Dagegen scheinen mir die
von Török angegebenen histologischen Differenzen, sowie die Thatsache,
dass das Xanthoma diabeticorum vornehmlich bei älteren Personen beobachtet
wurde, für eine prinzipielle Verschiedenheit zu sprechen. Doch muss
man zugeben, dass mangels einer genügenden Klarheit über die Entstehung
des Xanthoms überhaupt, die Ansichten noch geteilt sein dürfen. —
3. Myxome.
Litteratur.
1. Berthenson, GoDtrihntion au diagnostic des tumeors cardiaqnes primitives. Myxome
de roreillette gauche. ArchiveS de möd. exp^nment. et d'anaiomie pathol. 1893. p. 886.
2. Czapek, Zur pathologischen Anatomie der primären Herzgeschwfilste. Prag. med.
Wochenschrift. 1891. Nr. 39 n. 40.
3. Jürgens, Zur Kasuistik der primären Herzgeechwülste. Berliner klin. Wochenschrift.
1891. Nr. 42.
4. Eickhefel, Zur Histologie und zur systematischen Stellung der schleimigen oder
gallertigen Gewehe des Menschen. Virchows Archiv. Bd. 129. S. 450.
5. Köster, Sitzungsberichte der niederrheinischen Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde. 1881.
6. Marchand, Primäres Myxom des linken Yorhofes; ältere Kmbolie des linken, frische
Embolie der rechten Arteria fossae Sylvii. Berl. klin. Wochenschr. 1894. Nr. 1.
7. Orth, Über Schleim und Schleimgeschwülste mit besonderer Berücksichtigung der
Blasenmole. Nachrichten von der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Güttingen.
Mathemat-physikal. Klasse. 1895. Heft 2. S. 166.
8. Robin, Note sur un cas de myzome du coeur. Archiv de m^d. ezp^riment. etc. 1893.
S. 802.
9. Salzer, Myxoma lipomatodes capsul. adipos. renis. Wien. klin. Wochenschrift 1888.
Nr. 8—10.
10. Thoma, Lehrbuch. Myxome.
Über die Stellung der Myxome im onkologischen Systeme sind die
Ansichten immer noch geteilt. In den meisten Lehrbüchern werden sie
als selbständige Neubildungen aufgefasst und Thoma (10) betrachtet sie
sogar als in gewissem Sinne heteroplastische Bildungen, weil sie sich von
einem Muttergewebe entwickeln, welches beim Erwachsenen nicht Schleim-
gewebe ist. Diese Auffassung würde aber nur begründet sein, wenn dem
Schleimgewebe die Stellung eines besonderen Gewebes zukäme. Das ist
bekanntlich besonders von Köster (5) bestritten worden. Nach ihm ist
es völlig identisch mit lockerem oder aufgequollenem Bindegewebe, dessen
Mucingehalt nur durch Zutritt von Serum gequollen ist. Das sogenannte
Geschwülste, Myxome. 323
Schleimgewebe entsteht somit durch eine ödematöse Durchträukung des
Bindegewebes oder Fettgewebes, wobei die Zellen des letzteren ihren Fett-
gehalt einbüssen. Es sind also wesentlich Cirkulationsstörungen , welche
die Umwandlungen festeren Bindegewebes in Schleimgewebe bewirken.
Die Myxome sind weiter nichts, als ödematöse Fibrome oder Lipome, und
ihre Häufigkeit erklärt sich dadurch, dass die dünnwandigen Gefässe der
Geschwülste eine grössere Durchlässigkeit für flüssige Bestandteile besitzen.
Auch Kickhefel (4) ist der Ansicht, dass das Schleimgewebe nur eine
besondere Modifikation anderer Gewebsarten ist; es ist weder morphologisch
noch histogenetisch eine Einheit, sondern alle Bindegewebssubstanzen, aber
auch Muskel und Nervengewebe können in einen Status mucosus versetzt
werden. Aber die Ursachen des Schleimigwerdens der Gewebe sind nach
ihm ganz andere, wie Köster annimmt. Auf die Grawitzsche Schlummer-
zellenlehre gestützt, meint er nachweisen zu können, dass das Schleim-
gewebe durch ein „Einschlummern" des Zellprotoplasmas entsteht, das
Schleimgewebe ist sowohl Vorstufe von Fettgewebe, wie von Bindegewebe ;
beide Gewebsarten können aber wiederum in Schleimgewebe übergehen,
indem ihre Fasern erwachen, sich in Saftspalten umbilden oder sich in
körnige bezw. schleimige Grundsubstanz umbilden. Bei dem Ödema des
Bindegewebes dagegen handelt es sich nicht um einen Übergang von
Zellen in mucinöse Grundsubstanz, sondern um ein Erwachen von Kernen
und Zellen und einen Untergang derselben durch Auflösung in Ödem-
wasser. Es ist unmöglich, hier die Verfehltheit der ganzen Schlummer-
zellenlehre uud ihre durch willkürliche und phantastische Deutungen er-
möglichte Übertragung auf die Entwickelung des Schleimgewebes nachzu-
weisen — es ist hier nur von prinzipieller Wichtigkeit, festzustellen, dass
auch nach diesen Untersuchungen Schleimgewebe nur eine Modifikation
verschiedener Gewebe ist und 1. als embryonale Vorstufe von Fett- und
Bindegewebe, 2. als eine bei atropischen und degenerativen Vorgängen
eintretende Veränderung von Bindegewebssubstanzen vorkommt. Danach
kann man auch die eigentlichen Myxome einteilen. Für einen grossen
Teil derselben ist nach meinen Untersuchungen, die z. T. auch mit
Benutzung der neueren Methoden der Schleimfärbung vorgenommen wur-
den, die Köstersche Anschauung entschieden gerechtfertigt; ödematöses
Bindegewebe ist fast immer verhältnismässig reich an Schleim und die
von Kickhefel angegebenen Unterschiede sind nicht greifbare, mikro-
skopisch nachweisbare Dinge, sondern subjektive Deutungen und Aus-
führungen wunderlicher Ideen. Ganz besonders die oft als Myxome be-
zeichneten Polypen der Schleimhäute, besonders der Nase, in denen man
ganz typische Stemzellen auffinden kann, sind nichts als ödematöse Fibrome.
Allerdings hat Orth (8), der auch neuere Färbungsmethoden (Thionin)
21*
324 Allgera. patbol. Morphologie und Physiologie.
zum Nachweis des Schleims benutzte, angegeben, dass die ödema tosen
Bindegewebsgeschwülste kein Mucin enthalten und deswegen auch die Auf-
stellung einer besonderen Neoplasmengruppe, der Myxome, für gerecht-
fertigt erklärt. Ich muss aber trotzdem daran festhalten, dass man unter
den verschiedensten Bedingungen im ödematösen Bindegewebe tinktoriell
und mikrochemisch Mucin nachweisen kann. Woran es liegt, dass man
es auch wieder untrer scheinbar gleichen Bedingungen vermisst, vermag
ich allerdings nicht anzugeben. Ebenso sind auch manche Myxome
des Herzens und der Niere ledigUch umgewandelte Fibrome oder
Lipome, in denen durch eine in Folge lokaler oder allgemeiner Ur-
sachen eintretende Cirkulationsstörung die ödematöse Durchtränkung
veranlasst wurde. So deutet auch Czapek (2) seine beiden Fälle von
Myxomen des Herzens, von denen der in der Wand des linken Ven-
trikels sitzende vom subepikardialeu Fettgewebe, der andere auf dem Pa-
pillarmuskal liegende vom subendokardialen Bindegewebe ausgegangen war.
Und auch in dem Fall von Jürgens (3) Fibromyxom des linken Vorhofs
muss die partielle myxomatöse Umwandlung auf lokale Ursachen bezogen
werden. Das gleiche ist wohl auch der Fall in den 3 Fällen von Myxo-
lipomen der Niere, welche Salz er (9) beschreibt, und die er von der Fett-
kapsel der Niere ableitet. Doch genügen hier die anatomischen Daten
nicht zu einem sicheren Urteil. Zweifelhafter ist das in den Fällen von
Myxomen des Herzens, welche Berthenson (1), Robin (7) und Marchand(6)
beschrieben haben. Namentlich in dem letzteren Falle ist es wohl mög-
lich , dass es sich um einen kongenital angelegten Tumor gehandelt hat.
Hierfür würde wenigstens die grössere Selbständigkeit und ProUferations-
fähigkeit desselben sprechen. Marchand fand nämlich mehrfach Ge-
schwulstembolien, besonders in der rechten Art. fossae Sylvii und der linken
Art. cerebr. post. ; die in letzteren Gefässen liegenden Geschwulstmassen
bildeten ein so langes cyUndrisches Gewebsstück, dass es wahrscheinlich
ist, dass sie durch Wachstum aus einem kleineren Embolus entstanden
sind; noch auffallender war es, dass in der Art. fossa Sylvii dort, wo
ebenfalls Geschwulstmassen lagen, in der Wand des aneurysmatisch er-
weiterten Gefässes, eine Knochenplatte lag. Will man auch diese mit der
Verschleppung des Geschwulstmaterials in Zusammenhang bringen, so wird
es noch wahrscheinlicher, dass wir es hierbei mit embryonalem Gewebe
zu thun haben.
In Bezug auf regressive Metamorphosen, sowie über das Myxom der
Chorionzotten liegen neuere Beobachtungen von allgemein pathologischem
Interesse nicht vor, da die eingehende Arbeit von Marchand über den
Bau der Traubenmole erst im nächsten Jahrgang eingehendere Besprech-
ung finden kann. Nur soviel sei hier bemerkt, dass sowohl nach Mar-
Geschwülste, £Dcliondrome. 325
chands, wie Orths Untersuchungen die Traubenraole nicht mehr als
Myxom des Chorions bezeichnet werden darf.
4. Enchondrome.
Litteratur.
1. von Dombrowski, Onkologische Beiträge. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. Bd. 32.
S. 377. 1891. 1. Chondroendotheliom der Haut
2. Hanau, Verhandl. der Gesellsch. deutsch. Natnrf. u. Ärzte. 64. Yersamml. Bd. II.
1892. Leipzig. C. W. Vogel. S. 161.
3. Käst und von Recklinghausen, Ein Fall von Enchondrom mit ungewöhnlicher
Multiplikation. Vir eh. Arch. Bd. 118. 8. 1.
3a. Mohr, Über das Enchondrom des Hodens. Beitr. z. klin. Chir. Bd. XII. 8. 833.
4. Putelli, Über Knorpelgeschwülste des Larynx. Wien. med. Jahrbücher. Nene Folge.
Bd. m. 8. 351. 1889.
5. Steiner-Ribbert, Über die Ecchondrosis physalifora spthenooccipitalis. Gtbl. f.
allgem. Pathol. Bd. V. S. 457.
6. Steodel, Multiple Enchondrome der Knochen mit venOsen Angiomen der Weichteile.
Beitr. zur klin. Chirurgie. Bd. 8. 8. 503. 1892.
7. Virchow, Über multiple Exostosen. Verhandl. der Gesellschaft deutscher Natarf. u.
irzte. 64. Versamml. Bd. II. 8. 159.
8. Zeroni, Beitrag zur Kenntnis der Entstehung und Entwickelung . des Enchondrome
der Knochen. Arbeiten aus dem patholog. Institut in Göttingen. Berlin 1893. 8. 176.
Unter den Enchondromen haben seit längerer Zeit diejenigen das
Hauptinteresse in Anspruch genommen, welche sich in Geweben vorfinden,
die normalerweise keinen Knorpel enthalten ; denn in der That sind solche
Fälle von besonderem Interesse für die Geschwulsttheorie. Speziell bei den
Enchondromen der Knochen stehen sich die Meinungen insofern scharf
gegenüber, als die einen die Tumoren als embryonale (kongenital angelegte),
die anderen als erworbene betrachten. Besonders Virchow (7) hat die
Ansicht aufgestellt, dass die Chondrome der Knochen in der Mehrzahl der
Fälle, nicht embryonalen Ursprungs sind; im Gegenteil entstehen sie aus
wachsendem Knorpel in der extrauterinen Zeit, häufig erst gegen die Puber-
tätszeit; und dasselbe gilt für die cartaliginösen Exostosen. Bei der Ent-
stehung spielen Störungen in der Ossifikation, vor allem die Rachitis, eine
grosse Rolle. Bei der unregelmässigen Verknöcherung bleiben Teile des
wachsenden Knorpels hinter der Ossifikationslinie , welche ihre knorpelige
Beschaffenheit behalten und später in ein hyperplastisches Wachstum ge-
raten ; liegen die Knorpelinseln central in der Spongiosa, so werden daraus
Enchondrome, liegen sie dagegen peripherisch in der Compacta, so entstehen
Ecchondrosen, aus denen weiter Exostosen sich bilden können. Ein aus-
gezeichnetes Beispiel für seine Ansicht konnte Virchow zugleich demon-
strieren an dem Skelett eines ca. 20jährigen Mädchens, welches in der
Jugend rachitisch gewesen war, und an dessen Skelett sich eine ungewöhn-
326 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
liehe Menge knorpliger Exostosen und ein grosses Chondrom in der rechten
Crista ossis ilei vorfanden. In der Diskussion erwähnte Hanau (2)
einen Fall von multiplen Exostosen in der Tibia, dem Femur und den
Fusswurzelknochen eines 40 — 50jährigen Mannes, wo wahrscheinlich eine
ähnliche Ätiologie bestand. Auch Käst und v. Recklinghausen (3)
glauben, dass in ihrem Falle, bei dem vorausgegangene Rachitis nicht
nachweisbar war, Ossifikationsstörungen zur Zeit der Wachstumsperiode
ätiologisch von Bedeutung gewesen sind. In dem Falle waren zunächst
im Alter von 3 — 4 Jahren knotige Verdickungen an sämtlichen Fingern
der rechten Hand aufgetreten, im 10. Jahre hatten sich dann noch an den
Fingern der andern Hand und den Zehen weitere Tumoren entwickelt, die
bis zum 15.— 16. Jahre langsam, bis zum 22. Jahre rascher wuchsen,
worauf Stillstand eintrat. In der Haut über den Geschwülsten waren die
Venen dilatiert, und ausserdem fanden sich auch noch multiple venöse
Angiome an anderen Stellen; bei der genaueren Untersuchung der Hand
Hessen sich noch äusserst zahlreiche venöse Angiome nachweisen, die in
ihrem ganzen Verhalten als passive Dilatationen erschienen, deren „eigent-
liche Grundbedingung in einem mangelhaften Wachstum der Gefässwan-
dungen und in einer Schwäche derselben gegenüber der vom Blutstrom
ausgeübten Belastung zu suchen wäre." v. Recklinghausen meint daher,
dass diese primäre vaskuläre Störung die Ursache der Ossifikatioustörung
und somit der Enchondrombildung gewesen ist. In. einem äusserst ähn-
lichen, von Steudel (6) beschriebenen Fall, wo ebenfalls die Enchon-
drombildung mit dem Knochenwachstum im innigsten Zusammenhang
stand, glaubt allerdings Steudel den Zusammenhang zwischen Enchon-
drom- und Angiombildung umgekehrt deuten zu müssen, dahingehend,
dass die Angiome infolge des stärkeren Wachstums einzelner Enchondrome
entstanden. Ob in diesem Falle eine rachitische Ossifikationsstörung Ur-
sache der Geschwulstbildung war, konnte nicht sicher festgestellt werden.
Die anamnestische Angabe, dass der Patient erst nach Ablauf des 2. Lebens-
jahres laufen lernte, sowie die auch am Thorax vorgefundenen Verkrümm-
ungen konnten jedenfalls dafür sprechen. Eine sehr gute Bestätigung der
früheren und neueren Beobachtungen Virchows liefert dagegen der Fall
von Zeroni (8), welcher in' dem Femur eines rachitischen Kindes inner-
halb der Markhöhle ein kirschkerngrosses und ein noch etwas kleineres
hyalines Enchondrom vorfand, das vom Rande aus zu verknöchern begann.
Zeroni stimmt mit Virchow darin überein, dass solche Tumoren von
Knorpelzellennestem ausgehen, die bei der rachitischen Wachstumsstörung
häufig stehen bleiben können und glaubt, dass bei genauerer Untersuchung
derartige Wucherungen übrig gebliebener Knorpelinseln häufiger zur Be-
obachtung gelangen werden.
Geschwülste, £nchondrome. 327
Während somit die eben besprochenen Arbeiten den Beweis liefern,
dass die multiplen Enehondrome ohne embryonale Anlage erklärt werden
können, zeigen die neuesten Untersuchungen Steiners und Ribberts (5),
dass die Ecchondrosis physalifora aus Chordaresten entsteht, also embryo-
nalen Ursprungs ist, wobei möglicherweise eine Keimverlagerung noch eine
Rolle spielt, da die Ecchondrosis stets unter der Dura des Clivus entsteht,
während man den Chordarest central in der Knorpelfuge erwarten müsste.
— Dass auch die seltenen Chondrome der Haut auf eine Keimverlagerung
zurückzuführen sind, ist sehr wahrscheinlich, wird aber immerhin noch
bestritten. Unna (Histopathologie) beschreibt ein derartiges subkutanes
hyalines Enchondrom der Oberlippe, in dessen Peripherie sich Schleim-
drüsen befanden und leitet es von einem versprengten Keim ab, was ja
auch gerade bei der besonderen Lokalisierung äusserst wahrscheinUch ist.
von Dombro wski (1) glaubt dagegen ein ChondroendotheUom der rechten
Ohrmuschel einer 52jährigen Frau, welches seit der Jugend bestand, auf
eine metaplastische Umwandlung von Blut- und Lymphgefässendothelien
m Knorpelzellen zurückführen zu können. Die Geschwulst bestand aus
einzelnen Läppchen, welche mikroskopisch Blutgefässhöhlen entsprachen,
die zum Teil echtes Knorpelgewebe enthielten; es sollen nun Übergangs-
bilder zwischen den anfangs epithelartige Zelllagen bildenden EndotheUen
und den Knorpelzellen die Metaplasie von Endothelzellen in Knorpelzellen
beweisen. — Wenn schon aus allgemein pathologischen Gründen diese
Ansicht zurückgewiesen werden muss, so ist sie auch für den einzelnen
Fall hier keineswegs auch nur einigermassen wahrscheinlich gemacht, da
die beschriebenen Bilder viel besser und einfacher dahin gedeutet werden
müssen, dass an Knorpelinseln stärkere Blutgefässneubildung stattgefunden
hat. Es würde also auch dieser Fall auf eine Verlagerung von Knorpel-
substanz zurückgeführt werden müssen. — Ebenfalls zu den embryonal
angelegten Enchondromen gehören diejenigen des Hodens, welche aber
als reine Enehondrome sehr selten sind. Mohr (3a), der selbst einen der-
artigen Fall beschrieb, hat ausserdem nur noch 11 Fälle aus der Litteratur
zusammenstellen können.
Was nun die eigentUchen hyperplastischen Enehondrome anbetrifft,
80 sind Beobachtungen von prinzipieller Wichtigkeit in neuerer Zeit nicht
gemacht. Nur Putellis (4) Angabe über die Enehondrome des Kehlkopfs
seien noch kurz erwähnt, da es sich bei den acht Fällen echter Enehondrome,
die Putelli aus der Litteratur und eigener Beobachtung zusammenstellen
konnte, stets um Männer zwischen dem 38. und 62. Lebensjahre handelte.
Die Ätiologie bUeb dunkel; aber das Alter spricht wohl nicht gerade
dafür, dass kongenitale Anlage bedeutungsvoll war.
328 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
5. Osteome.
Litteratur.
1. Ghiari, Zar Lehre von den multiplen Exostosen. Prag. med. Wochenschr. 1892.
Nr. 35.
2. Griffith, Hereditäre multiple Ezostosenbildung. Transactions of the pathological
Society of London. Bd. 45.
3. Heymann, Ein Beitrag zur Heredität seltener G^schwulstformen — multiple carti-
laginöse Exostosen. Virchows Arch. Bd. 104. S. 145.
4. Earewski, Multiple Exostosen am Schädel und Gesicht mit halbseitiger Gesichts-
atrophie. Deutsch, med. Wochenschr. 1891. Nr. 48.
4a. Mischaikoff, Ober Enochenbildung in der Trachealschleimhaut. Dissertation. ZQrieh
1894.
5. Nakel, Ein Fall von rechtsseitigem StimhOhlenosteom. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie.
Bd. 33. 1892.
6. Reinecke, Über die Erblichkeit der multiplen Wachstumsexostosen. Beiträge zur
klin. Chirurgie. Bd. 7. S. 657. 1891.
7. Ribbert, Entstehung der Geschwülste. Deutsch, med. Wochenschr. 1895.
8. Rubinstein, Ein Fall von multiplen Exostosen mit WachstumsstOrung der Enocheo.
Berlin, klin. Wochenschr. Bd. 28. Nr. 32. 1891.
9. Virchow, Multiple Exostosen. Verhandl. der Gesellsch. Schles. Naturf. u. Ärzte.
Bd. n. Leipzig 1892.
10. Zanda, Über die Entwickelung der Osteome der Arachnoidea spinalis. Zieglers
Beiträge. Bd. V. 1890.
Den multiplen Enchondroinen schliessen sich die multiplen Exostosen
direkt dadurch an, dass sie vielfach aus multiplen Enchondromen hervor-
gegangen sind oder wenigstens eine knorpehge Anlage besitzen ; auch lässt
sich bei ihnen gleichfalls die Koincidenz mit Wachstumsstörungen des Kno-
chens nachweisen. So gehören denn auch die Fälle von Chiari (1) —
Hunderte von Exostosen des Skeletts bei einem 19 jährigen Mädchen neben
Eiesenzellensarkom — Rubinstein (8) und Virchow (9) mehr in das
vorige Kapitel hinein. Der Fall von Karewski (4), wo die Exostosen bei
einem 13jährigen Mädchen nur an den Schädel- und Gesichtsknochen und
im Gehörgang vorhanden waren, besitzt zwar insofern besonderes Interesse,
als am Rurapfskelett Spuren alter Rachitis nachweisbar waren; ob seine
Entstehung aber in gleicher Weise gedeutet werden darf, wie die der von
den Epiphysen der Röhrenknochen ausgehenden Exostosen, muss doch noch
dahingestellt bleiben, da die Entwickelung der Schädelknochen eine durch-
aus abweichende ist. — Für eine andere Reihe von Exostosenbildungeu
konnte nun aber deutlich ein hereditärer Einfluss nachgewiesen werden,
so dass man die Frage auf werfen muss, ob solche Fälle nicht doch im
Sinne der Cohnheimschen Hypothese Verwertung verdienen. Zuerst bat
Heymann (3) einen Fall beschrieben, wo bei einer Familie acht Personen
Geschwülste, Osteome. 329
dreier aufeinander liegender Generationen in frühester Jugend von mul-
tiplen Exostosen befallen wurden und zwar vorwiegend die männlichen
Mitglieder. Griff ith (2) beobachtete bei einem 31 jährigen Manne multiple
Exostosen des Femur und stellte fest, dass ein Bruder, sowie der Vater
und Grossvater desselben an der gleichen Erkrankung litten. Rein ecke
(6) hat aus der Litteratur 36 Fälle zusammengestellt, bei denen die erbliche
Anlage der multiplen Exostosen nachweisbar war und zwar konnte die
Heredität Imal bis in die fünfte, 2 mal bis in die vierte, 15 mal in die
dritte und 12mal bis in die zweite Generation zurückverfolgt werden.
Reinecke glaubt, dass hierdurch die Annahme von der rachitischen Ent-
stehung der Exostosen widerlegt würde. Virchow (9) hat nun allerdings
dagegen eingewendet, dass die ErbUchkeit nicht den Begriff des Angeborenen
in sich schliesst und dass auch erbliche Störungen oft erst im späteren
Leben hervortreten. Aber, wenn man auch zugeben muss, dass die Beob-
achtungen über die Vererbung von Exostosen nicht im stände sind, die
positiven Befunde über den Einfluss rachitischer Knochenwachstums-
störangen zu negieren, so ist doch andererseits auf Grund unserer jetzigen
Kenntnisse über das Wesen der Vererbung anzunehmen, dass nur solche
Störungen vererbbar sind, die bereits im Keime angelegt waren. Wir
würden deswegen zu der Überzeugung kommen müssen, dass die erblichen
multiplen Exostosen kongenitalen Ursprungs sind, wenn man nicht etwa
das Vorkommen in einer und derselben Familie für etwas Zufälliges halten
will, was durch gleiche äussere Ursachen veranlasst wäre. Dagegen spricht
aber die Art der Vererbung, ihre relative Häufigkeit und die Thatsache,
dass durchaus nicht immer in diesen Fällen Rachitis nachweisbar war.
Man wird also in der That die erbUchen Exostosen von den durch Rachitis
erworbenen abtrennen müssen. — Zu den kongenital angelegten Osteomen
gehören nach Ribbert (7) auch die multiplen Osteome der Trachealschleim-
haut, wie sieMischaikoff (4a) beschrieben hat. Hier fand man nämlich
die Osteome nicht in knöcherner oder knorpeliger Verbindung mit den
Tracheairingen, sondern sie erschienen allein oder im Zusammenhang mit
Knorpelinseln, eingesprengt in bindegewebige Züge, die vom Periost in die
Schleimhaut ausstrahlten. Ribbert glaubt daher, dass diese Tumoren
aus einer abnormen Anlage des die Tracheairinge bildenden Gewebes her-
vorgehen. — Für andere heteroplastische Osteome, wie die der Arachnoidea
spiralis, ist eine andere Erklärung leicht verständlich, wie sie Zanda(lO)
durch seine Untersuchungen gegeben hat. Hier beginnt die Tumorbildung
init einer Wucherung des arachnoidealen Bindegewebes und erst wenn
diese neuen Gewebszüge mit der Dura mater verwachsen sind, beginnt von
dieser her, welche ja die Rolle vom Periost besitzt, die Bildung von Knochen-
gewebe. Es handelt sich hier also auch nicht einmal um eine Metaplasie,
330 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
sondern um einen Vorgang, der mehr in das Gebiet chronisch entzündlicher
Prozesse hineingehört.
6. Myome.
Litteratur.
a) Rhabdomyome.
1. Girode, Präsence de fihres musculairea stri^s dans nne paroie nt^rine. Comptes
rendus. 12. 11. 1892.
2. Hanau, Demonstrationen. Gesellschaft der Ärzte in Zürich. Sitzung vom 24. Juli
1892. Schweizer Correspondenzhlatt. 1893. S. 232.
3. Rihbert, Beiträge zur Kenntnis der Rhabdomyome. Vir eh. Arch. Bd. 130. S. 249.
4. Ried er, Über eine seltene Geschwnlstbildung des Herzens. Jahrb. des Hamburger
Stadtkrankenhanses. Bd. I. 1890. Bei Vogel.
5. Wolfe nsberger, Über ein Rhabdomyom der Speiseröhre. Zieglers Beitr. Bd. 14.
6. Zenker, Über ein Rhabdomyosarkom der Orbita. Vi roh. Arohiv. Bd. 120.
Das Vorkommen von Rhabdomyomen oder Rhabdomyosarkomen hat
stets Gelegenheit gegeben, die Frage auf zuwerfen, ob es sich um meta-
plastische oder kongenital angelegte Neubildungen handelt, um so mehr,
als sie meistens in Organen gefunden werden, die quergestreifte Muskulatur
nicht, wohl aber glatte Muskulatur besitzen. Ribbert war thatsächlich
auch früher bei der Beschreibung eines Rhabdomyosarkoms zu der An-
sicht gekommen, dass es sich um eine meta plastische Neubildung handle;
auf Grund umfassender Untersuchungen ist er jedoch neuerdings (3) von
dieser Auffassung zurückgekommen und hat vielmehr selbst die Momente
zusammengestellt, welche für eine kongenitale Anlage der Tumoren sprechen.
Er hat dabei besonders hervorgehoben, dass 1. die quergestreiften Muskeln
dieser Neubildungen sowohl in ihren histologischen Eigentümlichkeiten, wie
in ihrem Wachstum die Verhältnisse des embryonalen Muskelgewebes
in allen wichtigen Punkten wiederholen und 2. die Tumoren meist
angeboren vorkommen oder wenigstens in früherer Lebenszeit sich ent-
wickeln und 3. häufig auch noch andere Gewebsteile wie Knorpel und
epitheliale Gebilde in ihnen vorkommen. Noch eingehender hat Wolfens-
berg er (5) die Gründe erörtert, welche für die kongenitale Natur der
Rhabdomyome sprechen. Er untersuchte ein von Hanau (2) seciertes
Rhabdomyosarkom des Ösophagus, welches nicht nur als bisher einziges
Beispiel eines Rhabdomyoms der Speiseröhre, sondern auch deswegen von
besonderem Interesse war, weil es bei einem 75jährigen Mann gefunden
wurde. Hier werden zunächst alle die Gründe ausführlich angeführt,
welche gegen eine Metaplasie sprechen, vor allem aber auch überzeugend
nachgewiesen, dass die angeblichen Übergangsbilder besser in der Weise
gedeutet werden, dass infolge der Infiltration mit Tumorzellen glatte und
^Geschwülstei Rhabdomyome. 331
quergestreifte Muskelelemente durch einander gelagert wurden. Weiter
macht Wolf ensb erger darauf aufmerksam, dass die Rhabdomyome be-
stimmte Lokalitäten bevorzugen und zwar solche, bei denen kompliziertere
entwickelungsgeschichtliche Verhältnisse vorliegen. Unter 63 Fällen kamen
nicht w^eniger wie 38 auf das Urogenitalsystem und seine Umgebung,
7 auf die Halsgegend, 4 auf Orbita und Umgegend. Hanau weist darauf
hin, dfiss der Urogenitaltraktus durch Verschmelzung zweier Anlagen ent-
steht und dass bei diesen Kompositionen besonders leicht ein fremder Keim
mit eingeschlossen werden kann, wodurch sich die Lokalisation der Timaoren
erklären würde. — Dass auch bei den homologen Rhabdomyomen des
Myokards es sich um eine embryonale Anlage handelt, ist schon früher
durch Kolisko nachgewiesen worden, welcher zeigen konnte, dass die
entsprechenden Geschwülste in Form und Anordnung der Zellen genau
mit dem Bilde übereinstimmen, welches das Herzfleisch eines ca. 4 Wochen
alten Embryos darbot. Der Fall von Rieder (4), bei dem es sich um
eben Tumor an der vorderen Wand des Conus arteriosus dexter. bei einer
24jährigen Frau handelte, bot sogar geradezu die Verhältnisse einer kon-
genitalen Missbildung dar, eine wahre Herzstenose, wie Weigert es be-
zeichnete, die mikroskopisch den Bau des Rhabdomyoms zeigte. — Dass
auch die Uterusrhabdomyome, von denen auch Hanau einen Fall beob-
achtete, kongenitalen Ursprungs sind, ist durch die Beobachtung Girodes(l)
äusserst wahrscheinlich geworden, welcher in dem Uterus einer 24 jährigen
Wöchnerin an der hinteren Wand des Fundus eine reichliche Menge
quergestreifter Muskelfasern entdeckte. ~- Was Einzelheiten der in Frage
stehenden Tumoren anbetrifift, so sei hier nur erwähnt, dass die spindeligen
Zellen, welche von vielen Beobachtern für Sarkomzellen gehalten werden,
nach Ribbert (3), Hanau (2), Wolfensberger (5) nicht anderes als
junge Muskelfasern sind und dass der von früheren Autoren (Marchand,
Arnold) nachgewiesene Gehalt der Muskelfasern an Glykogen nicht immer
bestätigt werden konnte (Ribbert), was aber zum Teil an der Härtung
gelegen haben mag; doch mögen auch andere hyaline Einlagerungen in
den embryonalen Muskelfasern vorkommen. —
b) Leiomyome.
Litteratur.
1. Arn and, Deux cas de polypes du larynz ä r^p^tition — Myome. Annales de la
policlin. de Bordeaux. Jiüi 1890.
2. Breus, Ober wahre epithelfUhrende Cystenbildung in Uterusmyomen. Leipzig und
Wien bei Franz De u ticke. 1893.
3. Büttner, Ein Fall von Myom der weibl. Urethra. Zeitschr. f. Geburtshilfe. Bd. 28.
S. 136. 1894.
4. Gottschalk, Über die Histogenese und Ätiologie der Uterusmyome. Arch. f. Gynäkol.
Bd. 43. S. 534.
332 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
5. Haaser, Über das Vorkommen von Drttsenschläachen in einem Fibromyom des ütems.
Manch, med. Wochenschr. 1893. Nr. 10.
6. Hess, Ein Fall von multiplen Dermatomyomen an der Nase. Vir eh. Arch. Bd. 120.
8. 321. 1890.
7. Jadassohn, Zur Kenntnis der multiplen Myome der Haut. Ebenda. Bd. 121. S. 88.
1890.
8. Kunze, Zur Kasuistik der Myome des Magens. Arch. f. klin. Chirurgie. Bd. 40.
8. 578. 1890.
9. Prochownik, Zur Ätiologie der Fibromyome. Deutsche med. Wochenschr. Bd. 28.
Nr. 7. 1892.
10. V. Recklinghausen, Ober Adenocysten der Uterustumoren und Überreste des
Wolf sehen Organs. Sitzung des med. naturwissenschaftl. Vereins in Strassborg.
19. März 1893. Deutsch, med. Wochenseh. 1893. 8. 825.
11. Reich, Über die Mastzellen in Uterusmyomon. Arbeiten aus dem patholog. . Insütat
in Gottingen. 1893. 8. 216.
12. Ribbert, Entstehung der GeschwOlste. 1895. 8onderabdruck. 8. 15.
18. ROsger, Über Bau und Entstehung des Myoma uteri. Zeitschr. f. Geburtsh. Bd. 18.
8. 131. 1890.
14. 8chottländer, Über drüsige Elemente in Fibromyom en des Uterus. Zeitschr. für
Geburtshilfe. Bd. 27. 8. 321. 1893.
15. Uter, Einiges zur Pathologie der Mucosa corporis uteri. Gtbl. f. Gynftkol. Bd. XV.
1891.
16. Vedeler, Das Myomprotozoon. Ctbl. f. Bakteriol. Bd. 17. Nr. 7 u. 8.
17. Wolters, Über multiple Myome der Haut. Arch. f. Dermatol. Ergftnzungsheft.
8. 413. 1898.
Die Struktur der Leiomyome und ihre Entwickelung ist vorwiegend
an den Uterusmyomen studiert worden, da sie sowohl die häufigsten Myome
sind, als auch das grösste klinische Interesse in Anspruch nehmen ; erst in
zweiter Linie kommen die Myome des Magendarmtraktus in Betracht, erst
in neuerer Zeit hat man auch den Myomen der Haut grössere Aufmerksam-
keit geschenkt. Von anderen Orten kommen nur noch die Myome der
Scheide in Betracht, über die neuere Mitteilungen nicht vorliegen ; ein von
Büttner (3) beschriebener Fall eines grossen, reinen Myoms der Urethra
bei einer 40jährigen Frau dürfte als ein Unikum zu betrachten sein. —
Was nun die Histogenese der Uterusmyome anbetrifft, so hat zuerst
Roesger (13) die Ansicht aufgestellt, dass die erste Anlage des Myoms
von der Muskulatur kleinster Arterien ausgeht; daraus soll sich auch der
„verfilzte" Bau der Myome erklären, da auch die einzelnen Gefässäste
vielfach durch einander verschlungen sind und am fötalen Uterus keine
lamellöse Struktur nachweisbar ist; das spricht auch gegen eine kongenitale
Entstehung der Myome, da ja auch thatsächlich noch nie Uterusmyome
kongenital und nur sehr selten vor dem Eintritt der Menses beobachtet
worden seien. Auch Gottschalk (4), welcher nur die kleinsten Anfänge
von Myombildung, die eben noch mit blossem Auge sichtbaren Knötchen
von knapp Linsengrösse untersuchte, scheint einen Ausgang der Geschwülste
Geschwülste, Leiomyome. 333
von den Arterien anzunehmen; denn er findet stets als Grundstock des
Geschwulstkeimes einen auffallend stark gewundenen Abschnitt einer
grösseren Arterie, deren Lumen durch Wucherung der Wandelemente an-
nähernd oder ganz obUteriert sein kann. Um diese proUferierenden Elemente
der Arterie — auch Adventitia und Intüna sollen an der Wucherung be-
teiligt sein — lagern sich die peripheren Muskelschichten, genau der Ver-
aufsrichtung der Kemarterie folgend. Über die Histogenese der Myome
anderer Organe liegen keine besonderen Mitteilungen vor, nur Hess (6),
welcher bei einem 19 jährigen Fräulein mehrere im dritten Lebensjahre ent-
standene warzenförmige Myome der Nase untersuchte, macht die Angabe,
dass die unregelmässig gewundenen Faserzüge sich direkt in die Musku-
latur der peripherischen, reichUchen Arterien verfolgen Hessen, und er
rechnet daher seine Tumoren geradezu zu den Angiomyomen. Dagegen
konnte an den multiplen Dermatomyomen, wie sie Ja das söhn (7) und
Wolters (17) beschrieben, der Nachweis geführt werden, dass die Wuche-
rung der Muskelfasern von den Muskeln der Haarbälge ausging. Nament-
lich Jadassohn konnte dies in einem Falle bereits grob-anatomisch de-
monstrieren, denn aus jedem der kleinsten Knötchen ragte ein Lanugohaar
hervor; in einem der von Wolters beschriebenen beiden Fälle waren diese
Beziehungen allerdings nicht so eklatante, indem er sowohl die Muskeln
der Haarbälge, wie der Drüsen und Arterien als Matrix der Muskelzellen
in Anspruch nimmt. — Über die Entstehung der Myome des Magendarm-
traktus und des Larynx, von denen Kunze (8) und Arnaud (1) Fälle
beschrieben, sind keine neueren Mitteilungen gemacht worden; nur von
älteren Beobachtern — namentüch Böttcher (Virch. Arch. Bd. 104) wird
angeführt, dass es sich bei vielen Darrarayomen um eine lokale Hyper-
plasie der Längs- und Querfaserschicht der Darmmuskulatur handelt. —
Nach meinen Erfahrungen haben die Angaben von Roesger und Gott-
schalk durchaus Berechtigung, insofern sich bei den kleinsten Muskel-
tumoren des Uterus der beschriebene Zusammenhang mit der Gefäss-
muskulatur nachweisen lässt, ja mitunter sogar noch an grösseren Ge-
sehwulstknoten die Beziehungen zu den Gefässen in eklatantester Weise her-
vortreten. Es ist daher in der That wahrscheinlich, dass alle oder wenig-
stens die meisten Uterusmyome in der angegebenen Weise entstehen, wenn
auch die Meinung Roesgers (13), dass der verfilzte Bau der Myome
durch den Verlauf der Blutgefässe bedingt ist, nicht Anspruch auf Allge-
meingütigkeit machen kann. Dass auch im Magen die Myome ihren Ausgang
von der Gefässmuskulatur nehmen können, habe ich in zwei Fällen mit Sicher-
heit beobachten kömien; es handelte sich um sehr feste, knapp linsengrosse
Neubildungen , die bereits auf dem Durchschnitt ein äusserst feines Lumen
erkennen liessen; mikroskopisch erwiesen sie sich als Myome, deren Muskel-
334 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Züge sich um eine kleine, . endarteritisch verdickte Arterie gruppierten.
Doch liegt es mir ferne, diesen Entstehungsmodus für alle Myome des
Magendarmtraktus annehmen zu wollen. — Was weitere Besonderheiten
der Myome anbetrifft; so haben die neueren üntersucher den Mastzellen
eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Jadassohn (7) erwähnt ihr
reichliches Vorkommen in den Dermatomyomen, Gottschalk (4) und
Reich (11) haben sie in den Uterusmyomen näher untersucht; ersterer
schildert sie als besonders gross; oft in chromatinreichen Mitosen begriffen;
ihre Granula verlassen die Zellen, dringen wie Samenkörner nach aussen
und lassen sich nach allen Richtungen verfolgen, wo sie sich in benach-
barten Muskelzellen verlieren. Dass Gottschalk in dem Auftreten der
Mastzellen in der Umgebung der Geschwulstknötchen den Beweis für eine
Überernährung der Umgebung sieht, sei hier mehr der Kuriosität wegen
erwähnt. Reich hat besonders der Topographie der Mastzellen Beachtung
geschenkt; für das Auftreten konnte er allerdings eine bestimmte Gesetz-
mässigkeit nicht nachweisen ; sie sind bald reichlicher, bald spärlicher vor-
handen oder fehlen auch ganz, gleichviel ob es sich um weiche (ödematöse)
oder harte Formen handelt; selbst in verkalkten Myomen waren sie noch
nachweisbar; dagegen war in deren Lagerung eine Gesetzmässigkeit insofeme
festzustellen, als sie in der Adventitia von Arterien und Venen resp. der
nächsten Umgebung der Kapillaren Hegen und sich oft reihenförmig
der Richtung der Gewebszüge anschUessen. Dass sie auch aus Muskelzellen
hervorgehen, wie Reich meint, dürfte wohl etwas zweifelhaft sein. Über
ihre Bedeutung Hess sich nichts Genaueres eruieren. In den Myomen des
Magens und Darmes kommen nach meinen Untersuchungen Mastzellen nur
selten und dann stets sehr spärlich vor; dagegen habe ich sie in der Um-
gebung — Mukosa und Submukosa, aber auch in der Serosa — öfter
sehr reichlich gefunden. —
Was nun die Ätiologie der Leiomyome anbetrifft, so stehen auch
hier wieder die Ansichten einander gegenüber, ob kongenitale Anlage oder
irritative Zustände verantwortlich zu machen sind. Gegen die erstere
Annahme kann man, wenigstens bei den meisten Myomen , das Alter, in
welchem sie aufzutreten pflegen, geltend machen. Das trifft besonders für
die Uterusmyome anerkanntermassen zu; aber auch für die Myome des
Magendarmtraktus scheint es zu stinunen ; so handelte es sich in dem Falle
von Kunze — einem jener seltenen Fälle, wo der Tumor Mannsfaustgrösse
besass und daher kUnische Symptome gemacht hatte — um einen 52jährigen
Mann. In einem ähnlichen Falle multipler, etwa apfelgrosser Myome des
Magens meiner Beobachtung war die Patientin über 60 Jahre alt und im
ganzen habe ich unter 10 Myomen des Magens und Darms 8 Fälle im
Alter von 50 — 73 Jahren und nur 2 Fälle unter 50 Jahren. Arnauds(l)
Geschwülste, Leiomyome. 335
Patient — Myom des Larynx — war 30 Jahre alt. Abweichendes Verhalten
zeigen in dieser Beziehung die Dermatomyome , in dem diese Tumoren
ausschliesslich im jugendlichen Alter aufzutreten pflegen. So notiert
Hess (6) die Entstehung im 3., Jadassohn (7) in einem Fall im 1., im
andern im 19., Wolters (17) im 20. bezw. 26. Lebensjahre. Aber that-
sächlich beweist weder das Auftreten im späten, noch das im jugendlichen
Alter für oder gegen irgend eine Theorie. Da man selbst bei der Annahme
einer kongenitalen Anlage ohne Zuhilfenahme eines besonderen veran-
lassenden Momentes nicht auskommt, so können auch die erst bei Erwach-
senen auftretenden Tumoren noch auf den verirrten Keim bezogen werden;
und der eine Fall von Wolters, wo bei einem 20jährigen Manne im Ver-
laufe eines Diabetes, plötzlich multiple Myome der Haut sich entwickelten,
könnte in dem Sinne gedeutet werden, dass bei vorhandener kongenitaler
Anlage durch den Diabetes die Geschwulstbildung veranlasst wurde. Wie
steht es aber mit positiven Beobachtungen, welche für eine kongenitale
Anlage der Myome verwertbar wären? Nach dieser Richtung sind eine
Reihe neuer Beobachtungen von Haus er (5), von Recklinghausen (10)
Breus , (2) u. a. verwertet worden. Es handelt sich um das Vorkommen
drüsiger Gebilde in Uterusmyomen, v. Recklinghausen, Hauser,
Breus, Schottländer (14) haben in Uterusmyomen mit CyUnder-
epithel ausgekleidete, mitunter cystisch erweiterte Hohlräume gefunden und
Breus (2) hat besonders hervorgehoben, dass diese Tumoren sehr grosse
Dimensionen annehmen können ; für solche Cysten, die im Verlaufsgebiete
des Gärtner sehen Kanales gelegen sind, nimmt er eine Herkunft von
diesen Gängen an *), während er bei im Fundus uteri und submukös gelegenen
Cystomyomen im Anschluss an ältere Beobachtungen von Schröder und
Rüge die Möglichkeit zulässt, dass es sich um Abschnürungen von Uterin-
drüsen handle, v. Recklinghausen (10) und Hauser (5), welche diese
Möglichkeit ebenfalls in Erwägung ziehen, sind jedoch anderer Meinung;
ersterer glaubt, dass man es mit in die Uterussubstanz versenkten Bruch-
stücken des Wolf f sehen Körpers zu thun habe, obgleich er sogar in einem
Falle die unmittelbare Berührung eines in der Muskulatur gelegenen
Drüsenstranges mit der stark hyperplastischen Uterusschleimhaut nach-
weisen konnte. Hauser legt einen besonderen Wert darauf, dass es sich
in seinem Fall um ein subseröses Myom handelte, also nicht gut mehr
um ein Einwuchem der Schleimhautdrüsen in die Muskulatur handeln
könne; auch ist das Vorkommen von flimmerepitheltragenden Hohl-
1) Die Kritik Gottsohalks (Gtbl. f. Gynäkol. Bd. 18. Nr. 6), dasa die von Breus
l>e9chriebeneD Tumoren nur Retentionscysten des Gartn ersehen Ganges wären und mit
Myomen nichts zu thun hatten, scheint mir zu weitgehend.
336 Allgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
räumen bedeutungsvoll. Er möchte daher diese Fälle als Mischgesehwülste
ansehen, ähnlich den Chondrosarkomen des Hodens; wie dort Knorpel-
zellen, so hätten sich hier Epithelzellen (des Müllerschen Ganges) im
Embryo verirrt. Schottländer (14) hat dagegen für seinen Fall mehr
die Auffassung einer postembryonalen Einwucherung von Drüsenschläuchen
aus der Schleimhaut vertreten, weil die Uterusschleimhaut nachweislich
in Wucherung begriffen war und sich auch peripheriewärts vom Myom
drüsige Gebilde in der Muskulatur fanden. Er hält es daher auch für
möglich, dass die Drüsenwucherung der Schleimhaut durch den Reiz des
Myoms bedingt wurde, ßibbert (12) betont, dass auch drüsenfreie Par-
tikeln von Mukosa in die Tiefe gelangen können und dass die drüsigen
Partieen durchaus nicht von denWolff sehen Gängen abzustammen brauchen,
sondern auch Abkömmlinge der Uterusschleimhaut sein können, wie er
sie in einem Falle 7 — 8 mm in der Uteruswand dicht neben einem Myom
gelegen auffinden konnte. Hauser meinte, dass die Verlagerung der epi-
theUalen Gebilde auch für eine Verlagerung von Muskulatur spräche,
während Schottländer mehr glauben möchte, dass das verlagerte Epithel
als eine Art von Fremdkörper reizend wirke. Ribbert glaubt dagegen,
dass die umgebende Muskulatur wegen des nahen Zusammenhanges mit
den epithelialen Räumen beim Wachstum des Uterus aus ihrer organi-
schen Verbindung wenigstens insofern gelöst wurde, dass eine selbständige
Proliferation stattfinden konnte. Ich halte es noch nicht für bewiesen,
dass das Vorkommen von drüsigen Gebilden in Uterusmyomen stets für
deren Genese von Bedeutung ist. Ich habe durchaus nicht sehr selten tief
reichende Uterindrüsen gefunden, die so gut wie ausnahmslos von etwas
Bindegewebe begleitet weit zwischen Muskelbündel hineinragten, auch
dann wenn die Uterusschleimhaut ganz unverändert war; da diese Tief-
lagerung eine diffus verbreitete war und nicht so ganz selten vorkommt,
ohne dass doch dabei die Muskulatur irgend eine Veränderung zeigt, so
kann das Auftreten von Drüsen in Myomen auch ein rein zufälliges Er-
eignis sein, in dem eben die wuchernden Muskelfasern die abnorm tief
gelegenen Drüsen umschliessen ; und es kann sich, wie Ribberts Befunde
zeigen, auch zufällig ereignen, dass das Myom noch nicht gross genug
geworden ist, um die Drüsen zu erreichen. Auch die Beobachtung Uters
(15), dass im Anschluss an adenomatöse Wucherungen der Schleimliaut
cirkumskripte Fibromyombildung stattfinden kann, könnte dahin verwertet
werden, dass bei Wucherung tiefer gelegener Drüsen durch sekundäre
Muskelwucherung leicht eine Abschnürung von Drüsenpartien eintritt.
Wo man also auch ausserhalb des Cystomyoms in der Muskulatur Drüsen
oder sonstige Schleimhautbestandteile findet, scheint mir der genetische
Zusammenhang mit der Schleimhautverlagerung und der Myombildung nicht
Geschwülste, Leiomyome. 337
nachgewiesen ; anders liegt es allerdings, wenn ausschliesslichin einem,
namentlich subserösen, Myom die epithelialen Nester gefunden werden.
Dass aber auch im Sinne Hausers und Ribberts eine mit der Epitliel-
verlagerung in Zusammenhang stehende Verlagerung glatter Muskulatur
von Bedeutung sein kann, ist wohl anzunehmen und ein «euerdings von
mir beobachteter Fall von Myom des Magens, in dem sich Pankreasläpp-
clien und gewucherte Pankreasausführungsgänge vorfanden, ist geeignet,
diese Entstehungsweise auch für die Magenmyome zuzulassen.
Die Reizungstheorie wird dagegen lebhaft von Gottschalk (4) ver-
treten. Er legt dabei ein grosses Gewicht auf einen besonderen histo-
logischen Befund. In den kleinsten Geschwulstknötchen fand er nämlich
zwischen den Muskelzellen noch auffallend chromatinreiche , vielgestaltige
Kerne im Grundgewebe diffus eingelagert, welche er 1. von den präexi-
stierenden Muskelzellkernen, 2. von den Lymphgefässen (?) und 3. von den
Mastzellen ableitet. (Mir ist es nicht recht klar geworden, um was für
Gebilde es sich eigentlich handelt; ich habe auch in kleinen Myomen der-
artiges nicht zu sehen bekommen). Sie gelten ihm als ein bedeutungs-
volles Charakteristikum der Geschwulstanlage und beweisen, dass die
Myome irritativen Ursprungs sind. Cirkulationsstörungen allein können nur
als prädisponierende Momente wirken, zu denen noch unmittelbare Reize
hinzutreten müssen. Diese Reize gehen 1. von der Arterienwand aus —
hochgradig gewundner Verlauf der Kernarterie (mechanischer Reiz), ferner
pathologisch-anatomische Veränderungen der Arterienwand (z. B. bei Syphilis),
2. vom Blute aus und sind a) chemischer Natur, b) parasitärer Natur;
doch sollen Spaltpilze dabei nicht in Betracht kommen, sondern „Cytoden
älmliche grosse kernlose Plasmaklümpchen*', wie sie Gottschalk in klein-
sten Knötchen fand. Die Ansicht, dass durch allgemeinere von den Blut-
gefässen aus sich fortpflanzende Reize Fibromyombildung bewirkt wird,
teilt auch Prochownik (9), welcher über 4 Fälle berichtet, wo der Zu-
sammenhang mit Syphilis zweifellos erschien. Doch möchte ich der An-
gabe, dass nach antiluetischer Behandlung eine geringe Verkleinerung der
Myome eintrat, keine allzugrosse Bedeutung beimessen. — Im übrigen
lässt sich gegen die Ausführungen Gottschalks manches einwenden.
Sicht nur bedeuten seine letzten Angaben einen phantastischen Über-
griff in das Reich der Spekulationen, sondern auch die übrigen Be-
obachtungen und Ausführungen sind noch sehr bestätigungsbedürftig.
Freilich ist es schwer, die Angaben direkt zu kontrolieren, da auch die
interstitiellen, freien Kerne nur in den kleinsten Knötchen wahrnehmbar
sein sollen; ich selbst habe unter erbsgrosse Myome noch nicht zur
Untersuchung erhalten; aber auch, wenn man die Beobachtungen zu-
giebt, ist es unverständlich, wieso sie die irritative Natur der Myome be-
Labaisch-OBtertag, ErgebiusM Abteil. II. 22
338 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
weisen sollen. So sehr auch allgemein pathologische Gründe für die ätio-
logische Bedeutung irritativer Vorgänge bei den Uterusmyomen sprechen,
so ist doch der Versuch Gottschalks, hierfür einen anatomischen Beweis
zu erbringen, als missglückt zu betrachten. — Ebensowenig sind die An-
gaben Vedelers (16) über „das Myomsporozoon" als Erreger der Myome
irgendwie beweiskräftig; namentlich muss gegen sein Verfahren, das Vor-
kommen von Sporozoen in bösartigen Neubildungen als eine gesicherte
Thatsache zu behandeln, protestiert werden. —
7. Gliome und Neurome.
Li tteratur.
1. Birch-Hirschfeld, Grandriss der allgem. Pathologie.
2. Buchholtz, Beitrag zur Kenntnis der Himgliome. Arch. f. Psychiatrie. Bd. 22. S. 385.
1890.
8. Eisenlohr, Beitrag zar Kenntnis der Gliome der Netzhaut. Yirch. Arch. Bd. 128.
S. 429.
4. Goldmann, Beitrag zur Lehre von den Nenromen. Beiträge zur klin. Chirargie.
Bd. 10. S. 18. 1893.
5. Francotte, jßtudes sur l'anatomie pathologiqae de la mobile ^pini^re. Arch. de
neurol. Bd. XX. Nr. 56—58. 1890.
6. Hochhaus, Zur Kenntnis des Rückenmarksgliom. Deutsch. Arch. f. klin. Med.
Bd. 47. S. 603.
7. Hoff mann, Zur Lehre von der Syringomyelie. Deutsch. Zeitschr. f. Nervenheilkande.
Bd. III. S. 1. 1892.
8. Kronthal, Zur Pathologie der Höhlenhildung im Rückenmark. Neurolog. Gentralbl.
Bd. VIII. S. 889.
9. LacroixetBornaud, Observation pour servir h Thistoire du n^vrome plexiforme
amy^Iinique. Arch. de mdd. expör. 1890. Nr. 3.
10. Miura, Über Gliom des Rflckenmarks und Syringomyelie. Zieglers Beitr. Bd. XL
8. 91.
11. Pilliet, Nävrome atypique de Tenc^phale. Bullet, de la soc. anatom. Bd. 64. S.425.
1889.
12. Stroebe, Zur Entstehung der Gehimgliome. Ctbl. f. allgem. Pathol. Bd. V. S. 855.
18. Thoma, Lehrbuch der allgem. Pathologie. 8. 661.
14. Wintersteiner, Wien. med. Wochenschr. 1894. Nr. 27.
15. Ziegler, Allgem. Pathologie. 8. Auflage.
Über die Gliome haben die Mitteilungen der letzten Jahre einige Auf-
klärungen gebracht. In histologischer Beziehung ist namentlich durch
neue Untersuchungsmethoden bestätigt worden, dass ein Teil der Gliome
sehr reich an Fasern, aber arm an Kernen ist, ein anderer Teil dagegen
nur aus grösseren dichtgedrängten Zellen besteht, zwischen denen die
Zwischensubstanz schwer zu erkennen ist. Weigert hatte anfangs bei
Zuhilfenahme seiner neuen Färbungsmethode (Ctbl. f. allgem. Pathol. Bd. I)
Geschwülste, Gliome nnd Nearoine. 339
augegeben, dass in den Gliomen des Grosshirns Gliafasern fast vollkommen
vermisst werden, während bei der diffusen Gliawucherung, wie man sie bei
Syringomyelie findet, reichlich faserige Neuroglia aufzufinden ist; er hat
jedoch später (Anatom. Anzeiger) auch in echten Gliomen reichlich Gliafasern
nachweisen können und das gleiche ist Stroebe (12) bei Anwendung der
Mal lory sehen Färbung in einem Gehirngliom geglückt. Auch frühere
Autoren konnten bei frischer Untersuchung reichlich Gliafasern und Spinnen-
zellen in Gliomen entdecken, z. B. Buchholtz (2). Die Hauptfrage,
welche immer noch mit im Vordergrund des Interesses steht, sind die Be-
ziehungen des Glioms zur difEusen Gliomatose und zur Syringomyelie. —
Die meisten Untersuchungen stehen hier auf dem Standpunkt, dass beide
Prozesse trotz oft bedeutender anatomischer Verschiedenheiten genetisch
zusammengehören. Zum Beweise wird vor allem angeführt, dass bei der
eigentlichen Gliombildung des Rückenmarks häufig Syringomyelie beob-
achtet wird und dass ferner bei Syringomyelie regelmässig mehr oder
weniger ausgesprochene Gliawucherung besteht. Kronthal (8) hatte die
Auffassung begründet, dass durch jede Raumbeschränkung im Wirbelkanal
der das Rückenmark durchziehende Flüssigkeitsstrom eine Stauung erfährt
und dadurch eine Erweiterung des Centralkanals und eine zur Gliawuche-
rung führende Ernährungsstörung des Markes bedingt würde. Sowohl
anatomische Befunde, wie die Ergebnisse von Experimenten schienen diese
Auffassung wesentlich zu stützen und auch ein von Francotte (5) mit-
geteilter Fall — Gliomatose bei Kompression des Rückenmarkes — durfte
im Sinne Kronthals verwertet werden. Miura (10) hat sich dagegen
für eine strenge Scheidung zwischen der eigentlichen Gliombildung und
der unter verschiedenen Bedingungen auftretenden diffusen Gliomatose aus-
gesprochen. Er weist darauf hin, dass auch reine Gliome des Rücken-
markesohne Höhlenbildung vorkommen, Hochhaus (6) hat einen derartigen
Fall beschrieben und Miura selbst beobachtete ebenfalls einen. Solche
Fälle gehören aber prinzipiell zusammen mit denjenigen, in welchen durch
Zerfall der Geachwulstelemente eine Höhlenbildung und somit Syringomyelie
eintritt; sie stehen als seltene Fälle im Gegensatz zu der häufigsten Art
der Entstehung von Syringomyelie, wo die Höhle durch Zerfall einer ein-
fachen GHawucherung entsteht. Histologisch unterscheiden sich diese ver-
schiedenen Formen dadurch, dass bei der echten Gliombildung die Epithe-
lien des Centralkanals sich passiv verhalten, und der faserige Bau sehr
zurücktritt, auch die Neubildung diffus zwischen alle Gewebselemente ein-
wuchert, während bei der diffusen Gliomatose mit Syringomyelie die
EpitheHen stets in Wucherung begriffen sind, die faserige Struktur ohne
weiteres hervortritt und die übrigen Gewebsteile nur verdrängt, nicht durch-
wuehert werden. In etwas schwächt nun freilich Miura den prinzipiellen
22*
340 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Gegensatz ab, wenn er es für möglich erklärt, dass aus einer ursprünglich
einfachen Neurogliawucherung ein wirkliches Gliom entsteht. Ich halte die
histologischen Unterschiede, die Miura angiebt, nicht für durchgreifend;
dass auch bei echten GHomen die Gliafasern vermehrt sein können, zeigen
die bereits vorher erwähnten Angaben Weigerts und Stroebes; und
auch das Verhalten des Centralkanals ist kein konstantes. Zudem kann
auch eine durch Raumbeschränkimg im Wirbelkanal entstehende Glia-
wucherung sehr cirkumskript-tumorartig sein, wie ich selbst vor kurzem in
einem Fall von Echinokokkus des Duralsackes beobachtet habe. Die Unter-
schiede zwischen Miuras erstem und zweiten Falle scheinen mir mehr
darauf zu beruhen, dass sein Gliom bereits den Gliosarkomen nahestehend
und daher reichlichere Zellwucherung und substituierendes Wachstum zeigte.
— Gegen Miuras Auffassung sprechen auch die ausgezeichneten Unter-
suchungen von Hoff mann (7), die hier nur kurz erwähnt werden sollen.
Zwar ist Hoffmann auf Grund seiner reichhaltigen Untersuchungen
zu der Überzeugung gekommen, dass man sowohl aus klinischen, wie ana-
tomischen Gründen die Syringomyelie einteilen kann in a) primäre Gliose
des Rückenmarks und b) centrale Gliomatose; aber er behauptet nicht,
dass es sich um völlig differente Dinge handelt, sondern betont vielmehr
ganz bestimmt, dass beide dieselbe Genese und den gleichen Ausgangs-
punkt haben. In beiden Fällen, die auch thatsächlich neben einander vor-
kommen, handelt es sich um kongenitale EntwickelungsanomaUeen, die sich
im Zurückbleiben von Nestern embryonalen Gewebes in der Schliessungs-
linie des Centralkanals äussern. Stets beginnt der Prozess an der hinteren
Wand des Centralkanals mit einer Wucherung der auskleidenden Epithelien
und der subepithelialen, epithelioiden Zellen; allmählich kommt es unter
Gefässneubildung zu peripherer Ausbreitung des Prozesses, wobei sehr
rasch Zerfall und Höhlenbildung eintritt. Gehen Zerfall und Wucherung
proportional nebeneinander her, so kann es gar nicht zur Bildung grösserer
Tumoren kommen; der ganze Unterschied zwischen primärer GUose und
Gliombildung würde also nur darauf beruhen, dass bei letzterer die Zell-
wucherung längere Zeit überwiegt. In interessanter Übereinstimmung mit
diesen von Hoffmann entwickelten Ansichten steht die Beobachtung
Stroebes (12), welcher in einem apfelgrossen Gliom des Hinterhaupt-
lappens mit regelmässigem hohen, z. T. flimmernden Cylinderepithel aus-
gekleidete Hohlräume auffand, die er mit Recht als während der Em-
bryonalzeit entstandene seitliche Aussackungen des Gehimventrikels {bezw.
Neuralrohres) auffasst. Er vertritt daher die Meinung, welche viel innere
Wahrscheinlichkeit besitzt, dass durch die Ausstülpung des Ventrikelepithels
auch die nach aussen von ihm gelegene Gliaschicht mit ausgestülpt wurde
und von diesen embryonal verlagerten Zellen die GUombildung den
Geschwülste, Gliome und Neurone. 341
Ausgang nahm. Einen Fall von symmetrischer kongenitaler Gliom bildung.
der ebenfalls im Sinne von Hoffmann und Stroebe verwertet werden
kann, habe ich vor kurzem bei einem Neugeborenen mit Meningocele be
obachtet. Es bestand sehr starker Hydrocephalus internus und im Epen
dym beider Ventrikel mehrere erbsengrosse, symmetrisch sitzende Her
vorragungen, die sich mikroskopisch als gliomatöse Wucherungen ergaben
-- In Bezug auf die besondere Struktur der Gliome giebt Thoma (13) an
dass man 5 verschiedene Formen unterscheiden könne, Glioma moUe
durum, teleangiectaticum, cystoides imd Psammoglioma.
Die Gliome des Auges, welche Ei senl oh r (3) von den Mesodermzellen
des Glaskörpers ableiten will, die in der Umgebung persistierender foetaler Ge-
fasse zu üvuchem beginnen, werden jetzt ziemlich allgemein von den Gliomen
des Centralnervensystems abgetrennt, mit denen sie in der That auch nichts
zu thun haben. Es handelt sich immer um den Sarkomen nahestehende
Tumoren, welche allerdings auch bekann termassen angeboren oder kon-
genital augelegt sind. Ein Beweis dafür scheint auch die Beobachtung
Wintersteiners (14) zu sein, der für das Gliom der Retina einen Aus-
gang von verlagerten Teilen der Retina annimmt, die er in 5 Fällen in
Gestalt von röhrenförmigen Cylindern und Zellhaufen nachweisen konnte. —
Über Neurome liegen sehr wenige Mitteilungen vor, welche auch durch-
aus nicht sehr geeignet sind, imser Wissen über diese Geschwulstart zu
bereichern. Ob das von Lacroix und Bonnaud (9) beschriebene plexi-
forme marklose Neurom überhaupt aus Nervenfasern bestand, erscheint
sehr zweifelhaft. Es wurde in der Schultergegend eines 12iährigen Knaben
gefunden und soll aus hypertrophischen marklosen Nervenfasern bestanden
haben ; da aber gerade marklose Nervenfasern sehr wenig charakteristische
Eigenschaften besitzen und daher leicht mit Bindegewebsfasern verwechselt
werden können, ist es leicht möglich, dass es sich um ein Nervenfibrom
gehandelt hat. Die Angaben von Klebs (AUgem. Pathologie), dass in den
multiplen und plexiformen Neuromen Wucherungen von Nervenfasern, und
zwar niarklosen Fasern, vorkommen, sind durch die oben hervorgehobenen
Beobachtungen Garr^s, Goldmanns u. a. genügend widerlegt. Aber
auch für die Amputationsneurome, die auch Birch- Hirschfeld (1) noch
zu den echten Neuromen rechnet, ist eine Neubildung von Nervenfasern
keineswegs nachgewiesen. Goldmann (4) hat vielmehr direkte Angaben
darüber gemacht, dass die Nervenelemente des Amputationsneuroms von
den ursprüngliclien Fasern des Nervenstammes abzuleiten sind, welche in
verschiedener Querschnittshöhe die Zusammenfassung zu sekundären Bündeln
verloren haben ; die Endanschwellung beruht demnach im wesentlichen auf
einer Wucherung des Nervenbindegewebes, und von einem Regenerati ons-
versuch der durchschnittenen Nerven kann nur insofern die Rede sein, als
342 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
ein Längswachstum der alten Fasern nachweisbar ist. Ich kann mich
diesen Ausführungen, die im Gegensatz stehen zur älteren Virchowschen,
neuerdings durch Gottsacker (Über Stumpf neurome, Dissertat. Bonn 1889}
gestützten Ansicht, nur anschliessen ; in mehreren Amputationsneuromeu,
die ich in neuerer Zeit sehr genau untersuchen konnte, habe ich nichts
von Nervenneubildung, wohl aber erhebliche Bindegewebs Wucherung ge-
funden, so dass ich ebenfalls der Überzeugung bin, dass der eigentliche
Tumor des Stumpfneuroms nicht durch Nervenwuchenmg hervorgebracht
wird. — Andere Fälle von Neuromen, so auch Zieglers (15) Neuroglioma
ganglionare, welches auf Entwickelungsstörungen bezogen werden soll, sind
ebenfalls zweifelhaft. Thoma(13) hat gezeigt, dass das Bild des Neuroraa
ganglionare bei diffuser Gliawucherung leicht entsteht und dass dann das
Gliom reich an Ganglienzellen und Nervenfasern ist, welche aber nur Reste
des Mutterbodens darstellen. Ein von Pilliet (11) beschriebenes „atypi-
sches Neurom" des Gehirns bei einem l'/4Jährigen Kinde scheint ebenfalls
nur ein Gliom oder Gliosarkom gewesen zu sein, denn die Deutung grosser
runder Zellen ohne Ausläufer als unentwickelte Ganglienzellen dürfte sehr
gewagt sein. — Es ergiebt sich daraus, dass die Existenz eines echten Neu-
roms, d. h. einer Neubildung, die vorwiegend aus gewucherten Nervenele-
menten besteht, überhaupt noch nicht über jeden Zweifel erhaben ist und
dass sie, wenn sie überhaupt vorkommt, zu den allerseltensten Neoplasmen
gehört. —
8. Hämangiom und Lymphangiom.
Litteratur.
1. Barbacci, Multiple Lymphangiome der Milz. Lo sperimeotale 1891.
2. Bayer, Über die Bedeutang des Fettgewebes für den Aufbau lymphatischer Neu-
bildungen. Prag. Zeitschr. f. Heilkunde. Bd. XII. S. 517.
3. B e n e k e , Kasuistische Beiträge zur Geschwulstlehre. III. Zur Genese der Leberangiome.
Vir eh. Arch. Bd. 119. S. 76.
4. Eisenreiter, Über kavernöse Angiome am Halse. Münch. med. Abhandl Bd. 8
S. 8. 1894.
5. Guttmann, F., Über Lymphangioma cavernosum. Deutsch, med. Wochenschr. Nr. 4.
1890.
6. Hang, Lymphangiofibrom der Tragnsgegend. Archiv f. Ohrenheilkunde. Bd. 82. S. 151.
1891.
7. Hildebrandt, Über multiple kavernöse Angiome. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie.
Bd. 30. 1889.
8. Kruse, Über Chylangioma cavernosum. Virch. Arch. Bd. 125. S. 488.
9. Krynski, Über Lymphangiome. Beiträge zur pathol. Anatomie u. klin. Med. als
Festschr. zum 70. Geburtstage des Herrn Prof. Dr. Brodowski in Warschau. 189.3.
(Polnisch.) Referat im Ctbl. f. allg. Pathol. Bd. V. S. 270.
10. vonLesser, über Lymphangioma diffussum multiplex. Deutsche Zeitschr. f. Cbir.
Bd. 34. 1892.
Geschwülste, Hämangiom. 343
11. von Lesser n. Beneke, Ein Fall von Lympbangioma tuberosum multiplex. Vircb.
Arch. Bd. 123. S. 86.
12. Lacke, Ein Fall von Angioma ossificans in der Highmorsböble. Deutsche Zeitscbr.
f. Chirurg. Bd. 80.
13. Muscatello, Über das primäre Angiom der willkürlichen Muskeln. Vircb. Arch.
Bd. 135. S. 277.
13a. Markwald, Ein Fall von Angioma oavemosnm ovarii. Vircb. Arch. Bd. 137. S 175.
14. Samter, Ober Lymphangiome der Mundhöhle. Arch. f. klin. Chirurg. Bd. 41. S. 829.
15. Thoma, Lehrbuch der allgem. Pathologie. Bd. L
16. Ziegler, Lehrbuch der allgem. Pathologie. 8. Aufl.
Die grössere Anzahl der nQueren Arbeiten, welche sich mit den
Hämangiom e n beschäftigen, sind wesentlich kasuistischer Natur. Sie bieten
allgemeinpathologisch nur insofern Interesse, als sie zu einzelnen wich-
tigeren Fragen Stellung nehmen. Dass die Angiome häufig angeborene
Neubildungen sind, ist bekanntlich schon von Virchow hervorgehoben
worden, der nicht nur auf das Vorkommen der angeborenen Naevi tele-
angiectodes hinwies, sondern vor allem auch bei den sogenannten fissu-
ralen Angiomen den Nachweis führte, dass sie zum mindesten in der An-
lage auf Entwickelungsstörungen zurückzuführen seien ^). Diese Ausfüh-
rungen sind auch für die weiteren Beobachtungen massgebend gewesen.
Freilich muss man bei allen diesen Tumoren ebenfalls unterscheiden zwischen
echten Neubildungen und einfachen Gefässerweiterungen und Hypertro-
phieen. Wenn auch schliesslich die Hämangiome von den verschiedensten
Gefässen und Gefässbezirken ausgehen können, so sind doch namentlich
die der Haut in erster Linie als Ausgangspunkte bekannt, während z. B.
die echten Hämangiome der Muskulatur zu den grössten Seltenheiten
gehören. Muscatello (13) hat in neuerer Zeit die spärliche Kasuistik
durch drei interessante Fälle vermehrt, in denen sich jedesmal mit Sicher-
heit nachweisen liess, dass ausgedehnte Neubildung von Muskelgefässen
vorlag. Er unterscheidet vier verschiedene Arten : 1. kapilläre, 2. arterielle,
3. venöse und 4. kavernöse Angiome. Das Wachstum ist meist langsam
und oft symptomlos; doch giebt es auch solche, die sich durch rasches Wachs-
tum auszeichnen, wobei meistens auch eine stärkere Endothelwucherung an
den neugebildeten Gefässen auffällt. Die quergestreifte Muskulatur verhält
sich dabei meist passiv, während eine Wucherung glatter Muskelfasern nicht
nur in der Adventitia von Venen und Arterien, sondern auch im intersti-
tiellen Bindegewebe beobachtet wird. — An anderen Stellen des Körpers
kann sich aber zur Neubildung der Blutgefässe auch Neubildung anderer
Gewebe in hervorragendem Masse gesellen. So ist ja namentlich bei
Liponnen oft genug reichlich Neubildung von Blutgefässen beobachtet
n Geschwülste. Bd. III. S. 345 ff.
344 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
worden. Dass aber auch andere Gewebe sich an der Wucherung beteili-
gen, zeigt der Fall von Lücke (12), welcher bei einer 26 jährigen Patientin
ein ossifizierendes Angiom der Highmorshöhle exstirpierte. Nach der Be-
schreibung war das Angiom so vollkommen von neugebildeten Knochen-
bälkchen durchwachsen, dass es einem spongiösen Knochen glich, dessen
Markräume innerhalb starren Bindegewebes reichUch erweiterte Kapillaren
und Venen enthielten. Man wird annehmen müssen, dass durch die Aus-
bildung des Angioms auch eine Wucherung des Knochengewebes angeregt
wurde und somit es sich um zwei in einander wachsende Geschwülste
handelte.
Mehrfache Bearbeitung hat in neuerer Zeit das Angioma cavemosuni
gefunden. Speziell vom kavernösen Angiom der Leber hat Ziegler (16)
die Anschauung entwickelt, dass es aus den Reihen der eigentlichen
Geschwülste zu streichen sei und als eine einfache Substitution des zu
Grunde gehenden Lebergewebes betrachtet werden müsse. Zum Beweise
hat er namentlich die Untersuchung eines Falles angeführt, in dem un-
zählige Angiome von Punkt- bis Wallnussgrösse vorhanden waren und
sich alle Übergänge von der Dilatation einer einzigen Kapillare bis zur
kavernösen Metamorphose ganze Läppchen verfolgen liessen. Beneke (3)
hat sich, wie viele andere Autoren, Zieglers Auffassung angeschlossen
und noch näher einen Fall beschrieben, welcher Aufklärung darüber geben
soll, weshalb so oft die Kapillarerweiterung bezw, Ijeberzellenatrophie lokal
bleibt. Es handelte sich nämlich um eine lokale vollständige Gallenstau-
ung, welche die lokale Leberzellenatrophie hervorgerufen hatte und es
kann daher zugegeben werden, dass eine solche Gallenstauung die Eut-
wickelung eines Angioms bedingen kann, doch hebt Beneke selbst her-
vor, dass dies nicht die regelmässige Ursache der Angiombildung ist. —
Als Stütze für die Ziegler sehe Auffassung muss auch die Beobachtung
angesehen werden, dass die kavernösen Angiome in atrophischen Lebern
älterer Leute verhältnismässig häufig gefunden werden. — Thoma (15)
hat deswegen die kavernösen Lebertumoren geradezu als senile Angiome
bezeichnet. — Ein Teil der an anderen Stellen vorkommenden kavernösen
Angiome sind jedoch sicher echte Neubildungen und ebenfalls kongenitalen
Ursprungs. So hat namentlich Eisenreiter (14) für die sehr seltenen
kavernösen Angiome am Halse, von denen er selbst einen hühnereigrossen
Tumor bei einem 6 Monat alten Kinde beobachtet konnte, auch aus der
Litteratur nachweisen können, dass sie fast immer kongenital sind. Von
12 Fällen, die er überhaupt zusammenstellen konnte, waren 10 sicher kon-
genitalen Ursprungs, üb es sich dagegen in dem Fall von Markwald
(13a), eines sehr seltenen Angioma cavernosum ovarii, um eine echte Prolifera-
tionsgeschwulst gehandelt hat, muss trotz der Wucherungen von Gefäss-
Geschwalete, HämaDgiome. 345
«ndothelien zweifelhaft bleiben. — Während Ziegler die verschiedenen
Arten der Angiome von einander trennt und 3 Arten unterscheidet, die
man als kongenitale und proliferative Angiome, sowie degenerative
Gefässektasieen bezeichnen könnte, macht Thoma den Versuch, die Ent-
stehung der verschiedenen Angiome einheitlich von histomechanischen
Gesichtspunkten aus zu erklären. Er unterscheidet nach der Entstehung
4 Arten: 1. die fissuralen (kongenitalen) Angiome, 2. die neuropathischen,
3. die senilen und 4. die traumatischen Angiome; nach der histologi-
schen Struktur 3 Arten: 1. das Hämangioma teleangiectaticum, die Tele-
angiektasie ausgezeichnet durch reichliche Entwickelung von Kapillaren;
2. Tumor vasculosus arterialis, aus zahlreichen kleinen Arterien bestehend,
bei relativ schwacher Entwickelung von Kapillaren und Venen ; 3. Häman-
gioma cavemosum, zeigt zahlreiche kavernöse mit Endothel ausgekleidete
Bluträume, die zwischen die Verzweigungen von Venen und Arterien ein-
geschaltet sind. Während bei der sogenannten Teleangiektasie eine Neu-
bildung von Kapillaren evident ist, kann man beim Tumor cavernosus
und vasculosus arteriosus Kapillameubildimg ausschliessen; ja es kann sogar
eine Verminderung der zwischen Venen und Arterien eingeschalteten Kapil-
laren nachweisbar sein. Nach Thoma hängt nun eine Kapillameubildung
ab von dem in der Kapillarlichtung herrschenden Blutdrucke und dem
Verhalten der umgebenden Gewebe. Bei der besonderen Stellung, welche
ein Kapillarnetz am Rande sich bildender oder sich schliessender Orifi-
zien einnimmt, wird es leicht verständlich, dass Störungen der Druckver-
bältnisse eintreten und somit Kapillameubildung eintritt; ebenso können
vasomotorische Störungen, durch die der Blutdruck in Arterien und Kapil-
laren gesteigert wird, bei längerer Dauer zur Gefässneubildung führen und
somit die Entstehung der fissuralen und neuropathischen Angiome hervor-
bringen. Weiter kommt aber auch das Flächenwachstum der Gefässe in
Betracht, welches nach Thomas erstem histomechanischen Prinzipe von
der Stromgeschwindigkeit des Blutes abhängt. Eine Änderung in den
Grenzwerten des Blutdruckes und der Blutgeschwindigkeit, welche T ho ma als
Normaldruck und Normalgeschwindigkeit bezeichnet, werden also
für die Bildung der Angiome und ihre besondere Art von entscheidender
Wichtigkeit sein. Wird Blutdruck und Geschwindigkeit vermehrt, so wird
es zur Bildung einer Teleangiektasie mit weiten Kapillaren kommen,
während bei Verminderung der Normalgeschwindigkeit in den Kapillaren
sich eine Teleangiektasie mit engen Kapillaren ausbildet. — So lassen
sich durch die Variationen der histomechanischen Bedingungen alle drei
Grundformen der Angiome leicht ableiten und durch graduelle Verschie-
denheiten dieser Variationen die grosse Mannigfaltigkeit der Formen, das
Mehr oder Weniger der Kapillarneubildung und Kapillarerweiterung er-
346 AUgem. pathol. Morphologie uiid Physiologie.
klären. — Die Thomaschen Erklärungsversuche sind entschieden sehr be-
merkenswert und vielleicht auch für solche Fälle heranzuziehen, wo es
sich um Erkrankungen ganzer Gefässgebiete handelt. So konnte z. B.
Hildebrand (7) bei einer 21]älirigen Patientin die ganze linke obere
Extremität mit kavernösen Angiomen geradezu übersäet finden; die Erkran-
kung reichte bis in das 3. Lebensjahr zurück ; an den grösseren Angiomen
konnten zwei eintretende Gefässe nachgewiesen werden, von denen das
eine von einer grossen subkutanen Vene abging, das andere am entgegen-
gesetzten Pole gelegene als Arterie aufgefasst werden musste. Es handelte
sich also um die Erkrankung eines abgeschlossenen zwischen Arterie und
Vene eingeschalteten Kapillarbezirkes, in dem sowohl durch die Ver-
änderung des Blutdruckes als der Blutgeschwindigkeit die gefundenen Ver-
änderungen hervorgebracht sein konnten.
Ganz ähnliche Fragen, wie bei den Hämangiomen treten uns auch
bei den Lymphangiomen entgegen. Dass auch diese Neubildungen
kongenitalen Ursprungs sind, ist lange bekannt und besonders für die
Makroglossie angegeben worden, bei welcher sich bekanntlich ausgedehnte
Lymphangiektasieen und oft auch Hämolymphangiome vorfinden; so fand
auch Samter (14) in einem Fall von Makroglossie cystische Lymphangiome
der Zunge. Auch andere Beobachter konnten das kongenitale Auftreten
von Lymphangiomen durch interessante Fälle bestätigen; so demonstrierte
P. Guttmann (5) einen Fall von grossem Lymphangioma cavernosum
des Kopfes und Halses bei einem Neugeborenen. Der Tumor bestand aus
zahlreichen cystischen Hohlräumen, deren Inhalt aus eiweissreicher Flüssig-
keit, Fibrin, Lymphkörperchen und roten Blutscheiben bestand. Hang
(6) beobachtete bei einem 12jährigen Mädchen ein Lymphangiofibrom der
Tragusgegend, welches schon seit der Geburt bemerkt worden war; beson-
ders interessant erscheint es, dass zugleich an den Ohrmuscheln eine Fistula
auris congenita vorhanden war. — Auch Kr^nski (9) sucht die Ursache
der Lymphangiombildung in kongenitalen lokalen Veränderungen der Ge-
fässwände und weist ebenfalls auf das häufige kongenitale Vorkommen
bezw. Auftreten im jugendlichen Alter hin. Er glaubt nicht, dass etwaige
centripetale Hindernisse im Lymphkreislaufe in ursächliche Beziehungen
zur Lymphangiombildung zu bringen sind. — Ob man es bei den Lymph-
angiomen stets mit einer Neubildung von Lymphgefässen zu thun hat, ist
ebenfalls noch strittig, v. Lesser (lOj hat sich am entschiedensten da-
gegen ausgesprochen, dass aus einer einfachen Lymphstauung Lymph-
angiome hervorgehen könnten, sondern er sieht sogar die diffusen Lymph-
angiome, von denen er einen Fall mit multiplem Auftreten bei einem
67jährigen Manne untersuchen konnte, als echte Neubildungen an; schon
der Umstand, dass sich, wie in dem untersuchten Falle, venöse Kavernome
Geschwülste, Lymphangiome. 347
mit Lymphangiomen vergesellschaften können, weist auf einen ähnlichen
Entstehuugsmodus hin. Da weder Unterbindung des Ductus thoracicus,
noch Verlegung grosser Lymphstämme zur Lymphangiombildung führen,
so kann der Lymphstauung höchstens ein begünstigender Einfluss für die
Ausbildung der Lymphangiome zugeschrieben werden. Auch Krynski
meint, dass in den Lymphangiomen ausser Erweiterung der normalen
Lymphgefässe und -räume stets Neubildung solcher vorhanden ist, und
Beneke (11) bringt in einem mit von Lesser zusammen beobachteten
Falle, dessen anatomische Untersuchung er machte, den Nachweis, dass
das Lymphangioma tuberosum multiplex (Kaposi) ebenfalls auf Neubildung
von Lymphgefässen beruht. Er fand in der Kutis kugelförmige Hohlräume,
(leren Wand von dicht gestellten platten Zellen gebildet wurde; wenn
schon aus der Dichtigkeit der Aneinanderlagerung der Endothelien auf
lebhafte Wucherung derselben geschlossen werden durfte, so ging das
weiter daraus hervor, dass die hyalinen Ausfüllungen der neugebildeten
Hohlräume durch eine hyaline Umwandlung rasch wuchernder Endothelien
entstanden sein mussten. Auch Bayer (2) vertritt die Auffassung, dass
die kavernösen Lymphangiome sich durch Zellwucherungen bilden. Er
verlegt die erste Anregung zur Entstehung der Tumoren in die perivas-
kulären Lymphräume, in denen zunächst eine Wucherung der Perithelien
eintreten soll; dann treten Rundzellen auf und das mit dem Bindegewebe der
Gcfässcheiden zusammenhängende Fett- und lockere Zellgewebe beteiligt
sich durch Kemvermehrung und Vergrösserung der Zellen an der Wuche-
ning. Auf die weiteren Beziehungen, welche nach Bayer sich zwischen
der Wucherung der Lymphgefässzellen und des Fettgewebes ergeben sollen,
kann hier nicht näher eingegangen werden, da die Bayerschen Anschau-
ungen hier nur so weit in Betracht kommen, als sie überhaupt die Bil-
dung der Lymphangiome auf Zellwucherungen zurückführen. Weniger
entschieden tritt Samter für den proliferativen Charakter der Lymph-
angiome ein; unter 7 Lymphangiomen der Mundhöhle, die er unter-
suchen konnte, befanden sich 5 warzen- und knotenförmige, die gegen
die gesunde Schleimhaut scharf abgegrenzt waren und kleinste steck-
uadelkopfgrosse bis hirskorngrosse wasserklare Bläschen enthielten. Ihre
Genese konnte nicht ganz aufgeklärt werden. Mitunter war Lymph-
gefässneubildung evident, in anderen Fällen schien es sich nur um Erwei-
terungen von Lymphgefässen zu handeln, während endlich auch Kom-
bination beider Momente vorhanden waren. Ich glaube, dass die Ver-
bältnisse bei den Lymphangiomen nicht wesentlich anders liegen, wie bei
den Hämangiomen, d. h. dass auch hier Fälle von scheinbaren Neubildungen
vorkommen, die nur durch Erweiterung präexistierender Lymphräume und
^•hwund des Zwischengewebes zurückzuführen sind. Seltenere Lokalisa-
348 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
tionen von Lymphangiomen werden von Barbacci (1) und Kruse (8)
mitgeteilt. Ersterer fand in der Milz eines an chronischer Lungentuber-
kulose verstorbenen Individuums mehrere zwischen Stecknadelkopf- und
haselnussgrosse Geschwülste, welche aus einem System mit einander kom-
munizierender Kammern bestanden und fadenziehende gelbliche Flüssig-
enthielten. Die Höhlen waren mit einer kontinuierlichen Schicht platter
Endothelien ausgekleidet und enthielten Fibrin und Lymphzellen. Ähn-
liche Neubildungen sollen bisher nur 2 mal von Fink beobachtet worden
sein. Ob es sich wirkhch um Lymphangiome gehandelt hat, kann man
nach den Untersuchungen Reugglis*) noch für zweifelhaft halten; denn
er konnte im Anschluss an Ribbert die Hohlräume von abgeschnürtem
Peritonealepithel ableiten; auch ich habe dicht unter der Milzoberfläche
2 mal Cysten beobachtet, die mit niedrigem Endo- oder Epithel ausgekleidet
waren und hyaline Massen und Lymphzellen enthielten, die ja aber selbst-
verständlich auch erst später eingewandert sein konnten. Die oberfläch-
liche Lage der Cysten in Barbaccis und in meinen Fällen könnte dafür
sprechen, dass sie Reugglis Fall an die Seite zu stellen wären; freilich
würde für Barbaccis Fall die kavernöse BeschafEenheit der Neubildung
mehr in seinem Sinne zu verwerten sein. Kruse beschreibt einen Fall
von kavernösem Chylangiom des Dünndarms bei einem 75jährigen Mann.
Die cystischen Gebilde, welche dünnen, milchweissen Inhalt enthielten,
bestanden aus^ kleinen Hohlräumen mit unregelmässigen Septen , welche
mit einer Lage platter Zellen (Endothelien) ausgekleidet waren. Eine Kom-
munikation mit centralen Zottengefässen war nicht nachzuweisen. Kruse
hat gemäss der herrschenden Auffassung gewiss Recht, wenn er seine
Cysten als kavernöse Chylangiome ansieht. Mir ist es aber auf Grund der
Untersuchung von 3 Fällen zweifelhaft geworden, ob die herrschende Auf-
fassung die richtige ist und ob nicht zum mindesten ein Teil dieser mit
milchiger Flüssigkeit angefüllter Cysten als Cysten der Lieberkühnschen
Drüsen anzusehen ist. Das hier weiter auszuführen würde natürlich zu
weit führen.
9« Sarkome.
a) Bau, Entwickelong und feinere Anatomie der Sarkome.
Litteratur.
1. Beneke, Zar Lehre von der VerspreDgung von Nebennierenkeimen in die Niere nebst
Bemerkungen zur allgemeinen Onkologie. Ziegl. ßeitr. Bd. 9. S. 440. 1891.
2. Hansemann, Studien über die Spezifizität, den Altruismus und die Anaplasie der
Zellen. Berlin. A. Hirschwald. 1893.
1) Multiple Cysten der Milz. Dissertation. Zürich 1894.
Geschwülste, Sarkome. 349
3. Siegbert von Henkelomm, Sarkome und plastische Entzündung. Virch. Arch.
Bd. 107. S. 393. 1887.
4. Klebs, AUgem. Pathologie. Abschnitt Sarkome. Bd. II. S. 711. 1889.
5. Labarsch, Beiträge zur Histologie der yon versprengten Nebennierenkeimen aus-
gehenden Nierengeschwülste. Virch. Arch. Bd. 135. S. 149. 1894.
6. Vital is Müller, Über celluläre Vorgänge in Geschwülsten. Virch. Arch. Bd. 130.
S. 512. 1893.
7. Steinhaus, über abnorme Einschlüsse in den Zellkernen menschlicher Gewebe. Centrbl.
f. aUgem Pathologie. Bd. II. S. 593. 1891.
8. Stroebe, Über Kernteilung und Riesenzellenbildung im Knochenmark. Ziegl. Beitr.
Bd. 7. S. 339. 1890.
9. Derselbe, Zur Kenntnis verschiedener cellulärer Vorgänge und Erscheinungen in Ge-
schwülsten. Ziegl. Beitr. Bd. XI. S. 1. 1892.
10. Unna, Die Uistopathologie der Haut. Berlin 1894.
Während von Virchow und in neuester Zeit auch noch von
Klebs (4) und Thoma (Lehrbuch) die Sarkome und Carcinome als cel-
luläre Geschwülste bezeichnet werden, deren charakteristische Merkmale in
dem Überwiegen der Zellen vor der Intercellularsubstanz bestehen, ist von
ßeneke (1), Hansemann (2) und Lubarsch (5) die Auffassung ver-
treten worden, dass auch die Sarkome komplizierter gebaute Neubildungen
sind, bei denen man ein Geschwulststroma und Geschwulstparenchym unter-
scheiden kann. Beneke hat folgendes ausgeführt und Hansemann ist
ihm später, scheinbar ohne Benekes Angaben zu kennen, darin gefolgt.
Jedes Sarkom besitzt ein Sarkomgerüst und einen Sarkomkörper; nur
letzterer ist das wuchernde Element, mögen es nun Nebennieren, Knochen-,
Knorpel- oder einfache Bindgewebszellen sein. Schon durch die erste Zell-
wucherung muss eine Reaktion der Umgebung hervorgerufen werden, es
muss gegen sie ein stärkerer Saftstrom gehen, wodurch dann namentlich
eine Neubildung von Kapillaren erzeugt wird. Diese Verhältnisse sind da
am leichtesten zu übersehen, wo morphologisch die Parenchymzellen von
deu Stromazellen gut geschieden sind — bei Hypernephrosarkomen, Chon-
fbo-, Osteo- und Angiosarkomen , während es bei den Fibrosarkomen und
vielen typischen Spindelzellensarkomen schwer fällt ^ dieses Verhältnis zu
demonstrieren. Hansemann (2) hebt in gleicher Weise hervor, dass man
bei allen echten Sarkomen — von denen er, wie wir, die Lymphsarkome mit
Recht trennt — gerade wie bei den Carcinomen zweierlei Gewebe deut-
lich unterscheiden kann: ein gefässführendes, als Stützsubstanz dienendes
Stroma und ein Parenchym, nachdem wir dem Tumor den Namen geben —
als Chondro-, Osteo-, Glio- u. s. w. Sarkom. Genau wie B ene k e (1) sieht er den
Grund für das nicht immer deutliche Hervortreten dieser beiden Tumor-
bestandteile in der nahen Verwandtschaft der beiden Bindegewebsarten,
wie bei den Fibro- und Myxosarkomen ; ist dagegen die Verwandtschaft
350 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
eine sehr entfernte, wie bei den Gefässepithelien und dem Bindegewebe,
so entstehen die scharf geschiedenen alveolären Geschwülste, die man nach
seiner Ansicht mit derselben Berechtigung zu den Carcinomen rechnen
kann und vielleicht muss. Gegen diese Auffassung habe ich bereits früher
(5) Einspruch erhoben. Wenn ich auch im ganzen die Beobachtungen
von Beneke und Hansemann bestätigen kann, dass bei den meisten
Sarkomen ein gefässhaltiges Stützgewebe von den Parenchymzellen unter-
scheidbar ist, so habe ich doch andrerseits hervorheben müssen, dass diese
Eigenschaft durchaus nicht nur den Carcinomen und Sarkomen zukommt,
sondern auch bei anderen einfach-histioiden Neubildungen nachweisbar ist,
wie z. B. den Fibromyomen des Uterus. Liegt doch in dem Nachweis eines
besonderen Geschwulststromas auch der Hauptangelpunkt der Klebschen
Lehre von der Holoblastose ; zweifellos hat er darin Recht, dass bei jeder
autonomen Neubildung ausser der eigentlichen Geschwulstzellenwucherung
eine Blutgefässneubildung nachweisbar ist und Beneke (2) scheint seine
Auffassung auch selbst verallgemeinem zu wollen, wenn er S. 464 seiner
Arbeit darauf hinweist, dass durch seine Beobachtungen die Einheitlichkeit
aller echten Tumoren gezeigt würde. Aber der Schluss von Hanse-
mann, dass die alveolären Sarkome mit derselben Berechtigung zu den
Carcinomen gerechnet werden könnten oder müssten, würde unmittelbar
dazu führen müssen, sämtliche Sarkome zu den Krebsen zu stellen. Denn
nach den eigenen Ausführungen Hansemanns besteht der ganze Unter-
schied zwischen den Fibrosarkomen und Alveolärsarkomen bezw. Endo-
theliomen darin, dass bei letzteren der Unterschied zwischen Sarkomparenchym
und Stroma deutlicher hervortritt infolge der grösseren Verschiedenheit
der beiden Zellarten. Der Unterschied zwischen echten Carcinomen und
Alveolärsarkomen bezw. Peri- und Endotheliomen ist vielmehr sowohl ein
morphologischer, wie biologischer. Der morphologische hegt darin, dass
bei den Carcinomen — auch bei den medullärsten, stromaärmsten Formen
— das Stroma nie ausschliesslich aus Blutgefässen besteht, während
dies bei den genannten Sarkomformen die Regel ist. Freilich kann auch
eine geringfügige Bindegewebswucherung um die Gefässe an einzelnen
Stellen der Geschwulst beobachtet werden; in den meisten Fällen bekommt
man aber überwiegend oder ausschliesslich die bekannten Angiosarkom-
bilder, die sich speziell von den Carcinomen dadurch unterscheiden, dass
das Stroma nur von Gefässen gebildet wird. Ein solches Bild allein beweist
bereits, dass es sich nicht um epitheliale Neubildung im gewöhnlichen
Sinne (d. h. von Deck- und Drüsenepithelien ausgehende Bildung) handeln
kann, weil bei diesen stets die Wucherung des Bindegewebes bei der
Stromabildung überwiegt und die der Gefässe zurücktritt. Deswegen ist
es gar nicht nötig, erst die jüngsten Stellen, an denen eventuell der Über-
Geschwülste, Sarkome. 351
gang normalen Gewebes in Geschwulstgewebe aufgefunden werden kann,
Aufzusuchen, sondern es genügt zu differentiell - diagnostischen Zwecken
darauf zu achten, ob überall oder wenigstens vorwiegend in der Geschwulst
das Stroma von Blutgefässen allein oder Bindegewebe gebildet wird. Dass
auch dann noch Fälle vorkommen können, in denen es schwer ist, zu
entscheiden, ob man es mit einem echten Carcinom zu thun hat oder nicht,
muss man Hanse mann ohne weiteres zugeben. Aber ebensowenig, wie
man in der Botanik oder Zoologie eine Einteilung in verschiedene Arten
und Unterarten aufgiebt, weil an den Grenzgebieten einige strittige Formen
vorkommen, könnte es für die Geschwulstlehre einen Nutzen bringen, den
Unterschied zwischen Alveolärsarkomen und Carcinomen ganz aufzugeben,
weil es immer einige Fälle geben wird, über die eine Einigung schwer er-
zielt werden kann ; da vor allem die Konsequenzen zu sehr grossen Übel-
ständen führen würden und man dann jedes — auch nicht sarkomatöses
— Pen- oder Endotheliom als Carcinom oder wenigstens Adenom be-
zeichnen müsste imd damit den Begriff der Drüse wesentlich abändern
würde. Auch noch ein zweites morphologisches Differenzierungsmerkmal
zwischen Carcinom und Arveolärsarkom sei hier angeführt, welches schon
von Waldeyer angegeben war und von Beneke wieder verwertet wor-
den ist; das ist die Thatsache, dass in vielen Alveolärsarkomen die Zellen
nicht einfach durch Kittsubstanz, sondern durch spärliche Intercellular-
substanz sich miteinander zusammenfügen. Aber dieses Kriterium ist mit
Vorsicht dahin zu gebrauchen, dass es zwar beweist, dass es sich nicht
um Carcinom handelt, während das Fehlen von Intercellularsubstanz da-
gegen nicht beweist, dass es sich nicht um Sarkom handeln kann. Da
kommt dann aber die Berücksichtigung des Verhaltens des Geschwulst-
stromas dazu. Um auf den 2. mehr biologischen Grund einzugehen, der
zur Aufrechterhaltung der Unterscheidung zwischen Sarkom und Carcinom
zwingt, so habe ich bereits darauf hingewiesen, dass trotz grösster morpho-
logischer Ähnlichkeit die Blut- und Lymphgefässepithelien physiologisch
eine andere Bedeutung haben, wie Deck- und Drüsenepithelieu. Mag auch
der Unterschied kein ganz prinzipieller mehr sein, nachdem durch Heiden-
hain nachgewiesen ist, dass die Lymphbildung kein reiner Filtrations Vor-
gang ist, sondern auch hier eine Art von Zellsekretion mitspielt, so bleibt
doch namentlich den Drüsenepithelien gegenüber der wesentliche Unter-
schied bestehen, dass diese in präformierte Räume spezifische Substanzen
absondern.
Während durch die eben hervorgehobenen Punkte die Unterscheidung
zwischen Sarkom und Carcinom gesichert ist, bleibt es auf der anderen
Seite noch übrig, die Abgrenzung gegenüber dem Fibrom und den ent-
zündlichen Neubildungen vorzunehmen. Was die Unterscheidung vom
352 AUgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
Fibrom anbetrifft, so ist die Grenze zum Sarkom keine ganz scharfe, da
alles auf das Verhältnis zwischen Zellen und Intercellularsubstanz an-
kommt, wobei auch noch Rücksicht auf den Mutterboden genommen
werden muss. So sind z. ß. die reinen Fibrome des Ovariums, in dem
normalerweise sehr zellreiches Bindegewebe vorhanden ist, meist so zell-
reich, dass man sie in einem anderen Organ ohne weiteres als Fibro-
sarkome bezeichnen würde. Siegbert v. Heukelomm (3) hat auch noch
angegeben, dass bei den eigentlichen Sarkomen die Intercellularsubstanz
völlig homogen und nie fibrillär ist, so dass bei dem Vorhandensein fibril-
lärer. Zwischensubstanz die Diagnose auf Fibrom oder Fibrosarkom gestellt
werden müsse. Er sieht ferner den Unterschied gegenüber der plastischen
Entzündung 1. darin, dass bei den Sarkomen die alten Bindegewebszelleu
fehlen und in ihnen die Zellen eine Vorliebe zur atypischen Teilung und
Riesenzellenbildung besitzen, 2. die verschiedenen Zellformen in den Sar-
komen ausgeprägter und kräftiger differenziert sind, als die analogen For-
men bei der entzündUchen Neubildung. Weiter betont er, dass den Sar-
komzellen die Fähigkeit der Gewebsbildung völhg abgeht und sie daher
den vielfach für sie angewandten Ausdruck der „embryonalen Bindege-
webszellen*' nicht verdienen und auchBeneke (1) hat bereite darauf hin-
gewiesen, dass die für das Bindegewebe charakteristische Funktion, die Em-
pfindlichkeit gegen Fremdkörper und die daraus folgende Neigung zur Or-
ganisation den Sarkomzellen abgeht. Klebs (4) bestreitet das allerdings
und meint, dass eine Umwandlung von Sarkomzellen in gewebsbildeude
Elemente keineswege ausgeschlossen wäre, da man namentlich bei den Epu-
liden Rückbildungsvorgänge wahrnehmen könne. Auch Hanau steht im
wesentlichen auf dem Standpunkt Benekes und Heukelomms, wenn er
durch seinen Schüler Wolfensberg er ^) erklären lässt, dass das Spindel-
zellensarkom keine rund- und epitheloidzelhge Vorstufe hat, wie das Spindel-
zellengewebe der Bindegewebsregeneration. Klebs glaubt dagegen zur
Unterscheidung einen grösseren Wert auf den Gefässreichtum mid die Be-
schaffenheit der Blutgefässe legen zu sollen, welche sehr weit und klaffend
zu sein pflegen; Hansemann (2) führt auch an, dass bei vielen Sarkomen
den Gefässen besondere Wandungen fehlen, so dass das Blut einfach in
den Hohlräumen der Geschwulst selbst cirkuliert. — Ich glaube, dass die
meisten der angeführten Punkte cum grano salis zur differentiellen Diag-
nose verwertet werden können. Am wenigsten Bedeutung möchte ich noch
dem von Heukelomm so stark betonten Mangel an Lymph bahnen zu-
schreiben, wodurch er auch in gewisser Beziehung die enorme Proliferations-
fähigkeit der Sarkomzellen erklären will; denn es ist dieser Mangel durch-
1) Über ein Rhabdomyom der Speiseröhre. Ziegl. Beiträge. Bd. XV. 1894.
Geschwülste, Sarkom. 353
aus nicht in allen Sarkomen vorhanden, vielmehr lässt sich nicht selten
in ein und demselben Sarkom, besser aber noch bei dem Vergleich pri-
märer Herde mit Recidiven nachweisen, dass der Mangel der Lymph-
bahnen nicht die Ursache, sondern die Folge der starken Zellwacherung
ist. — Die Beschaffenheit der Blutgefässe ist, wie Klebs selbst zugiebt, nicht
in allen Sarkomen gleichartig und ich möchte noch hinzufügen, dass klaf-
fende dünnwandige Gefässe auch im Granulationsgewebe vorkommen.
Trotzdem kann das Verhalten der Blutgefässe unter Umständen diiferen-
tialdiagnostisch von grossem Werte sein. Das ist besonders der Fall,
nach meiner Meinung, bei obhterierenden Angiomen jugendlicher Personen.
Schon an und für sich fällt es bei grösseren Angiomen jugendlicher Indi-
viduen auf, dass sich zwischen den neugebildeten, sehr dickwandigen und
engen Kapillaren ein an Spindelzellen äusserst reiches Gewebe befindet, so
dass an vielen Stellen eine grosse Ähnlichkeit mit Sarkomgewebe entsteht.
Icli habe nyin vor einiger Zeit einen sehr blutreichen, polypösen Tumor
der Rückenhaut eines Kindes und einen grauroten, ziemüch festen Tumor
der Milz eines 14 Jahre alten Mädchens untersucht, die zunächst durch-
aus den Eindruck von Spindelzellensarkomen machten, sich aber bei ge-
nauster Untersuchung doch mit grosser Wahrscheinlichkeit als obliterierende
Angiome entpuppten. Namentlich bei dem Tumor der Rückenhaut machte
der klinische Verlauf die Annahme unmögüch, dass wirklich ein Spindel-
zellensarkom bestand, und in beiden Fällen bestand der ganze Unterschied
gegenüber den gewöhnUchen Spindelzellensarkomen in der ausgeprägten
Engigkeit und Dicke der Kapillaren, welche in sehr grosser Menge in den
Neoplasmen vorhanden waren. Ähnüches gilt auch von den sogenannten
Riesenzellensarkomen des Zahnfleisches, die bekanntlich durchaus gut-
artige Neubildungen sind, und nur histologisch, aber nicht biologisch, mit
echten Sarkomen übereinstimmen; auch kommt es hier wirklich mitimter
vor, dass eine Art von Granulationsgewebe gebildet wird, wie ich neuUch
in einer, dickwandige Gefässe mit verkalkter Wandung enthaltenden
Epulis gesehen habe. Ich glaube daher, dass auch diese Epuliden eigent-
lich von den Sarkomen zu trennen sind. — Somit dürfte in der That der
Mangel der Organisation ein wesentliches Charakteristikum der Sarkome sein.
Was nun die Entwickelung der Sarkome anbetrifft, so ist bekanntlich
Ackermann^) so weit gegangen, alle Sarkome von einer Wucherung der
Gefässwandungen ableiten zu wollen und auch Klebs (4) scheint auf
diesem Standpunkt zu stehen, wenn er die besondere Bezeichnung „Angio-
sarkome'' verwirft, weil alle Sarkome in ihren früheren Entwickelungs-
1) Zar Histologie und Histogenese der Sarkome. Volkmanns Sammlung klin.
Vorträge. Nr. 233 u. 34.
Labarseh-Ostertftg, Ergebuisge Abteü. U. 23
354 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
iBtadien Augiosarkome wären. Beneke (1) ist dieser Ansicht besonders
entschieden entgegengetreten, indem er auseinandersetzt, dass auch die neuge-
bildeten Gefässe in Sarkomen nicht sarkomatös erkranken, sondern durch
Kernform, Grösse und Gestalt der Zellen von den eigeutUchen Sarkom-
zellen scharf unterschieden sind. Nur dadurch, dass die Sarkomzellen
unmittelbar dicht den jungen Kapillaren anliegen, würde das Bild einer
sarkomatös gewucherten Gewässwand vorgetäuscht, zumal die Sarkomzellen
in der Nälie der Gefässe infolge der guten Ernährung besonders gut
sich entwickelten. Dadurch, dass der Sarkomstrang mit seinem centralen
Gefäss einem vorwuchemden Gefäss analog ist und die ganze Geschwulst
sich aus solchen Strängen aufbaut, würde das Bild einer sarkomatösen
Gefässwandwucheruug vorgetäuscht. Wäre das aber wirklich der Fall, so
müssten auch die Endothelien sarkomatös erkranken, w^as aber abgesehen
von dem metastasierenden „Endothelioma intravasculare" nie der Fall sei,
indem man zwar Schwellungen der Endothelzellen, aber keine der Sarkom-
wucherung analoge Teilung wahrnimmt. So gerechtfertigt B e n e k e s Opposition
ist, wenn sie Ackermanns Ansicht als zu weitgehend und exklusiv bekämpft,
so sehr scheint sie mir doch über das Ziel hinauszuschiessen , wenn sie
nur den Tumoren, welche durch Wucherung von Gefässendothelien ent-
stehen, den Charakter als Angiosarkome zugestehen will , denn ebenso wie
die Endothelien besitzen auch die Perithelien die Fähigkeit der Wuche-
rung und es können von ihnen zunächst Gefässe gebildet werden, welche
für die Geschwulstentwickelung bestimmend sind, ohne dass daran stets auch
eine Wucherung der Endothelien anzuschliessen braucht. Wenn man
auch zugeben muss, dass die Annahme der Verschleppung ganzer Gefäss-
wandkeime für die Erklärung des übereinstimmenden Baues der Meta-
stasen etwas gezwungen ist, so scheint doch besonders der morphologische
Charakter vieler Angiosarkome auf eine derartige Beziehung zu den Peri-
thelien hinzuweisen. Ich gebe gern zu, dass ein grosser Teil der perivas-
kulären Sarkome nicht echte Angiosarkome sind, d. h. vor allem diejenigen,
welche Rund- oder Spindelzellensarkome mit Intercellularsubstanz sind;
solche aber, welche ganz nach Art von Endotheliomen aus epithelartigen,
nur durch Kittsubstanz verbundenen Zellen bestehen, die sich als ein
Mantel um Gefässe mit mehr oder weniger normalen EndotheUen lagern,
können nach meiner Meinung nicht gut anders, wie durch Wucherung von
Adventitiazellen erklärt werden. Auch bei dieser Ansicht kann man ruliig
den Ausführungen Benekes beistimmen, welcher die mit der Gefässanord-
nung der primären Tumoren übereinstinamenden Gefässbildung in den
metastasischen Knoten nicht auf die Verschleppung eines Gefässkeimes
zurückführen, sondern durch die gleichen für die Gefässbildung bestimmen-
den Momente erklären will.
GeschwOlste, Sarkom. 355
Die feinere Anatomie der Sarkomzellen ist von den verschiedensten
Seiten einem genaueren Studium unterworfen worden, z. T. in der Hoff-
nung bereits an den einzelnen Zellen Charakteristica zu finden, welche
eine Unterscheidung gegenüber ähnlichen Zellen (anderer Txmioren und
der entzündUchen Neubildungen) gestatten würden. Die Darstellung dieser
Untersuchungen geschieht am besten in der Weise, dass wir zunächst be-
trachten 1. den Kern der Sarkomzellen im ruhenden Zustand , 2. das Proto-
plasma der Sarkomzellen , 3. den Teilungsmodus der Sarkomzellen, 4. die
Leukocyten in Sarkomen.
ad. 1. Wenn Pfitzner (Virch. Arch. Bd. 103) die Kerne der Ge-
schwulstzellen als chromatinarm bezeiclmete und darin eine Annäherung
an den Typus embryonaler Kerne sehen wollte, so ist dem besonders wohl
für die Sarkome widersprochen worden. Sowohl vonHeukelomm (3) wie
Kleb 8 (4) und Beneke (1) heben den grossen Chrom atingehalt der Sar-
komzellkeme hervor. Klebs und Heukelomm scliildern die Kerne als
auffallend gross; ihre Form ist entsprechend der Zellform, bald elliptisch,
bald dreieckig, bald rund oder auch viereckig. Die Angabe Heukelomms,
dass eine Kemmembran fehlt, wird von Klebs mit Recht bestritten; auch
ich habe stets deutliche Kernhülle nachweisen können, wenn die Zellen
noch gut erhalten waren. Der Kerninhalt ist je nach dem Alter der Kerne
und Zellen verschieden , in ganz jungen, stark wuchernden Sarkomen stets
äusserst chromatinreich, in Form von dicht gelagerten, kleinen annähernd
gleich grossen Kömern. Später nimmt der Chromatingehalt ab und es
tritt ein zierüches Fadennetzwerk hervor, das sich nur schwer färbt; da-
neben sind 1 — 2 Kernkörperchen vorhanden. Die Hyperchromatose,
welche Klebs auf eine zu reichliche Aufnahme der aus Leukocytenkemen
stammenden Chromatinsubstanz beziehen will, bildet nach seiner Meinung
in Sarkomen die Regel. Hiergegen hat sich Stroebe (9) gewendet, indem
er einerseits angiebt, dass die verschiedenen Sarkome und im einzelnen
Falle die verschiedenen Geschwulstpartieen den allervari abeisten Chromatin-
gelialt aufweisen, andererseits auch der Auffassung widerspricht, dass die
Hypercliromatose durch eine vermehrte Aufnahme von Kernchromatin zu
Stande kommt. Indem er zunächst darauf hinweist, dass ein der Hyper-
chromatose sehr ähnlicher Zustand mit Pfitzners „morphologischer"
Kemdegeneration identisch ist, trägt er eine Reihe von Beobachtungen
zusammen, die dafür sprechen, dass die Hyperchromatose der Geschwulst-
zellen ebenfalls auf einem regressiven Vorgang beruht. Die schon von
Klebs hervorgehobene Beobachtung, dass die hyperchromatischen Kerne
meistens herdförmig vorkommen und in der Nähe von Leukocytenanhäu-
fungen liegen, deutet Stroebe nicht mit Unrecht dahin, dass die Leuko-
cyten sich eben deswegen in der Nähe der hyperchromatischen Kerne an-
23*
356 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
häufen, weil hier sich Zellzerfall ausbildet. Weiter weist er auf die Ver-
änderungen des Protoplasmas (Schrumpfung, schollige Zerklüftung, fettige
Entartung) hin, die sich besonders häufig in Zellen mit hyperchromatischen
Kernen findet. Hansemann hat zwar mit Recht auseinandergesetzt,
dass man 1. den Chromatinreichtum eines ruhenden Kernes nur schwer
richtig beurteilen kann und 2. nicht gut festzustellen ist, was aus einem
ruhenden chromatinreichen Kerne wird, ob er der Chromatolyse anheim-
fällt oder sich noch zur Teilung anschicken wird und auch Pfitzner
(a. a. 0. S. 290) hat auf die grosse Ähnlichkeit mancher Kemdegeneratiou
mit Frühformen der Mitose aufmerksam gemacht — immerhin scheint mir
doch die Stroe besehe Ansicht den Thatsachen am meisten zu entsprechen.
Abgesehen davon, dass in der That in vielen Zellen mit Hyperchromatose
der Kerne deutliche regressive Veränderungen am Zellinhalt auftreten,
lässt sich zeigen, dass die Hyperchromatose ausser in Sarkomen vornehm-
lich unter Bedingungen auftritt, bei denen ein Zellzerfall oder wenigstens
sicher keine Zellneubildung stattfindet. Ich habe z. B. gezeigt, dass die
unter verschiedenen krankhaften Bedingungen oder experimentell auf dem
Blutwege verschleppten Leber- und Placentarzellen schon nach wenigen
Tagen ausgesprochene Hyperchromatose erkennen lassen, an die sich stets
Chromatolyse anschliesst; ferner habe ich Hyperchromatose beobachtet
1. in anämischen Infarkten von Kaninchen im Beginn der Nekrose und
weit entfernt von denjenigen Partieen, in denen Mitosen beobachtet wer-
den, 2. in zertrümmerten oder stehen gebliebenen Herzmuskelfasem bei
Herzinfarkten und Herzschwielen, 3. in manchen Herzmuskelfasern bei
der braunen Atrophie des Myokards. Hiermit stimmen auch die Beob-
achtungen von H. Schmaus und Albrecht ^) überein, welche mit Sicher-
heit durch experimentelle Untersuchungen den Nachweis führten, dass es
Formen der Kemdegeneration giebt, bei welchen eine Umlagerung des
Chromatins das wesentliche ist und sowohl die Kemwand- wie die
Gerüslhyperchromatose eine grosse Rolle spielt. Freilich betonen auch sie,
dass es Kernwandhyperchromatosen giebt, an denen noch keine Degene-
rationserscheinungen wahrzunehmen sind. Geht schon aus meinen und
Schmaus Beobachtungen mit Sicherheit hervor, dass die Kemhyperehro-
matose in vielen Fällen ein degenerativer Prozess ist, so wird das für die
Neoplasmen im besondern noch durch folgende Momente bewiesen: 1. man
findet ausgesprochenste Hyperchromatose in Sarkomen mit wenigj Mitosen
meist an der Oberfläche, wo durch allerlei äussere Einflüsse der Zellzerfall
zuerst beginnt. 2. Auch in nicht destruierenden Neubildungen (Papillomen etc.)
findet man hyperchromatische Kerne, aber imr an solchen Stellen, wo
1) Ober Earyorrhexis. Vir eh. Arch. Bd. 138. Supplementfaeft. S. 1.
Geschwfllste, Sarkom. 357
durch äussere Reize (z. B. therapeutische EingrifiEe) ein Zellzerfall einge-
leitet wird. Wenn somit die in den Sarkomen so besonders häufige Hyper-
chromatose weder ein progressiver Vorgang ist, noch etwas Spezifisches
darstellt, so möchte ich doch hervorheben, dass sie in diagnostischer Be-
ziehung von Wert sein kann, denn sie fehlt in Sarkomen fast niemals,
wird jedenfalls in keiner andern Geschwulst so häufig gefunden, wie in
Sarkomen, so dass sie neben anderen Momenten thatsächlich zur Diagnose
mit benutzt werden kann. Was die Kernkörperchen der Sarkomzellen
anbetrifft, so hebt Klebs hervor, dass sie in jungen, stark wuchernden
Sarkomen stets und zwar oft doppelt vorhanden sind, und das sie inten-
sive Färbbarkeit besitzen. Von anderen Autoren ist den Kernkörperchen
wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ; ich habe (5) darauf hingewiesen,
dass sie in den hypernephroiden Sarkomen der Niere sich dadurch be-
sonders auszeichnen, dass sie mit sauren Anilinfarbstoffen abweichend vom
Kern gefärbt werden können und dass eine Doppelfärbung von Kern und
Kernkörperchen hier leicht gelingt. Wenn in diesem besonderen Falle
diese Eigentümlichkeit auf die Abstammung der Zellen hindeutet, so möchte
ich an dieser Stelle darauf anfmqpksam machen, dass auch bei anderen
Sarkomen eine verschiedene Färbung von Kern und Kernkörperchen ge-
lingt z.B. mit der Weigertschen, Biondischen, Russeischen Methode;
nur verhalten sich dabei die Kernkörperchen in den verschiedenen Zellen
derselben Geschwulst verschieden; einzelne nehmen die Farbe der Kerne,
andere dagegen die Farbe der Stützsubstanzen an. Man kann daraus
wohl schliessen, dass auch die Kernkörperchen in den Sarkomzellen sich
in verschiedenen Lebenszuständen befinden, die wahrscheinlich auch regres-
siver Natur sind. Mitunter färben sich sogar einzelne Teile der Kern-
körperchen verschieden , so dass die Peripherie sich mit dem sauren, das
Centrum mit dem basischen Anilinfarbstoff tingiert oder auch umgekehrt.
ad. 2. Was die Struktur des Protoplasmas der Sarkomzellen anbe-
trifft, so ist es schwer etwas allgemeines darüber festzustellen. Schon die
Form der Sarkomzellen ist bekanntermassen sehr verschieden, so dass man
Rund-, Spindel- und Riesenzellensarkome unterscheidet; bei der Struktur
des Protoplasmas kommt noch dazu, dass es je nach Alter und Prolifera-
tionsfähigkeit der Geschwulst verschiedenartig sein kann. Wennz. B. van
Heukelomra das Protoplasma der Sarkomzelle als lichtopak und das Eosin
„lichtgraurot" gefärbt bezeichnet, so ist das eine recht weit getriebene
Schematisierung; da man in nicht wenigen Sarkomen kaum eine Zelle zu
treffen braucht, welche dieser Beschreibung entspricht. Wichtiger und
richtiger ist es, wenn er hervorhebt, dass die Abspaltung fibrillärer Inter-
cellularsubstanz nur bei langsam wachsenden Fibrosarkomen zu beobachten
war. Ich halte das sogar für eine Thatsache von prinzipieller Bedeutung
358
AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
und habe dem Verhalten der Sarkomzellen nach dieser Richtung besondere
Aufmerksamkeit geschenkt an Präparaten die möglichst lebensfrisch in
Flemmingscher, Zenkerscher oder Altmannscher Flüssigkeit fixiert
waren. Es haben sich dabei im wesentlichen drei Typen von Sarkom-
zellen ergeben, die schematisiert nebenbei abgebildet sind.
Typus 1 kommt nur in Fibrosarkomen und auch dort nur in den
festesten, zellärmeren Partieen vor; entspricht im wesentlichen dem Typus
normaler Bindegewebszellen ; besonders in Präparaten, die nach Flemming
oder Reinke mit Gentiana-Orange gefärbt sind, sieht man während der
i; 2.
3a.
2 a.
Mitose die fädige Struktur des Protoplasmas; zwischen den Fäden feine
Korachen; auch in Altmann-Präparaten demonstrierbar.
Typus 2. In festeren Spindelzellensarkomen vorkommend; ausge-
sprochene Granularstruktur des Protoplasmas, nur in der Peripherie
kleine, dünne Fäden nachweisbar; sowohl in der ruhenden, wie in der
sich teilenden Zelle. Während der Teilung (2 a) ziehen sich die Körner
etwas zurück, so dass um den Kern herum eine lichte Zone bleibt.
Typus 3. In sehr vielen Sarkomen, besonders auch in Riesen-
zellensarkomen vorkommend. Das Protoplasma grob und fein granuliert,
nirgends fibrilläre Struktur nachweisbar. Die Granulierung im Ruhezustand
sehr dicht, wird während der Teilung erheblich lockerer; die Granula \ie\-
fach nur noch in der äussersten Peripherie angehäuft {3 a).
In ein und demselben Sarkom können alle drei Typen vorkommen,
Typus 3 am häufigsten in rasch wachsenden Sarkomen mit vielen Mito-
sen. — Die prinzipielle Bedeutung dieser Befunde scheint mir darin zu
liegen, dass der Mangel der Intercellularsubstanz durch die ver-
änderte Fähigkeit der Zelle bedingt ist, welche in der Abweichung
von der normalen Struktur der Bindegewebszelle ihren morphologischen
Oeschwfilste, Sarkom. 359
Ausdruck findet. Und man könnte dann daran denken, dass eine fibril-
läre Intercellularsubstanz deswegen nicht gebildet werden kann, weil die
Proliferation der Zellen eine überstürzte ist und somit jede einzelne Zelle
nicht Zeit findet, den Höhepunkt ihrer funktionellen Ausbildung zu er-
reichen. Freilich ist es auch bei diesen Befunden recht schwer festzu-
stellen, was bereits in das Gebiet der Zelldegeneration hineingehört; doch
glaube ich, dass die Formen, die man nur in ganz jungen Knoten und
nur bei Anwendung der oben genannten Methode zu sehen bekommt,
einigermassen der Norm entsprechen. Ajiders ist es allerdings mit den
Granulationen, die man auch bei gewöhnlicher Konservierung zu sehen
bekommt, wobei dann auch die Grössenunterschiede der einzelnen Granu-
lationen bedeutender zu sein pflegen. Hier tritt die Veränderung des Zell-
inhalts auch dadurch hervor, dass die Granula verschiedene Tinktions-
fiihigkeit besitzen können. — Die übrigen Besonderheiten, die man oft
genug am Protoplasma der Sarkomzellen antrifft, wie Vakuolenbildung,
Zerklüftung, Auftreten von Hyalin und Fetttröpfchen, gehören in das Ge-
biet der regressiven Veränderungen. Die Pigment- und Glykogenbildung
dagegen scheinen der Ausdruck eines besonders gearteten Stoffwechsels
zu sein. Während auf die pigmentierten Sarkome unten noch näher ein-
gegangen werden muss, sei bezüglich der Glykogenbildung in der Haupt-
sache auf das Kapitel über die Glykogendegeneration verwiesen. Nur das
sei hier noch festgestellt, dass Glykogen in Knochen- und Hodensarkomen
fast regelmässig vorkommt und dass es der Ausdruck einer embryonalen
Abstammung zu sein scheint. Nicht aber lassen sich direkte Beziehungen
zur Mächtigkeit der ProHferation nachweisen, indem sowohl in äusserst
rasch wachsenden Sarkomen Glykogen fehlen, als auch in nur massig
schnell wachsenden vorhanden sein kann. Ob die Meinung vonA. Brault
(Society d'anatomie d. Paris, 9. Nov. 94) dass die Menge des Glykogens der
Proliferationskraft der Neubildung entspricht, richtig ist, dürfte auch noch
näher zu untersuchen sein.
ad 3. Was den Teilungsmodus der Sarkomzellen anbetrifft, so ist
besonders der indirekten Kernteilung und der Kemfragmentierung Auf-
merksamkeit geschenkt worden. Die indirekte Kernteilung kommt in Sar-
komen, wie in fast allen, besonders rasch wachsenden Neubildungen, in
ausgedehnter Weise vor. Klebs hat allerdings angegeben, dass er in Sar-
komen viel spärUcher Mitosen auffinden konnte, wie in Carcinomen ; wenn
er selbst schon keinen so grossen Wert darauf legte, so haben die Unter-
suchungen von Stroebe, Vitalis Müller u. a. gezeigt, dass auch in Sar-
komen die indirekte Zellteilung die grösste Rolle spielt. Ich selbst kann
auch nur bestätigen, dass man gerade in Sarkomen eine ungeheuere Menge
von Mitosen finden kann; es hängt das aber, wie immer, auch davon ab.
360 All gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
in welchem Stadium der Geschwulstentwickelung die Untersuchung vor-
genommen wird. — Bezüglich der Lagerung der Karyomitosen innerhalb
der Sarkome hatStroebe (9) die Meinung ausgesprochen, dass wenigstens
mitunter die Mitosen nicht diffus in der Geschwulst hegen, sondern Be-
ziehungen zu den Blutgefässen oder (bei den Alveolärsarkomen) zu den
Stromazügen erkennen lassen. So schildert er ein kleinzelliges Rundzellen-
sarkom, das besonders an den Endothelien der kleinen Grefässe imd den
Zellen der ihnen zunächst anliegenden Geschwulstpartieen reichlich Kern-
teilungen darbot, sowie ein plexiformes Angiosarkom der Schilddrüse, in
dem die centralen, den Blutgefässen direkt anliegenden Geschwulstzellen
die grösste Anzahl von Mitosen aufwiesen. Er glaubt sogar, dass die peri-
phere Lagerung der Karyokinesen in den Sarkomzellzügen in manchen
Fällen als Unterscheidungsmerkmal dienen kann bei der „oft recht schwie-
rigen Diflferentialdiagnose zwischen, Carcinom und Alveolarsarkom". Ich
muss auf Grund meiner Erfahrungen die Stroebeschen Beobachtungen
bestätigen, wenigstens für manche Fälle; aber es kommen auch Augiosar-
kome vor, in denen die Kernteilungen ganz unregelmässig verteilt liegen,
wie das vor allem in den Sarkomen, die nicht in so engen Beziehungen
zu den Blutgefässen stehen, geradezu die Regel ist. — Ein grösseres Inter-
esse haben diejenigen Mitosen in Anspruch genommen, welche als „patho-
logische'', von dem gewöhnlichen Typus abweichende bezeichnet werden.
Schon Heukelomm hat in Sarkomen eine „atypische" Kernteilung be-
schrieben, die zur Bildung von Riesenzellen führen soll und wobei die
Kemfiguren Kugelsegmente bilden sollen, deren konvexe Seiten einander
zugekehrt sind und die manchmal noch mit einzelnen Fäden anemander-
hängen; aber Klebs hat mit Recht diesen Beobachtungen wiedersprochen,
da es sehr zweifelhaft ist, ob die beschriebenen auf Fig. 5—11 abgebil-
deten Kernteilungen wirkliche Mitosen gewesen sind. — Er hat dagegen
selbst zuerst auf das Vorkommen atypischer Mitosen aufmerksam gemacht,
ohne allerdings gerade in Sarkomen denselben eine grössere Rolle zuzu-
weisen. Später ist die Frage eine brennende geworden durch dieHanse-
mannschen Untersuchungen, welcher in Carcinomen drei Arten von atypi-
schen Mitosen beobachtete, welche er für charakteristisch für diese Tumor-
gattung hält. Es sind das 1. die asymmetrischen Mitosen, 2. hypochroma-
tische Mitosen, 3. Mitosen mit versprengten Chromosomen. — Ohne hier
bereits auf die weitschauenden theoretischen Erörterungen Hansemanns
näher einzugehen, sei folgendes hervorgehoben. Unter asymmetrischen Mi-
tosen versteht Hansemann solche Teilungen, bei denen zwei Tochter-
zellen von verschiedener Chromosomenzahl gebildet werden und, wenn die
Zellteilung schon eingetreten ist, Zellen von verschiedener Grösse entstehen.
Hypochromatische Mitosen sind solche mit auffallend geringer Anzahl von
Geschwülste, Sarkom. 3g X
Chromosomen, während eine Versprengung von Chromosomen zwar auch
unter normalen Verhältnissen vorkommt, aber dann als pathologisch be-
trachtet werden muss, wenn die versprengten Chromosomen ganz ausser-
halb der Teilungsfigur oder sogar des Teilungsraumes liegen. — Während
Hansemann in neuerer Zeit selbst angiebt, die hypochromatischen Formen
und die Verirrung von Chromosomen in Carcinomen und Sarkomen ge-
funden zu haben, hält er noch daran fest, dass die asymmetrische Mitose
nur in Carcinomen vorkommt. Entgegengesetzte Angaben liegen da-
gegen von Stroebe und Vitalis Müller vor, von denen letzterer aller-
<üngs nicht ganz sicher ist, ob die in zwei Sarkomen gefundenen Mitosen
echte asymmetrische waren. Ich selbst glaube dagegen mit Sicherheit mehr-
mals in Sarkomen asymmetrische Mitosen gefunden zu haben und zwar
1. in einem Riesenzellensarkom der Schilddrüse, 2. in einem Angiosar-
kom der Parotis und 3. in einem grosszelhgen Sarkom der Oberschenkel-
muskulatur. Hypochromatische Formen und Versprengung von Chro-
mosomen habe ich sogar verhältnismässig oft in primären und meta-
statischen Sarkomen gefunden und zwar, um so , reichlicher, je rascher
das Wachstum der Geschwulst war. — Auf die biologische Bedeutung der
pathologischen Mitosen soll hier nicht näher eingegangen und in dieser
Beziehung auf das Carcinomkapitel verwiesen werden. — Dass neben dieser
bald reichlicher, bald spärlicher vorhandenen indirekten Kernteilung auch
amitotische Kernteilung in Sarkomen vorkommt, darauf haben in Bestätigung
von J. Arnolds Beobachtungen besonders Stroebe und V. Müller wieder
hingewiesen. Und zwar tritt die amitotische Kernteilimg sowohl als direkte
Segmentierung, wie als indirekte . Fragmentierung auf. Stroebe hat
^Iche Formen vor allem in Sarkomen gefunden und es ist wohl kein
Zweifel, dass wenigstens ein Teil der Sarkomriesenzellen durch indirekte
Kemfragmentierung entsteht. V. Müller ging näher auf die biologische
Bedeutung der amitotischen Kernteilung ein, ohne jedoch zu einem be-
stimmten Resultat zu kommen. Es scheint aber nach den neueren Unter-
suchungen von Schmaus und E. Albrecht sicher, dass vieles auch von
iStroebes Beobachtungen in das Gebiet der Karyorhexis hineingehört,
wobei ja entschieden Formen auftreten, die grosse Ähnlichkeit mit Mitosen
haben können; so gehören wohl in der ersten Arbeit Stroebes die Figuren 6
bis 8 auf Tafel IX sicher in das Gebiet der Karyorhexis. Wenn somit
diesen Bildern eine mehr regressive Bedeutung zugesprochen werden soll,
50 ist es doch nicht ausgeschlossen, dass sie zunächst einer Zellvermehrung
dienen sollen, aber infolge der überstürzten Art der Teilung bald zu
Grunde gehen. —
ad 4. Dem Auftreten der Leukocyten in bösartigen Neubildungen
und vor allem in Sarkomen ist schon von Siegbert van Heukelomm
362 Allgem. pathol. Morphologie nud Physiologie.
grössere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Er unterscheidet zwei Arten
von Leukocyten ; solche mit intensiv färbbaren runden Kernen und lichtem
Protoplasma und solche, deren Kerne verschiedenartig gestaltet sind,
Bisquitform aufweisen und nach seiner Auffassung als absterbende Ge-
bilde aufzufassen sind; in rein sarkomatösen Tumoren will er sie nur
spärlich gefunden haben, während sie um so häufiger vorkommen, je mehr
sich die Tumoren den Fibrosarkomen näherten. Doch beruht diese An-
gabe wohl nur auf der zu geringen Anzahl der untersuchten Tumon^n;
im allgemeinen gilt auch für das Auftreten der Leukocyten in Sarkomen,
dass sie um so reichlicher vorhanden sind, je zellreicher die Neubildung
und je rascher daher lokale Zerfallsherde auftreten. Klebs und Stroebe
beziehen zwar ihre Angaben über das Auftreten von Leukocyten in Tumoren
hauptsächlich auf Carcinome, doch giebt Stroebe (9, S. 15) ausdrücküch
an, dass er auch in den verschiedensten Sarkomen vereinzelte oder auch
herdweise gruppierte Leukocyten gefunden habe; und Klebs hat be-
kanntlich seine Beobachtungen über das Auftreten von weissen Blutkörper-
chen in Geschwulstzellen verallgemeinert und zur Theorie der autonomen
Neubildungen verwenden wollen, indem er annimmt, dass die in fixe Ge-
webszellen einwandernden weissen Blutzellen befruchtend einwirken und
ihr Chromatin zum Aufbau neuen Zellmaterials hergeben. Die Klebs-
schen Beobachtungen über das Auftreten von Leukocyten in Geschwulst-
und Stromazellen hat Stroebe durchaus bestätigt und in Anschluss an
Nikikoroff unter dem Namen der Phagocytose zusammengefasst. Da er
aber, ebenso wie Klebs, seine Beobachtungen nur an Carcinomen ge-
macht hat, soll erst dort genauer darauf eingegangen werden. Hier möchte
ich nur darauf hinweisen, dass man die gleichen Beobachtungen auch in
den verschiedensten Sarkomen, am reichlichsten nach meinen Erfalirungen
in perivaskulären Sarkomen und Endotheliomen machen kann; und dass
man ganz allgemein betrachtet diese P>scheinung dort am ausgedehntesten
wahrnimmt, wo irgend welche regressive Prozesse in den Geschwülsten
sich abspielen. — Der besonderen Art der in Sarkomen auftretenden
Leukocyten ist verhältnismässig wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden,
wenn man von den Angaben Unnas (10) über das Vorkommen von Plasraa-
zellen in Sarkomen absieht. Freilich hält ja Unna selbst die Plasmazellen
nicht für Leukocyten, sondern für Bindegewebszellen, die sich amitotisch
geteilt hätten und ferner ist es schwer seinen Begriff der Plasmazellen fest-
zulegen, da er fast alle Zellen, deren Protoplasma sich nach seiner Methylen-
blaumethode intensiv färbt, als Plasmazellen bezeichnet. Hält man sich
aber nur an seine älteren Angaben und an das, was von Mar schal köM
1) Über die sogenaonten PlasmazelleD. Arch. f. Dermatol. und Syphilis. Sonder-
abdruck.
Geschwülste, Sarkom. 363
als Krümelzellen bezeichnet, so ist es wohl doch kaum zweifelhaft, dass es
sich um Leukocyten handelt; denn das von v. Marschalkö hierfür an-
geführte ßeweismaterial erscheint nahezu erdrückend. Diese Zellen IBnden
sich nun nach Unna in Spindelzellensarkomen verhältnismässig selten
oder sogar gar nicht im eigentUchen Sarkomgewebe ; sondern sind nur an
der Grenze zum gesunden Gewebe vorhanden. Auch von Marse halkö
giebt an, die Plasmazellen oder Krümelzellen, wie er sie nennt, nur um die
erfasse herum in richtigen leukocytären Infiltraten gefunden zu haben.
Stets aber wurden sie unvermittelt ohne jeglichen Übergang zu den Ge-
schwulstzellen gefunden. Es wird damit und durch weitere Beobachtungen
die Angabe Unnas widerlegt, dass bei den Rundzellensarkomen die Plasma-
zellen „ein regelmässiges Vorstadium der Sarkomzellen" bilden; was ja
schon ohne weiteres ausgeschlossen werden dürfte, nachdem Marschalkö
die leukocytäre Natur der Unna sehen Plasmazellen erwiesen. — Aber
ausser diesen nur ausnahmsweise und hauptsächlich in der Peripherie von
Sarkomen vorkommenden Leukocyten findet man noch andere Leukocyten
nicht so selten in den verschiedenartigsten Sarkomen und zwar vor allem
auch Zellen mit acidophiler Granulierung; oft allerdings sehr spärlich
und nur in direktester Beziehung zu Blutgefässen oder grösseren Zerfalls-
herden; mitunter aber auch zahlreicher und diffus zwischen Sarkomzellen
zerstreut und ohne dass direkte Nekrosen nachweisbar sind. Freilich handelt
es sich auch dann wohl um einen Vorgang, der durch eine positive
(.Tiemotaxis veranlasst wird, wie auch daraus hervorgeht, dass auch inner-
halb der Gefässe eine Ansammlung von Leukocyten nachweisbar ist. Je
einfacher die Form der Sarkome und je gleichmässiger die Zellform, wie
das bei Fibrosarkomen und Spindelzellensarkomen vorkommt, um so spär-
licher ist die Zahl der Leukocyten; sobald jedoch eine ausgesprochene
Polymorphie der Zellen eintritt und gar Hyperchromatose und indirekte
Kernfragmentierung zu beobachten ist, werden Leukocyten so gut wie nie-
mals vermisst. Man wird wohl mit Recht daraus schliessen dürfen, dass
die Einwanderung und Ansammlung von Leukocyten durch Stoffe veran-
lasst wird, die beim beginnenden und vollendeten Zerfall von Geschwulst-
zellen frei werden; damit stimmt es auch überein, dass man in deutlich
zerfallenen Geschwulstpartieen wohl regelmässig Leukocyten antrifft, und
dass man die Erscheinungen der Phagocytose besonders reichlich an solchen
Zellen beobachten kann, welche regressive Veränderungen an den Kernen
(Karyorhexis und Karyolysis) erkennen lassen. — Dass sich die Leukocyten-
infiltration zur richtigen Eiterung steigern kann, wird natürlich auch be-
obachtet; entweder dadurch, dass Mikroorganismen von aussen her in das
Sarkom einwandern, oder dass von grösseren, namentlich an Hämorrhagieen
abschliessenden Nekrosen aus eine sich bis zur Eiterung steigernde Leuko-
364 Allgem. patbol. Morphologie and Physiologie.
cj^enauswanderung angeregt wird. — Wovon es abhängt, dass das eine
Mal hauptsächlich einkernige Leukocyten mit nur unregelmässig granuliertem
Protoplasma einwandern, das andere Mal acidophile Zellen austreten, lässt
sich noch nicht feststellen. Bemerkenswert ist nur, dass sich nicht selten neben
den acidophilen Zellen auch Russeische Fuchsinkörperchen im Sarkomge-
webe vorfinden. — Ausser richtigen Leukocyten findet man auch noch Wan-
derzellen, die wohl sicher von Bindegewebszellen abstammen, die echten
( Wald ey er sehen) Plasma- undEhrlichschen Mastzellen, welche sich von
Leukocyten erstens durch Form und Lagerung des Kerns, sowie durch die
bald eckige, bald länglichspindehge Gestalt des Zellleibes unterscheiden. Sie
sind fast ausnahmslos um die Blutgefässe herumgruppiert, finden sich,
wenn auch sehr selten, in Spindelzellensarkomen, wo sie dann die Ab-
grenzung des Geschwulststromas erleichtern; am häufigsten habe ich sie
in Angiosarkomen beobachtet ; sie zeigen ausgeprägte grobe Granulierung,
bei Färbung mit basischen AniUnfarbstofFen (besonders Sahlischem Borax-
methylenblau); mitunter sind sie aber auch amphophil, indem die Granula
auch durch saure Anilinfarbstoffe gefärbt werden können, wie ich namentlich
in einem an Elephantiasis faciei anschliessenden Gesichtssarkom beobachten
konnte. In zwei Fällen von Cylindrom der Parotis fand ich in der Nähe
von Gefässen Mastzellen, deren Granula ausgesprochene Gentianaamyloid-
reaktion gaben (nicht aber die Jodreaktion). —
b) Die speziellen Formen der Sarkome.
Es würde wenig Zweck haben hier nochmals auf alle bekannten
Zellformen der Sarkome einzugehen, zumal unsere Kenntnisse über die
Rundzellen- und Spindelzellensarkome nicht wesentlich gefördert worden
sind. Dagegen erscheint es wünschenswert, hier die besonderen Unterarten
der Sarkome, die kompliziertere Verhältnisse darbieten, zu besprechen:
1. Die Riesenzellensarkome; 2. die Angiosarkome mit ihren Unterarten:
Myxosarkome, Cylindrome, Endotheliome; 3. die Melanosarkome; 4. Miseh-
formen.
1. Die Riesenzellensarkome.
Litteratur.
1. Arnold, Über Kernteilung und vielkernige Zellen. Virch. Archiv. Bd. 98.
2. Krückmann, Über Fremdkörpertaberkulose und Fremdkörperriesenzellen. Virch.
Arch. Supplementheft zu Bd. 138. S. 118.
3. Manz, Ober Riesenzellen sarkome der weibl. Brustdrüse. Beitr. z. klin. Chirurg. Bd. Xlll.
S. 66.
4. Miura, M., Das primäre Riesenzellensarkom der Aorta thoracica. Internat. Beitrag
zur wissenschaftl. Med. Bd. IL S. 247.
5. Stroebe, 1.' c. Siehe S. 348.
6. Thoma, Lehrbuch. S. 708.
Geschwülste, Sarkom. 3(35
Unter den verschiedenartigen Sarkomen waren schon frühzeitig die-
jenigen aufgefallen, welche sich durch Reichtum an Riesenzellen auszeich-
neten. Dabei Hess sich stets feststellen, dass die Riesenzellen in ihrem
ganzen V^erhalten mit den Knochenmarksrieseuzellen übereinstimmten und
dass neben ihnen stets noch andere Zellen — rundliche, platte oder spin-
delige — die Hauptmasse des Tumors ausmachten. Da man die Riesen-
zellen zunächst nur in Knochensarkomen — myelogenen oder periostalen
— fand, so nahm man keinen Anstand, sie als Knochenmarksriesenzellen
anzusehen und auch noch jetzt wird in den Lehrbüchern fast ausschliess-
lich angegeben, dass Riesenzellen nur in Knochensarkomen vorkommen,
nur Thema (6) bemerkt gelegentlich, dass auch in Mammasarkomen
Riesenzellen beobachtet werden, ohne sich jedoch über die Bedeutung der
Zellen in diesen Tumoren irgendwie auszusprechen. Wohl beeinflusst durch
Ziegler, der zuerst sämtliche Riesenzellen von dem Gesichtspunkt der
Fremdkörperwirkung aus betrachtete, hat Stroebe (5) gelegentlich die
Bemerkung gemacht, dass das Auftreten von Riesenzellen in bösartigen
Geschwülsten auf eine Fremdkörperwirkung bezogen werden könnte.
Bestimmter ist diese Auffassung dann von Krückmann (2) entwickelt
worden, welcher 2 Fälle von Riesenzellenbildung in Sarkomen beschrieb,
und hierbei zu der Meinung kam, dass die Riesenzellenbildung nicht zu
dem Wesen der Geschwulst gehörte, sondern ein lediglich zufälliges At-
tribut derselben bildete und auf Fremdkörperwirkung zurückzuführen war.
In dem ersten Falle — einem Riesenzellensarkom der Scliilddrüse — wird
diese Auffassung begründet 1. dadurch, dass die unvermittelt im Tumor
auftretenden Riesenzellen nicht diffus, sondern auf wenige Stellen der
Geschwulst beschränkt liegen, 2. dass sie vorwiegend den Typus der
Riesenzellen mit wandständigen Kernen zeigen und 3. fast ausscliliesshch
in der Nähe von Pigmenthaufen liegen und selbst Blutpigment und
Glykogenschollen enthalten. Im 2. Falle — einem sarkomatösen Tumor
der Halsgegend mit ausgedehnter hyalin - amyloider Degeneration —
hatten sich die Riesenzellen f«ist ausnahmslos um die hyalinen und
amyloiden Schollen gebildet, denen sie kappenförmig aufsassen; auch ent-
luelteu sie vielfach in ihrem Protoplasma amyloide Stränge und Kugeln, so
dass es am wahrscheinUchsten erscheint, die Riesenzellen als Fremdkörper-
riesenzellen aufzufassen, die sich deshalb bildeten, weil das zu resorbierende
Material sich als eine äusserst widerstandsfähige, unverdauliche Masse
erwies. — Wenn auch diese Fälle zunächst Ausnalimen sind, so bringen
sie doch den prinzipiell wichtigen Nachweis , dass auch in Sarkomen das
Auftreten von Riesenzellen ein mehr zufälliges, nicht zum Wesen der Neu-
bildung gehöriges Ereignis sein kann. Aber, wie Krückmann bereits
angedeutet, bin ich geneigt, auch für andere Fälle die Auffassung zu ver-
366 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
treten, dass alle diejenigen Geschwulstzellen sich zu Riesenzellen um-
wandeln können, denen schwer resorbierbare Substanzen zugeführt werden;
so dass zwar eine rasch aufeinanderfolgende Teilung der Kerne, aber keine
Protoplasmateilung eintritt. Man würde dadurch das so häufige Vor-
kommen von mehrkernigen und Riesenzellen in Sarkomen der verscliie-
densten Organe erklären können, wie auch A r nold (1) schon beobachtet hatte.
Trotzdem ist in der Beurteilung des Vorkommens von ausgesprochenen
Riesenzellensarkomen an ungewöhnlichen Orten Vorsicht geboten und vor
allem auf den Typus der Riesenzellen grosses Gewicht zu legen. Wenn z. B.
Miura (4) ein primäres Riesenzellensarkom der Aorta thoracica beschreibt
mit zahlreichen Knochenmarkriesenzellen in einem Falle, wo auch Tu-
moren im Femurkopf und 4. Lendenwirbel vorhanden waren, so ist es
doch* bei weitem das wahrscheinUchste , dass es sich um einen metasta-
tischen Tumor der Aorta nach primärem Knochensarkom handelte. —
Was die Entstehung und Bildung der Riesenzellen anbetrifft, so hat schon
Arnold angegeben, dass die mehrkernigen Zellen sich durch Teilung des
einfachen Kernes einer Zelle sowohl nach dem Modus der indirekten Seg-
mentierung, als dem der indirekten Fragmentierung bilden; doch lassen
sich auch am Protoplasma randständige und endogene Abfurchungen
nachweisen. Stroebe hat diese Beobachtungen bestätigt, aber auch in
einigen Fällen von Knochensarkomen feststellen können, dass ein Teil der
Riesenzellen durch typische mitotische Karyokinese entsteht; und auch
Klebs giebt an, in den Riesenzellen von Knochensarkomen Mitosen ge-
funden zu haben, denen er wegen ihrer Grösse den Namen der Ries^^n-
mitosen gegeben hat. Wenn Stroebe meint, dass ein Teil der Riesen-
zellen auch durch Zusammenfliessen von Geschwulstzellen entsteht, so
scheinen mir seine diesbezüglichen Beobachtungen und Abbildungen zum
mindesten nicht völlig beweisend, da die vielkernigen, mit zahlreichen
langgestreckten Fortsätzen versehenen Protoplasmamassen immerhin eben
fertige Riesenzellen sind und die Fortsätze durch aktive Bewegung der
Zellen entstanden sein können. Dagegen glaube ich mit Stroebe, dass
ein Umbildung von Kapillaren in Riesenzellen vorkommt. Manz (3), der
2 Riesenzellensarkome der Brustdrüse untersuchte, nimmt eine doppelte
Entstehung der Riesenzellen an; ein Teil derselben entsteht aus wuchern-
den Elementen dul-ch vermehrte Kernteilung, ein anderer aus degenerieren-
dem Tumorgewebe durch Konfluenz des Protoplasmas absterbender Zellen.
2. Angiosarkome (Myxosarkome, Cylindrome, Endotheliome, Psammome).
Litteratur.
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18. De Paoli, Beitrag zur Kenntnis der primären Angiosarkome der Niere. Ziegl. Beitr.
Bd. Vni. S. 140.
19. Saltzmann, Studien über das Myxosarkom des Sehnerven. Arch. f. Ophthalmoi.
Bd. 39. IV. S. 94.
20. Salz er, Über ein primäres tubulöses Angiosarkom des Sehnerven. Arch. f. Ophtalmol.
Bd. 38. 3. S. 32.
*21. Siegert, Zur Histiogenese des primären Lungenkrebses. Virch. Arch. Bd. 134.
S. 287.
Der von Kolaczek auf Waldeyers Veranlassung eingeführte BegrifE der
Angiosarkome ist in neuerer Zeit vielfach der Gegenstand kritischer Erörte-
rung gewesen. Schon Golgi hatte dafür den Namen „Endotheliom'' ganz all-
gemein einführen wollen und auch Franke (9) hat bei Besprechung eines
sogenannten Cylindroma der Speicheldrüse sich gegen die Bezeichnung „An-
giosarkom" gewendet und den Namen Endothelioraa intravasculare vor-
geschlagen, da die Geschwulst stete von den Endothelien ausginge. Auch
Marchand und Eckardt (6) hatten bereits vorher für eine bestimmte
Gruppe von Eierstocksgeschwülsten den Namen „Angiosarkom" abgelehnt
und dafür die Bezeichnimg Endothelioma intravasculare bezw. lymphati-
cum vorgeschlagen. Lücken (14) dagegen betont, dass ein Teil der in
Frage stehenden Neubildungen auch von den Adveutitiazellen, dem Peri-
thel, ausginge, und daher die Bezeichnung Angiosarkom durchaus gerecht-
368 Al]gezn. pathol. Morphologie und Physiologie.
fertigt wäre; beteiligen sich aber auch die Endothehen der Blutgefässe an
der Neubildung, so empfehle sich die von Bizozzero vorgeschlagene Be-
nennung Angiüsarkoma endothelioides. v. Hippel (10) geht seinerseits wieder
so weit, die Bezeichnung Endotheliom zu beanstanden; er will das Endo-
theliom unter dem allgemeinen Begriff des Angiosarkoms rubrizieren und
dann zwei Arten von Angiosarkomen unterscheiden: 1. das Hämangiosar-
kom, welches von den Blutgefässwandungen und zwar fast regelmässig
den Adventitiftzellen ausgeht und 2. das Lymphangiosarkom, bei dem die
Geschwulstzellen von den Endothelien der Lymphgefässe und Saftbahnen
abstammen sollen. — Letztere Ansicht halte ich nicht für haltbar; wenn
man auch durchaus zugeben kann, dass der Begriff des Angiosarkoms
aufrecht erhalten werden muss, so ist es zu weit gegangen, das Endothe-
liom nur als Unterabteilung der Angiosarkome gelten lassen zu wollen.
Denn es giebt, wie namentUch Klebs (11), aber auch Braun (2) ausge-
führt haben, Endotheliome, die nicht als Sarkome angesehen werden dürfen.
Klebs spricht geradezu von Endothelio-Fibromen. Andererseits ist es
durchaus richtig, dass es Angiosarkome giebt, bei denen nicht die Endothel-
zellen, sondern die Perithelien die wuchernden Elemente bilden, wie man
andererseits auch solche finden kann, bei denen sowohl Perithelien, wie
Endothelien — letztere allerdings weit geringfügiger — proliferieren. Man
kann deswegen wohl dem Vorschlag v. Hippels zustimmen und die An-
giosarkome in Häm- und Lymphangiosarkome einteilen, muss aber daneben
die Endotheliome als nicht sarkomatöse Geschwülste bestehen lassen. Man
würde dann zu einer befriedigenden Einteilung gelangen, wenn man unter
Berücksichtigung der endotheUalen Sarkome die Angiosarkome einteilte in
I. Hämangiosarkome
a) intravaskulare (endothehoides) entsprechend dem Endothelioma
vasculare Ackermanns und anderer Autoren.
b) perivaskuläre.
II. Lymphangiosarkome entsprechend dem Endothelioma lymphaticum
und daneben noch den Ausdruck „EndotheUome" für die endothelialen,
nachweisbar nicht sarkomatösen Geschwülste reservierte. Als charakte-
ristische Merkmale würde man für die Hämangiosarkome dann angeben
müssen 1. den Reichtum an Blutgefässen, 2. das Auftreten von imi die
Blutgefässe angeordneten und in ihrer Anordnung durch den Verlauf der
Blutgefässe bestimmten Zellzügen mit spärlicher Intracellularsubstanz. Da
an den Gefässwänden der Angiosarkome wohl ausnahmlos schleimige oder
hyaline Entartung eintritt, welche sich auch noch weiter auf andere binde-
gewebige Teile erstrecken kann, so liefern die Angiosarkome naturgemäss
ein grosses Kontingent zu der Klasse der Myxosarkome und Cylin-
Geschwülste, Sarkom. 369
drome. Freilich sind durchaus nicht alle Myxosarkome Angiosarkome
indem, wie das schon bei der Besprechung der Myxome hervorgehoben
wurde, in jeder bindegewebigen Neubildung durch Cirkulationsstörungen,
insbesondere ödematöse Durchtränkung, eine Umwandlung von Bindegewebe
in Schleimgewebe stattfinden kann. Unter den Myxoangiosarkomen haben
in neuerer Zeit die plexiformen Geschwülste der Sehnerven grösseres Inter-
esse in Anspruch genommen, die namentlich Braunschweig (3) einer
monographischen Bearbeitung entworfen hat. Ganz allgemein von Braun-
schweig, Salzmann (19) und Salzer (20) wird hervorgehoben, dass die
in Frage stehenden Neubildungen nur bei Kindern oder Personen unter
20 Jahren vorkommen. Braunschweig hält die Krankheitsanlage für,
wenn nicht stets, so doch häufig embryonal. Salz er hebt sogar hervor,
dass die Tumoren ausschliessUch im Kindesalter vorkommen und nicht
selten kongenital sind, von Heredität war jedoch nichts nachweisbar. In
anatomischer Beziehung bezeichnet Salz er die Geschwülste als tubu-
löse Angiosarkome, welche von Blut- oder Lymphgefässen ihren Aus-
gang nehmen, häufiger von ersteren; wobei übrigens die Perithelien in
erster Linie als wuchernde Elemente in Betracht kommen. Auch Braun-
schweig' deutet das an, wenn er die Tumoren als Myxosarkome,, seltner
endotheliale Geschwülste bezeichnet. Regelmässig sind an den Zellcylindern
und Gefässwandungen Degenerationserscheinungen nachweisbar, welche
bald als myxomatöse, bald als hyaline bezeichnet werden. In dieser Beziehung
nähern sich die Tumoren bereits den unter dem Namen „Cylindrome'*
zusaramengefassten Neubildungen , welche überhaupt nicht durch eine
scharfe Grenze von den Myxosarkomen getrennt werden können. Sie sind
bekanntlich besonders häufig in den Speicheldrüsen, aber auch in anderen
Organen im Gehirn [Battaglia (1), Carter (4)] der Highmorshöhle
Marchand (15)] etc. beobachtet worden und auch die von Paltauf (17)
beschriebenen Tumoren der Glandula carotica stehen ihnen zum mindesten
nahe. Während Franke noch den Versuch macht , die Bezeichnung CyUn-
Jrom nur für eine besondere Geschwuistgattung zu reservieren, die er als
EudotheUoma intravasculare hyalogenes charakterisiert, ist von den ver-
schiedensten Seiten, wie schon früher von Virchow, die Ansicht verfochten
worden, dass unter dem Namen Cylindrom verschiedenartige Neubildungen
zusammengefasst worden sind; Ziegler (Lehrbuch) hat deswegen geradezu
eine Trennung vorgenommen, indem er von einem Sarcoma und Carci-
noma cyUndromatosum spricht. Am schärfsten hat sich wohl Lubarsch (12)
dagegen ausgesprochen, unter Cylindromen eine einheitliche Geschwulst-
gattung aufstellen zu wollen, wenn er ausführt, dass für die Aufstellung
des Cylindrombegriffs das Vorhandensein kugeliger und verzweigter hya-
liner Bildungen massgebend gewesen ist, so dass vielfach durchbrochene
Lnbarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteilung II. 24
370 Allgem. patho]. Morphologie und Physiologie
(plexiform angeordnete) Zellzüge entstehen. Er betont dann, dass derartige
hyaline Veränderungen des Geschwulststromas und Parenchyms sowohl in
Sarkomen, wie Carcinomen und Endotheliomen vorkommen imd schlägt
deswegen vor, nicht mehr von Cyündromen schlechthin, sondern von Sar-
coma, Carcinoma, Endothelioma cylindromatosum zu sprechen. Freilieh
darf man nicht mit Klebs der Meinung sein, dass hyaline Bildungen nur
in Tumoren parablastischer Abstammung auftreten können. Sicher ist es
auch, dass die glänzenden Schollen, Kugeln und verzweigten Cylinder.
welche den cylindromatösen Tumoren ihr charakteristisches Aussehen ver-
leihen, nicht nur auf hyaline Entartung zurückzuführen sind, sondern z. T.
aus echtem Schleimgewebe bestehen, wie das auch aus den Fällen von
ßattaglia und Carter, besonders aber den Ausführungen von Ohlens (IG)
hervorgeht, der einen Teil seiner Tumoren geradezu als Chondromyxoma
endotheliale bezeichnet und die Entstehung der Zellschläuche aus knorp-
liger und schleimiger Grundsubstanz nachweisen konnte. Bezüglich der
Entstehung der hyaUnen Bildungen kommt v. 0hl en zu dem Ergebnis,
dass 2 verschiedene Entstehungsweisen zu unterscheiden sind: 1. eine intra-
celluläre, wobei die hyaline Substanz in Vakuolen der Zelle abgelagert
wird , und 2. eine Ausscheidung hyaliner Substanz aus den Zellen in noch
tehende oder erst durch die Ausscheidung hervorgerufene feine Kanälchen.
Auch Marchand (15) vertritt ähnliche Ansichten. Er konnte in einem
Tumor der Ilighniorshöhle in runden und länglichen Räumen hyaline
Kugeln und Blasen finden, von denen er erstere sicher als Zellprodukte an-
sieht; die Blasen stammten zwar teilweise wohl auch von den Gesch^Tilst-
zellen ab, da sich Cbergangsbilder von vergrösserten Zellen bis zu den
hyahnen Blasen nachweisen liessen, doch glaubt Marchand, dass ein
Teil der Blasen auch von den hyalin und schleimig gequollenen Teilen
des Stromas ausgeht. Die Fälle von de Paoli (18) zeigen zum Teil eine
gleiche Entstehungsweise der glänzenden Bildungen, wie v. Ohien und
Marcliand angeben, doch hat hierLubarsch (13), welcher auch die Tu-
moren de Paolis als hypernephroide Geschwülste angesehen wissen \\ill,
auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es sich um Glykogen gehandelt habe.
In Driessens (5) Fällen von glykogenreichen Endotheliomen des Knochens
und der Niere ist das sicher der Fall, doch können diese Neubildungen
nach ihrem ganzen Bau nicht zu den eigentlichen Cylindromen gestellt
werden. Jedenfalls ist es durch die neueren Untersuchungen wohl sicher
gestellt, dass 1. die Cylindrome nicht einheitlicher Entstehung sind, 2. die
hyalinen Schollen und Cylinder sich in verschiedener Weise bilden können*).
1) Ich habe das (dieser Band S. 211) dahin formuliert, dass das in den Cylindromen
vorkommende Hyalin 1. ein sekretorisch, bezw. degenerativ intracellulär gebildetes, 2. ein
extracclluhir entstandenes Koagulationshyalin ist.
Geschwülste. Sarkom. 371
Im besonderen möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Thatsache,
«iass wohl alle Angiosarkome und Endotheliome den Beginn einer hyalinen
Entartung aufweisen, für die Theorie der hyalinen Degeneration von Wichtig-
keit ist imd wie die von mir gefundene Thatsache, dass nicht selten in
den Cylindromen auch amyloide Degeneration auftritt, eine gute Illustration
für den Satz von Recklinghausens bildet, dass zwischen schleimiger,
hyaliner und amyloider Entartung scharfe Grenzen nicht bestehen. (Vergl.
hierüber diesen Band S. 218, 219). Mehrfach wurde auch erörtert, ob die
Endotheliome und Cylindrome als wirklich bösartige Neubildungen ange-
sehen werden dürfen. Aus dem vorher Ausgeführten geht schon hervor,
«Icoss eine allgemeine Beantwortung dieser Frage nicht möglich ist, aber
ich glaube auch kaum, dass sie für diese Geschwülste eines einzelnen Or-
gaus allgemein beantwortet werden kann. Carter hat z. B. die Cylindrome
des Gehirns für gutartig erklärt, während ihnen Battaglia gerade den
Namen Angiomyxosarkome beilegt. Nur das kann man im allgemeinen
als sicher hinstellen, dass die überwiegende Anzahl der in Frage stehenden
Neubildungen verhältnismässig langsam wächst und dass sie im ganzen
keine Neigung zur Metastasenbildung zeigen. Das gilt sowohl für die Ge-
schwülste mit ausgesprochener CyUndromstruktur, wie für die eigentlichen
Endotheliome. Braun (2) hat deswegen zur kHnischen Differentialdiagnose
zwischen Carcinomen und Endotheliomen der Haut gerade hervorgehoben,
dass letztere langsam wachsen, zwar regionäre Recidive aufweisen, aber
Lymphdrüsen und weitere Metastasen nur ganz ausnahmsweise hervor-
bringen. Das gilt entschieden auch für die Myxoangiosarkome und Cylin-
drome der Speicheldrüsen, von denen Metastasen kaum jemals bekannt
geworden sind. Doch habe ich wenigstens Lymphdrüsenmetastasen bei
verschiedenen Cylindromen beobachtet.
In gewisser Beziehung schliessen sich die Psammome den Cylin-
dromen direkt an. Auch deswegen, weil die Bezeichnung der Geschwulst
von einem mehr zufälligen Attribut herrührt und man streng genommen
Psammofibrome, Psammogliome, Psammosarkome, -Ade-
nome und -Carcinome unterscheiden müsste, wie das z. B. auch
Thoma teilweise thut. Weiter besteht auch darin eine grosse Almlich-
keit mit Cylindromen, dass wenigstens der grösste Teil der als Psam-
mome bezeichneten Neubildungen in das Gebiet der Angiosarkome und
-Fibrome hineingehört und der Bildung der geschichteten Kalkkonkre-
mente eine hyaline Entartung von (iefässwänden und Geschwulstzellen
vorausgeht. Ernst (7) hat das ja in neuerer Zeit besonders für die eigent-
lichen Psammome des Dura mater wieder mit Hilfe der van Gieson-
«lien Färbung sehr deutlich nachgewiesen. Während in seinen Fällen
die Bildung der Psammomkugeln durch hyaline Umwandlung von Gefäss-
24*
372 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Wandungen bei weitem überwog, tritt dagegen in den Cystopsammoade-
nomen und -Carcinomen der weiblichen Geschlechtsorgane mehr die Bil-
dung aus absterbenden epithelialen Zellen (Marchand, Flaischlen,
Pfannenstiel ni. a.) oder aus hyalinen, aus den Zellen ausgeschiedenen
Kugeln und Klumpen (Bizozzero, Lubarsch) inden Vordergrund.
Eine besondere Stellung nehmen endlich unter den Endotheliomeü
die Neubildungen ein, welche von E. Wagner, A. Thierfelder und
Neelsen u. a. als Endothelkrebse beschrieben worden sind. Wenn auch
die Bezeichnung Endothelkrebs keine glückliche ist, da wir unter Krebsen
bekanntlich jetzt nur epitheliale Neubildungen verstehen, ist es doch nicht
erlaubt die z. T. sehr sorgfältigen Untersuchungen über diesen Gegenstand
ganz zu ignorieren oder zu bezweifeln, wie das mehrfach geschehen ist
Auch Orth nimmt in seinem Lehrbuch (Bd. 1, S. 278, 571, 486) eine
etwas skeptische Stellung dazu ein, wenn er die Frage des Endothelkrebses
für noch nicht genügend geklärt ansieht und mehrfach bemerkt, dass
manches echte Carcinom als Endothelkrebs bezeichnet sein mag. Freilich
ist ein gewisser Scepticismus deswegen berechtigt, weil eine verhältnis-
mässig grosse Anzahl von Fällen aus Rostock berichtet sind, wo leider
die Sektionen nicht immer vollständig gemacht werden können und auch
z. T. in den beschriebenen Fällen nicht vollständig gemacht wurden.
Sicherlich ist eine besondere Vorsicht in solchen Fällen angebracht, wo
nicht nur diffuse Verdickungen der serösen Häute vorliegen, sondern echte
knotenförmige Neubildungen in den serösen Häuten, Lunge und Leber
erscheinen, deren histologische Struktur mit Cylinderepithelkrebsen fast
vollständig übereinstimmen kann. In solchen Fällen wird es vor allem
durchaus nötig sein durch die genaueste und vollständigste Sektion das
Vorhandensein eines echten primären Epithelkrebses auszuschliessen.
Denn die histologischen Unterschiede, welche vielfach betont werden, sind
nicht immer evident. Handelt es sich allerdings um Fälle, wie A. Fran-
ke 1 (8) neuerdings einen beschrieben hat, so liegen die Verhältnisse recht
einfach und deutlich. Hier bestanden nun derbschwartige, milch weisse
Verdickungen und netzartige Vertiefungen der beiden Pleurablätter, nirgends
Knoten- oder Knollenbildungen. Auch liess sich mikroskopisch aufs
deutlichste demonstrieren, dass die Endothelien der Lymphspalt^n zu
grossen polymorphen Zellen umgewandelt waren, welche in Strängen
z. T. krebsalveolenartig angeordnet waren. Keinem Zweifel unterliegt es
auch, dass differentialdiagnostisch gegenüber dem Carcinom der Nachweis
von Wichtigkeit ist, dass die LymphgefässendotheUen völlig in die Ge-
schwulstwucherung aufgehen, während bei einem sich in den Ljrmph-
spalten weiterverbreitenden Carcinom daneben die LymphgefässendotheUen
ei'halten sind, komprimiert, allenfalls auch hydropisch gequollen, aber
Geschwülste, Sarkom. 373
üicht gewuchert erscheinen, wie das schon von Neelsen (15a) eingehend
auseinander gesetzt ist und neuerdings auch von Siegert (21) für die
Lymphangitis carcinomatosa der Pleura und Lungen betont wird. Aber
es giebt eben Fälle, wo diese difEerential diagnostischen Merkmale nur
mit den grössten Schwierigkeiten nachgewiesen werden können oder sogar
infolge völligen Zugrundegehens der Lymphgefässendothehen bei vorge-
schrittenen Krebsen ganz in Stich lassen. Es genügt hier wohl der Hin-
weis, dass selbst bei Anwendung der Versilberungsmethode einem Unter-
sucher wie Koste r bei primären Carcinomen Bilder zu Gesicht kamen,
die ihn zur Aufstellung der bekannten Ansicht über die Abstammung der
Krebsepithelien von Lymphgefässendothehen veranlassten. Deswegen wird
es immer von eminenter Wichtigkeit sein, neben der histologischen Unter-
suchung die grob-anatomische Untersuchung mit besonderer Genauigkeit vor-
zunehmen. Ich verfüge nun unter Anwendung dieser Kautelen über 3 Fälle,
welche durchaus nicht anders, wie als primäre Endothelkrebse angesehen wer-
den dürfen. Der eine ein Endothelkrebs der Pleura und Lunge mit Metastasen
m der Leber (S. N. 32, 1891/92), der zweite Fall ein primärer Endothel-
krebs des Peritoneum mit Metastasen in den retroperitonealen Lymph-
knoten (S. N. 76, 1892/93) und der dritte Fall ein primärer Endothelkrebs
des peribronchialen Gewebes ohne stärkere Beteiligung der gesamten Pleura
(S. N. 98, 1894/95). In zweien dieser Fälle wurde nicht nur die Sektion in
vollständigster Weise gemacht, sondern auch solche Stellen des Körpers
auf primäre Carcinome untersucht (Nasenhöhle, Stirnhöhlen und Highmors-
höhle), die nach Sitz und Ausbreitung der Tumoren kaum als primäre
Krebse in Betracht kommen konnten. In allen Fällen waren wohl hier
und da Stellen zu finden, wo kaum eine Verwechselung mit Carcinomen
möglich war; besonders gilt das von dem Endothelkrebs des Peritoneum,
in dem auch vorwiegend diffuse retrahierende Verdickungen und nur wenige
Knoten vorhanden waren. Dagegen wiesen die Lebermetastasen des Pleura-
endothels die allergrösste Ähnhchkeit mit Carcinomknoten auf, besonders
dadurch, dass liier die Zellen teilweise geradezu wie hohe Cylinderepithelien
aussahen, und es in der Leber bekanntlich schon normalerweise schwer
genug ist die Lymphgefässendothehen nachzuweisen. Am eigenartigsten
war aber der dritte Fall, der auch in seinen klinischen Symptomen
mit den Endothelkrebsen der Pleura übereinstimmte. Thatsächlich bestan-
den auch ausgedehnte schwartenartige Verdickungen der Pleura, die aber
glatt waren, und zwar hier und da Schwellung und geringe Wucherung
der LympfgefässendotheUen, nirgends aber die deutlichen Bilder des Eudo-
thelkrebses erkennen Hessen ; dagegen befand sich dicht am Hilus, um einem
grösseren Bronchus herum, eine fast knotenförmige weissliehe Tumormasse,
die allerdings an emer Stelle den Bronchus geradezu ringförmig umgab.
374 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Hier fanden sieli mikroskopisch die deutlichsten Bilder des Endothelkrebses.
die auch noch weiter im Unterlappen an zahlreichen Lymphgefässen, aller-
dings weniger deutlich auffielen und auch teilweise in Form von gelbhcheii
Streifen schon makroskopisch sichtbar waren. Es handelte sich hier um
eine seltenere Form des Endothelkrebses der Lunge, wo die Wucherung am
stärksten die gröberen peribronchialen Lymphgefässe befallen hatte, während
man sonst, wie auch Siegert angiebt, entweder die oberflächlichen pleuralen
Lymphbahnen oder die inneren pulmonalen ergriffen sieht. — Lnmer aber han-
delt es sich — und das stimmt auch für unsere Fälle — um eine Erkrankung
des Lymphgefässsystems, so dass man eigentlich nicht von Metastasen reden
dürfte, sondern von einer diffusen Ausbreitung oder Generalisation, die aber
selbstverständlich auch verschiedene Dimensionen annehmen* kann. Freilich
halte ich es deswegen noch nicht für erlaubt mit Ne eisen und Fränkel
den Prozess ohne weiteres als einen chronisch entzündUchen oder gar infek-
tiösen (Ne eisen) aufzufassen, wenn ja auch sicherlich viele Analogieen zu
den infektiösen Prozessen vorhanden sind. Denn die im Gefolge verschieden-
artiger Entzündungen auftretenden Wucherungen von Lymphgefässendo-
thelien (Baumgartens Lymphangitis hyperplastica) unterscheiden sich
doch vor allem durch ihre rein lokale Ausbreitung und völlige sekundäre
Bedeutung von den sogen. Endothelkrebsen. — Warum gerade in Ro-
stock die Endothelkrebse so häufig sind, darüber lässt sich natürlich bei
der völligen Unkenntnis über die Ätiologie nichts aussagen. Das aber sei
hier bemerkt, dass nach meinen Erfahrungen, gerade in Rostock mannig-
fache abweichende Erscheinungen an bösartigen Neubildungen auftreten
und Tumoren, die an anderen Orten zu den Seltenheiten gehören, gerade
in Meklenburg relativ häufig vorkommen.
3. Die Melanosarkome.
Litteratur.
1. Abel, John, Bemerkungen über die tierischen Mel annine und das Hämosiderin. Vircb.
Arch. Bd. 120.
2. Berdez und Nencki, Über die Farbstoffe der melanotischen Sarkome. Arch. f.
experiment. Pharmakol. u. Pathol. Bd. 20. S. 346.
3. Brandl und Pfeiffer, Beitrag zur Kenntnis des Farbstoffs melanotischer Sarkome
nebst Bemerkungen Über einige Eigenschaften der sogenannten melanogenen Substanz
im Harn. Zeitschr. f. Biologie. Bd. 26. S. 348.
4. B runer, Ein Fall von Melanosarkom der Choroidea. Inaug.-Dissertation. München 1890.
5. Green, Über Naevi pigmertosi und deren Beziehung zum Melanosarkom. Vir eh.
Arch. Bd. 134. S. 331
6. Hennig, Über Kombination einer Hypertrichosis mit Pigmentsarkom. Berichte der
med. Gesellsch. in Leipzig. Schmidts Jahrb. Bd. 244. 8. 264.
7. Hamburger, Ein Tumor an der Pleura diaphragmatica einer Kuh imd eine Bemerk-
ung über das Pigment von Melanosarkomen. Vir eh. Arch. Bd. 117. S. 427.
8. L a n z . Experimenteller Beitrag zur Frage der Übertragbarkeit melanotischer Geschwülste.
Festschr. z. 25 jähr. Doktorjubiläum von Th. Kocher. S. 299.
Geschwttlste, Sarkom. 375
9. Lehmann, Demonstration eines Falles von Melanosarkom. Deutsch, med. Wochenschr.
1892. Nr. 43.
10. Mörner, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1887. Bd. 21. S. 66.
11. Oppenheimer, Beiträge zur Lehre der Pigmentbildong in melanotischen Geschwülsten.
Virch. Arch. Bd. 107. S. 515.
12. Rindfleisch und Harris, Eine melanotische Geschwulst des Knochenmarkes
Virch. Arch. Bd. 103. S. 344.
13. Schmidt, M. B., Über die Verwandtschaft der hämatogenen und autochthonen Pig-
mente und deren Stellung zum sogenannten Hämosiderin. Virch. Arch. Bd. 115.
8. 397.
U. Talko, Ein Fall von Goloboma nervi optici et melanoma processua ciliaris. Klin.
Mouatsbl. f. Augenheilkunde. Bd. 30. S. 134.
15. Unna, Naevi und Naevi carcinome. Berl. klin. Wochenschr. Bd. 30. Nr. 1.
16. Wallach, Ein Beitrag zur Lehre vom Melanosarkom. Vir oh. Arch. Bd. 119. S. 175.
IT. Walter, Ein Fall von primärem Melanosarkom der Orbita. Zehenders klin. Monats-
blatt f. Augenheilkunde. 1893. S. 357.
Wie früher so steht in der Lehre von den melanotischen Neubildungen
die Frage nach der Herkunft des Pigmentes im Vordergrund des Interesses.
Wird das Pigment aus dem Blutfarbstoff gebildet oder entsteht es durch
eine metabolische Thätigkeit der Sarkomzellen? Die erste Auffassung ist
bekanntlich zuerst von Langhans näher begründet worden, der bei seinen
grundlegenden Untersuchungen über Pigmentbildung auch die Melano-
sarkome in das Bereich seiner Untersuchungen zog, und folgende Punkte
als Beweise für seine Ansicht in den Vordergrund stellte. 1. Die Form
des Pigmentes; 2. die Verteilung, die vielfach derartig ist, dass nur die
dicht um die dünnwandigen Gefässe herumhegenden Geschwulstzellen Pig-
ment enthalten, während die entfernter liegenden völHg unpigmentiert sind.
Wenn diese beiden Punkte auch eine gewisse Stütze für die erste Auf-
fassung boten und* sich die Anschauung von der hämatogenen Entstehung
des melanotischen Pigmentes grosser Verbreitung erfreute, so waren es doch
zwei Momente, welche der entgegengesetzten Auffassung zu Hilfe kommen,
1. die chemische Untersuchung des Farbstoffs, welche keine Übereinstim-
mung mit dem Blutfarbstoff ergab ; 2. der negative Ausfall der Eisenreaktion
in mikroskopischen Schnitten der melanotischen Tumoren. Die eingehende
chemische Untersuchung des melanotischen Pigmentes aus metastatischen Me-
lanosarkomen der Milz und Leber vom Menschen und von Pferden führte
nämlich Berdez und Nencki (2) zu dem Resultat, dass nicht die geringste
chemische Beziehung zwischen den Farbstoffen der melanotischen Sarkome
und dem Blutfarbstoff bestehen; das Hämatin enthält Eisen, aber keinen
Schwefel, der namentlich in den Sarkomen menschlicher Organe bis zu
Kjo/o betragen kann. Die Formel, welche Berdez und Nencki für das
von ihnen Phymatorhusin genannte Pigment aus dem menschlichen Sarkom
tinden konnten, lautet C42HgßN7S303, während das Ilippomelanin (der schwarze
376 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Farbstoff aus den Melanosarkomen eines Schimmels) die Zusammensetzung
C42H86N7SOt7 zeigte. Da sie ferner berechnen konnten, dass in dem K()q>er
des am Melanosarkora verstorbenen Menschen mindestens 500 g Schwefel
vorhanden war, ungerechnet alle die Mengen, die durch den Harn ausge-
schieden wurden, so kommen sie zu dem Schluss, daas der Farbstoff durch
einen gewissen Stoffwechsel aus dem Körpereiweiss gebildet wird und sie
vergleichen den Vorgang geradezu mit der physiologischen Liquidation
des Gewebseiweisses in der Laichzeit des Rheinlachses. — Da die Ergeb-
nisse der B er dez-Nencki sehen Untersuchungen sich wesentlich auf
zwei Fälle stützten, so konnte es an Opposition nicht fehlen. So geben
denn auch Mörner (10), Brandl und Pfeiffer (3) und Wallach (li)]
an, aus Melanosarkomen einen eisenhaltigen Farbstoff isoliert zu haben.
Mörner will, sowohl in einem Melanosarkom, wie im Pigment des Urins,
den er von einem Patienten mit multiplen Melanosarkomen erhalten hatte
0,2®/o Eisen nachgewiesen haben, Brandl und Pfeiffer sogar 0,52V
und auch Wallach behauptet aus reinem Pigment eines melanotischen
Tumors, der ihm von Rindfleisch übergeben war, mittels einer beson-
deren Methode Eisen dargestellt zu haben, ohne jedoch quantitative An-
gaben zu machen; Mörner meint sogar, dass das Fehlen von Eisen
in den Untersuchungen von Berdez und Nencki nur auf die Behand-
lungsweise mit lO^/o Salzsäure zurückzuführen sei. Andererseits haben
Landwehr und Miura, femer auch Hamburger (7) die Angaben
Nenckis über das Fehlen von Eisen in den Melanosarkomen bestätigt und
auch Mörner, sowie Brandl und Pfeifer haben den oft sehr bedeuten-
den Gehalt an Schwefel zugeben müssen, Abel (1) hat dann nachgewiesen,
dass der geringe P^isengehalt, welcher in den Präparaten Mörners neben
anderen anorganischen Bestandteilen vorhanden war, eben aus
der Asche stamme , wie man auch aus tierischen Kohlehydraten, Glykogen
und tierischem Gummi nur schwer das Eisen entfernen könne. Nencki
hat dann weiter noch den Nachweis geführt, dass das Pigment in mensch-
lichen Sarkomen nicht immer gleichartig ist, sondern in einem Falle, wo
der primäre Herd im Auge gesessen hatte, mehr mit dem Choroidealpigment
in der Zusammensetzung übereinstimmte, während das von melanotischen
Hautgeschwülsten eines Schimmels gewonnene Hippomelain fast gar nicht
von dem Melanin der Rosshaare abwich. — Man wird deswegen durchaus
zu dem Schlüsse kommen müssen, dass die Elementaranalyse des Pigmentes
melanotischer Tumoren keine Stütze für die hämatogene Abkunft des Pig-
mentes darbietet. — Andererseits ist man aber nicht müde geworden, das
melanotische Pigment der Eisenreaktion zu unterv^'erfen und durch einen
etwaigen positiven Ausfall der Reaktion den Beweis von der Abstammung
aus dem Blutfarbstoff zu erbringen. Zwar war ja durch die Untersuchungen
Geschwülste, Sarkom. 377
M. B. Schmidts (13) der Beweis erbracht, dass auch echtes häinatogenes
Pigment wieder eisenfrei werden kann oder das Eisen jedenfalls nicht als
Eisenalbuminat oder Eisenoxydsalz zu enthalten braucht (so dass die Eisen-
reaktion negativ ausfällt), aber immerhin musste doch nach den herrschen-
den Anschauungen in dem positiven Ausfall der Eisenreaktion eine Stütze
der alten Langhans sehen Ansicht gefunden werden. Perls und viele
andere hatten sich zwar vergeblich Mühe gegeben, in Melanosarkomen die
Eisenreaktion zu erzielen, aber in neuerer Zeit liegen doch positive An-
gaben vor. So beschreibt Rindfleisch und Harris (12) in einem meta-
statischen Melanosarkom der Leber spindelige Zellen mit diffusem, die
Eisenreaktion gebenden Pigment, Hamburger fand in einem von ihm
als Chondrofibromelanosarkom bezeichneten Tumor der Pleura einer Kuh
in der Nähe eines grösseren Blutungsherdes innerhalb der Sarkomzellen
eisenhaltiges Pigment, und Walter (17) beschreibt in einem Sarkom der
Orbita wie schon vorher Vossius in Melanosarkomen der Choroidea und
Konjunktiva, eisenhaltiges Pigment besonders an der Grenze der Neu-
bildung, während Bruner (4) bei einem Fall von Melanosarkom der
Choroidea die hämatogene Entstehung mehr morphologisch beweisen will,
iu dem er alle Übergänge von den ausgetretenen roten Blutkörperchen
zu den Pigmentschollen auffindet. Es fragt sich nur, ob diese immerhin
spärlichen positiven Fälle gegen die Untersuchungen von Berdez-Nencki
ins Gewicht fallen können. Dazu sei zunächst bemerkt, dass in der über-
wiegenden Anzahl von melanotischen Tumoren — gleichviel ob Melano-
tibrome, eigentliche Naevi oder Melanosarkome — die Eisenreaktion negativ
ausfällt. Ich habe seit vielen Jahren keine meJanotische Geschwulst
untersucht, ohne die Eisenreaktion auszuführen, und doch nur 3 mal im
ganzen ein positives Ergebnis gehabt. Diese Fälle setzen mich gut in den
Stand, die Angaben der anderen Autoren zu beurteilen. Es ist an und
für sich auffallend, dass kein einziger Autor etwa an sämtlichen pigmen-
tierten Zellen die Eisenreaktion erhalten hat: immer sind es n^r vereinzelte
Stellen, wo die Reaktion positiv ausfiel, oder, wie das auch vorkommt,
liegt das eisenhaltige Pigment gar nicht in dem eigentlichen Geschwulst-
parenchym, sondern im Geschwulststroma. Findet man in gefärbten Sarkomen
eisenhaltiges Pigment, so liegen zwei Möglichkeiten vor: entweder es handelt
sieh um Blutungen, die in den melanotischen Sarkomen um so eher vor-
kommen können, als sie typische Angiosarkome sind, oder es handelt sich
überhaupt nicht um melanotische Tumoren, sondern um Sarkome, in deren
Stroma es zu ausgedehnteren Blutungen gekommen ist. Der letztere Fall
scheint mir vorhanden zu sein, in den Fällen von Rindfleisch und
Harris, von Hamburger und von Walter, wo auch nach den Be-
schreibungen das Pigment nicht in den mehr endothelialen Zellen des
378 Allgem. patfaol. Morphologie und Physiologie.
Parenchyms, sondern den mehr spindeligen des Stromas lag. Ich habe
vor kurzem einen ganz ausgezeichneten derartigen Fall beobachtet. Es
handelte sich um ein scheinbar melanotisches Sarkom des Augenhinter-
grundes, das sich namentlich um die Papille herum und bis dicht an die
Augenmuskeln ausgebreitet hatte. Mikroskopisch war es ein ausgeprägtes
Angiomyxosarkom mit reichlicheren Blutungen und Blutpigment, welches iii
ausgezeichneter Weis^ die Eisenreaktion gab; aber nirgends lag das Pig-
ment in den eigentlichen Geschwulstzellen, sondern stets im Geschwulst-
stroma und auch weiter entfernt zwischen den Muskelbündeln in wuchernden
spindeligen und rundlichen Zellen. Ganz besonders interessant war es
aber, dass die Metastase des Tumors in den Lungen vollkommen pigment-
frei war. Nun glaube ich gern, dass nicht alle Fälle so rein sind, wie der
erwähnte, obgleich in den meisten Fällen die Beschreibung über das eisen-
haltige Pigment in den „Sarkomzellen" eine so summarische ist, dass Zweifel
daran, ob es wirklich in den Sarkomzellen lag, nur zu berechtigt sind;
aber auch wenn wirklich das eisenhaltige Pigment wohl in dem eigentlichen
Geschwulstparenchym gefunden ist, — ich habe es nie dort gesehen — so
könnte es dorthin gelangt sein entweder aus Wanderzellen importiert, oder
von den beweglichen jungen Geschwulstzelleu selbst aus roten Blutkörper-
chen fabriziert. Aber es würde sich dann um etwas handeln, was nicht
zumWesen der Neubildung gehört, sondern ein rein zufälliges,
seltenes accidentelles Ereignis ist. Wir würden dann eben aus
diesen vereinzelten Ausnahmen nicht auf die Genese des Pigmentes in den
eigentlichen Pigmentsarkomen schliessen dürfen. — Von grosser Wichtig-
keit für diese Frage ist es, ob die melanotischen Tumoren nur von solchen
Stellen ausgehen können, an denen schon normalerweise melanotisches
Pigment vorkommt (Choroidea, Haut), oder ob sie auch in anderen Organen
sich primär entwickeln. Die meisten Autoren verneinen das letztere und
man wird wohl mit Recht sagen dürfen, dass sichere Beweise hierfür nicht
vorUegen. Der Fall von Rindfleisch und Harris ist sicher unbeweisend;
denn hier wo angeblich der Primartumor im Knochenmark gesessen haben
soll, war ein kleiner Geschwulstkuoten in der Bauchhaut vorhanden, frei-
lich nach Rindfleischs Angabe „sicher metastatisch''. Leider sind Gründe
dafür nicht angegeben, und da unter Umständen die Entscheidung, ob ein
melanotischer Hauttumor primär oder metastatisch ist, grosse Schwierig-
keiten machen kann, wird man berechtigt sein, das erstere anzunehmen. —
Was die Metastasen der Melanosarkome anbetrifft, so sei hier bemerkt,
dass man mitunter in einem Organ nur unpigmentierte, in einem anderen
Organ vorwiegend pigmentierte Metastasen antrifft; so habe ich in einem
Falle von Melanosarkom der Haut unpigmentierte Metastasen in Lymph-
knoten und Netz, pigmentierte in der Leber gefunden. Solche Befunde
Geschwülste, Sarkom. 379
sind zwar mehrdeutig, aber sie sprechen doch auch nicht gerade für die
hämatogene Theorie. Auch Oppenheimer hat einen Fall beschrieben, in
dem der primäre Tumor und eine grosse Anzahl von Metastasen fast völlig
uupigmentiert waren, während eine Gehirnmetastase aus einer sepiafarbenen
Masse bestand. Da aber sowohl in meinem Falle, wie in dem von Oppen-
heimer auch die unpigmentierten Tumoren Angiosarkomo waren, kann
man eigen tUch nicht meinen, dass hier die Gelegenheit zu Blutungen ge-
fehlt habe; sondern aus durchaus unbekannten Gründen muss den Zellen
an bestinunten Körperteilen die Fähigkeit zur metaboUschen Umwandlung
von Zelleiweiss in Pigment gefehlt haben. Jedenfalls weisen alle oben
angeführten Gründe und vor allem der starke Schwefelgehalt des Melanins
darauf hin, dass das Pigment durch eine spezifische Zellthätigkeit gebildet
wird aus eiweisshaltigem Material, das wohl vom Blute aus den Geschwulst-
zellen zugeführt wird. Die von Langhans hervorgehobene Thatsache,
die ja in der That auffallend genug und oft sein* scharf nachweisbar ist,
dass die dicht um die Gefässe herumgelegenen Zellqn der Neubildung am
meisten Pigment enthalten, kann dann dadurch erklärt werden, dass
diese Zellen die betreffenden Stoffe am direktesten und reichlichsten zu-
geführt erhalten. Auch die von mir gefundene Thatsache, dass in melanoti-
sehen Neubildungen niemals Glykogen vorkommt, spricht dafür, dass es
sich bei der Bildung des raelanotischen Pigmentes um eine spezifische Ände-
rung des Stoffwechsels der Zelle handelt. —
Was den besonderen Bau der Melanosarkome anbetrifft, so ist oben schon
verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass es meist alveolär gebaute
Angiosarkome sind. Diese längst bekannte Thatsache hat Unna (15) dazu
veranlasst, die Behauptung auszusprechen, dass die von Naevis ausgehenden
bösartigen Neubildungen nicht Sarkome, sondern Carcinome sind. Man
?oll nämlich bei der Untersuchung von pigmentierten Naevis von Neuge-
borenen nachweisen können, dass die Naevizellen vom Deckepithel abge-
schnürte Epithelzellen sind. Unnas Angaben sind wesentUch Behauptungen,
aber keine Beweise; weder sind seine Beschreibungen genügend, um die
epitheliale Natur der Naevizellen zu erweisen , noch hat er seine Behaup-
tungen durch Abbildungen belegen können. Ich habe genügend Fälle von
Naevis Neugeborener und ganz jugendlicher Individuen untersucht und
kann nur in Übereinstimmung mit den Angaben aller älteren Autoren an-
geben, dass die Zellen der Naevi in keinem Punkte mit den Epithelzcllen
der Epidermis übereinstimmen. Green (5) hat ferner mit Recht darauf
hingewiesen, dass zwischen der Pigmentierung der Rete- und der Naevi-
zellen gar keine Beziehungen bestehen, so dass bei reichlichem Pigment-
gehalt der Retezellen die Naevizellen ganz uupigmentiert sein können
und umgekehrt. Man dürfte demnach berechtigt sein, Unnas Auffassmig
380 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
als in der Luft schwebend zu bezeichnen. Über die weiteren Beziehungen
zwischen Naevis und Melanosai'komen sind wir in neuerer Zeit nicht näher
aufgeklärt worden. Fälle, wie sie Hennig (6) berichtet über Kombination
von Hypertrichosis mit Pigmentsarkom bei einem 4 jährigen Mädchen, zeigen
nur in evidentester Weise, wie eine Art von angeborenen Missbildungen
sich mit Pigmentsarkomen verbinden können. Der Fall Talkos (14), wo
bei einem 5jährigen Knaben mit doppelseitigem Sehnervenkolobom am
Processus ciliaris ein 2 mm grosser schwarzer Körper hing, der als ein
gutartiges Melanosarkom bezeichnet wird, ist wegen Mangel histologischer
Details nicht gut verwertbar. — Die Versuche von Lanz;(8) Melanosarkome
des Menschen auf Tiere zu übertragen, hatten keinen Erfolg. Wenn er
bei einem Meerschweinchen, das 1^/2 Monate nach Injektion von Geschwulst-
massen in die Milz ausgedehnte Pigmentierung im ganzen Körper beob-
achtete, so ist dieses Resultat wohl so zu erklären, dass die eingespritzten
Tumormassen eine Art chronischer Intoxikation mit nachfolgendem Blut-
zerfall hervorbrachten.
4. Mischgeschwülste.
Litteratur.
1. Ben ecke, Zieglers Beiträge. Bd. 8.
2. Hansemann, Über Spezifizität, den Altruismus und die Anaplasie der 2iellen. Berlin
1893. A. Hirschwald.
3. Klebs, Allgem. Pathol. Bd. IL
4. Liebmann, Über einen Fall von Myocarcinom des Uterus. Virch. Arch. Bd. 117.
S. 82.
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6. Thoma, Lehrbuch der allgem. pathol. Anatomie. Bd. L
7. Tilg er, Über primäres Magensarkom. Virch. Arch. Bd. 183. S. 183.
Die Frage über das Vorkomtpen von Mischgeschwülsten wird sich
auch im allgemeinen am besten bei den Sarkomen erledigen lassen, weil
gerade bei diesen sich die häufigsten Angaben über Mischgeschw^ülste vor-
finden. — Man hat früher das Gebiet der Mischgeschwülste entschieden zu
weit ausgedehnt und es unterliegt jetzt keinem Zweifel, dass ein Teil der
Beobachtungen auf mangelhafte Untersuchungsmethoden zurückzuführen
sind. Während man früher Mischungen zwischen Sarkomen und Adenomen,
Carcinomen und Sarkomen nicht für so selten hielt, beschränkt man sich
jetzt mehr darauf die Mischgeschwülste nur innerhalb enger Grenzen zu-
zulassen, indem man wohl innerhalb der Gruppe der Bindesubstanzge-
schwülste Übergänge von der einen Gewebsform in die andere zulässt, da-
gegen Mischungen zwischen epithelialen und Bindegewebsgeschwülsten für
äusserst selten hält. — Immerhin giebt es Autoren, welche eine Variation
GesohwOlate, Sarkom. 381
der Geschwulsttypen in ausgedehnterer Weise zulassen ; so ist ja, wie schon
oben bemerkt, Klebs (3) Theorie von der Holoblastose geradezu darauf
zugeschnitten, das Auftreten von Mischformen erkläriich zu machen. Wenn
in der That jede autonome Neubildung mit einer Wucherung sämtlicher
Gewebselemente beginnen würde, könnten sich die verschiedenartigsten
Kombinationsgeschwülste ohne jede Einschränkung entwickeln und man
müsste nur die Frage auf werfen, warum das nicht sehr viel häufiger ge-
schieht. Inwieweit Klebs Anschauung von der Holoblastose anerkannt
werden darf, darüber ist bereits oben S. 297 eingehend abgehandelt worden. —
Wenden wir uns in erster Linie zu den sarkomatösen Mischgeschwülsten,
so ist es hier ja verhältnismässig oft auffallend, dass die Geschwulst aus
verschiedenen Gewebsarten zu bestehen scheint. Neben typischen binde-
gewebigen Elementen finden sich Knorpel-, Knochen-, Decidua-, Neben-
nieren-, Muskelzellen etc., so dass man auch hier wieder geneigt sein könnte
echte Mischgeschwülste anzunehmen. Die Auseinandersetzungen, welche
aber neuerdings von Benecke (1), Hansemann (2) und Lubarsch (5)
über das Verhältnis zwischen Geschwulststroma und Geschwulstparenchym
gemacht worden sind, sind wohl geeignet diese Dinge wesentlich zu ver-
einfachen. Auch bei einem Osteosarkom besteht das Geschwulstparenchym
nur aus Knochenelementen, die rein bindegewebigen Elemente gehören
dem Stroma an, das aus gewucherten und stehen gebUebenen Stützsubstanzen
des Muttergewebes besteht. Und auch bei den kompüziertesten derartigen
Neubildungen, den Osteoidchondromen, Osteoidsarkomen und Osteoidchondro-
sarkomen hegen die Verhältnisse im wesentlichen nicht anders, indem hier
nur verschiedene Altersstufen ein und derselben Gewebsart vorliegen. Das-
selbe gilt auch für die Myxolipome, Myxofibrome und Myxosarkome, ab-
gesehen davon, dass hier der myxomatöse Typus durch sekundäre Cirkulations-
störungen hervorgebracht werden kann. Man kann dann ganz allgemein
die Hypothese aufstellen, wie das besonders Birch-Hirschfeld gethan
bat, dass zu jeder besonderen Art des Bindegewebes ein sarkomatöser Typus
gehört. Man müsste dann annehmen, dass die verschiedenen später scharf
differenzierten Gewebsarten in ihrem embryonalen Typus mehr oder weniger
mit einander übereinstimmen und dass auch Chondro- und Osteoblasten
mit einfachen Fibroblasten morphologisch fast völlig übereinstimmen können.
Finden wir also in einer Geschwulst nebeneinander Knochen-, Osteoid-,
Knorpel- und Sarkomgewebe, so haben wir es nicht mit einer Mischung
von Chondromen, Osteomen und Sarkomen zu thun, sondern mit ver-
schiedenen Altersstufen eines und desselben Gewebes, die nur
auf einen so engen Raum vereinigt sind, dass grobe und aiiffallende Gegen-
sätze entstehen. Dasselbe gilt wohl auch für die Myosarkome, besonders
die Rhabdomyosarkome, wo die sarkomatösen Zellen zum Teil nichts
382 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
anderes als undifferenzierte Muskelzellen sind, wie schon daraus hervor-
geht, dass man mitunter an den spindelzelligen Elementen beginnende
Querstreifung beobachtet hat. Eine andere Gruppe von Mischgeschwülsten,
z. B. Fibro- und Myosarkome, entsteht vielleicht dadurch, dass ein ein-
faches Myom oder Fibrom sarkomatös degeneriert, wie das z. B. Tilg er
(7) für seinen Fall von Fibrosarkom des Magens annimmt. Doch wird
diese Frage der Umwandlung gutartiger Bindegewebsgeschwülste in Sar-
kome weiter unten näher besprochen werden. — Anders liegen die Ver-
hältnisse nun jedenfalls dort, wo sich in einer Neubildung bindegewe]>ige
und epitheUale Elemente mit einander kombinieren. Das ist bekannt-
Uch vor allem der Fall bei den Neubildungen, die den einfachen Hyper-
plasieen am nächsten stehen und zum Teil in evidentester Weise auf
entzündlicher Basis entstehen, wie die polypösen und papillären Gewächse
der Haut und Schleimhäute, ferner aber auch bei den Fibromadenonieu
der Mamma, wo bekanntlich sowohl die reinen Fibrome, wie die reinen
Adenome zu den grössten Seltenheiten gehören. Aber auch hier liegen die
Verhältnisse so, dass die eine Gewebsart in erster Linie wuchert und die
Wucherung des anderen nur ganz sekundär ist; so ist gerade bei denFibroni-
adenomen der Mamma oft am eigentlichen Drüsengewebe eher Atropliie
und Kompression nachweisbar, nur die Ausführungsgänge erscheinen ver-
zerrt und in geringfügiger Weise gewuchert. — EndUch kommen in der
That echte und komplizierte Mischgeschwülste vor, die schon den tera-
toiden Bildungen nahe stehen oder wenigstens in klarster Weise auf eine
Verlagermig embryonaler Keime zurückzuführen sind, wie die komplizierten
Tumoren der Speicheldrüsen und des Hodens, sowie seltenere Geschwülste
des Uterus und der Niere. (Orths Chondro-rhabdomyosarkom des Uterus,
Birch-Hirschfelds Myxoadenosarkom der Niere.) Aber auch hier können
die Dinge so liegen, dass erst die eine Gewebsart sekundär durch die Wuche-
rung der anderen zur Proliferation angeregt wird und nicht von vornherein
beide Gewebe gleichmässig wuchern. So fand ich kürzlich in einem Falle
von grossen Myomen des Uterus im Magen am Pylorus einen über kirscli-
grossen, unter der Schleimhaut gelegenen ziemlich weichen, grauweissen
Tumor von deutlich streifigem Baue, der sich histologisch als ein Cysto-
adenomyom heraustellte, d. h. es handelte sich um ein aberriertes Pankreas,
das submukös gelegen war und dessen mit hohem Cy lind erepithel ausge-
kleideten Ausführungsgänge in erheblicher Weise proliferiert waren und auch
ihrerseits wieder eine Wucherung der sie umgebenden Muskulatur bewirkt
hatten. Eine ähnliche sekundäre Wucherung von Muskulatur mag auch
in dem Falle von Myocarcinom Liebmanns (9) vorgelegen haben, in dem
man aber von einer echten Mischgeschwulst ebensowenig reden darf, wie
etwa die Schlussfolgerungen Liebmanns über Entstehung der Cdrcinom-
Geschwülste, Sarkom. 383
epithelien aus glatten Muskelfasern Anrecht auf Billigung haben. — Wir
könnten also zu dem Resultate kommen, dass das histologische Bild von
Mischgeschwülsten auf verschiedene Art entstehen kann: 1. durch erheb-
liche histologische Differenz von Geschwulstparenchym und Geschwulst-
stroma; 2. durch verschiedene Entwickelungszustände ein und derselben
(lewebsart; 3. durch Umwandlung gutartiger Bindesubstanzgeschwülste in
sarkomatöse; 4. durch eine Art von primärer allgemeiner hyperplastischer
Wucherung; 5. durch embryonale Gewebstransplantationen.
e) Einflnss und Bedentnng der Sarkome für den GesamtorKanismns.
Litteratur.
1. Alezander, De la leucocytose dans les cancferes. Paris 1887.
2. Chetchovski, Rapides Wachstum eines latenten Pleurasarkoms unter den Einfluss
eines akuten Gelenkrheumatismus. Gazetta lekarska. 8. 1892.
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Ctbl. f. Gynäkol. Bd. 18. Nr. 23.
5. Käst, Über Rückfallfieber bei multipler Sarkombildung und über das Verhalten der
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krankenanatalten. 1890. Sonderabdruck.
6. von Limbeck, Grundriss der klinischen Pathologie des Blutes. Jena 1892.
7. Pel, Pseudoleukämie oder chron. Rückfallfieber. Berl. klin. Wochenschr. 1887. Nr. 35.
$. Puritz, Über Sarkom mit sogenanntem chronischen Rückfallfieber. Vir eh. Arch.
Bd. 126. S. 312.
9. Reinbach, Über das Verhalten der Leukocyten bei malignen Tumoren. Arch. f. klin.
Chir. Bd. 46. S. 486.
10. Roth, Über einen Fall von Sarkom verbunden mit hämorrhagischer Diathese. Mitt«il.
ans der Tübinger Poliklinik. Bd. II. S. 59.
11. Schmidt, G. B., Über das Angiosarkom der Mamma. Arch. f. klin. Chirurgie. Bd. 3G.
S. 421.
12. Spronck, Tumeurs malignes et maladies infectienses. Annales de l'Institut Pasteur.
1892.
Die Bedeutung der Sarkome für den Gesamtorganismus ist eine der-
artig verschiedene, dass man kaum die Frage allgemein beantworten kann,
ob Sarkome bösartige Neubildungen sind oder nicht. Es ist vielmehr sicher,
(lass es Neubildungen giebt, die wir anatomisch-histologisch durchaus nicht
anders wie als Sarkome bezeichnen können und die doch keine irgendwie
nennenswerte Malignität besitzen ; das sind vor allem die als Epulidcn bezeich-
neten Riesenzellensarkome und manche Sarkome der Speicheldrüsen, die dem
Kliniker oft als Chondrome imponieren; Neubildungen, die zwar hier und da
eine gewisse Neigung zum Recidivieren besitzen, aber niemals Metastasen
machen. Unter den Sarkomen des Knochens nehmen dann noch die Riesen-
7^ellensarkonie eine besondere Stellung ein, indem sie ebenfalls sehr häufig lokal
384 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
bleiben und keine Neigung zur Metastasenbildung aufweisen. — Wenn
aber schon in dieser Hinsicht grössere Unterschiede zwischen den Sarkom-
formen herrscheu, so gilt das noch mehr von den feineren und weniger
auffälligen Veränderungen, die im Körper unter dem Einflüsse der Sarkom-
wucherungen vor sich gehen können. Es sind daher unsere Kenntnisse
hierüber noch äusserst lückenhaft; auch fehlt es vor allem noch an ge-
naueren Stoffwechseluntersuchungen bei Sarkomatösen. — Einiges vermögen
wir über das Verhalten des Blutes bei Sarkomkranken auszusagen. Es
kommen hier in Betracht 1. die Abnahme der roten und 2. die Zunahme
der weissen Blutkörperchen. —
ad 1. Nachdem schon Haeberlein auf das Vorkommen von Anämie
bei malignen Tumoren aufmerksam gemacht, ohne aber schärfer zwischen
Sarkomen und Carcinomen zu unterscheiden, hat G. B. Schmidt (11)
für Mammatumoren die Behauptung aufgestellt, dass sich das histologisch
dem Carcinom so ausserordentlich ähnliche Angiosarkom von ersterem
gerade durch den Mangel an Kachexie und Anämie imterscheidet. Während
bei Frauen mit Mammacarcinom der Hämoglobingehalt des Blutes 60 bis
65®/o und weniger betrug, war derselbe bei Frauen mit Angiosarkom 85 bis
86 ^/o (normaler Hämoglobingehalt der Frauen 90 °/o), also annähernd normal
V. Limbeck (6) fand jedoch in einem Falle von Sarkom der Lymphdrüsen
die Zahl der roten Blutkörperchen bis auf 1280000 im cbmm gesunken
imd in einem anderen Falle, der von ihm als Carcinom der hnken Niere
bezeichnet wird, aller Wahrscheinlichkeit nach aber ein Sarkom war,
2V2 MiUion roter Blutkörperchen. Auch in dem Falle von Roth (10), wo
das Sarkom am Kreuzbein sass, kam es zu ausgedehnteren Zerfall roter
Blutkörperchen; doch fehlen hier, wie in allen anderen Fällen nähere An-
gaben über morphologische Veränderungen der roten Blutkörperchen. Nur
Hammer (4) erwähnt in seinem Falle massige Poikilocytose, ebenso Rein-
bach in einigen Fällen, wie er auch stets Verminderung des Hämoglobiii-
gehalts konstatierte. —
ad 2. Eine richtige Leukocytose ist bei Sarkomen verhältnismässig
häufig beobachtet worden. Schon Hayem (4a) fand in 7 Fällen von Osteo-
sarkom 19500 weisse Blutkörperchen im cbmm als Mittelwert, Alexander
(1) hat in seinem Falle von Osteosarkom der Wirbelsäule und des Stemuni
52700, V. Limbeck bei Lymphosarkomen 38000 und in dem oben er-
wähnten Falle von Nierensarkom sogar 80514 Leukocyten im cbmm be-
obachtet. Reinbach (9) fand unter 20 Fällen von Sarkomen 16 mal die
polynukleären Zellen oder Lymphocyten vermehrt, in einem Fall von
Lymphosarkom auch eine enorme Vermehrung der eosinophilen Zellen und
den Befund der Markzellon. Bestimmte Beziehungen zwischen Schwere der
Erkrankungen und Schwere der Blutveränderung konnte Reinbach niclit
Geschwülste, Sarkom. 385
feststelleu. — Ausser diesen Veränderungen des Blutes, welche ja auch
durchaus noch nicht geuügend studiert sind, haben in neuerer Zeit beson-
ders eigentümliche Fiebererscheinungen bei Sarkomkranken das Interesse
erregt. Nachdem zuerst Ebstein (3) unter dem Namen „chronisches
Rückfallfieber*' eine Erkrankung beschrieben hatte, welche durch das Auf-
treten von 13—14 Tage dauernden Fieberanfällen mit nachfolgenden 10
bis 11 Tage währenden fieberfreien Intervallen charakterisiert ist, wies Pel
(7) nach, dass man es mit einer besonderen Form der Pseudoleukämie zu
thun habe, wie namentlich aus den Sektionsbefunden (Lymphdrüsen-,
Milz- und Leberhyperplasie) hervorging. In der That haben auch die
weiteren Fälle von Puritz (8), Hammer und Käst (5) die Thatsache be-
stätigt, dass die eigentümliche Form des Fiebers vor allem bei Lympho-
sarkomatosis vorkommt; und alle histologischen Beschreibungen, wie be-
sonders die von Hammer, zeigen, dass wir es mit den Neubildungen zu
thun haben, die bald als Myelome, maligne Lymphome oder Lymphosarkome
bezeichnet werden. Käst hat freilich behauptet, dass bei bösartigen
(Geschwülsten, Sarkomen sowohl wie Carcinomen und zwar auch solchen,
die nicht geschwürig zerfallen sind, ausnahmsweise Temperatursteigerungen
erheblichen Grades vorkommen können. Unter den von ihm näher ange-
gebenen vier Fällen (7 jähriger Knabe mit Lymphomen der Lymphknoten
und der Lunge; 16 jähriger Knabe mit metastasierendem Knochensarkom ;
1<S jähriges Mädchen mit Rundzellen sarkom der Thymus und 35 jähriger Mailn
mit allgemeiner Lymphdrüsensarkomatose) befindet sich jedoch kein einziger,
der nicht in das Gebiet des Lymphosarkoms hineingehört. Das ist des-
wegen wichtig, weil die Lymphosarkome nach meiner Überzeugung von
den eigentlichen autonomen Neubildungen zu trennen, und infektiösen
oder bakteriell-toxischen Ursprungs sind. Wenn man auch Käst darin
Recht geben mag, dass bei verschiedenartigen Neubildungen durch Zerfall
der Neubildung oder auch durch die schubweise intermittierende Art der
Invasion von Geschwulstmetastasen Fieber erzeugt werden kann, so bleibt
d(xh vorläufig die Thatsache übrig, dass das typische Bild des chronischen
Kückfallfiebers vornehmlich bei Lymphosarkomen beobachtet wird. Das
macht es wahrscheinlich, dass wir es hier mit der Wirkung eines si)ezifischen
Agens zu thun haben, eventuell also die Fieberbewegungen mit der Ver-
schleppung noch unbekannter Mikroorganismen oder der Anhäufung ihrer
Stoffwechselprodukte zusammenhängen. Auch für die obenerwähnte Leuko-
cytose und Ohgocythämie gilt ähnliches, indem wenigstens die grösste An-
zahl der Beobachtungen sich auf die Lymphosarkome bezieht; es würden
in diesen Fällen die Leukocytose und Anämie auf eine Linie mit den infek-
tiösen und toxischen Blutveränderungen zu steilen sein. Ahnliches ist. auch
'1er Fall, wenn die Blutveränderungen an Verjauchung und \'ereiterung von
Lnbarach-Ostertag, Ergebnisse Abteil. II. 25
386 Allgem. patfaol. Morphologie und Physiologie.
Neubildungen anschliesst. Doch seheint es auch Fälle zu geben, wo ohne
schwere Zerstörungen der Tumoren, eventuell nur bei rein regressiven
Veränderungen Leukocytose eintritt; diese Fälle sind dann jedenfalls so
zu erklären, dass auch bei aseptischem Zerfall von Zellen Stoffe frei werden,
welche positiv chemotaktisch wirken. Ob auch der Sitz der Tumoren —
in den blutbereitenden Organen — von Bedeutung für das Zustandekommen
der Blutveränderungen ist, bedarf jedenfalls noch genauerer Untersuchmig.
Alle diese Fragen werden erst durch viel zahlreichere, durch genaue Sektions
befunde und mikroskopische Untersuchungen kontrollierte Untersuchungen
ihrer definitiven Lösung näher gebracht werden können imd vor allem
wird es dabei nötig sein, zwischen den Lymphosarkomen und den echten
Sarkomen eine scharfe Trennung vorzunehmen. — Dass umgekehrt
aber auch das lokale Wachstum und die Ausbreitung der Sarkome
durch Veränderungen des Gesamtorganismus beeinflusst werden, zeigt der
Fall von Chetchovski (2). Bei einem 19jährigen Mädchen war der
Oberschenkel wegen Spindelzellensarkom amputiert worden; als 9 Monate
darauf die sich völlig wohl fühlende Patientin einen fieberhaften Gelenk-
rheumatismus acquirierte, stellten sich allmählich starke Beschwerden seitens
der Respirationsorgane ein, so dass die Diagnose auf Lungenmetastasen
gestellt wurde. In der That fanden sich bei der Sektion in den Lmigen
zahlreiche Metastasen vor, deren Wachstum augenscheinlich durch die
fieberhafte Krankheit begünstigt wurde. Dass durch Bakterientoxine
der Zerfall von Sarkomen beschleunigt werden kann, das zeigen ja auch
die Versuche Sproncks (12) über den Einfluss der Erysipeltoxine auf
(he Entwickelung bösartiger Neubildungen; ob aber wärkhch dadurch
eine völlige Heilung derselben erzielt werden kann, wie es von manchen
amerikanischen und deutschen Ärzten nicht nur erhofft wird, sondern so-
gar angeblich beobachtet sein soll, muss vorläufig noch sehr bezweifelt
werden. — Ob auch physiologische Veränderungen des Körpers für die
Entwickelung der Sarkome bedeutungsvoll sind, muss ebenfalls noch un-
entschieden gelassen werden. Manche Angaben, über rapides Wachstimi
würde ja dafür sprechen und ein Fall von Jahn (4a), wo sich nach künst-
licher Frühgeburt, ein Sarkom der rechten Achselhöhle und zahlreiche
Metastasen zurückbildeten, würde in diesem Sinne gedeutet werden können.
Doch ist der Fall aus Mangel genauer anatomischer Angaben nicht gut
zu verwerten. —
d) Ätiologie der Sarkome.
Litteratur.
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GeschwOlste, Sarkom. 387
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f. klin. Chirurg. Bd. 47. S. 302.
15. y. Kahlden, Über das Sarkom des Uterus. Ziegl. Beiträge. Bd. 14.
16. Kolisko, Das polypöse Sarkom der Vagina im Kindesalter. Wiener klin. Wochenschr.
1889. Nr. 6—11.
17. Löwenthal, Über die traumatische Entstehung der Geschwülste. Arch. f. klin. chir.
Bd. 49. 1894.
18. Malcolm, A case of nephrectomy for malignan tumour in a patient 23 months.
Lancet. I. Febr. 3. u. 17. 1394.
19. Mar tan 8, Ein Beitrag zur Entwickelung des Melanosarkoms der Chorioidea bei an-
geborener Melanosis sclerae. Virch. Arch. Bd. 138. S. 111.
20. P a wlo w 8 ky , Über parasitäre Zelleinschlüsse in sarkomatösen Geschwülsten. Virch.
Arch. Bd. 133. 8. 464.
21. Pick, Das primäre Nierensarkom. Inaug.-Dissert. Würzburg 1893.
22. Pick, L., Zur Histogenese und Klassifikation der Gebärmuttersarkome. Arch. f. Gyn.
Bd. 48. Heft 1. Sonderabdruck.
23. Ribbert, Über die Entstehung der Geschwülste. Deutsch, med. Wochenschr. 1895
Nr. l-A.
24. Ried er er, Anatom. -histolog. Untersuchungen über einen Fall von Uterussarkom.
Dissertet. Zürich 1894.
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blase im Kindesalter. Zeitschr. f. Chirurgie. Bd. 39. S. 313.
27. Steven, Lindaay and Brown, Journ. of Pathol. Oct. 1893.
28. Vedeler, Das Sarkomsporozoon. CtbL f. Bakteriol. Bd. 16. S. 849.
29. Verhoef, Sarkome du rein chez un enfant. Annal. des malad, des org. g^nito-urin.
XII. S. 631.
30. Williams, W., Beiträge zur Histologie und Histogenese des Uterussarkoms. Zeitschr.
f. Heilkunde. Bd. 15. S. 141.
% 25*
388 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Für die Ätiologie der Sarkome sind die gleichen Faktoren in An-
spruch genommen worden, wie für die meisten anderen autonomen Neu-
bildungen. Wir werden hier also zu betrachten haben 1. die Bedeutung
embryonaler Keimesverirrung (Cohnheimsche Theorie); 2. die Bedeutung
entzündlicher und traumatischer Schädlichkeiten, im besonderen kommt
dann noch hinzu 3. die parasitäre Ätiologie und 4. die Frage, die bei allen
bösartigen Neubildungen in Betracht zu ziehen ist, der Umwandlung gut-
artiger Neubildungen in Sarkome. —
ad 1. Fast von allen Autoren wird zugegeben, dass die Cohnheimsche
Theorie, wenn sie überhaupt anerkannt werden kann, in erster Linie für
die Sarkome von Bedeutung ist. Freilich hat sich mancher durch den
histologischen Charakter, welcher als „embryonaler" Typus bezeichnet wird,
dazu verführen lassen, auch eine embryonale Entstehung anzunehmen.
Wir haben aber schon oben darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „em-
bryonaler Typus'' infolge seiner Vieldeutigkeit besser vermieden und durch
den Ausdruck „unfertige Beschaffenheit" ersetzt werden sollte; da that-
sächlich wohl für sämtliche Sarkome die unfertige BeschaiBEenheit der zelligen
Elemente das Charakteristische ist. Was dann die Entstehung der Sarkome
aus embryonal unverbrauchten Keimen anbetrifft, so hat schon Cohnheim
dafür folgende Momente geltend gemacht: a) das relativ häufige Vorkommen
von Sarkomen bei jugendlichen Individuen, b) die Beziehungen der melano-
tischen Sarkome zu den angeborenen Pigmentflecken, c) die sarkomatösen
Mischgeschwülste der Speicheldrüsen und Hoden. — Auch in der neueren
Zeit bewegen sich die Untersuchungen in gleicher Richtung; nur haben
sich die Beobachtungen über angeborene und im frühen Kindesalter auf-
tretende sarkomatöse Neubildungen erhebhch vermehrt. Dabei ist es in
gewisser Beziehung von prinzipieller Wichtigkeit, dass die grösste Anzahl
der angeborenen und im jugendlichen Alter auftretenden Sarkome am
Urogenitalapparat beobachtet wird, wo die Entwickelungsvorgänge besonders
kompUzierte sind. Namentlich in den Nieren ist die Zahl der im jugend-
lichen Alter auftretenden Sarkome relativ sehr gross. Ich habe im ganzen
aus der neueren Litteratur 136 derartige Fälle zusammenstellen können,
wobei ich nur diejenigen mitgerechnet habe, wo die anatomische Diagnose
direkt auf Sarkom oder Adenosarkom gestellt ist und diejenigen, die
meiner Meinung nach zwar ebenfalls auf Grund der histologischen Be-
schreibung zu den Sarkomen gehören, aber von den Autoren als Carciuome
oder Adenome bezeichnet worden sind, fortgelassen habe. Den grössten
Anteil nehmen dabei die Sarkome der Niere ein, von denen Aldibert (1)
45und Döderleinund Birch-Hirschfeld(7) 40 zusammengestellt haben;
es kommen dann noch dazu je 1 Fall von Borchard (3), J. Israel (14),
Malcolm (18), Pick (21), Salomoni (25) und Verhoef (29). Unter
Geschwülste, Sarkom. 389
<liosen Fällen, bei denen nicht überall genauere Altersangabe vorhanden
ist, waren 8 im Alter von 4 Tagen bis 20 Monaten, 18 im Alter von 2
bis 3 Jahr 8 Monat, 16 bis zu 6 Jahren und 4 bis zu 14 Jahren. Die
grösste Anzahl dieser Neubildungen gehören in die Gruppe der hyper-
nephroiden Sarkome, wie aus der Übereinstimmung in der histologischen
Struktur mit den sicher von aberrierten Nebennierenkeimen ausgehenden
Sarkomen Erwachsener hervorgeht. Dass thatsächlich nicht so selten aus
aberrierten Nebennierenkeimen gutartige und bösartige Neubildungen hervor-
gehen können, ist bekanntlich zuerst von Grawitz behauptet, von den ver-
schiedensten Seiten bestätigt und gegenüber neueren Angriffen von D ri esse n
und Sudek durch Askanazy und Lubarsch verteidigt worden. Freilich
bleibt es auch hier noch immer unklar, warum die destruierende Wucherung
oft erst im späteren Lebensalter auftritt und durchaus nicht alle aberrierten
Keime gleichmässig befällt. So haben Be necke und Lubarsch in Fällen
von hypernephroiden Sarkomen der Niere daneben noch unveränderte,
nicht gewucherte Nebennierenkeimc in derselben Niere oder an anderen
Stellen der Bauchhöhle gefunden; und bei der ausserordentlichen Häufig-
keit, mit der aberrierte Nebennierenkeime im Körper angetroffen werden,
muss immer noch nach einem besonderen Grund gesucht werden, warum
im einzelnen Falle sich ein stärkeres Wachstum anschliesst. Ribbert (23)
meint nun, diiss aus den aberrierten Nebennierenkeimen nur dann ( Ge-
schwülste entstehen, w^enn aus den verlagerten Abschnitten einzelne Zellen
oder Zellgruppen abgetrennt wx»rden; wobei er sich auf eine Beobachtung
von Ricker beruft, dass in einem Falle von Struma suprarenalis aberrans
keine scharfe Abgrenzung gegen die Nierenrinde vorhanden war, und
mehrere kleine Haufen von Nebennierenzellen in dem Nierengewebe mitten
zwischen Harnkanälchen lagen. Ich möchte dieser Beobachtung keine
allzugrosse Bedeutung beimessen, da es durchaus nicht selten von mir
beobachtet worden ist, dass die aberrierten Nebennierenkeime nicht durch
eine bindegewebige Kapsel vom Nierengewebe abgegrenzt sind (das hat
auch schon Grawitz angegeben), und gerade in dem einen Fall, wo ich
in einer von hypernephroiden Sarkomen eingenommenen Niere noch un-
verändertes Nebennierengewebe finden konnte, war keine Abgrenzung von
«ler Nierensubstanz durch eine bindegewebige Kapsel vorhanden. Also
auch hier muss noch etwas Besonderes angenommen werden, was den An-
stoss zur schrankenlosen Wucherung giebt. — Ausser diesen von aber-
rierten Nebennierenteilen ausgehenden Sarkomen werden auch solche be-
obachtet, die mehr oder weniger ausgeprägt zur Gruppe der Teratome
gehören, so vor allem diejenigen, die auch quergestreifte Muskulatur ent-
halten. Auch die Fälle von Döderlein-Birch-Hirschfeld und von
390 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Hansemann^), welche als Adenomyosarkome bezeichnet wurden, ge-
hören in diese Gruppe von sarkomatösen Neubildungen, die aber an die
teratoiden grenzen und Birch-Hirschfeld hat direkt die Meinung aus-
gesprochen, dass die beobachteten Tumoren von Resten des Wölfischen
Körpers ausgehen, wofür auch der überwiegende Befund bei weiblichen
Individuen spricht, bei denen ja der Wolffsche Körper als ein über-
schüssiges Organ betrachtet werden muss. Ein anderer von Hildebrand
beschriebener Fall — Kombination von Cystenniere mit Sarkombildung
— mag, wie der Verf. meint, auf eine mangelhafte Vereinigung der Mark-
und Kindensubstanz zurückzuführen sein. Auch ein Leiomyoliposarkora
der Niere, das Lubarsch beobachtete, wird von ihm wegen des Befundes
von glatter Muskulatur als ein embryonaler Tumor gedeutet. — Während
somit die von aberrierten Nebennierenkeimen in der Niere auftretenden
Sarkome relativ häufig sind, werden ähnliche Neubildungen in der Neben-
niere selbst nur selten beobachtet; und namentlich als kongenitale Tumoren
als äusserste Raritäten angesehen. Einen solchen Fall, der von Virchow
als rundzelliges Sarkom benannt wurde, hat Cohn (6) bei einem 9 monat-
lichen Kinde. beschrieben. Häufiger sind dagegen wieder die bei jugend-
lichen Individuen auftretenden Sarkome der Prostata und Harnblase. So
hat Barth (2) einen Fall von Prostatasarkom bei einem '/* jährigen Knaben,
einen anderen bei einem 16jährigen Jüngling beobachtet und hervorge-
hoben, dass nicht weniger als die Hälfte aller Fälle von Prostatasarkom
Kinder im Alter von 1 — 8 Jahren betrifft. Steinmetz (26) hat in einer
sorgfältigen Statistik über die Geschwülste der Harnblase im Kindesalter
unter 32 Tumoren 15 Sarkome gefunden und selbst einen Fall bei einem
2^/4 Jahre alten Knabeii beobachtet; das jüngste Kind war IV2, das älteste
13 Jahre alt; in einem Falle handelte es sich um ein Rhabdomyom, also
eine sicher kongenital angelegte Neubildung; unter den von Steinmetz als
„Schleimpolypen" angeführten Fällen findet sich ein von Winkel zufällig
bei einem neugeborenen Mädchen gefundener, wo die mikroskopische Unter-
suchung unterlassen ist, also auch eine sarkomatöse Neubildung vorge-
legen haben kann. — Fast ebenso häufig wird das primäre Scheidensarkom
bei Kindern angetroffen. Frick (12) hat neuerdings 16 derartige Fälle
zusammengestellt, wozu noch 3 von Kolisko (16) untersuchte hinzu-
kommen ; hiervon waren 10 im Alter von 24 Stunden bis 2V» Jahren, 5 im
Alter von 3 — 4, und nur eins über 4 Jahre alt (5^/2); der kongenitale Ur-
sprung ist hier vor allem dadurch gesichert worden, dass Haus er (13)
und Kolisko in einigen Fällen quergestreifte Muskulatur innerhalb der
Tumoren auffanden. — Wenn sich somit aus dieser ja sicher noch keines-
1) Berl. klin. Wochenschr, 1894. Nr. 31.
öeachwttlste, Sarkom. 391
vfegs vollständigen Übersicht ergiebt, dass namentlich im Urogenitaltraktus
verhältnismässig häufig sarkomatöse Neubildungen in ganz jugendlichem
Alter beobachtet werden, so wird eine vorurteilsfreie Kritik doch einge-
stehen müssen, dass nur in einer Minderzahl der Fälle dadurch die kon-
genitale Anlage der Neubildungen sicher bewiesen ist; das gilt eigent-
lich nur für die Fälle, wo entweder das Auftreten der Neubildung von
Geburt an oder in den ersten Lebensmonaten festgestellt wurde oder
solche Gewebsarten aufgefunden wurden, die nur durch eine Keimes-
aberration an Ort und Stelle gelangt sein konnten. In allen anderen
Fällen muss man dagegen a priori die Möglichkeit zugestehen, dass
die Neubildungen ohne irgend eine kongenitale Anlage im Anschluss
an äussere Schädlichkeiten entstanden. Nun muss man freilich da-
rauf hinweisen, dass auch darin, dass Tumoren in späteren Jahren
oder sogar erst im höheren Lebensalter bemerkbar werden, noch
kein Gegengrund gegen die kongenitale Entstehung liegt. Denn nicht
wenige der sicher kongenital angelegten Neubildungen (z. B. Hanau-
Wolfensbergers Rhabdomyosarkom der Speiseröhre bei einem 75jähr.
Mann) sind erst im höheren Lebensalter bemerklich geworden und von
den hypernephroiden Sarkomen scheint es nach meinen Zusammenstel-
lungen geradezu die Kegel zu sein, dass sie erst im Alter von 50 — 79
Jahren klinische Erscheinungen hervorrufen. Man muss deswegen auch
die Möglichkeit offen lassen, dass auch die später als im Kindesalter auf-
tretenden Sarkome auf kongenitaler Anlage beruhen und, wenn z. B.
primäre Scheidensarkome sich im Anschluss an Gravidität oder Puerperium
entwickeln, ist es durchaus mögUch, dass hierdurch den kongenital ver-
lagerten Zellen nur ein Anstoss zur vermehrten Wucherung gegeben wurde ^).
Auch für die so seltenen Sarkome des Dünndarms, die nach Madelung
am häufigsten im Alter von 30—40 Jahren angetroffen werden, ist des-
wegen eine kongenitale Anlage keineswegs ausgeschlossen, zumal Balz er (2a)
auch einen Fall bei einem 4jährigen Knaben und Stern ein kon-
genitales Dünndarmsarkom beobachtet hat. — Von sehr grosser Wich-
tigkeit wäre es natürlich, wenn man irgend welche sichere Anhalts-
punkte zur Trennung der kongenital angelegten und erworbenen Sar-
kome besässe. Aber abgesehen davon, dass die erstere MögUchkeit
gerade bei Sarkomen niemals mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann,
sind derartige durchschlagende Differenzen noch nicht aufgefunden.
Birch-Hirschfeld hat allerdings darauf hingewiesen, dass sicher ange-
1) Das ist z. B. sehr wabrscheinlich in einem von Kalustow (Arch. f. Gynäkol.
Bd. 40, S. 499) beschriebenen Falle, wo sich ein Angiosarcoma haemorrhagicum bei einer
23 jähr. Fran im Anschluss an 2 Geburten und 2 Aborte entwickelte.
392 Allgem. pathol. Morphologie and Pathologie.
borenen Neubildungen der Niere ein langsameres Wachstum und eine
geringere Neigung zur Metastasenbildung zukommt; das ist aber, wie
Birch-Hirschfeld selbst auseinandersetzt, mehr zur Unterscheidung vom
Carcinom von Bedeutung. Auch für die hypernephroiden Tumoren trifft
ja namentlich das anfänglich sehr langsame Wachstum (durchschnittlich
3—10 Jahre, in einem Falle vielleicht 30 Jahre [Lu barsch]) zu, doch
besteht hier gerade namentlich, wenn es sich um ältere Individuen handelt,
eine entschiedene Neigung zur Metastasenbildung. — Über die Beziehungen
der Pigmentnaevi zu den Melanosarkomen ist schon oben einiges bemerkt.
So allgemein die Annahme ist, dass Melanosarkome aus PigmentOeckeii
hervorgehen, so wenig ganz sichere Beobachtungen giebt es doch darüber.
Ein interessanter derartiger Fall, der verhältnismässig beweisend ist, wird
von Martens(19) mitgeteilt. Da derselbe weiter unten in der Zusammen-
stellung von Schimmelbusch ausführlicher erwähnt wird, sei hier nur
kurz darauf verwiesen.
ad 2. Welche Bedeutung entzündliche und traumatische Schädlich-
keiten für die Entstehung der Sarkome besitzen, ist, wie aus den obigen
Ausführungen hervorgeht, besonders schwer zu beurteilen. Darüber kaini
ja kein Zweifel herrschen, dass nicht selten im Anschluss an Traumen
eine äusserst rapide Entwickelung von Sarkomen beobachtet wird — der-
artige Fälle sind z.B. von Th. Smith, Bessel-Hagen*), Middeldorpf
u. a. auch bei jugendlichen Individuen beobachtet worden. Aber da es
sich vielfach bei diesen Beobachtungen um innere Sarkome handelt, ist
sehr wohl die Möglichkeit vorhanden, dass das Trauma nur das Wachs-
tum eines bis dahin latenten Sarkoms beschleunigt hat, nicht
aber die Ursache der Sarkombildung war. Auch grössere statistische
Untersuchungen haben bis jetzt kein einwandsfreies Material geliefert.
Die mühevollen Zusammenstellungen Löwenthals (17), der 800 Fälle,
darunter 316 Sarkome aufzählt, wo eine traumatische Ätiologie sichergestellt
sein soll, sind leider zu unkritisch, um neues Licht in die schwierige Frage
zu bringen. Ganz allgemein kann man aber wohl sagen, dass Traumen
und Entzündungen allein als Ursache von Sarkombildungen nicht genügend
sind ; sondern höchstens unter bestimmten — uns noch unbekannten Vor-
aussetzungen — bedeutungsvoll sein können. Statistische Untersuch-
ungen darüber hätten höchstens dann einen Wert, wenn sie durch Zu-
sammenstellungen ergänzt würden, welche zeigen, wie oft nach Traumen
und Entzündungen keine Sarkombildung, oder überhaupt keine Tumor-
bildung eintritt. ~
ad 3. Was die parasitäre Ätiologie der Sarkome anbetriflEt, so lag
V) Ein ulceröaes Sarkom des Jejunum bei einem Kinde. Virch. Arch. Bd. 99. Ö. 99.
Geschwülste, Sarkom. 393
ts ja in der That uach Entdeckimg der Erreger der infektiösen Granu-
latiousgeschwülste nahe, auch für die Sarkome nach pflanzlichen Erregern zu
suchen. Es ist hier unnötig, auf alle die verfehlten derartigen Versuche
voQ Izquierdo, Schill u. a. näher einzugehen; es genügt festzustellen,
dass noch für keine Sarkomart Spaltpilze mit irgendwelcher Sicherheit als
Erreger nachgewiesen sind. Eine eigenartige Anschauung vertritt von
Esmarch (IIa), der eine Beziehung zwischen Syphilis und Sarkombildung
beobachtet haben will. Als Begründung kann er freilich nur das anführen,
«lass manche Sarkome nach aiitisyphilitischen Kuren Besserung zeigten
und bei einer Anzahl Sarkomatöser auch voraufgegangene Syphilis fest-
gestellt werden konnte. Natürlich ist das alles sehr vieldeutig und auch
gar nicht ausgeschlossen, dass hier und da wohl ein Gumma als Sarkom
ungesehen wurde. Jedenfalls kann man mit Sicherheit sagen, dass an
syphilitische Neubildungen viel häufiger noch Carcinome als Sarkome
an^chliessen. — Auch die Bemühungen der neuesten Zeit, in Sarkomen
Protozoen nachzuweisen und als Erreger dieser Neubildungen anzuschul-
digen, sind noch von keinem Erfolg gekrönt gewesen. Zwar haben J.
Clarke (4, 5), Pawlowsky (20), Lindsay Stewen und Brown (28),
V edel er (29) u. a. ausführliche Beschreibungen über das Vorkommen von
Protozoen in Sarkomen gegeben und V edel er hat sogar die Behauptung auf-
gestellt, dass die Sarkomsporozoen morphologisch von den in Platten-
uud Cylinderepithelcarcinomen vorkommenden Protozoen zu unterscheiden
seien. Es ist unnötig, hier eine genauere Schilderung der von den ge-
nannten Autoren beschriebenen Bildungen zu geben; denn es ist, wie die
Abbildungen in den betreffenden Arbeiten zeigen, nicht möglich sie von
den bei Carcinomen vorkommenden Formen zu unterscheiden, wie im
< Gegensatz zu V edel er versichert werden kann; es ist das um so weniger
möglich, als man überhaupt noch ausser sümde ist, einen besonderen
Typus von „Carcinomprotozoen'' aufzustellen; es macht vielmehr die
grössten Schwierigkeiten, die verschiedeneu Schilderungen der einzelnen
Autoren auch nur annähernd mit einander in Übereinstinnnung zu bringen.
Indeno hier auf die eingehende Darstellung der sogen. Carcinomprotozoen
verwiesen wnrd, sei nur noch betont, dass auch die Sarkomprotozoen durch
die verschiedensten Zell- und Kerndegenerationen (Karyorhexis und Karyo-
lysis) etc. hervorgebracht sind. Allerdings liegt neuerdings eine fragmen-
tarische Mitteilung vor, die, falls sie sich bestätigen sollte, von der grössten
Ifedeutung wäre. Jürgens hat nämlich mitgeteilt, dass er in einem Endo-
theliom des Gehirns vom Menschen Coccidien fand, und nach Überimpfung
von Tumorstückchen auf Kaninchen die Tiere an allgemeiner Coccidiose mit
Tnmorbildung zu Grunde gehen sah. Gegenüber der ganz kurzen Notiz,
<lie bis jetzt hierüber vorliegt, ist es schwer einen kritisch gerechtfertigten
394 Allgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
Standpunkt einzunehmen. Nur das sei hier bemerkt, dass die positive
Übertragung von beim Menschen vorkommenden Protozoen auf Kaninchen
auch zoologisch ein vollständiges Novum darstellen würde; denn bis jetzt
haben alle Versuche gezeigt, dass die parasitären Protozoen sich so ausser-
ordentlich eng dem Wirtskörper anpassen, dass es nicht mal möghch ist,
sie im Körper der verwandtesten Tierspecies zur Weiterentwickelung zu
bringen. — Andere Angaben über Befunde parasitärer Organismen in
Sarkomen verdienen noch weniger Beachtung. Wenn z. B. Busse über
die gelungene Züchtung von Zelleinschlüssen in (Geschwülsten berichtete,
so hat sich später mit Sicherheit herausgestellt, dass die auffälhgen Ge-
bilde Sprosspilze waren und ob es sich überhaupt um ein Riesenzellen-
sarkom handelte, muss ebenso unentschieden bleiben, wie die Frage, ob
die Sprosspilze irgend welche pathogene Bedeutung besessen haben. -
Für die Frage der infektiösen Natur der Sarkome war es ja in erster
Linie von Wichtigkeit, ob es gelänge, eine Übertragung derselben hervor-
zubringen. Trotz zahlreiclier Versuche ist die Ausbeute auch noch sehr
gering. Es liegen auffallenderweise bis jetzt nur Mitteilungen über ge
lungene Übertragungen von Fibrosarkomen von Ratten auf Ratten vor,
über die zuerst v. Eiseisberg (10) und dann Duplay und Cazin (!>)
berichteten, v. Eiseisberg implantierte ein an der Schulter sitzendes
Fibrosarkom einer Ratte in die BaucUiöhle einer anderen und fand bei
dem fünf Monate später erfolgtem Tode einen hühnereigrossen, höckerigen
Tumor in den Blättern des Mesenteriums eingebettet. Duplay und
Cazin hatten unter ausserordentlich zahlreichen Versuchen nur einen
l)Ositiven Erfolg und zwar mit einem Fibrom der Mamma, welches sie von
einer weissen Ratte auf eine andere verimpften. Als neun Monat später
der Tod eintrat, hatte der Tumor ^/s des Totalgewichts der Ratte ange-
nommen. — Die Versuche sind natürlich nicht eindeutig und beweisen
nicht ohne weiteres für eine infektiöse Entstehung. Auffallend ist es ja
überhaupt, dass mit Ausnahme des einen positiven Versuchs von Wehr,
bis jetzt nur an Ratten gelungene Übertragungen von Neubildungen vor-
gekommen sind, so dass man fast glauben könnte, dass Ratten eine be-
sondere Disposition für Geschwulstentwickelung besitzen. Immerhin liegen
die Verhältnisse hier nicht so klar, wie in den Carcinomübertragungen
Hanaus, da eine Transplantation von Bindegewebszellen normalerweise
nicht so ohne weiteres gehngt, wie die von EpitheUen; es ist aber auch
gar nicht auszuschliessen, dass es sich sowohl in v. Eiseisbergs, wie
Duplays und Cazins Fall um irgend eine infektiöse Bildung gehandelt
hat, die nur histologisch einem Fibrom, bezw. Fibrosarkom sehr ähnelte.
Bei dem Mangel genauerer Angaben über die Zusammensetzung der Neu-
})ildung läs.st sich ein sicheres Urteil vorläufig nicht abgeben.
Geschwülste, Sarkom. 395
ad 4. Ob gutartige Neubildungen sich in bösartige umwandeln
können, ist eine Frage, die zwar, namentlich von Praktikern vielfach dis-
kutiert worden ist, aber infolge unserer ünbekanntschaft mit der Ätio-
logie der Neubildungen schwer zu einer sicheren Entscheidung gebracht
werden kann. Bei den Sarkomen liegt es vielleicht besonders nahe, eine
derartige Umwandlung für möglich zu halten. Da wir berechtigt sind,
anzunehmen, dass das Sarkomgewebe ein unfertiges Stadium der ver-
H-hiedeuartigsten Bindesubstanzen darstellt und wir nicht selten in einer
sarkomatösen Neubildung neben dem eigentlichen Sarkomgewebe ausge-
prägte, fertige Bindesubstanz (Binde- , Knorpel- , Knochengewebe u. s. w.)
zu sehen bekommen, wäre es a priori wohl denkbar, dass die sarkomatösen
(iewebsteile nur einen Rückschlag in das unfertige (embryonale) Stadium
<ler ausgebildeten Gewebsart darstellen. Kommt dann die klinische Be-
obachtung dazu, dass ein seit längerer Zeit beobachteter Tumor weicher
wird und rapide wächst, so scheint die Umwandlung der gutartigen in
•lie sarkonaatöse Neubildung sicher zu sein. Aber es liegt auf der Hand,
dass diese Deutung keineswegs zwingend ist; es ist vielmehr möglich und
'^ugar wahrscheinlicher, dass wenn wir in einer Neubildung unfertige (sarko-
matöse) und ausgebildete Bindesubstanz finden, letzteres nur ein anderes
Stadium des sarkomatösen Gewebes darstellt, das ausnahmsweise seine
vollkommene Ausbildung erreicht hat und auch plötzlich oder allmählich
eintretendes rascheres Wachstum kann in einem von Anbeginn an sarko-
lüutösen Tumor durch besondere Verhältnisse eintreten. Man hat des-
wegen immer von neuem nach schärferen Beweises für die sarkoraatöse
Im Wandlung gutartiger Tumoren gesucht und sie in histologischen Über-
^'angsbildem zu sehen geglaubt. So beschreibt Tilger (Virch. Arch.
M. 133) einen Fall von Umwandlung eines Magenfibroms in ein Sarkom,
wo sich „der Übergang vom Fibrom zu echtem sarkomatösen Gewebe mit
;iro8ser Deutlichkeit verfolgen'* liessundWestphalen (Virch. Arch. Bd. 110
u. 114) beobachtete in 2 Fällen von multiplen Fibromen der Nerven daneben
auch sarkomatöse Tumoren der Nervenscheiden, welche er als sarkomatös ent-
artete Fibrome ansieht. Es ist ferner in letzterer Zeit die sarkomatöse Um-
wandlung besonders häufig an Uterussarkomen studiert worden, von denen
>ehon früher behauptet wurde, dass sie aus Myomen sich entwickeln. Dabei
i^t es ganz ausserordentüch interessant, dass fast jeder einzelne Untersucher
'lie Untersuchungen seiner Vorgänger für unbeweisend hält. Ganz allgemein
wird jetzt zugegeben, dass die früher so häufigen Angaben über das Neben-
t'inandervorkommen von sarkomatösen und myomatösen Stellen in Uterus-
tumoren wenig beweiskräftig sind. v. Kahl den (15) hat deswegen ge-
radezu gemeint, dass es ihm „zum erstenmal gelungen sei, den direkten
liistologischen Beweis von dem Übergang eines Myoms in Sarkom*' zu
396 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
erbringen; Pick (22) hat das aber wieder in Zweifel gezogen und mit
Recht daraufhingewiesen, dass in dem Falle v. Kahldens sich stets zwei
scharf begrenzte Territorien von glatten Muskelzellen einerseits und kleinen,
dichtgedrängten, intensiv gefärbten Spindel- (Sarkom-) zellen andrerseits vor-
fanden, während man zum Beweise des Übergangs von Muskel- in Sarkoin-
zellen eine innige Durchmischung der einzelnen Formen untereinander
verlangen müsse. Nun glaubt Pick, dass dies ihm und Williams (Hi^i
in einigen P'ällen gelungen sei. Williams beobachtete bei einer 47 jähr.
Frau einen Tumor, den er als Myoma sarcomatodes uteri bezeichnet. Die
Kapsel des Tumors bestand aus ganz normaler Uterusmuskulatur; die
periphersten Schichten zeigten den Bau eines Uterusmyoms mit spärlichen
sarkomatösen Stellen; im Centrum wurde der sarkomatöse Bau ausj];e-
prägter und hier fanden sich Bilder, die als deutliche. Übergänge von
Myom- in Sarkomgewebe gedeutet wurden. Neben normalen Muskelzellen
ersclüenen solche mit erheblich vergrösserten Kernen oder auch karyo
kinetischen Teilungsfiguren; die Zellen liegen dicht gedrängt aneinander
und es erscheinen Riesenzellen, die ebenfalls aus glatten Muskelzellen her-
vorgegangen sein sollen. Ähnliches beschreibt Pick. Nach seiner Mei-
nung wird in dem von ihm beobachteten Falle von Uterussarkom bei
einer 41 jähr. Frau die Umwandlung der glatten Muskelfasern in Sarkom-
und Myomzellen bewiesen 1. dadurch, dass die Sarkomzellen ganz regellos
zwischen Muskelzellen angetroffen werden, 2. dadurch dass die Sarkom-
faserzüge eine unmittelbare Fortsetzung der Muskelzüge darstellen, wie es
Fig. 2 beweisen soll, 3. dadurch, dass die in den Muskelbündeln vor-
handenen Kernformationen leicht alle Übergänge von der dunkeltingierten
Stäbchenform zu der blassgefärbten, leichtgranuHerten rundlichen Eigestalt
der SarkomzcUenkerne darbieten. W^enn Pick auf Grund derartiger Bilder
zu dem Schluss kommt, dass die Produktion der Sarkom- (und Myxom)
Zellen in durchaus eindeutiger Weise von den Muskelzellen dej^
Myoms abzuleiten sei'', so hätte ihn eigentlich das Schicksal seiner Vor-
gänger vor allzu grosser Sicherheit warnen sollen. Ich kann weder in den
Ausführungen Williams, noch denen Picks zwingende Beweise für die
behauptete Metaplasie sehen; alle ihre Beobachtungen lassen sich ohne
irgend welchen Zwang auch anders erklären. Was zunächst die Riesen-
zellen Williams anbetrifft, so begreife ich durchaus, dass er hie und da
den subjektiven Eindruck haben konnte, als wären sie aus Muskelzellen
entstanden; aber irgend einen objektiven Beweis hat er dafür nicht an-
führen können. Auch sämtliche übrigen Bilder von Williams und Pick
erlauben eine andere Deutung. Dass in Fig. 2 von Pick die Sarkomzell-
züge die gleiche Richtung einschlagen, wde die Muskelzüge, müsste selbi^t-
verständlich auch der Fall sein , wenn das sarkomatöse Gewebe aus dem
Geschwülste, Sarkom. 397
interstitiellen Bindegewebe hervorgegangen wäre. Und in Fig. 3 sehe ich
uichts, wie teils gequollene Muskelzellen, teils polymorphe Sarkomzellen.
Dass Sarkomzellen oft genug Muskelzellen geradezu zum Verwechseln
ähnlich sehen, ist eine oft genug betonte Thatsache; und namentlich in
Sflmitteu gehärteter Objekte erscheint es mitunter geradezu unmöglich,
t'ine sichere Differenzierung zu treffen, während es an den isolierten Zellen
noch eher möglich wäre. Ich glaube überhaupt, dass Übergangsbilder in
•1er pathologischen Histologie eine viel bescheidenere Rolle von mehr sub-
jektivem Werte spielen müssen, als in der Embryologie; denn bei letzterer
bilden sie ein Hilfsmittel, das vor allem durch die vergleichende Ent-
wickelungsgeschichte und die stete Vergleichung gleicher Objekte aus ver-
>ehiedenen Stadien kontrolliert werden kann. In der pathologischen Histo-
logie sind wir namentlich bei den Neubildungen völlig ausser stände,
auch nur einigermassen mit Sicherheit das Alter derselben zu bestimmen
und deswegen ist es so schwierig zu sagen, was Früh- und was Alters-
stadium der Geschwulstzellen ist. Dazu kommen endlich noch alle mög-
liclieii Degenerationszustände , welche die Bilder ungemein komplizieren.
I)iibei darf man natürlich nicht nur an die grossartigen Degenerationen
«lenken, sondern an die eben beginnenden, die noch nicht genügend in ihren
Einzelheiten studiert sind; wie schwer es hier ist regressive und progressive
Vorgänge auseinanderzuhalten, zeigen die neueren Beobachtungen über die
Karyorhexis, wo eine ganze Reihe von Formen mit atypischen Karyomitosen
oder Kemsegmentationen übereinstimmen. — Alle diese Auseinandersetz-
ungen sollen keineswegs zu dem Resultat führen, dass sich Uterusmyome —
öder überhaupt gutartige Tumoren — nicht in Sarkome umwandeln können.
Aber sie sollen zeigen, dass die Frage nicht durch histologische Be-
obachtungen allein entschieden werden kann; sondern es handelt sich viel-
mehr um eine allgemein pathologische Frage, die sich mit Sicherheit erst wird
entscheiden lassen, w^enn man über Entstehungsweise und Ätiologie der
Neoplasmen besser aufgeklärt ist, wie jetzt. Freilich giebt es kaum eine
Theorie, mit der man nicht die Auffassung von der Umwandlung gut-
artiger in bösartige Neubildungen in Einklang bringen könnte; aber vor-
läufig sind wir hier noch nach allen Richtungen auf hypothetischem Ge-
t»iet. Aber wenn man selbst annehmen wollte, dass ein Uterusmyom sich
mal in ein Sarkom umwandelt, bleibt es wahrscheinlicher, dass interstitielle
Bindegewebszellen sarkomatös entarten, als dass man eine Metaplasie von
Muskelzellen annehmen dürfte. Ich wenigstens könnte mir überhaupt
nicht denken, welche histologische Bilder hierfür objektive Beweise er-
bringen könnten. —
398 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
ß. £pit]ieliale Neabildaogen.
In der nachfolgenden Abhandlung über die epithelialen Neubildung^ ii
ist naturgemäss der Hauptnachdruck auf die Carcinome gelegt worden;
doch soll mit einem kurzen Überblick über die anderen epithelialen Neu-
bildungen begonnen werden; wobei auf Vollständigkeit kein Anspruch er-
hoben werden kann, da der Verfasser aus Mangel an Zeit nicht alle lu-
merkenswerten Arbeiten sich in wünschenswerter Weise zugänglich niacheii
konnte. Es sei in dieser Beziehung auf den folgenden Jahrgang verwiest n,
wo alle Lücken nach Möglichkeit ausgefüllt werden sollen. —
I. Epitheliome und Papillome.
Litterat ur.
1. d'Aulnay, Traitement des v^g^tations genitales chez la feromo. Bataille et Co.
Paris 1893.
2. Hocker, Zur Lehre von den gutartigen centralen Epithelialgeschwülsten der Kiefor-
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3. Bonorden, über ein meningeales Cholesteatom mit Haaren und Talgdrfiaen. Ziegl.
Beitr. Bd. XI. S. 892.
4. Bornemann, Fälle von multiplen Larynxpapillomen bei Kindern. Deutsch, med.
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5. Garel, Papillome du larynx chez Tenfant. Revue de laryngol. XII. 1891.
6. Hansemann, Berl. klin. Wochenschr. 1894. Nr. 1.
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G. Reimer.
8. Kromayer, K., Die Histogenese der MoUuskumkörperchen. Vir eh. Arch. Bd. 1^2.
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9. Kruse, A., Über die Entwickelung cystischer Geschwülste im Unterkiefer. Vi roh.
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10. Kürsteiner, Beitr. zur pathol. Anatomie der Papillome und papillomat Krebse von
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11. Lange, Ein Fall von multiplen Papillomen an Tonsille, Zunge und Epiglottis. Deutsch.
Arch. f. klin. Med. Bd. 40. S* 463.
12. Landermann, Condylom ata acnminata im Kindesalter. Wien. med. Wochenschr.
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13. Macallum, Joum. of cutan. and genit. dis. 1892. S. 1893.
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15. Mingazzini, Sul moUusco contagioso e snl vajolo dei polli. Policlin. L 15. S. Hoö.
16. Neisser, Über die parasitäre Natur des Molluscum contagiosum. Monatsh. f. prakt
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18. Derselbe, Über Molluscum contagiosum. Sonder- Abdruck aus den Verhandl. des
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19. Pecirka, Sur les papillomes de la peau. Sbomik l&kerska. Prag 1891.
20. Petersen, Über die sogenannten „Psorospermien* der Darierschen Krankheit CtU.
f. Bakteriol. Bd. 14. S. 477.
Epitheliome, Papillome. 399
21. Pick, Arch. f. Dermatol.
22. Pilliet, Deux cas d'^pithelioma calcifi^. Bnllet. de la soc. anatom. des Paris. 1890.
Nr. 13.
23. Ravolgi, Psorospermois cutis. Monatsh. f. prakt. Dermatol. Bd. 18. S. 165.
34. Siegert, Über primäre Geschwulst« der onteren Luftwege. Virch. Arch. Bd. 129.
S. 413.
2.'). Tarni er, Y^g^tations valvovaginales de la grossesse. Semaine med. Xll. 1892. Nr. 6.
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27. Touton, Beitrag zur Lehre von der parasitären Natur des Molluscum contagiosum.
Sonder-Abdr. aus d. Verhandl. des 4. deutsch. Dermatol.-Kongresses.
2^. Unna, Die Histopathologie der flaut. 1894.
29. Wagen mann, Über ein Papillom der Konjunktiva mit ausgedehnter Bildung von
Becherzellen. Arch. f. Ophthalmol. Bd. 40. S. 250.
30. Ziegler, Lehrbuch. 8. Aufl. 1895.
U. Zimmermann, W., Beitrag zur Kenntnis der pathol. Anatomie der polypoiden Neubil-
dungen der Konjunktiva. Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde. Bd. 82.
Die nicht-krebsigen epithelialen Neubildungen, welche nicht gerade
einen drüsigen Bau besitzen und deswegen zu den Adenomen gerechnet
werden, erfreuen sich in der Litteratur einer verhältnismässig geringfügigen
Berücksichtigung. Schon ihre Benennung ist eine etwas strittige; die
Franzosen, die den Ausdruck Epitheliom häufig gebrauchen, pflegen da-
runter gerade auch krebsige Neubildungen zu verstehen, so dass die Be-
nennung in der deutschen Litteratur sich keinen rechten Eingang hat ver-
schaffen können und nur für ein eng begrenztes Gebiet epithelialer Neu-
bildungen in Gebrauch ist. Die häufigere Benennung „Papillom" ist eine
rein morphologische, von mancher Seite angefochtene, die auch nur für
«lie zusammengesetzteren Neubildungen passt, bei denen sowohl eine Wuche-
rung von Bindegewebe wie von Epithelien vorhanden ist. Gerade des-
wegen, weil die Wucherung beider Gewebsarten in sehr verschiedener Weise
ausgeprägt ist und bald die des Bindegewebes, bald die der Epithelien
überwiegt, sind sie von den einen als „papilläre Fibrome'' (Klebs), von
den andern als „papilläre Epitheliome" bezeichnet worden. Es ist auch
hier nicht zweckmässig, auf die genauere Struktur dieser Bildungen ein-
zugehen, da ich bei den Carcinomen im Anschluss an Ribberts Ausf üh- .
mngen und die Arbeit seines Schülers Biedermann noch darauf zu
sprechen komme. — Hier sei in erster Linie derjenigen Tumoren gedacht,
die fast allein in der deutschen Litteratur den Namen „Epitheliome"
tragen und in neuerer Zeit gerade mit Rücksicht auf die Ätiologie mannig-
fache Bearbeitung gefunden haben. Es ist das sogen. Epithelioma oder
Molluscum contagiosum. Bekanntlich handelt es sich hierbei um eine
im grossen und ganzen gutartige Krankheit, wenn auch die Tumoren
nicht selten in grosser Anzahl vorhanden sein können. Die Geschwülste
400 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
sind weich, selten über erbsengross und zeigen in der Mitte eine trichter-
förmige Öffnung, welche einem Haarfollikel entspricht, um den sich die
Geschwülste gruppieren; auf Druck kann man aus dieser centralen Ein-
ziehung eine breiige Masse entleeren, welche die Molluskumkörpercheii
enthalten. Zwei Punkte sind es nun, welche immer noch umstritten sind:
1. die Histogenese des Epithelioma molluscum und 2. die Bedeutung uiul
Natur der Molluskumkörperchen. — In Bezug auf die Histogenese hat vor
allem Ne isser (9 — 11) ausgeführt, dass es sich um eine epidermoidale
Wucherung handelt, welche von den untersten Epithelschichten ausgeht.
Von anderer Seite wird dagegen immer noch die Meinung vertreten, da?s
die Epithelwucherung von den Follikelepithelien den Ausgang nimmt.
Wenn auch die von Kaposi lang festgehaltene Meinung, dass das Mol-
luscum contag. nichts als eine Degeneration der Talgdrüsen sei, nirgends
mehr Unterstützung findet, so hat doch besonders 0. Israel (3) auf Grund
der Untersuchung einiger Fälle die Eutwickelung aus Follikelepithelien
in den Vordergrund stellen wollen. Er führt dafür folgendes an: 1. lässt
sich der lappige Bau der betr. Neubildungen am besten erklären, wenn
man sie von den Follikeln ableitet; 2. soll man öfter in der centralen
Delle der Tumoren ein zartes Haar nachweisen können; 3. ist die That-
sache, dass die eigentUche Epidermis oft atropisch über dem Tumor er-
scheint, nur dann zu verstehen, wenn die Wucherung von den sub-
epidermoidal gelegenen Epithelien ausgeht. Israel hat deswegen auch
für die von ihm näher untersuchten 3 Neubildungen die Benennung
„Epithelioma follicuhire cutis'' vorgeschlagen. Gegen diese Auffassung
ist besonders Neisser (11) aufgetreten. Ein Hauptargument besteht für
ihn darin, dass es auch durch Serienschnitte nicht gelingt, direkt einen
Zusammenhang zwischen den HautfoUikeln und der Epithelwucherung
nachzuweisen; weiter spricht dagegen die auch von Kromayer (4) zu-
gegebene ausgesprochene Fibrillarstruktur der MoUuskumepitheUen, welche
an den Zellen der HaarfolHkel nur schwer und undeutUch und denen der
Talgdrüsen gar nicht zu demonstrieren ist; auch bestreitet Neisser, dass
man in der MoUuskumdelle ein Haar nachweisen kann und glaubt, dass
auch der lappige Bau und die ausgesprochene Zapfenbildung nicht durcli
die Israel sehe Annahme einer Abstammung von HaarfolUkeln erklärt
wird. EndHch bezweifelt er, dass zwei von den Israelschen Tumoren
überhaupt zum Molluscum contagiosum gehören und bezeichnet den ersten
Israelschen Tumor als ein durchaus atypisches Molluskum. Man \nrd
Neisser darin Recht geben müssen, dass die Israelschen Untersucli-
imgen nicht geeignet sind, ein sicheres Bild von der normalen Eutwicke-
lung des Epithehoma contagiosum zu geben, da sie zum mindesten atypisclie
Neubildungen darstellen; auch das dürfte kaum zu bestreiten sein, dass
Epithelioinc, Papillome. 401
<]pr lappige Bau der Neubildungen ganz gut durch eine Vergnisserung
der präformierten Rete-Einsenkungen erklärt werden kann. Doch geht
übrigens auch Ne isser nicht so weit, eine Beteiligung der Follikel
vollkommen ausschliessen zu wollen; er selbst hat sie nur nie beobachtet
und es ist wahrscheinlich, dass sie eben nur in atypischen Fällen vor-
kommt. Von prinzipieller Wichtigkeit ist es aber — und das wird wohl
von allen Untersuchern zugegeben — dass im Gegensatz zu den eigent-
lichen papillären Neubildungen das Bindegewebe am Aufbau der Tumoren
so gut wie unbeteihgt ist und man es thatsächlich mit einer rein epi-
thelialen Neubildung zu thun hat. — Am meisten und heftigsten
umstritten ist die Frage nach der Natur und Bedeutung der Molluskuni-
kürperchen ; welche mit den auffallendsten Bestandteil dieser Neubildungen
ausmachen. Virchow ist bekanntlich der erste gewesen, welcher die
Ähnlichkeit der Molluskumkörperchen mit den Coccidien der Kaninchen-
leber hervorgehoben hat und auch eine Zeit lang daran dachte, dass sie
„die Elemente seien, welche die Vermittler des Kontagion ausmachen''
(21. Dez. 1864, 'vgl. Berlin, klin. Wochenschr. 1865. S. 36)»). Seitdem
hal>en Bollinger, Neisser, Rivolta und viele andere unermüdlicli
die Anschauung verfochten, dass die in den Epitheliomen von Tieren und
Menschen vorkommenden auffallenden Gebilde protozoenartige Parasiten
und die Erreger der Neubildung sind. Auf der anderen Seite wird von
Hansemann (2), O. Israel (3), Kromayer (4), Macallum (6), Peter-
sen (12), Török und Tommasoli (17), sowie Unna (lU) diese Autfas-
sung bekämpft und hervorgehoben, dass es sich nur um allerdings be-
sonders eigenartige Epitheldegenerationen handelt. — Es kann keinem
Zweifel unterliegen, dass die Beurteilung der in den Epithelien liegenden
K<jrper eine sehr schwierige ist. In seiner ersten ausführlichen Arbeit
j^childert Neisser die Verhältnisse folgendermassen. An den gewucherten
Epithelien, welche als mächtige, nach unten sich verbreiternde Kolben
und Stränge in die Tiefe ragen, kann man mehrere Schichten unter-
scheiden: die oberste zeigt normale, verhältnismässig schmale Epithelien
mit grossen Kernen und spärlichen Mitosen; in der nächstfolgenden Schicht,
aber bis in die tiefsten Epithelzapfen reichend, wenngleich nicht alle Zellen
iK'fallen werden, sieht man neben dein Kern helle kleine Tropfen und
1) Nei88er(10)hat somit nicht Recht, wenn er K leb s als den ersten bezeichnet, der
die parasitenartige Natur der Molluskumkörper ^angedeutet" hat, da seine Arbeit. 3 Jahre
später erfolgte, als die Virchow s. Trotzdem kann man letzteren nicht, wie es von
Neisser geschieht, als einen Verfechter der Coccidiennatur der Molluskumkörperchen an-
fuhren. Denn in seiner ausführlichen, späteren Publikation (sein Archiv ßd. 33. S. 151)
erklärt er ansdrQcklich, dass er , nichts wahrgenommen habe, was auf einen solchen (parasi-
tkren) Ursprung hinweise.*
Liibar<;ch •OstortA {;, Er^obniAse Abteil. II. 26
402 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
Kügelchen, welche oft den Kern halbmondförmig einbuchten, aber hier
und da auch zwischen den Zellen liegen. An IsoUerpräparaten erscheinen
sie als ovale, an beiden Enden zugespitzte Körpercheu, mit einer nicht
konstant nachweisbaren dunkleren, als Kern gedeuteten Zusammen-
ballung des Protoplasmas. Die (yrösse der Gebilde ist verschieden; je
grösser sie werden, um so mehr wird der Zellkern zur Seite gedrängt uiul
kleiner; die Zellwand und das Zellprotoplasma verhornt und schliesslich
bleibt eine glänzende, fast homogene rundlich bis ovale, mit einem einge-
drückten Kern versehene Masse zurück, welche das sog. MoUuskumkörper-
chen darstellt und nach Neisser als verhornte, kernresthaltige mit den
Parasiten angefüllte Epithelzelle aufzufassen ist. Den Entwickelungsgang
stellte sich Ne isser folgendermassen vor: zuerst tritt in der Nähe des
Zellkerns eine trübe, feinkörnige, hüllenlose Scholle auf, welche aus hellen,
ungemein kleinen, wandungslosen Körperchen zusammengesetzt ist. Sie
stellt das Stadium der hüllenlosen Gregarine dar; allmählich grup-
piert sich die gleichmässige Trübung zu kleinen dunklen Kügelchen, aus
denen wiederum die hellen, glänzenden, ovalen Gebilde hervorgehen, die
oft in der Zahl von 7, 8, 10 oder mehr Individuen in der Zelle hegen.
(Stadium der Sporulation.) Diese Sporen sollen bei Osmiumbehand-
lung besonders im Centrum eine schwärzlich graue Substanz, ja mitunter
einen deuthchen, scharf konturierten Kern erkennen lassen. Ob ein
weiteres Entwickelungsstadium , vor allem ein Encystierungsprozess
vorkommt, bUeb zunächst zweifelhaft. Doch hat Neisser später rait
grosser Bestimmtheit angegeben, dass die glänzenden Körperchen inner-
halb jeder einzelnen Zelle durch eine besondere, scharfe Kontur vom
übrigen Protoplasma abgegrenzt werden, also eine deutliche Sporen-
cystenwand vorhanden ist. Am beweisendsten für die parasitäre Natur
scheinen ihm in neuester Zeit diejenigen Bilder, die er an feinen Gefrier-
mikrotomschnitten gewann, die er in gewöhnlichem Wasser oder in ganz
verdünnter Sublimatlösung untersuchte; hier sieht man nämlich in den
tiefsten Epithellagen in den Zellen eine krümlige, diffus kömige Masse,
aus der allmählich scharf begrenzte Körper hervorgehen, die schliesslich in
den oberen Epithelschichten sich zu scharf begrenzten, homogen glänzenden,
bald rundlichen, bald ovalen Körpern differenzieren. Diese Bilder, die man
in gleicher Deutlichkeit auch bei Härtung in Osmium-Palladiumlösung er-
hält, sollen mit grösster Sicherheit zeigen, dass man es mit organisierten,
sich fortentwickelnden Gebilden zu thun hat. Mit diesen Schilderungen
Neissers stimmen noch am besten die von Touton (18) überein und
auch Ziegler (30) schliesst sich im wesentUchen Neisser an. Touton
untersuchte in der Weise, dass er die mit scharfem Löffel entfernten Par-
tikel eines Mollusc. contag. von der Supraorbitalgegend in kleine Schälchen
Epitlieliome, Papillome.
403
«f
mit physiologischer Kochsalzlösung legte, unter einer Glasglocke ofEen
stehen Hess und dann nach 1—4 Wochen untersuchte. Er beschreibt
dann in Präparaten, die ca. 1 Monat nach dem Einlegen in die Kochsalz-
lösung untersucht wurden, „in kleineren oder grösseren Gruppen zusammen-
liegende, 10 — 15 // im Durchmesser haltende rund-
lich-ovale, stumpf-keilförmige, auch mehr quadrati-
sche und rechteckige Körper mit abgerundeten
Ecken", von denen die meisten eine zarte Mem-
i)ran besitzen, einzelne aber hüllenlos sind; das
Protoplasma ist fein granuliert; in der Mitte oder
auch an der -Peripherie findet sich ein in einem
hellen Fleck liegendes rundes homogenes Körperchen.
Einzelne dieser Körper besitzen auch feinere oder
gröbere Fortsätze mit bald dickeren, bald dünneren
( Tranulis. Die grössten Gebilde sind mehr eiförmig von 40—50 /< Grösse
und kräftigerer Membran. In ihnen treten grössere Körner auf, die bei
Jo<lzusatz braun erscheinen und deswegen als „Gregarinenkömer*' be-
zeichnet werden; ebenso wird immer mehr eine Differenzierung zwischen
einem gröberen granulierten Ento- und einem fein granulierten Ektoplasma
deutlich. (Fig. B 2 a— c.) Touton führt des näheren aus, wie alle diese
Formen bis in Einzelheiten hinein Übereinstimmung mit Coccidien- und
iiregarinenformen darbieten. In kürzere Zeit macerierten Stückchen findet
Fif. A (nach Neisser.)
a
Fig. B (iiAoh ToQton.)
man endhch Epithelzellen, welche grosse homogene Körper enthalten, wie
sie auf Fig. 3 abgebildet sind. Zwar verschwindet in diesem Stadium der
Kern, aber der Nachweis einer Sporenbildung gelang nicht, was im Gegen-
satz zuNeissers Angaben hervorgehoben werden muss. Dagegen glaubt
Israel, dass in der Kochsalzlösung eine Vermehrung der Parasiten statt-
fand, da er die kleinsten von ihnen oft in grossen Rasen frei antraf, während
^sie in den Zellen nur in kleinerer Anzahl (3—5) zu finden waren; eine
Angabe, die wiederum von Neisser nicht bestätigt werden konnte. Im
übrigen aber stimmen beide Autoren darin überein, dass die beschriebenen
Gebilde als Parasiten und zwar als Sporozoen angesehen werden müssen,
welche den Coccidien am nächsten stehen. Andere Autoren, wie z. B.
26*
404 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
L. Pfeiffer und Mingazzini (8), weichen nicht nur in der Beschreibung
der Einzelheiten vielfach sehr bedeutend von Neisser und Touton ab,
sondern sind auch mit der Klassifizierung nicht einverstanden. Pfeiffer
glaubt, dass es sich weder um Coccidien noch Gregarinen handelt, sondern
um Amöbosporodien und Mingazzini bezweifelt sogar die tierische
Natur der Parasiten, nach ihm vermehren sich die Parasiten in den Epi-
thelien durch Knospung; eine Sporenbildung soll nur im Darm von In-
sekten stattfinden, wo sie aus der Erde hingelangen; er vermutet, dass es
sich um einen zur Familie der Chitridiaccen gehörigen Pilz handelt und
giebt an, dass er sowohl in reinem sterilisierten Wasser, als auch in Wasser,
dem Exkremente von Tauben zugefügt sind, leicht gezüchtet. werden kann.
— Neben den speziellen Beobachtungen sind es eine Reihe von allge-
meinen Gründen, die Neisser, Touton und viele andere Dermatologen
dazu bestimmen, die Molluskumkörperchen für Parasiten zu halten. In
erster Linie gehört dahin die wohl nicht zu bezweifelnde Thatsache, dass
das Epithelioma wirklich kontagiös ist; nach älteren Versuchen von Haab
und Vidal ist neuerdings wohl durchaus einwandsfrei von Pick (12) der
Beweis erbracht worden, dass es sich um eine übertragbare Krankheit mit
langer Inkubationszeit handelt. Weiter führt Neisser folgende Gründe an:
1. Da die Epithelwucherung beim Molluscum contag. sowohl von der bei
der Carcinombildung, wde der aller entzündlichen Epithelhyperplasieen prin-
zipiell verschieden ist und nicht auf innerer, angeborener Anlage beniht,
muss sie auf einer äusseren Ursache beruhen, die bei einem Gebilde, das
kontagiös und inokulabel ist, eine parasitäre sein muss. 2. Es ist
unmöglich, das Auftreten der beschriebenen Gebilde durch die Degene-
rationshypothese zu erklären, wie schon daraus hervorgeht, dass man ähn-
liches bei bekannten Zelldegenerationen nicht zu sehen bekommt uml
auch unter den verschiedenen Autoren, die eine Zelldegeneration annehmen,
keine Übereinstimmung über die Natur derselben besteht, vielmehr die
einen sie als kolloide, die anderen als hyaline oder homartige Degeneration
bezeichnen. — Touton fügt noch hinzu, dass der Vergleich mit den bei
Hühnern und Tauben vorkommenden ^Epitheliomen, „welche sicher durch
Gregarinen verursacht sind'', sehr für die Protozoennatur spricht, ferner
auch der Umstand, dass reichliche Molluskum-Eruptionen nicht selten bei
Leuten vorkommen, die nach länger dauernden Hautmacerationen kräftige
Wasserapplikationen durchgemacht haben und bekanntermassen Gregarinen
und Coccidien im Wasser gut gedeihen können.
Wenn wir bei der Kritik zunächst auf die beiden letzten Punkte
eingehen wollen, so sei hervorgehoben, dass der letzte Punkt doch höch-
stens für die Pathogenese von Bedeutung sein könnte, w^enn die parasitäre
Natur der Affektion und der gefundenen Gebilde völlig sicher gestellt
Kpitheliomo, Papillome. 4Q5
wiire. Ciegen die Ansiclit, dass bei den Epitheliomen der C;efiügel[)oeken
„sicher Gregarinen'' die Ursache der Erkrankung sind, muss aber ent-
schieden Front gemacht werden. Auch hier liegen die Verhältnisse nocli
keineswegs klarer, wie beim Epithelioma contag. des Menschen; die An-
piben L. Pfeiffers sind z. T. ganz unzuverlässig; hier ist es vielmehr
völlig sicher, dass ein Teil der von ihm als Entwickelungstadien des Para-
siten gedeuteten Formen Leukocyten oder degenerierte Epithelien sind;
und auch die Angaben anderer Beobachter (Bollinger, Rivolta, Min-
gazzini) stimmen unter einander weder in Einzelheiten, noch in der all-
gemeinen Auffassung überein; man ist wohl berechtigt, die grosse Ver-
wandtschaft der beim Menschen und Vögeln vorkommenden AfEektionen
zu betonen und den Satz aufzustellen, dass, wenn die eine Affektion durch
Sporozoen hervorgebracht ist, es auch die andere sein muss. Aber die
unsicheren Beobachtungen bei den Geflügelpocken zur Stütze der unsicheren
oder wenigstens vieldeutigen Beobachtungen beim Menschen zu verwerten,
ist eine Unmöglichkeit. — Wenden wir uns zuNeissers Argumentationen,
so wird man ihm in seinen Ausführungen bis ins einzelne beistimmen
können, ohne doch zugeben zu müssen, dass die Molluskumkörperchen die
mit Recht postulierten Parasiten sind. Auch bei anderen Krankheiten (den
akuten Exanthemen, Syphilis etc.) nehmen wir mit vollstem Recht an, dass
Mikroparasiten die Erreger der Erkrankung sind, ohne uns doch davon
abhalten zu lassen, die einzelnen Befunde sachlich zu beurteilen. So lange
es gilt, überhaupt erst die Protozoennatur der beschriebenen Gebilde zu
beweisen, kann also in der Kontagiosität des Leidens ein unterstützender
Grund nicht gesehen werden. Ebensowenig stichhaltig erscheint der zweite
(jrund Neissers. Man muss ihm zwar darin Recht geben, dass unter
den verschiedenen Autoren, welche von Zelldegeneration sprechen, eine
Übereinstimmung über die Art der Zelldegeneration nicht besteht; aber das
beweist nur, dass die üblichen Ausdrücke „hyalin'', „kolloid" oder hornartig
zu vage sind und auch thatsächlich auf den vorliegenden Prozess nicht zu-
treffen. Beachtenswerter erscheint daher der Versuch Kromayers (4) die
besonderen eigenartigen Formen durch einen Zerfall der Epithelfasern zu
erklären und das, was Neisser dagegen einwendet, ist nicht gerade sehr
viel, wenn man ihm vielleicht auch darin Recht geben mag, dass nicht
sämtliche Fonnen in der von K rom ay e r angedeuteten Weise erklärt werden
können. Die Haupteinwendungen gelten aber der eingreifenden Methode
Kromayers; und da möchte ich doch bemerken, dass man ganz ähnliche
Bilder auch mit der Alt mann sehen Granularmethode erhalten kann.
Weun man also auch zugeben muss, dass die Degenerationshypothese
Lücken aufweist, so steht es doch mit der Protozoenhypothese nicht viel
besser; hier sind sogar über prinzipielle Punkte noch mannigfache Differenzen
406 Allgem. patfaol. Morphologie und Physiologie.
vorhanden; Neisser beschreibt Sporen und Sporencystenbildung, Touton
hat nichts davon wahrnehmen können und in den Einzelheiten muss Neisser
selbst an mehr wie einem Punkte zugeben, dass Lücken bleiben oder noch
keine völlige Klarheit erzielt wurde. Man kann also wohl zweifeln, ob die
Aktien der Protozoenhypothese auch nur gleich stehen mit denen der De-
generationshypothese. Es kommt nun aber noch ein wichtiger Punkt in
Betracht, ob nämlich die von Neisser und Touton in erster Linie als
Sporozoen angesprochenen Gebilde sich nicht noch bei anderen Erkran-
kungen vorfinden. Neisser giebt nur kurz an, dass man bei anderen
Epithelwucherungen nichts Ähnliches zu sehen bekäme und Touton be-
richtet, dass er auch andere Affektionen nach seiner Methode untersucht
habe, ohne jedoch gleiche Befunde zu machen. Von anderer Seite liegen
dagegen Schilderungen vor, die allerdings nur in einigen Punkten mit denen
Neissers und Tou ton s übereinstimmen, sich aber auf andere Hautkrank-
heiten beziehen. Wenn ich auch den Angaben Ravolgis (15) über Be-
funde von gleichartigen Protozoen beim Lupus erythemathodes keinen allzu
grossen Wert beimessen will, so bleiben doch noch die Schilderungen bei
der Darierschen und Pagetschen Krankheit übrig, die sich zimi Teil
mit den Befunden Neissers und anderer decken. Nun könnte man freilich
sagen, wie es ja auch thatsächlich geschieht, dass eben auch diese Krank-
heiten durch Protozoen hervorgebracht werden. Abgesehen davon, dass
die Kontagiosität dieser Erkrankungen nicht sicher nachgewiesen ist, spricht
aber dagegen der vor allem von Petersen (12) gelieferte Nachweis, dass
die bei der Darierschen Krankheit geschilderten Gebilde sich auch bei den
verschiedensten einfachen Hyperkeratosen vorfinden und zum Teil wenig-
stens mit Sicherheit als Zell- und Kemdegenerationen aufgefasst werden
müssen. Ich möchte hier vor allem das betonen, dass sich die feine, all-
mähUch immer deutlicher werdende Körnelung des Protoplasmas der Epithel-
zellen, wie sie Neisser und Touton schildern und als JugendstÄdiura
der Parasiten betrachten, entschieden unter den verschiedensten pathologi-
schen Verhältnissen nachweisen lässt, und zwar nicht etwa nur an Alkohol-
präparaten, sondern bei den verschiedensten Fixierungsmethoden (Alt-
mannsches, Hermannsches undZenkersches Gemisch, Sublimatlösung);
solche Bilder habe ich gefunden 1. in dem Epithelüberzug verschiedener
Warzen, 2. in papillären Erhebungen und Epithelverdickungen in der Um-
gebung von Carcinomen, 3. in Exkrescenzen der Stimmbänder. Namentlich
in einem Falle habe ich sie in solcher Deutlichkeit und Reichlichkeit ge-
funden, dass ich im Zweifel blieb, ob es sich nicht wirklich um ein Epi-
thelioma contag. handelte; da aber 1. ausser am Stimmbande am ganzen
Körper ähnliche Neubildungen nicht vorhanden waren, und 2. auch histo-
logisch die Wucherung nicht mit dem MoUusc. contag. übereinstimmte —
Epitheliome, Papillome. 407
es fehlte die Bildung von Epithclzapfen und der gelappte Bau - so konnte
das ausgeschlossen werden. Die beistehenden Abbildungen (Fig. C) zeigen deut-
lich die Übereinstimmung bezw. Ähnlichkeit mit Neissers und Toutons
Präparaten. Endlich habe ich in diesem Falle auch Gelegenheit gehabt,
Toutons Macerirmethode mit gleichem Erfolge wie er, anzuwenden. Frei-
lich kann ich derselben überhaupt keinen so besonderen Wert beimessen ;
sie hat ledigUch den Vorteil, dass sie eventuelle Zelleinschlüsse frei macht
und dadurch eine genauere Untersuchung ermöglicht; eine grosse Bedeu-
tung wäre ihr zugekommen, wenn man eine Vermehrung der als Sporozoen
jjjedeuteten Gebilde mit Sicherheit hätte nachweisen können. Touton
hat aber wohl selbst eingesehen, dass durch seine Notizen über das Vor-
kommen der „Parasiten" in grossen Rasen eine solche Vermehrung nicht
bewiesen ist; Neisser hat geradezu angegeben, dass er irgend etwas von
Fortentwickelung nicht gesehen hat; nur grösser und deutlicher schienen
die „Sporen" zu werden. Andererseits hat aber die Touton sehe Unter-
suchungsmethode den Nachteil, dass sie auch am Zellinhalt Veränderungen
hervorbringen kann, die wir noch nicht genügend beurteilen können.
Freilich meint Neisser, dass gerade der Gegensatz zwischen dem Zerfall
der gesunden Epithelzellen und dem stets deutlicheren
Hervortreten der intracellulären kugeligen Gebilde für
die parasitäre Natur letzterer spräche. Aber auch das
ist nicht strikte beweisend; denn es hegt auf der
Hand, dass, wenn es sich auch um degenerative
Prozesse handeln sollte, eine besondere nicht nur
morjihologische, sondern auch chemische Umwandlung
des Zellinhaltes vorliegen muss; die umgewandelten
Epithelfibrillen können also, obgleich sie durch Degeneration entstanden sind
gegen Maceration sehr viel resistenter sein, wie normale; ebenso, wie wir, auch
bei anderen pathologischen Produkten (Hyalin, Amyloid) eine viel stärkere
Widerstandsfähigkeit nachweisen können, als sie dem normalen Zelleiweiss zu-
kommt. — Aus allen diesen Gründen muss man, glaube ich, den Stand der
Dinge dabei präcisieren, dass ein strikter Beweis für die Sporozoennatur der
Molluskumkörperchen nicht erbracht ist und dass vor allem ein Teil der
beschriebenen Gebilde mit grösserer Wahrscheinlichkeit als Degenerations-
produkte angesehen werden müssen. Für mich sind meine oben geschilderten
Befunde, sowie die Petersens doch von der prinzipiellen Wichtigkeit, dass
ich nur die Alternative sehe, dass entweder eine Reihe der allergowöhn-
liehsten Hyperkeratosen und Epithel Wucherungen durch Protozoen hervor-
gebracht werden oder das Auftreten der beim Molluscum contagiosum
beobachteten diffusen Trübung und Kömelung auf Zelldegeneration zurück-
zuführen ist. Vorläufig erscheint mir das letztere wahrscheinlicher. Trotzdem
408 Allguin. pathol. Murphulogiu und i'bysiologic.
lialto ich es nicht für ausgeschlosöeii , dass unter den von NeisscM* uinl
Touton beschriebenen Formen echte Parasiten gewesen sind; so ist es vor
allem nicht zu leugnen, dass die Angabe Toutous, er habe im Leibe der
erwachsenen Formen Gregarinenkörner (mit positiver Jod- und Jod H^SOi-
rcaktion) gefunden, recht bedeutungsvoll ist; immerhin sind auch sie nicLl
absolut beweisend ; denn bekanntlich kommen auch in den Zellen höherer
Tiere Umwandlungen des Protoplasmas vor, wobei die gleichen tinktorielleii
Reaktionen .erzielt werden, wie bei Bütschlis Paraglykogen der Coccidien
und üregarinen. Ferner habe ich wenigstens in den Coccidien der Kaniuehen-
leber und des Salamanderdarmes, sowie bei Clossia niemals die Panigly
kogenkörner in so unregelmässiger Weise hegen sehen, wie Touton sie
abbildet, so dass auch hier die Übereinstimmung keine vollständige ist. —
Also es scheint mir für einen Teil der Zelleinschlüsse höchst w^ahrscheiulidi.
dass sie Degenerationsvorgänge sind ; für einen anderen Teil noch nicht
genügend bewiesen, dass sie Parasiten sind. — Wenn es noch nicht ge-
lungen ist, in klarer Weise alle Formen auf Zelldegenerationen zurückzu-
füliren, so liegt das auch mit an unseren lückenhaften Kenntnissen über
den feineren Bau der Zelle und des Kernes; und für so völHg absurd
möchte ich daher Macallums Versuch, auch aus den Kernen austretende
Substanzen zur Erklärung der Zelleinschlüsse heranzuziehen, nicht halten,
umso mehr als die Untersuchungen über Karyorhexis gezeigt haben,
dass bei verschiedenen Alterationen der Zelle Kernbestandteile in den Zell-
inhalt übertreten können. — Eine Entscheidung der prinzipiell so äusserst
wichtigen Fragen müssen wir demnach erst von der Zukunft erwarten.
Was die übrigen als Epitheliome und Papillome bezeichneten Neu-
bildungen anbetrifft, so kommen bei ihrer Genese sowohl die irritativen
Momente, wie die Ableitung von embryonalen Zellen in Betracht, Die
irritative Entstehung ist ja längst sicher gestellt, bei den papillären
Wucherungen, die man als spitze Kondylome bezeichnet und welche be-
kanntlich am häufigsten nach voraufgegangener Gonorrhoe entstehen. Doch
ist es bekannt, dass sie sich auch in der Gegend der Genital- und After-
üffnungen bei anderen entzündlichen Prozessen bilden. d'Aulnay (1)
meint geradezu, dass die verschiedensten stark sauren Flüssigkeiten zu einer
Wucherung der Hautpapillen Anlass geben können; er unterscheidet dann
drei Arten von Papillomen, die sich an den weiblichen Genitalien vorfin-
den: 1. die in der Schwangerschaft auftretenden; 2. die durch reizende
Absonderungen aus Urethra, Vagina und Anus hervorgebmchten ; 3. die
dyskrasischen , bei Diabetes und Tuberkulose auftretenden Kondylome.
Was den dritten Punkt anbetrifft, so ist es v;ohl unw^ahrscheinlich , da.ss
die Dyskrasie die eigentliche Ursache der Neubildung ist, sondern wahr-
scheinlicher, dass bei den mit Kachexie einliergehenden Krankheiten,
Kpitheliohic, Papillome. 409
iluTch stärkere Vermehrung der normalerweise im Genitaltraktua vor-
liaiidenen Mikroben, leicht reizende Flüssigkeiten abgesondert werden.
Freilich ist es nicht immer möglich, das reizende Agens direkt nachzuweisen ;
!?o konnte z. B. Landermann (12) in vier Fällen von nicht gonorrhoischen
spitzen Kondylomen der Aftergegend, welche bei Kindern unter 3 Jahren
sich entwickelt hatte, nur einmal vorausgegangenen Darmkatarrh ätiolo-
gisch verwerten; aber die verschiedene Entwdckelungsdauer — sie schwankte,
zwischen 14 Tagen und 2 Jahren — zeigt, dass durch fortgesetzte, minimale
für uns nicht greifbare Reize, wenn auch ganz allmählich, der gleiche
Effekt erzielt werden kann, wie durch starke, chemische Reize. Auch
die Angaben Langes (11) über die starke entzündliche Infiltration, die man
so gut wie regelmässig in spitzen Kondylomen und Papillomen findet,
weisen auf die Bedeutung eines entzündHchen Reizes hin, und ebenso heben
Borne mann (4) und Gare 1(5) hervor, dass bei den im Kindesalter auftreten-
den, oft multiplen Papillomen des Larynx voraufgegangene entzündliche
uud infektiöse Prozesse der Atmungsorgane eine Rollen spielen, so war
z. B. in dem P^all Gar eis bei einem vierjährigen Mädchen Influenza vor-
ausgegangen. Noch sicherer tritt in diesem Falle die Abhängigkeit der
Neubildung von irritativen Prozessen dadurch hervor, dass nach der Tracheo-
tomie, d. h. nach Fortfall des Irritamentes, sich der Tumor von selbst zu-
rückbildete. Und das gleiche gilt nach den Beobachtungen Tarniers(2o)
für die in der Schwangerschaft entstehenden Kondylome der Vagina und
Vulva, w^elche gewöhnlich bei starker Leukorrhoe im vierten bis fünften
Monat der Schwangerschaft entstehen und Erdbeer- bis Faustgrösse er-
reichen können ; auch sie bilden sich nach Ablauf der entzündlichen Reizung
im Verlauf des Wochenbetts meist spontan zurück. Man könnte deswegen
eigentlich die Meinung vertreten, dass es sich nicht um „autonome" Neu-
bildungen handelt, wenn sie nicht im Bau mit den spitzen Kondylomen
vollkommen übereinstimmten und sich mitunter auch nicht spontan zurück-
bildeten. Doch giebt es auch unter den Papillomen solche, die wahrschein-
lich kongenital sind. Dahin gehören 1. die im Kindesalter auftretenden papil-
lären Bildungen der Harnblase, die Steinmetz (24 a) neuerdings zusammen-
gestellt hat und unter denen sich einige sicher kongenitale Fälle finden.
2. Ein Fall von Bornemann von multiplen Kehlkopfspapillomen bei
einem 14 Monate alten Knaben, wo nach der Anamnese eine kongenitale
Entstehung wenigstens sehr wahrscheinlich ist. 3. Der Fall von Siegert (24) :
Papillom der Luftröhre. Es handelte sich um einen an der Bifurkation
sitzenden, in den rechten Bronchus hineinragenden, taubeneigrossen, blumen-
kohlförmigen Tumor, welcher an seiner Oberfläche mit ein- oder mehr-
sdüchtigem Stachel- oder Riffelzellenepithel bekleidet war; in die liefe
erstreckten sich interpapilläre Zapfen mit Hornperlen. Da die ganze
410 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Wucherung sich selir scliarf gegen das CyHuderepithel der Luftröhre ab-
grenzte, so glaubt Siegert eine Epithelmetaplasie ausschliesseu und einen
Ausgang von embryonal abgeschnürten Keimen annehmen zu dürfen,
um so mehr als der Sitz des Tumors an der Stelle, von der aus die Tren-
nung zwischen Lungen- und Speiseröhrenanlange beginnt, die Annahme
wesentlich unterstützt. Ob auch bei den multiplen Papillomen des Lan^nx,
die nach Bornemanns Untersuchungen so oft im frühen Kindesalter sieb
entwickeln, eine kongenitale Anlage oder wenigstens Disposition eine Rolle
spielt, muss noch dahin gestellt bleiben. Die grosse Neigung dieser Neu
bildungen zur Wiederkehr könnte eventuell dafür sprechen. Ob auch die
verkalkenden Epitheliome, wie Pilliet (22), der zwei derartige Fälle be-
obachtete, annimmt, von embryonal verlagerten Zellen ausgehen und den
Dermoiden nahestehen, ist noch zweifelhaft; es wird hierauf bei den Car-
cinomen nochmals eingegangen werden. — Eine für die Genese der Tumoi-en
nicht unwichtige Frage ist auch die, welches Gewebe zuerst in Wucherung
gerät: das Bindegewebe oder die Epithelien. Pecirka (19) vertritt die erstere
Meinung und führt drei Beispiele an, aus denen die primäre Beteiligung
der Blutgefässe und des gefässführenden Bindegewebes bei der Entstehung
von Hautpapillomen evident sein soll. Kürsteiner (10) vertritt besonders
für die Papillome der Harnblase und Ovarien die entgegengesetzte Auf-
fassung, welche auch schon früher von Eberth für ein Papillom der
Tube wahrscheinlich gemacht war, er glaubt, dass zunächst die Epithelien
sich vermehren, dann sogar in papillenförmigen, aber hohlen Bildmigen
sich erheben, in die erst nachträgHch die gcfässführende , bindegewebige
Achse hineinwuchert. Lange spricht allerdings auch von einer primären
Verdickung des Epithels durch ausserordentüch lebhafte Wucherung der
Stachelzellen, ohne aber eine papillenförmige Erhebung des Epithels ohne
Beteiligung des Bindegewebes zuzulassen. Denn bei der ersten Bildung
einer halbkugeligen oder wallartigen Falte sollen sich bereits das Binde-
gewebe oder die Gefässe beteiligen, so dass überhaupt, wie auch schon
früher angenommen wurde, durch die Bindegewebswucherung die Form
bestimmt wird. Lange schildert geradezu, dass erst durch die Bildung
neuer Gefässschlingen, die verdickten Epithellagen zu erneuten Zellteilungen
angeregt werden und so den Gefässen das Einwachsen ermöglichen. Auch
Kürsteiners Beobachtungen beweisen noch nicht, dass eine vom Binde-
gewebe unabhängige Papillenbildung durch Epithelwucherung allein vor-
kommt; auch sein Beispiel von den papillären, häufig sekundäre Wuche-
rungen im Peritoneum bildenden Flimmerepithelcysten des Eierstocks ist
nach meiner Meinung nicht stichhaltig; denn gerade die Wucherung der
Epithelien kann ziemlich rasch zu einer Bindegewebsneubildung Anlass
geben. Das Beispiel zeigt also nur, wie ja auch Lange annimmt, d:i5S
Kpithelionic, Papillome. 411
die Epithelwücheruug das Primäre sein kann, beweist aber nicht, dass
die Papillenbildung ohne primäre Bindegewebswucherung entsteht. Was
(las weitere Wachstum der Papillome anbetrifft, so glaubt Lange, dass
auch die Leukocyten hierbei bedeutungsvoll sind, indem die diffus vom
Bindegewebe in Zügen zwischen die Epithelien einwandernden Leukocyten
das Wachstum der Papillome mächtig fördern sollen (?). Die Aufgabe der
Leukocyten in den Papillomen ist eine doppelte; die in Gruppen auf-
tretenden einkernigen weissen Blutzellen besorgen vermutlich die Fort-
schaffung älterer, funktionsunfähig gewordener Epithelien; die zerstreut
an die Oberfläche wandernden Zellen haben dagegen eine mehr entzünd-
liche Bedeutung, welche wohl von der Ansammlung von Mikroorganismen
au verletzten Epithelien abhängt. — Als besondere histologische Befunde
seien die Beobachtungen Kürsteiners, sowie Wagen manns (29) und
Zimmermanns (30) erwähnt. Ersterer fand in einem Harnblasenpapillom
zalilreiche coccidienähnliche Zelleinschlüsse, auf die weiter unten bei den
Carcinomen näher eingegangen wird. Wagenmann und Zimmermann
fanden im Papillomen der Konjunktiva ausgedehnte Bildung von Becher-
zellen, während im übrigen die Befunde Zimmermanns zeigen, dass
papilläre Wucherungen sehr verschiedenartiger Zusammensetzung sein
können.
Ene besondere Stellung nehmen diejenigen epithelialen Neubildungen
ein, welche eine mehr oder weniger ausgesprochene Neigung zur Cysten-
bildung besitzen; ein Teil derselben ist kurz in der Zusammenstellung von
Marck wald erwähnt worden ; ein anderer Teil wird noch bei den Adenomen
und Carcinomen zu berücksichtigen sein, doch soll im nächsten Jahrgang
ebe zusanmaenfassende Darstellung der cystischen Neubildungen, einschliess-
lich der teratoiden gegeben werden. Hier sei nur noch auf wenige Punkte
eingegangen. Zunächst sei erwähnt , dass nach den Untersuchungen
Chiaris und Frankes auch die Atherome nicht ausschliesslich als
Retentionscysten aufgefasst werden dürfen ; sondern z. T. wenigstens als aus
verlagerten Epidermiszellen durch Wucherung und Zerfall entstÄudene Epi-
«iermoide zu betrachten sind ; sie würden dann in gewisse Analogie zu den
traumatischen Epithelcysten der Finger und des Auges zu stellen sein,
nur mit dem Unterschiede, dass bei den Atheromen die Verlagerung der
Epidermiszellen nicht nachweisbar an äussere Einflüsse anschliesst. Grössere
Aufmerksamkeit wurde auch den cystischen und soliden epithelialen Neu-
bildungen des Kiefers geschenkt, seitdem Malassez^) zuerst die Meinung
ausgesprochen hatte, dass sie von bei der Bildung des Schmelzorgans nicht
verbrauchten epitheüalen Zellen ausgehen , den sogen, „debris epitheliaux
i) Arch. de physiol. norm, et pathol. S^rie III. Bd. V. 1885.
412 Allgcni. paiLol. Morphologie und Physiologie.
paradentuires'', welclic man nicht selten als kleine Epithelzellhaufen aiuli
im Extrauterinleben erhalten findet. Sowohl die Beobachtungen Kruses (%
welcher 2 cystische Neubildungen des Kiefers untersuchte, wie die von
Massin (14) und Becker (2) haben wichtige Stützen für Mallassezs
Auffassung erbracht. Bei Kruse war der Beginn der Erkrankung in das
11. bezw. 12. Lebensjahr zurückzuführen; auch ergab der Vergleich der
Epithelzapfen der Geschwulst mit der Zahnanlage eines 6 Monate alten
Embryos, dass sie in jeder Beziehung mit den Elementen des Schmelz-
organs übereinstimmten, mit der selbstverständlichen Ausnahme, dass in
den cystischen Neubildungen die Epithelzellen ganz atypisch wuchern.
Massins Tumor, der allerdings nicht in allen Punkten mit den Mallassez-
sehen übereinstimmt, ist dadurch besonders interessant, dass er bei einem
neugeborenen Mädchen gefunden wurde, also sicher angeboren war. Becker
konnte neben cystischen Tumoren, die er als multilokulares Kystom di>
Kiefers bezeichnet, auch einen Fall von centralem Papillom des Unter-
kiefers bei einem 39jährigen Mann untersuchen, der ebenfalls nicht andei^
erklärt werden kann, wie aus den „döbris paradentaires'' entstanden. Ej?
handelte sich um eine Kiefercyste, die an ihrer Innenwand einen papilloiua-
tosen Tumor trug, der ausschliesslich aus Epithelien bestand, die in ihrem
Aufbau und morphologischen Verhalten vollständig den Malassezscliin
Epithelresten entsprechen; Becker glaubt, dass diese Neubildung als Vor-
stufe des Polykystoms angesehen werden muss. Jedenfalls geht t\\x^
Massins und Beckers Beobachtungen hervor, dass auch solide Epitlielial-
geschwülste aus embryonalen Zellen hervorgehen können.
Endlich noch einige Bemerkungen über die Cholesteatome, deren
Genese immer noch umstritten ist. Gläser hat noch neuerdings in einci
unter Ponficks Leitung gemachten Arbeit es für möglich erklärt, dai5>:
sie aus Endothelien durch eine Metaplasie hervorgehen können; währen«!
Ziegler in seinem Lehrbuch und Bonorden (3) in einer auf Beneeke^
Veranlassung gemachten Arbeit die Cholesteatome oder wenigstens einen
Teil derselben als teratoide Neubildungen auffasst. In Bonordens Fall,
wo in dem meningealen Cholesteatom auch Talgdrüsen und Haare gefunden
wurden, ist diese Genese jedenfalls sicher gestellt. Für die Cholesteatome
des inneren Ohres kann wohl kaum eine einheitliche Genese angenommen
werden; so hat auch Kuhn in seinem zusammenfassenden Referate auf
dem 10. internat. med. Kongress in Berlin die Frage unentschieden gelassen,
und auch die neueren Untersuchungen, über deren Einzelheiten im spe-
ziellen Teil (Abt. III) näheres mitgeteilt werden wird, beweisen nur, dasj^
das, was der Otologe als Cholesteatom bezeichnet, teils eine wirkliche
autonome Neubildung, teils eine auf entzündlicher Basis beruhende diffuse
Epithelhyperplasie ist.
Adenome, Carcinorae. 4I3
2. Adenome und Carcinome.
Wenn schon unter den im vorigen Kapitel erwähnten papillären
Neubildungen solche zu finden sind, die in gewissen Beziehungen zu den
Adenomen stehen, so ist es ebenso schwer, eine scharfe Grenze zwischen
Adenomen und Carcinomen zu ziehen, wenn man nicht, wie das freilich
nötliig ist, in gewisser Weise schematisiert. Jedenfalls sind die Beziehungen
zwischen beiden Neubildungen so enge, dass die Besprechung zusannnen
vorgenommen werden kann.
a) Adenome.
Litteratur.
1. Bar low, Über Adenomata sebacea. Deutsch. Arcb. f. klin. Med. Bd. 55. S. 61.
2. Caspary , Über Adenoma sebacenm. Arch. f. Dermatol. u. Syphilis. Bd. XKIff. S. 371.
2a. Dreyfuss, Zur patholog. Anatomie der Brustdrüse. Vir eh. Arch. Bd. 113. S. 535.
8. F eurer, Paradoxe Strumametastase. Festschr. z. 25 jähr. Doktor u. Doz.- Jubiläum
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3a. von Eiseisberg, Über Knochenmetastasen des Schilddrüsenkrebsos. Arch. f. klin.
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1894.
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S. Kfirsteiner, Adenom der Milchdrüse mit cylindrischem und geschichtetem z. T. ver-
hornten Epithel. Virch. Arch. Bd. 137. 8. 302.
Ba. Hitzig, Beiträge zur Histologie und Histogenese der Struma. Arch. f. klin. Chirurg.
Bd. 47. S. 464.
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10. Derselbe, Deutsch. Chirurg. 1887.
11. Ledere, Über den Einfluss der Influenza auf das Wachstum der Geschwülste der
weibl. Geschlechtsteile. Wien. med. Blätter. Bd. XIV. Nr. 33—37.
12. Lubarsch, Über den primären Krebs des lleum etc. Virch. Arch. Bd. 111. S. 281.
13. Middeldorpf, Zur Kenntnis der Knochen metastasen bei Schilddrüsentumoren. Arch.
f. klin. Chir. Bd. 48. S. 502.
14. Nauworck und Hufschmied, Über das multilokulare Adenokystom der Niere.
Ziegl. Beitr. Bd. 12. S. 1.
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n. Schön st edt, Über die Cysten der weiblichen Brustdrüse. Inaug.-Dissertat. Rostock.
1894.
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Arch. Bd. 113. S. 209.
Id- St ratz, Zur Histogenese der epithelialen Eierstocksgeschwülste. Zeitschr. f. Geburish.
a. Gynäkol. Bd. 26. S. 1.
20. Williams, W., Papillomatous tumours of the ovary. Report of the Johns Hopkins
Hospit. 111. Heft 1-3. S. 1.
414 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Wenn die Adenome allgemein als Neubildungen bezeichnet werden,
welche den Typus einer Drüse nachahmen, so erscheint die Definition aus-
reichend und klar, vorausgesetzt, dass der BegriflE „Drüse" in allgemein
giltiger Weise festgelegt ist. Das ist nun aber nicht mein- der Fall, da
gerade in neuester Zeit der Begriff der Drüse in verschiedenster Weisi^
definiert wird. Namentlich französische Autoren sind so weit gegangen,
jede Zelle, welche das ihr zugeführte Material in chemisch verändertem
Zustand wieder abgiebt, als Drüsenzelle zu bezeichnen, wodurch sie schliess-
lich auch die Lymphknoten wieder zu den Drüsen rechnen können. In
Deutschland sind allerdings die meisten Histologen und Physiologen dazu
übergangen, morphologische und physiologische Merkmale für den Drüsen-
begriff zu verwenden. Man versteht demnach unter Drüsen besondere binde-
gewebige Wandungen besitzende Hohlgebilde, deren epitheliale, auskleidende
Zellen das ihnen mit dem Blutstrom zugeführte Material spezifisch verändern
und in präformierte Hohlräume ausscheiden. Nach dieser Definition darf
man dann Eierstock und Hoden keinesfalls zu den Drüsen rechnen un<l
auch die Stellung der Nieren als Drüsen wird zum mindesten zweifelhaft,
da jedenfalls eine qualitative V^eränderung der durch die Nierenepithelien
ausgeschiedenen Flüssigkeit nicht nachgewiesen ist. Es fragt sich nun,
ob wir uns auch für die pathologischen Zustände, insbesondere für die
(Jesch Wulstbildungen , an die obige morphologisch - biologische Definition
halten wollen. Wenn ja, so dürften wir konsequenterweise weder von
Hoden- noch Eierstocks- und Nierenadenomen sprechen, ebensowenig von
Carcinomen dieser Organe und man wäre gezwungen, nach einem neuen
Namen für die drüsenähnlich gebauten Tumoren dieser Organe zu suchen.
Es erscheint deswegen unzweckmässig , bei pathologischen Bildungen den
biologischen Gesichtspunkt in den Vordergrund zu stellen, um so mehr,
als wir über die biologische Thätigkeit der autonomen Neubildungen nocli
herzlich wenig wissen. Wir müssen vielmehr gerade für die Adenome
zur Zeit den morphologischen Standpunkt betonen und darunter solche
Neubildungen verstehen , welche aus mit Epithelien ausgekleideten , eine
besondere bindegewebige Wand besitzenden Hohlräumen zusammengesetzt
sind; man muss dabei einen besonderen Nachdrück legen, sowohl auf die
bindegewebige Wand , wie auf die Epithelien (im engeren Sinne). Denn
nur dann ist man im stände, die Adenome scharf von ähnlich gebauten
Neubildungen abzugrenzen; die hyperplastischen Tumoren der Nebenniere,
gleichviel ob sie von dem ausgebildeten Organ oder versprengten Keimen
ausgehen, sind eben keine Adenome, weil sie dem morphologischen Drüsen-
typus nicht entsprechen; denn sie bestehen, wie Benecke und Sudeck,
die sie als Adenome bezeichnen, selbst ausgeführt haben, aus einem aus
Kapillaren beHtehenden Stroma und Nebennierenzellen, die man jedenfalls
Adenome, Carcinome. 415
iiicht ohne weiteres als Epithelien bezeichnen darf. Wenn man an dieser
mehr morphologischen Definition festhält, gerät man auch nicht in Schwie-
rigkeiten bei der Benennung derjenigen drüsenartig gebauten Neubildungen
der Schleimhäute, welche von Schleimhautkrypten (Lieb erkühn sehe
Kn'pten, Uterindrüsen) (also unechten Drüsen) ausgehen. Wenn wir für
die Adenome das Vorhandensein einer bindegewebigen Wandung postu-
lieren, so ist damit noch nicht die Frage entschieden, ob die Adenome
immer eine Membrana propria besitzen ; denn die bindegewebige Wandung
der Adenome könnte auch den Bindegewebsfasern des Stromas angehören.
Dass die Adenome eine' besondere wohlausgebildete Membrana propria be-
sitzen, ebenso wie alle richtigen Drüsen, ist vor allem von Langhans (9,
10) für die Adenome der Mamma und des Hodens, von Haussmann*)
für die des Magendarmkanals behauptet worden. Fast auf dem umgekehrten
Standpunkt steht Dreyfuss (2a), der gerade für das „wahre" Adenom der
Brustdrüse den Mangel von Gerüstsubstanz urgiert und das Vorhanden-
sein einer Membrana propria in dem von ihm beachriebenenen Fall nur
an wenigen Stellen feststellen kann. Nach ihm darf nur die drüsenähn-
liche Neubildung als Adenom bezeichnet werden, welche sich durch die
gänzliche Emanzipation vom physiologischen Zweck der betr. Drüse aus-
zeichnet und somit die Formen einer echten Drüse „in einer gewisser-
massen stümperhaften Weise*' nachahmt. Es kann kein Zweifel sein, dass
man bei einer derartigen Beschränkung des Adenombegriffs sich die Abgren-
zung von den knotigen und einfachen Hypei-plasieen drüsiger Organe erleichtert,
andererseits aber das Gebiet der Adenome sehr beschränkt und eine ganze
Reihe von Neubildungen der verschiedensten Organe nur schwer ward
plazieren können. Vor allem kommt es aber auch vor, dass drüsige Neu-
bildungen sich z. B. durch Bildung einer Kapsel scharf von dem physio-
logischen Zweck der Drüse emanzipieren, dabei aber histologisch in einer
keineswegs stümperhaften Weise den Bau der Drüse wiedergeben, ja es
giebt sogar Adenome, welche die allergrösste Selbständigkeit und Prolifera-
tionsfähigkeit darbieten, und doch noch in nahezu vollendeter Weise den
Bau der Mutterdrüse nachahmen können, wie vor allen die metastasierenden
^khilddrüsenadenome , die sich histologisch in nichts von einfachen Ade-
nomen zu unterscheiden brauchen. Man wird vielmehr Thoma recht geben
können, welcher gelegentlich der Demonstration von Kretz (7) auf der
Wiener Naturforscherversammlung die Meinung aussprach, dass „sich alle
Übergänge von einfacher Hyperplasie bis zur Geschwulstbildung auffinden
lassen." Auf der anderen Seite ist aber nicht zu leugnen, dass es echte
Adenome giebt, die nichts von infiltrierendem oder destruierendem Wachs-
1) Contribution ä Thistoire du Cancer de Tintestin. These. Paris 1882.
416 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
tum erkennen lassen, welche einer Membrana propria entbehren. SchoTi
Lubarsch (12), der im übrigen durchaus zugiebt, dass an den meisten
Adenomen eine Membrana propria leicht zu demonstrieren ist, hat einige
Fälle von polypösen Adenomen des Dünn- und Dickdarmes beschrieben, in
denen wenigstens stellenweise die Membrana propria völlig geschwunden
war und zwar, wie Lubarsch meint, durch eine Axt von entzündlicher
Einschmelzung. Freilich ist es schwer, die Möghchkeit ganz abzuweisen,
dass es sich um eine beginnende carcinomatöse Entartung handelte, ol>-
gleich in dem einen F'alle von Lubarsch die polypösen Bildungen bei
einem 5 jährigen Knaben auftraten; aber so lange' sonst nirgends ein in-
filtrierendes und destruierendes Wachstum nachweisbar ist, vielmehr, wie
auch in dem Falle von Dreyfuss, die Tumoren abgekapselt und schiirf
abgegrenzt bleiben, wird man sie doch noch als Adenome bezeichnen und
zu dem Resultat kommen müssen, dass zwar für gewöhnlich die Adenome
eine besondere Membrana propria besitzen, das Fehlen derselben aber nocli
nicht gegen die Adenomnatur spricht. — Was die Entwickelung der eigent-
lichen Adenome anbetrifiEt, so kommt auch hier wiederum in Frage, ob
zuerst das Bindegewebe oder das Epithel des befallenen Organes in Wuche-
rung gerät; freilich nicht bei den Adenomen aller Organe, z. B. bei den
Leberadenomen tritt die Neubildung der Leberzellen derartig in den Vorder-
grund, dass nicht gut an eine primäre Bindegewebswucherung gedacht
werden kann. Anders ist das aber bei den adenomatösen W^ueherungen der
Brustdrüse und des Eierstockes. Hier giebt es zweifellos Neubildungen,
denen man den Namen des Adenoms bezw. Fibroadenoms nur fälschlich
beigelegt hat, indem die Wucherung eigentlich drüsiger Substanz ganz
fehlen oder doch wenigstens äusserst geringfügig sein kann. Andererseits
ist aber, sowohl für die Mamma- wie Ovarialadenome nachgewiesen worden,
dass sie mit einer Wucherung der epithelialen Elemente beginnen. Das
heben sowohl Dreyfuss, wie Schimmelbusch (15) für die Mamma-
adenome, Stratz (19) und Williams (20) für die Eierstocksgeschwülste
hervor, wobei es gleichgiltig ist, ob noch ein besonderer papillomatöser Bau
vorhanden ist oder nicht. Hitzig (8a) hat es unter Hanaus Leitung
auch für die Schilddrüsenneubildungen nachgewiesen, wobei es wohl ge-
stattet ist die für die Struma nodosa gew^onnenen Resultate auf die Adenome
zu übertragen; immer scheinen die Anfänge der Neubildung auf einer
Wucherung der Epithelien zu beruhen. —
Von grosser prinzipieller Wichtigkeit ist die Frage nach der Funktion
der Adenome. AVie schon oben bemerkt, wollen eine ganze Reihe von
Autoren nur die drüsigen Neubildimgen als Adenome bezeichnen, wolelie
sich in ihrer Funktion von dem des Muttergewebes emanzipiert haben. !>e
betrachtet z. B. Barlow (1) nin* diejenigen von Talgdrüsen ausgehenden
Adenome, Carcinome. 417
Neubildungen als eclite Talgdrüsenadenome, welche die Funktion der Drüse
trotz älinlicher Struktur nicht mehr erfüllen können; und so würde man
demnach sowohl die Fälle von Klingel (5), wie den Fall von Caspary (2)
nicht als echte Talgdrüsenadenome betrachten dürfen, da hier die neu-
.£[ebildeten Drüsen auch morphologisch mit den Talgdrüsen übereinstimmten ;
während in Barlows Fall die von den Talgdrüsen ausgehenden Hohl-
räume nur mit kleinkubischen Epithelien ausgekleidet waren und einen
hyalinen Inhalt enthielten. Es ist wie mehrfach bemerkt und auch
schon von Klebs (5) hervorgehoben wurde, nicht gut möglich, über
die Funktion der Adenome etwas allgemein giltiges festzustellen. Ein
Teil der Adenome scheint sehr wohl noch im stände zu sein, die Funk-
tion des Muttergewebes auszuüben, ob allerdings qualitativ und quan-
titativ in gleicher Weise steht noch dahin. So kann man in echten
Leberadenomen oft genug beobachten, dass noch Galle von den Leber-
zellen gebildet wird, die Funktion kommt aber dem Gesamtkörper nicht
zu gute und es stellt sich bald eine Gallenstauung ein, weü kein besonderer
Ausführungsgang mitgebildet wird. Freilich wissen wir noch nicht, ob
dieraisch diese Galle genau die gleiche Beschaffenheit besitzt xmd bald
sehen wir auch, dass innerhalb des Adenoms einzelne Zellen nicht mehr
Galle, sondern eine kolloide Masse secernieren. Das gilt für die meisten
Adenome, dass w^ir zwar wohl berechtigt sind, eine Funktion der Epithehen
anzunehmen, dieselbe aber qualitativ verändert sein kann und sich viel-
fach darauf beschränkt, dass eine eiweissreiche, leicht gerinnende Flüssig-
keit abgesondert wird. Damit hängt es zweifellos zusammen, dass die
adenomatösen Neubildungen ein so grosses Kontingent zu den Proliferativ-
cvsten stellen. Das gilt vor allem für die cystischen Neubildungen der
Eierstöcke und der Mamma. Auch hier beginnt die Bildung der Cyste
meist mit einer Wucherung der Epithelien , an welche die Bindegewebs-
Wucherung erst anschüesst, und die cystische Erweiterung dadurch zu
Stande kommt, dass durch Sekretion oder Zerfall der Zellen eine kolloide
Masse einen Druck auf die Hohlräume ausübt; so erwähnen auch Nau-
werck und Hufschmid (14), dass aus den adenomatösen Wucherungen
<ler Niere Cysten durch Ansammlung von Zellen und deren Zerfallspro-
dukten (Kolloid^ Fett, Cholestearin) oder durch aus den Blutgefässen statt-
tiiidende seröse Ergüsse entstehen. Schimmelbusch und Schönstedt (17)
liaben das gleiche ausführlicher für die Mammatumoren nachgewiesen und
letzterer hat des näheren ausgeführt, wie oft in einem und demselben
Tumor die cystischen Erweiterungen auf die verschiedenste Weise zu stände
kommen. Freilich ist es dabei im einzelnen Falle recht schwer zu ent-
^heiden, was Sekretion und was Zerfall der Zellen ist; doch sind auch
«hon physiologischerweise beide Prozesse nur schwer auseinander zu
Lnbarsck-Ostertag, Ergebnisse. II Abteil. 27
418 Allgem. patbol. Morphologie nud Physiologie.
halten, und die Beobachtung Kürsteiners (8), dass noch unter dem Epi-
thel eine Zelllage sich vorfinden kann, würde für eine Funktion der Drüseu-
Zellen sprechen können, indem man sie dann als Ersatzzellen auffassen
könnte, was Kürsteiner selbst allerdings „wegen der Funktionslosigkeit
der Adenome** für unwahrscheinlich hält.
Bezüglich der Entstehung der Adenome liegen einige Beobachtungen
vor, die auf eine kongenitale Entwicklung hinweisen. Das sind in erster
Linie die Untersuchungen von Nauwerck und Hufschmid (14) und
V. Kahldens(4)über die kongenitale Cystenniere. Nachdem schonMalassez
die Ansicht verteidigt hatte, dass die multilokulare Cystenniere eine echte
Geschwulstbildung, analog dem Ovarialkystom ist, brachten Nauwerck und
Hufschmid eine Reihe von Beobachtungen, wobei in einzelnen die Eni-
Wickelung der Cysten studiert werden konnte ; zunächst erscheinen Sprossen
in Form knopfEörmiger Bildungen als solide Zellgruppen oder auch nur
fleckweise auftretende Neubildungen von Harnkanälchenepithelien; endlich
sogar solide Epithelzapfen, die nur noch stellenweise mit Hamkanälchen
in Verbindung stehen, v. Kahlden beschrieb einen Fall von cystischeii
Bildungen bei einem Neugeborenen, den er als ein besonders frühes Stadium
der Cystenniere auffasst und in dem die proliferativen Vorgänge so im Vor
dergrund standen, dass man geradezu von einem Adenokystom oder stellen-
weise sogar von Myxofibroadenom sprechen konnte. — Zweifelhafter ist da-
gegen immer noch die Entstehung der Ovarialkystome; wenn es auch fest-
steht, dass sie sowohl angeboren als in jugendlichem Alter vorkommen können,
so bleibt es immer noch unentschieden, ob sie aus dem Keimepithel oder
dem Folhkelepithel oder gar Resten des Wolf sehen Körpers sich entwickeln.
Williams hält letzteres für unbewiesen und man wird auch jetzt immer
noch die Frage als eine offene betrachten müssen. — Von weiteren Beob-
achtungen könnte man die Beobachtungen B. Schmidts (16) und Kür-
steiners für eine kongenitale Anlage von Mammaadenomen verwerten.
Beide fanden nämlich in einem Mammaadenom bezw. Cystosarkom mehr
oder weniger kugelige Cysten, deren Wandung ein vollständiges Gepräge
der äusseren Haut mit verhornten Produkten darstellte. Schmidt glaubt,
dass einige der embryonalen Epidermiszapfen, aus denen die Milchdrüse
sich entwickelt, abgeschnürt worden wären und isoliert liegen blieben, bis
sie durch irgend einen besonderen Anlass — den man übrigens auch in
Kürsteiners Fall in einem Stoss gegen die Brust sehen könnte —
zur Wucherung gebracht wurden. Allerdings wäre in beiden Fällen, in
denen das Auftreten der verhornten Epithelien kaum anders zu erklären
ist, noch nicht bewiesen, dass auch die ganze Neubildung auf eine der-
artige embryonale Keimesverirrung zurückzuführen ist. —
Adenome, Carcinome. 419
Für die Entstehung von Adenomen durch entzündliche oder trau-
matische Schädlichkeiten liegen natürlich auch eine Reihe von Beispielen
vor, die aber gerade in den Fällen am beweisendsten sind, wo es sich
mehr um allgemeine Hyperplasieen, wie um echte Adenome handelt. Das
o;iIt wohl auch für den Fall Casparys, wo sich Talgdrüsenadenome im
Anschluss an Pockeneruptionen entwickelten. Auch bei den Leberadenomen
und Nierenadenomen, die man bei chronischen Entzündungen der betr.
Organe nicht selten findet, hegt der Zusammenhang mit der entzündlichen
Affektion zu Tage; freilich wohl nicht in der Weise, dass die entzünd-
lichen Reize ohne weiteres eine ProHferation hervorbringen. Sondern es
wird ganz ähnlich sein, wie es Kretz für die knotigen Hyperplasien der
Leber auseinandergesetzt hat, unter denen sich auch solche Fälle befan-
den, die z. B. von Eppinger und mir für Adenome erklärt wurden; dass es
sich im wesentlichen um kompensatorische und regenerative Zellwucherungen
handelt, nachdem ein grosser Teil des Parenchyms zu Grunde gegangen
ist; von der verschiedenen Wachstumsenergie der Zellen hängt es dann
wohl ab, ob sich mehr diffuse Hypertrophieen oder knotige Adenome
bilden. Auch kommt jedenfalls die verschiedene lokale Disposition der
Zellen mit in Betracht. Alle diese Verhältnisse von der innigen Verwandt-
^haft zwischen an Entzündung anschliessenden Gewebshyperplasieen und
Aflenombildung tritt auch in anderen Organen deutlich hervor und das ist
auch der Grund, warum z. B. die maladie kystique der Mamma von Reclus
bald zur interstitiellen Mastitis, bald zur Cystadenombildung (Schimmel-
busch) gerechnet worden ist. Dass auch belebte Entzündungserreger für
<lie Entstehung von Adenomen verantwortlich gemacht sind, ist nicht auf-
fallend. Auch hier hat man in neuerer Zeit den Protozoen besondere
Aufmerksamkeit gewidmet und Schweizer (18) hat in der Kaninchenleber
ein Cystadenoma papilliferum beschrieben, dass durch Coccidium oviformo
hervorgebracht sein soll. Aber man kann wohl mit Recht bezweifeln, ob
man die von Schweizer beschriebenen Gebilde mit dem Namen eines
Tystadenoms bedenken darf. Es waren doch nur Gallengangserweiterungen
iiiit sekundären, papillären Wucherungen, aber eine Gallengangsneubildung
i?t mit Sicherheit nicht nachgewiesen; da ausserdem Cirrhose bestand,
ist es durchaus nicht sicher, dass durch die Coccidium eine primäre Epi-
thelwucherung angeregt wurde. Ich habe vielmehr bei meinen sehr aus-
gedehnten Untersuchungen über die durch Coccidium oviforme in der
Kauinchenleber hervorgebrachten Veränderungen , zwar gar nicht selten
Gallengangserweiterungen mit papillären Wucherungen zu sehen bekommen,
mich aber niemals davon überzeugen können, dass es sich um eine pri-
niäre Epithelwucherung handelte; niemals habe ich z. B. trotz geeigneter
Konservierung in Epithelien, welche Goccidien beherbergten, Mitosen ge-
27*
420 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
fanden, oft genug aber regressive Veränderungen der Kerne beobachtet.
Es ist viel wahrscheinlicher, dass zunächst eine interstitielle Bindegewebs
Wucherung eintritt, an welche sich erst sekundär die Epithelwucheruüg
anschliesst. In menschlichen Adenomen (der Mamma) hat ferner Kür
Steiner Gebilde konstatiert, die mit den Carcinomsprotozoen vieler Autoren
übereinstimmen, aber er hat sich wohl gehütet, die Gebilde mit Sicherheit
für Parasiten zu erklären, sondern neigt mehr dazu, sie für eigenartige
Formen von Zelldegenerationen zu halten. Für Eierstockstumoren hat
Leclerc (11) angegeben, dass sie sich im Anschluss an Influenza eiit-
wickelten oder wenigstens rascher wuchsen ; wenn auch in einzelneo Fällea
die Patientinnen bis dahin gesund gewesen waren, so ist es doch sehr
wahrscheinlich, dass die Influenza nur für die raschere Entwickelung der
Tumoren, nicht aber für ihre Entstehung verantwortlich gemacht werden
darf. Über die Frage des malignen oder destruierenden Adenome,
sowie über die Metastasenbildung soll das Nähere bei den Carcinomen be-
merkt werden. Hier sei nur angegeben, dass besonders häufig Schilddrüsen-
adenome die Fähigkeit der Metastasierung zu besitzen scheinen. Schon
Cohnheim und E. Neumann hatten derartige Fälle publiziert und neuer-
dings beschrieben Middeldorpf (13) und F eurer (3) wieder solche
Fälle, wo zuerst Knochenmetastasen des Schilddrüsenadenoms auffielen
und erst später, nachdem die histologische Untersuchung die Überein-
stimmung mit einem Schilddrüsenadenom ergeben hatte, der primäre
Schilddrüsentumor entdeckt wurde; in dem Fall von Middeldorpf war
der Schilddrüsentumor in eine Vene eingebrochen und hatte Metastasen
in der Lunge, Hinterhaupt, Wirbeln, Becken, Oberarmen und Oberschenkebi
hervorgebracht. Im Falle von Feurer bestand kein makroskopisch nach-
weisbarer Durchbruch des Schilddrüsentumors, es bestand auch nur eine
Metastase im Scheitelbein, auch ergab die Untersuchung der Schilddrüse
durch Langhans, dass es sich um eine einfache GoUoidstruma handelte.
Auch von !Eiselsberg hat mehrere derartige Fälle beschrieben und ali^
das eigentümliche dieser Schilddrüsentumoren hervorgehoben, dass die Me-
tastasen mit Vorliebe das Knochensystem befallen, häufig solitär bleiben.
langsam wachsen und dass die primäre Schilddrüsengeschwulst oft ganz
klein ist. Er bezeichnet aber diese Neubildungen ohne weiteres als Carci-
nome, gerade wegen ihrer Metastasenbildung. Auf diese prinzipiell so äusserst
wiclitige Frage wird erst bei den Carcinomen in entscheidender Weise ein-
gegangen werden.
Carcinome. 42 1
b) Cai*cinome.
1. Auatomie und Physiologie der Carcinome.
Litteratur.
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Institut der Univ. Göttingen. Berlin 1893. S. 194.
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422 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
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38. V. Noorden, Das verkalkte Epitheliom. Beitr. zur klin. Chir. Bd. III.
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Bd. 48. Heft 3. 1895. Sonderabdruck.
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42. Ribbert, Beiträge zur Histogenese der Carcinome. Vir eh. Arch. Bd. 135.
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44. Schmidt, M. B. , Ein plexiformes Epitheliom der Haut mit hyaliner Degeneration.
Ziegl. Beitr. Bd. 8. 1890.
45. Schütz, Mikroskop. Carcinombefunde nebst ätiologischen und praktisch anwendbaren
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46. Seslawin, Materialien zur Frage über indirekte Kernteilung in Carcinom en. Petersb.
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47. Stroebe, Kernteilung und Riesenzellenbildung in Geschwülsten etc. Ziegl. Beitr.
Bd. VII.
48. Derselbe, Zur Kenntnis verschiedener cellulärer Vorgänge und Erscheinungen in Ge-
schwülsten. Ziegl. Beitr. Bd. X[. S. 1.
49. Derselbe, Über Vorkommen und Bedeutung der asymmetrischen Karyokinese etc.
Ebenda. Bd. 14.
50. Unna, Die Histopathologie der Haut. Berlin 1894.
51. Virchow, R., Zur Entwickelnngsgeschichte des Krebses. Vir eh. Arch. Bd. I. S. U4.
52. Derselbe, Die krankhaften Geschwülste. Bd. II. S. 107.
53. Derselbe, Zur Diagnose und Prognose des Carcinoma. Vir eh. Arch. Bd. 111. 8. 1.
54. Zenker, K., Carcinom und Tuberkel im selben Organ. Deutsch. Arch. f. klin. Med.
Bd. 47.
55. Ziegler, Lehrbuch der patholog. Anatomie. Bd. 1 u. 2.
Selbst wenn man von allen Theoriecn über das Wesen und die Histo
genese der Carcinome absieht, wird sich als übereinstimmende anatomisclie
Thatsache feststellen lassen, dass man zwei Bestandteile an demselben
unterscheiden kann: 1. ein aus epithelartigen Zellen bestehendes Krebs-
parenchym und 2. ein bindegewebiges Krebsstroma. Während man sieb
vor vierzig Jahren der Hoffnung hingab, es gäbe eine spezifische Krt4)s-
zelle und man könne aus der Beschaffenheit der einzelnen Zellen feststellen,
ob es sich um ein Carcinom handelt oder nicht, hat Virchow (53) es geradezu
für natüriich erklärt, dass die Krebszelle „an sich nicht das Mindeste an
sich hat, woran man erkennen kann, dass sie zu einem Krebs und nicht
zu gewöhnlichem. Epithel gehört." Damit ist freilich schon weniger der
Satz J. Marshalls (35) in Einklang zu bringen, der von einer genauen Er
Garcinome. 423
forschuug der Struktur der Krebszelle auch Aufschlüsse über die Ätiologie des
Krebses erhofEt. Ben ecke (6) hat sich auch geradezu dahin ausgesprochen,
dass man die Virchowsche Ansicht nicht für so natürlich halten kann,
wenn man gerade in der erkrankten Epithel zelle das Wesen der Neubil-
dung erblickt; und in der That sind alle Autoren, welche auf diesem
Standpunkte stehen, mehr oder weniger eifrig bemüht, irgend welche
spezifische Eigenschaften an den Krebszellen zu entdecken, wie Haus er (23),
Hanau (20), vor allem auch Hansemann (21). Auch ist es nicht so sehr
schwer, Unterschiede zwischen den Krebsepithelien und denen des Mutter-
gewebes zu entdecken, aber es bleibt fraglich, ob solche Unterschiede bereits in
ganz normalen Zellen des eben beginnenden Krebses vorhanden sind, oder
nur als degenerative Formen aufzufassen sind. Es ist ein derartiger Zweifel
um so mehr berechtigt, als gerade die Untersuchungen über den feineren
Bau der Krebszelle eine ausserordentlich genaue Übereinstimmung mit
den EpitheUen des Muttergewebes in vielen Fällen ergeben haben. Die
von den geschichteten PlattenepitheUen ausgehenden Krebse zeigen oft die
ausgesprochenste Faserstruktur der Epithelien ; die Zellen können Glykogen
enthalten und sie pflegen, wie die normalen Zellen, der Verhomung an-
heimzufallen, wobei auch in nicht wenigen Zellen das Auftreten von Ke-
ratohyalin beobachtet wird. Die Cylinderepithelkrebse der Schleimhäute
können genau dieselben hohen Cylinderepithelien aufweisen wie die Drüsen,
von denen sie ausgehen; sie zeigen in gleicher oder auch übertriebener
Weise die Neigung zur Schleimproduktion. In Leberkrebsen findet man
nach Hansemann mitunter noch deutlich Galle, nach M. Dürr (16) auch
Glykogen. Man kaim demnach wenigstens für eine grosse Reihe von Car-
cinomen geradezu den Satz aufstellen, dass sie nicht nur morphologisch
mit den Epithelien des Muttergewebes aufs genaueste übereinstimmen,
sondern auch in ihren regressiven Metamorphosen sich eng an die phy-
siologischen Umwandlungen der Mutterzellen anschliessen. Ja, man ist
berechtigt noch einen Schritt weiter zu gehen und auch eine grosse funk-
tionelle Übereinstimmung zwischen Krebsepithelien und Mutterzellen an-
zunehmen; das tritt naturgemäss, wie Lubarsch (30) und Hansemann
hervorgehoben haben, bei den Krebsen solcher Organe hervor, denen die
allgemeine Funktion der Stoffwechselregulierung zukommt. Freilich sind
mv auch hier nicht sicher, dass die Funktion der Krebszellen quantitativ
und qualitativ vollständig mit der der Mutterzellen übereinstimmt. Wenn
auch bei diffusem Krebs des Pankreas Diabetes ausbleiben kann und nach
totaler krebsiger Entartung der Schilddrüse keine Kachexia thyreopriva
auftritt, so liegt das daran, dass auch die erkrankten Epithelien noch die
Fähigkeit besitzen, den Zuckerverbrauch zu regulieren, bezw. die für den
Organismus schädlichen Stoffe zu zerstören. Und der schon oben kurz er-
424 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
wähnte Fall von v. Eiseisberg (17), in dem selbst ein metastatischer Knoten
noch für die exstirpierte Schilddrüse eintreten konnte, beweist das am
besten. Hier waren zunächst, nach der Entfernung eines Schilddrüsen-
adenoms , ausgesprochene Kachexiesymptome eingetreten , welche erst
schwanden, als im Anschluss an eine Gravidität sich ein harter Tumor
im Sternum ausbildete; als nun wegen der Beschwerden, welche die all-
mählich rasch wachsende Neubildung nach vier Jahren hervorrief, die
Resectio raanubrii sterni vorgenommen wurde, entwickelte sich neun Tagt-
nach der Operation eine schwere Tetanie, welche allmählich durch Kachexie-
symptome ersetzt und auch durch eine neue in dem Schulterblatt auf-
tretende Metastase nicht gehoben wurde. So lehrreich dieser Fall auch
nach vieler Richtung ist, so beweist er auch noch nicht, dass die Funktion
der Carcinomzellen völlig dieselbe ist, wie die der Mutterzellen. Nur (la<
Endresultat — die Ausschaltung der schädlichen Stoffe — ist annähernd
das gleiche; ob aber die Umwandlungen dieselben sind, ist keineswegs
nachgewiesen. Wenn z. B. die Zellen destruierender Nebennierengeschwülste
die für den Organismus schädlichen Stoffe dadurch ausschalten, dass sie
aus ihnen Glykogen bereiten, so ist der Endeffekt derselbe, wie bei der
normalen Nebennierenfunktion, aber die chemische Thätigkeit ist eine totd
differente, da die normalen Nebennierenzellen die schädlichen Stoffe ver
nichten, ohne Glykogen zu bereiten; das gleiche kann auch für die Pan-
kreas- und Schilddrüsenkrebse gelten und es ist deswegen doch noch
möglich, dass die feinere Funktion (chemische Thätigkeit) der Carcinom-
zellen von der der Mutterzellen abweichend ist, wie wir ja z. B. noch nieht
wissen, ob die in Leberkrebsen auftretende Galle chemisch mit der normalen
Galle identisch ist. Es würden deswegen die oben erwähnten Beobach-
tungen noch nicht ohne weiteres gegen die Anschauung Bards und
Beneckes sprechen, welche das Wesen besonders der bösartigen Neubil
düngen in einer primären Störung des Gleichgewichts sehen, das im
normalen Organismus zwischen dem Wachstum der einzelnen Zelle und
ihrer physiologischen Funktion für den Gesamtorganismus besteht. Benecke
meint deswegen auch, dass den physiologischen Differenzen zwischen
gesunden Epithelien und Krebszellen auch histologische Differenzen, nainent
lieh im Protoplasmabau entsprechen müssen und denkt daran, dass event.
die Granulär struktur der Zellen eine wesentliche Abweichung aufweisen
würde. Das hat sich freiHch nicht bestätigt; denn durch die Untersuch-
ungen Lübars chs ist nachgewiesen worden, dass die Zellgranulienmg der
(.'arcinome völUg mit denjenigen der Mutterepithelien übereinstimmen
kann und selbst dann noch übereinstimmt, wenn an den Kernen sehr
erhebliche Abweichungen von der Norm beobachtet werden. Aber auch
damit ist noch nicht bewiesen, dass das I^ben und die Struktur der Car-
Carciaom. 425
cinomzellen in keiner Beziehung von der der normalen Zellen abweicht,
zumal die neueren Untersuchungen A. Fischers es wahrscheinlich machen,
dass daß Auftreten der Granula von der Zellreaktion abhängig sein kann.
Wenn man somit zwar auf der einen Seite hervorheben muss, dass in
vielen Krebsen morphologische und biologische Abweichungen von nor-
malen Epithelien nicht nachweisbar sind, so liegen doch andererseits wieder
manche Beobachtungen vor, wo frühzeitig Abweichungen in der Zellstruktur
der Krebse auffallen. So giebt Hauser an, dass in Magenkrebsen das
Protoplasma der Epithelzellen dichter, gesättigter und zart granuliert ist,
jjich stärker färbt ; der Unterschied zwischen Haupt- und Belegezellen wird
aufgehoben und die Zellen nehmen ein mehr indifferentes Aussehen an.
Doch ist es hier und bei vielen anderen Untersuchungen immerhin möglich,
dass die Carcinom zollen erst allmähhch die Charakteristika der Mutterzellen
oinbüssen, wie das auch bei einfachen Drüsen Wucherungen beobachtet wird;
dagegen kann man bei den Krebsen des Darms, welche von denLieberkühn-
schen Krypten ausgehen, noch sehr lange eine Übereinstimmung mit den Zellen
des Mutterbodens nachweisen, namentlich finden sich hier, auch ohne dass
man von eigentlichen Schleimkrebsen sprechen könnte, noch reichlich
Becherzellen vor, die Hauser in Magenkrebsen bereits frühzeitig vermisste.
Wichtiger scheinen mir noch Beobachtungen an den Zellen der Hautkrebse
zu sein. So giebt auch U n n a (50), der ja die Hautkrebse der grobanatomi-
jicIienForm nach in zahlreiche Unterarten einteilt, an, dass bei den papillären
Formen stets Stachel- und Riffelzellen vorhanden sind, während er z. B.
an den Zellen der grossalveolären Krebse und der Ulcus rodens hervorhebt,
dass sie auf keine Weise die normale Epithelfaserung erkennen lassen.
Ich selbst habe ähnhches beobachtet und will besonders hervorheben, dass
ich auch in ganz kleinen, eben beginnenden Ulcera rodentia mit ausge-
sprochener Injektion der Lymphbahnen keine Faserstruktur nachweisen
konnte, ebenso fehlte sie in eben beginnenden, aber deutlichen Carcinomen
der Zunge und des Penis. Da man dagegen in sehr grossen, ausgebreiteten
und bereits mannigfache Zerfalls- und Degenerationserscheinungen dar-
bietenden Krebsen noch sehr ausgeprägte Faserstruktur, zum mindesten
in den jüngeren Partieen, nachweisen kann, so ist es unwahrscheinlich,
dass das Fehlen der Faserstruktur auf eine Degeneration der Krebszelle
zu beziehen ist; und auch in manchen Fällen sicher nicht darauf, dass
die Carciuomwucherung nicht von den Deckepitlielien , sondern etwa von
den Follikelzellen ausgeht, an denen schon normalerweise die Faser-
struktur schwer nachweisbar ist; wenigstens war in einigen der von mir
untersuchten Fälle , darunter auch einem Lupuscarcinom , der direkte Zu-
sammenhang mit den Deckepithelien nachweisbar. Auch die Thatsache,
dass in vielen auch beginnenden Hautkrebsen, sowie in Uteruskrebsen Gly-
426 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
kogeii ganz fehlt oder nur in geringen Mengen vorhanden ist, während in (Ut
unmittelbaren Nachbarschaft in den normalen Epithelien reichlich Glykogen
nachge>\'iesen werden kann, darf als eine morphologische Verschiedenheit der
Krebszellen angesehen werden, ebenso gehört dahin die Thatsache, dass aueh
bei Krebsen, die von Flimraerepithelien ausgehen, die FUmmerhaare stets zu
fehlen pflegen. — Alles andere fällt dagegen bereits in das Gebiet der Degene-
ration; vor allem diejenigen Veränderungen, welche sowohl an Cyliuder- wie
Platten-Epithelkrebsen, ja an allen Arten von Carcinomen auftreten, und bald
als schleimige, hyahne oder kolloide Veränderung bezeichnet werden. — Eine
auffällige Eigentümlichkeit, welche allerdings durchaus nicht allen Carcinomen
in gleich massiger Weise zukommt, ist die grosse Hinfälligkeit der Krebs
Zellen; die namentlich von Justinian v. Froschauer (19) hervorgehoben ist.
Hanse mann hat das allerdings bestritten; nach ihm hängt die Neigung
der Carcinoma zum Zerfall 1. davon ab, dass den Carcinomen oft die den
Mutterorganen eigentümlichen Schutzvorrichtungen fehlen; 2. weil der
Boden, in welchen die Zellen namenthch bei der Metastasierung hineinge-
langen, den Zellen nicht immer zusagend sind und eine nicht genügende
Ernährung stattfinden kann. Hanse mann meint daher, dass die Krebs-
zelle an sich keineswegs hinfälliger ist, als eine normale Epithelzelle, son-
dern dass „die äusseren Umstände, in denen sie sich befindet, sie in grössere
Gefahr bringen zu erkranken.*' Sicheriich kommen derartige Umstände
mit in Betracht, wie sich schon daraus ergiebt, dass die Carcinome des
Magendarmtraktus , welche mechanischen und chemischen Läsionen in
ausgedehntester Weise ausgesetzt sind, eine besondere Neigung zur Ulce-
ration aufweisen. Wenn man aber nicht nur auf die gröberen Zerfalls-
erscheinungen, sondern die feineren Degenerationen Rücksicht nimmt,
scheint doch den Carcinomzellen eine gewisse Hinfälligkeit zuzukommen:
denn auch in tiefer gelegenen, relativ kleinen Mammakrebsen kann man
frühzeitig alle Arten von Zelldegenerationen zu sehen bekommen und man
kann auch feststellen, dass die Degenerationen um so reichlicher sind, je
rascher das Wachstum der Krebse, so dass daran zu denken ist, dasjj
gerade durch die so rasche Vermehrung der Zellen ihre völlige Ausbildung
verhindert wird. — Was die Verhältnisse der Kerne und Kemkörperchen
anbetrifft, so unterscheiden sie sich im ruhenden Zustande nicht wesent-
lich von denjenigen des Muttergewebes. Dagegen hat man versucht, au
den sich teilenden Zellen Abweichungen von dem normalen Teilungsmodus
zu finden. Schon Arnold (3) hatte auf gewisse Abweichungen von dem
normalen Teilungsmodus aufmerksam gemacht ; sie wurden dann noch näher
von Corni 1 (12, 13) studiert, welcher sowohl auf das Vorkommen pluripolarer
Mitosen, sowie unregelmässiger Kernteilungen aufmerksam machte. Am
eingehendsten sind sie von Hansemann studiert worden, der wie schon
Carcinome. 427
oben bemerkt, iiameutlich das Vorkommen der asymmetrischen und hypo-
chromatischen Mitosen für charakteristisch hält. Wir haben schon oben ange-
geben, dass diese Auffassung nicht stichhaltig ist, nachdem wiederholt von
verschiedenen Seiten gezeigt ist, dass auch in anderen Neubildungen asy-
liietrische Mitosen vorkommen; namentlich die Untersuchungen Stroebes,
(47 — 49) der neuerdings sogar bei der normalen Regeneration der Kornea asym-
metrische Mitosen auffand und zwar ungefähr in der gleichen Häufigkeit, wie
in Carcinomen, sind doch wohl ausschlaggebend, zumal die Einwände Hanse-
ln an ns hiergegen nicht sehr beweisend sind. Denn die Annahme, dass
Stroebes Beobachtungen auf Kunstprodukten beruhen, muss eigentlich
schon deswegen ausgeschlossen werden, weil gerade Stroebe die Beding-
ungen, unter denen er die Asymmetrie von Mitosen anerkennt, eher enger
gezogen hat, als Hansemann. — Sonstige Unregelmässigkeiten in den
Kernteilungen kommen bei Carcinomen ebenso, wie in anderen rasch
wachsenden Neubildungen, mehr oder weniger reichlich vor; so vor allem
die hyperchromatischen Teilungen (Klebs(27), Stroebe, Hansemann,
Hauser, Schütz (45) u. a.) Abortivformen, Versprengung von Chromosomen.
Auch Veränderungen der Centrosomen werden von Hansemann geschildert.
— Was die Lage, Grösse und die Anzahl der Mitosen anbetrifft, so hat
Schütz betont, dass sie sich am reichlichsten in den periphersten Schichten
der Alveolen, dicht an den Blutgefässen des Stromas vorfinden; die Grösse
der Kerne und Mitosen soll sehr viel bedeutender sein, als die der normalen
Zellen (4—10 /u normal; in Carcinomen 12—60 ja) und endlich soll die
Massenhaftigkeit der Mitosen sogar in zweifelhaften Fällen von diagnostischer
Bedeutung sein. Weim auch im allgemeinen anerkannt wird, dass die
Anzahl der Mitosen in Übereinstimmung mit der Wachstumsgeschwindig-
keit steht (Se Slawin (46), Hauser, Stroebe), so bemerkt doch Stroebe
mit Recht, dass eine Verwertung der Zahl der Mitosen für diagnostische
Zwecke nicht möglich ist, da auch in gutartigen Neubildungen oder nor-
malen Geweben reichlichst Mitosen vorkommen können und Ben ecke
weist auf die ReichUchkeit der Mitosen in kurz nach der Menstruation
ausgeschabter Uterusschleimhaut hin. Auch die Lage der Mitosen zeigt
nach Stroebe, dem ich durchaus zustimmen muss, keine Gesetzmässig-
keit, vielmehr liegen sie oft zerstreut im Carcinom; wenn sie vielleicht
öfter und reichlicher in den peripheren Partieen (des ganzen Tumors) an-
getroffen werden, so hegt das daran, dass meist im Centrum die Zerfalls-
erscheinungen zuerst auftreten. — Auch die ungeheure von Schütz an-
gegebene Grösse der Kerne und Mitosen ist kein regelmässiger Befund,
da raan namentlich in noch wenig degenerierten Krebsen, sehr kleine
Kerne und Mitosen finden kann und sie sind nicht charakteristisch für
das Carcinom, da sie auch in Sarkomen in gleicher Grösse vorkommen.
428 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Von sonstigen abweichenden Mitosen seien noch die Beobachtungen von
V i t a 1 i s Müller (36) erwähnt, welcher eine ganz bestimmte Stönmg des Ver-
laufs der Mitose und zwar der Metaphase auffand; der Übergang vom
Monaster zum Diaster vollzieht sich vollkommen fehlerhaft; während nor-
malerweise nach der äquatorialen ümordnung der Schleifen durch gleich-
massige und gleichzeitige Kontraktion der Spindelfasern die Chromosoraen-
massen in zwei symmetrischen Gruppen nach den Polen zu rücken, kann
in Carcinomen gar nicht so selten beobachtet werden, wie die Chromosomen
in mehreren Schüben nach einander zu den Polen gezogen werden, h^
ist möglich, dass auf diese Weise auch asymmetrische Mitosen entstellen,
und wohl sicher, dass ein Teil der Mitosen mit versprengten Chromosomen
hierher gehört. Was die hyperehromatischen Korne und Kernteilungen
anbetrifft, so fasst Stroebc, wie bereits bei den Sarkomen auseinander
gesetzt, sie als Degenerationserscheinungen auf und führt besonders ihr
gruppen förmiges Vorkommen mit gleichzeitiger Leukocytenansammlung
als Beweis dafür an; ebenso verwertet er dafür die Beobachtungen über
das Auftreten lancettförmiger Chromatinkörperchen innerhalb und ausser-
halb der Kerne (mitunter in Vakuolen), an deren Auftreten d€ir Untergang
des Kernes regelmässig anzuschliessen scheint. Auch die Formen der in-
direkten Fragmentierung und direkten Segmentation, die schon von Arnold
und seinen Schülern erhoben waren und von Stroebe, Vit aus Müller
u. a. ebenfalls beschrieben sind, gehören wenigstens zum Teil in das Ge-
biet der Zelldegeneration, speziell der Karyorhexis, welche nach meiner
Meinung überhaupt eine sehr grosse Rolle in den meisten Krebsen spielt.
Auf die Einzelheiten soll hier aber nicht eingegangen werden, da bei der
Besprechung der Carcinomsporozoen noch darauf verwiesen wird. — Von
den Kemkörperchen der Krebszellen ist vor allem anzugeben, dass sie
sich in ganz frischen Zellen wenig von den normalen Zellen unterscheiden;
sie können sowohl einfach wie doppelt, ja mehrfach vorhanden sein.
Ihre Tinktionsfähigkeit ist sehr ausgesprochen, nicht immer abweichend
von der der Kerne, aber nicht selten doch so, dass sie begierig saure Anilin-
farbstoffe aufnehmen. Frühzeitig kommt es in ihnen zu regressiven Ver-
änderungen, wohin auch das Auftreten von sehr stark lichtbrechenden
Körnchen (Nukleololi) , welche Schütz beschreibt, gehört. — Sehr häulig
findet man in allen Arten von Carcinomen mehrkernige Zellen bis zu echten
Riesenzellen. Nach Cornil (13) können sie durch multipolare Teilungen ent-
stehen, während Stroebe, zwar hie und da mehrere Mitosen in ihnen fand,
aber auch eine Entstehung durch indirekte Fragmentierung annimmt. Auf
die Erscheinungen der Zellinvagination und endogenen Zelibildung, welche
namentUch in den Krebsen der mit geschichteten EpitheUen ausgekleideten
Organe eine Rolle spielen und zur Bildung der „Epithelperlen'' führen,
Carcinotne. 429
sei hier nur kurz hingewiesen; nach Cornil kommt die Bildung derselben
auch dadurch zu stände, dass sich die durch Mitose vergrösserten Zellen
um die übrigen legen und sie komprimieren. — Über Bewegungserschei-
nungen an Carcinomzellen liegen ebenfalls einige Angaben vor. Schon
Virchow hatte an Enchondromen, Carmalt (Virchows Arch. Bd. o5,
S. 486), Waldeyer und Weigert an Carcinomen langsame und träge
Bewegungen beobachtet. Neuerdings berichten auch L. Pfeiffer (41) und
Adamkiewicz über solche beweglichen Carcinomzellen und sehen darin
einen Beweis, dass die Carcinomzellen selbst parasitäre Gebilde sind.
Hansemann hat in einem Carcinom von der Mamma einer Hündin auf
dem heizbaren Übjekttisch an einigen grossen Zellen deutlich langsame Be-
wegungen wahrgenommen, die jedoch nur in einer Gestaltsveränderung,
nicht in Ortsbewegung bestanden. Hansemann trifft jedenfalls das
Richtige, wenn er hierin nichts spezifisches für die Carcinomzellen
sieht, da bekanntermassen die gleiche Eigenschaft allen jugendlichen
Zellen zukommt. — Bevor wir uns jetzt zu dem Krebsstroma wenden,
müssen wir noch einer Erscheinung gedenken, die zwar vom Krebsstroma
ausgeht, sich aber innerhalb des Krebsparenchyms abspielt, der Leukocy ten-
einwanderung. Nächst Klebs hat ihr vor allem Stroebe Aufmerksam-
keit geschenkt. Bei einer grossen Anzahl von Carcinomen beobachtete
Stroebe, wie schon Klebs vorher beschrieben, in den epithelialen' Zellen
Leukocyten eingeschlossen, die mehr oder weniger ausgeprägt die Er-
scheinungen des Zerfalles darboten. Sie lagen von einem hellen Hof um-
geben in einer Art Vakuole, ilir Protoplasma war weit heller als die der
(Jeschwulstzelle, oft auch bereits ganz mit demselben verschmolzen; die
Kerne zeigten die bekannte fragmentierte Form ; oft waren auch nur noch
Trümmer in Form von homogenen Tropfen und Schollen vorhanden oder
es war sogar die färbbare Substanz bis auf Beste feiner Körnchen ganz
geschwunden; selbst das Vorkommen von Vakuolen im Leibe der Ge-
schwulstzellen möchte Stroebe mit Nikikoroff auf Einwanderung und
nachträgliche Verdauung von Leukocyten zurückführen. Diese Befunde sind
von vielen anderen Autoren, Schütz, Karg (25), Ribbert, L. Pfeiffer
(der die Leukocjrten für Amöben hält) bestätigt worden. Stroebe, der im
übrigen die Klebs sehe Auffassung über die Bedeutung dieser Befunde
mit Recht zurückweist, bezeichnet den ganzen Vorgang als Phagocytose
und nimmt an, dass die Leukocyten zur Ernährung der Geschwulstzellen
dienen. Ich möchte dem Ausdruck Phagocytose insofern widersprechen,
als weder durch die Beobachtungen Nikikoroffs bei der Bildung des
Granulationsgewebes, noch durch Stroebe s Untersuchungen bewiesen ist,
dass die Geschwulstzellen aktiv die Leukocyten aufnehmen und nicht viel-
mehr jene in sie hineinwandern. Es scheint mir letzteres aber deswegen
430 Allgem. pathol. Morphologie und PhyRi'ologie.
sehr viel wahrscheinlicher, weil auch bei den Carcinomen die weissen Blut-
zellen um so zahlreicher zwischen und in den Zellen gefunden werden,
je stärker der Zerfall ist oder wenigstens regressive Veränderungen vor-
handen sind. Es werden also auch hier positiv chemotaktische Stoffe sein,
welche eine Auswanderung der Leukocyten und Einwanderung in die Zellen
veranlassen, wie man es übrigens auch in einfachen Papillomen oder im
Epithel von Geschwürsrändern finden kann; gerade deswegen, weil die
anlockenden Stoffe, von den Epithelzellen selbst produziert werden, wandern
dann die weissen Blutzellen auch in den Zellleib ein und es liegt umso
weniger Grund vor, an eine aktive Beteiligung der Epithelzellen zu denken,
weil man die Leukocyten auch in den ältesten Partieen antrifft, wo wir
keine Berechtigung haben, eine phagocytäre Jjigenschaft der Epithelzellen
anzunehmen. Dass im übrigen die eingewanderten Leukocyten von den
Epithelzellen verdaut und assimiliert werden können, halte ich für zweifellos,
da die oben eingehend geschilderten morphologischen Veränderungen nicht gut
eine andere Deutung erlauben und auch selbst in ihrem Stoffwechsel alterierte
Zellen noch die Fähigkeit besitzen können, korpuskulare Partikel aufzu-
lösen. — Auf die übrigen in Carcinomen oft genug in grosser Menge vor-
kommenden Zelleinschlüsse wird erst bei dem Kapitel „parasitäre Ätiologie"
näher eingegangen werden.
Wenden wir uns jetzt zur Anatomie des Krebsstroma, so wäre
hier in erster Linie eine Streitfrage von eminenter Wichtigkeit zu be-
sprechen, ob nämlich das Krebsstroma überhaupt ein wichtiger Bestand-
teil der Carcinome ist oder ob es sich nicht nur um eine sekundäre Bil-
dung handelt. Da wir jedoch auf diese Frage bei den Kapiteln Histo-
genese und Wesen des Carcinomes noch näher eingehen müssen, so sei
sie hier nur gestreift. Virchow (51) hat bekanntUch dem Krebsstroma
deswegen eine grosse Aufmerksamkeit geschenkt, weil er in den Binde
gewebszellen desselben die Matrix des Carcinoms sali, aber auch späterhin
misst er ihm die gi'össte Bedeutung bei, wenn er als Carcinome nur solche
Neubildungen bezeichnet, „die in ihrer Basis alveoläre Einrichtungen mit
einem Inhalt von heterologem Epithel zeigen.'' Auch Ri b b e r t (42) muss natur-
gemäss dem Stroma eine prinzipielle Bedeutung zuerkennen , da er auch
die Epithelwucherung durch eine Bindegewebswucherung verursacht ansieht.
Ebenso sieht Kl ebs in der Stromabildung nichts sekundäres, sondern stellt
die Bindegewebswucherung der Epithelwucherung ebenbürtig an die Seite,
so dass nach seiner Auffassung die Carcinome „wenigstens in ihren ent-
wickelten Formen eigentliche Mischgeschwülste bilden.'' Hauser legt da-
gegen auf die alveoläre Struktur und die Anwesenheit eines besonderen
Gerüstes wenig Gewicht, da letzteres oft genug fehlen kann (Krebsstränge
in Lymphbahnen, in glatter und quergestreifter Muskulatur); ist es vor-
Carcinome. 431
banden, so handelt es sich um eine sekundäre Bildung, wie bei Fremd-
körperwirkung. Auch Hanau ist der Meinung, dass eine bindegewebige
Wucherung ausbleiben kann und dass namentlich bei sekundären Krebsen
<lie Bindegewebsneubildung der epithelialen Wucherung nachfolgt; selbst
die alveoläre Struktur kann nach, seiner Meinung ohne aktive Betheiligung
des Bindegewebes durch Umordnung des Epithels und Spaltenbildung ent-
stehen. Einen gleichen Standpunkt vertritt Hansemann, wenn er angiebt,
dass das Stroma in Krebsen durchaus nicht nur aus Bindegewebe besteht,
sondern auch von Fettgewebe, glatter Muskulatur, Leberzellen etc. gebildet
sein kann; so schildert er besonders, dass in Lymphdrüsen die Carcinom-
Zellen oft in dem unveränderten und höchstens auseinandergedrängten
Lymphdrüsenstroma, dem bekannten fein retikuherten Gewebe Hegen.
Stroebe steht Hau sers Auffassung nahe, wenn er die Meinung äussert,
dass eine in ein Gewebe eindringende bösartige Neubildung auf dasselbe
einen Reiz ausübt, der einer Fremdkörperwirkung vergleichbar ist; so würde
sich die entzündliche Gewebsneubildung erklären, die an der Peripherie
von Carcinomen so häufig zu beobachten ist. Es mag hier genügen, diese
verschiedenen Ansichten zu skizzieren und darauf aufmerksam zu machen,
dass die Beobachtungen an metastatischen und primären Krebsen nicht
völlig gleichwertig sind, dass es aber jedenfalls durch nicht wenig Beobach-
tungen gesichert erscheint, dass das Krebsstroma nicht aus neugebildetem
Gewebe zu bestehen braucht, sondern von den Resten des Muttergewebes
gebildet wird, in welches die epitheliale Wucherung eindringt. — Sehr
häufig aber ist namentlich bei den primären Tumoren, oft genug aber auch
in den Metastasen nachweisbar, dass ein besonderes Stroma vorhanden ist,
welches aus neugebildetem Gewebe besteht. Über die Komponenten und
die Art der Entstehung bestehen ebenfalls verschiedene Meinungen. Wenn
man das ausgebildete Stroma betrachtet, wie es namentUch an der
Grenze der Carcinome ausgebildet ist , so kann man darni mehrere Ele-
mente unterscheiden, die allerdings nicht regelmässig vorhanden zu
sein brauchen, 1. neugebildete Blutgefässe, 2. Granulationszellen, 3. Leuko-
cyten, 4. Mastzellen, oder zum mindesten findet man die vier Arten, von
Zellen vor, welche Hansemann (22) erwähnt: langspindelige oder ver-
ästelte Zellen mit bläschenförmigen Kernen, unter denen solche mit granu-
liertem Protoplasma (Mastzellen) vorhanden sind — Bindegewebszellen ; ferner
abgeplattete Zellen mit bläschenförmigen Kernen und mehr oder weniger
granuUerten Protoplasma- Endothelien der Lymphspalten ; kleine runde Zellen
mit wenig Protoplasma und runden, stark färbbaren Kern-Lymphocyten oder
junge Granulationszellen, 4. kleine, protoplasmaarme Zellen mit gelappten
oder vielfachen Kemen-Leukocyten. Auch hierbei bleibt die einfachste Deu-
tung die, dass man es mit einer Gewebswucherung zu thun hat, die der
432 AUgetn. pathol. Morphologie und Physiologie.
Granulationsgewebsbilduiig analog ist. Das ist nun aber von H e i d e m an n (24)
einem Schüler Grawitzs bestritten worden, welcher zwar, soweit er eine
objektive Beschreibung giebt, die gleichen Befunde notiert, wie die anderen
Untersucher, aber in der Deutung erheblich abweicht. Die wie Leuko-
cyten aussehenden Formen sind Abortivformen des erwachten Bindege-
webes, was aus ihrer Lage innerhalb von Bindegewebsfasern mit Sicherheit
hervorgehen soll; das eigentliche Krebsstroma soll durch das Wiederein-
schlummem der eben erwachten Zellen entstehen. Das Erwachen der
Bindegewebszellen wird aus der Vermehrung der Bindegewebskerne ge-
schlossen, für die eine mitotische Wucherung nicht nachweisbar war. Es
ist unnötig, hier nochmals auf die Verkehrtheit der ganzen Schlummer-
zellenlehre hinzuweisen, nachdem die speziellen Angaben Heidemauns
eine ebenso gründliche, wie sachgemässe Widerlegung durch Hauseinann
erfahren haben. Dass man allerdings im Krebsstroma Mitosen gänzlich
vermissen kann, hat bereits Cornil notiert. Aber schon Seslawin be-
merkte, dass man zwar im Stroma langsam wachsender Krebse gar keine
Mitosen fl^ndet, in rascher wachsenden dagegen sowolil in Bindegewebs-
wie Endothelzellen. Auch Hauser hat in den Bindegewebszellen des
Stromas Mitosen gefunden, allerdings sehr viel spärlicher, wie in den Epi-
thelien (in einen Schnitt im Verhältnis von 500 : 8). Hansemann hat
dann nicht nur ebenfalls gezeigt, dass auch im Krebsstroma Mitosen vor-
kommen — mitunter auch in nennenswerter Anzahl — sondern er hat
auch nachgewiesen, warum oft so ausserordentUch spärlich Mitosen ge-
funden werden; er zeigt nämlich, dass 1. sich die viel kleineren Mitosen
der Bindegewebszellen und Lymphocyten viel rascher (postmortal) ver-
ändern, wie die der Epithelzellen oder 2. überhaupt die Mitosen in binde-
gewebigen Wucherungen sehr viel rascher ablaufen, wie in epithelialen,
so dass die Chancen noch Teilungsformen zu finden geringer sind. Weiter
zeigte er, dass sich im Krebsstroma, ohne sogenannte kleinzellige Infil-
tration, nur Mitosen von Bindegewebs- und Endotheltypus finden, während
bei vorhandener Infiltration auch die kleinen, für die lymphoiden Zellen
charakteristischen Mitosen auftreten, eine Beobachtung, die mit Sicherheit
gegen Heidemanns Angaben über den Übergang der aufgeweckten Binde-
gewebszellen in einkernige Leukocyten spricht. Was die besondere Art
der im Krebsstroma auftretenden Leukocyten anbetrifft, welche übrigens,
wie Stroebe richtig angiebt, auch in die Bindegewebszellen einwandern
köimen, so gilt darüber im ganzen dasselbe, wie bei den Sarkomen aus-
geführt wurde. Es konunen scliliessUch alle Arten von Leukocyten vor,
ein- und mehrkernige, mit acidophiler und basophiler Granulierung. Den
grösseren derselben mit unregelmässiger Granulierung hat Unna wieder
besondere Aufmerksamkeit geschenkt; in den verschiedenen Formen des
Carcioome. 433
Hautkrebses sollen sie in verschiedener Weise „Plasmombildungen" hervor-
bringen; in den papillären Krebsen nur in geringer Weise, in den retikulären
stärker, in den einfach walzigen äusserst spärlich, im Ulcus rodens
dagegen wieder stärker. Abgesehen davon, dass die Angaben Unnas
vielfach sich nur auf die Untersuchung einiger weniger Fälle stützen und
schon dadurch die von ihm beliebte Schematisierung an Wert verliert,
kann man nur das zugestehen, dass sich in der Infiltrationszone, die sich
iü einzelnen Herden und Strängen im Krebsstroma oder an der Grenze
des Krebses findet, verhältnismässig reichlich Plasmazellen vorfinden,
wie das auch Jadasssohn und v. Marshalkö (33) angegeben. Von
sonstigen im Carcinomstroma vorkommenden Gebilden sei hier nur noch
erwähnt 1. der Befund Rüssel scher Fuchsinkörper und 2. mehrkernige
Riesenzellen mit und ohne Randstellung der Kerne. Die Fuchsinkörper
iiüd namentlich im Stroma von Magen-, Darm- und Pankreaskrebsen oft
ausserordentlich reichlich und stellen grosse Klumpen und gebuckelte
Zellen dar. Die Riesenzellen sind häufiger zu finden, als bisher ange-
nommen wurde. Schon Stroebe erwähnte sie in einem Falle, später
hat namenüich Ribbert(43), Krückmann (28) und Dunschmann(15) auf
ihr Vorkommen zwischen Epithelien und im infiltrierten Bindegewebe hin-
gewiesen. Sie sind, wie wenigstens aus allen bisherigen Angaben und
meinen fortgesetzten Untersuchungen hervorgeht, besonders häufig in
Plattenepithelcarcinomen der Haut und der Schleimhäute und sie haben
entweder die Bedeutung von Fremdkörperriesenzellen, da man in ihnen
verhornte Epithelien, Detritus, Cholesterintafeln etc. finden kann oder
sie entsprechen den Riesenzellen, wie man sie in jedem gewöhnlichen
üranulationsgewebe mehr oder weniger häufig findet. Sie liegen bald
vereinzelt, bald in Haufen; mitunter in wenig gewuchertem Bindegewebe,
häufiger in lufiltrationsherden, deren Form auch knötchenförmig sein kann.
Es ist das ein Grund, weshalb Ribbert aus seinen Befunden auf
echte Tuberkulose schliesst, eine Meinung, die bereits von Clement (10)
bekämpft und von mir weiter unten noch näher besprochen werden wird.
Was die Genese dieser Riesenzellen anbetrifft, so ist z. B. K rück mann
geneigt, sie von Epithelien abzuleiten, was für die Fälle angehen mag,
wo die Riesenzellen allerseits von Epithelien umschlossen angetroffen
werden; in allen anderen Fällen bilden sie sich wohl aus Bindegewebs-
oder Endothelzellen. Heidemanns Ansicht, dass Krebs- und Binde-
gewebszellen zu mehrkernigen Riesenzellen verschmelzen, sei hier nur der
Kuriosität halber erwähnt. Alle vorstehenden Angaben gelten nicht nur
für das eigentUche Krebsstroma — soweit es aus gewucherten Zellen be-
steht — sondern auch für die sogenannte zellige Infiltration, welche sich
an der Basis vieler Carcinome an der Grenze zum Gesunden zu findet.
Luba rEch-O&tertag, Ergebnisse Abteil. U. 28
434 Allgem. patfaol. Morphologie und Physiologie.
Dasa von diesen, ein richtiges entzündliches Granulationsgewebe darstellen-
den Bildungen auch Zellen zwischen verlängerte Epithelzapfen einwandern
und einwuchem, ist von Ribbert (42) neuerdings hervorgehoben worden;
diese Beobachtungen werden in dem Kapitel über die Hißtogenese de>
Carcinoms ausführlicher berücksichtigt werden.
Während wdr im obigen die anatomischen Verhältnisse geschildert
haben, wie man sie aus der Untersuchung zahlreicher jüngerer Krebse
abstrahieren kann, wird das Bild in mannigfacher Weise verändert durch
die verschiedensten regressiven Metamorphosen, welche innerhalb dir
Krebse auftreten können. Diese Veränderungen greifen in erster Linie
Platz an den Krebsepithelien , erstrecken sich schliesslich auf das Stronia
oder es kommt auch vor, dass in erster Linie das ötroma ergriffen wird.
Die an den EpitheUen auftretenden Veränderungen gehören entweder in
das Gebiet der bekannten fettigen, schleimigen und kolloiden Entartung
sowie der Verhornung, oder in das Gebiet der Nekrose imd Nekrobiose,
wobei die Veränderungen sowohl an den Kernen,* wie am Protoplasma in
allmählicher Auflösung bestehen und daher zu sehr komplizierten Bildern
Anlass geben, auf welche bei der Besprechung der „Carcinomprotozoen*
näher eingegangen wird. Sieht man von diesen Verändenmgen ab, ilie,
soweit es den Kern anbetrifft, vielfach in das Gebiet der Karyorhexis
fallen, so kann man wohl das Gesetz aufstellen, dass auch die Carcinom-
epithelien den gleichen Metamorphosen anheimfallen, welche für die Mutter-
zellen spezifisch sind. Die Ausdehnung und die Raschheit des Zerfalls
ist abhängig 1. von der Schnelligkeit des Wachstums, 2. von der Ent-
wickelung des Stromas und der in ihm verlaufenden Blutgefässe, 3. von
dem Sitz des Carcinoms. Ist die Proliferation der Epithelien eine so mäch-
tige, dass die Ausbildung des Stromas nicht gut Schritt halten kann, so
wird leicht ein Missverhältnis eintreten zwischen Zellenbildung und er-
nährenden Gefässen und daher rasch der Zerfall eintreten; das Gleiche
ist vorhanden, wenn auch bei langsamerem Wachstum der Epithelien doch
nur spärlich Stroma neugebildet wird. Endlich werden diejenigen Carcinome,
welche durch ihren Sitz sowohl mechanischen, wie chemischen Reizen
permanent ausgesetzt sind, leichter zerfallen, wie solche die an geschützteren
Stellen sitzen ; die in Tumoren häufiger auftretenden Cirkulationsstörungen
führen zu ödematöser Durchtränkung des Stromas, mucinöser-hyaliner
Umwandlung derselben, zu Blutungen, Nekrosen. Auf diese Weise werden
wohl auch die gröberen Zerfallserscheinungen hervorgebracht, die wolil
nie ohne Mitwirkung von Mikroorganismen verlaufen. Sowohl der jauchige
Zerfall, wie die eitrige Einschmelzung von Carcinomknoten wird durch
Mikroorganismen oder deren Toxine hervorgebracht, nachdem ihnen durch
mechanische, wenn auch oft geringfügige Läsionen, einerseits eine Ein-
Carcinome. 435
gangspforte eröffnet, andererseits der Boden zur Vermehning geebnet ist
So erklärt es sich, dass die im Magendarmtraktus sitzenden Carcinome
frühzeitig und geradezu regelmässig ulcerieren und verjauchen; und so
sind wohl auch diejenigen Angaben zu deuten, die über den Befund von
Mikroorganismen (meistens Staphylokokken und Streptokokken) in noch nicht
ulcerierten Krebsen berichten; namentlich in Mammakrebsen kommt es
nicht so selten vor, dass von der Mammilla aus, ohne dass irgend welche
nachweisbare Läsion des Epithels besteht, Mikroben in tiefere Partieen des
Carcinoms einwandern; wie ja auch erysipelatöse Entzündungen in ver-
schiedenen Carcinomen beobachtet sind. Spezifische Mikroorganismen
scheinen nur selten in Carcinomknpten einzuwandern. Wenn auch Com-
biuation zwischen Tuberkulose und Carcinom nicht so ganz selten vor-
kommt, so ist es doch sehr selten, dass ein schon bestehender Krebs erst
nachträghch mit Tuberkelbacillen infiziert wird. Baumgarten (7) fasst z. B.
den von ihm beschriebenen Fall von „Kehlkopfcarcinom kombiniert mit den
histologischen Erscheinungen der Tuberkulose'' als ein Unikum auf, indem
er eine besonders innige Durchflechtung von krebsigem und tuberkulösem
Gewebe schildert, wie sie allerdings in den früher beschriebenen Fällen
von Friedländer und Kost er, wo nur im Stroma vereinzelt
Tuberkel gefunden wurden, nicht vorhanden war. Als weitere Fälle von
sicherer tuberkulöser Infektion eines Carcinoms darf man wohl den Fall
von Cordua (11) rechnen, wo die tuberkulöse Infektion eines Ösophagus-
krebses von den Lymphbahnen her stattfand ; wahrscheinhch sind auch die
Fälle von K. Zenker (54) — Befund von Tuberkeln und Tuberkelbacillen in
einem Larynx- und Ösophaguskrebs — hierher zu rechnen. Sonst zeigen aber
namentUch die früheren Angaben von Lubarsch (29), welcher öfter
Tuberkel bis dicht an metastatische Carcinomknoten herantreten sah, dass
eine gewisse Immunität des Carcinomgewebes gegenüber den Tuberkel-
bacillen zu bestehen scheint.
Sonstige Degenerationen kommen, wie erwähnt, oft genug am Paren-
ehym und Stroma vor, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll,
da neuere Mitteilungen nicht vorhegen. Nur der hyalinen Degeneration,
die man im Stroma der verschiedensten Krebse nicht selten in geringem
Grade findet, sei hier gedacht, weil dann, wenn sie in ausgedehntem Masse
vorhanden ist, eigentümliche cylindromähnliche Bilder entsteheli. So hat
M. B. Schmidt (44) in 2 Krebsknoten an der Ohrmuschel einer 76jähr. Frau
mit dem Oberflächenepithel zusammenhängende, in Lymphspalten vordrin-
gende, plexiform angeordnete Carcinomstränge gefunden, die von einer Zone
hyaüner Bindegewebsfasern umgeben waren ; stellenweise erschienen auch
Krebszellen hyalin entartet und mit dem bindegewebigen Hyalin ver-
schmolzen. Lubarsch hat 2 Fälle von Carcinomen des Ileum mitgeteilt,
28*
436 Allgein. paibol. Morphologie und Physiologie.
in denen augedehnte hyaline Entartung sowohl an dem bindegewebigen
Strorna, wie den Carcinom-Zellen und Kapillaren vmd Arterien vorhanden war
und vielfach netzartig durchbrochene Zellzüge entstanden waren ; in einem
Falle handelte es sich nur um eine lokale Degeneration, bewirkt durch Kom-
pression des Bindegewebes durch die Krebsstränge; ein anderer Fall, wo
daneben ausgebreitete Tuberkulose bestand und auch in der Muscularis
des Darmes, sowie an den Kapillaren der Milz, Niere und Leber hyaline
Entartung sich fand, musste man dagegen die Veränderimgen als Teil-
erscheinung einer hyalin-amyloiden Entartung auffassen. Ob richtige amy-
loide Entartung in Carcinomen vorkommt, ist zweifelhaft, einen sicheren
Fall habe ich wenigstens in der Litteratur nicht auffinden können. — Die
eben erwähnten Tumoren mit ausgesprochener hyaliner Entartung des Stromas
und Bildung hyaliner Kugeln im Innern kann man nach dem Vorschlag von
Ziegler und Lubarsch als Carcinoma cyUndromatosum bezeichnen
— Auch Verkalkungen kommen nicht selten in Krebsen vor; mitunter
sind sie nur in geringem Masse ausgeprägt und finden sich ausschliesslich
im Stroma im Anschluss an hyahne Entartung bei älteren Leuten, wie das
auch in dem oben erwähnten Fall von M. B. Schmidt der Fall war.
Nicht selten können sie aber in erheblicher Weise vorhanden sein, so dass
sie bereits als kleine sandige Körner beim Betasten der Neubildung auf-
fallen. Es handelt sich dann um eine besondere Art der Verkalkung, bei
der es zur Bildung konzentrisch geschichteter Kugeln, richtiger Corpora flava
gekommen ist. Schon Lang bans hatte solche Körner in einem Lungen-
carcinom gefunden, Ackermann und Aoyama*) (2) in Mammakrebsen;
häufiger sind sie aber in papillären Kystomen und Carcinomen des Eier-
stockes von Flaisclilen, Marchand (34) u. a. gesehen worden, so da.<s
Birch-Hirschfeld(7) schon von Psammo-Carcinomen des Ovarium spricht.
Ich habe sie gar nicht so selten in Mammakrebsen, Eierstock-Carcinomen
und einmal auch in einemUteruskrebs gefunden; Neugebau er (37)hat eben-
falls ein psammöses Carcinom der Mamma beschrieben und dabei allerdings
fälschlich angegeben, dass bisher echte Psammo-Carcinome nur am Ovarium
beschrieben wären. Pfannenstiel (39) hat sich überhaupt gegen die Bezeich-
nung Psammo-Carcinom gewendet, da das Vorkommen von Psammomkugeln
in Carcinomen keineswegs etwas Charakteristisches wäre. Er hat wohl in
soweit recht, als man Psammomkugeln auch in durchaus gutartigen Neu-
bildungen finden kann und selbst bei Vorkonunen von reichlichen Psammom-
kugeln nicht allein deswegen die Diagnose auf Carcinom stellen darf.
1) Aoyama hat zwar nicht ausdrücklich angegeben, dass die geschichteten Körper
verkalkt waren, es scheint mir das aber schon daraus hervorzugehen, dass sie bei Färbang
mit üämatoxylin rötlich blau gefärbte Körner enthielten, d. h. Kömer, die ebenso reagieren,
wie Kalkbröckel.
Carcinome. 437
Anderseits ist es auffallend, dass sie bis jetzt ausschliesslich in Carcinoraen
der weiblichen Geschlechtsorgane beobachtet sind; auch können sie in so
enormer Menge, besonders auch in den Metastasen auftreten, dass ihre
Entstehung auf besondere Lebensverhältnisse der Zellen hindeutet und
daher die Aufstellung einer Gattung Psammocarcinom durchaus berechtigt
erseheint. Die Bildung der Kugeln, welche sowohl im Stroma, wie mitten
in den Krebszellennestem erfolgt, findet auf drei Arten statt: 1. durch
Zelldegeneration, indem sich mehrere Zellen schichtweise um einander-
lagem und die centralen Partieen nach hyaliner Umwandlung des Proto-
plasmas zuerst verkalken. (Bildung nach Art der Epithelperlen.) 2. Bil-
dung aus hyalinen, aus dem Protoplasma abgeschiedenen Kugeln. 3. Bil-
dung aus Gefässen im Stroma. — Eine besondere Art von Verkalkung
findet man als sehr seltenes Vorkommnis in Kankroiden. Es handelt sich
um die sogenannten verkalkten Epitheliome, die von vielen Autoren [Vir-
chow, Lücke (31), Klebs (26), Ziegler (55)] zu den Atheromen, von anderen
zu den Dermoidcysten (Chi ari) (7) und von den Franzosen (Mal herbe (32),
Chenantais) (7)zu den Talgdrüsenepitheliomen gerechnet werden, v. Noor-
den (8) hat sich jedoch für ihre carcinomatöse Natur ausgesprochen und
ebenso ist F. Den ecke in seiner unter Orths Leitung gemachten Arbeit
zu dem Resultate gekommen, „dass wir es zunächst ganz unzweifelhaft
mit Tumoren zu thun haben, die im Anfang ihrer Entwickelung das typische
Bild eines Kankroids zeigen, das allerdings im weiteren Verlauf immer
undeutlicher wird." Wenn man nach den Abbildungen und Ausein-
andersetzungen V. Noordeus und Deneckes diesen Stand-
punkt auch teilen muss, so bleibt doch immer noch die Ausdehnung
der Verkalkung und vor allem die Verkuöcherung des Bindegewebes
unerklärt und weist auf eine Besonderheit dieser Neubildungen hin; Ver-
kalkung von Homperlen habe ich in Kankroiden gar nicht so sehr selten
gesehen; das bietet auch allgemein pathologisch nichts Besonderes dar.
Die grosse Ausdehnung der Verkalkung und die Verknöcherung sind aber
etwas derartig Abweichendes, dass man auch nach den beiden eben
besprochenen Arbeiten die Frage noch nicht als gelöst betrachten kann. Es
muss die Möglichkeit offen gelassen werden, dass wenigstens die Ver-
knöcherung auf eine embryonale Keimesverirrung zu beziehen ist.
Was endlich die anatomische Einteilung der Carcinome anbetrifft,
80 werden sie teils nach der Epithelform, teils nach dem Verhältnis von
Stroma und Geschwulstparenchym , teils nach auffallenden innerhalb der
Krebszelle oder des Stromas gelegenen Substanzen eingeteilt. So unter-
scheidet Ziegler L das Plattenepithelcarcinom , 2. das Cylinderepithel-
carcinom, 3. das Carcinoma medulläre, 4. das Carcinoma simpl., 5. Car-
cinoma skirrhos., 6. Carcinoma gelatinös., T.Carcinoma myxomatodes, 8. Car-
438 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
cinoraa cylindromatos, 9. Carcinoma gigantocellulare, 10. Melanocarcinoma. —
Haus er hat für die Carcinome des Magendarmtraktus eine Einteilung
vorgenommen, die mir vom logischen und principiellen Standpunkt aus
geeignet erscheint, in dem er die einzelnen Formen in drei Hauptgruppen
einteilt, je nachdem der drüsenförmige Charakter gewahrt ist oder nicht,
er unterscheidet somit drei Arten : 1. Carcinoma cyUndroepitheUale adeno-
matosum, 2. Carcinoma cyUndroepitheUale soUdum, 3. Mischformen; den
übrigen Besonderheiten wird er dann durch eine adjektivische Bezeichnung
(simplex, meduUare, skirrhos. etc.) gerecht. Man könnte im Anschluss au
Haus er eine allgemeine Einteilung der Carcinome in dem Sinne vor-
nehmen, dass man unterscheidet: 1. das Deckepithelcarcinom, a) Platten-
epithelkrebs, b) Cylinderepithelkrebs (selten); 2. das Drüsenepithelcarcinom,
a) mit gewalirtem Drüsentypus (adenomatös.), b) Carcinoma solidum, c)Miscb-
formen. Im übrigen würden dann die besonderen Eigenschaften der Krebse
adjektivisch ausgedrückt werden können.
2. Histogenese des Carcinoms.
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Seitdem die von Virchow (32) vertretene Auffassung, dass die
Epitlielien der Carcinome durch eine metaplastische Entwickelung aus
Bindegewebszellen entstehen, durch die Untersuchungen vonThiersch (31)
und Waldeyer (34) erschüttert war und auch die Koste rsche (19)
Hypothese von der Abstammung der Carcinomepitlielien von Lymph-
gefässendothelien durch zahlreiche Nachuntersuchungen widerlegt erschien,
gewann es eine Zeitlang den Anschein, als ob die Streitfrage mit Sicher-
heit zu Gunsten der Thiersch-Waldey ersehen Lehre erledigt sei. Dazu
trugen vor allem die neueren entwickelungsgeschichtlichen Erfahrungen bei
und die sich immer mehr entwickelnde Lehre von der Spezifizität der
Zellen und der legitimen Succession derselben, welche ihren Höhepunkt
erreichte in den von Bard (1) und Hansemann (8—11) vorgetragenen
Auffassungen, die eine Metaplasie ausgebildeter Zellen nur in den engsten
Grenzen zulassen. Trotzdem hat die alte Virchow sehe Auffassung bis
440 Allgcm. pathol. Morphologie und Physiologie.
iu die neueste Zeit Allhänger behalten und Virchow (33) selbst, hat es zum
mindesten für unentschieden erklärt, welche Auffassung die berechtigtere
sei. — Wenn wir kurz noch diejenigen Gründe zusammentragen wollen,
welche gegen die Virchow sehe Auffassung sprechea, so sind es folgende.
1. Beweisen in der That alle Beobachtungen, dass im Laufe der Entwicke-
lung alle Körpergewebe eine immer ausgeprägtere Spezifizität erlangen.
Bard teilt sogar die einzelnen Gewebe in Familien, Arten und Species
ein, die er ebenso scharf von einander scheiden will, wie die verschie-
denen Arten und Familien im Tier- und Pflanzenreich; für ihre Ausbil-
dung ist allein erbliche Übertragung entscheidend, nicht mechanische
Momente; er vertritt deswegen auch die Auffassung, dass alle Zellen ihre
speziflsche Tumoren bilden, in welchen je nach dem Grade der Bösartig-
keit die betreffende Zellform vom frühesten fötalen bis zu den höchst
ausgebildeten Formen gefunden wird. Indem er als das Wesen der Ge-
schwulstbildungen die mehr oder weniger schrankenlose Wucherung der
spezifischen Zellen betrachtet, bezeichnet er auch die Leukämie als Careinora
der Leukocyten („Cancer propre du sang"). Bard geht sicherlich in sei-
nen Ausführungen über die Zellspezifizität zu weit, indem er die einzelnen
Zellen für durchaus starre Arten hält; es ist vielmehr wahrscheinlich,
dass es mit den Zellarten der einzelnen Individuen sich ähnlich verhält,
wie mit den ausgebildeten Tieren selbst. Unter den ausgebildeten Tier-
arten sind Übergänge namentlich durch künstliche Eingriffe und äussere
Einflüsse nur in sehr beschränktem Masse zu erzielen und überhaupt nur
möglich unter sehr verwandten Arten, während wir für die Ausbildung
sämthcher Tierspecies allmähliche Entwickelung von einer oder mehreren
einfachen Stammformen aus annehmen müssen ; ebenso verhält es sich mit
den einzelnen Zellarten der Tiere; wenn sie auch sämtlich aus einer
Zelle — der befruchteten Eizelle — hervorgehen, so sind doch dann, wenn
sie ihre spezitische Ausbildung erlangt haben, Übergänge nur noch in den
engsten Grenzen und nur unter nah verwandten Zellarten möglich; also
auch in diesem Punkte scheint Hack eis biogenetisches Grundgesetz
genaueste Bestätigung zu finden. Diese Auffassung stimmt auch mit den
Ausfüllrungen Mars ha 11s (22) überein, der ausführt, dass nach Aus-
bildung der drei Keimblätter eine metaplastische Umbildung ihrer Elemente
nicht mehr stattfindet. Seine weiteren Vorschläge die bösartigen Neubil-
dungen in Theliome und Sarkome einzuteilen, seien hier nur kurz ervs'ähnt
Hansemann teilt den Bard sehen Standpunkt nicht in jeder Beziehung,
wenn er auch gleichfalls eine feine Spezifizität aller Zellen annimmt. Es
ist sein Verdienst gewesen, in zahlreichen Arbeiten den Nachweis zu führen,
dass diese Spezifizität auch ehien morphologischen Ausdruck während der
Teilung der Zellen findet. Niemals fanden sich Übergänge der Mitosen-
Histogenese des Carcinoms. 441
formen zwischen den einzelnen Geweben; auch gelang es nicht durch
künstliche EingriiEEe, eine Abweichung von der typischen Form der
Mitosen zu erreichen. — 2. Nachdem zuerst Thiersch und dann Wal-
deyer für eine Reihe von Carcinomen den histologischen Nachweis
erbrachten, dass der Übergang der Deckepithelien und Drüsenzellen in die
Krebsschläuche direkt verfolgt werden kann, liegen seitdem für eine grosse
Reihe von Carcinomen der einzelnen Organe die gleichen Nachweise vor.
Durch äusserst sorgfältige Untersuchungen hat zunächst Haus er (12) den
Nachweis erbracht, dass die Cylinderepithelkrebse des Magens und Dick-
darms von den Deck- oder Drüsenepithelien ausgehen und dass alle Krebs-
uester in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ersten Erkrankungs-
herd stehen, eine Art weit verbreiteter Netze bilden. Im Anfang erscheinen
mehrfache, dicht aneinander hegende Erkrankungsherde, zwischen denen
noch Gruppen normaler Drüsen vorhanden sein können ; diese Herde ent-
wickeln sich nicht gleichzeitig, sondern in Intervallen ; mit dem Durchbruch
der Membrana propria der Drüsen ist das Charakteristikum für den Krebs
gegeben. Die Untersuchungen haben im wesenthchen Bestätigung gefunden
durch Zahn (35), welcher zwar den direkten Übergang der Organepithelien
in Krebsschläuche nicht auffand, aber doch bei einem kleinen Magen-
krebs zu dem Ergebnis kam, dass er von den Drüsenepithelien ausging;
auch Israel (16) untersuchte zwei beginnende Magenkrebse, in denen die
epithelialen Elemente in lebhaftester Wucherung begriffen waren. Lu-
barsch (20) erbrachte den Nachweis, dass die primären Carciuome des
lleum von den Li eher kü huschen Drüsen ausgehen und demonstrierte
den direkten Übergang von Drüsenschläuche in Krebsnester. Crooke (2)
und Siegen beck van Henkele mm (15) gelang es in primären Leber-
krebsen, den Übergang von Leberzellen in Krebsnester nachzuweisen;
Ehrlich (3) und Siegert (30) untersuchten Bronchial- und Lungen-
krebse; ersterer leitet die Bronchialkrebse von den Schleimdrüsen der
Bronchien, die Lungenkrebse von Alveolarepitliel ab. Siegert unter-
?^cheidet zwei Formen von Lungenkrebsen; die einen, deren Typus
cylinderepithelial ist, gehen von dem Epithel der Bronchiolen, die an-
deren von dem Alveolarepithel aus. Jurka (17) beschrieb ein Carcinom
des äusseren Gehörganges, das aller Wahrscheinlichkeit nach von den
Glandulae cerimunosae ausgegangen war. Zahn fand in einem sehr
kleinen Carcinom der hinteren Muttermundeslippe bei einer 32jährigen
Frau den Ausgang der Carcinomwucherung von den Deckepithelien. —
Während die meisten neueren Autoren auf dem eben skizzierten Stand-
punkt stehen und die oben angeführten Beispiele wohl leicht vermehrt
werden könnten, hat nur Klebs (18) eine besondere Meinung vertreten,
indem er zwar die Entwickelung der ersten Krebselemente aus den Epi-
442 Allgem. pathoJ. Morphologie tind Physiologie.
thelien für bewiesen erachtet, aber annimmt, dass beim weiteren
Wachstum sich auch andere — mesodermale Zellen — an der Wuche-
rung beteiligen können und sich metaplastisch in Carcinomzellen um-
wandeln. (Näheres darüber weiter unten.) 3. Eine wesentliche Stütze für
die Thiersch- Waldeyersche Theorie liegt in dem oben näher geschil-
derten morphologischen und biologischen Verhalten der Krebszellen; in
ihrer oft bis in die kleinsten Verhältnisse vorhandenen Übereinstimmung
mit den Mutterepithelien. Dass sich Bindegewebszellen in epithelähnliche
Zellen umwandeln können, kann nicht bestritten werden, da bekannter-
massen die sogenannten epithelioiden Zellen, welche jungen, noch wenig
diiEEerenzierten Epithelien sehr ähnlich sehen, von Bindegewebszellen ab-
stammen. Aber die Umwandlung in verhornende Stachel- und Riffel-
epithelien und verschleimende Cylinderepithelien ist nicht nur niemals
demonstriert worden, sondern es bliebe auch völlig unverständUch, warum
sich die Bindegewebszellen der Haut immer in Plattenepi thelien, die dvs
Magens und Darms dagegen immer in t/ylinderepithelien verwandehi
sollen ; ganz abgesehen von der biologischen Unmöglichkeit, dass Abkömm-
linge von Bindegewebszellen die Funktion von Pankreas- und Schilddrüsen-
epithelien ausüben könnten. — Gegenüber diesen Punkten könnte von den
Anhängern der Vi rchow sehen Lehre nur augeführt werden, dass mit-
unter doch auch von mit Cylinderepitliel ausgekleideten Schleimhäuten
Plattenepithelkrebse ausgehen. So haben G e bh ard (4) und Piering (24)
Pflasterepithelkrebse des Fundus uteri, Grünwald (6) und Siegel (21>)
verhornende Krebse der Lunge, und Ohio ff (23) solche der Gallenblase
beschrieben. Aber hier handelte es sich um eine vorhergegangene Epithel-
metaplasie. Schon K. Friedländer (Fortschr. d. Med. Bd. IL) hatte
in einer tuberkulösen Lungenkaverne ein altes Kankroid gefunden, das
er von dem durch chronische Entzündung in Plattenepithel umgewan-
delten Bronchialepithel ableitete. Auch in den oben erwähnten Fällen lagen
ähnliche Verhältnisse vor. Bei Piering hatte die 54jährige Frau lange an
Uteruskatarrhen gelitten und das ganze Oberflächenepithel des Uterus war
in Plattenepithel .umgewandelt; ähnliches beobachtete Gebhard bei einer
68jährigen Frau. Am klarsten lagen die Verhältnisse in dem Falle von
0hl off, wo das Krebsepithel teils cylindrisch, teils abgeplattet war; hier
zeigte auch die Wand der Gallenblase Plattenepithel, die Metaplasie
war wahrscheinlich durch den Druck von Gallensteinen hervorgebracht,
ähnlich wie H. Zenker (36) durch Kauülendruck bei Diphtherie in der Luft-
röhre eine Umwandlung des Cylinder- in Plattenepithel beobachtete. Er
beschreibt auch einen Fall von Plattenepithelkrebs der Luftröhre und
ferner einen ähnhchen Fall wie 0hl off. — Ebensowenig kann die
Virchowsche Ansicht Stütze finden in den Beobachtungen über primäre
Histogenese des Carcinoms. 443
Knochenkrebse. Schon Walde y er (34) hat die Meinung ausgesprochen,
dass ein grosser Teil der angeblich primären Knochencarcinome Angio-
sarkome gewesen sind. Perls (Lehrbuch d. allgem. Pathol.) wies femer
darauf hin, dass mitunter die primären Krebse sehr geringfügig und die
Küochenmetastasen gewaltig sein können, an der Hand eines Falles von
scheinbar primärem Knochenkrebs, indem die genaue Sektion einen kleinen
vernarbenden Magenkrebs ergab. Geissler (5) fand bei einem 42] ährigen
Patienten eine grosse Geschwulst an der Skapula, die sich nach der Exstir-
pation als ein Knochencarcinom ergab, für das ein primärer Herd nicht
aufgefunden werden konnte ; erst zwei Monate später, als der Patient wegen
Hämaturie von neuem das Krankenhaus aufsuchte, wurde ein Blasentumor
entdeckt, der mikroskopisch mit dem Knochentumor völhg übereinstimmte.
Auch V. Recklinghausen hat selbst über Fälle berichtet, in denen
bei geringfügigem primären Prostatakrebs ausgedehnte Knochenmetastasen
vorhanden waren. — Endlich ist es auch nicht ausgeschlossen, dass
wirklich mal primäre Knochenkrebse auftreten, die man dann von aber-
rierten Keimen ableiten muss. Ich selbst habe in Zürich einen solchen
Fall seziert. Es handelte sich um einen gewaltigen, zuerst als Sarkom
gedeuteten Tumor der Kreuzbeingegend; da aber schon vorher an einem
excidierten Stück von mir die Diagnose auf zum Teil verschleimendes
Cyliüderepithelcarcinom gestellt war, konnte bei der Sektion auf das eif-
rigste nach einem primären Herde geforscht werden ; obgleich die Sektion
auf das vollständigste gemacht werden konnte, waren alle Versuche, einen
primären Herd zu finden, vergeblich. Der Krebs hatte vöIHg das Aus-
sehen eines Carcinoma cyhndroepitheliale adenomatosum des Darms und
man muss annehmen, dass bei der Entwicklung Teile des Urdarmes in
das Medullarrohr gelangten und so hier die epithelialen Keime einge-
schlossen wurden. — Man kann demnach wohl sagen, dass eine Über-
einstimmung darüber herrscht, dass das Krebsparenchym sich von prä-
exstierenden EpitheUen aus entwickelt; dagegen ist in neuerer Zeit ein
lebhafter Kampf darüber entbrannt, ob thatsächlich die Krebsbildung mit
einer Wucherung der Epithehen beginnt. Ribbert (25—28) hat in einer
Reihe von Arbeiten den Standpunkt zu begründen versucht, dass das
Carcinom nicht durch aktives Vordringen des Epithels in die Tiefe zu
Stande kommt, sondern dadurch, dass die Bindegewebszellen in die
Epithelzapfen hineinwuchern und hineinwachsen und die
Zellen derselben auseinander drängen und isolieren. Von
den so zwischen die Bestandteile des neugebildeten Binde-
gewebes gelangten Epithelzellen geht die eigentliche Krebs-
entwickelung aus, indem sie Alveolen bilden und strangförmig tiefer
in das Bindegewebe hineinwandem.'' Ribbert gründet diese neue Lehre
444 Allgein. pathol. Morphologie und Physiologie.
auf Untersuchung von beginnenden Carcinomen, deren er bis jetzt
fünf Lippenkrebse und je einen Krebs des Handrückens, des Penis, dt s
äusseren Muttermundes und des Magens untersuchen konnte. Dabei kam
er zu folgenden Ergebnissen: 1. Die Stelle, wo ein Carcinom beginnt, spriii^rt
vor, und diese J^rscheinung beruht auf einem progressiven Prozess de^
Bindegewebes, in dem sieh durch lebhafte Neubildung von Zellen und G*-
fassen eines ubepitheliale Schicht zellreichen Bindegewebes aus-
bildet. 2. Durch diese Wucherungsprozesse wird das Epithel gehoben
und es entsteht somit eine für das Carcinom nicht charakteristische lokak*
Hypertrophie, indem das wuchernde Bindegewebe zu einer erheblichen,
über das Doppelte und Dreifache hinausgehenden Verlängerung der Drüsen
führt. 3. Hieran schliesst sich der prinzipiell wichtigste Vorgang an : das Ein-
dringen des Bindegewebes in das Epithel, wodurch die Epithelien
auseinandergedrängt und isoliert werden. — Ribber t glaubt, wie bereits
oben auseinandergesetzt, dass durch diese Isolierung der Epithelzellen ihre
grosse schrankenlose Wucherungskraft bewirkt wird, indem die Aufhebung
der normalen Spannung zwischen den Zellen die latente Wucherung^
fähigkeit frei macht. — Die Ribbertschen Ausführungen sind einer ein-
gehenden Kritik bis jetzt nur von Hauser (13) und Lubarsch (2l) unter-
zogen w^orden. Hauser hat folgende Punkte entgegengehalten: 1. Di^'
schon von ihm selbst beschriebene Bildung eines subepithelialen Granu-
lationsgewebes ist selbst nach den Ausführungen Ribberts keine konstante
Erscheinung; sie findet sich in den Schleimhautkrebsen des Darmes nur
in der soliden Form häufiger, kann aber sehr häufig fehlen. 2. Die gegen-
seitige Durchwachsung von Epithel und Bindegewebszellen, wie sie öfter
beobachtet wird, kann ebenso gut auf eine Art primärer Metastasierung:
des Epithels zurückgeführt werden, welches in einzelnen Herden in das
wuchernde Bindegewebe vordringt. 3. Die Annahme, dass die einfache Ver-
lagerung normalen P^pithels für sich allein zur Krcbsent Wickelung führen
könne, steht im Widerspruch zu den normalen Gesetzen des Wachstums,
wofür auch der durchaus gutartige Charakter der Balggeschwülste spricht,
welche zweifellos von verlagerten Epithelien sich entwickeln. Lubarsch
hebt zunächst hervor, dass die Ribbertsche Theorie insofern anziehend
ist, als sie geeignet erscheinen kann, uns über die klinisch oft so deutüch
hervortretenden Beziehungen zwischen entzündlicher Reizung und Krebs-
bildung aufzuklären. Aber gerade hierin liege auch ihre Schwäche, weil
Ribbert selbst zugeben muss, dass nicht jede entzündliche BindegeweK-
Wucherung zu Carcinom führt und er nicht angeben kann, welcher Art
die Bindegewebsneubildung sein muss, um zur Krebsentwickelung zu führen.
Warum wandelt sich z. B. nicht jede entzündliche Warze, nicht jedes
spitze Condylom in ein Carcinom um, obgleich hier doch oft genug Wan-
Histogenese des CarciDoms. 445
derzellen zwischen die Epithelien hineindringen? Ferner kann nicht zu-
gegeben werden, dass die entzündHche Bindegewebsneubildung überhaupt
das Primäre ist; auffallend ist schon, dass oft die Ansammlung von Leuko-
cyten bedeutend überwiegt und nur wenig Mitosen in Bindegewebszellen
gefunden werden. Lubarsch hat auch selbst 2 beginnende Krebse
des Penis und der Zunge untersuchen können und hierbei zwar eine enorme
Wucherung der Epithelien — charakterisiert durch zahllose Mitosen —
gefunden, aber das Eindringen des Bindegewebes in das Epithel nicht
beobachtet, wie überhaupt die zellige Infiltration nur ausserordentlich gering
war. Endlich meint er, dass selbst dann, wenn die Ribbertsche Theorie
in den thatsächUchen Beobachtungen gesicherter wäre, sie uns die wesent-
lichen Erscheinungen der Carcinome, vor allem die Recidive nicht erklären
könnte; wenn man selbst zugeben wollte, dass durch die Isolierung die
Epithelien grössere Selbständigkeit erlangen, so büebe es doch unver-
ständlich, dass die Recidive oft erst nach Monaten und Jahren eintreten,
sind noch isolierte Epithelien im Bindegewebe hegen gebheben, so müssten
die Recidive nach Ribberts Theorie eigentlich immittelbar an die Opera-
tion anschliessen, oder muss auch hier erst wieder eine entzündliche Neu-
bildung dazu kommen, die das Epithel von neuem isohert? Aber diese
entzündliche Infiltration ist in kleinen Recidiven ebenso inkonstant, wie in
den Primärherden. Ribbert (28) hat gegen Hausers Kritik — die
von Lubarsch ist ihm unbekannt gebheben — folgendes einge-
wendet: 1. Dass es sich um ein aktives Eindringen von Bindegewebszellen
zwischen die EpitheUen imd nicht um den umgekehrten Vorgang handelt,
wird bewiesen a) durch die Analogie mit Lymphkörperchen und Chroma-
tophoren ; b) dadurch , dass am Epithel in den Anfangsstadien der Krebs-
entwickelung nur geringe aktive Vorgänge beobachtet werden können und
es deswegen unwahrscheinhch wäre, dass plötzhch das Epithel in das
Bindegewebe einwachsen solle ; c) an den in das Bindegewebe metastasierten
Epithelien bemerkt man zunächst keine lebhaften Vermehrungsprozesse,
sondern öfter sogar Degenerationsvorgänge, die wohl dadurch bedingt sind,
dass die abgetrennten Epithelien nicht immer gleich die erforderlichen
Existenzbedingungen finden ; d) am beweisendsten erscheinen ihm die Ver-
hältnisse in dem beginnenden Magencarcinom, wo in einzelnen Abschnitten
der hypertroplüschen Mukosa die Drüsen in einzelne Bruchstücke zer-
legt und die Epithelien einzeln oder gruppenweise durch und in das
Bindegewebe versprengt werden ; e) endlich hält er die Annahme einer
primären Änderung des Epithelcharakters für eine unbewiesene Hypothese,
während man bei seiner Auffassung mit anatomisch nachweisbaren und
leicht begreiflichen Momenten^) zu rechnen hätte. 2. Wendet er
1) Von mir durch Druck hervorgehoben.
446 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
gegen die Angaben Hausers über die Inkonstanz der BindegewebswucLe-
rung ein, dass man die Verhältnisse nicht an ausgebildeten Carcinomen
auch nicht in der Peripherie der Knoten studieren, sondern einwands-
freie Bilder nur in „beginnenden" Carcinomen erhalten kann. 3. Die Bilder
von Haus er und vielen anderen, welche eine krebsige Umwandlung
von Drüsen beweisen sollen, können auch dadurch erklärt werden, da?>
das sich allseitig ausbreitende Carcinom in Drüsen und Deckepithelzapfeii
hineinwächst, wofür Ribbert Beispiele aus einem Carcinom der Stirnhaut
des Dickdarms und des Rektums anführt.
Wenn wir nochmals auf die Auseinandersetzungen Ribberts ein
gehen wollen, so sei folgendes bemerkt, ad 3. Es ist richtig, dass solche
Bilder vorkommen, wie sie Ribbert abbildet, wo Krebsschläuche sekundär
in Drüsen einwachsen. Es ist das übrigens ein Einwand, den schon
V. Reckling hausen auf der Naturforscherversammlung in Strassburg
gegen die Ableitung der Carcinomwucherung von Drüsenepithelien erhoben
hat. Aber es ist kaum möglich , dass ein geschulter und aufmerksamer
Beobachter, das Einwachsen von Krebsschläuchen in unveränderte DrüKni
mit der krebsigen Entartung von Drüsen verwechseln kann. Die Bilder
Haus er s haben mit den Abbildungen Ribberts nicht die geringste
Ähnlichkeit, ad 2. Hier wäre zunächst mit Recht die Frage aufzuwerfeii,
was ist ein „beginnendes" Carcinom. Ob die vier ersten Lippenkrebse von
Ribbert überhaupt Carcinome waren, könnte man beinahe bezweifeln,
denn er spricht nur von „Verdickungen der Epidermis mit stärkerer
Verhornung, unregelmässigen Verlängerungen und Fonnveränderungen der
Epithelzapfen; und nachdem Ribberts Schüler Biedermann^) auch
in Papillomen die gleiche Durchwachsung des Epithels durch Bindegewebe
beschrieben hat, weiss man eigentlich nicht recht, worin der Unterschied
zwischen Ribberts „beginnenden** Carcinomen und solchen Papillomen be-
steht. Aber das ist, wenn man will, Nebensache, wenn auch gerade der subjek-
tiven Deutung durch diese Beschränkung des Untersuchungsmaterials Thür
und Thor geöffnet wird. In der That muss man ja zugeben, dass bei
einem noch in der Ausbildung befindlichen Krebs die Verhältnisse klarer
liegen werden, als in einem sehr stark ausgebildeten; trotzdem sehe
ich nicht recht ein, warum es unmöglich sein soll, an den Rändern von
grösseren Krebsen die Entwickelung zu studieren, vorausgesetzt, dass man Bilder
erhält, wie sie Haus er so oft gefunden hat; d. h. dass immer mehr Drüsen
in die Tiefe zu wachsen beginnen und krebsig entarten. Zum Überfluss
verfüge ich, ausser den oben erwähnten Fällen von Zungen- und Penis-
1) Über einige papillär gebaute Tumoren der Haut (Papillome). Inaug.-Dissertat.
1895. Zürich.
Histogenese des Carcinoms. 447
carcinom, noch über einen Fall von beginnendem Carcinom des Dünn-
darms, wie er wohl bis jetzt noch kaum zur Beobachtung gelangt ist. Bei
einem an pemiciöser Anämie verstorbenen Manne fanden sich bei der Sektion
im Ileum ziemlich dicht nebeneinander zwei kleine Knoten, von denen der
grössere etwa kirschkern-, der kleinere knapp linsengross war ; die Schleim-
haut war vollkommen intakt, aber nicht gut verschieblich über den festen
Tumoren. Beide Tumoren wurden vollständig in Serienschnitte zerlegt;
und es ergab sich folgendes Bild. Im Bereiche der Tumoren fehlen die
Zotten vollständig; Lieberkühnsche Drüsen sind nur ganz vereinzelt und
meist nur an der Grenze zum Gesunden erhalten ; fast überall unterscheiden
sie sich nicht von den soliden Epithelzapfen, die bis dicht an die Musku-
latur und im grösseren Tumor bis in sie hinein vorgedrungen sind,
die Muscularis mucosae durchbrochen haben und sich auch in der
Submukosa ausbreiten. An der Grenze zum Gesunden finden sich
emige verlängerte Lieberkühnsche Drüsen, die mit einem soliden
Krebszapfen zusammenhängen; das Stroma besteht teils aus Bindege-
webszellen, teils aus den glatten Muskelzellen der Muscularis mucosae.
Zellige Infiltration oder Bindegewebswucherung ist nirgends
nachweisbar; das Stroma wird ausschliesslich von dem alten
Gewebe gebildet. — Es ist wohl überflüssig, die Carcinomdiagn ose noch
ausführlicher zu begründen und es dürfte somit bewiesen sein , dass Carci-
nome, die weit kleiner sind, als sie Ribbert bis jetzt beschrieben, ohne
Wucherung des Bindegewebes entstehen können. Überhaupt ist das
Material Ribberts keineswegs ein wandsfrei. So war z. B. das von ihm
untersuchte kleine Zungencarcinom ulceriert und auch sein beginnendes
Magencarcinom zeigte an der Oberfläche einen kleinen Defekt. Man hatte
es also mit Krebsen zu thun, welche man zwar „beginnend" nennen darf,
in denen aber durch die Läsionen an der Oberfläche leicht sekundäre
Veränderungen sich etablieren konnten. Wenn man schon an und für
sich (vgl. oben S. 430 S.) berechtigt ist, die mehr oder weniger starke Aus-
bildung des Krebsstromas auf Reizwirkungen zu beziehen, so liegt es auf der
Hand, dass dort, wo äussere mechanische, chemische und bakterielle Reize
hinzukommen, die entzündlichen Veränderungen um so stärker sein müssen.
Deswegen erscheint das ganze Material von Ribbert nicht sehr günstig,
weil er ausschliesslich Krebse untersucht hat, die an Stellen lagen, wo
auch ohne Defekt permanent mechanische und chemische Reize einwirken
müssen; während das z. B. bei meinem kleinen Dünndarm- und Israels
kirschkemgrossem Magenkrebs weniger in Betracht kommt. — ad 1. kann
man wohl über die Punkte a und b hinweg gehen, weil sie ganz subjek-
tiver Natur sind oder wenigstens als reine Analogien nichts beweisen können.
Zu c sei bemerkt, dass Degenerationsvorgänge und proliferative Verände-
448 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
rungen so oft neben einander hergehen, dass auch dadurch nichts zu beweisen
ist; bei d, Ribberts Hauptpunkt, kann ich nicht einsehen, warum eine
Wucherung der Drüsen ausgeschlossen sein soll, wenn sie auch in Bruch-
stücke zerlegt sind; es kann sich eben um ein späteres Stadium handeln,
wo nach Durchbrechung der Membrana propria die Epithelien vereinzelt
oder in Zügen in das Bindegewebe vordringen; endlich ist es ja auch
möglich, dass durch die sekundäre Bindegewebswucherung in Wuche-
rung begriffene Drüsen zerteilt werden; dass das aber der primitive Vor-
gang ist, hatRibbert durch seine Schilderung keinesfalls bewiesen. Dass
er endlich unter 1) c. seine Auffassung als eine leicht begreifliche und
anatomisch nachweisbare der hypothetischen Ansicht von der biologischen
Änderung der Epithelzelle gegenüberstellt, scheint mir nur teilweise halt-
bar. Wenn man es auch als eine sichere Thatsache ansehen wiU, da«s
der Wachstumstrieb der Zellen nur durch ihre spezifischen Nachbarschafts-
beziehungen beschränkt wird, in denen die einzelnen Zellen durch ihre
innige Verbindung mit einander stehen, so ist es doch unmöglich, die
Schrankejilosigkeit der Wucherung dadurch zu erklären, dass die Zellen
aus dem Verbände gelöst werden; denn sie werden doch, wenn auch viel-
leicht nicht in so vollendeter Weise, wieder mechanisch beschränkt durch
die sie überall umgebenden ßindegewebszellen; es wäre also vielleicht
verständlich, dass sie eine etwas verstärkte Wucherungsfähigkeit erlangen,
aber eine schrankenlose nimmermehr; endlich müsste die Proliferations-
kraft um so mehr abnehmen je grössere Alveolen gebildet werden, indem
hier wiederum Zellkomplexe geschaffen werden, in denen die Epithelzellen
in ganz gleicher Weise mit einander in Verbindung stehen, also unter zum
mindesten ähnlicher Spanimng stehen. Ferner ist folgendes zu überlegen:
am ausgeprägtesten findet man die von Ribbert geschilderten Veriiält-
nisse beim Ulcus rodens, bei Lupuscarcinomen etc., bekanntlich Krebsen,
die sehr lange stationär bleiben und nur ganz ausnahmsweise Metastasen
machen; warum, wenn nach Ribberts Theorie alles auf die Abtrennung der
Zellen ankommt? Warum werden nicht alle Papillome schliesslich Krebse?
Warum entwickeln sich doch nur selten in Narben und Fistelgängen
Carcinomc? Alles Fragen, die mit Ribbert's Theorie wohl nur schwer zu
lösen sind. Und endlich die Metastasenbildung? Wo ist irgend etwas davon
beobachtet worden, dass transplantiertes normales Epithel schranken-
los wuchert? Man kann sehr wohl zugeben, dass eine primäre Verände-
rung des Epithels im Sinne von Hansemanns und Hausers Anaplasie
morphologisch noch nicht genügend nachgewiesen ist und wird doch zu
dem Resultat kommen müssen, dass Ribberts Theorie nicht haltbar, nicht
bewiesen ist und leider sein dankenswerter Versuch, die Carcinom-
frage zu vereinfachen, als verunglückt betrachtet werden muss. Kur
Ätiologie der Carcinome. 449
das eine scheint mir durch seine Untersuchungen sicher gestellt,
dass der papilläre Bau von Carcinomen durch eine subepitheliale
Bindegewebswucherung herbeigeführt werden kann, wie das übrigens
schon von Thiersch und Hanau (7) angedeutet worden ist.
Dafür scheinen mir auch die Fälle von Israel zu sprechen, der bei dem
papillären Carcinom ausdrücklich starke, zellige Infiltration notierte, wäh-
rend er in dem mehr flachen Carcinom sie so gut wie völlig vermisste. —
Auf die Anschauung Heidemanns, der die spezifische Ausbildung der
Carcinome von dem Zustand der Schlummerzellen abhängig macht, hier
nochmals näher einzugehen, halte ich für überflüssig; erwähnt sei nur,
dass seine Ansicht in sofern der Ribbertschen ähnelt, als nach ihm nicht
der Grad der Epithelerkrankung, sondern der Zustand des Bindegewebes
massgebend ist für die Gutartigkeit, oder Bösartigkeit der Neubildung. —
Nach allen diesen Auseinandersetzungen erscheint es wohl zweifellos, dass
die Thiersch-Waldeyersche,durchHausers Untersuchungen erweiterte
Theorie von der Histogenese der Carcinome in nichts erschüttert aus den
neuesten Kämpfen hervorgegangen ist.
I
3. Ätiologie der Carcinome.
Für die Ätiologie des Carcinoms sind so viel verschiedenartige Fak-
toren in Anspruch genommen worden, dass es auch hier zweckmässig
erscheint eine Einteilung in mehrere Abschnitte vorzunehmen: a) die
Bedeutung embryonal versprengter Keime für die Carcinombildung,
ß) Altersdisposition, erbliche Anlage etc, y) die Reiztheorie, d) parasitäre
Ätiologie, TJ) allgemeine Disposition, d) Umwandlung gutartiger Neubil-
dungen in Carcinome.
a) Die Bedeutung embryonal versprengter Keime für die Car-
cinombildung.
Litteratur.
1- Beneke, Neuere Arbeiten zur Lehre vom Carcinom. Schmidts Jahrbücher. Bd. 284.
2. Gassenhauer, Ein Beitrag zur Kenntnis der branchiogenen Geschwülste. Beitr. zur
Chirurg. Festschr. f. Billroth. S. 280. 1892.
3. Israel, 0., Über die ersten Anfänge des Magenkrebses. Berl. klin Wochenschr. 1890.
Nr. 29.
4. Kruken berg. Über das gleichzeitige Vorkommen von Carcinom und Dermoidcyste
in ein und demselben Ovarium. Arch. f; Gynäk. Bd. 30. Heft 2.
5. Kühn, Über primäres Pankreascarcinom im Kindesalter. Berl. klin. Wochenschr.
Bd. 24. Nr. 27. 1887.
Es herrscht zwar ziemlich allgemeine Übereinstimmung, dass die
Cohnheimsche Theorie von allen Geschwülsten für die Carcinome am
LQl)arsch-Ostertag, Ergebnisse. U Abteil. 29
450 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
wenigsten Geltung besitzt und Benecke (l) hat sie sogar schlechtweg
als „einen geistreichen Irrtum" bezeichnet; in welchen Grenzen sie aber
überhaupt bei den Carcinomen von Bedeutung ist, ist noch nicht genügend
festgestellt. Die Angaben Cohnheims dass die Carcinome mit Vor-
liebe an den Ostien der Organe sitzen, wo kompliziertere Entwickeluiigs-
verhältnisse vorliegen und oft eine Epithelart in eine andere übergeht,
kann kaum als genügende Stütze seiner Theorie angesehen werden und
Israel (3) hat sogar die Meinung ausgesprochen, dass bei den Magen-
krebsen der Beginn gar nicht am Pylorus zu sein pflegt, sondern erst
beim weiteren Wachstum die Neubildung sich bis dorthin ausdehnt Dass
femer die doch nicht so selten nachweisbaren Beziehungen zwischen
chronischer Reizung und Krebsbildung eine gewisse Schwierigkeit für die
Theorie darbieten, ist von den verschiedensten Seiten hervorgehoben worden
Hauser, Klebs u. a.). Ebenso auch die Thatsache, dass der Krebs
vornehmlich eine Erkrankung des mittleren und höheren Alters ist. Frei-
lich kann man daraus, dass eine Neubildung erst in späterem Lebensalter
manifest wird, noch nicht schHessen, dass sie nicht doch embryonal an-
gelegt war; aber die Thatsache, dass Krebse im jugendlichen Alter doch
zu den grossen Seltenheiten gehören, spricht dafür, dass eine kongenitale
Anlage der Carcinome nur ausnahmsweise vorhanden ist. Positives wissen
wir darüber überhaupt nur sehr wenig. Die Beobachtungen von Kruken-
berg (4), der einmal in einer Dermoidcyste die hautartigen Inseln carcino-
matös entartet fand und aus der Litteratur noch 3 sichere ähnUche Fälle
zusammenstellte, sind mehrdeutig, da die krebsige Entartung von Dermoid-
cysten eine Seltenheit ist und eben nicht anders beurteilt zu werden
braucht, wie Krebsentwickelung vom normalen Epithel. Der von Kühn
(5) beschriebene Fall eines Pankreascarcinoms bei einem ^/4 Jahr alten
Kinde beweist ebenfalls nicht sicher, dass die Krankheitsanlage angeboren
war, wie überhaupt kein sicherer Fall von angeborenem Epithelkrebs bis
jetzt beobachtet ist ^). Es bleiben dann nur noch die sogenannten branchio-
genen Carcinome übrig und Carcinome, welche nach Bruns aus den Debris
paradentaires Mallassez*s hervorgehen sollen. Aber auch hier liegen
die Verhältnisse noch keineswegs völlig klar. Gussenbauer (2) hat
neuerdings acht Fälle von branchiogenen Carcinomen beschrieben und her-
vorgehoben, dass sie deswegen von embryonal aberrierten Keimen abgeleitet
werden müssten, weil sie sich an Stellen vorfinden, wo sonst normaler-
weise kein Epithel vorhanden ist. Ob aber auch hier nicht vielleicht
zuerst Kiemenfisteln oder Kiemengangscysten vorhanden waren, wäre noch zu
1) Der Fall von Fried reich (Virch. Arch. Bd. 36) von Metastase eines Leber-
krebses auf den Fötus nimmt eine besondere Stellung ein.
Ätiologie der Carcinome. 451
entscheiden. Ausserdem mögen noch vereinzelt Fälle vorkommen, in denen
ein Carcinom aus aberrierten Epithelien entsteht, wie z. B. mein oben be-
richteter Fall von primärem Knochenkrebs. A. Thierfelder hat auch
die Ansicht ausgesprochen, dass manche Magenkrebse von aberrierten
Pankreasläppchen ausgehen können, ohne allerdings über beweisendes
Material zu verfügen. Nach meiner Meinung ist es auch denkbar, dass
manche von vornherein sehr tiefgehende Krebse des Darms von aberrierten
Lieberkühn sehen Krypten ausgehen , nachdem Retterer nach-
gewiesen hat, dass die Li eb e rk ü h nschen Drüsen zunächst submukös
gebildet werden und erst allmähUch in die Höhe gehoben werden. Ich
habe zweimal bei 2 — 3 jährigen Kindern solche tief in der Submukosa ge-
legenen Lieberkühn sehen Drüsen beobachtet. Aber , wenn man
selbst diese noch hypothetischen Dinge mit hinzu nehmen will, ist die
Zahl der Carcinome, wo eine embryonale Epithelverwirrung eine Rolle
spielt, doch so gering, dass man der Cohnheimschen Theorie für Carcinome
mit Recht jede Bedeutung abspricht. In den sicheren Fällen kann die
epitheliale Keimesverirrung ims ja auch nur erklären, weswegen sich das
Carcinom an dem bestimmten ungewöhnlichen Ort entwickelt; die eigent-
liche Ursache kann aber in ganz anderen Dingen liegen und es braucht
die Ursache der Krebsbildung auch in diesen Fällen keine andere zu
sein, wie in denjenigen, wo das Carcinom vom normalen Deck- oder Drü-
senepithel seinen Ausgang nimmt.
ß) Altersdisposition, erbliche Anlage, etc.
Litteratur.
1. Armaadet, Le Cancer dans une Commune de Normandie. Natnre contagiense et modo
de propagation du mal. Univ. 1889. Nr. 52.
2. Benecke, Neuere Arbeiten zur Lehre vom Carcinom. Schmidts Jahrb. Bd. 234.
3. Bonde, Zur Statistik d. Carcinom der oberen Gesichtsgegend. Arch. f. klin. Chirurg.
Bd. 36. Heft 2.
4. Borchers, Über das Carcinom, welches sich in alten Fistelgängen der Haut ent-
wickelt. Inaug.-Diss. Göttingen 1891.
5. Butlin, Reports of the coUective investigation Comittee of the British medical
association. Brit. med. Joum. 1887.
6. Cohn, F., Die bösartigen Geschwülste d. Eierstöcke etc. Zeitschr. f. Gynäk. Bd. 12.
S. 14.
7. Dit trieb, Beitrag zur Statistik des Mammacarcinoms. Deutsch. Zeitschr. f. Chir.
Bd. 33. S. 471.
8. Durand, De T^pithöliome pavimenteux primitif des cicatrices. Annal. de Dermatol.
9. Eisenhart, Zwei Fälle von Carcinom der grossen Curvatur. Münch. med. Wochenschr.
1886. Nr. 21.
10. Eschweiler, Über das Carcinom der Oberlippe. Deutsch. Zeitschr. f. Chir. Bd. 29.
Heft 4.
29*
452 Allgeni. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
11. V. Esmarch, Über die Ätiologie und Diagnose der Garcinome etc. Ärch. f. klin
Chir. Bd. 39. Heft 2.
12. Fr ick, Ein Beitrag zu den Erfahrungen über die operative Behandlung der Mamma
carcinoRie. Zeitschr. f. Heilk. Bd. 9. S. 452.
13. Graf, Über das Garcinoni, Ätiologie, HereditAt u. endem. Auftreten. Arch. f. klin.
Ghir. Bd. 50. S. 144.
14. Gueillot. Semaine mdd. 1894. Nr. 50.
15. Haeberlin, Über Verbreitung und Ätiologie des Magenkrebses. Deutsch. Arch. f.
klin. Med. Bd. 44.
16. Hildebrand, Beitrag zur Statistik der Mammacarcinome der Frau. Deutsch. Zeit-
schrift f. Ghir. Bd. 25.
17. Hinters toi SS er, Beitrag zur Lehre vom Schilddrüsenkrebs. Beitr. z. Ghir. Festschr.
f. Billroth, S. 287. 1892.
18. Klebs, Allgem. Pathol. Bd. II.
19. Eoscynski und Jaworski, Klin. Befunde bei Ulcus und Garcinoma ventriculi. Dentsch.
med. Wochenschr. 1886. Nr. 47 u. 49.
20. Leichtenstern, Artik. , Leberkrebs' in Ziemssens Handbuch.
21. Lubarsch, Über den primären Krebs des Ileum etc. Virch. Arch. Bd. 111.
22. Mars hall, J., The Morton Lecture of Cancer etc. Lancet II. 1889.
23. Maurel, De r^pithäliome vulvaire primaire. Annal. d. Dermatol. 1888.
24. Ohren, Über die Endresultate der Garcinome des Gesichts etc. Arch. f. klin. Chir.
Bd. 47. Heft 2.
25. Paget, J., Te Morton lecture of Cancer etc. Brit med. Joum. Nov. 1887.
26. Pannel, On case of cancer of the tongue etc. Guys Hospit. Record. Bd. 45. S. 163.
27. Rapok, Beitrag zur Statistik der Geschwülste. Deutsch. Zeitschr. f. Ghir. Bd. 30.
28. Schmidt, Zur Ätiologie des Garcinoma penis. Dissert. Erlangen 1889.
29. Schrader, Beitrag zur Statistik des Magenkrebses. Dissert. Göttingen 1886.
30. Schulthess, Statist. Untersuch. Über die Ätiologie des Magenkrebses. Beitr. z. kün.
Ghirurgie. Bd. 4. 1889.
31. Shattock and Bailance, Gultivation-ezperiments with New-growths and normal
tissues etc. Transact. of med. society. Bd. 38. 1888.
32. Siegrist, Klin. Untersuchungen Über Leberkrebs. Dissert. Zürich 1888.
33. Steiner, Die Zungencarcinome der Heidelb. chir. Klinik. Beitr. z. klin. Ghir. Bd. VI.
Heft 3.
34. Veit, Zur Kenntnis der Garcin. corp. uteri. Zeitschr. f. Gynäk. Bd. 12. S. 455.
35. Vigu^s, Gontribution k T^tude de Tötiologie du cancer. Paris 1893.
36. V. Volkmann, Über den prim. Krebs der Extremitäten. Klin. Vortr. 334—35. 1889.
37. Williams, Gancer of the male breast. Lancet IL Nr. 6 u. 7, 1889.
38. W iniwart er, Beitr. zur Statistik d. Garcinome. Stuttgart 1878.
39. Woerner, Über die Endresultate der Operation der Lippenkrebse. Beitr. z. klin.
Ghirurgie. Bd. II. Heft 1.
Es wurde schon oben ^bemerkt, dass das Careinom hauptsächlich eine
Erkrankung des höheren Lebensalters ist. Freihch haben auch hier rich-
tigere Grundsätze der Statistik ergeben, dass die höchste Frequenz doch
in eine etwas frühere Alterstufe fällt, als gewöhnlich angenommen wurde;
so hat namentlich J. Marsh all (22) die Notwendigkeit hervorgehoben
nicht die Mortalitätstabellen zu benutzen, sondern nur den Beginn der
Erkrankung zum Vergleich heranzuziehen. Auch ist es notwendig, nur
Ätiologie der Carcinome. 453
solche Fälle in die Statistik aufzunehmen, wo entweder die Krebsnatur
der Erkrankung durch den klinischen Verlauf über jeden Zweifel erhaben
war oder durch histologische Untersuchung die carcinomatöse Struktur
festgestellt wurde. Von allgemeinen Statistiken, die auf die besondere
Art und den Sitz der Carcinome keine Rücksicht nehmen, sei hier genannt
die von Lubarsch (21), der unter 563 Fällen von Carcinomen 212 unter
50 Jahren fand = 37,6 «/o und 351 über 50 Jahre = 62,4 ^lo. Für die
einzelnen Organe liegen zahlreiche Angaben vor: für die Hautcarcinome
wird im allgemeinen das 40. — 60. Lebensjahr als das HauptaJter angegeben.
Ohren (24) fand die meisten Fälle von Gesichtscarcinom zwischen dem
45. und 60. Lebensjahre; Bonde (3) zwischen dem 61. und 65. Jahre;
ebenso Rapok (23) im 6. und 7. Dezennium; nach Wo er n er (39) ist das
62. Lebensjahr am häufigsten betroffen; Eschweiler (10) giebt für den
Oberlippenkrebs das 54., für den Unterlippenkrebs das 57. Jahr an. Volk-
mann (36) fand unter 223 Fällen von Extremitätenkrebs die meisten im
Alter von 40 — 70 Jahren, wobei die Narbenkrebse am frühzeitigsten sich
entwickelten. Schmidt (28), Borchers (4), Maurel (23), fanden eben-
falls die infolge chronischer Reizzustände entstehenden Carcinome vorwiegend
im höheren Alter (40 — 60 Jahre). Auch für die Mammakrebse liegen
ähnliche Zeitangaben vor. Hildebrand (16) giebt die Zeit von 40 — 60
Jahren, Rapok (27) das 5. und 6. Dezennium, Frick (12) ein Durchschnitts-
alter von 51,6 J. an; R. Williams (37) das 50. Lebensjahr. Dittrich
(7) faud in 110 Fällen die Mehrzahl zwischen 46 und 50 Jahren; ich habe
unter 95 Mammakrebsen — nach dem Datum der Operation gerechnet —
1 Fall zu 25 Jahren, 15 im Alter von 31 — 39 Jahren, 12 im Alter von
40—45 Jahren, 6 von 45—49, 25 von 50—55 Jahren, 8 von 55—59, 15
von 60—65, 2 von 65—69, 9 von 70—75 und 2 im Alter von 77 und
78 Jahren; also die überwiegende Mehrzahl zwischen 45 und 65 Jahren.
Hinterstoisser (17) fand bei 50 Schilddrüsenkrebsen die Hauptfrequenz
im 5. — 6. Dezennium. Veit (34) und Cohn (6) fanden das Carcinom des
Corpus uteri vorwiegend nach der Menopause, meist nach dem 50. Lebens-
jahre. Für den Magenkrebs giebt Haeberlin (15) an, dass ^/a aller Fälle
in das 5. — 7. Dezennium fallen; gleiche Angaben machen Koscynski
und Jaworski (19) ; Eisenhart (9) berechnet als Maximum des
Magenkrebses das 60. Lebensjahr; Schrader (29) das 40.— 70. Jahr.
Zahlreiche andere im allgemeinen zum gleichen Ergebnis kommende Sta-
tistiken finden sich noch in Ben eck es (2) Zusammenstellung. Im allge-
meinen gelangt die Statistik von Haeberlin (12) zu dem Ergebnis, dass
72 ^/o aller Krebse ins 40. — 45. Lebensjahr fallen; wenn man die siebenziger
Jahre hinzurechnet, erhöht sich der Prozentsatz auf 90°/o. Ich habe unter
275 Fällen folgende Resultate gehabt:
Anzahl d. Carcinome
0/0
4
1,46
5
1,8
3
1.1
15
5,46
9
3,27
32
11,64
20
6,9
62
22,5
30
10,9
42
15,3
15
5,46
25
9,0
12
4,6
1
0,4
55,6 >
454 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Lebensalter
14—19
20-25
26—29
30-35
36-39
40-45
46—49
50—55
56—59
60—65
66—69
70—75
75—79
80
275
Auch hier stimmen die Zahlen ziemUeh genau mit denen von
Haeberlin überein, im Alter von 40 — 70 Jahren sind 72,6 °/o imd, wenn
man die 70er Jahre hinzurechnet, 86,6 ®/o. — Auffallend mag es sein, dass
unter den 12 Fällen unter 30 Jahren Magen und Rektum mit 7 Fällen
besonders häufig vertreten sind , die 5 übrigen Fälle betrafen 1 Ovarial-,
2 Uterus-, 1 Mamma- und einen Hodenkrebs. Jedenfalls ergiebt die Sta-
tistik, dass Carcinome ziemlich in jedem Lebensalter vorkommen kömien,
dass aber ihr Vorkommen bis zum 40. Jahre verhältnismässig selten ist
(13,1 *^/o), aber auch bis zum 50. Jahre erheblich seltner ist, als in dem
Zeitraum vom 46.-65. Jahre (31,64 ®/o : 48,6 *^/o). In ätiologischer Bezieh-
ung lässt sich freilich mit allen diesen Erfahrungen nicht gerade sehr viel
anfangen; man kann sie auch gegen die parasitäre Theorie nicht in ent-
scheidender Weise verwerten, da die Vorliebe für das höhere Lebensalter
ja dann durch eine besondere erst in dem betr. Alter vorhandene Gewebs-
oder allgemeine Disposition erklärt werden könnte.
Was das' Geschlecht anbetrifft, so sind namentlich für die Carci-
nome der einzelnen Organe sehr erhebliche Unterschiede vorhanden. Das
tritt am auffallendsten bei der Mamma hervor, wo Schulthess 98,6'^/o
der Fälle beim weiblichen, 1,39 ^/o beim männlichen Geschlecht fand.
Dittrich (6) fand unter 110 Fällen 97,3 > bei Frauen, 2,7 «/o bei Männern.
Überwiegend ist auch das weibliche Geschlecht beteiligt beim Gallenblasen-
und primären Leberkrebs, das gleiche scheint nach meinen allerdings spär-
lichen Erfahrungen für den Pankreaskrebs der Fall zu sein (unter 9 Fällen
7mal bei Frauen). Für den Magenkrebs sind die Angaben verschieden.
Ätiologie der Carcinome. 4Ö5
Haeberlin findet 7 Frauen auf 5 Männer; erst im höheren Alter kommen
beide Geschlechter sieh in ihrer Disposition gleich, wie sie es auch vor
dem 30. Jahre zu sein scheinen. Schrader berechnete dagegen nach
dem Material des Göttinger pathologischen Instituts, dass 3 Männer auf
2 Frauen kommen. Beim Hautcarcinom überwiegen sicher die Männer ;
an Gesichtskrebs erkranken sehr viel mehr Männer ; beim Lippenkrebs ist
nach Ohren das Verhältnis wie 90,8:9,1; ebenso nach Woerner
(90:10); nur beim Oberlippenkrebs wie 61:39. Auch Volk mann fand
beim Extremitätenkrebs unter 205 Fällen 140 Männer und nur 65 Frauen;
wobei es interessant ist, dass bei den auf angeborenen Malern und gesunder
Haut entstandenen Krebsen das Verhältnis annähernd gleich ist (17 Männer:
21 Frauen), während von solchen Krebsen, die aus Narben und Geschwüren
aller Art sich entwickelten, 94 Männer auf 24 Frauen kamen. Ebenso
sind beim Zungen- und Kehlkopfkrebs die Männer sehr überwiegend
(beim Zungenkrebs nach Pannel (26) 547 Männer: 100 Frauen). Beim
Schilddrüsenkrebs ist nach Hinterstoisser das Verhältnis annähernd
gleich (28 Männer : 22 Weiber). — Es Uegt auf der Hand, dass die Differenzen
zum grössten Teil auf äusseren Verhältnissen beruhen, welche teils in der
Körperform, teils in den äusseren Lebensbedingungen begründet sind; so
wird bei der Frau durch Form und Lage der Mamma die Einwirkung
chronischer Reize erleichtert; die häufigere Erkrankung der Frauen an
(lallenblasenkrebs ist wohl darauf zu schieben, dass bei ihnen — infolge
der Kleidung — Gallensteine sehr viel häufiger sind und damit hängt
wohl auch das häufigere Vorkommen des primären Leber- und Pankreas-
krebses zusammen; imigekehrt wird bei Männern die Haut viel weniger
geschont, auch mag die grössere Reinlichkeit der Frauen die Haut vor
chronischer Reizwirkung schützen. Ferner kommen beim Manne beim
Lippen-, Zungen- und Kehlkopfkrebs der Missbrauch des Tabaks und Al-
kohols in Betracht. In wie weit auch innere Differenzen in Betracht
kommen, bleibt noch zu untersuchen. Sicher ist es, dass die verschieden
starke funktionelle Thätigkeit bestimmter Organe, besonders der Geschlechts-
organe, vielleicht auch, wie Benecke meint, anderer durch das Geschlechts-
leben irgendwie beeinflusster Teile eine Rolle spielen ; ob auch Differenzen
in Bezug auf die leichtere oder schwerere Ausbildung der konstitutionellen
Eigentümlichkeiten, welche die Krebserkrankung erleichtern, zwischen den
beiden Geschlechtern vorhanden sind, wie ebenfalls Be necke für möglich
hält, ist jedenfalls noch nicht genügend festgestellt.
Der Heredität wird namentlich von englischen Autoren eine grosse
Bedeutung beigemessen; so behauptet z. B. Paget, dass in einem Drittel
aller Fälle von Krebs Erblichkeit nachweisbar wäre. Butlin (5) hat
uater 210 Fällen 68mal in der Familie der Patienten Carcinom gefunden
456 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
und zwar besassen diese 68 Patienten 99 carcinomatöse Verwandte; da
er, um mit einiger Sicherheit von Vererbung sprechen zu können, alle
Fälle abzieht, wo nicht Eltern oder Grosseltem erkrankt waren, kommt
er auf ein Verhältnis von 1:4,84. Die Art der Vererbung scheint in der
Weise vor sich zu gehen, dass sie sich fast ausnahmlos auf eine Seite
(Vat^r oder Mutter) beschränkt. Shattock und Ballance, (31), welche der
Meinung sind, dass eine bestimmte Diathese übertragen wird, berichten
über eine Famihe, in der die Mutter und ihre 5 Töchter an linksseitigem
Brustkrebs zu Grunde gingen. Paget (25) teilt folgenden Fall mit: Mutter
stirbt an Magenkrebs, eine Tochter an Magen-, eine andere an Brustkrebs,
von den Enkeln sterben je zwei an Brust- und Uterus, je einer an
Magen-, Darm- und Blasenkrebs. Von deutschen Autoren wird dagegen
der Erblichkeit weit geringere Bedeutung beigemessen. Zwar nehmen
V. Esmarch (11), Klebs (18) u. a. im allgemeinen eine „familiäre Dis-
position'' oder dergl. an, im einzelnen ergaben aber die Statistiken keine
grossen Prozentsätze. So fand Rapok (23) unter 399 Fällen ca. 5^'o,
Durand (8) bei Narbenkrebsen nur 2 mal Heredität ; Ohren,
Bonde, Steiner (33) , P a n n e 1 bezeichnen die Heredität bei
Haut- und Zungenkrebsen als sehr selten oder nicht vorhanden. Schult-
hess giebt für Mammakrebse 10 ^'o, Frick 13,4 ®/o, Di t trieb
5,4 ®/o an; nach Haeberlin soll bei Magenkrebsen in 10,9 ®/o, nach
Siegrist bei Leberkrebs 3*^/o hereditär sein. Leichtenstern (20) hat in
seiner Zusammenstellung über den Leberkrebs eine Heredität von 17°/o her-
ausgerechnet, während Wini warter (38) im ganzen nur 6®/oangiebt. Einzelne
Fälle, welche an sich auffallend sind, teilt neuerdings Graf mit; doch ist
auch hier oft ohne genügende Kritik vorgegangen. Wenn Graf (13) z. B.
einen Stammbaum giebt, in welchem ein Vorfahr an Carcinom der Fossa
pterygoidea, ein Nachkomme an „Gehirnkrebs'* gestorben sein soll, so wird
der pathologische Anatom nicht im Zweifel sein, dass es sich in beiden
Fällen nicht um Krebs gehandelt hat. Alle Angaben über Hereditat
und alle derartigen Statistiken erscheinen noch sehr wenig beweisend.
Die Fehlerquellen für die Statistiken sind sehr grosse; 1. beruhen die
Angaben z. T. auf den Wahrnehmungen wenig gebildeter Laien, die ohne
weiteres Carcinom, Lupus und ähnhches zusammenwerfen; 2. ist auch
dann, wenn die Statistik sich, wie bei Butlin vornehmlich, auf An-
gaben von Familienärzten stützt, noch mannigfachem Irrtmn Thür und
Thor geöffnet; so ist zunächst bei inneren Carcinomen die Unsicherheit
der Diagnose in Betracht zu ziehen und auch bei äusseren Krebsen wird
oft genug — auch heute noch — von den praktischen Ärzten zwischen
Carcinom und Sarkom kein Unterschied gemacht. 3. Ist in den Statistiken
nicht berücksichtigt, ob die scheinbare Heredität nicht etwas rein Zufälliges
Ätiologie der Carcinome. 457
ist. WeDn z. B. Butlin eine Erfahrung mitteilt, wo in einer Familie,
in der bis dahin noch niemals Carcinom aufgetreten war, von 7 Kindern
6 an Carcinom starben, so beweist das doch nichts für die Erblichkeit;
sondern es beweist nur, dass die betr. Individuen Schädlichkeiten ausge-
setzt waren, die zur Krebsbildung führen können. Der Fall ist vielmehr
nach der entgegengesetzten Richtimg zu verwerten und sehr lehrreich;
wären zufällig in der Familie auch Vater und Grossvater carcinomatös
gewesen, so würden auch skeptischere Beobachter geneigt sein, eine Here-
dität für bewiesen anzusehen; so zeigt er, dass es sich mn zufälliges Zu-
sammentreffen handeln kann und das ist auch noch in dem oben erwähnten
Fall von Shattock und Bailance möglich. Überhaupt müsste man
bei der Statistik in Betracht ziehen, in welchem Verhältnis die Familien-
carcinome zu der Carcinommorbidität der gesamten Bevölkerung stehen;
wenn z. B. auf 1000 Individuen 1 Fall von Carcinom kommt, so ist die
Möglichkeit, dass in einer Familie von 10 Personen 2 mal Krebs auftritt,
gleich 1:200; es müsste also, um den Nachweis zu führen, dass bei dem
Carcinom die Heredität eine irgendwie nennenswerte Rolle spielt, der Nach-
weis erbracht werden, dass in Familien mehrfache Erkrankungen
an Krebs erheblich häufiger vorkommen als nach der Kopf-
zahl der Familie und dem Verhältnis der Carcinomerkran-
kungen zur Gesamtbevölkerung erwartet werden dürfte;
und auch dann müssten noch alle Fälle, wo die gleichen äusseren Ein-
flüsse eine Rolle gespielt haben könnten, ausgeschlossen werden. Und
schliesslich wird eine ziemlich brauchbare Statistik erst dann möglich sein,
wenn nahezu obligatorische Leichensektionen eingeführt sind und somit
alle Verwechslungen mit anderen bösartigen Neubildungen durch die histo-
logische Untersuchung ausgeschlossen werden können.
y) Die Reiztheorie.
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Die Auffassung, dass bei der Ätiologie des Carcinoms Reizwirkungen
eine Rolle spielen, ist so allgemein verbreitet, dass sie auch jetzt immer
noch im Vordergrund des Interesses steht. Zahlreiche, gut beobachtete
Thatsachen weisen ja in der That darauf hin, dass irgend welche Bezieh-
ungen zwischen namentlich lange einwirkenden Reizen und Krebsbildung be-
stehen müssen. Immer aber erscheint es noch dunkel, welcher Art diese Be-
ziehungen sind; sind alle Reize gleichwertig? wie kommt es, dass oft genug
nach chronischer Reizwirkung die Carcinoraentwickelung ausbleibt? Haben
wir es bei den Reizen als ätiologischen Faktoren überhaupt mit der eigent-
lichen Ursache oder nur mit Gelegenheitsursachen zuthun? Schuchardt
(44) vertritt wohl mit Recht die Meinung, dass es sich bei diesen Vorgängen
nicht um das eigentiiche Wesen der Carcinomerkrankung handelt, sondern
nur um Nebenumstände. Wenn wir auch bei Infektionskrankheiten oft ge-
zwungen sind, noch eine besondere, mehr oder weniger ausgesprochene
Disposition anzunehmen, so müssen wir doch den spezifischen Mikroben
als den wesentlichsten ätiologischen Faktor ansehen, da die betrefEende
Erkrankung (z. B. Tuberkulose, Milzbrand) ausschliesslich durch den
spezifischen Mikroorganismus und auf keine andere Art hervorgerufen
werden kann. Anders mit den Reizwirkungen beim Carcinom; hier ist
es sicher, dass auch ohne nachweisbare Reize Krebse sich entwickeln
können; deswegen erscheint es wahrscheinlich, dass die Reize, wenn sie
auch von grosser Bedeutung für die Krebsbildung sein können, nicht den
eigentlichen ätiologischen Faktor darstellen. — Bei der Besprechung dieser
Reizwirkungen werden wir zunächst unterscheiden können: 1. einmalige
Reize, 2. chronische Reize. — Wenn Schuchardt die Überzeugung
ausgesprochen, hat, dass einmalige Reize zwar bei der Bildung von
Sarkomen eine Bedeutung haben, aber nicht bei der Carcinomerkran-
kung, bei welcher vielmehr nur öfter wiederholte Reize von Bedeutung sind,
so wird diese Auffassung doch nicht von allen Pathologen geteilt und
immer von neuem werden Versuche gemacht, die Bedeutung selbst eines
einmaligen Traumas für die Entstehung von Krebsen zu demonstrieren.
Neuerdings ist das von Lö wenthal (28) geschehen, der bei 318 Carcinomen
eine Entstehung der Krebse durch einmaliges Trauma nachweisen zu können
vermeint. Es ist unnötig, hier auf das Material im einzelnen näher einzu-
gehen; es ist nur charakteristisch, dass bei den Krebsen derjenigen Gegenden
460 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
am häufigsten Trauma festgestellt werden konnte, bei denen überhaupt
am häufigsten Traumen vorkommen ; so figurieren die Krebse der unteren
Extremitäten mit 26, die der weiblichen Mamma mit 137, dagegen die
des Magens und des Ohres, wo nur selten Traumen sieh ereignen, nur je
einmal. Die ganze Zusammenstellung ist äusserst unkritisch und man
könnte vielleicht mit demselben Erfolg auch eine Zusammenstellung vor-
nehmen, in denen meteorologische Einflüsse für die Carcinomentstehung ver-
antwortlich gemacht werden. Ein Kausalnexus zwischen dem einmaligen
Trauma und Krebsentwicklung ist in keiner Weise mit Sicherheit demonstriert.
— Möglich ist es dagegen, dass durch einmalige Traumen der Ausbruch
und das Wachstum des Carcinoms beschleunigt werden kann, wofür ein
von Braun (7) publizierterFall sprechen könnte, wo bei einem 14 jährigen
Mädchen, das im Alter von 12 Jahren eine ausgedehnte Hautverbrennung
auf der rechten Seite des Kopfes erlitten hatte, im Anschluss an einen
Schlag auf die Narbe ein carcinomatöses Geschwür entstand.
2. Unter den chronischen Reizen, die bei der Krebsentwickelung eine
Rolle spielen, kann man wieder Unterabteilungen machen, je nachdem
es sich vorwiegend um mechanische oder chemische Reize handelt;
freihch ist es nicht immer ganz leicht, diese Dinge scharf von einander
zu trennen. — Hier sind in erster Linie die Carcinome der Gallenblase
und Gallenwege zu nennen. Schon die Thatsache, dass sie bei Frauen
sehr viel häufiger sind, wie bei Männern, mehr aber noch der fast kon-
stante Befund von Gallensteinen musste für die Bedeutung einer chroni-
schen Reizung durch Gallensteine sprechen und so sind auch die Verhält-
nisse von Musser (32), Chochamovicz (9), H. Zenker (50) und Mar-
chand (30) gedeutet worden. Zenker fand 79,2 ®/o Frauen befallen; in
41 unter 48 Fällen waren Gallensteine sicher vorhanden, in den 7 anderen
fehlten darüber nähere Angaben. Marc band, welcher den Befund von
Gallensteinen als einen regelmässigen ansieht, weist noch darauf hin , dass
sich auch fast immer Schnürfurchen vorfinden, welche durch die Behinde-
rung des Gallenabflusses zur Gallensteinbildung Anlass geben. Dass aber in
der That die Gallensteine das Primäre sind und nicht etwa erst durch die
bei der Carcinomentwickelung stattfindende Wandverändenmg sekimdär
entstehen, hat Siegert (46) überzeugend nachgewiesen; er zeigte nämlich,
dass beim primären Gallenblasenkrebs, der in 15®/o beim männlichen und
in 83®/o beim weiblichen Geschlecht gefunden wird, in 9b^!o aller Fälle
Gallensteine gefunden werden, während beim sekundären Gallenblasenkrebs,
der in 77°/o beim männUchen und in 23°/o beim weiblichen Geschlecht
vorkommt, nur in 15 — 16®/o Gallensteine nachgewiesen waren; so geht
daraus mit Sicherheit hervor, dass die carcinomatöse Wandveränderung
durchaus nicht ausnahmslos Cholelithiasis nach sich zieht. Auch sprechen
Ätiologie der Carcinome. 461
zahlreiche klinische Beobachtungen dafür, dass die Gallensteine lange vor-
her bestehen, ehe die ersten Symptome von Krebs sich ausbilden. —
Zenker nimmt für diese Verhältnisse an, dass es sich um ähnliche Vor-
gänge handelt, wie sie Haus er (19) in Magennarben beschrieben hat; er
konnte auch in seinen Fällen von Gallenblasennarben in der Narbe atypische
Ef)ithelwucherungen nachweisen. Zwischen diesen Wucherungen, welche
sich infolge der besseren Ernährungsverhältnisse im Granulationsgewebe
ausbilden und dem Krebs soll nur ein gradueller Unterschied sein; die
Wucherungen stellen das disponierende Moment für die Carcinoment-
\i'iekelung dar und können allmählich durch chronische Reize in Carcinom
übergehen, wobei die Herabsetzung der physiologischen Widerstände und
die Aufhebung des histogenetischen Gleichgewichts im Alter mithelfen. —
Die gleichen Vorstellungen kommen in Betracht für alle übrigen Carcinome,
die sich auf Grund von Narben entwickeln; da ja schliesslich die Narben-
bildung nur das £ndstadium der chronischen Entzündung ist. Es sind
eine grosse Reihe von • Einzelfällen nach dieser Richtung veröffentlicht
worden, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Nur die zu-
sammenfassenden Arbeiten sollen kurz erwähnt werden. Durand (13), der
90 Fälle von Narbenkrebse untersuchte, giebt an, dass sie fast immer nach
dem 40. Jahre vorkommen und aus allen Arten von Narben entstehen
können, am häufigsten aus breiten Brandnarben. Die Narben sind meist
schon lange vorher vorhanden gewesen. Schädigungen der Narben er-
höhen die Neigung zur carcinomatösen Entartung, welche sowohl von noch
offenen Stellen der Narbe aus, als auch von ganz verheilten Narben vor sich
gehen kann. Die Form der Krebse ist bald ulcerierend, bald papillär;
meist wenig tiefgehend, langsam wachsend. Ähnliches gilt auch von den
Krebsen, die sich in Fistelgängen entwickeln; sie kommen, wie Borchers
(6) ausführt, am häufigsten nach Osteomyelitis oder Tuberkulose vor, be-
vorzugen das 40. bis 60. Lebensjahr, wachsen sehr langsam und bilden
meist papilläre Hornkrebse. Sie gelten als relativ gutartige Neubildungen,
doch können, wie z. B. von Friedländer (16)beobachtet hat, auch die in
Fistelgängen sich entwickelnden Carcinome metastasieren und allgemeine
Carcinose hervorbringen; das ist bei den in Sequesterladen entstandenen
Carcinomen deswegen so selten, weil sie einen durch Sklerosierung und
Schwielenbildung abgeschlossenen Raum vorfinden, während bei den in
einen weniger veränderten oder normalen Knochen einwachsenden Krebsen
eine Verschleppung der Zellen auf dem Blutwege viel leichter stattfinden
kann. — Auch ein Teil der Lupuscarcinome , sowie der auf syphihtischen
Xarhen entstehenden Krebsen gehört hierher; kurz alle diejenigen, denen
das gemeinsame Moment zukommt, dass sie an chronische Entzündungen
anschliessen ; wie auch für die Krebse des Uterus und der Mamma angc-
462 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
geben wird. Thatsächlich lässt sich bei vielen dieser Krebse, wenn auch
durchaus nicht bei allen feststellen, dass schon während des Stadiums der
chronischen Entzündung eine atypische Epithelwucherung vorkommt, wie
sie zuerst von K. Friedländer (17) beschrieben worden ist. Das ist der
Fall bei alten Fistelgängen, in Sequesterhöhlen, beim Lupus, bei chronischer
Endometritis, ferner vor allem auch in Magennarben, wo Hauser selbst
einen Durchbruch der wuchernden Drüsen durch die Muscularis mucosae
nicht so selten beobachtet haben will; freiüch bleibt diese Wucherung nur
auf wenige kleine Herde beschränkt und nur einmal konnte er auch bis
in die Muskulatur vorgedrungene Drüsen finden. — So sehr nun auch in
diesen Punkten gewisse Übergänge zur Carcinomwucherung vorhanden zu
sein scheinen, so bleibt doch zunächst eine unübersteigUche Schranke
zwischen diesen atypischen Epithelwucherungen und der Carcinombildung
bestehen, da ersterer die schrankenlose Wucherungsfähigkeit fehlt.
In gewisser Beziehung wird diese Lücke ausgefüllt durch diejenigen
Krebse, welche sich im Anschluss an chemische Schädlichkeiten ausbilden
Allerdings liegen auch hier nicht überall die Beziehungen vollkommen klar
zu Tage. So ist z. B. die Angabe Hutchinsons (22), dass nach längerem
Arsengebrauch krebsige Geschwüre der Haut entstehen, jedenfalls noch
nicht in genügender Weise sichergestellt. Auch die Bedeutung des Tabak
rauchens für die Entstehung der Lippen- und Mundschleimhautr, vielleicht
auch der Rachen- und Kehlkopfkrebse ist nocht nicht genügend erforscht.
Steiner (47), Sachs (42), Rapok(35) u. a. heben allerdings hervor, dass
bei Lippen- und Zungenkrebsen häufig Tabakrauchen oder auch Tabak-
kauen als ätiologisches Moment angegeben wird neben der Reizung durch
spitze oder kariöse Zähne; aber auch hier ist man doch noch nicht im
Stande zu sagen, ob die Wirkung vorwiegend eine chemische oder mecha-
nische ist ; für die Beziehungen der Unteriippenkrebse zum Pfeiferauehen
scheint es fast, als ob die Gewohnheit vieler Männer, die Pfeife stets in
einem Mundwinkel festzupressen, von grosser Bedeutung ist; es )ÄÜrden
sich dann zum mindesten mechanische mit chemischen Momenten kom-
binieren. — Am klarsten liegen die Verhältnisse bei den Hautcarcinomen
der Schornsteinfeger, Theer- und Paraffinarbeiter; in dem ich in Bezug
auf Einzelheiten auf die umfassende Zusammenstellung von Liebe (26) in
Schmidts Jahrbüchern verweise, will ich hier nur folgendes hervorheben.
Die Erkrankungen treten durchaus nicht bei allen Arbeitern auf, die sich
der gleichen SchädUchkeit aussetzen ; schon die Paraffin- und Russkrätze —
die chronische Dermatitis — welche der Krebsentwickelung vorausgeht,
tritt durchaus nicht bei allen Arbeitern auf; es besteht eine individuelle
Disposition (v. Volk mann), die allerdings zum Teil von dem Grade
der individuellen Reinlichkeit abhängt. Der Sitz der Dermatitis ist mit
Ätiologie der Carcinome. 463
\'orli§be am Skrotum (wohl wegen der runzlichen Beschaffenheit der Haut,
in welcher dann die reizenden Produkte sich besonders leicht festsetzen)
(Earling), dann an den Unterarmen, manchmal auch den Oberschen-
keln und an der Gürtelgegend. Die reizende Substanz ist sowohl im Russ,
wie im Theer und Paraffin enthalten; es scheint, als ob die zuerst aus-
gepressten, sogenannten Dunkelöle, die zumeist als Gas- und Schmieröle ver-
wendet werden, die gefährhchßten sind (Hof f mann) (21); jedenfalls erkranken
die Arbeiter, die ausschliessUch mit festem, fertigen Paraffin zu thun haben,
nicht (v. Volk mann). Die Dermatitis ist meist zuerst eine ganz akute
in Form eines nässenden Ekzems ; allmählich wird die Haut spröde, rissig,
verdickt und es bilden sich knötchenförmige Epidermisverdickungen, dann
geht der Zustand in einen mehr indifferenten über, wobei die Haut perga-
nientartig wird, die Warzen abfallen und pigmentfreie Narben hinterlassen.
Namentlich dann, wenn durch Pflaster oder Quacksalbereien die Warzen
gereizt werden, zerfallen sie geschwürig, die Ränder werden hart und das
Geschwür greift immer mehr in die Tiefe , woraus die carcinomatöse Natur
ersichtUch ist. Bei den Schomsteinfegerkrebsen ist der Übergang von der
einfachen Epithel Wucherung nach Volkmann (48) langsamer, als bei den
Paraffinkrebsen. Am häufigsten beginnt der Krebs am Skrotum, selten
findet er sich an anderen Stellen (der Hand, dem Unterarm, Gesicht,
Penis etc.). Trotzdem die chronische Dermatitis ein sehr häufiges Ereignis
ist, kommt es doch nur verhältnismässig selten zur carcinomatösen Entartung;
auch hier zeichnet sich der Krebs im ganzen durch langsames Wachstum
aus; Metastasen in inneren Organen werden gar nicht beobachtet und auch
die regionäre Lymphdrüsenanschwellung ist meist eine entzündliche, nicht
carcinomatöse pKocher (23), Liebe (25)]; ebenso ist das Allgemeinbefinden
ein gutes und daher auch die Chancen der Radikalheilung bei frühzeitiger
Operation relativ günstig. — Histologisch handelt es sich um häufig papillär
gebaute stark verhornende Krebse, die sich besonders durch ihre mächtige
flächenhafte Ausbreitung auszeichnen, so dass eine scharfe Grenze zwi-
schen der atypischen Epithelwucherung und dem gesunden Gewebe nicht
besteht; häufig findet man sowohl in den carcinomatösen Wucherungen,
wie in den einfachen papillären Erhebungen reichliche Pigmentansamm-
iungen, wie Volkmann, Schuchardt, Liebe u. a. hervorheben.
— Ähnliche Zustände sollen nach Rollet (41) auch bei Briquetarbeitern vor-
kommen. — Die Fälle sind deswegen so interessant, weil wir wenigtens bis
zu einem gewissen Grade die ätiologischen Faktoren beherrschen. Allerdings
auch nur bis zu einem gewissen Punkte. Denn es ist bis jetzt noch nicht
gelungen die natürlichen Verhältnisse experimentell nachzuahmen ; so sind vor
allem die Versuche von Hanau, der das Skrotum von Ratten und die Mamma
von Hündinnen fortgesetzt mit Theer bepinselte, erfolglos geblieben. Zwar
464 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
erzeugte er eine psoriasisähnliche Dermatitis, nie aber Carcinom. Ebenso-
wenig ist anderen Experimentatoren, z. B. Alberts (1), eine känstliche
Krebserzeugung geglückt, wie sehr auch die Versuche variiert wurden.
Man kann diese negativen Tierexperimente sowohl dahin deuten, dass eine
besondere allgemeine und lokale Disposition der wichtigste ätiologische
Faktor. ist, wie das ja auch nach den Beobachtungen an Menschen er-
scheinen könnte; als auch kann man den negativen Ausfall darauf
schieben, dass wir doch immer noch nicht wissen, welches von den vielen
Momenten, die bei einer chronischen Reizung in Betracht kommen, den
wesentlichen Anstoss zur schrankenlosen Wucherung giebt, wie das Benecke
näher auseinandergesetzt hat. Von prinzipieller Wichtigkeit scheint es
mir aber, dass bei den meisten Carcinomen, welche in deutlicher Weise
an chronische Reizungen sich anschliessen, die epitheliale Wucherung nie
die höchsen Grade der Selbständigkeit erreicht und Metastasierung fast
immer ausbleibt. In zahlreichen sonstigen Fällen sind ebenfalls Bezieh-
ungen zwischen chronischer Entzündung und Krebs angegeben worden,
oft allerdings ohne genügende Beweise. Schon bei den Beziehungen zwischen
Ulcus rotund. ventricuU und Magenkrebs hegen die Verhältnisse durchaus
nicht sehr einfach und klar, da es im einzelnen Falle meist ungemein
schwer ist, festzustellen, ob es sich um ein aus einem Magengeschwür
entstandenes Carcinom handelt oder nicht. Jedenfalls sind die von Rosen-
heim (40) angegebenen Zahlen, dass in 6®/o aller Fälle von Magenkrebs
eine derartige Kombination besteht, viel zu hoch gegriffen. Auch seine
eigenen Fälle sind nicht einwandsfrei. Über die Beziehungen zwischen
Leberkrebs und Cirrhose hat sich van Heukelomm (20) sehr vorsichtig
ausgedrückt; er nimmt zwar an, dass die Cirrhose das primäre ist, hütet
sich aber, das Carcinom von der Bindegewebswucherung abzuleiten.
Endlich haben wir noch der Beziehungen der Syphilis und Tuberkulose
zur Krebsbildung zu gedenken. Bei einem Teil der Fälle handelt es sich nur
um besondere Formen der Narbenkrebse und das ist besonders der Fall
bei den Krebsen, die an syphilitische oder lupöse Veränderungen der
Haut und Schleimhäute anknüpfen. Oft folgt die Carcinomentwickelung
erst Jahre lang nach Abheilung des syphilitischen Prozesses, mitunter kann
man aber auch noch daneben gummöse Veränderungen nachweisen. Der-
artige Fälle sind von E. Lang (24), Doutrelepont (14) imd Wheeler (49)
beschrieben worden. Engere Beziehungen zwischen SyphiHs und Carcinom
haben Cozzolino (11) und v. Esmarch (15) aufgestellt. Ersterer meint,
dass die Form der syphilitischen AfEektion auch für das Wachstum des
Krebses massgebend sei; bei syphiütischen Spätformen ist das Wachstum
des Krebses nur langsam, bei jüngeren Stadien dagegen rascher. Ebenso
soll die Syphilis durch das Carcinom beeinflusst werden, indem, dann hau-
Ätiologie der Carcinome. 465
tiger luetische Recidive eintreten sollen, v. Esmarch will, wie bereits
oben bei den Sarkomen erwähnt, überhaupt engere Beziehungen zwischen
bösartigen Neubildungen und Syphilis feststellen ; so glaubt er namentlich,
dass bei der weiten Verbreitung der Syphilis eine gewisse erbliche Neigung
zu Gewebswucherungen erzeugt würde. Freilich hält er es selbst noch
nicht für genügend bewiesen, dass auch die Anlage zur schrankenlosen
Epithelwucherung durch syphilitische Veränderungen gegeben würde. —
Benecke hat dagegen die Möglichkeit hingestellt, dass die konstitutionelle
Syphilis durch die allgemeine Schwächung des Organismus die Entwicke-
lung eines Carcinoms verhindern kann. — Was die Bildung von Carcinom
auf tuberkulöser Basis anbetrifft, so unterscheiden die meisten Untersucher
neuerdings nach dem Vorschlag von Bidault (4) 2 Formen: den eigent-
lichen Lupuskrebs, für den Richter (38) den Namen ausschliesslich reser-
viert wissen will, der sich auf dem Boden eines floriden Lupus entwickelt,
und den Lupus-Narbenkrebs, wo der Krebs sich auf einer Lupusnarbe
entwickelt. Raymond (36), Bayha (2), Nithak (34) und viele andere
haben eine Reihe von Fällen mitgeteilt und zugleich allgemeinere Daten
über die Charakteristika dieser Krebse angegeben. Nach Bidault und
Raymond ist die Entwickelung der Krebse langsam, sie können sich
über 10— 15 Jahre hinziehen; die Lupusaffektion besteht meist schon lange
Jahre; der Krebs tritt verhältnismässig oft schon im frühen Lebensalter
auf. So giebt Nielsen (33) an, dass er oft vor dem 30. Lebensjahre
beobachtet wird und beschreibt selbst einen Fall bei einem 9jährigen
Mädchen. Bayha schildert namentlich die auf floridem Lupus entstehen-
den Krebse als sehr bösartig, was er durch die Gewebsauflockerung durch
den tuberkulösen Prozess erklären will. Bezüglich des Verhältnisses der
Narben- zu den Lupuskrebsen geben die meisten Autoren an, dass die
auf lupösen Geschwüren entstehenden Carcinome etwas häufiger sind, wie
die auf Lupusnarben entstehenden. So giebt Nithak an, dass 32 Krebse
auf floridem, 19 auf Lupusnarben bekannt geworden sind *). Der prinzipielle
Unterschied zwischen beiden Arten ist übrigens von Bidault selbst da-
durch abgeschwächt worden, dass er annimmt, dass auch bei KJrebsen
auf floridem Lupus es sich im Grunde doch um Narbenkrebs handelt, da
stets eine, wenn auch kleine Narbenbildung der kreb^igen Entartung voraus-
geht. Eine gleiche Auffassung vertritt Be necke (3), der selbst je einen
Fall von Lupus- und Lupusnarbenkrebs mitteilte, wenn er hervorhebt,
dass es auch bei einem Narbenkrebs nicht gut festzustellen ist, ob er von
frisch entzündeten Stellen ausgegangen ist oder nicht. Im grossen und
ganzen ergeben aber diese Zusammenstellungen, dass wir es auch beim
0 Äbnliche Angaben Steinhausers vergl. S. 588.
Labarseh-Ostertag, Ergebnisse Abteil, ü. 30
466 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
Lupuskrebs nur mit einer besonderen Form des Krebses auf chronisch
entzündlicher Basis zu thun haben; hier gehören dann auch die von
Crone (12), K. Zenker (51) und anderen beschriebenen Fälle hin, wo das
(^arcinom sich nicht bei Haut-, sondern SchleimhauÜupus vorfand.
Ganz anders aber ist das Gesamtverhältnis zwischen Krebs und Tu
berkulose, das namentlich mit Rücksicht auf die alte Ausschliessungslehre
Rokitanskys (39) mehrfach Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Nur
ein geringer Teil der Autoren steht auf Rokitanskys Standpunkt, vor-
nehmlich englische und französische Autoren, die der Dispositionslehre
grosse Bedeutung zumessen, soBonnet (5), J. Marshall (31), Shattock
und Ball an ce, die geradezu Krebs und Tuberkulose für Antagonisten
halten. Auch Benecke möchte ein gewisses Ausschliessungsverhältnis an-
erkannt wissen, in dem Sinne, dass beide Erkrankungen in gleicher Aus-
bildung nur selten zusammen vorkommen; er weist auch ausführlicher darauf
hin, dass Rokitansky bei seiner grossen Erfahrung selbst schon beobachtet
hatte, dass neben Tuberkulose auch Krebs vorkommen kann. Von anderen
Autoren liegen hauptsächlich statistische Angaben über das gleichzeitige
Vorkommen beider Erkrankungen vor. Gaben (8) gab an, dass auf 2(1
Fälle von Krebs oder 50 von Phthise ein Fall kommt, in dem sich beide
Erkrankungen kombinieren; Sandu-Miclesco (43) fand unter 150 Fällen
von Krebs 9®/o mit Tuberkulose kombiniert; darunter 1 Fall von gleich-
zeitigem floridem Stadium der Erkrankung. Loeb (27) fand unter den
Sektionen des Münchener pathologischen Institutes 31mal die Kombination
von Krebs mit Tuberkulose. Rapok konnte bei 399 Carcinomatösen
39mal Tuberkulose feststellen. Lubarsch (29) hat ausführlich auseinander-
gesetzt, dass man nicht nur die Fälle von flagranter Phthise in die Statistik
aufnehmen müsse, sondern alle diejenigen, in denen irgend eine tuberkulöse
Veränderung in der Leiche neben Krebs gefunden wird. Seine Prozent-
Sätze sind daher sehr viel höhere als die anderer Autoren : unter 569 Car-
cinomatösen fand er 117 Tuberkulöse = 20,6 ®/o; aber im ganzen kam er
doch auch zu dem Resultat, dass von Nichtcarcinomatösen 3,7**/o mehr
tuberkulös waren, als von Carcinomatösen, bezw. von NichttuberkuUisen
1,05 ^/o mehr krebskrank als von Tuberkulösen. Nachdem er ausgeführt
hat, dass das Alter hieran nicht schuld ist, weist er darauf liin, dass auch
zwischen anderen Infektionskrankheiten (z. B. Typhus, Pneumonie) und
Krebs ein gewisses Ausschliessungsverhältnis besteht und glaubt, dass
vielleicht eine einheitliche Ursache , eine bestimmte , chemische dem Ge-
deihen von Mikroorganismen schädliche Blutveränderung bei Krebskranken
vorliegen möchte. In Bezug auf die Kombinationsformen stellt er 4 Modus
auf. 1. Die Tuberkulose ist in Ausheilung begriffen, während der Krebs
hinzutritt; fast die Hälfte aller Fälle; rein zufälliges Zusammentreffen;
Ätiologie der Carcinome. 467
2. neben älteren tuberkulösen Veränderungen sind frische vorhanden;
wahrscheinlich wird hier durch die Krebskachexie der Nährboden für die
tiberlebenden Tuberkelbacillen wieder günstiger. 3. Zu einem floriden Car-
cinom tritt eine frische tuberkulöse Erkrankung hinzu : selten. 4. Das
Carcinom entwickelt sich gleichzeitig mit fortschreitender Tuberkulose; sehr
selten; vielleicht giebt hier die Tuberkulose eine gewisse Prädisposition
für die Krebsentwickelung, indem durch sie die physiologischen Wider-
stände verringert werden. Später hat Clement (10) noch auf die Kom-
bination zwischen Krebs und Tuberkulose der benachbarten Lymphknoten
aufmerksam gemacht und ist zu dem Resultat gekommen, dass durch all-
gemeine und lokale Wirkung des Krebses, sowie die an ihn anschliessende
Entzündung eine latente Tuberkulose zum Ausbruch gebracht werden
kann und dass durch diesen Einfluss auch solche Stellen des Körpers aus-
nahmsweise von Tuberkulose solitär befallen werden können, an denen sonst
eine isolierte Erkrankung an Tuberkulose zu den grössten Seltenheiten
gehört Endlich hatRibbert (38) in Übereinstimmung mit seiner oben
besprochenen Carcinomtheorie die Auffassung entwickelt, dass die Bezieh-
ungen zwischen Carcinom und Tuberkulose sehr viel innigere wären und gerade
durch die lupös-tuberkulöse ßindegewebswucherung die Absprengung der
epithelialen Herdö hervorgebracht würde, die den Beginn der Krebsent-
wickelung darstellt. Zum Beweise führt er 11 Carcinomfälle an (6 Fälle
von Unterlippenkrebs, je 1 von Krebs des Rachens, Zahnfleisches, Augen-
lids, der Zunge und des Penis), in denen sich in dem zellreichen Binde-
gewebe zwischen und unter Krebsnestern mehr oder weniger reichUch
Riesenzellen mit wandständigen Kernen vorfanden, die er vor allem des-
wegen als Beweise für die tuberkulöse Natur des Granulationsgewebes be-
trachtet, weil sie in kleinen Rundzellenhaufen lagen. Schon Clement
hat hiergegen eingewendet, dass nirgends typische Tuberkel vorhanden
waren und deswegen mit Ausnahme eines Falles wahrscheinlich Fremd-
körpertuberkulose vorgelegen hat. Ribber t hat dagegen erwidei-t, dass
man ihm wohl zutrauen dürfe, dass er Fremdkörpertuberkulose von echter
Tuberkulose unterscheiden könne und hat die herangezogenen Beob-
achtungen Krückmanns für unbeweisend erklärt. Ich bedaure, dass
Ribbert aus Clements Ausführungen den Vorwurf der Oberfläch-
lichkeit herausgelesen hat, da ihm ein solcher Vorwurf nicht gemacht
worden ist, weder offen noch versteckt. Er irrt sich auch, wenn er
meint, dass der Schwerpunkt der Krückmannschen Untersuchungen
in den beiden Fällen von Carcinom mit Riesenzellen beruht. Vielmehr
ist der Hauptpunkt der, dass Krückmann gezeigt hat, dass bei ver-
scliiedenen Prozessen im zellreichen Granulationsgewebe Riesenzellen vor-
kommen, in denen die Fremdkörper erst nach längerem Suchen auf-
30*
468 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
gefunden werden und daher die Gefahr diagnostischer Irrtümer sehr
gross ist. Wenn man ein paar Schnitte untersucht und in den lüesenzellen
keine Fremdkörper findet, ist noch lange nicht gesagt, dass das ganze Knöt-
chen und die Rieseuzellen nicht Fremdkörpertuberkel sind. Es ist jeden-
falls prinzipiell nicht erlaubt, riesenzellenhaltige Knötchen, die nicht den
ganz typischen Bau von Tuberkeln besitzen, dafür zu erklären, falls
nicht etwa Tuberkelbacillen nachgewiesen wurden; und da Ribbert nach
eigenen Angaben nur wenig Schnitte untersucht hat, ist die Berechtigung
gegeben, die riesenzellenhalügen Knötchen für Fremdkörpertuberkel zu
halten, obgleich keine Fremdkörper gefunden wurden. Damit dürfte schon
allein die Grundlage der Ribbertschen Behauptung zusammenfallen.
Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass die oben ausgesprochene
Vennutung von dem schlechten Nährboden, welchen das Blut und Organe Car-
cinomatöser vielen Mikroorganismen darbiete, durch die neueren Untersuch-
ungen über die Zusammensetzung des Blutes Carcinomatöser unserm Ver-
ständnis erheblich näher gerückt wird. Im allgemeinen dürfte durch die
Blutverdünnung bei Krebskranken der Nährboden verschlechtert werden,
während in einzelnen Fällen — namentUch bei Zerfall roter Blutkörper-
chen — auch wiederiun besonders günstige Verhältnisse für Tuberkel-
bacillen imd andere Mikroben im Körper Carcinomatöser geschaffen werden
können.
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Uie Auffassung, dass das Carcinom eine durch Parasiten erzeugte
Neubildung ist, hat bis jetzt ihre Hauptstütze weniger in den positiven
Befunden, als in allgemeinen Überlegungen und Analogieen gefunden. Nach-
dem für viele Infektionskrankheiten Spaltpilze als Erreger nachgewiesen
waren, imd das auch bei den chronischen Krankheiten, in deren Verlauf
es zur Gewebsneubildung kommt, gelungen war, glaubte man auch etwas
Ähnliches für die bösartigen Neubildungen annehmen zu dürfen, zumal es
auf der Hand liegt, dass die auffallende Erscheinung der Progredienz am
einfachsten durch das Vorhandensein organischer Krankheitserreger erklärt
werden könnte. Dass die Versuche Spaltpilze als Erreger autonomer Neu-
bildungen, insbesondere des Carcinoms nachzuweisen, bis jetzt misslungen
sind, braucht hier nicht näher nachgewiesen zu werden und es würde
Zeit- und Raumverschwendung sein, wenn wir uns hier weiter mit den
Arbeiten Scheuerlens, Frankes, Schills, Koubasoffs, Freires
und vieler anderer näher beschäftigen wollten. Es genügt hier fest-
zustellen, dass nach diesen missglückten Arbeiten die Auffassung, dass
Spaltpilze die Erreger des Carcinoms sind, wohl allgemein — auch von
den bakterienfrohsten Autoren — fallen gelassen ist. Ebensowenig haben
die Versuche, höher organisierte Pilze als Erreger des Carcinoms nachzuweisen
zu einem positiven Resultat geführt; Russeis Sprosspilze entpuppten sich
als Zellgranula und Mafuccis Angaben über das Vorkommen echter
Blastomyceten in epithelialen Neubildungen sind ebenfalls noch sehr be-
stätigungsbedürftig. So blieb denn den Anhängern der parasitären Theorie
nichts anders übrig als sich aus dem Reich der niedern Pflanzen in das
der Tiere zu begeben, und Protozoen als Carcinomerreger zu suchen.
Berufene und Unberufene, erfahrene Gelehrte und Anfänger haben denn
auch zusammengewirkt, um in wenigen Jahren eine nicht unbeträchtliche
Litteratur über die Carcinomprotozoen zu schaffen. Bevor wir auf diese
einen kritischen Blick werfen, wollen wir zunächst diejenigen Punkte be-
rücksichtigen, welche vom allgemein-pathologischen Standpunkte aus für
die parasitäre Theorie der Carcinome angeführt werden können. — Eine
Reihe von Autoren weist darauf hin, dass die Ähnlichkeit zwischen Carci-
nomen und Infektionskrankheiten, besonders der Tuberkulose so gross
wäre, dass man eine parasitäre Ätiologie unbedingt annehmen müsse
(Paget), die Unterschiede wären nicht grösser, wie zwischen den einzelnen
Infektionskrankheiten untereinander (Shattock und Bailance).
Billroth steht der parasitären Theorie sehr sympathisch gegen-
Ätiologie der Carcinome. 473
über, weil ja bei manchen Sporozoenerkrankungen Epithelwucherungen
nachgewiesen wären. Auch die gelungenen Übertragungsversuche von
Ratte auf Ratte (Hanau), von Hund auf Hund (Wehr), sowie die Fälle
von Kontaktinfektionen und Impfrecidiven beim Menschen, auf welche in
Kapitel 4 näher eingegangen wird, werden für die parasitäre Ätiologie an-
geführt; ebenso die von Hahn, v. Bergmann und Cornil (19) be-
richteten Impf versuche am Menschen. Andere Autoren, wie Landerer
(46), sehen besonders auch in der Metastasenbildung eine grosse Ähnlich-
keit mit infektiösen Krankheiten. Auch Virchow (97) hat sich hierzu nicht
unbedingt ablehnend gestellt, indem er geradezu erklärt, „dass der Ver-
such, alle Erscheinungen der KJrebs Wucherung bis zur Dissemination und
Metastase auf die Verbreitung von Krebszellen zurückzuführen, keineswegs
durch anatomische oder experimentelle Erfahrimgen so sicher unterstützt
sei, dass für einen anderen Modus der Erklärung kein Raum übrig bliebe/'
Freilich erscheint von allen Momenten, die für eine Analogie mit den in-
fektiösen Erkrankungen sprechen, die Metastase am wenigsten geeignet.
Während bei den metastatischen Infektionskrankheiten nur die Infektions-
erreger verschleppt werden und die Zellneubildungen von den alten Zellen
des befallenen Ortes ausgehen, verhält es sich beim Carcinom, wie unten
noch näher zu erörtern, gerade umgekehrt, die Zellen des primären Krebses
werden verschleppt und die des sekundär befallenen Organes verhalten sich
völlig passiv. — Auch die positiven Impfresultate und Beobachtungen
über Impfrecidive und Kontaktinfektion sind zum mindesten mehrdeutig.
Hanau (31), der fast der einzige ist, der über wirkUch gelungene Übertragungs-
versuche verfügt, hat sich bekanntlich gegen die infektiöse Theorie ausge-
sprochen und hat darauf hingewiesen, dass die gelungenen Übertragungs-
versuche im wesentlichen nichts anderes darstellen, als Metastasenbildungen;
auch hier werde die kranke Epithelzelle übertragen, die sekundären Knoten
gehen, wie bei den Metastasen des Menschen, auch immer von den ver-
schleppten Epithelzellen, nicht aber von infizierten Zellen des Mutterbodens
aus. — Die Fälle von Impfrecidiven etc. beim Menschen, sowie die Über-
tragungsversuche von Krebspartikeln bei bereits carcinomatösen Individuen
sind natürlich noch viel weniger beweisend. Die Versuche von Hahn
und V. Bergmann sind in der That unnötig gewesen und haben unsere
Kenntnisse in keiner Weise gefördert, indem sie experimentell nichts anderes
erzielten, als was bei den disseminierten Krebsknötchen des Peritoneum
von der Natur in viel vollendeterer Weise geleistet wird. Man könnte
hier auch darauf hinweisen, dass solche Übertragungen deswegen völlig
unbeweisend für die parasitäre Theorie sind, weil es sich bereits um carci-
nomatöse Individuen handelt, welche also für Krebs disponiert sind. —
Weiter hat man die Beobachtungen über „endemisches" Vorkommen des
474 Ali gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Carcinoms für die parasitäre Theorie verwerten wollen. L. Pfeiffer,
Fiessinger (23), Armaudet (7), Gueillot (30), Sorel (78), Vigu^s
(94) haben angeblich endemisches Auftreten des Carcinoms beobachtet.
Armaudet und Sorel haben namentüch auf die Häufigkeit der Krebs-
erkrankungen in der Normandie hingewiesen, Vigu^s stellte fest, dass
unter 74 Todesfällen, die in den Jahren 1880—87 in Cormeilles vorkamen
11 Krebsfälle = 15®/o waren, Gueillot behauptet sogar, dass es richtige
Krebshäuser giebt, in denen die Bewohner ohne jede Blutsverwandtschaft
nach oder nebeneinander an Krebs erkrankten. Graf (29) hat festgestellt,
dass unter 1794 Carcinomen, die während einer Reihe von Jahren in den
Jenenser Kliniken beobachtet wurden, sich 1455 Krebse ziemlich gleich-
massig auf 785 verschiedene Ortschaften verteilten, während 339 Fälle
sich auf 7 Städte verteilten; aber auch hier fand sich nur, dass die volk-
reichsten Städte die meisten Krebsfälle hatten, so dass von einem wirk-
lich endemischen Vorkommen keine Rede sein kann; wie überhaupt
alle die angeführten Angaben sehr mehrdeutig sind und keineswegs
wichtige Stützen für die parasitäre Theorie abgeben. Andererseits muss
man aber auch zugeben, dass die Thatsache der so selten geUngen-
den Übertragungen von Tier auf Tier — die vielen erfolglosen Über-
tragungsversuche von Shattock und B a 1 1 a n c e (75), Kl e b s (39),
Israel, Tilmanns (89), Alberte (6) u. a. — nicht gegen die infektiöse
Theorie spricht; man könnte sogar gerade das nur ausnahmsweise Ge-
lingen für die Protozoentheorie verwerten; denn auch bei den Coccidien
der Kaninchenleber gelingt die Übertragung durchaus nicht ohne weiteres»
weil die Coccidien in der Leber nicht mehr in dem Stadium vorhanden
sind, in dem sie sich sofort im Tierkörper vermehren können. Ähn-
liches wäre auch allenfalls in Carcinomen möglich, dass die Protozoen
auch dort nur an wenigen Stellen und in geringer Menge in einem Stadium
vorhanden sind, dass sie ohne weiteres übertragungsfähig wären. — In
anderen Punkten würde die parasitäre Theorie entschieden keine Schwierig-
keit bieten, oder sogar uns vieles besser erklären, als bisher möglich; das
gilt besonders von dem Verhältnis zwischen chronischer Entzündung und
Carcinom; wir können vorläufig durchaus noch nicht sagen, warum in
einem Falle an chronische Reize Carcinom anschliesst und in einem
andern nicht; wären Parasiten mit im Spiele, so wäre die Erklärung ein-
fach und wir würden nur anzunehmen brauchen, dass mit dem Trauma
oder dem chronischen Reize die Carcinomparasiten in das betreffende Organ
hineingelangten. Auf die grossen Schwierigkeiten, welche aber die parasitäre
Theorie neu schaffen würde, soll hier zunächst noch nicht eingegangen
werden. —
Unter den sehr verschiedenartigen Dingen, welche als Protozoen in
Ätiologie der Carcinorae. 475
Carcinomen bis jetzt beschrieben sind, kann man im wesentlichen drei
verschiedene Gruppen unterscheiden : 1. Di# intranukleären Gebilde ; 2. die
extranukleären Zelleinschlüsse; 3. die extracellulären Gebilde. — Während
von einer Reihe von Autoren die intranukleären Gebilde allein oder vor-
wiegend beschrieben werden (Thoma (90), Sj ob ring), sprechen die meisten
anderen Autoren alle drei Arten von Bildungen als parasitäre Gebilde au.
Im einzelnen und vor allem in Bezug auf die Entwickelungsgeschichte
differieren dagegen die Ansichten sehr erheblich. Es ist unmöglich, hier
alle Arbeiten ausführlicher zu referieren und es rauss genügen, eine Reihe
der prinzipiell wichtigsten Arbeiten kurz zu besprechen. — Es seien hier
zunächst diejenigen Untersuchungen erwähnt, die, wie die meisten, an ge-
härteten Material und gefärbten Präparaten gewonnen sind. Als Härtungs-
flüssigkeiten wurden mit Vorliebe Sublimatlösung, Flemmingsche oder
Hermann sehe Lösung benutzt; zur Färbung die verschiedensten Farb-
stoffgemische (Biondische Lösung, Hämatoxylin- Eosin, Safranin und
Methylenblau etc.), um womöglich die fremdartigen Einschlüsse durch
dififerente Färbungen hervorzuheben.
Sj ob ring (77) schildert kleine, runde protoplasmatische Gebilde, die in die Zelle
eindringen nnd sich bald in den Kern begeben, wo sie wachsen, dann ausgestossen
werden nnd noch eine Zeit lang im Zelliuhalt liegen bleiben. Allmählich strecken die sich
vergrössemden , als Sarkoden bezeichneten Formen Ausläufer aus, zerstören die Kerne
der Epithelzellen und beginnen zu sporulieren. Sie bilden 20 — 30 Sporen, die in
einer gemeinschaftlichen Hülle (Sporencyste) liegen. Nach der Bildung der Sporencysten
wachsen die jungen Sporen heran nnd schlüpfen dann, wie aus dem Befunde leerer Sporen-
ballen geschlossen werden kann, nachdem sie die Kapsel gesprengt haben, als Sarkoden
wieder heraus. — SjObring erklärt diese Gebilde fürMikrosporidien, die den Organismen
der P^brinekrankheit am nächsten stehen. — Andere Autoren rechnen die Zelleinschlüsse
zudenCoccidien. Soudakewitsch (80, 81 ) will solche in 1 10 Carcinomen gefunden haben,
oft allerdings sehr spärlich, was daran liegen soll, dass die Methoden zur Darstellung der
Mikroben noch nicht ganz zuverlässige sind. Die deutlichsten Befunde wurden an einem
Pankreascarcinom erhoben, wo die Parasiten sowohl in hypertrophischen, als in sich karyo-
kinetisch teilenden Zellen gefunden wurden. Die Gebilde lagen fast ausschliesslich intra-
cellolär, wurden aber auch deutlich extracellulär beobachtet. Die Grösse der Zelleinschlüsse
soll zwischen der eines Kernes und einer Carcinomzelle schwanken; die meisten besassen
etwa die Grösse eines Zellkernes. Sie bilden helle, scharf konturierte runde oder ovale
Vakuolen, in denen sich wiederum färbbare Körperchen von verschiedener Gestalt befinden;
bald sind sie rundlich oder oval, bald sichelförmig, sternförmig verzweigt, rosettenartig
oder auch ganz unregelmässig. Die grösseren Formen zeigen oft eine doppelt konturierte
Kapsel und auffallende Segmentierung des Kapselinhalts, was Soudakewitsch auf einen
SporuIatioDsvorgang zurückführt. Da ein Teil der angeblichen Parasiten grosse Ähnlich-
keit mit Zellkernen besass, so weist Soudakewitsch auf einen Punkt hin, der es ge-
statten soll, auch hierbei eine deutliche Unterscheidung zu geben: die sogen. Metachro-
mas ie der Carcinom Sporozoen. Bei Präparaten, die in Osminmsäure oder Flemming-
scher Lösung konserviert waren, konnte nämlich ein differentes Verhalten der Zellkerne
and der Einschlüsse gegenüber Ran vi erschem Hämatoxylin, Safranin, Methylenblau nach-
gewiesen werden. In Bezug auf die Einzelheiten sei auf das Original verwiesen. Die An-
sicht von Soudakewitsch, dass die von ihm beschriebenen Formen tierische Parasiten
476 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
sind, wird auch von Metschnikoff (49) geteilt, der allerdings darauf aufmerksam macht,
dass der Formen- und fintwickelungsk^eis der Parasiten noch keineswegs erschöpft sei und
weiterhin betont, dass auch Pseudococcidien in Carcinomen vorkommen ; so dürften die als
Sporen beschriebenen sichel- und navicellenartigen Eörperchen keineswegs mit Sicherheit
als solche betrachtet werden. — Im Gegensatz zuSoudakewitsch giebt Foä (25,26) an,
nur selten in Carcinomen Gebilde gefunden zu haben, die mit irgend einer Sicherheit als
parasitäre Gebilde aufgefasst werden dürften. Zwar legt auch Foä grosses Gewicht
auf die Metachromasie, aber sie ist anders, wie sie Soudakewitsch besdireibt ood
ebenso weicht auch die Beschreibung seiner Zelleinschlüsse von denen Soudakewitschs
erheblich ab. Während letzterer seine Zelleinschlüsse fast regelmässig, wenn auch
in wechselnder Anzahl findet, konnte Foa unter 70 untersuchten Krebsen nur 4 mal
solche Formen finden, die er mit einiger Sicherheit zu den Parasiten rechnen kann; er
giebt auch direkt an, dass die von Soudakewitsch beschriebenen Formen keineswegs
alle Protozoen gewesen sind. Während er zunächst die deutlichsten Formen in einem
Mammakrebs gefunden hatte, gah er später (auf dem internationalen Kongress in Rom) an.
dass sie öfter und auch in metastatischen Knoten vorkommen; in zweifelhaften Fällen soll
sogar die Diagnose durch die Gegenwart der charakteristischen ZolleinschlÜase gesichert
werden. Die Gebilde bestehen aus einem centralen, mit dünnem Protoplasma und doppelt
konturierter Kapsel umgebenen Körperchen; die Kapsel lässt mitunter feine, regelmässige
Streifung erkennen, das Protoplasma ist zuweilen eigentümlich eingekerbt, so dass ein
kokardenartiges Aussehen entsteht oder es ist regelmässig segmentiert, wodurch das Körper-
chen Rosettenform erhält. Die Segmente trennen sich aber nicht von einander, so dass
sie keinenfalls die Bedeutung von Sporen besitzen können ; vielmehr sollen die Sporen ans
dem centralen Körperchen entstehen, welches gleichzeitig mit Atrophie des Protoplasmas
in viele kleine Kugeln zerfällt. — Die Epithelzellen, welche die Körper ent-
halten, zeigen nie Teilungen, sondern werden allmählich nekrotisch; viel-
mehr soll die Zellwucherung sich im Umkreise der Zone entwickeln,
welche die Parasiten enthält. — Burchar dt (12) glaubte in einem metastatischen Schleim-
krebs des Ovarium Coccidien gefunden zu haben. In einer sehr grossen Zelle erschien der
stark mit Hämatoxylin färbbare Kern eingedrückt durch eine runde dünnwandige Cyste;
innerhalb welcher traubenförmige von fünf oder mehr rundlichen Körpern, die Burchardt
für Sporen hielt, gebildete Massen lagen; das ganze soll die Dauercjste eines Coccidiums
darstellen. Charakteristisch fOr sie ist es , dass sie meist rund , selten oval ist und stets
in der Zellsubstanz, nie im Kern liegen; es besteht eine besondere Keimkapsel in der die
Sporen, mindestens fünf an der Zahl, liegen. Bemerkenswert ist noch, dass nach Burchardt
— im Gegensatz zu Foä — die Sporen durch Hämatoxylin nicht förbbar sind. Auch
Clarke und Galloway (27), welche im allgemeinen die Beobachtungen von S jo-
bring, Soudakewitsch, Sawtschenko, Foä u. a. bestätigen und wenig neues
bringen, weichen wieder in einigen Punkten von den genannten Untersuchungen ab ; so schil-
dert Galloway die Parasiten bald als intraprotoplasmatische , bald als intranukleäre Ge-
bilde; zu Kemfarbstoffen sollen sie sich im ganzen ablehnend verhalten. —
Im scharfen Gegensatz zu den eben erwähnten Autoren, deren Untersuchungen doch
eine Reihe von Übereinstimmungen zeigen, stehen die Angaben von Podwyssozki und
Sawtschenko.
Der Gegensatz bezieht sich im wesentlichen auf folgende Punkte: 1. sind die Parasiten
nie Kernschmarotzer ; 2. sind sie meistens sehr klein, so dass sie nur mit sehr starken Ver-
grösserungen deutlich wahrgenommen werden können; 8. das Protoplasma der Sporozoen
zeigt keine Metachromasie, verhält sich vielmehr zu Anilinfarbstofien ebenso wie das Proto-
plasma der Geschwulstzellen; 4. die Parasiten sind niemals eingekapselt, und können daher
nicht zu den Coccidien gerechnet werden; sie sind vielmehr Amöbosporidien, die viel Ähn-
lichkeit besitzen mit den Hämatozoen der Vögel. Im einzelnen haben allerdings aach
Podwyssozki (61, 62) und Sawtschenko (71) im Anfang manches beschrieben, was mit
den Befunden frflherer Autoren übereinstimmt, wovon aber der von Sawtschenko auf dem
Ätiologie der Garcinome. 477
5. Pirogowkongresse der russischen Ärzte eingenommene Standpunkt bedeutend abweicht
Aach in den ersten Mitteilungen, die von Abbildungen begleitet waren, fielen zwei verschieden-
artige Formen auf: kleinere und grössere, die bald einzeln, bald multipel in den Zellen
lagen und sowohl in Zellen mit ruhenden, wie mit sich teilenden Kernen gefunden wurden.
Nach der neuesten Auffassung von Sawtschenko wäre folgendes über die in Krebsen
schmarotzenden Sporozoen festzustellen: 1. sie besteben auf allen Entwickelungsstufen aus
einer protoplasmatischen und Kemsubstanz, die sich mit Anilinfarben gut tingiert. Ihr
Protoplasma verhält sich ebenso wie das der Geschwulstzellen; die mit einer Kapsel
versehenen und Metachromasie zeigenden coccidienartigen Gebilde sind keine Sporo-
zoen, sondern Schleimvakuolen , die durch Eindringen der Sporozoen in das Protoplasma
der Krebszelle hervorgerufen werden. 2. Die Parasiten sind meist sehr klein und nur
selten lenkocytenähnlioh, die ausgewachsene amöboide Form ist kugelig oder oval und be-
sitzt granuliertes Protoplasma und einen intensiv färbbaren Kern. 3. Die Fortpflanzung
geschieht nach dem bei Gregarinen und Coccidien vorkommenden Typus; die Ghromatin-
sabstanz des Kernes zerfällt in kleinste Kömchen, die sich bei den grösseren Formen regel-
mässig an der Peripherie gruppieren, während sie bei den kleineren unregelmässig in den
verschiedenen Teilen des Protoplasmas sitzen zu bleiben scheinen. Die Details der Sporen-
bildung scheinen Ähnlichkeit mit dem zu haben, was neuerdings Podwyssozki über die
Spomlation bei Coccidium oviforrae der Kaninchenleber beobachtet hat. £s wandeln sich
Dämlich die Sporen bald in fischförmige oder spindelige Körperchen mit homogenem Proto-
plasma und kleinem, endständig gelegenen Kern um; auch ist die Zahl der Sporen,
ebenso wie bei Coccid. oviforme, nicht konstant. 4. Die Sporen gelangen nun in das Proto-
plasma derselben oder einer benachbarten Zelle und rufen hier die Bildung von Schleim-
vakuolen hervor; ein Teil der Sporen wird frtlhzeitig kugelartig und wandelt sich wieder
in die amöboide Form um, ein anderer Teil wird stärker ausgezogen, birnförmig, ja frosch-
larvenähnlich. Diese ähneln sehr den entsprechenden Stadien der Hämatozoen; erst nach
längerem Verweilen wandeln sich auch diese Formen in kugelige oder amöboide um. 5. Sowohl
die embryonalen, wie die amöboiden Formen scheinen beweglich zu sein; ja sie wandern
von einer Zelle in die andere und schleppen auch die Schleimvakuolen der Zellen mit sich,
in den Vakuolen scheinen mitunter tote Sporozoen zu liegen. 6. Die Parasiten kommen
nicht nur in den Krebszellen sondern auch — in Lymphdrüsenmetastasen
— inEndothelzellen der Lymphränme oder (in Mammakrebsen) in Bindege-
vebszellen vor. Wegen des Mangels an eingekapselten Parasiten dürfen sie nicht zu
Coccidien gerechnet werden, sondern zu den Amöbosporidien , die viel Ähnlichkeit mit den
Bämatozoen der Vögel besitzen. —
Wiederum einen völlig abweichenden Standpunkt nehmen Ruffer (68—70) und
seine Mitarbeiter Walker und Flimmer (60) ein, welche ihre Befunde hauptsächlich
an Brustkrebsen machten und ein grosses Gewicht auf das Verhalten der Zelleinschlüsse
zur Biondi sehen Färbung legen. Gerade mit Rücksicht auf die Ergebnisse dieser Färbung
hallen sie eine Verwechslung mit Zell- und Kemdegenerationen für ausgeschlossen; die
bald intra- bald extranukleär gelegenen Zelleinschlüsse, finden sich meist am Rande der
Krebsknoten reichlichst in der Wachstumszone und können in degenerierten Partieen ganz
fehlen; je rascher die Carcinome wachsen, um so reichlicherfinden sich auch die Einschlüsse.
Mit Foä stimmen Ruffer und seine Mitarbeiter darin überein, dass sie die Parasiten
nie in sich mitotisch teilenden Zellen, wohl aber in ihrer Nähe fanden. Im übrigen halten
sie jedoch die von Soudakewitsch, Podwyssozki u. a. beschriebenen Formen
lediglich für Degenerationsformen, so auch die von vielen Autoren als Sporen gedeuteten
sichelförmigen Körper; ebensowenig schliessen sich Ruffer und seine Mitarbeiter der
Meinung von Sjöbring, Foä u. a. an, dass die radiäre Teilung und Segmentierung
des Parasitenprotoplasmas als Spomlation zu deuten sei, da sie niemals aus diesen Formen
jnnge Parasiten hervorgehen sahen; sie glauben vielmehr, dass es sich hier um Degenerations-
erscheinungen der Parasiten oder auch nur durch die Härtung hervorgerufene Artefakte
bandelt. Nach ihren Untersuchungen ist der Kntwickelungsgang vielmehr etwa folgender:
478 Allgem. patho). Morphologie und Physiologie.
Zunächst teilen sich die Parasiten in 2 Individuen oder ein Vielfaches von 2, wobei der
Kern sich verlängert und sich durch Querteilung allmählich 2 Kerne abschnüren, die zu-
nächst durch einen Faden mit einander verbunden bleiben; erst darauf folgt die Teilung
der Kapsel, so dass 2 durch ein Septum getrennte Kern- und Protoplasmahälften vorhanden
sind; erst darauf reist die Verbindung zwischen den Kernen ein. Wenn eine mehrfache
sich rasch wiederholende Teilung der Tochterindividuen eintritt, so entstehen rosettenförmige
Gebilde. »Sporocysten treten bei der Teilung nicht auf, vielmehr umgiebt eich jeder junge
Parasit mit einer eigenen Kapsel. Oft beteiligt sich ein Stttck des Parasitenkems nicht an
der Teilung und bleibt als sogen. „Restkörper*' zurück. Alle diese Entwickelungsformen
sind sowohl bei kleinen wie bei grossen Parasiten aufzufinden, treten aber am deutlichsten
bei denen mittlerer Grösse hervor. — Trotz dieser verhältnismässig genauen Schilderung
der £ntwickelungsvorgänge der Parasiten halten es die Verf. doch nicht für möglich, eine ge
nauere Klassifizierung derselben vorzunehmen und rechnen sie schlechthin zu den Sporozoen. —
Ganz von den bisher berichteten Arbeiten abzutrennen, sind die Untersuchungen von
Korotneff (42,43), Kurlow(44), L.Pfeiffer (56— 58) und Adam kie wie z (1-4), welche
nicht nur Zelleinschlüsse, sondern vor allem auch die bisher von allen Seiten für Zellen des
menschlichen Körpers gehaltenen Zellen für parasitäre Gebilde erklären. Am offensten haben
allerdings nur Adamkiewicz und L. Pfeiffer erklärt, dass epitheliale Krebszellen selbst
die Parasiten sind, aber auch bei Korotneff und Kurlow zeigt einen Blick auf ihre Ab-
bildungen, dass sie namentlich solche Zellen, die man bisher als invaginierte Krebszellen
auffasste, für Parasiten halten, weshalb sie auch die meisten Formen innerhalb oder dicht
neben den sogen. Krebsperlen finden. Korotneffs Parasit soll in 3 Hauptformen auf-
treten: 1. als Gregarine, 2. als Coccidie, 3. als Amöbe. — Als wichtigste erscheint ihrn
die Amöbenform, die eralsAmoeba kachexica bezeichnet, weil sie das Toxin der Krebs-
kachexie produzieren soll. Sie besitzt granuliertes Protoplasma und deutlichen, oft läng-
lichen Kern, ist aktiv beweglich und kann daher aus dem Epithel ins Bindegewebe wandern:
nachdem sie sesshaft geworden und sich encystiert hat, beginnt die Fortpflanzung, indem
der Kern zerfällt, das Protoplasma sich verdichtet und es entstehen Zooiten und Sporozooiten
die in grösserer Anzahl in der Amöbe liegen können. Der Sporozooit, der nur einen un-
deutlichen Kern besitzt und von ovaler Gestalt ist, bildet nach Abwerfen der Kapsel immer
nur wieder Amöben; der Zooit kann sich entweder zu einer — in ihrer ausgebildeten Form
sterilen — Gregarine (dem Rhopalocephalus carcinomatodes) entwickeln oder zu einer
Coccidie auswachsen. Die Gregarinenforra hat ein bandartiges, cestodenähnlichcs Aussehen
und besitzt einen verdickten Kopf, der sich in einen länglichen Körper fortsetzt; der Zell-
inhalt ist feinkörnig, im Kopf liegt ein fleckenartiger Kern. In der Nähe der ausgewachsenen
Gregarine findet man zahlreiche junge kernhaltige Parasiten von keulenförmiger Oesult
innerhalb von Carcinomepithelien. Ein anderer Teil der Zooiten dringt dagegen in eine Zelle
ein, encystiert sich dort, wird dabei rund, erhält einen deutlichen Kern, und nimmt Coccidien*
form an. Diese Coccidie kann nun in benachbarte Zellen überwanden), worauf unter Zerfall
des Kernes und Verdichtung des Protoplasmas die Fortpflanzung zu Zooiten und Sporozooiten
stattfindet. — Der ganze Entwickelungsgang ist somit ein sehr komplizierter und ähnelt noch
am meisten dem des Amoebidium parasiticum aus der Gruppe der Amöbosporidieo.
Kurlow hat zwar nach seinen Abbildungen zu urteilen die gleichen Gebilde vor sich ge-
habt, w^ie Korotneff, stimmt aber doch nicht in allen Punkten mit ihm überein; vor allem
vermisste er die Zooiten und Sporozooiten und konnte überhaupt einen genauen Entwicke-
lungsgang nicht feststellen. Zunächst findet er — meist in einer Vakuole der Krebszelle —
Körperchen, die mit zunehmendem Wachstum den Kern der Epithelzelle bei Seite drücken,
und bald sehr klein, bald sehr gross sind, so dass sie selbst die grössten Krebszellen an
Grösse übertreflfen; sie enthalten 1—3 Kerne, die sich mit alkalischen Anilinfarbstoffen
stärker färben, als der Zellinhalt; mitunter enthalten die Körperchen dunkelbraunes Pig-
ment; ihre Gestalt ist nicht immer rundlich, weil sie häufig Pseudopodien besitzen, deren
Durchmesser das zehnfache des Körperchens betragen kann; diese Pseudopodien, welche
bald sehr fein, bald sehr dick sind, scheinen wirkliche Bewegungsorgane zu sein, da sie in
Ätiologie der Carcinome. 479
benachbarte Zellen eindringen und ihnen anhaften. Wenden wir uns nun zu den unter-
sochungen von Pfeiffer und Adamkiewicz, so sind dieselben z. T. bereits dadurch
charakterisiert, dass beide von dem Standpunkt ausgehen, dass im Garcinom tierische
Parasiten vorhanden sein müssen. Pfeiffer untersuchte hauptsächlich innerhalb quer-
gestreifter Muskulatur gelegene Krebszellennester, ohne allerdings anzugeben, ob es sich
um Metastasen, fortgewncherte Abschnitte oder angeblich primäre Krebse handelte, und
fand, dass die mit jungen Krebszellen gefüllten Teile des Perimysium intemum und die
sich bei der Krebswucherung ausbildenden Muskel zelienschlänche grosse Ähnlichkeit dar-
bieten mit Protozoeninfektionen, wie sie bei verschiedenen Tieren vorkommen; zum Ver-
gleich werden die Mies eher sehen Schläuche beim Schwein, Mikrosporidien bei Schildkröten
Qod Fröschen, sowie die Myxosporidienkrankheit in der Muskulatur der Barbe herangezogen.
Die scheinbar gewucherten Muskel- und Krebszellen sollen demnach die
Parasiten sein, denen in bestimmten Stadien die Eigentümlichkeit zu-
kommt, den Gewebszellen zum Verwechseln ähnlich zu sehen. Die zoologische
Stellung und der Ent wickelungsgang ist allerdings noch nicht genügend geklärt; doch
scheinen sie den Amöbosporidien am nächsten zu stehen, die Aimd Schneider als
eine besondere Gattung gekennzeichnet und dadurch charakterisiert hat, dass ihnen neben
der direkten Teilung der amöboiden Formen noch eine Fortpflanzung durch Dauersporen
zakommen soll. Als amöboide Form sieht Pfeiffer beim Krebsparasiten die Gebilde
an, die bis dahin als Leukocyten und Wanderzeilen beschrieben wurden und zum Teil die
pzellige Infiltration" des Carcinoma ausmachen; als Dauerformen beschreibt er die intra-
cellnlärcn, cystenartigen Vakuolen, wie sie auch So udake witsch u. a. abbilden, weil
eie nach seiner Meinung nicht durch Zelldegenerationen zu erklären sind.
Der von Adamkiewicz verteidigte Standpunkt, der dem Pfeifferschen sehr nahe
steht, dass die Krebszellen selbst die Parasiten sind, äenen er den stolzen Namen „Cocci-
diam sarcolytus'* zuerteilt hat, wird weniger durch histologische Untersuchungen, als
durch allgemeine Spekulationen und Tierexperimente begründet. Da alle Versuche einen
spezifischen Krebserreger nachzuweisen fehlschlugen, sich aber eine Giftigkeit des Krebs-
gewebes nachweisen liess, so schliesst Adamkiewicz daraus, dass die Krebszellen
selbst die Parasiten sind. Er impfte zahlreiche Kaninchen mit kleinen Partikeln frischen
Carcinomgewebes in das Gehirn und fand, dass die Tiere dann bald unter Erscheinungen
zu Grunde gehen, die auf eine Protozoeninfektion hindeuten, da eine ähnliche Toxinwirkung
gefunden wurde, wie Pfeiffer sie für den Inhalt von Sarkosporidiencysten angiebt. Man
findet dann in entfernteren Stellen im Gehirn, Zellen, die dem Gehirn an sich fremd sind und
von Leukocyten oder jungen Carcinomzellen nur schwer unterschieden werden können;
da man femer sieht, dass die übertragenen Garcinomstückchen z. T. ihren Zellinhalt ein-
gebüsst haben, so hält Adamkiewicz die im Gehirn diffus verbreiteten Zeilen für wan-
dernde Krebszellen und die Krebszellen selbst für den Krebserzeuger, den schmarotzenden
Protozoen and auch L. Pfeiffer erklärt (untersuch, über den Krebs, S. 142), dass
Adamkiewicz den „hochwichtigen Beweis erbracht hat, dass Krebszellen auf einen
passenden Nährboden (das lebende Kaninchengehirn) zunächst sich vermehren und wandern,
m Zoosporenwachstumsstadium".
Endlich müssen noch die Untersuchungen von K ah an e (35,36) erwähnt werden, der
die lebenden Krebsparasiten sowohl im Blute, wie in den Gewebszellen nachgewiesen
haben will. In zwei Mitteilungen berichtet dieser Forscher, dass er besonders im Blute
Carcinomatöser , aber auch in den Geschwulstzellen Gebilde gefunden habe, die besonders
durch ihre Eigenbewegung, ihren Glanz und ihre tinktoriellen Eigenschaften ausgezeichnet,
als protozoenartige Parasiten angesehen werden müssen. Dieselben kommen sowohl inner-
halb, als zwischen den Geschwulstzellen vor und finden sich im cirkulierenden Blute wohl
aasschliesslich frei vor ; auch die scheinbar in roten Blutkörperchen liegenden Gebilde lagen,
vie genauere Beobachtung lehrte, nur auf den roten Blutscheiben. Es werden 5 Formen
onterachieden, die in einer Tabelle zusammengestellt sind.
480
AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
QrOsM und Gestalt
der Parasiten
Lichtbrechongs-
TermCgen
1. kleine, rand- | sehr stark licht-
liche Formen 1 |i | brechend
2. kleine rande
auch bimfftrmige
Gebilde 2^3 [x
lang
3. mittelgross,
meist oval 3— 4 u;
mit fein gezähnel-
ten Rändern
da. 4—5 |x lang,
oval, sonst wie 3
4. mittelgross,
kleeblattförmig,
glatte Kontur
( relativ seltene
Form)
5. Grosse, runde
oder längsovale
Formen 8—10 ji
wie 1
schwach licht-
brechend, oft sehr
zart
stärker lichtbre-
chend , schwach
grOnlichglänzend
enthalten 1 — 3
sehr stark licht-
brechende Kör-
perchen
meist gering
Stmktar nnd Beweg-
Uchkeit
homogen ; sehr
lebhaft beweglich
wie 1
fast homogen od.
fein granuliert,
nur undolierende
Bewegungen
erdbeerartig,fein-
stachelig
lebhaft bewegl.,
starke Drehbe-
wegungen in den
Kleeblattformen ,
in jedem Blatt ein
glänzendes Körn-
chen
Plasma zart gra-
nuliert; minimal
beweglich
Verhaltan m den
Zellen and roten
Blatkfirpem
FertpflanzDOg
meist ausserhalb
der roten Blut-
körperchen , ge-
legentlich endo-
globulär; in den
Geschwulstzellen
nicht nachweis-
bar
manchmal endo-
globnlär; oft mit
dünnem Stiel den
roten Blutk. an-
haftend , meist
frei im Blute; als
bewegliche Ein- 1
Schlüsse in den l
Geschwulstzellen
beobachtet I
frei im Blute; |
weder in Blut- |
nochGeschwulst- |
zelle nacfagewie- '
sen I
frei im Blute i
meist frei im
Blute
frei im Blute ; bei
schwerer Carci-
nom • Kachexie
zahlreich im
Blute. Imal als
Einschluss in
einerGeschwulst-
zelle beobachtet
Als besonderer Befund wird noch hervorgehoben, dass es einmal gelang den Sponi-
lationsvorgang eines Parasiten in direkter Weise zu beobachten. In einer Garcinom-
zeUe wurde ein ziemlich grosses rundliches Gebilde beobachtet, das sich zunächst in der
Wirtszelle hin- und herbewegte, dann aber austrat, wobei es verkleinert und stärker
lichtbrechend erschien. Dieses Gebilde schnürte dann kleinere und grössere Körpercben
von sich ab, die sogleich £igenbewegungen erkennen liessen. Im übrigen wird noch betont.
Sporulationsform
von Form 5
unbekannt
Sporulation von
5 gleichzeitig mit
1 beobachtet
unbekannt
unbekannt
Mntterform von
1 und 3
Ätiologie der Garcinome. 481
dass eine gewisse Ähnlichkeit mit den H&matozoen der Malaria bestände — auch pigmen-
tierte Formen sollen auftreten — , dass aber die ätiologische Bedeutung der Befunde für
die Carcinomentwickelung noch nicht feststände.
Diesen in möglichster Kürze referierten Arbeiten, wären aus dem vor-
stehenden Litteraturverzeichnis eine grosse Reihe von Arbeiten gegenüber-
zustellen, in denen die Autoren trotz sehr sorgfältiger Untersuchungen nicht
zu dem gleichen Ergebnis gelangt sind und sich daher teils sehr skeptisch,
teils direkt ablehnend verhalten (Steinhaus (82—84), Stroebe (86—88),
Delepine (20,21), Kürsteiner (45), Langhans, Cazin (14, 15), Coats
(17), Neisser (53) u. a.). — Eine andere Gruppe von Autoren begnügt
sich jedoch nicht mit dem zweifelhaften oder skeptischen Urteil , sondern
hat den Versuch gemacht, die zahlreichen verschiedenen Parasitenformen
durch Zelldegenerationen zu erklären (Borrel (10, 11), Karg (37), Nög-
gerath (52), Török (91, 92), Ribbert (65, 66), Unna (93) u. a.). Es würde
bei weitem zu weit führen, alle diese Arbeiten hier ausführücher zu referieren
und es möge hier der Hinweis genügen, dass ein Teil der Erklärungsversuche,
welche unten in zusammenhängender Weise gegeben werden sollen, bereits
von Unna, Török, Cor nil (18), Ribbert, Schwarz (74) u. a. erwähnt sind.
Bevor wir jedoch auf die Einzelheiten eingehen, seien einige allgemeine
Bemerkungen gestattet. — Die vorstehende kurze Übersicht ist allein bereits
geeignet, ein gewisses Misstrauen gegen die Sporozoennatur der Zelleinschlüsse
hervorzurufen. So viele Autoren, so viel verschiedene Schilderungen und
Memungen; was der eine für Parasiten, erklärt der andere für Zell- und
Kerndegenerationen; was der eine als sichere Sporenbildung beschreibt,
gilt dem anderen als sehr zweifelhaft. Mit einem Wort, die gesamten Unter-
suehungsergebnisse sind so mannigfaltig und verwirrend, dass man schon
daraus entnehmen kann, wie sehr es bis jetzt an wirkUch sicheren und
klaren Kriterien für die Protozoen natur fehlt. Und nun gar die zoologische
Klassifikation und Entwickelungsgeschichte I Welche Fülle von verschie-
denen Ansichten, selbst dann, wenn die Beobachtungen einigermassen mit-
einander übereinstinunen. — Natürlich spricht das nicht entscheidend da-
gegen, dass es Protozoen sein können, da das ganze Gebiet selbst zoologisch
noch nicht genügend erforscht ist, aber es ist doch bereits geeignet, zu
äusserster Vorsicht zu mahnen. Was aber würden wir gewinnen, wenn
wir selbst mit grösserer Sicherheit , wie jetzt über das Vorkommen von
Protozoen in Carcinomen unterrichtet wären? Schon oben ist darauf hin-
gewiesen worden, dass die parasitäre Theorie nicht nur in einigen Punkten
das Verständnis erleichtern, sondern auch in anderen erheblich erschweren
^•ürde. Das ist vor allem der Fall für die Metastasenbildung; wir werden
Doch in Kapitel 4 näher auszuführen haben, wie die Metastasen namentlich
ini Beginn mit den Zellen des primären Krebses aufs genaueste überein-
Labarsch- Oster tag, ErgebniBte Abteilang II. 31
482 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
stimmen und sicher nur aus den verschleppten Krebszellen hervorgehen
(vergl. aucli Kapitel Metastase, dieser Band S. 132), während die Zellen des
sekundär befallenen Ortes sich passiv verhalten oder gar regressive Vor-
gänge aufweisen. Wären Parasiten die Erreger des Carcinoms, so müssten,
wie Raymond und Haus er (33) sehr schlagend auseinandersetzen], bei
den Metastasen die Zellen des beti'offenen Organes charakteristisch krebsig
degenerieren, z. B. die Metastasen in der Leber nach Magenkrebs typische
Leberzellenkrebse sein; und Ben ecke betont mit Recht, wie auch das
\''erhalten des Oberflächenepithels bei einem aus der Tiefe gegen die Ober-
fläche vorrückenden Carcinom gegen die parasitäre Theorie spricht; denn
wenn ein aus der Tiefe gegen normales Epithel vorrückendes Carcinom die
spezifischen Parasiten enthielte, müssten die normalen Epithelzellen infiziert
werden und ebenfalls krebsig degenerieren ; auch darauf weist Ben ecke ganz
richtig hin, dass die Lokalisation der Metastasen entsprechend bestimmten
Strömungsverhältnissen bei der Verschleppung grosser Zellen, nicht aber
kleinster Mikroorganismen verständlich wäre. Gegen alle diese Einwände
könnte die parasitäre Theorie nur gehalten werden durch die Annalime,
dass zwar wirklich die Epithelzellen verschleppt werden, aber ihre enorme
Wucherungsfähigkeit erst durch die Anwesenheit der Parasiten ermöglicht
istO, oder dass die Carcinomzellen selbst die Parasiten sind, wie es ganz
folgerichtig von Adamkiewicz und Pfeiffer behauptet wird. — Den
Einwand Baumgartens, dass auch gutartige Neubildungen parasitären
Ursprunges sein müssten, wenn Carcinome es sind, kann allerdings jetzt
dadurch begegnet werden, dass ähnüche Zelleinschlüsse, wie in Carcinomeu
jetzt auch in Papillomen, Adenomen, Myomen und Sarkomen gefunden
worden sind. Vom allgemein-pathologischen Standpunkte aus wird man
es aber kaum für möglich halten, dass alle autonome Neubildungen para-
sitären Ursprunges sind; schon deswegen nicht, weil alle — vielleicht mit
Ausnahme der Carcinome — als angeborene Neubildungen bei den Kindern
völlig gesunder Eltern beobachtet sind und man dann zur Erklärung dieser
angeborenen Geschwülste ohne eine erneute, ebenfalls wieder völlig in der
Luft schwebende Hypothese nicht auskommen könnte. Endhch müssen
wir aber auch für die Frage, ob unter den bis jetzt beschriebenen Zell-
einschlüssen solche Parasiten sind, die für die Ätiologie der Carcinome
verwertet werden könnten, schon einige allgemeinere Gegengründe an-
führen. Zunächst sind alle oder fast alle Untersuchungen an gehärtetem
Material und ausgebildeten Carcinomen angestellt worden ; femer geht viel-
fach aus den Beschreibungen hervor, dass sie am reichlichsten in Degenera-
1) Es würde das eben ein vollständiges Novum sein, fOr das irgendwelche Analogieon
bis jetzt nicht bekannt sind, weder in der Lehre von den Spaltpilzkrankheiten noch bei
den durch parasitäre Protozoen hervorgebrachte Erkrankungen bei niederen und höheren
Tieren.
Ätiologie der Carcinome. 483
tionsherden vorkommen ; wenn das von einzelnen Autoren nicht angegeben
wd oder sogar einzelne , wie R u f f e r und Flimmer, Foä u. a.
behaupten, dass sie sich auch in Carcinomen finden, in denen Degenera-
tionserscheinungen fehlen, so beweist das nur, dass sie auch dort bereits
auftreten, wo gröbere Degenerationserscheinungen nicht nachzuweisen sind.
Die Untersuchungen an der Wachstunisgrenze sind hier kaum beweisend,
weil in ausgebildeten Krebsen — auch in der Randpartie — frühzeitig der
Zellzerfall eintritt und wir es ja in den beschriebenen Formen, wenn über-
haupt, mit dem Beginn und den feineren Stadien des Zellzerfalles zu thun
haben. Mitteilungen darüber, dass die Zelleinschlüsse und ähnliche auch
in beginnenden Krebsen und ganz frischen Metastasen vorkommen, liegen
bis jetzt noch nicht vor. Ich habe nun gerade deswegen das mir in dieser
Beziehimg zu Gebote stehende Material auf das genaueste durchforscht. Es
waren die bereits oben erwähnten Krebse des Ileum und ein Zungenkrebs ~
iu allen diesen Fällen konnte auch nicht das geringste gefunden werden,
was man für Parasiten hätte halten dürfen ; ebensowenig gelang es in einer
etwas indurierten Lymphdrüse bei Mammacarcinom in den ganz vereinzelt
in Lymphräumen hegenden Krebszellen (also einer eben beginnenden Me-
tastase) Zell- oder Kerneinschlüsse aufzufinden, obgleich in dem primären
Mammakrebs reichUchst die verschiedenartigsten Einschlüsse nachgewiesen
wurden. Man wird also schon daraus mit Recht schlicssen müssen, dass
wir in beginnenden Krebsen irgendwelche Formen, die mit bereits be-
kannten Protozoen übereinstimmen, nicht nachzuweisen vermögen. — So-
dann ist es sehr wichtig, dass gerade die zuverlässigsten Autoren, deren
Angaben in der That noch am ehesten den Eindruck machen, als könne
es sich wirklich um Sporozoen gehandelt haben (Foä, Ruff erund Plimmer
u. a.), angeben, dass die von den Parasiten befallenen Zellen
allmählich absterben und dass die Wucherungsherde immer
nur in der Peripherie der parasitenhaltigen Zellen liegen.
Diese Angaben würden zwar allerdings übereinstimmen mit dem, was ich
bei den Gallengangswucherungen in coccidienhaltigen Kaninchenlebern ge-
sehen habe, aber sie würden uns den ganzen Vorteil rauben, den die
parasitäre Theorie für das Wesen des Carcinoms sonst bietet. Wenn
nämüch nicht die spezifischen Protozoen .es sind, welche den Krebs-
zellen dajB Vermögen der schrankenlosen Wucherung verleihen, sondern
auch hier nur indirekt im Anschluss an die durch Coccidien erfolgende
Zellzerstörung die Krebswucherung eintritt, so sind wir so klug, wie zuvor;
es würde sogar noch ein neues Rätsel aufgegeben, warum, denn nur an
die diu-ch Coccidien hervorgerufene Epithelzerstörung eine Krebsentwicke-
lung anschUesst. Es würden auch keine Analogieen aus der menschlichen
und tierischen Pathologie herangezogen werden dürfen, wie das so oft ge-
schieht; da wir bis jetzt überhaupt noch gar nichts sicheres von einer
31*
484 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
durch Protozoen verursachten Epithelwucherung wissen ; denn die Wuche-
rung der GallengangsepitheUen bei der Psorospennose der Kaninchen ist
eine rein sekundäre und das mit Voriiebe herangezogene Beispiel vom
Epithelioma contagiosum der Menschen und Tiere sowie der Darier sehen
und Pag et sehen Krankheit nicht beweisend, weil auch hier das Vor-
handensein von Protozoen noch keineswegs sicher demonstriert ist.
Wenden wir uns nun zu den einzelnen Angaben, so ist es wohl am
leichtesten mit denen von Adamkiewicz, Pfeiffer und Kahane
fertig zu werden. Für einen Histologen ist es kaum diskutabel, dass die
Krebszellen Parasiten sein sollen ; denn wie im Abschnitt 1 (vergl. S. 424 ff.),
ausgeführt ist, ist dazu die morphologische und biologische Übereinstim-
mung der Carcinom- und Epithelzellen eine viel zu grosse; speziell in Be-
zug auf die Analogisierungen Pfeiffers und seine ganze Untersuchungs-
methode sei auf meine Besprechung (Fortschr. d. Med. 1894, S. 242) verwiesen.
— Die Angaben von Adamjciewicz über die Toxizität der Krebszelle und
deren Fähigkeit, sich im Kaninchengehirn zu vermehren und die Tiere inner-
halb 24—48 Stunden zu töten, erfahren ihre Widerlegung durch die sorg-
fältigen Experimente Geisslers (28), Kopfsteins, Kinscherfs und
ßartschs (38), welche zeigten, dass bei streng aseptischer Ausführung
der Versuche die Tiere keineswegs zu Grunde gehen und dass die Car-
cinomstücke, wie andere Fremdkörper, nachdem sie eine Entzündung
massigen Grades hervorgerufen haben, resorbiert und organisiert werden.
Gegenüber diesen objektiven Versuchsergebnissen und den einfach auf der
Hand liegenden anatomischen und biologischen Thatsachen kann man die
Proteste Adamkiew iczs gegen seine Kritiker wohl gestrost ad acta
legen. — Anscheinend von grösserer Bedeutung sind die Untersuchungen
Kahanes. Seine Angaben lauten teilweise so bestimmt, dass ein Irrtum
fast unmögUch erscheint, vor allem scheint die direkte Beobachtung der
Sporenbildung am frischen Objekt förmhch einen Abschluss der Unter-
suchungen zu geben.
Allein auch hier zeigt eine eingehende Kritik, dass die Parasitennatur
der Gebilde teils fälschlich angenommen wird, teils sehr unsicher ist. Von
den 5 Formen, die Kahane unterscheidet, lassen sich die beiden ersten
am leichtesten deuten. Sie sind mir längst bekannt gewesen imd sind
zweifellos nichts als abgeschnürte Teile der roten Blutkörperchen, Hämo-
globintropfen, die beim Zerfall der Zellen aus ihnen austreten. Man findet
sie unter den verschiedensten Verhältnissen vor, bei krankhaften Ver-
änderungen, man kann sie aber auch künstlich hervorbringen. Wenn
Kahane die Thatsache, dass seine ohne Anwendung einer neuen Methode
gewonnenen Befunde bisher anderen Forschern entgangen wären, damit
erklären will, dass man die mikroskopische Untersuchung des Blutes von
Krebskranken vernachlässigt habe, so befindet er sich im Irrtum. Solche
Ätiologie der Garcinome. 485
Untersuchungen sind bereits vielfach vorgenommen worden (von Klebs,
Weintraud, Strauer u. a.); auch ich habe seit Jahren wiederholt das
Blut von Carcinomatösen der verschiedensten Stadien in verschiedener
Weise untersucht; meine Befunde sind zum Teil auch übereinstimmend
mit denen von Kahane, nur die Deutung weicht ab. Man findet in der
That im Blute Carcinomatöser fast regelmässig — am reichlichsten bei
Krebskachexie, oft aber auch schon im Beginne der Krankheit — die von
Kahane sub 1 und 2 beschriebenen Gebilde; deren Entstehung besonders
klar wird, wenn man die sub 2 beschriebenen Formen, die mit einem
kurzen Stiel den roten Blutkörperchen anhaften, betrachtet. Man kann
nämlich die Entstehung dieser ,oft biraförmigen Bildungen direkt unter
dem Mikroskop verfolgen, ja man kann derartige Gebilde im normalen
Blute von Menschen und Tieren erzeugen, wenn man nur für eine lang-
same Verdunstung der Blutflüssigkeit sorgt. Man sieht zunächst, wie die
roten Blutkörperchen, keulen- und birnförmige Fortsätze ausstrecken, die
plötzlich abreissen und mit grosser Geschwindigkeit im Gesichtsfeld herum-
tanzen. Diese Gebilde, die schon an und für sich eine sehr verschiedene
Grösse besitzen, können aber noch weiter in kleinere Teilstücke zerfallen,
die dann mitunter in der Mitte eine Einschnürung aufweisen und Diplo-
kokken täuschend ähnlich sehen. Eine Verwechselung kann aber 1. durch
die Färbung, 2. durch den Kulturversuch vermieden werden. Diese Ge-
bilde liegen in der That, wie Kahane ganz richtig beobachtet hat, nie-
mals in den roten Blutkörperchen; sie besitzen auffallenden Glanz und
eine Beweglichkeit, die von einer echten Eigenbewegung mit völligster
Sicherheit nicht unterschieden werden kann. Sie sind aber keineswegs
parasitäre Elemente und besitzen durchaus keine Spezifizität für das Car-
cinom, denn sie finden sich in Strumen (Klebs), bei Influenza (Klebs),
bei pemiciöser Anämie (Frankenhäuser, Klebs). Allerdings sind sie
auch gerade von diesen Autoren ebenfalls für Parasiten und zwar für
Flagellaten (Klebs) erklärt worden. Dass sie im Blute Carcinomkrauker
besonders reichUch vorkommen, wenn schwere sekundäre Anämie sich an-
schliesst, konnte ich besonders schön in 2 Fällen von Magenkrebs in Zürich
beobachten, die unter dem Bilde einer sogenannten idiopathischen perni-
ciösen Anämie verlaufen waren. Hier konnten sowohl von Prof. Eich-
horst wie von mir, während des Lebens und 3 Stunden nach dem Tode
die in Frage stehenden Gebilde in besonders grossen Mengen nachgewiesen
werden. Bei der Sektion fand sich aber in beiden Fällen ein ziemlich
kleines, noch wenig ulceriertes Magencarcinom vor. Schon daraus geht
hervor, dass weniger die Mächtigkeit der Krebsentwickelung, als die Allge-
nieinschädigung und besonders die Zerstörung roter Blutkörperchen zu
den Vorbedingungen für das Auftreten der glänzenden Gebilde gehört.
Mit Sicherheit können wir aber schliessen, dass es sich um Trümmer roter
486 Allgem. pathoL Morphologie und l'hysiologie.
Blutkörperchen oder frei werdende Hämoglobintropfen handelt aus den
oben angeführten Beobachtungen, dass man ihre Entstehimg experimentell
an Kaninchen- und Menschenblut verfolgen kann. Die scheinbare Eigen-
bewegung spricht nicht dagegen, denn sie kann bedingt sein : 1. durch die
ausserordentliche Leichtigkeit dieser Gebilde, die durch die geringsten
Flüssigkeitsströme energisch bewegt werden können ; 2. durch die besondere
chemische Beschaffenheit der Tropfen. Ebenso wie die von Pfitzner und
Bütschli hergestellten Seifenschäume amöboide Bewegungen zeigen, mögen
die zähflüssigen aus dem Stroma der roten Blutkörperchen in ein wässe-
riges Medium gelangenden Hämoglobintropfen Zusammenziehungen ihres
Leibes aufweisen, die lediglich durch physikaüsche Ursachen bewirkt sind.
Um eine Eigenbewegung handelt es sich also nicht. Viel seltner, als die
eben erwähnten Gebilde findet man nun aber in Carcinomen folgende
Veränderungen der roten Blutkörperchen, die zuerst von Weintraud be-
schrieben wurden und die er im ganzen zweimal im Blute von an schwerer
Krebskachexie leidenden Individuen gefunden hat. Es sind das bald rund-
liche, bald längliche, bald eckige und bimförmige Gebilde, die mit ausser-
ordentlicher Lebhaftigkeit sich in den roten Blutkörperchen hin und her
zu bewegen scheinen. Schon Weintraud hat bewiesen, dass es sich nicht
um Parasiten handeln kann; sie sind auf keine Weise färbbar, und sie
schwinden beim Zerplatzen und Zerfallen der roten Blutkörperchen, während
Parasiten gerade frei werden müssten. Sie sind nach Verfassers Meinung
Lücken innerhalb der Blutkörperchen; ihre starke Bewegung und Fonn-
veränderung erklärt sich durch eine Bewegung des umgebenden Hämoglobins.
Ein Teil der intracellulären Gebilde Kahanes ist wohl auf die Anwesen-
heit dieser Veränderung der roten Blutkörperchen zurückzuführen. Was
nun die sub 3—5 beschriebenen Formen anbetrifft, so ist es, da Abbildungen
nicht gegeben sind, schwer zu beurteilen, um was es sich eigentlich handelt.
WahrscheinUch wird es sich um zerfallende Leukocyten, Endothelzellen,
vielleicht auch verschleppte, zerfallende Krebszellen mit ihren Einschlüssen
gehandelt haben. Die Formen 3a sind wohl veränderte rote Blutkörperchen,
die Formen 5 Leukocyten mit geringer GranuUerung; nur Form 4 kann
ich nicht erklären, da ich niemals ähnUches beobachtet habe. Was endlich
die direkte Beobachtung der Sporenbildung anbetrifft, wie sie oben ge-
scliildert wurde, so können viele Dinge zur Verwechselung Anlass gegeben
haben. Es kann sich um einen Leukocyten gehandelt haben, der in einer
Krebszelle eingeschlossen war und bei dem Zerfall der Zelle austrat und
dann selbst einen Teil seines Zellinhalts (Granula) von sich gab, der dann
starke Molekularbewegung zeigte. Jedenfalls genügt auch diese Beobachtung
keineswegs, um die Protozoennatur dieses einmal gesehenen Körpers zu
beweisen. Auch hier ist also das Resultat, dass bei den meisten der be-
schriebenen Formen nur Degenerationsprodukte der Zellen vorlagen.
Ätiologie der Carcinome. 437
während dies bei anderen Formen wahrscheinlich, wenn auch nicht völlig
sicher ist.
Wenn wir uns nun zu den an gehärteten Objekten gewonnenen Be-
funden wenden, so sind Versuche, die intracellulären Einschlüsse auf
Veränderungen der Zellen und Kerne zurückzuführen, im einzelnen
schon von verschiedenen Seiten gemacht worden. Von Unna (84) für
die Hautcarcinome , welcher an denselben 2 Hauptarten von hyaliner
Veränderung unterscheidet: 1. die diffuse, ungeformte Hyalininfiltra-
tion und 2. die hyalinen , geformten Gebilde. Diese letzteren, die er
nach den verschiedenen Formen, dem Verhalten zum Kern und ihrer
Anordnung in 9 verschiedene Gruppen einteilt, stellen das Hauptkon-
tingent zu den Zelleinschlüssen, die als Protozoen gedeutet wurden.
Török (82, 83) hat nicht ausschliesslich an den Hautcarcinomen die
Auffassung gewonnen, dass folgende verschiedene Dinge Protozoen vor-
täuschen können: 1. die morphologische Dekonstitution nach Pfitzner;
2. Pfitzners chemische Kemdegeneration ; 3. Zelleinschachtelungen;
4. hyahne Degeneration der Krebszellen; 5. vakuoläre Degeneration;
6. Einschlüsse von roten und weissen Blutkörperchen; 7. pathologische
Mitosen; 8. Russeische Fuchsinkörperchen. Stroebe hat in seiner
zusammenfassenden Übersicht noch weitere Zellveränderungen angegeben,
die zur Erklärung der Zelleinschlüsse herangezogen worden sind; und
endhch sei der Arbeit von Schmaus und Albrecht gedacht, welche in
ihren umfassenden Untersuchungen über Karryorhexis darauf hinwiesen,
dass vieles, was als Carcinomparasiten beschrieben ist, in dieses Gebiet
gehört ; ihre Abbildungen bestätigen diese Auffassung durchaus und
geben sogar für die am schwersten zu deutenden Formen von Foä be-
friedigende Aufklärung. Es soll in folgendem noch im einzelnen der Versuch
gemacht werden, die angeblichen Sporozoen auf die verschiedensten Zell-
und Kerndegenerationen zurückzuführen.
Es sind das 1. Kerndegenerationen und zwar a) Degeneration der
Kemmembran, b) Verquellung und Verklumpung des Chromatins (Hyper-
chromatose), c) vakuoläi*e und hydropische Kerndegeneration, d) Karyo-
rhexis, e) Karyolysis; 2. Degenerationen der Kernkörperchen; 3. Auftreten
von Nebenkernen; 4. pathologische indirekte Kernteilungen; a) Absprengung
von Chromosomen , b) Verklumpung der Chromatinfäden ; 5. Degenerationen
des Zellprotoplasmas und zwar schleimige, kolloide, hyaline, hydropische
und vakuoläre, sowie pathologische Verhomungsprozesse ; 6. Einschluss
roter und weisser Blutkörperchen in Zellen; 7. Invagination (Einstülpung
und Einschachtelung) einzelner Zellen in einander; 8. endogene Zellneu-
bildung und unvollendete Zellteilung. Es ist zum Verständnis notwendig
an Beispielen zu zeigen, wie die einzelnen Bilder unter diese verschiedenen
Kategorieen einzureihen sind.
488 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
ad 1 a/ Die Degeneration, besonders Anschwellung der Kemmem-
bran spielt besonders dort eine Rolle, wo Einschachtelungen von Zellen
vorkommen ; gerade die Bilder, die am meisten für die Sporozoen-Coccidien-
natur geltend gemacht und als Sporenkapseln gedeutet werden, sind auf
derartige Veränderungen von Kemmembranen zurückzuführen. Es scheint
dabei, obgleich sich die Vorgänge nicht mit Sicherheit bis ins Einzelne
beurteilen lassen, daes eine Flüssigkeit die Kernmembran vom Kerne ab-
hebt und dass zugleich die Membran, vielleicht durch Aufnahme flüssiger
Substanzen, verdickt wird. Bilder, wie sieSawtschenko (Centrbl. f. Bak-
teriol. Bd. XII, S. 28. Taf. I. Fig. 6 a u. b), Kürschsteiner (Vireh.
Arch. Bd. 130. Taf. XII, Fig. 3), Burchardt (Ebenda, Taf. V, Fig. 5,
10, 14) u. a. abbilden, sind auf diese Weise zu erklären.
ad 1 b u. c. Degenerationen des Kernes selbst. Dieselben sind
verschiedenartiger Natur und von verschiedener Bedeutung. Verklumpung
des Chromatins und Quellung der chromatischen Substanz ist wohl nur
(in seltenen Fällen zur Erklärung heranzuziehen; von grösserer Bedeutung
erscheint schon die vakuoläre und hydropische Degeneration, wobei durch
Auftreten von Lücken der Kern in unregelmässige Abschnitte geteilt wird;
ein Teil der intranukleären Gebilde (z. B. bei Sj ob ring) erlangt so seine
Erklärung. Noch wichtiger scheint der Zerfall und die Zerbröckelung der
Kerne zu sein. Hierdurch können in Verbindung mit QueUung der Kem-
membran und Invagination von Zellen, Bilder entstehen, die in der That
frappante Ähnlichkeit mit gewissen Entwickelungsstadien von Protozoen
besitzen ; namenüich, wenn der Zerfall mit einer gewissen Regelmässigkeit
vor sich geht, entstehen die Bilder, die als Sporulationsvorgänge gedeutet
worden sind, ad 1 d und e. Der Prozess der Karyorhexis ist, wie
die Untersuchungen von Schmaus und Albrecht ergeben haben, mit
den schwersten Formveränderungen der Kerne verknüpft; so kommen
namentlich die verschiedenartigsten Absprengungen von Chromatin vor,
die zur Bildung sichelförmiger und navicellenartiger Gebilde führen (angebl.
Sporen). Die Karyolysis, wie sie Flemming beschrieben, bewirkt
ebenfalls oft eine fast regelmässige Retraktion des Chromatins nach der
Peripherie, Vorgänge, die zur Erklärung von Podwyssozkis Figuren
16 und 17 herangezogen werden können.
ad 2. Die Degeneration von Kernkörperchen, namentlich ihre Ver-
grösserung und ihr Zerfall, haben besonders häufig Anlass gegeben, das
Vorhandensein von intranukleären Parasiten anzunehmen. Unter den Ab-
bildungen von Sjö bring (Fortschr. d. Med. Bd. 8. S. 536) ist namentlich
Fig. 2 und 3 b so zu deuten, auch bei Soudakewitsch (Annales de
rinstitut Pasteur, Bd. VI. Taf. XII) sind Fig. 10 und 19 durch Zer-
bröckelung und Vakuolisierung von Kernkörperchen zu erklären; auch die
Beobachtungen von Thoma gehören hierher. Ich selbst habe besonders
Ätiologie der Carcinome. 489
parasitenähnliche Gebilde in einem primären Lebercarcinom gesehen, die
sicher auf Veränderungen der Kemkörperchen zurückgeführt werden
konnten; bald hatte sich um einen Nucleolus, bald um eine Gruppe von
Kemkörperchen durch Retraktion der chromatischen Substanz und des
Liningerüsts ein kapselartiger Raum gebildet, so dass solche Formen ent-
standen, die mit Sporocysten nicht geringe Ähnüchkeit besitzen, die noch
dadurch erhöht wird, dass diese Kemkörperchen sich isoUert vom Kern
färben lassen (bes. mit sauren Anilinfarbstoffen).
ad 3. Was das Auftreten von Nebenkernen anbetrifft, so können
in der That eine grosse Reihe von Bildern auf diese Weise erklärt werden,
z. B. bei Podwyssozki (Centrbl. f. Bakteriol. Bd. XI. S. 500. Taf. XI)
die Figuren 16, 18, 23, 27, auch bei Sjöbring Fig. 4. Doch ist
über das V^orkommen von Nebenkernen beim Menschen zu wenig bekannt,
als dass mit diesem Erklärungsversuch viel anzufangen wäre. Nach
Eberth (22), der die Gebilde lieber als Pseudokerne bezeichnet wissen
will, handelt es sich um eine Art Verquellung und Verklumpung der Zell-
gerüstfäden. Es ist deswegen auch leicht verständUch, dass diese chemisch
anders wie die Kerne zusammengesetzten Gebilde eine andere Färbung
annehmen, wie die Zellkerne.
ad 4. Pathologische Kernteilungen, besonders Verklumpung und
Absprengung von Chromosomen, haben sicherlich auch öfters zur Ver-
wechselung Anlass gegeben, namenthch wenn daneben noch andere,
ruhende oder in Teilung begriffene Kerne in der Zelle vorhanden waren.
So ist z. B. bei Soüdake witsch Taf. XII. Fig. 5 zu erklären.
ad 5. Zweifellos das grösste Kontingent für die Pseudoprotozoenbilder
liefern die verschiedenartigen Degenerationen des Zellprotoplasmas. Gerade
das Studium dieser Vorgänge zeigt auf das schärfste, dass zum mindesten
ein grosser Teil der als Protozoen gedeuteten Gebilde auf solche Verände-
rungen des Zellinhalts zu beziehen ist. Freilich bleiben immer noch einige
Bildungen übrig, die schwer oder vorläufig gar nicht zu erklären sind.
Am genauesten sind diese Degeneration s Vorgänge an den Carcinomen der
Haut von Unna studiert worden, der sie unter der nicht sehr glück-
lichen Bezeichnung der hyalinen Degeneration zusammenfasst. Diese
Hyalinbildung geht meistens innerhalb der Epithelien vor sich, doch kann
auch die hyaline Substanz ausgeschieden werden. Die Pseudoprotozoen-
bilder entstehen namentlich dann, wenn nicht eine diffuse HyaUninfiltration
vorhanden ist, sondern geformte, scharf umschriebene hyaline Gebilde auf-
treten. Gerade die als Jugendformen der Protozoen sowohl beim Carcinom,
wie bei den anderen oben besprochenen Krankheiten der Haut geschil-
derten Bildungen sind auf diese Hyalinbildung zurückzuführen. Wenn
diese hyaline Umwandlung sich an bestimmte Faserschichten der Haut
anschiiesst, so entstehen besonders leicht diejenigen Formen, welche als
490 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Sporocysten oder auch als Sarkodeformen der Krebsparasiten gedeutet
worden sind; bald treten solche Hyalinbildungen als rundliche Kluinr>en
auf, bald umschliessen sie kreisförmig den Kern, so dass man denken
könnte, in einer kernlosen Epithelzelle läge ein kernhaltiger Parasit ; noch
täuschender werden selbstverständhch die Bilder werden, wenn in einer
zwei- oder mehrkernigen Zelle um einen oder mehrere Kerne das Proto-
plasma sich hyalin umwandelt; gehen dann die Kerne selbst zu Grunde
und verkleinern sich, so können wohl schliesslich solche Bilder entstehen,
wie sie Sjöbring auf Taf. IV, Fig. 14 und Podwyssozki auf
Taf. VII, Fig. 2 zeichnet. Doch können diese Bilder, wie weiter unten
noch gezeigt werden soll, auch noch anders erklärt werden. Dagegen ist
Fig. 4 bei Sjöbring sicherlich in dieser Weise aufzufassen. Legt sich
endlich um den hyalinen kernhaltigen Klumpen eine zweite hyaline
Schale, so entstehen die als Sporocysten gedeuteten Bilder, am leichtesten
natürlich, wenn man es mit einer mehrkemigen Zelle zu thun hat oder
eine Invagination stattgefunden hatte; bleibt dabei, wie es mitunter vor-
kommt in der Peripherie die Epithelfaserung erhalten, so bekommt mau
die eigentümliche Streifung zu sehen, wie sie Soudake witsch an ver-
schiedenen Stellen (vergl. bes. Taf. VII, Fig. 7. 11, 14) abbildet und
auch ein Teil der Beobachtungen von P. Foä (Centrbk f . BakterioL Bd. XII.
Taf. 3. Fig. 3 u. 7) mag hierher gehören. Jedenfalls sind die Abbildungen
von Podwyssozki (Taf. VII, Fig. 15 a u, b) sicher in der angedeuteten
Weise zu deuten. Schliesslich kommt es auch vor, dass eine Art von
hyaliner Quellung die p]pithelfasern befällt, so dass langgezogene spiralig-
gewundene , keulen- und kaulquappenförmige Gebilde entstehen , die bald
auf eine Epithelzelle beschränkt bleiben, bald, wenn die Degeneration die
von einer zur anderen Zelle übertretenden Fasern ergreift, sich durch
mehrere Zellen erstrecken können. Es kommen dann, vor allem wenn
daneben noch andere Veränderungen der Zellen und Kerne sich etablieren,
die abenteuerlichsten Bildungen zustande, die zu den Beobachtungen
Korotneffs und Kurloffs Veranlassung gegeben haben. Endlich
scheint auch ein körniger Zerfall der Epithelfasern vorzukommen, der
schon bei geringeren Graden pathologischer Verhomung eintritt und
die Granulierung des Protozoenleibes vortäuscht, die namentUch bei den
bekannten Zelleinschlüssen des Epithelioma contagiosum geschildert sind.
Diese Veränderungen der Carcinomepithelien kommen aber nicht niu-
in Hautkrebsen, sondern auch in den Carcinomen anderer Organe vor,
wenngleich sie an Hautkrebsen am schärfsten ausgesprochen sind. Dort,
wo Epithelfasern fehlen, können ähnliche Gebilde, so auch die leichte
Streifung der Zelleinschlüsse durch Veränderungen der Zellgranula hervor-
gerufen werden.
ad 6. Der Einschluss von weissen und roten Blutkörperchen, der
Ätiologie der Garcinome. 491
Damentlich in älteren und zerfallenden Krebsen nicht selten vorkommt,
ist ebenfalls geeignet eine Reihe der oben geschilderten Beobachtungen
zu erklären, zumal beide Arten von Blutkörperchen meistens in Vakuolen
der Zellen liegen und sekundären Veränderungen anheimfallen. Die Leuko-
cyten zeigen leicht die Veränderungen der Karyolysis und bald gleich-
massiger, bald ungeordneter Retraktion des Chromatins, so dass solche
Bilder zustande kommen, wie sie Podwyssozki auf Tal VII u. VIII,
Fig. 10, 17 u. 24 abbildet. Rote Blutkörperchen, die natürUch nicht selbst-
ständig in die Zellen einwandern können, werden vor allem bei der Bildung
mehrkerniger Carcinomzellen leicht von dem Protoplasma derselben um-
schlossen; sie hegen deswegen auch meist von einer scheinbaren Kapsel
umgeben und fallen bei Färbung mit sauren AnilinfarbstofEen durch ihre
verschiedene Färbung auf; sie können dann leicht für die Jugendstadien
von Protozoen gehalten werden.
ad 7. Dieser Punkt hat nächst Nr. 5 und 8 wohl die grösste Be-
deutung für unsere Frage. Was zunächst die Einschachtelung und In-
vagination von Zellen in einander anbetrifft, so spielt dieser Vorgang ja
bekanntermassen besonders bei den Plattenepithelkrebsen der Haut und
Schleimhäute eine grosse Rolle, Ribbert, auch Karg und Török
haben dann neuerdings gezeigt, wie gerade durch diese Vorgänge parasiten-
ähnliche Bilder erzeugt werden. In der That ist es ja auffallend, dass die
angeblichen Sporozoen vor allem in der Mitte der sogen. Krebsperlen auf-
gefunden werden. Bei der Invagiuation der Zellen beginnt der Vorgang
damit, dass eine oder mehrere Zellen von ihren Nachbarn umfasst und
schUesslich eingeschachtelt werden ; dann stülpt sich das Protoplasma einer
Zelle in das der anderen ein, bis es schliessUch ganz in die andere Zelle
zu liegen kommt. Dabei gehen eine Reihe von Veränderungen an dem
Protoplasma und dem Kern, auch den Kernkörperchen der eingeschlossenen
Zellen vor sich, die zur Bildung rundlicher granuUerter Körper führen
können, die in einer Vakuole der Wirtszelle liegen und dann leicht für
Sporozoen gehalten werden können. Eine grosse Reihe der Abbildungen
von Korotneff sind in dieser Weise zu erklären. Es geUngt aber
bei zweckmässiger Untersuchungsmethodik meist sehr leicht den Nachweis
zu führen, dass diese Gebilde nicht parasitärer Natur sind. Denn fast
immer kann man — namentlich bei Anwendung der Ben eck eschen Fär-
bung — eine Epithelfaser ung nachweisen.
ad 8. Wenn auch eine richtige endogene Zellbildung nirgends mit
Sicherheit nachgewiesen ist, so ist doch die ungleichmässige und unvoll-
endete Zellteilung von grosser Bedeutung. Sie kommt in allen rasch
wachsenden und stark wuchernden Geschwülsten — also besonders Carci-
noraen und Sarkomen — sehr häufig vor und führt zur Bildung der ver-
schiedenartigsten Formen von mehrkemigen Zellen und echten Riesenzellen.
492 Allgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
Es liegt auf der Hand, dass die Bilder dann besonders abenteuerlich werden I
müssen, wenn die Grosse der zahlreichen Kerne in einer Zelle grosse Diffe-
renzen aufweist und 2. an dem Protoplasma regressive Metamorphosea
auftreten. Es ist nun besonders auffallend, wie die angeblichen Parasiten I
hauptsächlich in sehr grossen, mit äusserst chromatinreichen Kernen ver-
sehenen Zellen vorkommen. Cornil hat vor allem diesen abnormen Kern-
bildungen und -teilungen in den Krebszellen genaue Aufmerksamkeit geschenkt i
und bereits gescliildert, wie bei dem Auftreten sehr grosser Mitosen, aus einem
Teil der Schleifen früher ein Kern sich bildet, wie aus dem Rest des Keru-
filamcnts. Man sieht dann einen grossen Kern in dem einen Teil des Zell-
protoplasmas eingeschlossen, während in dem anderen Teile der Zelle
hydropische, traubenförmige Kerne oder endlich eine Reihe von kleinen
Kernen liegen^). Da bei diesen ungleichmässigen Teilungen der Kerne
auch das Protoplasma leiden kann, so bilden sich um die sekundären Kerne
kleine kapselartige Lücken oder auch Verdichtungen des Zellinhalts, so
dass die Bilder entstehen, welche zu der Deutung Veranlassung geben
müssen, dass in einer Wirtszelle eine grosse Reihe von sporuUerenden
Parasiten liegen; Bilder, wie wir sie bei Podwyssozki in Fig. 13 uinl
14, bei Sjöbring in Fig. 12 sehen.
Wenn auch dieser Versuch, die als Carcinomprotozoen gedeuteten Bilder
auf Zellveränderungen zurückzuführen, nicht vollständig erschöpfend ist, in-
dem in der That Formen übrig bleiben, für die wir noch nicht ohne
weiteres eine Erklärung geben können, so liegt es doch auf der Hand,
dass wir hieraus keine Gründe für die Protozoennatur entnehmen können,
sondern im Gegenteil es für wahrscheinlich halten müssen, dass auch die
Gebilde, welche wir vorläufig noch nicht unter bekannte Degenerations-
formen einreihen können, auf Zellveränderungen zurückzuführen sein werden.
— Einige Bemerkungen seien hier noch über die von vielen Seiten ins
Feld geführte Metachromasie gemacht.
Die Metachromasie, die von vielen Seiten zum Beweise ins Feld ge-
führt worden ist, ist dazu, wie auch von einigen Anhängern der Proto
zoenätiologie des Krebses (Sawtschenko) anerkannt wird, durchaus un-
geeignet. Zunächst bezieht sich die abweichende Färbbarkeit von Protozoen
durchaus nicht auf alle, und bei diesen nicht auf alle Entwickelungsstadien
und vor allem nicht auf ihren Kern. Die Sarkosporidien z. B., denen ja
die Carcinomprotozoen sehr nahe stehen sollen, besitzen Kerne, die sieh
genau ebenso färben, wie die der Zellen des Wirtes; ebenso färben sicli
1) Es sei hier aasdrücklich bemerkt, dass diese Art der Zellteilang keineswegs
spezifisch fdr die Carcinome ist, sondern anch nicht selten bei Sarkomen vorkommt. Es
ist deswegen auch nicht verwunderlichi dass die gleichen «Sporozoen*, wie bei Carcinom,
anch bei Sarkomen beschrieben worden sind: vgl. z. B. Pawlowski.
Ätiologie der Carcinome. 493
auch die Kerne des Coccidium oviforme, wenn die Färbung im gehärteten
Präparate überhaupt gehngt, genau ebenso wie die der GallengangsepitheUen,
freihch meist etwas schwächer. Nur der Zellinhalt , der allerdings oft am
meisten auffällt , zeichnet sich in bestimmten Entwickelungsstadien durch
seine Affinität zu sauren Anilinfarbstoffen aus, was von dem Gehalt an
Paraglykogen herrührt. Aber die Körner, die z. B. auch bei Klossia
reichhch vorhanden sind und auch bei Myxosporidien vorkommen, wie ich
namentlich in der Froschniere beobachtet habe, sind keineswegs charakte-
ristisch für die Protozoennatur; denn sie finden sich oft sogar in gleicher
Anordnung in Leukocyten und Bindegewebszellen des Wirtstieres. Die
Metachromasie, die von den verschiedenen Autoren in den Pseudo-
protozoen der Carcinome beschrieben wird, ist aber viel mannigfaltiger,
als wir sie bei irgend einer Form von gut gekannten Protozoen sehen;
sie ist ebenso mannigfaltig, wie irregulär; sie ist tliatsächlich aber in
ihrer Mannigfaltigkeit nur auf folgende Weise zu erklären. In den
Kernen der verschiedenen Zellen sind eine Reihe von verschiedenen che-
mischen Körpern vorhanden, deren verschiedene Färbbarkeit durch die
Untersuchungen von Kossei, Posner und Lilienfeld festgestellt worden
sind. Die Kemsubstanz — Nukleohiston — besteht aus Nu kl ein, einem
Phosphorproteine und Histon, einem Albuminate; das Nuklein zerfällt
wieder in Nukleinsäure und in Albumin. Bei Färbung dieser Körper mit
der Ehr lieh sehen oder Bio ndi sehen Triacidlösung — und diese oder ähn-
liche Lösungen wurden ja gerade bei den Untersuchungen über die Car-
cinomparasiten mit Vorhebe angewendet — zeigt es sich nun, dass das
Histon röthch gelb, das Nuklein blau und die Nukleinsäure grün gefärbt
wird. Weiter sind aber in dem Zellinhalte der verschiedensten Zellen —
schon unter normalen, vor allem aber unter pathologischen Verhältnissen —
Substanzen vorhanden, die ebenfalls eine sehr verschiedene Affinität zu
den basischen und sauren Farbstoffen besitzen. Endlich ist es lange be-
kannt, dass die Kemkörperchen eine viel grössere Affinität zu sauren
Anilinfarbstoffen besitzen, wie die Kerne. Auf Grund dieser Auseinander-
setzungen ist es bereits klar, dass bei pathologischen Veränderungen der
Kerne und Kemkörperchen, die ja mit chemischen Alterationen verbunden
sind, die mannigfaltigsten und inkonstantesten Metachromasieen eintreten
müssen. Erhöht kann dies noch werden, wenn kolloide, hyaüne und
schleimige Degenerationen am Zellprotoplasma auftreten, die wiederum
ein verschiedenartiges Verhalten zu Farbstoffgemischen zeigen. Das Er-
gebnis dieser Untersuchungen über die Metachromasie kann daher nur
sein, dass sie, weit entfernt die Protozoennatur der metachromatischen Körper
zu beweisen, geradezu den umgekehrten Wahrscheinlichkeitsbeweis liefert,
dass es sich um die verschiedenartigsten Degenerationsvorgänge der Zellen
handelt.
494 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Aus allen diesen Gründen kommen wir zu dem Ergebnis, dass
I. die Protozoennatur der in Carcinomen beschriebenen Ge-
bilde keineswegs bewiesen, vielmehr ihre Entstehung durch
die verschiedensten Zell-, Kern- und Kernkörperchen-Dege-
nerationen der Hauptsache nach sicher gestellt ist, dass 2. bis
jetzt noch keine Analogieen dafür vorliegen, dass durch Proto-
zoen epitheliale Tumoren entstehen können und 3. eine Reihe
von Gründen allgemein-pathologischer Natur überhaupt da-
gegen sprechen, dass die Krebsentwickelung direkt auf
Wirkung parasitärer Organismen beruht. — Unter solchen Um-
ständen wird man wohl nicht eher zu einem andern Urteil kommen können,
als bis zum mindesten an frischen Objekten lebende Organismen gefunden
sind, deren Entwickelungsgang in einwandsfreier Weise sowie unter Zuhilfe-
nahme verschiedener Objekte dargelegt ist. Dass natürlich durch gelungene
Züchtungen und Übertragungen noch sicherer ein Beweis erbracht werden
könnte, ist selbstverständlich; aber ich halte es für zu weit gegangen, derartige
Züchtungen unbedingt zu verlangen, da es sicher imgemein schwierig und
vielleicht unmöglich ist, eine Vermehrung parasitärer Protozoen ausserhalb
des Tierkörpers zu erzielen.
jj) Allgemeine und lokale Disposition.
Litteratur.
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Gyn&k. Bd. XVI. Nr. 40.
Seitdem Virchow (12) in seinem grundlegenden Geschwulstwerke
den auch für das therapeutische Vorgehen so bedeutsamen Gedanken ver-
treten hatte, dass auch die Krebskrankheit nur eine lokale Erkrankung
darstellt und die Allgemeinerseheinungen nur Folgen der lokalen Zellor-
krankung sind, ist die Auffassung von einer besonderen Disposition für
Ätiologie der Carcinome. 495
Krebserkrankung immer mehr in den Hintergnmd gedrängt worden. Die
Lehre Rokitanskys von der Ausschliessung zwischen Krebs und Tuber-
kulose beruhte bekanntlich auf der humoralpathologischen Vorstellung,
dass beide Krankheiten einer verschiedenen Dyskrasie ihren Ursprung ver-
danken. Die Versuche, diese Lehre ins Cellularpathologische zu übertragen,
sind bis jetzt nicht gerade sehr glücklich gewesen. F. W.Ben ecke (2)
glaubte, dass Individuen mit weitem Aortensystem für Carcinom, solche
mit engem für Tuberkulose disponiert sind. Andere Autoren, wie Paget
(8) sprechen von einer Neigung des Blutes, krebsiges Material zu bilden;
Bailance und Shattock, v. Esmarch, Gross nehmen allgemein eine
gewisse Prädisposition der Gewebe an, ohne den Versuch zu machen, diese
Disposition näher zu bestimmen. Hauser (5) hält eine Disposition für mög-
lich, hebt aber hervor, dass sie uns ihrem Wesen nach völlig unbekannt
sei. E. Wagner (13) hat ebenfalls ausgeführt, wie wenig Positives bisher
der Lehre von den Konstistutionsanomalien zu Grunde liegt und meint viel-
mehr, dass eine Gesamtheit von einzelnen Momenten in Betracht kommt,
von denen er eine Reihe anführt. R. Be necke (3) hält an der Bedeutung
der Allgemeindisposition fest und versteht darunter die biologische Leistungs-
fälligkeit der Gesamtsumme der Zellen, deren Ausdruck wir in dem Masse
der Reaktion gegen die eine Krankheit verursachenden Momente, in ihrem
leichteren oder schwereren Erkranken etc. erblicken. Er giebt ferner zu,
dass es vorläufig unmöglich sei, die Lehre seines Vaters anzuerkennen, da
der Durchmesser der Aorta kein genügend sicheres Kriterium für die
Gesamtleistung der Zellen darstellt. — Ich glaube, es kommt noch der
weitere wichtige Punkt hinzu, dass die Weite der Blutgefässe von sehr vielen
Faktoren abhängig ist und die Weite, welche wir bei der Sektion eines an
Krebs oder Tuberkulose verstorbenen Individuums finden, durchaus nicht
der ursprünglichen Weite zu entsprechen braucht. — Für die Frage, ob
eine allgemeine carcinomatöse Disposition vorausgesetzt werden muss, sind
auch die Beobachtungen über multiple Carcinome zu verwerten. Man hat
die relative Seltenheit solcher Vorkommnisse gegen die Dispositionslehre
augeführt; aber thatsächüch ist das doch nur möglich gegenüber der humoral-
pathologischen Lehre; während ja die neuere Auffassung die Dispositions-
lehre nur insoweit verwertet wissen will, um zu erklären, warum nach schein-
bar gleichen chronischen Reizen das eine Mal ein Carcinom sich entwickelt,
das andere Mal nicht Von solchen mehrfachen Carcinomen kommen nun
allerdings diejenigen nicht in Betracht, welche nur als Impfcarcinome auf-
zufassen sind, wie Schimmelbusch (11), Bucher (4), Hauser und
Pfannenstiel (9) neuerdings welche beschrieben haben, sondern nur die-
jenigen verdienen Berücksichtigung, welche völlig unabhängig von einan-
der entstehen. So hat Abesser (1) neben einem Plattenepithelkrebs der
Zunge ein Cylinderzellencarcinom des Jejunum beobachtet. Podrouzök
496 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
(10) fand neben Cylinderzellenkrebs des Magens ein Carcinoma gelatinosum
des Coecum; Löhlein (7) bei doppelseitigem Ovarialkrebs ein primäres
Drüsencarcinom der Uterusschleimhaut; Kaltenbach (6) berichtet über
doppelseitiges Tubencarcinom; Zeiss (14) teilt sogar einen Fall mit, der
vielleicht als dreifaches Carcinom angesehen werden kann; bei einer i%
jährigen Frau entwickelte sich drei Jahre nach der recidivfreien Entfernung
eines Kankroids der grossen Schamlippe ein Carcinom der Brustdrüse, zu
dem sich nach weitereu zwei Jaliren ein inoperables Carcinom der Portio
uteri gesellt hatte. Mandry hat eine Reihe von voneinander unabhängiic
entstandenen Hautcarcinomen beschrieben. — Ich selbst habe ebenfalls eine
Reihe von doppelten Carcinomen beobachtet, die demnächst von einem
meiner Schüler näher beschrieben werden sollen, und von denen das Fol-
gende prinzipielles Interesse darbietet. Bei einem Manne sass im Ösophagus
in der Höhe der Bifarkation ein grosses cirkuläres carcinomatöses Ge-
schwür (verhornender Plattenepithelkrebs); im Magen dicht an der Cardia
ein breiter, lappiger, in der Mitte etwas zerfallener Tumor, der sich mikro-
skopisch als ein typisches Carcinoma adenomatosum ergab. Man könnte
durch solche Fälle dazu verführt werden, die Dispositionslehre in der Weise
festzuhalten, dass man annimmt, dass zwar nicht die erste Anlage, aber
das destruierende Wachstum der Carcinome von einer allgemeinen Dispo-
sition abhängig ist; indem man die Auffassung vertreten könnte, dass die
in Lymphspalten vordringenden und zu Metastasen Anlass gebenden Zellen
nur deswegen nicht zerstört werden, weil die normale Resorptionsfähigkeit
des Körpers herabgesetzt ist. — Inwiefern sonst allgemeine Momente (Nali-
rung, Klima, Stand etc.) von Wichtigkeit für das Auftreten des Carcinoms
sind, ist noch sehr wenig erforscht. Die Auffassung F. W. Ben eck es,
dass bei einem Überschuss der Säfte an stickstofBialtigen Bestandteilen und
phosphorsauren Salzen Disposition für Carcinom bestehe, ist wohl kaum
haltbar; Haus er weist z. B. darauf hin, dass Hautkrebse besonders häufig
bei Landleuten und Proletariern vorkommen, bei denen Fleisch nicht zu
den täglichen Speisen gehört und von einer üppigen, an Proteinsubstauzen
reichen Nahrung keinesfalls die Rede sein kann. Hendley führt an, dass
nach seinen Beobachtungen an Indiern unter 102 Krebskranken 61 aus-
gesprochene Vegetarianer gewesen sind. Haeberlin hat für die Eut-
wickelung des Magenkrebses weder einen Einfluss der Ernährung, noch
des Berufes oder Standes oder der Jahreszeiten feststellen können; Steiner
giebt dagegen für den Zungenkrebs an, dass er in 70*^/o aller Fälle bei den
Angehörigen der besseren Stände gefunden wird; Erichsen behauptet,
dass Krebs in kalten Gegenden unbekannt, in heissen wenig bekannt, in
den Ländern der mittleren Zone am häufigsten sei. — Doch sind alle diese
Dinge noch sehr wenig erforscht. — Auch Fiessinger behauptet, dassiin
hohen Norden und Süden der Krebs selten sei und ein gewisser Einfluss
Ätiologie der Carcinome. 497
des Wassers auf Verbreitung der Krankheit nachweisbar sei. Was die
Organdisposition anbetrifft, so ist es auffallend, dass namentlich die Carci-
nome des Ovariuras so häutig doppelseitig auftreten, so dass man fast von
einer Systemerkrankung sprechen könnte; so berechnet z. B. Pf an neu-
st iel für das papilläre Carcinoma adenomatosum des Ovariums 68,4®/o
doppelseitiges Auftreten. — R. Benecke hat die Vermutung ausgesprochen,
dass auch die örtliche Disposition der einzelnen Körperteile mit den ört-
lichen Verschiedenheiten der Aufgabe und Leistung zusammenhängen könne.
Chronischen Reizungen gegenüber wären sicher die Epithelien verschiedener
Stellen ganz verschieden beanlagt, der Hand- und Fussrücken anders als
Handteller und Fusssohle; der unbewegliche Epithelbelag des Gaumens
anders als das Epithel der leicht bewegUchen Zunge. Es ist daher inter-
essant, festzustellen, dass sich traumatisch veranlasste Krebse gerade an
jenen, vielleicht weniger erregbaren Stellen ausserordentUch selten ent-
wickeln, obgleich sie doch gerade wiederholten Reizen und Traumen beson-
ders ausgesetzt sind.
^) Umwandlung gutartiger Neubildungen in Carcinome
Litter atur.
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Dickdarm- u. Rektalschleimhaut neben Carcinoma recti. Arch. f. klin. Ghir. Bd. 41. 1891.
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Ctbl. f. Gynftkol. Bd. 16. Nr. 27.
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Wochenschr. 1890. Nr. 1—4.
4. Franke, Beitrag zur Geschwulstlehre. Virch. Arch. Bd. 121. S. 187.
5. Häuser a. a. 0.
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entwickelung. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 55. S. 429.
7. Klebs, Die allgera. Patfaol. Bd. II.
8. Lubarsch, Virch. Arch. Bd. 111.
9. Pfannenstiel, Ober die papillären Geschwülste des Eierstocks. Arch. f. Gynäkol.
Bd. 48.
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15. Semon, F., Die Frage des Übergangs gutartiger Kehlkopfgeschwülste in bösartige etc.
A. Hirschwald. Berlin 1888; femer Intra-laryngeal surgery and malignant disease of
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16. Thost, Deutsch, med. Wochenschr. 1888. Nr. 34.
17. Volkmann a. a. 0.
Ob gutartige Neubildungen sich in Carcinome umwandeln können
ist eine Frage, die sehr verschieden beantwortet ist. Nicht wenig Autoren
Lubarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteil. II. 32
498 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
betrachten es als völlig bewiesen, dass eine krebsige Umwandlung gut-
artiger Neubildungen vorkommt; insbesondere sollen einfache Polypen und
Papillome leicht „krebsig*' degenerieren, wie z. B. Klebs (7) annimmt.
Auch Ribbert (12) spricht von Schleimhautpolypen, „deren Übergang in
Carcinome bekanntlich nicht selten ist". Cohn hat von den papillären
Adenomen des Eierstocks sogar behauptet, dass sie ausnahmslos in gewisser
Zeit krebsig entarten müssten. Rapok (11) glaubt feststellen zu können,
dass sich unter 309 Gesichts- und Lippenkrebsen 182 aus Warzen ent-
wickelten, während Volk mann (17) doch nur llmal unter 223 Fällen
von Extremitätenkrebs eine Entwickelung aus angeborenen Malern fest-
stellen konnte. Dass aber eine carcinomatöse Entartung, nach allem, was
wir in Kapitel 1 und 2 auseinandergesetzt haben, überhaupt nur für epi-
theliale Tumoren diskutierbar ist, sei gegenüber Ehrendorf er (2) be-
merkt, welcher primäre carcinomatöse Entartung von Uterusmvomen
beobachtet haben will. Andere Autoren halten dagegen eine Umwand-
lung von gutartigen epitheüalen Neubildungen in Carcinome für sehr
selten oder überhaupt noch nicht für völlig bewiesen. Schaf st ein (13)
giebt an, dass unter 989 Fällen von Mammakrebsen 23 aus Adenomen
entstanden waren = 2,3 °/o, Thost (16) hält den Übergang von Kehl-
kopfspapillomen in Carcinome zwar für möglich, aber jedenfalls für sehr
selten; B. Fränkel (3) meint, dass t'bergangsformen von Papillomen zu
Krebsen vorkommen, die aber auch nur Ausnahmebefunde darstellen.
Pfannenstiel (9) will zwar nicht leugnen, dass eine carcinomatöse Degene-
ration von Ovarialadenomen vorkommen kann, er weist aber darauf hin,
dass das jedenfalls viel seltner ist, als angenommen wird und viele papilläre
Ovarialadenome viele Jahre lang bestehen bleiben, ohne jemals eine krebsige
Veränderung aufzuweisen. Am eingehendsten ist die Frage jedenfalls
durch die von Semon angeregte Sammelstatistik für die Kehlkopfstumoreu
untersucht worden. Hier ergab sich nach den Angaben der befragten
Ärzte, dass unter 10774 Fällen überhaupt nur 45mal ein scheinbarer Über- ,
gang in Carcinome stattgefunden hat. Semon (16) weist im einzelnen nach, i
dass von diesen 45 Fällen noch 33 Fälle zweifelhaft sind, so dass nur 12 '
einigermassen sichere Fälle übrig bleiben; aber auch bei diesen möchte
ich noch einige Zweifel nicht unterdrücken, zumal mehrfach die histologischen
Angaben zweifelhaft sind und auch die Untersuchung der zur Probe exci-
dierten Stücke nur einmal vorgenommen wurde. In dieser Beziehung ist
der Fall von Semon sehr lehrreich, indem er in einem zuerst entfeniteu
Stück eines Stimm bandtumors das mikroskopische Bild einer gutartigen
Warze fand, während in einem 5 Tage später excidierten Stück das deut-
liche Bild des Kankroids vorhanden war. Man wird nach den Ergebnissen
dieser Sammelforschung die Umwandlung gutartiger Kehlkopfstumoren in
Carcinome zum mindesten für eine excessive Seltenheit erklären müssen.
I
Ätiologie der Carcinome. 499
Auch bei anderen, einzelnen Mitteilungen, wie denen vonPomorski (10)
und Seeger (14) (Umwandlung einer Dermoidcyste in Carcinom), femer
den Fällen von Franke (4), wo sich bei einem 4()iährigen Manne 2 Athe-
rome in Carcinome umgewandelt haben sollen, ist deswegen immer noch
ein Zweifel gestattet, weil die histologischen Beschreibungen nicht genau
genug sind; bei der Kombination der Dermoidcysten mit Carcinom ist ja
eine genaue histologische Untersuchung besonders notwendig.
Wenn wir von einem allgemeinen Standpunkt aus ein Urteil über
die Umwandlungsfrage abgeben wollen, so können wir weder zu einem
rund bejahenden noch zu einer verneinenden Antwort kommen. Hierüber
würde man erst dann a priori ein Urteil fällen können, wenn wir über
das Wesen und die Ursachen der krebsigen Neubildungen besser aufge-
klärt wären , als das bisher der Fall ist. So können wir nur sagen , dass
man die Möglichkeit einer derartigen Umwandlung zugeben muss, vom
Standpunkt jeder Theorie, die bisher für die Krebsbildung aufgestellt ist.
Gleichviel ob man chronische Reizwirkung, besondere Disposition oder
Mikroorganismen als das wesentlichste ätiologische Moment ansieht, immer
werden wir es dann für möglich halten müssen, dass diese besonderen
Momente auch auf eine bereits bestehende epitheliale Neubildung einwirken ;
und so würde es sicherlich verkehrt sein, a priori die Möglichkeit einer
derartigen Umwandlung abzulehnen. Anders verhält es sich aber mit
unserem Urteil im einzelnen Fall. Hier müssen mehrere Punkte berück-
sichtigt werden. Pfannenstiel hat mit Recht darauf aufmerksam ge-
macht, dass jedes Carcinom mit gewahrtem Drüsentypus notwendigerweise
ein Stadium durchmachen muss, in dem es einem Adenom gleicht ; da das
Hauptoharakteristikum für die carcinomatöse Beschaffenheit das schranken-
lose Wachstum und der Durchbruch der physiologischen Grenzen ist,
können wir in einem bestimmten Stadium — selbst unter Zuhilfenahme
der feinen histologischen Strukturen — nicht entscheiden, ob ein Tumor
noch adenomatös, oder bereits bösartig, carcinomatös ist. Das beste Bei-
spiel hierfür bieten ja die metastasierenden Adenome der Schilddrüse,
welche in ihrem histologischen Bau durchaus mit gutartigen Adenomen
übereinstimmen, sich biologisch aber genau wie Carcinome verhalten. Wie
lange sich nun ein Carcinom in dem adenomatösen Stadium halten kann,
wie lange es überhaupt dauert, bis es die physiologischen Grenzen durch-
bricht, das zu beurteilen fehlen uns bisher alle Anhaltspunkte und auch
aus der Grösse können wir nicht ohne weiteres auf ihr Alter schliessen,
zumal die Schnelügkeit des Wachstums auch von Nebenumständen ab-
hängig sein kann imd jedenfalls nicht in allen Organen die gleiche
ist. Wissen wir doch, dass manche Carcinome in wenigen Monaten zu
mächtiger Grösse heranwachsen und zum Tode führen, während in anderen
Fällen sich die Krebskrankheit auf 10, 15, 18 Jahre (Billroth) hinzieht;
32*
500 AUgem. pathol. Morphologie and Pathologie.
ja Williams beschreibt sogar einen Fall von Ulcus rodens, in dem sich die
Erkrankung vom 14. — 36. Lebensjahre, also 22 Jahre hinzog. In anderen
Fällen sehen wir, dass auch ganz kleine Tumoren bereits deutUch carei-
nomatös sind und nicht mehr mit einem adenomatösen oder papilloma-
tosen Tumor verwechselt werden können; vgl. z. B. den von mir oben er-
wähnten Fall eines knapp linsengrossen Ileumkrebses. Wenn man also
Fälle zu Gesicht bekommt, in denen ein exstirpierter Tumor die Struktur
eines Adenoms besass und nach einiger Zeit an der gleichen Stelle eine
carcinomatöse Neubildung entsteht, so wird man wohl berechtigt sein, auch
den ersten Tumor für das noch adenomatöse (oder papillomatöse) Stadium
eines Carcinoms zu erklären. Aber selbst wenn man einen langsam wach-
senden Tumor beobachtet, der mit allen klinischen und anatomischen
Eigenschaften des Adenoms ausgestattet ist und eine solche Neubildung
nach einiger Zeit den anatomischen und klinischen Charakter ändert und
carcinomatös wird, bleibt noch die Auffassung übrig, dass es sich von
vornherein um eine carcinomatöse Neubildung gehandelt hat, bei welcher
nur das Durchgangsstadium ungewöhnlich lange dauerte. Ich will kemes-
wegs für eine solche Auffassung eintreten; aber sie ist so lange möglicli.
als wir noch nichts Bestimmteres über das Wesen des Carcinoms wissen.
Alle diese Erwägungen kommen namentlich in Betracht bei den inter-
essanten Fällen von multiplen adenomatösen Dickdarmpolypen, kombiniert
mit Rektumcarcinom , wie sie Barden heuer (1) und Hauser (6) be-
schrieben haben und wozu wohl auch ein von Lubarsch (8) beschriebener
Fall gehört. In diesen 3 Fällen, wozu noch 2 von Hauser bereits früher
kurz erwähnte Fälle gehören, bandelte es sich um ausserordentüch zahl-
reiche, warzige und polypöse Wucherungen der Dickdarmschleimhaut,
(nur in einem Falle von Hauser und den von Lubarsch waren auch
vereinzelt Neubildungen im Dünndarm vorhanden) neben denen Carcinome
des Rektum vorhanden waren (nur in dem Fall von Lubarsch, bei einem
ö2 jährigen Mann, war noch kein ausgesprochenes Rektumcarcinom vor-
handen; wohl aber fand sich im Rektum ein viel grösserer, mächtigerer
Polyp mit breiter Basis, der bei mikroskopischer Untersuchung zahlreiche
atypische Epithelwucherungen darbot und bereits stellenweise der Mem-
brana propriä entbehrte; mögUcherweise also ein beginnendes Carcinoni
gewesen ist). Hauser hat nun besonders eingehend auseinanderge-
setzt, inwiefern sich diese multiplen Polypen von den auf entzündlicher
Basis entstandenen, vereinzelt auftretenden Darmpapillomen unterscheiden:
1. verhält sich das Schleimhautbindegewebe völHg passiv; 2. zeigen die
einfachen schlauchförmigen Drüsen des Dickdarms, Ausbuchtungen und
Seitensprossen, wodurch kompHziertere , verzweigte Drüsenkomplexe ent-
stehen, und schliesslich auch das Epithel mehrschichtig wird; 3. endlich
nimmt das Epithel stellenweise völhg polymorphen Charakter an und
Metastasen und Recidive. 501
zeigt nirgends Schleimbildung. Es haben also die Zellen ihre physio-
logische Funktionsfähigkeit zugleich mit den morphologischen
Veränderungen verloren; während es sich bei den gewöhnlichen Schleim-
hautpolypen um einfache Drüsenhypertrophieen mit Erhaltung oder selbst
Steigerung der physiologischen Funktion handelt. Über das Verhältnis,
das zwischen diesen atjrpischen Polypen und dem Krebs steht, ist eine
Entscheidung so leicht nicht herbeizuführen. Hauser hat selbst die
Frage erörtert, ob nicht die zahlreichen atypischen Polypen bereits als
beginnende Carcinome betrachtet werden müssten ; diese Ansicht aber des-
wegen abgelehnt, weil nach allem, was w4r bisher wissen, die Existenz
einer so ungeheuren Anzahl primärer Krebse wenig Walirscheinliches für
sich hat; femer nirgends, auch bei den grösseren Polypen nicht, ein Durch-
bruch der physiologischen Grenzen nachweisbar war und auch wenigstens
graduelle Unterschiede in der Struktur zwischen den Epithelien des Car-
cinoms und der Polypen bestanden. Er glaubt daher, dass es sich um
von einander unabhängige Neubildungen handelt und dass höchstens die
Beziehungen zwischen den adenomatösen Wucherungen und dem Carcinom
bestehen, dass sie infolge ihrer Epithelbeschaffenheit und des chronischen
ßeizzustandes, in dem sie namentlich in den tieferen Abschnitten des
Dickdarms durch die fortwährende Einwirkung mechanischer Insulte er-
halten werden, eine erhöhte Disposition zur Krebsbildung besitzen. Aber
auch hier muss man doch zugeben, dass die Hauserschen Gründe
nur relative Beweiskraft besitzen; es handelt sich eben thataächlich nur
um graduelle Unterschiede und nicht um prinzipielle und deswegen könnte
man wohl die Möglichkeit aufstellen, dass der im Rektum befindliche
deutlich carcinomatöse Tumor, als der älteste, bereits das adenomatöse
Durchgangsstadium überwunden hatte; und auch der Einwand, dass das
Vorhandensein so vieler primärer Krebse ein unerhörtes Ereignis wäre,
ist kein prinzipieller; weil zwischen dem nachgewiesenen Vorkommen von
2 oder 3 primären Carcinomen und dem etwaigen Vorkommen von 1000
primären Krebsen ebenfalls nur ein gradueller Unterschied besteht. Man
sieht demnach, wie die Entscheidung der Frage von dem Übergang gut-
artiger epithelialer Neubildungen in carcinomatöse innig mit der Frage von
dem Wesen der Krebsbildung verknüpft ist und deswegen vorläufig nur
subjektiv beantwortet werden kann. Wir werden daher im Kapitel 7 noch-
mals darauf zurückkommen.
4. Metastasen und Recidive.
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30. Weil, Zur Carcinomrecidtve nach Totalexstirpation des Uterus. Prag. med. Wochenschr.
1893. N. 6.
31. Winter, Über die Recidive des Uteruskrebses, insbesondere über Impfreeidive. Zeit-
schrift f. Gynäkol. Bd. 27. S. 101.
Nachdem bereits in diesem Bande Seite 128 — 136 die allgemeine Lehre
von der Metastase besprochen ist. bleibt es hier nur noch übrig, einige
für die Carcinome speziell wichtige Punkte hervorzuheben. — Zunächst
Metastasen und Kecidive. 503
ist es wichtig, dass die verschiedenen Carcinome sich in Bezug auf die
Häufigkeit der Metastasen sehr verschieden verhalten. So konnte schon
oben erwähnt werden, dass bei den an chronische Reize anschliessenden
Carcinomen nur sehr selten Metastasen auftreten. Durand (3) giebt für die
Narbencarcinome an, dass selbst Lymphdrüseninfektion erst in sehr später
Zeit eintritt; Borchers (2) berichtet gleiches für die in Fistelgängen ent-
stehenden Carcinome, ebenso R. Volkmann (29) bei den aus chron. Ge-
schwüren oder Narben etc. entstehenden Krebsen; das gleiche gilt vom Lupus-
carcinora*). In allen diesen Fällen werden schon Lymphdrüsenmetastasen
nur selten und spät beobachtet und innere Metastasen gehören zu den
grössten Seltenheiten (nach Volkmann 1,5 ®/o; auf 128 Fälle 2 mal). In
anderen Fällen liegt es dagegen umgekehrt. Schon bei den Hautcarcinomen
giebt Volk mann an, dass die aus angebomen Malern entstandenen viel
häufiger Metastasen machen. Von den Magencarcinomen ist es längst be-
kannt, wie häufig Metastasen vorkommen (nach Schröder allein 50 ^/o
Lebermetastasen), und auch bei den meisten Mammakrebsen sind wenigstens
regionäre Metastasen fast immer vorhanden. Aber selbst die verschieden-
artigen Krebse eines und desselben Organs zeigen Verschiedenheiten in
der raetastat Verbreitung; so giebt Haus er für den Magenkrebs an, dass
das Carcinoma gelatinosum und der solide Krebs meist nur regionäre Me-
tastasen in der Serosa hervorbringen, grosse medulläre oft nur Lymph-
drüsenraetastasen erzeugen, während einfache und skirrhöse Krebse, selbst
bei geringer Grösse des Primärherdes, sehr mächtige Metastasen in Leber
und anderen Organen machen. — Ebenso bestehen sehr grosse Unterschiede
in der Zeitdauer der Metastasenbildung. So giebt Frick (5) an, dass bei
Mammacarcinomen Lymphdrüsenmetastasen selten vor dem 7. Monat ein-
treten, während dagegen für Magencarcinome verschiedene Angaben vor-
liegen, dass es innerhalb weniger Wochen zu ausgedehntester Metastasen-
bildung kommen kann. (Demme, Schweppe (23).) Freilich sind solche
Angaben auch nicht so ohne weiteres zu gebrauchen ; denn daraus kann man
doch nur schHessen, dass sich sichtbare, auffällige Metastasen in kurzer-
Zeit entwickelten; wie lange vorher das Carcinom schon bestand, kann
man nicht angeben, zumal es viele Fälle giebt, die den Nachweis bringen,
wie lange die Latenz eines Magencarcinoms sein kann. Jedenfalls beweisen
aber manche Fälle, dass eine fortbestehende Metastasenbildung in kurzer
Zeit den Höhepunkt erreichen kann. Ich habe selbst einen Fall von Magen-
krebs seziert, wo etwa 8 Wochen vor dem Tode noch keine, irgendwie
nennenswerte Krankheitssyniptome bestanden; drei Wochen später der
1) Hier ißt es auch besonders nötig, selbst bei erheblicher Drüsenverhärtung die
mikroskopische Untersuchung vorzunehmen; in einem Falle von Lupuscarcinom konnte ich
in den verhärteten Drüsen, die makroskopisch carcinomverdächtig aussahen, nur eine chroni-
Bcbe Entzündung mit vereinzelten Tuberkeln nachweisen.
504 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Verdacht auf Carcinom mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgesprochen wurde
und nach acht Tagen die ersten Knoten im Bauchraum gefühlt werden
konnten. Auch bei üteruscarcinomen kommt es relativ frühzeitig zur
wenigstens regionären Metastasenbildimg; so hat A. Seelig (24) durch sehr
genaue Untersuchungen gezeigt, dass namentlich bei Kollumcarcinomen
schon frühzeitig im paravaginalen Gewebe, in grossen Lymphgefässen und
Venen Carcinomnester gefunden werden. — Was die Wege der Metasta-
sierung anbetrifft, so ist schon oben bemerkt worden, dass die Carcinome
meist auf dem Wege der Lymphbahnen metastasieren. Werden dann
grössere Lymphstämme oder sogar der Ductus thoracicus ergrijffen, so kann
es zu einer allgemeinen miüaren Carcinose kommen, wobei vor allem beide
Lungen gleichmässig ergriffen sind und Ähnlichkeit mit einer an akuter
Miliartuberkulose erkrankten Lunge darbieten. Solche Fälle sind mehrfach
beschrieben worden und ich selbst habe einen ausgezeichneten derartigen
Fall nach Magenkrebs beobachtet. Sehr interessant ist es nun aber, dass
ebenso wie die allgemeine akute Miliartuberkulose, auch die akute allge-
meine Carcinose durch Einbruch von carcinomatösen Herden in die Lungen-
venen entstehen kann, wie das neuerdings Kautorowicz (10) in einem Fall
von Mammakrebs beobachtet hat. Dass auch sonst die Metastasenbilduug auf
dem Blutwege geschehen kann, ist oft genug betont worden; Hauser hat
es namentlich für die Lebermetastasen nach Magenkrebs nachgewiesen und
Pic undBret(18) sind der Meinung, dass die Carcinommetastasen des Her-
zens stets auf dem Blutwege entstehen. — Ein Punkt, der von sehr viel
verschiedenen Faktoren abhängig ist, ist die besondere Lokalisation der
Metastasen. Schon oben (S. 136) haben wir erwähnt, dass die Ursachen,
weshalb gerade in den Organen, die mit am häufigsten Sitz primärer
Krebse sind, am seltensten metastatische Carcinome gefunden werden, noch
nicht ergründet sind. Das gilt auch für die von Virchow zuerst gemachte
Beobachtung, dass man relativ häufig bei Magencarcinom die suprakla\i-
kulären Lymphdrüsen (bes. links) vom metastasischen Knoten eingenommen
findet, so dass dieses Faktum sogar differentialdiagnostisch von Wichtig-
keit sein könne. Löpine (12) hat neuerdings über einen derartigen Fall
berichtet und Troisier (27) hat auch bei anderen Carcinomen ähnUches be-
obachtet; er findet auch die linksseitigen retroklavikulären Lymphknoten
häufig erkrankt und meint, dass die linksseitigen Drüsen deswegen häufiger
ergriffen werden , weil (?) die Infektion auf dem Wege des Ductus thoracic,
vor sich geht. — In anderen Fällen mag die besondere Lokalisation durch
äussere Momente veranlasst sein; vielleicht spielen, namentlich dann, wenn
die lokalisierte Metastase an Traumen anschliesst, ähnliche Momente eine
Rolle, wie bei der Osteomyelitis, die bekanntlich sich ebenfalls oft an der
Stelle lokalisiert, wo ein Trauma stattgefunden hat. Die Veränderungen
der Zellen, welche wie Meltzer nachgewiesen hat, bei Erschütterung
Metastasen und Recidive. 505
der lebenden Materie stattfinden, geben vielleicht hierfür eine Erklärung.
So berichtet Pfalzgraf (15) über einen 78jährigen Fischer mit Lippen-
krebs, bei den ich nach Heben einer schweren Last bald eine Metastase
im rechten Vorderarm ausbildete. — Wiederum in anderen Fällen spielt
die Grösse der Carcinomzellen eine Rolle, indem nämlich die kleinen Zellen,
nur dort sitzen bleiben werden, wo die Kapillaren sehr eng sind, während
andererseits grosse Carcinomzellen dort nicht hingelangen können, wo ihr
Durchmesser für das Kaliber der Kapillaren zu gross ist. Solche Momente
spielen auch bei den Knochenmetastasen eine nicht imbedeutende Rolle,
die in letzter Zeit vielfach Gegenstand der Diskussion gewesen sind. So
ist z. B. die Thatsache, dass nach Mammakrebsen viel häufiger Kuochen-
metastasen auftreten, wie nach Uteruskrebsen ( 14 ^/o bei Mammakrebsen nach
Leuzinger (13) und Schafstein (22); 3,5 bezw. 2,3®/o bei Uteruskrebsen
;Leuzinger]) vielleicht dadurch zu erklären, dass die Mammakrebse sehr
häufig kleinzelhg, die Uteruskrebse meist grosszellig sind. Dass die Knochen-
metastasen oft frühzeitiger auftreten, wie die anderer Organe, beruht vielleicht
auf einer geringeren Widerstandskraft, wegen der langsamen Blutströmung ;
die Metastasen beginnen meist im Knochenmark, wo sie sich diffus ausbreiten ;
Knochenneubildung erfolgt dabei hauptsächlich bei langsamer wachsenden
Krebsen. — Die einzelnen Knochen sind verschieden oft Sitz der Metastasen ;
ziemlich allgemein stimmt man darüber ein, dass die Reihenfolge ungefähr
folgende ist: Schädel, Wirbelsäule, Becken, Humerus, Femur, Sternum,
Rippen. (Leuzinger, Börner, Schafstein.) — Dass der sekundäre
Kuochentumor oft viel grösser sein kann, wie der primäre, ist namentlich
bei Schilddrüsencarcinomen oft beobachtet worden ; auch Leuzinger hebt
es hervor und Helferich (9) meint, dass die Wachstumsimterschiede auf
unterschiede der Ernährungszufuhr zurückzuführen sind. v. Reckling-
hausen (19), der die Beziehungen zwischen Prostatakrebs und Knochenmeta-
i'tasen einer gründhchen Untersuchung unterworfen hat, meint sogar, dass
der primäre Protastakrebs wegen seiner Kleinheit mitunter übersehen werden
könne. Die lokale Disposition des Knochensystems, bezw. einzelner Knochen
zur Aufnahme der verschleppten Krebskeime sieht v. Recklinghausen
in den besonderen Cirkulationsverhältnissen , welche durch die auf Grund
funktioneller Hyperämieen stellenweise hervorgerufenen Dilatationen der
Kapillarvenen bedingt seien. Verlangsamung des Blutstroms erleichtert
das Liegenbleiben der verschleppten Krebszellen, die dann nach Art wand-
ständiger Thromben durch Wirbelstrombildungen festgehalten werden. Die
metastatischen Knochenkrebse gehören zur infiltrierenden Form und schon
deswegen, besonders aber wegen des in ihrer Nähe so häufig stattfindenden
lebhaften Kuochenanbaues, kann man direkt von einer „carcinomatösen
Ostitis" sprechen. — Sasse (21), welcher die Beobachtungen v. Reckling-
hausens durchweg bestätigte, verfügte ebenfalls über einen Fall von
506 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Prostatakrebs mit diffuser allgemeiner Carcinose des Skelettsystems, wobei
der Prostatakrebs selbst noch sehr klein geblieben war. — Dass der Bau der
Metastasen im wesentlichen mit dem der Primärgeschwulst übereinstimmt
hebt namentüch Hauser (7) hervor, während Hansemann betont,
dass sehr erhebliche Abweichungen vorhanden sein können ; sowohl in der
Zellform, wie in den Mitosen und dem Verhältnis zwischen Stroma und
Parenchym. Es ist das ja in der That nicht selten nachweisbar, dass eine
Metastase zwar nicht prinzipiell, aber graduell vom Primärtumor erheblich
abweichen kann; es beweist das die Bedeutung, welche Cirkulationsver-
hältnisse sowohl, als auch die gesamte Nachbarschaft für die Ausbildung
des Carcinoms besitzen. Hier wäre auch noch der Frage zu gedenken,
ob bei der Metastasenbildung nur die Epithelien verschleppt werden oder
auch ein desmoider Keim, aus dem das Stroma des metastatischen Knotens
gebildet wird. Hanau hat im Anschluss an seine gelungenen Über-
tragungsversuche von Carcinomen auf Ratten in überzeugendster Weise ge-
zeigt, .dass das verschleppte Epithel in formativer Weise auf das Binde-
gewebe einwirkt und somit aus dem Bindegewebe des fremden Ortes das
Stroma gebildet wird. — Endlich wäre noch derjenigen sekundären
Krebse zu gedenken, welche nicht auf dem Wege der Lymphbahnen oder
Blutbahn, sondern durch Implantation entstehen. Sie spielen nament-
lich im Peritoneum nach Magen- und Darmkrebs eine grosse Rolle, wobei
die Dissemination der durchbrechenden Krebszellen nach Haus er
durch die Darm- und Magenperistaltik befördert wird. Ein sehr beweisen-
des Beispiel solcher Krebsimplantationen ist von Lu bar seh (14) mitgeteilt
worden, welcher bei einem Carcinom des Magens auf dem linken Ovarium
mächtige Krebsknoten fand, während das rechte in Verwachsungsmassen
eingebettete und dadurch geschützte Ovarium freigeblieben war. Dass diese
durch Implantation entstehenden sekundären Krebse, wie Freund (4)
meint, immer nur eine bescheidene Ausnehmung besitzen und frühzeitig
zerfallen, kann nicht für alle Fälle zugegeben werden, häufig ist es aller-
dings der Fall. — Diese Implantationsmetastasen sind für die Theorie der
Metastasenbildung deswegen von Wichtigkeit, weil sie sicher auch bei nicht
carcinomatösen Neubildungen vorkommen; so hat sie Baumgarten nach
der Operation einer einfachen glandulären Ovarialcyste beobachtet und
noch häufiger wurden sie bei papillären Ovarialadenomen gefunden. Es ist
sicher, wie das Olshausen und auch Pfannenstiel (16) ausgeführt haben,
dass diese Implantationsmetastasen durchaus nicht den Wert bösartiger Ge-
bilde haben, sondern lediglich den Beweis bilden, dass noch lebensfähige
Zellen verpflanzt wurden und diese gute Ernährungsbedingungen im Peritoneal-
räum fanden. — Wenn wir hieran anknüpfend nochmals die Frage aufwerfen,
welches die Ursache der Metastasenbild ang ist, so müssen wir vor allem noch
an die Metastasenbildung anknüpfen, welche bei Schilddrüsen- und Leberade-
Metastasen und Recidive. 507
nomen (Frohmanns) beobachtet ist. Liegt die Ursache der Metastasenbilduug
in der Elrkrankung der Epithelien oder liegt sie in bestimmten Allgemeinzu-
ständen des Körpers? Müssen wir jeden epithelialen Tumor, auch wenn er
einen typisch adenomatösen Bau besitzt, ein Carcinom nennen, oder giebt es
auch metastasierende Adenome? Die Beantwortung derFrage ist eine ungemein
schwierige. An und für sich könnte man geneigt sein, die Auffassung zu
vertreten, dass alle metastasierenden epithelialen Neubildungen Carcinome
sind. Zeigen doch, wie wir oben ausgeführt haben, viele Carcinome wäh-
rend eines bestimmten Stadiums adenomatöse Struktur und dokumentieren
sie sich doch oft erst als Carcinome durch die lokale Metastasierung (Ein-
dringen in Lymphbahnen). Aber mit dieser Antwort würden wir die Haupt-
frage umgehen. Denn es handelt sich wesentlich darum, ob die Metastasen-
bildung ausschüesslich durch die besondere Eigenschaft der wuchernden
Epithelzelle bedingt ist, oder durch bestimmte allgemeine Zustände des
Organismus. Berücksichtigen wir nun die Thatsache, dass durchaus nicht
alle Carcinome metastasieren, obgleich sie doch stets in Lymphbahnen ihre
Zellen aussenden, so erscheint es wahrscheinlicher, dass die mit der Lymphe
verschleppten Zellen auch bei den Carcinomen für gewöhnlich ebenso, wie
andere epitheliale Elemente resorbiert und zerstört werden und dass erst
dann, wenn die nonnale Resorptionsfähigkeit des Körpers gestört ist, die
verschleppten Zellen sich an einem bestimmten Orte ansiedeln und ver-
mehren können. Ob nun nicht auch bei adenomatösen Neubildungen, be-
sonders bei der Schilddrüse, wo die Lymphbahnen nur wenig rämnlich
getrennt sind von den Drüsenschläuchen, auch einmal ohne aktive Beteiligung
der Zellen einzelne in das Lymphgefässsystem hineingelangen können, ist
zum mindesten zweifelhaft; wenn es sich in dem oben berichteten Falle
Feurers wirklich um eine Schädelmetastase eines Schilddrüsenadenoms
gehandelt hat (und nicht etwa um ein endotheliales Angiosarkom mit hya-
liner Degeneration), so müssten wir direkt etwas Derartiges annehmen, denn
Langhans fand bei der Sektion eine einfache Gallertstruma ohne Durch-
bruch in Blutgefässe oder dergleichen; ferner hat v. Hippel (9ä) einen Fall
von multiplen Cystoadenomen der Gallengänge beschrieben, in dem es zu
einem Einbruch ins Gefässsystem gekommen war, ohne dass doch irgendwo
Metastasen aufgetreten waren und ohne dass irgendwo etwas von carcino-
matösem Bau bestand. Wir würden dann im allgemeinen die Metastasen-
bildung dadurch zu erklären haben, dass die normale Resorptions-
fähigkeit des Organismus herabgesetzt ist und im Prinzip
somit jeder pathologischen Neubildung die Fähigkeit der Me-
tastasierung zuschreiben müssen, falls Elemente derselben
in die Blut- oder Lymphbahn hineingelangen können. Da hierzu
bei den Carcinomen infolge ihrer besonderen Struktur stets Gelegenheit
gegeben ist, erklärt es sich auch, dass diese Neubildungen so häufig meta-
508 Aligem. pathol. Morphologie und Physiologie.
stasieren, während dies bei anderen Neubildungen nur ausnahmsweise ein-
treten kann; ferner muss daran gedacht werden, dass die Störung der nor-
malen Resorptionsfähigkeit des Organismus durch die Carcinomzellen selbst
bewirkt wird, indem durch den Zerfall der verschleppten Zellen innerhalb
der Lymph- und Blutbahn Stoffe frei werden, welche eventuell negativ
chemotaktisch wirken und so allmählich immer mehr Leukocyten verliiu
dem, die verschleppten Zellen zu zerstören. Die Beobachtungen, dass die
Metastasierung mitunter im Anschluss an Bakterienkrankheiten ausbricht,
könnten für diese Hypothese ebenso verwertet werden, wie die Thatsachc,
dass nicht selten bei Carcinomen eine Verarmung des Blutes an korpus-
kularen Elementen vorhanden ist. Jedenfalls scheint es uns am wahrschein-
lichsten, dass der Vorgang der Metastasierung einmal abhängig ist von der
allgemeinen Resorptionsfähigkeit des Körpers und zweitens von besonderen
anatomischen Einrichtungen und lokalen (Mrkulationsverhältnissen.
Was die Lehre von den Recidiven anbetrifft, so müssen wir annehmen,
dass die Recidive nach einer Operation stets von Carcinomzellen ausgehen,
welche bei der Operation nicht mit entfernt wurden. L. Heidenhain (8) hat
zu dem Zwecke einer Klärung der Frage von den lokalen Recidiven nach
Amputation von Mammakrebsen die Amputationsfläche untersucht; in 12
Fällen, wo bereits in der Muskulatur Krebszellen gefunden wurden, traten
Recidive ein; in sechs anderen, in denen die Amputationsfläche freigeblieben
war, blieben Recidive aus. Dass noch in anderer Weise Recidive eintreten
können, die aber nicht scharf sich an die erste Stelle des Carcinoms halten,
sondern oft ziemlich w^eit von ihr entfernt sind, darüber haben uns die Er-
fahrungen über die sogen. Impfrecidive nach Krebsoperationen aufgeklärt.
Schon Tross (28) hatte zwei Fälle von Recidiven mitgeteilt, die dadurch ent-
standen schienen, dass bei der Operation Partikel des Tumors in die Haut-
wunde hineingelangt waren (ein Fall von Adenom des Rektum und von
Carcinom des Muttermundes). G. Winter (31) hat dann besonders eingehend
auf die Bedeutung dieser Recidive aufmerksam gemacht und die Scliluss-
folgerungen für die Operationsmethode daraus gezogen ; er hält es für durch-
aus bewiesen, dass vom primären Krebs getrennte Partikel im gesunden
Gewebe desselben Individums anhaften und dort einen sekundären Krebs
erzeugen können. Weil (30), Lebensbaum (11), Thorn (26), Pf annen-
stiel (17) u. a. haben diese Meinung durch gute Beobachtungen unterstützt
Ribbert (20) hat einen Fall mitgeteilt, in dem nach Exstirpation einer durch-
aus unverdächtigen Urachuscyste nach einiger Zeit in der Bauchnarbe ein sehr
rasch fortschreitendes Carcinom entstand, und hat sowohl diesen Fall, wie den
von Pfannenstiel (mehrere Jahre nach Entfernung eines cystiöchen Ovarial-
tumors entsteht in der Narbe ein typisches Adenocarcinom) in seiner Theorie
von der Genese der Carcinome durch Absprengung von Epithelzellen ver-
werten wollen. Allein es liegt auf der Hand, dass beide Fälle doch weiter
Verhalten der Nachbarschaft. 509
nichts sind, als Analoga zu der Metastasierung reiner Gallertstrumen und
typischer Leberadenome (Frohmann). Man kann die Fälle entweder so
erklären, dass die bereits carcinomatösen Tumoren noch unter dem Bilde
gutartiger Cysten verliefen, anfangs langsam wuchsen und erst allmählich
stärkere Proliferationskraft erlangten; auch die lange Zwischenzeit findet ihr
Analogon in den lokalen Krebsrecidiven, die bekanntlich auch erst nach
Jahren aufzutreten brauchen; oder sie können im Sinne meiner oben auf-
gestellten Hypothese verwertet werden, dass die implantierten Zellen zu
stärkerem Wachstum angeregt wurden infolge des Fortfalles bestimmter
physiologischer Widerstände.
5« Verhalten der Nachbarschaft.
Litteratur.
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Portio. Arch. f. Gynäkol. Bd. 32. Heft 2.
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7. Hansemann a. a. 0.
8. Hauser a. a. 0.
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Wochenschr. 1888. Nr. 51.
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in der Peripherie yon GeschwQlsten. Vir eh. Arch. Bd. 110. S. 443.
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Revue de Chir. 10. Oct. 1889.
Das Verhalten der Nachbarschaft zu der krebsigen Neubildung wurde
schon oben bei der Besprechung der Bildung des Krebsstromas berührt.
Indem wir zu dem Ergebnis kamen, dass die Stromabildung durch den
Reiz der epithelialen Wucherung hervorgebracht wird, wurde damit schon
festgestellt, dass das Bindegewebe in einen Wucherungszustand geraten
kann. Es ist aber von den verschiedensten Autoren, von Hanau (6),
Hansemann (7), Hauser (8) hervorgehoben worden, dass das Verhalten
des benachbarten Bindegewebes kein konstantes ist, indem es von dem
Reiz abhängt, welchen die epitheliale Wucherung ausübt. Hanau hat
das besonders scharf ausgedrückt, indem er ausführt, dass es nur eine
lokale Frage ist, ob die Wucherung des Stromas in den Vordergrund tritt
oder nicht, welche abhängig ist einmal von dem formativen Reiz, den die
Krebszelle auf das Bindegewebe ausübt und zweitens von dessen speziti-
510 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
scher Reaktion. So erklärt es sich ja auch, dass die Unterschiede zwischen
Carcinoma simplex, scirrhosum und medulläre keine prinzipiellen sind,
sondern in ein und demselben Organ ein Krebs an einer Stelle den einen,
an einer anderen den anderen Typus darbieten kann (z. ß. Mamma und
Magen), ferner auch die Metastasen in Bezug auf das Verhältnis von
Bindegewebe und Parenchym oft so erheblich vom Primärtumor abweichen.
Alle diese Dinge gelten nun in eben derselben Weise für andere Gewebs-
arten, mit denen der Krebs in Berührung tritt; allerdings mit dem Unter-
schied, dass meistens die degenerativen Veränderungen in den Vordergrund
treten ; so können wir namentlich in der benachbarten quergestreiften Mus-
kulatur, wie Schaeffer (11) gezeigt hat, einfache Atrophie und Pigment-
atrophie, Vakuolisierung, körnige und fettige, wachsartige homogene Ent-
artung und Zerklüftungsvorgänge, aber auch Hypertrophie wahrnehmen
und vor allem bekommen wir nicht selten eine Wucherung des Sarkolemms
und der Muskelkerne zu sehen, wohl auch eine Bildung von Muskelknospeu,
wie sie L. Pfeiffer (9) beschreibt. Ferner wurde bereits oben bemerkt,
dass das Knochengewebe auf das Eindringen von Krebszellen mit Knochen-
neubilduDg reagieren kann. Im allgemeinen kann man wohl den Satz auf-
stellen, dass die Gewebe um so eher und in um so ausgedehnterer Weise
einer regressiven Metamorphose oder Atrophie anheimfallen, je stärker sie
differenziert sind ; so dass in der That die spezifischen Gewebszellen iu dtr
Nachbarschaft von Carcinomen niemals progressive Veränderungen erkennen
lassen, sondern entweder sich passiv verhalten oder irgend einer regres-
siven Veränderung anheimfallen, während alle Stützsubstanzen in einen
Wucherungszustand geraten können. Wie weit sich nicht selten der Ein-
fluss des Carcinoms geltend machen kann, das kann man namentlich in
Hohlorganen oft genug beobachten. Uterus- und Magenschleimhaut bieten
nach beiden Richtungen gute Beispiele dar. Beim Uterus haben überein-
stimmend die Untersuchungen von Abel und Landau (1, 2), Eckardt ^3),
Eli seh er (4), Fränkel (5) u. a. ergeben, dass bei Portiokrebsen sehr
häufig in dem Bindegewebe der Corpusschleimhaut sehr häufig eine rege
Proliferation stattfinden kann, die meist so grossartig ist, dass Abel
und Landau sogar zunächst von einer sarkomatösen Degeneration der
Uterusschleimhaut sprachen. Dass es sich nicht um etwas Derartiges
handelt, braucht hier kaum näher entwickelt zu werden, zumal Eckardt,
Elischer, Fränkel u. a. bereits nachgewiesen haben, dass es sich um
weiter nichts als eine proliferierende Endometritis handelt. Ähnliche Zu-
stände kommen auch beim Pyloruscarcinom in der ganzen Magenschleim-
haut vor; häufiger kommt es, wie Rosenheim (10) u. a. gezeigt haben,
zu atrophierenden Prozessen, an denen sich in erster Linie die Drüsen,
wahrscheinlich aber auch das Bindegewebe beteiligen. In solchen Fällen
handelt es sich wohl um eine von den Krebszellen ausgehende chemische,
Bedeutung des Carcinoins fttr den Gesamtorganismus. 511
Dicht mechanische Reizung, welche wohl durch Stoffe bedingt wird, welche
beim beginnenden und vollendeten Zerfall der Krebszellen frei werden. —
Dass auch Mikroorganismen bei diesen sekundären Veränderungen des
Nachbargewebes eine Rolle spielen, darauf hat besonders auch Verneuil(ll)
hingewiesen.
6. Bedeutung des Carcinoms für den Gesamtorganismus.
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33. Senator, Über SelbstLnfektion durch abnorme Zersetzungsvorgänge. Zeitschr. f.
klin. Med. Bd. 7. S. 235.
34. Strauer, Systemat. Blutuntersuchungen bei Schwindsüchtigen und Krebskranken.
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24. S. 295.
35. Töpfer, Über die Relationen der N-haltigen Bestandteile im Harne bei Carcinomen.
Wien. klin. Wochenschr. 1892. Nr. 49.
36. Tr in kl er. Über die diagnost. Verwertung des Gehalts an Zucker im Blute. Ctbl. L
med. Wissensch. 1890. S. 498.
37. Weintraud, Über morpholog. Veränderungen der roten Blutkörperchen. Vir eh.
Arch. Bd. 131. S. 497.
Die in Gefolgschaft des Krebses so häufig auftretende Kachexie ist
gerade in neuerer Zeit Gegenstand eingehenderen Studiums gewesen; während
man sie früher als Anzeichen der allgemeinen carcinomatösen Dyskrasie
betrachtete, ist man jetzt immer mehr dazu übergegangen, sie als eine
von der krebsigen Neubildung ausgehende allgemeine chronische Vergif-
tung anzusehen, also als eine Art Antointoxikation. FreiUdh sind die Ex-
perimente, welche L. Pfeiffer, Adamkiewicz, Freire nach dieser
Richtung an Tieren angestellt haben, wenig beweisend; auch Klemperers
(11) Angabe über die Giftigkeit des Blutes Krebskranker sind noch nicht
anerkannt, da bisher nur eine fragmentarische Mitteilung vorUegt; und
ebenso sind wir noch nicht im stände, anzugeben, welcher Art die Gift-
stoffe sind und wie sie gebildet werden. So hat Pilliet (25 a) es für
möglich erklärt, dass es sich um eine Vergiftung durch „Leukomaine*'
handelt und dass die Krebsepithelien die giftigen Stoffe produzieren, wo-
bei er es freilich unentschieden lässt, ob es sich um spezifische Stoffe
handelt; auch scheut er sich ohne weiteres von einer Zellsekretion zu
sprechen, weil man doch die Zellen der Kankroide und Sarkome nicht als
Drüsenzellen bezeichnen könne. Dagegen sind doch in der neuesten Zeit eine
grosse Reihe von Einzelthatsachen gesammelt worden, welche kaum eine
andere Deutung möglich machen, wie die, dass von den Carcinomen aus
eine Giftwirkung stattfindet. Dieselbe dokumentiert sich 1. in Veräude-
Bedeutung des Carcinoma für den Gesamtorganismus. 513
Hingen des Stoffwechsels, 2. in Veränderungen des Blutes, 3. in Verände-
rungen einzelner Organe, speziell des Nervensystems.
Indem wir uns bei der Darstellung der Veränderungen des Stoff-
wechsels im grossen und ganzen an die Einteilung anschliessen , welche
von Noorden in seinem Lehrbuch der Pathologie des Stoffwechsels ge-
wählt hat, schicken wir voraus, dass wir von denjenigen Veränderungen
absehen müssen, welche durch den besonderen Sitz des Carcinoms bedingt
sind, a) Gesamtzersetzung und Ernährungszustand. Die Ab-
magerung, welche sich im Verlaufe eines Carcinoms fast regelmässig ein-
stellt, ist zum grossen Teil auf die mangelhafte Ernährung zu beziehen,
da als Folge der allgemeinen Vergiftung bald Appetitmangel einzutreten
pflegt und, wie von Noorden (21) hervorhebt, der Nährwert der von den
Kranken freiwiUig genommenen Nahrung sehr gering ist. Die Oa-Aufnahme
und COj, -Abgabe bewegt sich, wie Kraus und Chvostek (14) angeben,
durchaus innerhalb der normalen Grenzen, v. Noorden weist auch da-
rauf hin, dass solche Krebskranke, welche dauernd gute Esser bleiben, an
Gewicht nicht abnehmen und nach Hebung einer Ösophagusstenose (bei
Speiseröhrenkrebs) oft in wenigen Wochen eine Gewichtszunahme von
20 Pfund eintreten kann, b) Die Eiweiss Zersetzung. Es ist Fr,
Müllers (20) grosses Verdienst, zuerst nachgewiesen zu haben, dass ein
Teil der Krebskranken trotz reichlicher Nahrung dauernd Stickstoff ab-
gaben; und zwar änderte sich das Verhältnis auch dann nicht, wenn die
Eiweisszufuhr vermehrt wurde; stets blieb die N- Ausgabe höher wie die
Aufnahme; nur gegen Ende des Lebens wurde die N-Ausscheidung eine
sehr niedrige, was, wie v. Noorden bemerkt, jedenfalls nicht auf ein
Aufhören des Protoplasmazerfalls zurückzuführen ist, sondern durch das
Sinken der Herzkraft und Nierenthätigkeit bewirkt wird. Diese Unter-
suchungen sind später durch Klemperer (10, 11) und Gärtig (7) bestätigt
worden; ebenso wie Müller sind diese Autoren der Meinung, dass der
gesteigerte Eiweisszerfall auf die Wirkung eines Protoplasmagiftes zu be-
ziehen ist und sie ziehen zur Analogie die Stoffwechselverhältnisse bei
pemiciöser Anämie, schwerer Leukämie, Diabetes, Phosphorvergiftung,
chronischen Infektionskrankheiten u. s. w. heran. Erreicht der Eiweiss-
zerfall einen gewissen Höhepunkt , so stellen sich auch die Erscheinungen
der Acetonurie und Diaceturie ein (v. Jaksch, Klemperer); da sie aber
nur in Spätstadien die Regel bilden, ist schwer zu entscheiden, was ätio-
logisch im Vordergrund steht: die carcinomatöse Intoxikation oder die
Inanition (v. Noorden). Das Coma, welches mitunter, ähnlich, wie beim
Diabetes, aber sehr viel seltener terminal eintritt, ist mitunter mit dem
Auftreten von /?-Oxybuttersäure im Harn verbunden (Klemperer). Ob die
cerebrale Störung nur Folge von Säureintoxikation ist (infolge der Vermin-
Labarsch- Oster tagr, Ergebnisse Abteil. II. 33
514 AUgeni. patbol. Morphologie und Physiologie.
derung der Blutalkalescenz) oder von spezifischen Giften des Carcinoms
bedingt ist, bleibt auch noch zu entscheiden. Auch andere cerebrale Stö-
rungen sind vielleicht in gleicherweise zu erklären, so berichtet Oppeii
heim (22) über einen Fall von Magencarcinom , wo 8 Tage vor dem
Exitus eine rechtsseitige Hemiplegie auftrat, ohne dass bei der Sektion
Gehirnveränderungen nachweisbar waren. Auch hier wird es sich um eine
Intoxikation gehandelt haben, c) Einfluss des Carcinoms auf die
Verdauungsorgane. Hier sind natürlich diejenigen Carcinome auszu-
schliessen, die im Verdauungstraktus selbst sitzen und daher schon lokal
erhebliche physikalische und chemische Störungen hervorrufen müssen.
Aber auch bei Krebsen anderer Organe treten erhebliche Störungen von
Seiten des] Magens auf, die vor allem in Appetitmangel sich dokimientieren.
von Noorden hat gefunden, dass bei 5 sehr elenden Patientinnen mit
Uteruscarcinom nach dem Probefrühstück keine freie Salzsäure vorhanden
war, also die Saftsekretion damiederlag; in 7 anderen Fällen bestanden
dagegen normale Verhältnisse. Die Darmresorption ist dagegen nach
Müllers und Klemperers Untersuchungen dauernd normal, falls nicht
etwa durch den Sitz des Carcinoms (in den Gallenwegen, Duodenum,
Pankreaskopf) die Gallen- und Pankreasabsonderung behindert ist. Häutig
treten dagegen im Darm ausgedehnte Fäulniserscheinungen auf, wie
aus dem Befunde grosser Mengen von aromatischen Körpern und ge-
paarter Schwefelsäure im Harn hervorgeht (Senator (33), G. Hoppe-
Seyler (8)). Es ist das bei allen solchen Carcinomen in deutlichster Weise
der Fall, welche selbst geschwtirig zerfallen, v. Noorden meint daher,
dass die Absonderungen zerfallender Carcinomen besonders geeigneten
Nährböden für die Fäulnismikroben darstellen, d) Das Verhalten des
Harns. Über die Verarbeitung des N-Restes des zerfallenden Eiweisses bei
Carcinom hegen noch wenig Beobachtungen vor; nach Töpfer (36) nehmen
die Extraktivstoffe im Harn von Krebskranken zu; mitunter war auch
Ammoniak vermehrt, was auch von Noorden in einigen Fällen bestätigen
konnte; auch die Harnsäureausscheidung wurde mitunter höher als nor-
mal gefunden; gleiches wird auch von Horbaczewski angegeben, der
in einem Falle von Carcinoma hepatis bei 12 — 17 g N-Umsatz eine Harn-
säureausscheidung von 0,9 — 1,5 g Harnsäure fand. Auch von Noorden
fand in einem Fall von Uteruscarcinom mit starker Leukocytose Vermehrung
der Hamsäureausscheidung; ob die Vermehrung, wie Horbaczewski
meint, nur durch den Zerfall der Leukocyteu bewirkt wird, ist zweifelhaft,
da Cario auch bei Kranken mit Ösophaguscarcinom, wo nach Rieder (27)
stets ein leukocytenarmes Blut vorhanden ist, auch erhebUch vermehrte
Hamsäureausscheidung fand. F. Müller und v. Noorden fanden femer
häufig vermehrte Hydrobilirubinausscheidung; G. Hoppe-Seylerbei vor-
Bedeutung des Carcinoms fOr den Gesamtorganismus. 515
geschrittener Kachexie dagegen Verminderung. Albuminurie wurde von
Fr. Müller nach den Krankengeschichten der Würzburger Klinik in 35®/o,
nach denen der Berliner 2. med. Klinik in 72®/o aller Fälle, mitunter nur
vorübergehend gefunden. Das braucht allerdings nicht direkt von der
Stoff Wechselveränderung abzuhängen, da durch rein lokale Verhältnisse
Staimngserscheinungen in der Niere auftreten können oder bei den älteren
Individuen sich allmählich (eventuell durch zunehmende Arteriosklerose)
eine Nierenveränderung ausbildet. Zucker konnte im Harn von v. Noorden
nicht aufgefunden werden, was in Bezug auf die Angaben Freunds (5)
und Trinklers (35) über die Vermehrung des Zuckergehalts des Blutes
wichtig ist. Dass der Kochsalzgehalt des Harnes erheblich vermindert ist,
hatte schon F. W. Benecke konstatiert und auf „eine durch den Mangel
an Chloralkalien ausgezeichnete carcinomatöse Konstitution" bezogen.
Sticker und Hübner, Gärtig, von Noorden, F. Müller u. a.
haben ebenfalls häufig sehr niedrige Werte erhalten, doch wurden mitunter
auch hohe Werte gefunden. Dass diese Verringerung der NaCl-Ausschei-
dung nicht durch eine spezifische Veränderung des Stoffwechsels bedingt
ist, haben neuerdings besonders Gärtig und Laudenheimer (16)
gezeigt, indem sie nachwiesen, dass Chlor-Aufnahme und -Ausgabe im
Gleichgewicht standen, v. Noorden meint daher, dass die Ursache der
geringen Kochsalzausscheidung darin liegt, dass der Krebskranke von
kochsalzarmer Nahrung lebt, von Körpereiweiss und Körperfett. Dort, wo
der pathologische Eiweisszerfall noch nicht in lebhaftem Fortschritt be-
griffen ist und noch viel Nahrungseiweiss , aber wenig Körpereiweiss zer-
setzt wird, bleibt die normale Proportion erhalten.
2. Bei den Veränderungen des Blutes werden wir zu betrachten
haben a) die chemischen Veränderungen und die Veränderung der Blut-
flüssigkeit, ß) die Veränderungen der weissen und roten Blutkörperchen.
Die Zusammensetzung des Blutes Carcinomatöser weicht in mehreren Punkten
von der normaler Individuen ab. Das Blut ist wasserreich, hämoglobin-
und körperchenarm. Diese Verdünnung des Blutes wird einmal hervor-
gebracht durch die Zerstörung roter Blutkörperchen ; sie ist regelmässig in
vorgeschrittenen Stadien vorhanden, wird aber nachLaker (15) oft auch in
sehr früherer Zeit bei leidlich gutem Ernährungszustand gefimden. Ich
glaube, dass sie namentlich bei Magencarcinomen bereits sehr frühzeitig
entstehen kann; das gilt namentlich für die Fälle, die unter dem Bilde
einer perniciösen Anämie verlaufen und in denen sich dann bei der Sektion
ein Magencarcinom herausstellt; ich habe in Zürich zwei derartige Fälle
seziert, wo das ausgesprochenste Bild der perniciösen Anämie entstanden
war und sich bei der Sektion Pyloruskrebse geringfügiger Ausdehnung
(etwa 5 Markstückgrösse) und mit eben beginnendem Zerfall vorfanden; einen
33*
516 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
ähnlichen Fall, wo nur daneben .noch eine Phthise sehr geringen Grades iü
der rechten Lunge vorhanden war, beobachtete ich auch in Breslau ; vor kurzem
habe ich nun hier einen Fall seziert, der ebenfalls die klinischen und
anatomischen Veränderungen der perniciösen Anämie darbot, und wo sich
im Ileum zwei ganz kleine Carcinome vorfanden. FreiUch halte ich es in
diesem Falle für möglich, dass hier eine pemiciöse Anämie aus unbekannter
Ursache bestand und daneben unabhängig die Ileumcarcinome vorhanden
waren, obgleich kernhaltige rote Blutkörperchen im Blute nicht gefunden
wurden und überhaupt mehr das Bild einer schweren sekimdären Anämie
bestand. (Nur wenig Megalocyten.) In den anderen Fällen aber ist wohl
ein Zusammenhang zwischen der Anämie und den Magencarcinomen
sicher. — Als einen andern Grund für die Blutverdünnung giebt E. Gra-
witz (6) eine Vermehrung des Saftstromes aus den Geweben ins Blut an,
welche durch die krebsigen Produkte bewirkt sein soll ; er führt dafür das
Ergebnis einiger Versuche an Hunden an, wo es ihm gelang durch Injektion
von Krebsmassen eine Blutverdünnung zu erzeugen. — Nur ausnahms-
weise kommt es vor, dass das Blut eingedickt „theerartig*' erscheint, wenn
infolge des Sitzes des Krebses (Ösophagus, Cardia, Pylorus) die Resorption
beschränkt ist und dadurch eine Wasserverarmung der Gewebe eintritt.
In solchen Fällen fand Leichtenstern (17) 18,25°/o Hämoglobin (nonnal
ca. 13 ^/o) und v. Noorden in zwei Fällen von Ösophaguskrebs einen
Trockengehalt von 26,5 und 27,3 »/o (normal ca. 22 ^/o). — Sonst pflegt der
Hämoglobingehalt erheblich herabgesetzt zu sein; G. B. Schmidt fand
bei Mammacarcinomen den Hämoglobingehalt auf 60— 65^/o, gemessen
nach V. Fleischl, v. Limbeck (18) in einem Fall von Magencarcinoni
zwischen 42 und 22°/o{nach v. Fleischl), Leichtenstern fand ihn gewöhn-
lich auf die Hälfte und weniger reduziert, ebenso Häberlin (7a) bei
Magenkrebs. — Eine Vermehrung des Zuckers im Blute ist von E. Freund
behauptet worden bis zu 0,33®/o, ebenso von Trinkler; Matrai (li>)
bestritt die Konstanz der Befunde. — Allgemein wird dagegen zuge-
geben, dass die Alkalescenz des Blutes erheblich vermindert sein kann.
V. Jaksch (9) fand anstatt des normalen Mittels, welches auf 100 ccm Blut
280 mg Na OH entspricht 80—64—32 mg; ebenso berichten Rumpf {2^)
und Klemperer (12) über erhebliche Abnahme der Alkalescenz; letzterer
fand 18,2—14,8 Vol. Proz. COg statt des normalen Mittels von ca. 33 V-
V. Limbeck fand bei üteruscarcinomen 19,8 und 20,5 Vol. °/o, in drei
Fällen von Magencarcinomen 19,21— 13,5 ®/o, endlich bei disseminierter
Peritonealcarcinose noch Ovarialkrebs 9,67®/oCOj{. Er glaubt, dass die
Ursache vielleicht in einem abnormen starken Zufluss saurer Produkte
aus dem Neoplasma liegt, da Fettsäuren auch von sehr kachektischen
Krebskranken noch oxydiert werden können. Um was für Säuren es sich
Bedeutung des Carcinoma für den Gesamtorganismus. 517
hierbei handelt, ist noch nicht festgestellt; Harnsäure ist nach von Jakscli.
ausgesclilossen; v. Noorden denkt an anorganische Säuren (H2SO4, H3PO4),
die beina gesteigerten Eiweisszerfall frei werden ; in manchen Fällen mögen
auch Acetessigsäure und /? - Oxybuttersäure beteiligt sein. — ß) Die Ver-
änderungen der zelligen Elemente. Hierbei kommen nicht nur die
Abnahme, resp. Zunahme der roten und weissen Blutkörperchen in Betracht,
sondern auch morphologische Veränderungen. Die Abnahme der roten
Blutkörperchen kann sehr beträchtlich sein ; durchschnitthch wird die Zahl
als um die Hälfte herabgesetzt angesehen; F. Müller und G. Schneider
(30) fanden auch unter zwei Millionen in 1 cram; v. Limbeckgiebt in einem
Fall von Magencarcinom Werte von zwischen 2 Millionen und 930 000 im cmm
an; in einem der von mir oben erwähnten Fälle von Magencarcinom betrug
die Zahl 780000, in dem Fall von beginnenden Ileumkrebsen 500000 im cmm.
Bei Hautcarcinomen kann die Zahl, wie ich nach eignen Untersuchungen
angeben kann, ganz oder annähernd normal sein (zwischen 4^/« und 5 Mil-
lionen). Osterspey (24) fand in zwei Fällen von Magenkrebs sogar Ver-
mehrung der roten Blutkörperchen. Die morphologischen Veränderungen
der roten Blutkörperchen bestehen in den bekannten Veränderungen, die
zum Bilde der Poikilocy tose führen (St r au er (34), Osterspey); frühzeitig
treten namentHch Mikrocyten auf ; bald auch die birnenförmigen und keulen-
artigen Gebilde; nach meinen Untersuchungen vermisst man sogar dann,
wenn noch keine Spur von Kachexie vorhanden ist, selbst bei Hautkrebsen,
selten geringfügige Veränderungen der roten Blutkörperchen, namentlich
Austritt kleinster Hämoglobintropfen, die von den verschiedenen Autoren
wegen ihrer an Eigenbeweguug erinnernden Bewegungen für Parasiten gehal-
ten sind (Klebs, Kahane). Weintraud (37) hat in Fällen von schwerer
Carcinomkachexie eigentümliche helle flecke in den roten Blutscheiben von
unregelmässiger, länglicher oder auch rundlicher Gestalt beschrieben, welche
zwar in dieser Form in den cirkulierenden roten Blutkörperchen nicht vorhan-
den sind, aber jedenfalls auf schwere Alteration der roten Blutkörperchen hin-
weisen. Ich habe sie auch in einem Fall von Ösophaguscarcinom ohne
Kachexie gefunden. Ganz ähnliche Veränderungen haben Maragliano und
Castellino (18a) bei Carcinom und anderen AfEektionen als langsame Ne-
krobiose der roten Blutkörperchen beschrieben. — Dass schliesslich durch die
Kombination dieser Momente das Bild einer typischen perniciösen Anämie ent-
stehen kann, hegt auf der Hand ; nur möchte ich hervorheben, dass man Megalo-
cyteu in geringerer Menge antrifft und dass ich vor allem Gigantoblasten nie-
mals und nur einmal kernhaltige rote Blutkörperchen gefunden habe, so dass
schon dadurch die Fälle nach Ehrlich zu den sekundären Anämieen ge-
hören müssen. — Umgekehrt verhält es sich dagegen mit den weissen
Blutkörperchen, welche meist vermehrt sind. Einhorn (2) giebt auch
518 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
eine Vermehrung der Lymphoeyten an, was er auf eine Reizung der
Lymphdrüsen durch das Careinom zurückführt; sind dagegen die Lymph-
drüsen carcinomatös entartet, so tritt eine Verminderung der Lymphoeyten
ein. Schneider fand bei 12 Krebskranken nicht nur bedeutende
relative, sondern auch absolut hohe Werte; einmal war das Verhältnis
der weissen zu den roten Blutkörperchen auf 1 : 48 gestiegen (bei
V. Limbeck kommt einmal ein Verhältnis von 1 : 36,5 vor). Pee
(25) fand in 7 Fällen im Durchschnitt 18 700 Leukocyten, Schaper
(29) bis 30000 (durchschnittlich 12000), Rieder (27) unter 12 Fällen 8mal
erhebliche Vermehrung 11000—30000, Osters pey notierte regelmässig
Vermehrung der weissen Blutkörperchen; Reinbach (26) dagegen bei
Carcinomen seltener als bei Sarkomen, unter 16 Fällen lOmal ; dabei wurde
von ihm auch ein Abweichen in dem Verhältnis der verschiedenen Lcuko-
cytenformen festgestellt; in den meisten Fällen waren die polynukleären
Zellen vermehrt, die Lymphoeyten vermindert. Ich habe mitunter auch
erhebliche Vermehrung der eosinophilen Zellen im Blute Krebskranker
beobachtet. — Während wir die Verminderung der roten Blutkörperchen
durch eine Störung in der Thätigkeit der blutbereitenden Organe erklären
können, weisen die morphologischen Veränderungen auf Giftwirkungen hin;
ebenso, wie wir auch die Leukocytose davon abhängig machen müssen, dass
bei dem Zerfall der Carcinomzellen positiv chemotaktische Stoffe frei
werden.
3. Was die Veränderungen der nicht direkt vom Careinom oder seinen
Metastasen betroffenen Organe anbetrifft, so ist ihnen vielleicht deswegen
keine so grosse Berücksichtigung geschenkt worden, w^eil sich die Summe
der Faktoren, welche zu den anatomischen Veränderungen führen, nur
seltener übersehen lassen. Die Veränderungen gehören in erster Linie
ins Gebiet der braunen Atrophie (an Herz, Milz, Leber) und es wäre daran
zu denken, dass sie mit dem Zerfall der roten Blutkörperchen in Zusanmien-
hang zu bringen sind. Ob die fettigen Degenerationen, die nicht so selten
an der Herzmuskulatur und den Nieren gefunden werden, Folge der Anämie
oder einer spezifischen Giftwirkung sind, ist ebenfalls noch nicht genügend
untersucht. Schrader (31) fand unter 50 Krebsleichen 10 mal akute
parenchymatöse Nephritis, 4 mal chronische , 2 mal beides kombiniert und
Benecke meint, dass auch diese Befunde auf eine allgemeine Schädigung
zurückzuführen sind, was allerdings möglich ist, aber erst bei sorgfältiger
Beachtung aller in Frage kommenden Fehlerquellen als völlig bewiesen
augesehen werden kann. — Besonders interessant sind die Veränderungen
der peripheren Nerven, welche in einigen Fällen von Careinom konstatiert
wurden. So fand Auche (1) in 4 Fällen von Magenkrebs, 1 Fall von
Pankreaskrebs und 5 Fällen von Uteruskrebs Neuritis, ebenso Francotte
Weseu der Neubildung. 519
(4) in einem Fall von Pyloruskrebs , femer Oppenheim und Siemer-
ling (23) ebenfalls in einem Fall von Magenkrebs. Letztere Autoren be-
schreiben die Veränderungen dahin, dass man Gruppen marklos gewordener
Fasern antrifft mit geschwundenen oder degenerierten Cylindern, in deren
Umgebung die Kerne der Seh wann sehen Scheide vermehrt, das Binde-
gewebe aber unverändert war. Auch 6 giebt an, dass Gehirn und Rücken-
mark dabei unverändert blieben. Ich habe in letzter Zeit das Rückenmark
bei Carcinomsektionen systematisch untersucht und namentlich bei Magen-
krebs nicht selten (5 mal unter 11 Fällen) degenerative Veränderungen ge-
funden; es handelte sich um kleine Herde, die meist in den Hintersträngen,
1 mal aber auch in den Seitensträngen lagen, wo die Markscheide zu Grunde
gegangen und eine leichte Gliawucherung nachweisbar war; nur Imal
waren unbestimmte Symptome von selten des Rückenmarks vorhanden ge-
wesen. — Endlich noch einiges über Fiebererscheinungen bei Krebskranken,
worauf Käst hingewiesen hat; auch Schweppe (32) und Kobler haben
solche Fälle mitgeteilt, wo ein eigentümliches remittierendes Fieber vor-
handen war; nicht in allen Fällen handelte es sich um unkomplizierte
Carcinome; aber nach dem jetzigen Stand unserer Wissenschaft werden
wir es nicht für unwahrscheinUeh erklären, dass auch pyrogene StoflEe beim
Zerfall von menschlichen Zellen frei werden. Sehen wir doch im übrigen
grosse Übereinstimmungen in der Wirkung des zerfallenden Protoplasmas
der tierischen Zelle mit der von Bakterienzellen und ist doch in neuester
Zeit durch Krehls Untersuchungen das Vorkommen eines Albumosefiebers
sichergestellt. —
7. Wesen der Neubildung.
Littera tur
1. Benecke a. a. 0.
2. Brath weite, Lancet II. Aug. 1888.
3. Hanau a. a. 0.
4. üansemann a. a. 0.
5. Häuser a. a. 0.
6. Kleb 8 a. a. 0.
7. Marshall a. a. 0.
8. M^n^trier, Des polyad^nomes gastriques et de leur rapport avec le Cancer de Testomac.
Arch. de physiol. Bd. 4. S. 1. 1888.
9. Ribbert a. a. O.
10. Thiersch, Das Epiihelialcarcinom.
11. Woodhead, Edinb. med. Journ. Nr. 397. Juli 1888.
Wenn wir zum Schlüsse dieser ausführlichen Darstellung der Patho-
logie des Carcinoms auf die Frage nach dem Wesen dieser Neubildung
eingehen, so kommen wir dabei auf eine Reihe von Ansichten zu sprechen,
520 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
welche im Vorhergehenden schon mehrfach erwähnt sind. — Die prin-
zipiellen Gegensätze über das Wesen des Carcinoms beruhen nicht mehr,
wie wir in Kapitel 2 gezeigt haben, in Differenzen über die Histogenese
desselben, wohl aber in der Auffassung über die eigentlichen inneren Ur-
sachen der schrankenlosen Epithelwucherung. Hier sieht ein Teil der
Autoren die Ursache in einer Veränderung des Bindegewebes, ein anderer
Teil in der Erkrankung des Epithels, über deren äussere Veranlassung
allerdings so gut wie nichts ausgesagt werden kann. — Die Vertreter der
primären Epithelerkrankung sind vor allem Hansemann, Hanau,
Hauser und Benecke. — Hansemann (4) hat in ebenso konsequenter,
wie geistvoller Weise die Auffassung entwickelt, dass die Spezifizität der
Zellen durch eine primäre inäquale Teilung der befruchteten Eizellen be-
dingt ist. Derartige ungleiche Teilungen erfolgen während der embryonalen
Entwickelung und grenzen, von äqualen zur Vermehrung des neu ent-
standenen Tj'pus dienenden Teilungen unterbrochen, „Generationsstadien'*
ab, die alhnählich immer mehr vom Typus der Eizelle verschiedene
Zellen erzeugen. Durch diese inäquale Teilung werden allmäliüch aus der
Eizelle, welche alle Plasmen in gleicher Anzahl beherbergt, Zellen ent-
stehen, in denen gewisse Sorten von Idioplasmen überwiegen — Haupt-
plasmen, andere zurücktreten — Nebenplasmen. (Enthält z. B. die Eizelle die
Plasmen 6a-|-6b-|-6c, so werden durch inäquale Teilung zwei Zellen ge-
bildet 4a-|-3b-f-3c und 2a-f3b+3c, und nun weitere Zellarten entstehen,
von denen die eine die a-Plasmen als Hauptplasmen, die andere die b-
und c-Plasmen als Hauptplasmen enthalten.) Da nun jede Zellart weiter-
hin gleichartige oder inäquale Generationen erzeugen kann, entstehen
schliesslich die am stärksten spezifizierten Zellen, welche der Urzelle am
unähnlichsten sind. Zu gleicher Zeit gehören aber auch die auf diese Weise
in verschiedenster Richtung spezifizierten Zellen innig zu einander, indem
nur durch die Summe ihrer sämtlichen Plasmen die Zahl der ursprünglich
in der Eizelle vorhandenen Plasmen wieder erreicht wird. Die Spezifizität
der Zellen dokumentiert sich nun, wie Hansemann durch zahh-eiche Unter-
suchungen bewiesen hat, durch die Spezifizität der Kernteilungen, d. h.
durch die konstante Zahl der Chromosomen. Wird die Zahl der Chromo-
somen vermindert, so handelt es sich immer um eine Reduktionsteilung,
bei welcher einer Kernteilung sofort eine neue in den Tochterzellen, ohne
dazwischen liegendes Ruhestadium, folgt, so dass die nunmehr entstehen-
den Kerne nur je ein Viertel des ersten Kernes repräsentieren. Bedeutet
somit die Reduktionsteilung der Zellen eine w^esentliche physiologische
Umgestaltung, so glaubt auch Hansemann in den asymmetrischen
und hypochromatischen Mitosen, welche in Carcinomen vorkommen, den
Ausdruck einer Entdifferenzierung der Zellen sehen zu dürfen ; durch die
Wesen der Neubildung. 521
veränderte Kernteilung gewinnen die Zellen eine grössere Selbständigkeit,
während sie an Spezifizität einbüssen, und diese Anaplasie der Zellen,
wie sie Hansemann bezeichnet, ist die innere Ursache der
schrankenlosen Wucherung der Carcinomzellen^). Er betrachtet
die Bildung der Carcinome geradezu als eine Bildung neuer Organe, die
ebenso wie die Mutterorgane eine positive und negative Funktion im Körper
ausüben. Wenn auch nicht im einzelnen so stimmt doch im Prinzip
Hauser (5) mit Hansemann (4) überein, wenn er schreibt: „der Ver-
lust der physiologischen Funktion, die Umwandlung typischen
(Cylinder;) Epithels in mehrschichtiges polymorphes Epithel,
die veränderten Grössenverhältnisse, namentlich die so häufig
beobachtete Vergrösserung der Zellen mit gleichzeitiger Ver-
grösserung der Kerne und die Erhöhung des Gehaltes an
Chromatin; ferner die veränderte Form der Mitosen, das sehr
reichliche Auftreten hypochromatischer, hyperchromati-
scher, asymmetrischem ndmultipolarerKernteilungsfiguren
und endlich die offenbar mit einer gewissen Hinfälligkeit
und kürzeren Lebensdauer der Einzelzelle verbundene
enorme Vermehrungsfähigkeit der Krebszellen, alle diese
in manchen Fällen im höchsten Masse in die Erscheinung
tretenden Veränderungen deuten mit Bestimmtheit darauf
hin, dass die Krebszelle morphologisch und biologisch eine
andere geworden ist, als die Mutterzelle, von welcher sie ab-
stammt, dass eine Entdifferenzierung oder Anaplasie, wie es
Hansemann bezeichnet, kurz eine „spezifisch krebsige Entar-
tung" des Epithels stattgefunden hat." Auch Hanau (3) sieht das
Wesen der Carcinombildung in einer biologischen Veränderung des Epithels
und ebenso legt Benecke (1) den grössten Nachdruck darauf, dass die
Krebskrankheit „eine Zellenerkrankung der Epithelien ist, die in
Störungen des normalen Gleichgewichtes der Zellenkräfte be-
steht, indem die Kraft der Wucherung auf Kosten der funktio-
nellen zunimmt."
Wenn wir diese Anschauungen im einzelnen einer Kritik unterwerfen,
so können wir auf vieles verweisen, was bereits oben angeführt worden ist.
Die Hansemannsche Theorie, welche ja in ihrer prinzipiellen Grundlage
hypothetisch und von ersten Autoritäten (Hertwig) angefochten ist, hat
1) Hansemann bezeichnet es als ein Miss Verständnis , wenn man seine Theorie
als eine ätiologische angesehen hat. Sicherlich insofern es sich um äussere Ursachen
der Krebsbildung handelt. Die innere Ursache soll aber nach seinen eigenen Worten
doch wohl in der Anaplasie der Zellen liegen, wenn er erklärt, «dass die veränderte
Form der Mitosen die Ursache der Veränderung des Gewebes ist.^ (S. 86.)
522 AUgem. pathol. Morphologie und PhyBiologie.
jedenfalls durch Stroebes Angaben über das Vorkommen der asymmetri-
schen mid hypochromatischen Kernteilungen in gutartigen Neubildungen
und bei der normalen Regeneration auch im speziellen einen schweren
Stoss erhalten. Aber selbst wenn man die Beobachtungen von Stroebe
nicht für sicher genug halten wollte, wozu nach meiner Meinung kein Grund
vorUegt (Kollege Reinke teilte mir mit, dass er auch beim Salamander
asymmetrische Mitosen gefunden hat), so sind doch noch andere Gründe
vorhanden, welche gegen diese Theorie sprechen. 1. Findet man, wie Rib-
bert (9) einwendet und wie ich bestätigen muss, in beginnenden Carcinomen
mitunter gar keine abweichenden Mitosen. 2. Sind die asymmetrischen
und hypochromatischen Mitosen oft in ausserordentlich geringer Anzalil
trotz starker Wucherung des Carcinoms vorhanden. 3. Ist es nicht ver-
ständlich, dass einerseits eine Entdifferenzierung der Zellen vorhanden sein
soll und sie andererseits doch noch spezifische Funktionen ausüben sollen
(Pankreas-, Nebennieren-, Schilddrüsencarcinome). 4. Kann selbst in einer
Zelle, die asymmetrische oder hypochromatische Mitosen aufweist, der Zell-
inhalt (Altmannsche Granula) unverändert sein (Lu barsch). 5. Ist es
auffallend, dass die stärkste Abweichung von dem normalen Typus der
Kernteilungen oft erst in den Metastasen auftritt, wo infolge der bereits
eingetretenen Schädigung des Allgemeinzustandes die Vermehrung und der
Untergang der Zellen sehr viel rascher zu erfolgen pflegt. Es erscheint
deswegen viel wahrscheinlicher, dass die veränderte Mitose nicht die Ur-
sache der carcinomatösen Wucherung, sondern die Folge ist,
indem durch die überstürzte und oft wiederholte Kernteilung Unregelmäs-
sigkeiten in der Verteilimg des Chromatins ablaufen. Das gleiche gilt für
die Ausführungen H aus ers; dass die hyperchromatischen und multipolaren
Kernteiluugsfiguren nicht nur in Carcinomen, sondern in durchaus gut-
artigen Neubildungen vorkommen, ja sogar experimentell erzeugt werden
können (Hertwig), wird allgemein zugegeben. Aber auch die übrigen Ver-
änderungen der Epithelzellen kommen 1. nicht ausschliesslich den Carcinoni-
zellen zu und sind 2. durchaus nicht in allen Krebsen vorhanden. Hauser
hat eigentlich selbst in dem oben näher besprochenen Beispiel von multiplen
Polypen des Dickdarms ein Beispiel angeführt dafür, dass die spezifische
carcinomatöse Degeneration der Epithelien auch an nicht krebsigen Neu-
bildungen vorkommt ; auch hier waren die Zellen chromatinreicher, es kam
zur Bildung mehrschichtigen, ja sogar polymorphen Epithels (wenigstens
in einem kleinen Tumor, der auch ausschliesslich auf die Schleimhaut
beschränkt war), die Funktion war herabgesetzt und doch handelte es sich
nach Haus ers eigener Auffassung nicht um Krebs 1 Ich selbst habe schon
früher das Vorkommen atypischer Epithelwucherungen in Dickdarmpoh^peii
beschrieben (Virch. Arch., Bd. 111) und neuerdings einen sehr interessanten
Wesen der Neubildung. 523
Fall von Kehlkopf polypen beobachtet, dessen Struktur zuerst bei mir den
Verdacht auf Carcinom erweckte; der Tumor war im Dezember 1891 von
Professor Lemke, der ihn für gutartig hielt, einfach mit der Zange ent-
fernt worden. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich eine sehr
mächtige Epithelwucherung, wobei reichlich hyperchromatische Kerne und
Mitosen, pluripolare und hypochromatische Mitosen auffielen; die Platten-
epitheüen erschienen vielfach vergrössert, zeigten keine deutUche Fibrillar-
struktur und enthielten nur noch ausnahmsweise Glykogen. Ich hielt den
Tumor deswegen, obgleich ein Durchbruch der physiologischen Grenzen
nicht sicher nachgewiesen werden konnte, zum mindesten für carcinom-
verdächtig. Da aber bis heute kein Recidiv eingetreten ist, der klinische Ver-
lauf — der Tumor hatte sich in sehr kurzer Zeit entwickelt — durchaus gegen
Carcinom sprach, halte ich es für unstatthaft, ihn als etwas anderes, wie
als gutartiges Epitheliom aufzufassen. Andererseits bekommen wir Carci-
noine zu sehen, die, wie schon oben mehrfach hervorgehoben, weder mor-
phologisch, noch physiologisch wesentlich von den Zellen des Mutterorganes
abweichen. Das gilt ja besonders von den Neubildungen, die im Uterus
und Magen von den Klinikern vielfach als Adenoma malignum oder des-
truens bezeichnet werden; mehr noch von den metastasierenden Schild-
dnisentumoren, welche, mag man sie nun als Adenome oder Carcinome
bezeicluien, doch gerade das wesentlichste der carcinomatösen Neubildung,
die schrankenlose Wucherungsfähigkeit mit ihnen gemein haben. — Die
Auffassung von Hanau und Benecke ist deswegen nicht ohne weiteres
abzulehnen, weil hier noch nicht der Versuch gemacht wird, für die Er-
krankung des Epithels einen morphologischen Ausdruck zu suchen. Auch
ist Beneckes Auffassung von der Abnahme der physiologischen Leistung
der Zellen, wie schon oben auseinandergesetzt, auch mit der Thatsache in
flinklang zu bringen, dass oft genug die Carcinomzellen noch spezifische
Funktionen ausüben, weil wir doch nicht wissen, ob die physiologische Lei-
stung quantitativ und qualitativ genau dieselbe ist. — Wohl aber werden
wir unten noch darauf eingehen müssen, ob wirklich die Zunahme der
Wucherungskraft stets mit einer Abnahme der Leistungsfähigkeit verbunden
sein muss.
Eine Reihe von anderen Autoren ergehen sich nur in sehr allge-
meinen Ausdrücken über das Wesen des Carcinoms. So findet Braith-
waite (2) das Wesen der Erkrankung in einer „erhöhten Lebenskraft''
der Zellen; Mönötrier (8) spricht von einer Umwandlung der spezifischen
Zellen in „embryonale" Zellen unbestimmten Charakters, die durch eine
lokale Arteriosklerose hervorgebracht sein soll, welche die Ernährung der
Zellen schädigen soll — eine Auffassung, die kaum besonders widerlegt
zu werden braucht. Mars hall (7) sieht dagegen das Wesen des Krebses
524 All gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
in der Anarchie des Gewebes und sieht die Ursache davon in den man-
gelnden Beziehungen der Krebszellen zum Nervensystem, welches Marshall
für das allein massgebende bei dem Wachstum der Zellen hält. Be necke
hat bereits sehr richtig hiergegen eingewendet, dass das Nervensystem
nur den Regulator der in der Zelle selbst liegenden Kräfte darstellt
und daher nicht ausschlaggebend für das Zell Wachstum ist. Woodheaa
(11) endlich hat die Hypothese aufgestellt, dass das Gleichgewicht zwischen
vegetativer und funktioneller Zellthätigkeit durch eine derartige Ernäh
rungsstörung verändert werden kann, welcher in einer den inneren An
f orderungen der Zellen nicht entsprechenden Nahrungszufuhr besteht, da
bei clu-onischen Reizungen die Ernährungsanforderungen der Zellen erhöht
sind, wird also dadurch ein relativer Nahrungsmangel herbeigeführt; und
die Zellen beginnen nun übermässig zu wuchern, um behufs besserer Er-
nährung grössere Oberflächen zu bekommen. „Imperfect nutrition" ist also
nach Woodhead die Ursache der Zellwucherung. Sieht man ganz ab
von der zum Teil teleologischen Auffassung Woodheads, so würde sich
doch, wie Ben ecke mit Recht bemerkt, der wachsende Grad der Zell-
erkrankung auf diese Weise nicht erklären lassen, zumal ja oft durch die
Bildung des gefässreichen Stromas die Ernährungsverhältnisse besonders
günstige werden.
Wenden wir uns nun endlich noch zu einigen Theorieen, die wenn
auch nicht das Wesen, so doch die Ursache der Neubildung in einer Er-
krankung des Bindegewebes sehen. Auf Ribberts (9) diesbezügliche An-
schauungen sind wir bereits oben so ausführlich eingegangen, dass hier
darauf verwiesen werden kann. Hier sei nur noch der klassischen Unter-
suchungen von Tili er seh (10) gedacht, der zwar gerade als Erster gezeii^t
hat, dass die Carcinomzellen Epithelien sind, das eigentliche Wesen der
Erkrankung aber in einer Störung des Verhältnisses zwischen Epitlielien
und Bindegewebe sieht. Durch den primären Schwund des Bindegewebes
infolge von Altersatrophie soll dem Epithel die MögKchkeit gegeben werden,
schrankenlos, in die Tiefe zu wachsen. Hause r hat zugegeben, dass es
eine unverkennbare Thatsache ist, dass das Bindegewebe früher atrophiert
als das Epithel, welches, wie Merkel sagt, „ew^g jung" bleibt; er hat
aber gegen die Theorie angeführt, dass 1. sich durch den Wegfall der
Widerstände des Bindegewebes nicht die gesteigerte Proliferationskraft
erklären lässt; 2. die Atrophie des Bindegewebes im Alter eine Allgemeiu-
affektion ist, man also häuflger multiple Carcinome finden müsste, als es
thatsächUch der Fall ist ; 3. könne doch bei manchen Krebsen keineswegs von
einer Schwächung des Bindegewebes die Rede sein, es bestände vielmehr
eine lebhafte Proliferation derselben; im übrigen hält aber auch Hauser
es für möglich, dass der unbekannte Faktor, welcher zur krebsigen Ent-
Wesen der Neubildung. 525
artung des Epithels führt, vom Bindegewebe aus auf das Epithel einwirkt.
Ich rauss gestehen, das mir von allen Carcinomtheorieen die Thi er seh sehe
immer noch die sympathischeste ist, dass sie aber natürlich das Rätsel
auch nicht vollkommen löst, zumal die ad 1 und 3 angegebenen Einwände
Ilausers entschieden stichhaltig sind, während der zweite Punkt immer
noch mit der Thiersch sehen Theorie vereinbar wäre, da neben der all-
jremeinen Atrophie des Bindegewebes ja noch lokale Reize eine Rolle spielen.
Aus allen bisher mitgeteilten Auffassungen scheint mir nur das als
ein sicherer Punkt feststellbar, dass das Wesen des Carcinoms in der
schrankenlosen Wucherung des Epithels liegt und somit eine Erkrankung
des Epithels ist, für deren Eigentümlichkeit wir eine morphologische Unter-
lage noch nicht besitzen. Man kann das Wesen der Erkrankung vielleicht
auch so ausdrücken, dass man mit Benecke von einer Störung des Gleich-
gewichts zwischen funktioneller und vegetativer Kraft spricht. Aber es
seheint mir nicht nötig, dass die Vegetationskraft stets auf Kosten der
funktionellen Thätigkeit steigen muss. Vergegenwärtigt man sich die That-
sacbe, dass einmal durch Damiederhegen der Funktion eine Atrophie der
Zellen eintritt — ein Zustand der früher oder später ausnahmslos das
Schicksal der Zellen ist — und andererseits durch häufige Inanspruch-
nahme der Funktion (Übung) eine Vergrösserung und Wucherung der
Zellen eintritt, so haben wir Beispiele vor uns, dass einmal mit der funk-
tionellen Abnahme auch die vegetative einhergehen kann und umgekehrt.
Zur Erklärung dieser Vorgänge könnte man die Hypothese aufstellen,
dass bei den Lebensvorgängen der Zellen Stoffe produziert werden, welche,
allerdings erst in sehr grossen Quantitäten, auf die Zelle selbst schädlich
einwirken; deswegen fallen schliesslich im Alter die Zellen der Atrophie
anheim, weil diese Stoffe sich in zu grosser Menge angehäuft haben; um-
gekehrt schliesst aber an häufigen Gebrauch eines Zellkomplexes eine
Hypertrophie und schliesslich sogar Hyperplasie an, weil bei dem viel
energischeren Stoffwechsel die deletären Stoffe rasch und vollständig fort-
geschafft werden. Man könnte danach umgekehrt zu der Ansicht gelangen,
dass dann, wenn durch irgend welche andere Momente für eine besonders
rasche und vollständige Entfernung des Giftstoffes gesorgt würde, eine
Neubildung von Zellen eintreten muss; und man könnte sich vorstellen,
dass durch immer wiederholte entzündliche oder traumatische Reize ein
solches Moment zu sehen sei, in dem durch eine Vermehrung des ge-
samten Plasmastroms eine energischere Ausspülung der Zellen stattfände.
Zu gleicher Zeit und namentlich dann, wenn die gewucherten Zellen bereits
die Lymphbahnen erreicht haben, kommt es dann zu einer Anhäufung der
schädlichen Stoffwechselprodukte im Blute, wodurch allmählich eine Ab-
nahme der resorbierenden Thätigkeit der Zellen eintritt und somit die Be-
526 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
dingungen erfüllt werden, welche zur Metastasenbildung Anlass geben
können.
Ich möchte hiermit keine neue Carcinomtheorie aufgestellt haben,
zumal ich mir nicht verhehle, dass auch sie ihre bedenklichen Schwächen
besitzt; aber ich möchte doch damit darauf hinweisen, dass es gut wäre,
wenn wir die Entstehung der eigentlichen carcinomatösen Wucherung von
den gleichen Gesichtspunkten aus zu erklären versuchten, vne die Metas-
tasenbildung, nicht aber, wie es z. B. auch in den Ben eckeschen Aus-
führungen liegt, von dem gleichen Standpunkt aus, den wir zur Erklärung
jeder autonomen Neubildung einnehmen.
Endlich noch einige Worte über die Diagnose des Carcinoms. Sie
hängt natürlich sehr von dem prinzipiellen Standpunkt des Autors ab.
Klebs (6) sieht das Wesen der eigentlichen krebsigen Neubildung iu der
Metastasierungsfähigkeit, und er meint, dass zur Diagnose des Carcinoms
der Nachweis von Epithelien gehört, „die von ihrem Mutterboden sieh
losgelöst haben*'. Hauser steht auf dem entgegengesetzten Standpunkt,
indem er annimmt, dass alle Krebsnester ein weit verzweigtes, zusammen-
hängendes Netz bilden, und die krebsige Entartung des Epithels das Cha-
rakteristische wäre. Folgerichtig müsste Haus er schhessUch zu dem Re-
sultat kommen, dass man bereits aus der Form der Zellen die Diagnose
auf Carcinom stellen könne, was er ja praktisch sicher nicht thut, wenn-
gleich er wohl die Momente, welche die Anaplasie der Zellen ausmachen,
mit Hansemann als Hilfsfaktoren zur Diagnosenstellung benutzt. Die
oben ausführlich besprochenen Gründe rechtfertigen wohl den Standpunkt,
dass nur auf Grund des schrankenlosen Wachstums, d. h. nach Durch-
bruch der physiologischen Grenzen, die Diagnose auf Carcinom gestellt
werden kann, wenn man auch noch das Gesetz im Auge behält, dass jede
autonome Neubildung „atypisch in Bezug auf die Körperform" ist. Frei-
lich mag es auch dann noch — namentlich wenn man es mit ausgerissenen
und abgeschabten Partikeln zu thun hat — schwer werden, die Unter-
scheidung zwischen atypischer Epithelwucherung und Carcinom zu geben,
und dann kann wohl mit grosser Vorsicht die Anaplasie der Zellen diffe-
rentialdiagnostisch herangezogen werden; aber prinzipiell scheint mir dies
der einzig haltbare Standpunkt. Daraus ergiebt sich allerdings für die
Praxis, dass wir auch jedes destruierende Adenom — mag es auch noch
so typisch den Bau des Muttergewebes wiedergeben — als Carcinom be-
zeichnen müssen, unbeschadet der theoretischen Auseinandersetzimgen, dass
auch ein (dem histologischen Bau nach) adenomatöser Tumor metastasieren
kann. Und als weiteren Schluss werden wir zu unserem Bedauern die That-
sache feststellen müssen, dass es vor der Hand unmöglichist, ein Gar-
cinomin seinen Anfangsstadien mit Sicherheit zu diagnostizieren.
c.
Zur Ätiologie der Geschwülste vom klinischen
Standpunkt.
Von
C. Schimmelbusch in Berlin^).
Litteratur.
L Blamberg, Über sogenannte traumatische Epithelcysten. Deutsche Zeitschr. f.
Chirurgie. Bd. 38. Heft 6. S. 605. 1894.
2. Clement, Über seltenere Arten der Kombination von Krebs und Tuberkulose. Yirch.
Arch. Bd. 139. Heft 1. 1894.
3. Le Fort, Des kystes dermoides traumatiques. Revue de Chirurgie. T. XIV. p. 1013.
4. Franke, Über die Epidermoide (sogenannte Epithelcysten). Deutsche Zeitschr. f.
Chirurgie. 1894. Bd. 40.
5. V. Friedländer, R., Beitrag zur Kenntnis der Carcinomentwickelung in Sequester-
höhlen und Fisteln. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. 1894.
6. Garrä, Über traumatische Epithelcysten der Finger. Beiträge zur klinischen Chirurgie.
1894.
7. Koettnitz, Über symmetrisches Auftreten von Lipomen. Deutsche Zeitschr. fOr*
Chirurgie. 1894. Bd. 38.
1) Der vorliegende Beitrag des leider in so jugendlichem Alter verstorbenen treff-
lichen Chirurgen und Gelehrten hatte nach Verabredung mit dem Herausgeber noch eine
Umarbeitung erfahren sollen, um unnötige Wiederholungen und Kollisionen mit schon an
anderen Stellen berücksichtigten Arbeiten zu vermeiden. Diese Absicht wurde durch die
schwere tödliche Krankheit durchkreuzt. Trotzdem habe ich es fQr unangebracht gehalten,
an dieser wohl letzten wissenschaftlichen Publikation des verehrten Kollegen meinerseits
eine Änderung vorzunehmen und es als eine Pietätspflicht betrachtet, sie unverändert dem
Bracke zu übergeben, zumal sie durch Einflechtung eigner Erfahrungen auch einen «Selbst-
ständigen Wert behält. Lubarsch.
528 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
8. KongreBB der französiechen Gesellschaft f. Chirurgie. 1894. Etiologie et patbogenie
du Cancer. Revue de Chirurgie. 1894. p. 893.
9. Löwenthal, über die traumatische Entstehung der Geschwülste. Archiv f. klinische
Chirurgie. 1894. Bd. 49.
10 Martens, Ein Beitrag zur Entwickelung des Melanosarkoms der Chorioides bei an-
geborener Melanosis sclerae. V. A. Bd. 138. 1894. S. 111.
11. Ribbert, Carcinom und Tuberkulose. MOnch. med. Wochenschrift. 1894.
12. Sippel, Überimpfung des Carcinoms auf gesunde Körperstellen der Erkrankten. CtbL
f. Gynäkologie 1894
13. Stein haus er, Über Lupuscarcinom. Beiträge zur klinischen Chirurgie. Bd. 12. 18H.
14. Thorn, Zur Infektiosität der Carcinome. Ctbl. f. Gynäkologie 1894.
Zu den Geschwülsten, über deren Ätiologie man sich nur sehr weni^^
plausibele Vorstellungen machen kann, gehören in erster Linie die Lipome.
Die Momente, die man, wie für andere Tumoren, auch für sie als ursäch-
lich hingestellt hat: angeborene Anlage, Traumen etc. werden so wenig
durch die klinischen Erfahrungen gestützt, dass man sie kaum als Ver-
mutungen gelten lassen kann. Die bekannte Thatsache, dass Lipome an
gewissen Stellen des Körpers z. B. am Nacken und am Rücken, vorzugs-
weise gefunden werden, während sie an anderen, z. B. in der Hohlhand
und in der Fusssohle, höchst selten vorkommen, hatte Grosch (Deutsche
Zeitschrift für Chirurgie 1887) zu der Annahme geführt, dass die Dispo-
sition des Körpers zur Lipombildung in umgekehrtem Verhältnis zum
Drüsenreichtum stehe. Er hielt dies für keine Zufälligkeit, sondern meinte,
dass die Drüsensekretion auf die Anordnung des gesamten Panniculus
adiposus von Bedeutung sei. Dort, wo viel Drüsen wären, würde das Ge-
webe vom Fett auf dem Wege der Sekretion befreit, während in drüsen-
armen Partieen die Entwickelung der Fettpolster stärker ausfalle und die
Disposition zur Bildung von Fettgeschwülsten vorliege. Koettnitz (7)
geht auf diese Theorie in einer Mitteilung über zwei Fälle von symme-
trischen Lipomen näher ein. Er hebt hervor, dass Groschs Hypo-
these — gegen welche sich übrigens ja zahlreiche Bedenken erheben
lassen — schon deshalb nicht haltbar sei, weil das supponierte Verhalteu
.von Drüsenarmut und Lipombildung durchaus nicht überall stimme.
Grosch irre darin, dass der Hals und speziell der Nacken drüsenarme
Hautabschnitte seien. Die betreffenden Teile seien im Gegenteil ausser-
ordentlich reich an Drüsen.
Koettnitz hält eine anderes, ebenfalls auch von Grosch schon
hervorgehobenes Verhältnis für beachtenswerter, nämlich das Vorhanden
sein nervöser Einflüsse bei der Bildung der Lipome. Dafür sprächet
einmal enge Beziehungen, welche die Lipome manchmal zum Nerven
System zeigten, dann aber ganz besondere Fälle von symmetrischen Lipomen
wie er selbst 2 beobachtet hat. Schon das symmetrische und häufig gleich
Zar Ätiologie der Geschwülste vom klinischen Standpunkt. 529
zeitige Autreten von Lipomen bei einem Individuum lasse kaum eine andere
Deutung zu, als dass Einflüsse der nervösen Centralorgane hier in Frage
kämen. Eine Anzahl der in der Litteratur sich findenden Fälle symmetrischer
Lipome sind solche, bei welchen die Tumoren ohne jede Störung völlig
syraptomlos entstanden sind und die Patienten wesentlich aus kosme-
tischen Gründen ärztlichen Rat erbaten. In anderen Fällen waren rheu-
matische Begleiterscheinungen vorhanden, schwere menstruelle Störungen
(1 Fall von Koettnitz), zwei Fälle zeigten schwere centrale Nervenleiden
(Tabes dorsalis, allgemeine Paralyse). In einem Fall von ßutterkirch
und Be necke entwickelten sich nach einer Kontusion der Wirbelsäule
in kurzer Zeit unter den Augen der Beobachter symmetrische Lipome auf
dem Rumpf.
Im 1. Falle von Koettnitz verliert eine 27jährige Frau die Periode;
an Stelle derselben treten periodische Schmerzattacken mit Eruption sym-
metrisch gelegener Lipome auf, die in erster Linie den Vorderarm, dann
den Oberarm, die Brust, den Bauch, die Oberschenkel und dann den Hals
einnehmen. Im 2. Fall ist eine schwere Neurose vorhanden. Mit derselben
bilden sich an den Fuss- und Kniegelenken Lipome in symmetrischer An-
ordnung aus und an den Vorderarmen entsteht eine merkwürdige Fettab-
lagerung, ebenfalls in symmetrischer Form, also an Stellen, welche nichts
weniger als Prädilektionsstellen für Fettgeschwülste sind. In beiden Fällen
waren Erblichkeit und Alkoholismus auszuschliessen.
Koettnitz weist auf die nicht seltenen Fälle hin, bei w^elchen man
bei operativer Entfernung Lipome in direkter Beziehung zu Nervenstämmen
gesehen hat und glaubt, dass die Berechtigung vorliege, das Lipom,
wenigstens das symmetrische Lipom als den Ausdruck einer Tropho-
neurose anzusehen.
Löwenthal (9) hat sich der grossen Mühe unterzogen, 800 Fälle aus
der Litteratur zusammenzutragen, in welchen eine Geschwulst auf ein
Trauma ätiologisch zurückgeführt worden ist. Wir finden in seiner
Mitteilung berücksichtigt:
Carcinome 358
Adenome 10
I Fibrome und Keloide 21
Lipome 16
Myxome 8
Chondrome 27
Osteome 18
Angiome 5
Myome 2
Lnbarfcch-Osterttff, ErgebDitie Abteil. U, 34
530 Allgein. pathol. Morphologie and Physiologie.
Gliome 11
Neurome 8
Sarkome 316
Die Krankengeschichten dieser 800 Fälle sind auszugsweise mitge-
teilt. Unter denselben figuriert eine Anzahl, in welche ein Carcinom
oder ein ähnlicher Tumor sich auf einer alten Narbe, um einen viele
Jahre im Körper eingeheilten Fremdkörper (Kugel) auf einem lange be-
stehenden Ulcus etc. entwickelt hat. Das sind ja bekannte Vorkomm-
nisse, nur scheint es uns fraglich, ob man diese Fälle als Beläge für die
ätiologische Bedeutung des Traumas schlechthin anführen kann. Es ist
wohl nicht eigentlich das Trauma, was hier die Geschwulstbildung ange-
regt hat, sondern ein besonderer krankhafter Zustand (Narbe, ülceration)
der anerkanntermassen, auch ohne traumatischen Ursprungs zu sein, eine
Disposition für maligne Neubildungen schafft. Diese Fälle sind ja in ihren
letzten Ursachen auf ein Trauma zurückzuführen, aber sie sind nicht so
ohne weiteres als Beweise für die traumatische Entstehung der Geschwülste
überhaupt zu verwenden.
Bei der in der Zeit des Unfallversicherungsgesetzes ungemein wich-
tigen Frage nach der traumatischen Ätiologie von Neubildungen, handelt
es sich wesentlich darum, ob ein Trauma, ohne langwierige Störungen
vorher erzeugt zu haben, direkt aus einem vorher gesunden Gewebe heraus
einen Tumor entstehen lassen kann. Ob z. B. ein Carcinom der Brust-
drüse sich nach einer Kontusion der Brust, ein Sarkom der Tibia sich
nach einem Stoss gegen das Schienbein entwickeln kann, selbst wenn zu-
nächst durch die Verletzung irgendwie erhebliche lokale Schädigungen
nicht hervorgerufen wurden. Ob Löwenthal mit seinem reichen Mat^
rial den Beweis für diesen Zusammenhang zu erbringen vermocht hat,
muss wohl bezweifelt werden. Bei der Durchsicht der zahlreichen aus-
zugsweise mitgeteilten Krankengeschichten findet man ja allerdings einige,
in welchen der supponierte direkte Zusammenhang von Geschwulst und
Trauma recht evident in Erscheinung tritt, aber in der weitaus grössten
Anzahl dürfte er ein recht lockerer, und in nicht wenigen geradezu u
wahrscheinlich sein. Wenn es sich um den Nachweis so wichtiger uu(
oft angezweifelter Beziehungen handelt, darf man sich mit vagen Angabe*
der Kranken nicht begnügen. Zu solchen aber muss man es rechneni
wenn als ursächliches Moment mitgeteilt wird, dass ein Patient mit einenj
Oberarmsarkom unbestimmte Zeit vor dessen Bemerken in die Haut ge|
zwickt wurde, oder wenn man verzeichnet findet, dass ein Kranker mJ
Lippenkrebs früher einmal zu heissen Kaffee getrunken oder vor '/< Jahrei
aus Versehen die Cigarre mit dem glimmenden Ende in den Mund gestecb
und sich so etwas die Lippen verbrannt hat.
Zur Ätiologie der Geschwülste vom klinischen Standpunkt 531
Eine kleine Anzahl kritisch wohl geprüfter Krankenbeobaehtungen
dürfte zur Klärung der Verhältnisse zwischen Trauma und Geschwulst
mehr beitragen, als eine solche mehr durch Quantität als Qualität der
einzelnen Fälle ausgezeichnete Statistik. Wie sehr es in dem Belieben der
einzelnen Beobachter liegt, das Trauma in ursächlicher Bedeutung bei einer
Geschwulstentwickelung erscheinen zu lassen, das geht wohl am besten
aus Zusammenstellungen über Sarkome hervor, über welche Löwenthal
selbst referiert. So hat z. B. Gross (American Journ. of med. sciences
1879, Juli) von 165 Sarkomen der langen Röhrenknochen bei fast der
Hälfte ein Trauma als Ursache nachweisen können, während G- Wild
(Ein Beitrag zur Statistik der Sarkome. I.-D. München 1891) unter 423
Fällen von Sarkomen nur 15 verzeichnet, bei denen ein exquisites Trauma
als Ursache erscheint.
Man könnte überhaupt fast sagen, dass Löwenthal mit seinen Aus-
führungen mehr Zweifel an dem von ihm behaupteten Zusammenhang von
Trauma und Tumor erregt, als beseitigt. Schon das allein macht einen
eigenartigen Eindruck, dass so grundverschiedene Krankheitsprozesse, wie
Lipome, Angiome, Neurome, Keloide, Carcinome, Sarkome etc. ganz ohne
weiteres und, als wenn sich das von selbst verstünde, alle in ursächliche
Beziehung zu ein und demselben Moment gebracht werden. Noch weniger
überzeugend dürften aber die Angaben über die Zeit wirken, welche zwischen
Einwirkung des Trauma und der Entstehung der Geschwulst verstrichen
ist. Wir lesen da, dass in einem Falle die Entwickelung des Mamma-
carcinoms sich unmittelbar an das Trauma angeschlossen habe, in anderen
Fällen nach einigen Wochen, in einzelnen nach 22 und 25 Jahren statt-
gefunden habe. Bei den Sarkomen umgreift dieser Zeitraum sogar 49
Jahre (1). In 135 von 190 Fällen wurde das Sarkom in einem Monat und
weniger nach dem Trauma diagnostiziert. (?1)
Merkwürdig berührt auch bei dieser Statistik die auffallende Häufung
von Beispielen mit traumatischer Ätiologie für die Geschwülste der äusseren
Körperoberfläche und die spärliche Ausbeute für die doch kaum selteneren
Tumoren des Körperinneren. So sind z. B. 137 Carcinome der Mamma mit-
geteilt, dagegen nur je ein Krebs des Magens, des Pankreas und des Rek-
turaa. Wenn es sich bei Trauma um ein allgemein gültiges ätiologisches
Moment bösartiger und gutartiger Tumoren handeln würde, sollten diese
Differenzen doch nicht auftreten. Übersieht man daher mit etwas kri-
tischem Bhcke die sehr mühevollen Untersuchungen Löwenthals, so kann
luau leider doch nicht mehr daraus entnehmen, als die alte Erfahrung,
dass bei äusseren Erkrankungen der Laie geneigt ist, ein Trauma als Ur-
sache sich zu denken, so wie er für innere mit Vorliebe auf die Erkältung
zurückgreift.
34*
532 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Tumoren, bei welchen eine traumatische Entstehung sicher erxiiesen
ist, welche aber auffallenderweise in Löwen t hals Zusammenstellung über
haupt keinen Platz gefunden haben, sind die speziell in letzter Zeit und
auch wieder 1894 näher studierten sog. Epithelcysten an den Augen
und Händen. Diese Gebilde sind 1887 von Reverdin (Des kystes epi-
dermiques des doigts. Rev. m^d. romande) einer gründlichen Bearbeitung
unterzogen worden, haben aber erst in allerletzter Zeit in Deutschland dit
richtige Würdigung erfahren. Garrö (6) teilt zwei neue Fälle mit, in welchen
eine genaue histologische Untersuchung vorgenommen wurde. Eine Frau
bringt sich mit einer Gabel eine Stichverletzung am 4. Finger bei Die kleine
Wunde verheilt bald, aber unter der Narbe entwickelt sich in einigen Monaten
eine fast kirschgrosse Cyste. Die Cyste ist gefüllt mit verhornten Pflasterepi-
thelien und hat als Wand Epidermis, z. T. mit deutlichen Papillen. Der
zweite Fall betrifft Professor B., der sich an der Spitze des 3. Fingers links
mit einem Volk mann sehen Haken verletzte. In einigen Wochen bildet
sich in der Narbe ein kleines Knötchen, welches sich als Epithelperle
erweist.
Le Fort (3) beschreibt eine Epidermiscyste, welche nach Verletzung der
Hand mit einem Nagel in ca. 8 Jahren entstanden war und die Grösse
einer Erbse erreicht hatte. Diese Epidermiscyste ruhte in einem fast völli':
gefässlosen Bindegewebsstratum. Die Epidermis zeigte alle ihre Schichten,
es fehlten aber ganze Drüsen und wahre Papillen; dahingegen zeigten sich
kleine Zellhaufen, welche Le Fort als abgesprengte Teile der Drüsen und
der Rete Malpiglii anspricht. Nach Wiedergabe einer Anzahl von Beoi)-
achtungen aus der Litteratur betont Le Fort die traumatische Entstehung
dieser Geschwülstchen und ihr exklusives Vorkommen an den Händen und
im Auge. Wie Poulet und Labougle hat er versucht, an der Leiche
traumatische Epithelin vaginationen künstiich zu erzeugen. Le Fort be-
nutzte als Objekte ganz frische Leichen imd zu den Verwundungen rostige
Nägel. Die Haut an der Greif fläche der Finger liess sich leichter perforieren,
als z. B. am Abdomen; es gelang auch nur an den Fingern und den Händen
an den Perforationsstellen In vaginationen von Epithel aufzufinden. Die
kleinen Stückchen Haut waren mehr oder weniger tief eingepresst und
befanden sich zum Teil noch in Zusammenhang mit der Hautoberfiäche.
Mikroskopisch bestanden sie aus Epidermis ohne Korium. Die anatomische
Disposition der Haut der Hände, wie die Häufigkeit der traumatischen In-
sulte an diesen Stellen erklärt das fast ausschliessliche Vorkommen der
Epithelcysten an diesen Stellen.
Blumberg (1) sah drei Fälle traimiatischer Epithelcysten. Er hält die
fraglichen Gebilde für ziemüch häufig und identifiziert mit ihnen nicht
bloss die analogen intraokulären Cysten, sondern auch die Cholesteatome,
Zur Ätiologie der Geschwfllste vom klinischen Standpunkt. 533
speziell die des Ohres. „Kurz zusammengefasst, ist die besprochene Ge-
schwulstart, die Perlgeschwulst, das Cholesteatom, das Margaroid, die trau-
matische Epithelcyste u. s. w, also schon oft gesehen und beschrieben, der
Name aber sehr verschieden gewählt worden.*' Blumberg meint, es be-
stehe zwischen diesen „Formen" nur ein gradueller, kein fundamentaler
Unterschied und schlägt für alle die Namen „Perlgeschwulst'' vor. Was
(liis Cholesteatom des Ohres angeht, so hat man allerdings wiederholt in
den letzten Jahren den Versuch gemacht, Hautverschiebungen als dessen
Ursache hinzustellen (Habermann, Pause, Grunert u. a.). Doch ist
dies, wie auch Baginsky hervorhebt, bis jetzt noch nicht hinreichend
bewiesen.
Franke (4) schlägt für die in Rede stehenden Cysten den Namen Epi-
dermoide vor und nimmt speziell gegen Blumberg seine Priorität in An-
spruch. Er und nicht Garrö sei es, der in Deutschland zuerst die Auf-
merksamkeit auf die Epithelcysten gelenkt habe. Frauke ist der Meinung,
dass für einen Teil der sog. Epithelcysten das Trauma als Ursache zwar
uaehgewiesen, aber für den grösseren Teil vollständig aus der Luft gegriffen
sei. Er teilt die Ansicht von Labougle, dass ein grosser Teil dieser
Epitlielcysten embryonal angelegt sei. Der letztere hält dafür, dass Epithel-
zellenhaufen oder Streifen, welche ja bei der Bildung der Finger durch
Anlage von Interdigitalfalten in die Tiefe wachsen; abgeschnürt werden.
Diese hätten sich dann als selbständige Gebilde erhalten, bis sie auf einen
Reiz hin (stumpfes Trauma) anfingen zu wachsen. Diese Hypothese hält
Franke deshalb nicht für alle Fälle zutreffend, weil nicht alle diese Tu-
moren an den Fingern sässen. In diesen Fällen bleibe nichts anderes
übrig, als anzunehmen, dass nämlich Epithelzapfen, welche ursprünglich
für die Bildung von Drüsen bestimmt sind, abgeschnürt werden und dann
später auf einen Reiz hin zur Proliferation kämen.
Gegen die Auffassung der Epithelcysten als Dermoide lassen sich
mehrere Momente geltend machen. Wie schon Gar r^ hervorhebt, spricht
dagegen, dass diese Cystchen sich selten im Entwickelungsalter fanden,
meist das reifere Alter betrafen; ferner, dass ausser EpitheUen niemals
andere epitheliale Gebilde, wie Haare in den Cysten gefunden werden.
Als Atherome können sie schon deshalb nicht aufgefasst werden, weil in
der Hohlhand und an der Greiffläche der Finger Talgdrüsen überhaupt
fehlen. Bei der Annahme eines Hervorgehens aus Schweissdrüsen (Ch aram)
muss man erst nachweisen, dass deren Drüsenepithel in Pflasterepithel sich
umwandeln könnte. Ausserdem sind solche Cysten unter der Aponeurose
beobachtet, wo Schweissdrüsen nicht vorkommen (Poulet). Das Fehlen
von Angaben über das Trauma in mancher Krankengeschichte darf des-
lialb nicht Wunder nehmen, weil es sich um äusserst kleine und unbe-
534 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
deutende Verletzungen handelt, die nicht immer beachtet werden und die
Entwickelung der Epithelcysten oft sehr langsam erfolgt. In einer Be-
obachtung von Kummer (Revue de Chir. 1891, pag. 67) wurde eine
Nadelspitze inmitten einer Epithelcyste gefunden und Verf. dieses Re-
ferates hat vor 4 Jahren in der kgl. KUnik zu Berlin eine Epithelcyste
am Zeigefinger operiert, welche die Spitzchen einer Stahlfeder enthielt.
Der Patient, ein Schreiber, hatte sich 1*/« Jahre vorher mit einer Schreib-
feder, wie er sich entsann, an diesem Finger verletzt. Am meisten stützt
aber die Auffassung einer traumatischen Ätiologie dieser Tumoren, da^s
durch Epithelinvaginationen ihre Erzeugung experimentell geglückt ist
Schwenninger, Kaufmann, ülasse u. a.).
Für die malignen Neubildungen, den Krebs, sucht man vielfach nach
Beweisen für einen endemischen resp. konatgiösen Charakter. Dies war
besonders auffallend auf dem Kongress der französischen Gesellschaft für
Chirurgie 1874 zu Lyon, wo als erstes Hauptthema „Ätiologie et patho-
g^nie du Cancer" gestellt war. Fahre (8) ging daselbst näher ein auf die
Mortalität an Krebs im allgemeinen, welche nach englischen und deut-
schen Statistiken zu steigen scheint Aus Ly]on konnte Fahre feststellen, dass
es sich in der That um eine Vermehrung der absoluten Zahl der Krebs-
todesfälle handle ; dass aber bei Berücksichtigung der gleichzeitigen Bevöl-
kerungszunahme im Gegenteil eine Abnahme der Krebsmortahtät festzu-
stellen sei. Die relative Mortalität an Krebs sei in Lyon grösser als in
Havre, Reims, Paris und Ronen, doch könne sich das auch aus der ver-
schiedenen Gruppierung der statistischen Resultate erklären. In Paris
nehme die relative Krebsmortahtät in beträchtlichem Grade zu.
Bauby (8) hat, angeregt durch Erwägungen von Vernouil und Roux
(Lausanne), eine Untersuchung darüber angestellt, ob sich ein ätiologischer
Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Krebses und dem Genüsse
von Schweinefleisch herausfinden lasse. Die Nachforschungen Baubys
erstrecken sich auf einen Distrikt in der Umgebung von Toulouse, wo
Schweinefleisch fast ausschliesslich zur Nahrung dient. Bauby stellte
einmal fest, dass die Schweine selbst nur selten von Carcinom, häufiger
dagegen von Sarkomen befallen werden; dann, dass die Schweinefleiseli-
esser nicht häufiger. von Krebs befallen würden, als andere Leute und dass
Krebskranke nicht zu denen gehörten, welche besonders viel Schweine-
fleisch genossen hätten. Im Gegenteil. In der Umgebung von Toulouse
nähren sich die Bergbewohner speziell von Schweinefleisch, während die
Bewohner der Ebene wesentlich von Gemüsen, Rind- und Hammelfleisch
leben. Der Krebs aber ist in der Ebene häufiger als im Gebirge. Schliess-
lich hat Bauby Katzen dauernd mit Schweinefleisch gefüttert. Sie sind
allmählich abgemagert und gestorben, ohne aber Krebs aquiriert zu haben.
Zur Ätiologie der Geschwülste vom klinischen Standpunkt. 535
Hierzu bemerkte Severeau (Bukarest), dass er die Ausführuügen Baubys
nur bestätigen könne. Er habe in seiner Klientel Rumänen, welche
Schweinefleisch gemessen und Juden und Türken, welche sich vollständig
davon fernhalten. Krebserkrankungen seien bei beiden ganz gleich häufig.
Beweise für die Kontagiosität des Krebses glaubt M. Gueillot (7) zu
besitzen. Schon die eigenartige topographische Verteilung des Krebsleidens
spricht nach ihm für den Einfluss äusserer Momente (klimatischer). Es
gäbe aber wahre Krebsherde, Häuser, in welchem der Krebs endemisch sei.
Gueillot hat 15 Beispiele mit 50 Erkrankungen gesammelt. Er verfügt
femer über 42 eigene Beobachtungen, welche durch Zufügen von fremden
auf 113 steigen, bei welchen zwei für gewöhnlich zusammenwohnende Per-
sonen von Krebs befallen wurden. In 45 von diesen 113 Fällen handelte
es sich um Ehegatten. In der Hälfte dieser gesammelten Fälle waren
zwischen dem Auftreten der Krebserkrankung bei den beiden Personen
weniger als zwei Jahre verflossen.
M. Dolore (7) hat schon vor 15 Jahren über Fälle berichtet und auch
neuerdings solche wieder gesammelt, in welchen Krebs bei Frauen von
Krebskranken im Gefolge der Schwangerschaft eingetreten ist. Er glaubt,
dass es sich hier um eine „transmission par l'intermödiaire du foetus"
handele (!).
Fälle von spontaner Überimpfung von Carcinom von einer auf eine
andere Körperstelle teilen Sippel(12) und Thorn (14) mit. Sippel sah
bei einer Patientin mit Carfeinom der Portio an einer Stelle, wo das Car-
cinom der sonst gesunden Scheide dauernd anlag, ein Carcinom der Vagina,
bei einer anderen nach Laparotomie wegen eines malignen geplatzten
Ovarialtumors, Krebsknötchen in den Stichkanälen der genähten Bauch-
wunde entstehen. Thorn machte bei einer an Krebs der Portio erkrankten
Frau bei der vaginalen Totalexstirpation des Uterus wegen Enge der
Vagina beiderseits Incisionen in dieselbe. Nach zwei Jahren fand sich
in einer dieser Incisionsnarben ein dem ersten analoger Krebs. Nach der
vaginalen Exstirpation eines die Portio nicht überschreitenden Uterus-
carcinoms beobachtete Thorn in der Narbe der Vagina sechs Wochen
später ein Krebsknötchen. Zwei weitere Fälle von Thorn gleichen dem
ersten von Sippel. Es fanden sich einmal Carcinome an korrespondie-
renden Stellen der Portio und Vagina und ein anderes Mal Carcinome an
beiden Labien.
Die interessanten Beobachtungen über spontane Impfung von Krebs-
partikeln in frische Wunden mit sekundärer Entwickelung von Krebsknöt-
chen, wie sie schon des öfteren, besonders nach Punktionen von carci-
nomatösem Ascites beobachtet sind, mehren sich also. Sie beweisen, dass
Metastasen nicht bloss auf dem Blut- und Lymphwege, sondern auch durch
536 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
direkte Aussaat in frische Wunden entstehen können und geben damit
wichtige Fingerzeige für die Ausführung von Operationen wegen Krebs.
Für die Genese des Carcinoms im allgemeinen dürften sie kaum zu ver-
werten sein. Die ganze Entwickelung und Struktur der originären Carci-
nome deutet darauf hin, dass es sich bei ihnen um eine krebsige Degene-
ration, eine atypische Wucherung des befallenen Organs, nicht um die
Entwickelung eines beUebigen implantierten Keimes handelt. In den
anderen Fällen von Sippel und Thorn, wo es sich um krebsig erkrankte
korrespondierende Stellen der sonst intakten Vagina und Portio oder der
Labien handelt, liegen die Verhältnisse davon insoweit verschieden, als es
sich hier um keine Übertragung von Keimen in Wunden, sondern auf
ein epitheliales Organ handelt. Vorausgesetzt, dass die Möglichkeit der
einfachen Metastase wirklich auszuschliessen ist, käme für die Entstehung
ausser der immerhin denkbaren Implantation in eine arrodirt Schleim-
hautstelle, noch die Erzeugung eines zweiten Carcinoms der Vagina etc.
in Frage. Dieser Punkt, den das histologische Verhalten der beiden Krebse
zu ihrem Standorte ja klar zu stellen vermag, ist von Sippel und Thorn
leider nicht näher erörtert worden.
Einige Mitteilungen des vergangenen Jahres beschäftigen sich mit
den lokal disponierenden Momenten für Carcinombildung. Le Den tu (7)
sprach auf dem französischen Chirurgenkongress über Leukoplasie und
Epitheliom. Er hat 7 Carcinome der Zunge, 3 der Lippen und 2 der
Wangen beobachtet , welche sich auf Leukoplasieen entwickelten. Die
Zungencarcinome hatten eine wechselnde Malignität; einige von ihnen sind
durch die Operation geheilt worden. Die Wangencarcinome dagegen waren
sehr bösartig. Die Leukoplasie führte ja nicht immer zum Carcinom
und deshalb könne man auch nicht annehmen, meint Le Dentu, dass
das letztere einfach eine weitere Entwickelungsstufe des ersteren sei. Man
könne die Leukoplasie nur für ein prädisponierendes Moment für die Car-
cinomentwickelung halten. Vom prophylaktischen Standpunkt aus empfiehlt
Le Dentu die sorgsame Beachtung der Leukoplasie schon in ihren An-
fängen und hält dort, wo sich schon Wucherungen, Fissuren oder Ulce-
rationen gebildet haben, chirurgische Eingriffe für angezeigt.
K. V. Friedländer (5) bereichert die Kasuistik der Cardnoment-
Wickelung in Sequesterhöhlen und Fisteln um 3 neue Fälle.
Martens (10) liefert einen interessanten Beitrag zur Entstehung der
melanotischen Geschwülste.
Die Sklera des menschUchen Auges ist in der Regel pigmentfrei,
nur ausnahmsweise zeigen sich herdweise Pigmentierungen. Der Fall von
Martens, dass bei einem solchen angeborenen Pigmentfleck der Sklera
sich ein melanotischer Tumor der Chorioidea entwickelt, ist ein seltener,
Zur Ätiologie der Geschwülste vom klinischen Standpunkt. 537
der nur noch wenige Parallelfälle in der Litteratur besitzt (Hulke, Ophth.,
Hosp. Rep. in. 1860; Hirschberg, Graefes Arch. Bd. 29). Die Beob-
achtung bezieht sich auf eine 13jährige Patientin aus der Klinik üthoffs
in Marburg. Bei derselben bestand seit der Geburt eine starke Pigmentierung
der Sklera und eine stellenweise dunklere Färbung der Iris rechts. Es
entwickelte sich im rechten Auge ein melanotischer Tumor, den Martens
als gemischtes Melanosarkom bezeichnet , weil er stellenweise einen stark
alveolären, carcinomähnUchen Bau besass. Bei der mikroskopischen Unter-
suchung ergab sich, das der Tumor aus der Chorioidea hervorgegangen war
imd wie die Fälle von Hulke und Hirschberg weder mit der als Naevi
zu bezeichnenden stärkeren Pigmentanhäufung der Iris noch mit derjenigen
der Sklera direkt etwas zu thun hat. Martens meint, man müsse aber
annehmen, dass gleichzeitig eine abnorme Pigmentierung der Chorioidea
bestanden hat und dass sich der melanotische Tumor auf der angeborenen
Anomalie einer stärkeren Pigmentierung des ganzen Uvealtraktus ent-
wickeit hat.
In einigen neueren Mitteilungen tritt eine bemerkenswerte Neigung
zu Tage, zu den stark für Carcinomentwickelung prädisponierenden Momenten
die Tuberkulose zu rechnen; dies geschieht so in den Abhandlungen von
Steinhauser und von Ribbert.
Die alte Ansicht Rokitanskys, dass beide Prozesse sich gegenseitig
ausschlössen, ist längst widerlegt und eine ganze Reihe von Beobachtungen
hatten das Vorkommen beider Erkrankungen in demselben Körper hin-
länglich bewiesen. Lubarsch fand unter Zugrundelegung der Sektions-
protokolle des Breslauer pathologischen Institutes unter 2668 Tuberkulösen
117 = 4,4*^/0 carcinomatös. Unter den an Carcinom Verstorbenen waren
20,6 ®/o tuberkulös. Clement (12), der unter Lubarsch arbeitete, teilt
einige seltenere Arten der Kombination von Krebs und Tuberkulose mit,
Ein Carcinom des Unterkiefers bestand neben einer Tuberkulose der Hals-
lymphdrüsen, welche lange vorher schon zu operativen EingrifEen Veran-
lassung gegeben hatte. In einem zweiten Falle waren bei einem Mamma-
carcinom auf derselben Seite in der Achselhöhle tuberkulöse Drüsen vor-
handen; in einem dritten zeigte sich ein Magenkrebs und grossknotige
Lebertuberkulose, sowie Tuberkulose der periportalen und axillaren Lymph-
knoten, und schliesslich im vierten lag ein Endotheliom der Parotis und
der ganzen Unterkiefergegend vor mit difEuser tuberkulöser Degeneration.
In keinem von diesen Fällen, bei welchen übrigens nicht immer Bacillen
nachgewiesen werden konnten, nimmt aber Clement eine direkte ätio-
logische Beziehung der Tuberkulose zum Krebs an, er glaubt vielmehr,
dass durch die lokale und allgemeine Wirkung eines Krebses eine vorher
latente Tuberkulose zum Ausbruch gebracht werden kann. Die Fälle von
538 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Kombination der Tuberkulose und Carcinose seien, wie das Lu barsch
1888 ausgeführt habe, verschieden zu beurteilen. In der Hälfte der Fälle
handele es sich um ein zufälliges Zusammentreffen, in einzehien um ein
Aufrühren alter tuberkulöser Prozesse durch die Krebsentwickelung, in
anderen selteneren um sekundäre tuberkulöse Infektion und in wieder
anderen zwar um keinen direkten aber doch um einen gewissen ursäch-
lichen Zusanunenhang. Hier sei die Tuberkulose ein prädisponierendes
Moment für die Carcinose, ähnlich wie die chronischen oder akuten Traumen.
Steinhauser (13) schliesst sich in Bezug auf die Lupuscarcinoine
der Meinung von Lang an (Vierteljahrsschrift f. Dermat. u. Syph. 1874),
der dazwischen unterscheidet, ob sich ein Carcinom in der Narbe eines
ausgeheilten Lupus (lupöses Narbencarcinom) oder auf floridem Lupus ent-
wickelt hat (wahres Lupuscarcinom). Über die Häufigkeit des Vorkommens
dieser beiden Arten gehen die Ansichten noch auseinander. Nach Stein-
hausers Zusammenstellungen ist das Lupuscarcinom das häufigere, denn
unter 83 Carcinomen auf lupösem Boden waren 58 Lupuscarcinome und
25 lupöse Narbencarcinome. Der Ansicht Bidaults, dass das Carcinom
auf Lupus schlechthin als Narbencarcinom aufzufassen sei, tritt er entgegen.
Das Carcinom entwickele sich auch auf floridem Lupus.
Unter 5 mitgeteilten Beobachtungen aus der Tübinger Klinik ist die
häufige Multiplizität der Krebsherde besonders auffallend; so wurde einmal
an 3 Stellen , einmal an 5 und wieder einmal an 6 Epitheliome auf den
lupösen Teilen der Gesichtshaut gesehen. Das Carcinom auf Lupus zeichnet
sich durch sein Auftreten im jugendlichen Alter und durch eine besondere
Bösartigkeit aus.
Die Kombination von Lupus und Carcinom hält Steinhauser nicht
für ein zufälliges Zusammentreffen, sondern betrachtet den lupösen Prozess
als solchen als ein direkt prädisponierendes Moment für die Carcinoment-
wickelung.
Weiter geht Ribbert (11), der einen direkten Zusammenhang zwischen
Tuberkulose und Carcinom annimmt und glaubt, „dass die Tuberkulose in
einem Teile der Fälle von Carcinom dasjenige Agens ist, welches die von
ihm beschriebene und als grundlegend für die Entstehung des Krebses
bezeichnete subepitheliale ßindegewebswucherung erzeugt*', mit anderen
Worten also die Krebsentwickelung veranlasst. In einem in Virchows
Archiv, Bd. 135 mitgeteilten Artikel hat Ribbert seine neuen Auffassungen
der Krebsentstehung ausführlich erörtert und diese Theorie der krebs-
erzeugenden Bindegewebswucherung dargelegt. Er ist der Meinung, dass
nicht, wie man sich es gewöhnlich vorstelle, bei den Anfängen der Krebs-
bildung die Epithelien in die Tiefe wucherten, sondern die primäre Ver-
änderung vom Bindegewebe ausgehe, welches ein „Höhenwachstum mit
Zur Ätiologie der Gesohwülste vom kliniflohen Standpunkt. 539
Verlängerung der Papillen" eingehe und seinerseits in das Epithel vor-
dringe. Es ist nach ßibbert nicht einzusehen, wie das Epithel dazu
kommen sollte, bei einer erhöhten Proliferationskraft in die Tiefe zu dringen,
also sein Wachstum umzukehren. Ein Hineinwachsen in das Bindegewebe
wird nur bei solchen Epithelzellen stattfinden, die aus dem Zusammenhang
mit der übrigen Epidermis getrennt wurden und so ihr normales nach
oben gerichtetes Wachstum nicht mehr bethätigen können. Eine solche
Lostrennung von Epithelien komme aber durch das Vordringen des Binde-
gewebes in das Epithel zustande.
Ribbert teilt im ganzen 11 Fälle mit (Carcinome des Rachens,
der Unterlippe, des Zahnfleisches, der Lippe, der Zunge, der Augenlider),
in welchen er zwischen den Krebszapfen vereinzelt Riesenzellen und An-
häufungen solcher nachweisen konnte. In keinem der Fälle konnte
Ribbert Tuberkelbacillen auffinden und erörtert deshalb eingehender die
Frage, welche auch schon Baumgarten gelegentlich einer analogen Be-
obachtung aufwarf, ob nicht etwa die Krebsepithelien als riesenzellener-
zeugende Fremdkörper zu wirken vermöchten. Ribbert möchte dies nicht
ganz bestreiten, zumal er in einem Falle in einzeluen Riesenzellen dege-
neriert« Epithelien eingeschlossen fand und in einem anderen innerhalb
degenerierter und mit Sekret gefüllter Drüsenacini solche Riesenzellen sali,
aber nach dem ganzen histologischen Verhalten glaubt er dennoch, dass
hier Tuberkulose vorliege. Ribbert nimmt dann weiter an, dass die
Tuberkulose hier das primäre sei und in dem schon hervorgehobenen
Sinne die Krebsbildung veranlasst habe.
Schon Clement bezweifelt in seiner oben erwähnten Mitteilung, dass
der Befund von Riesenzellen im Krebsgewebe, wie ihn Ribbert geschildert
habe, die Annahme einer Tuberkulose ohne weiteres rechtfertige und will
nur einen von den 11 Fällen thatsächUch für echte Tuberkulose, die an-
deren für sog. Fremdkörpertuberkulose halten.
Wir möchten auf Grund eigener Erfahrungen diese schon von Rib-
bert selbst wohl erwogene, aber zurückgestellte Auffassung der Deutung
als wahrer Tuberkulose vorziehen. Wir haben speziell in flachen Haut-
kankroiden bei der mikroskopischen Untersuchung wiederholt einzelne
Riesenzellen und Aggregate solcher, wie sie bei Tuberkulose vorkommen,
gesehen, ohne dass sonst besonders vom klinischen Standpunkte aus irgend
welche Anhaltspunkte für Tuberkulose bestanden hätten. Bei dem klinisch
80 deutlichen und spezifischen Bilde der Tuberkulose würde es schwer
begreiflich sein, dass eine Tuberkulose in einem flachen Hautkankroid sich
nicht auch klinisch erkennbar macht, zumal wenn man nun mit Ribbert
noch annimmt, dass diese Tuberkulose als ätiologisches Moment fungiert
und noch länger bestehe als der zwei oder drei Dezennien alte Hautkrebs.
540 Allgein. pathol. Morphologie und Physiologie.
In einem Falle von Hautkankroid wurden in der kgl. Klinik (1890) In-
jektionen von Tuberkulin gemacht, ohne dass, selbst auf grosse und wieder-
holte Dosen, je eine lokale oder allgemeine Reaktion erfolgte, und doch
war gerade dieser Fall derjenige, in welchem wir die zahlreichsten Riesen-
zellen in dem Bindegewebe zwischen den atypischen Epithelzapfen später
fanden. Ehe hier nicht der Befund von Tuberkelbacillen glückt oder
typische Tuberkel gefunden werden oder die Tierimpftmg mit dem frag-
lichen Krebsstückchen einwandsfrei echte Tuberkulose erzeugt, wird der
Kliniker sich nur schwer zu der Annahme einer Tuberkuloseerkrankung
dort entschliessen können, wo die klinische Untersuchung davon keine
Spuren erkennen lässt. Hoffentlich gelingt es Ribbert, die von ihm
angeregte interessante Frage nach der Herkunft der Riesenzellen in Car-
cinomen bald endgültig zu entscheiden.
D.
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Anat Anz. Bd. 9. Nr. 8 u. 9. 1894.
71. Derselbe, Über die Spezifikation der Furchungszellen und über die bei der Post-
generation und Regeneration anzunehmenden Vorgänge. Biolog. Centralbl. 1893.
72. Ders., Referat über Entwickelungsmechanik. Merkel-Bonnet Ergebn. der Anatomie.
Bd. n. 1892.
73. Schrohe, Untersuchungen über den Einfluss mechanischer Verletzungen auf die Ent-
wickelung des Embryo im Hühnerei. Dissert. Giessen 1862.
74. Schnitze, 0., Über die unbedingte Abhängigkeit normaler tierischer Gestaltung von
der Wirkung der Schwerkraft. Verh. der anatom. Gesellsch. VIII. Vers. Strassborg. 1894.
544 Allgem. pathol. Morphologie uud Physiologie.
75. Spencer, Herbert, A rejoinder to Professor Weismann. Contemporary review.
1893.
76. Ders., Weismannism once more. Cont. review. 1894.
77. Weismann, A., Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung. 1892.
78. Der 8., Äussere Kinfiftsse als Entwickelungsreize. 1894.
79. Wilson, £dm. B., On multiple and partial development in Amphiozus. Anat. An-
zeiger. 1892. Nr. 23.
80. Ziegler, H. E., Über Furchung unter Pressung. Yerh. der anat. Gesellsch. VIII. Vers.
Strassburg. 1894.
1. £ntwickelaDgsmechaniselie Experimente.
Das Kapitel der Entwickelungsmechanik an vorliegender Stelle zu
behandeln, haben wir wenig mehr als eine historische Berechtigung.
Es ist wohl zweifellos, dass die entwickelungsgeschichtUche Beobachtung
von Missbildungen und die erfolggekrönten Versuche, diu'ch künstliche Be-
einflussungen der Entwicklung Monstrositäten zu erzeugen, den Ausgangs-
punkt für die wissenschaftUche Erforschung der Entwickelungsbedinguugen
und Entwickelungsursachen abgaben. Aber die Tragweite der hier auf-
gerollten Fragen überschritt das eigentUche Gebiet der Teratologie bald
bedeutend; die Versuchsergebnisse beleuchten die normale Embryologie,
die Pathologie, die gesamte Biologie, sodass die sich für die Kenntnis der
Missbildungen und ihrer Entstehung ergebenden Resultate eigentlich in
den Hintergrund gedrängt wurden.
Diesem Verlaufe Rechnung tragend, wollen wir im folgenden ver-
suchen, den embryologischen und teratologischen Experimenten zu fol-
gen, wir wollen aber bei der kritischen Betrachtung der Ergebnisse auch
die weiteren, damit verbundenen Gesichtspunkte ins Auge fassen. Wir
werden uns dabei allerdings auch einige Beschränkungen auferlegen müssen.
Wohl alle embryologischen Untersuchungen sind insofern, als die Ge\%in-
nung der Materials Eingriffe in den Entwickelungsgang erfordert, experi-
mentelle Untersuchungen; die Benützung künstlicher Züchtungen, die viel-
fach für solche Untersuchungen benützt wurden, sind gewiss ebenfalls experi-
mentell, und die Resultate dieser Arbeiten haben für unser Grebiet die
grösste Bedeutung, wie die Arbeiten von Lereboullet, Oellacher, Rau-
ber. Wir wollen aber für die vorliegende Betrachtung nur das litterarische
Material heranziehen, bei denen sich das Experiment auf Veränderungen
des normalen Entwickelungsganges bezieht.
Ein seiner Zeit fast vergessener Name ist als der Vorarbeiter dieser
Wissenschaft erkannt worden, Newport, der bereits Anfang der 50. Jahre
Versuche über die Befruchtung der Froscheier, und dabei erzielbare Ver-
änderungen machte.
Die ersten Versuche über künstliche Erzeugung von Missbüdungen
Entwickelangsmechanische Experimente. 545
rühren von P an um (1860) her; derselbe zeigte, dass man besonders durch
Temperaturschwankungen in den ersten Bruttageu abnorme Entwickelungen
am Hühnerei hervorrufen konnte. Ähnliche Versuche machten Valentin,
öchrohe kurz hernach. Grosses Aufsehen machten aber erst die Arbei-
ten Camille Darest's der in einer grösseren Arbeit (1877) und in einer
Anzahl kleinerer Mitteilungen über äusserst umfangreiche Versuche an
Hühnereiern berichtete. Er wandte vorwiegend Temperaturschwankungen,
Beliinderung der Sauerstoffzufuhr und Verzögerung der Bebrütung an
und erzielte sehr verschiedenartige Missbildungen, darunter auch Doppel-
bildungen, ohne aber die Beziehung einer Form der Missbildung zu einer
bestimmten Bedingung feststellen zu können. Die ersten Erfolge in dieser
Richtung hatte Leo Gerlach (1882). Durch teilweises Firnissen von Hühner-
eiern, welches die Respiration auf bestimmte Figuren beschränkte, gelang
es ihm — allerdings nur in sehr vereinzelten Fällen — beabsichtigte For-
men von Doppelbildungen zu erzeugen.
Eine erhebliche Förderung trat vom Jahre 1884 an ein, als ziemlich
gleichzeitig Pflüger, W. Roux und Born die Froscheier für die Experi-
mentaluntersuchung heranzogen. Die Beobachtungen der Entwickelung
in Zwangslagen führte in erster Linie zur genauen Kenntnis der örtlichen
Beziehungen, die zwischen den ersten Furchungen und den Organanlagen
bestehen. Durch Pflüger und Roux wurde festgestellt, dass die Lage
der ersten Furche mit der Medianebene des Embryo übereinstimmt. Ebenso
wurden von Roux die Beziehungen dieser Furchungsebene zur Eintritts-
stelle des Spermatozoons, sowie zum oralen und kaudalen Körperende
festgestellt. Besonders aber beschäftigten sich die drei Untersucher mit
dem Einfluss der Schwerkraft auf das Froschei, und regten hiermit eine
Frage an, die noch bis in die neueste Zeit diskutiert wurde (0. Schnitze
1893), ob die Schwerkraft auf den Entwickelungsprozess des Froscheies
eine direkte gestaltende Wirkung ausübt. Es wurde nämUch festgestellt,
dass die normale Lagerung des Eies mit dem pigmentierten Pol nach
oben durch die Schwerkraft bedingt ist, und dass bei Veränderung dieser
Lagerung Störungen der Entwickelung und Missbildung der Anlage vor-
kommen. 0. Schnitze erzeugte durch Verlagerung des Eies im Stadium
der ersten Furchung Doppelbildungen. Sehr sinnreiche Versuche von Roux,
der Eier auf rotierenden Scheiben unter Ausschluss der Centrif ugalwirkung
zur normalen Entwickelung brachte, bewiesen indes hinlängUch, dass
auch ohne Wirkung der Schwerkraft normale Entwickelung vor sich
gehen kann.
Von nun an mehren sich die Arbeiten auf dem Gebiete der experi-
mentellen Teratalogie. Von Missbildungen erzeugenden allgemeinen Ursachen
lehrte J. Loeb bei Echinodermeneiem chemische Veränderungen der um-
.Labarsch- Oster tag, Ergebnisse Abteil. H. 35
546 Allgem. patholog. Morphologie und Physiologie.
gebenden Mediums kennen, Besondere Bedeutung erhielt nach verschiedenen
Arbeiten 0. Hertwigs die Polyspermie für die Entstehung von Monstren.
Die künstliche Erzeugung von Polyspermie gelang O. Hertwig an Eiern,
die teils durch chemische Einflüsse, teils durch Überreife geschwächt waren.
Er erzielte bei Fröschen auf diesem Wege besonders Hemmungen im Ver-
schluss des Urmunds und daraus resultierende „Asyntaxia" und Spina
bifida. Ähnliche Resultate erhielten dann durch Anwendung hoher Tempe-
raturen Oellacher und Richter bei Hühnereiern, J. Koilmann bei
Enteneiern.
Das meiste Interesse beanspruchen nun die Experimente, die durch direkte
operative Eingriffe am Ei den Entwickelungsgang beeinflussen. Wir haben
hier drei Gruppen von Arbeiten. An erster Stelle ist die Einwirkimg von
Druck auf die Eier während der ersten Teilungen zu nennen. Derselbe
wurde meist durch Kompression zwischen Glasplatten bewirkt. Die hier-
durch erzeugten Verschiebungen der Furchungszellen wurden von W. Roux,
O. Hertwig, F. H. Morgan, G. Born, H. Driesch, zuletzt von H. E.
Ziegler, von ersteren an Froscheiern, von den beiden letzten Autoren an
Echinodermeneiem beobachtet, nachdem Pflüger die Methodik des Ex-
perimentes kennen gelehrt hatte. Bei allen Experimentatoren zeigte sich
die spätere Ausgleichung der anfängUchen Difformitäten der Blastula und
die Entwickelung der normalen Embryonen.
Die zweite von 0. und R. Hertwig und von Boveri zuerst ange
wandte Schüttelmethode ermöglichte bei Echinodermeneiem eine Trennung
der Furchungskugeln. Ihre Weiterentwickelung wurde von den Hertwigs,
von C. Fiedler, H. Driesch, T. H. Morgan an Echinodermen , von
Edm. B. Wilson am Amphioxus, Chun an Ctenophoren beobachtet. Das
Resultat war im allgemeinen, dass aus einzelnen Furchungszellen noch
normale, aber kleinere Larven entstanden, nur Driesch scheint in einzelnen
Fällen auch Halbbildungen beobachtet zu haben, Chun giebt dies Ver-
hältnis als Regel für die Ctenophoren an.
Das grösste Aufsehen machten aber die Versuche Roux, durcli
direkte Verletzungen des Eies auf dessen Entwickelung einzuwirken. Die
ersten Ergebnisse erhielt dieser Autor im Jahre 1884 (1885 publiziert), wo
es ihm gelang durch die nach Verletzungen entstandenen Einarben die
Lagerungsverhältnisse der Embryonalanlage zu den Eiregionen festzu-
stellen. Noch wichtiger waren die gleichzeitig mit Chabry unternommenen
(von letzterem früher publizierten) Versuche mit Verletzungen der Fur-
chungskugeln. Chabry arbeitete an Ascidieneiern, von denen er Fur-
chungszellen mit spitzen Glasnadeln zerstörte, Roux beobachtete an Frosch-
eiern die Erfolge von Zerstörungen einer oder mehrerer Furchungszellen
durch heisse Metallnadeln. Die Versuche Roux wurden dann später von
Ergebnisse d. entwickelungsmech. KxperinieDte f. d. Teratologie. 547
Fiedler, Barfurth und neuerdings von H. Endres nachgeprüft. Bei allen
diesen Versuchen stellte sich das Ergebnis heraus, dass sich eine der Ver-
letzung entsprechende Defektbildung an dem Ei herausbildete. Also eine Ver-
letzung einer von zwei Furchungskugeln entsprach eine Halbbildung, 'einer
X'erletzung einer von vier Furchungskugeln ein Vierteldefekt. Während
Fiedler solche nur bis zur Gastrula beobachtete, verfolgten die anderen
Autoren sie weiter, und konnten noch Larven mit entsprechenden Defekten
beobachten, am längsten Chun und Chabry. Alle ausser Chabry fanden
aber, dass später, eine Ergänzung des Defekts von der gesunden Seite her
stattfindet, ein Vorgang, den Roux als Postgeneration bezeichnet. Ausser
Halbbildungen beobachtete Roux auch Abnormitäten des Gastrulations-
Yorganges, die sich als Asyntaxie oder Anentoblastie dokumentierten.
Einer ganz anderen Richtung experimentell-teratologischer Unter-
suchungen gehören die letzten Versuche Borns an. Ihm gelang es Teilstücke
von Amphibienlarven, sogar solche von verschiedenen Species und Gattungen
zur Verwachsung zu bringen imd so die merkwürdigsten Doppelbildungen
zu erzeugen.
IL Ergebnisse der entwickelangsmechanischen Experi-
mente für die Teratologie.
Wir haben so versucht, die wichtigsten Punkte aus dem thatsächlichen
Material anzudeuten, wobei selbstverständlich kamn im geringsten den inter-
essanten Einzelheiten sowohl der Versuchsanordnung wie der Versuchs-
resultate Rechnung getragen werden konnte. Es kommt uns vielmehr an
hiesiger Stelle darauf an, diesen Abriss der Versuchsgeschichte als Grund-
lage der Besprechung der aus den Versuchen sich folgernden Ergebnisse
zu benützen.
In erster Linie interessieren uns natürlich die Ergebnisse für die
Teratologie des Menschen und der Säugetiere. Dieselben erscheinen auf den
ersten Blick vielleicht etwas unbefriedigend, wenigstens soweit man in ihnen
eine direkte Förderung unseres Verständnisses für die Genese menschUcher
und säugetierUcher Missbildungen suchen wollte. Die Entwickelungsbe-
dinguugen der Säuger sind so grundverschieden von denen der entwicke-
lungsmechanischen Versuchstiere, dass man nur mit der grössten Vorsicht
die hier gewonnene Erfahrung auf ihre V^erhältnisse übertragen darf. Zu-
nial wenn wir sehen, dass auch bei den Versuchstieren gleiche Missbil-
dungen unter sehr verschiedenartigen Bedingungen entstehen, wird bei den
Säugetieren, wo wir nur das anatomische Endresultat, nicht die Entstehung
3o*
548 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
beobachten, der Rückschluss vom Endresultat auf die Genese noch lauge
ein Wagnis bleiben.
Wenn wir in dieser Hinsieht in erster Linie die experimentellen Er-
fahrungen über die Ätiologie der Missbildungen prüfen, so können wir
einige derselben von der Übertragbarkeit auf Säugetierverhältnisse wohl
mit Sicherheit ausschliessen. Das frappanteste Beispiel bietet darin die
misbildende Potenz der Schwerkraft. Wir erwähnten bereits die Debatten,
die sich an die ersten, wichtigen Erfahrungen Pflügers über den Einfluss
der Lageveränderungen auf die Entwickelung des Froscheies knüpften.
Die Experimente Roux's und die Schnittserien Borns hatten die Lage
völlig geklärt; die Gewichtsunterschiede der Substanzen des Froscheies be-
dingen eine bestimmte Rulielage des Froscheies mit dem schwarzen Pol
nach oben, eine Vorrichtung die offenbar weniger mit dem Entwickelungs-
mechanismus zusammenhängt, als vielmehr eine optische Schutzvorrichtung
der Eier, die sie den Verfolgern verbirgt, darstellt. Bei Lageveränderungen
der in Zwangslage fixierten Eier werden die äusseren Abschnitte an der
Rückkehr in die Ruhelage verhindert, während die inneren ihr zustreben,
und durch ihre Strömungen eine innere Zerstörung des Eies bewirken.
Die unregelmässige Einwirkung der Schwerkraft kann somit allerdings für
das Froschei ein die Entwickelung störendes Moment abgeben, ohne dass
darum die normale Wirkung der Schwerkraft ein die Entwickelung be-
dingendes Moment abgiebt. Es ist schwer verständUch, wie 0. Schulze
diese klare Beweisführung noch neuerlich mit Experimenten angreifen
konnte, deren Resultate nur das gleiche beweisen; noch weniger aber
können wir seiner Forderung zustimmen, die Schwerkraft ganz allgemein
als „wichtigstes entwickelungsmechanisches Moment" anzuerkennen. Das
ungleiche specifische Gewicht der Eisubstanzen ist für die Organisation des
Vogeleies allerdings auch von grosser Bedeutung ; es bildet hier eine mch-
tige Vorrichtung für die ReguUerung des Sauerstoffzutritts zur Embryonal-
anlage. Diese Vorrichtung wird aber auch hier von dem Moment an be-
deutungslos, wo die Ausbreitung der AUantoisgefässe an der Eioberfläohe
die Atmung überninunt, und der Embryo sinkt alsbald in die Tiefe. Mit
diesen ganz spezifischen Anpassungen dürfte aber auch der Wirkungskreis
der Schwerkraft auf die Anordnung der Eisubstanzen abgeschlossen sein.
WieM. Nussbaumin der Debatte bereits 0. Schnitze entgegnete, liegen
die Eier der Kirripedien in einem Eikuchen nach den verschiedensten
Richtungen orientiert. Besonders aber ist für unsere Vergleichung mit
den Säugetieren zu konstatieren, dass bei allen viviparen Tieren eine Un-
gleichheit des spezifischen Gewichts der Eisubstanzen nicht existiert und
die regulierende Wirkung der Schwerkraft somit ausgeschlossen ist Jeder,
der trächtige Torpedincen- und Acanthias-, Salamander-, Blindschleichen-
Ergebnisse d. entwickelungsmech. Experimente f. d. Teratologie. 549
lind Säugetierweibchen geöffnet hat, weiss, dass die Embryonalanlagen nicht
in gleichem Sinne orientiert hegen, wie dies bei einer Abhängigkeit der
Orientierung von der Schwerkraft unbedingt zu erwarten wäre. Es wäre
wohl auch die denkbar unpraktischste Einrichtung, wenn die uterinen
Eier jede Schwimmwendung des Haifischkörpers, jeden Kopfsprung der
Katze oder des Eichhörnchens durch eine Dotterdrehung ausgleichen müssten.
Die Natur war hier jedenfalls weiser, als sie die Eisubstanzen durch Ge-
wichtsgleichheit von den Wirkungen der Schwerkraft und den durch sie
bewirkten Erschütterungen bewahrte. Um sich dies klar zu machen, be-
darf es keines entwickelungsmechanischen Experiments, sondern nur der
Beobachtung eines Präparatenglases, dessen Inhalt bekanntUch vor dem
Schütteln am besten geschützt wird, wenn man die Flasche füllt, und damit
die spezifisch leichtere Substanz, die Luft daraus entfernt. Eine ähnliche
Isolierung gegen die Schwerkraft schützt die Säugetiereier vor Verbildungen
durch dieselbe bereits im Eistadium und im höheren Grade nach An-
sammlung des Fruchtwassers. Ich halte somit die auf früheste Entwicke-
lungsstadien wirkenden, zu molekularen Verschiebungen in der Eizelle
führenden Schwerwirkungen für diejenigen, welche nicht wie Schnitze
meint, „am ehesten", sondern welche, wenigstens für die Säugetiere, am
allerwenigsten „für das Zustandekommen von nicht künstlich erzeugten
Missbildungen herangezogen werden können.''
Viel verständhcher scheinen mir analoge Einwirkungen der anderen ätiolo-
gischen Momente des Experiments auf abnorme Säugetierentwickelungen. Dass
ungenügende Sauerstoffzufuhr, die anfänglich durch das mütterliche Blut,
später zusammen mit der Ernährung durch mütterliches und fötales Blut ver-
mittelt wird, zu Missbildungen führen könnte, ist zwar bisher nicht beweis-
bar, aber doch auch nicht unwahrscheinlich. Temperaturschwankungen
werden von Kollmann zwar nicht ausdrücklich für die Spina bifida
menschlicher Embryonen verantwortlich gemacht; aber die Zusammen-
stellung eines Falles von Spina bifida, die bei dem Umfang konkurrierender
Veränderungen sehr wohl auf eine frühzeitige Asyntaxie des Urmunds
zurückgeführt werden kann, mit experimentell erzeugten Missbildungen
von Entenembryonen lässt durchblicken, dass der Autor auch eine Ana-
logie der Ursachen nicht von der Hand weist. Auch ich möchte es nach
den experimentellen Ergebnissen für sehr plausibel beachten, dass Fieber-
temperaturen, die bekannterweise in späteren Entwickelungsstadien ein
Absterben der Frucht bewirken können, auf früherer Stufe Missbildungen
bedingen dürften. Es wäre jedenfalls angebracht, in geeigneten Fällen
anamnestische Erhebungen in dieser Hinsicht zu versuchen. Ebenso ist
ein Eintreffen der abnormen Bedingungen, die nach 0. Hertwig Poly-
spermie der Eier begünstigen, und auf diesem Wege zu Missbildungen
führen, auch für die Säugetiere denkbar und wahrscheinUch.
550 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Direkte Einwirkungen auf das Säugetierei, die die Effekte der Roux-
Chabryschen Operationen reproduzieren, indem sie eine Vernichtimg von
embryonalem Material herbeifüliren, sind für die ersten Stadien kaum an-
nehmbar, da abnormer Druck nach den Experimenten diesen Effekt nicht
zu haben scheint und Bedingungen, die zu wirklicher Quetschung des
Eies führen könnten, wohl in den inneren weiblichen GenitaUen kaum vor
kommen. Infolge dieser Erwägung habe ich einigen Zweifel an der Be-
rechtigung Roux', das von P. Eckardt beschriebene Hemitherium ante-
rius auf eine Vernichtung zweier Furchungskugeln zu beziehen, zumal die
Verwachsungen des Amnions mit dem Defektrand darauf hinweist, dass die
Missbildung erst bei oder nach Anlage des Amnions entstanden ist. Sollte
es hier nicht viel näher liegen, die Defektbildung auf eine sogen, intra-
uterine Amputation durch das Amnion zurückzuführen, da wir wissen,
dass Amnion Verwachsungen derartige Wirkungen ausüben können? In der
That glaube ich, dass man den Amnionstrikturen und Verwachsungen, die
schon von vielen anderen Autoren, so auch von Dar es te gewürdigt wurden,
zwar erst in viel späteren Stadien doch eine den Roux-Chabry sehen
Experimenten entsprechende Wirkung zuschreiben darf. Jene Verwachs-
ungen, oder besser ausgedrückt, die Entzündungsvorgänge, die jene Ver-
wachsungen einleiten, würden so weniger eine „Amputation" ausgebildeter
Organe, als eine narbige Zerstörung des Anlagematerials verursacheD. lu
ähnlicher Weise würden auch narbige Verwachsungen zwischen Embno-
nalteilen oder zwischen Doppelmissbildungen durch Zerstörung von Anlage-
material Defekte erzeugen. Auf diese Weise erklärte es sich auch, dass
Postgenerationen, die bei den Experimenten Roux', Drieschs, Hertwigs,
Endres u. a. eintraten, bei dieser Kategorie von Missbildungen fehlen.
Einfache Verluste von Anlagematerial würden in Analogie mit diesen Ver-
suchen nur Hypoplasieen der Organe erzeugen.
Stringentere Schlüsse als auf die Ätiologie der Nßssbildungen gestatten
die teratologischen Experimente für die eigentliche Genese der Säugetier-
missbildungen insofern, als die direkte Beobachtung bei verwandten KJassen
doch nunmehr gewisse empirische Grundlagen für Anschauungen schuf,
die als geistreiche Vermutungen schon längst diskutiert wurden. Hier ist
in hervorragender Weise unsere Anschauung über die Entstehung der
Doppelbildungen gefördert worden, indem die Folgen des Offenbleibens
des Urmundes, dem bei den Amnioten eine S])altbildung des Primitivstreifens
entspricht, der Asyntaxia Roux, von Öllacher und Lereboullet von
zahlreichen Autoren, besonders 0. Hertwig, W. Roux und J. Kollmann
eingehend verfolgt wurden. Nach der jetzt herrschenden Anschauung der
Embryologie werden die MeduUarwülste vom Urmundsrand nach vorn
vorgeschoben, und bis zum Kopffortsatz, der an der Urmundslippe primär
Allgemeine Folgerungen d. entwickelungsmecb. Experimente. 551
einheitlich entsteht, d. h. bis zum queren Himwulst, geht die MeduUar-
rinne aus einer Verwachsung der Urmundränder hervor. Das Ausbleiben
des Urmundverschlusses kann also bis zum Hirn hin axiale Spaltungen
der Embryonalanlage bedingen. Die verschiedenen Grade der Ergänzung
durch Postgeneration können Verdoppelungen des Rückenmarks oder weiter-
gehende Doppelbildungen, Mesodidymi und Katadidymi erzeugen.
Ebenso bietet aber die Übertragung der Versuchsresultate Chuns,
O. Hertwigs, Drieschs, Wilsons, die die Trennung der Furchungs-
kugeln betreffen, auf die Entstehimg von Säugetierdoppelbildungen keine
Schwierigkeit. Wir können voraussehen, dass sich auch in dieser Klasse
nach Trennung von Furchungskugeln , sei es durch direkte Weiterent-
wickelung, sei es wie Chun oder Roux annehmen, durch ursprüngliche
Halbbildung und nachträgliche (postgenerative) Ergänzung, mehrere Föten
entwickeln.
Die Möglichkeit einer Doppelgastrulation , die sich in der Anlage
zweier Primitivstreifen äussern würde, ist durch L. Gerlachs Versuche
und Raubers Beobachtungen sichergestellt, aber sonst wenig verfolgt
(E. Hoff mann). Bifurkation des Primitivstreifens, Anlage zweier Kopf-
fortsätze würden als prinzipiell hierzu gehörende Unterarten zu betrachten
sein, die für die Genese der Anadidymi herangezogen werden können.
Wenn wir dazu noch die Möglichkeit einer Doppeleientwickelung nehmen,
wären viererlei Entstehungsweisen der axialen Doppelbildungen anzuer-
kennen. Die Versuche Borns geben die Hinweise, wie zwischen primären
Doppelbildungen wieder sekundäre Verwachsungen auftreten können.
Für die Genese von Bildungsdefekten geben wie schon erwähnt,
die Versuche Roux* und Chabrys Aufklärungen, vorausgesetzt, dass ein
ausreichendes Kausalraoment aufzufinden ist, welches das Ausbleiben der
Postgeneration erklärt. Unter letzterer Beschränkung werden wir berech-
tigt sein, Aplasieen auf definitive Verluste von Anlagematerial, Hypo-
plasieen auf Verluste mit Postgeneration zurückzuführen. In gleicher Weise
geben jene Versuche aber auch eine gewisse Grundlage für die alte Ver-
mutung, dass Versprengungen von Bildungsmaterial Heterotopieen der An-
lagen hervorrufen könnten, wie wir sie in Teratombildungen erkennen.
IIL Allgemeine Folgerungen der entwiekelangsmeclia-
nisclien Experimente.
Ich glaube, eine Übersicht über die verwickelten, alle Teile der Bio-
logie streifenden Streitfragen am besten geben zu können, wenn ich die
Diskussion verfolge, die seit einigen Jahren zwischen W. Roux und 0.
Hertwig über dieses Kapitel geführt wird. Der oft scharf polemische
552 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
Charakter dieser Auseinandersetzungen hat zu einer Präcision der Frage-
stellungen geführt, die auch dem Femerstehenden die Orientierung erleich-
tert, und übrigens auch die beste Grundlage einer künftigen Verständigung
zwischen den Streitenden in sich trägt. Auch die meisten anderen in dem
Arbeitsgebiet thätigen Forscher haben sich mehr oder weniger eingehend
über ihre theoretische Stellungnahme geäussert, so besonders Pflüger,
Born, Driesch, O. Schnitze, D. Barfurth.
An vielen Stellen zeigt sich die Beziehung der vorliegenden Streit-
fragen zu allgemeinen zoologischen, die durch Weismann, Herbert
Spencer, Nägeli, de Vries, E. Häckel und andere vertreten werden.
Die nahe Verwandtschaft mit allen Interessen der normalen Entwickelung
und Histiognese liegt auf der Hand und ist von dieser Seite her besonders
von Bard, von Wiesner beleuchtet worden. Die Beziehungen zur allge-
meinen Pathologie und besonders zur Geschwulstlehre sind von Hanse-
mann gewürdigt worden.
Die Diskussion Roux' und Hertwigs knüpft wesentlich an die Er-
folge der Operationen an Furchungskugeln an.
Roux fundamentale Versuche hatten ergeben, dass den Zerstörungen
von Furchungskugeln ganz bestimmte qualitative Defekte der Entwicke-
lungen entsprechen, die sich durch einen sekundären Vorgang, die Postge-
neration, nachträglich ergänzen.
Hertwig sagt, dass sich auch aus einzelnen Furchungskugeln ganze,
nur kleinere Embryonen entwickeln, und sieht somit den Defekt als einen
lediglich quantitativen an.
Roux nimmt an, dass bei den Versuchen seiner Gegner die von ihm
als Postgeneration bezeichnete Ergänzungsentwickelung nur frühzeitiger
eingetreten und übersehen ist; Driesch und Hertwig führen das Ergeb-
nis der Roux sehen Versuche auf die mechanische Störung, die das Liegen-
bleiben des verletzten Furchungskugel auf die sich entwickelnde ausübt,
zurück. •
Um die theoretischen Deduktionen beider Forscher zu verstehen,
müssen wir vorausschicken, dass beide in ihrer Auffassung der Zelle
und speziell der Eizelle im wesentlichen auf dem gleichen Standpunkt
stehen, der spekulativ von Weismann, Nägeli, de Vries, Wiesner
begründet und von R. Altmann zuerst ins Körperliche übersetzt wurde.
Beide sehen die Zelle selbst als eine Kolonie von Elementarorganismea
(Bionten Altmanns) an, die als Idioblasten im Zellkerne die Träger der
erblicher Eigenschaften, als Plasome im Zellleib die Träger der Differen-
zierungen und funktionellen Anpassungen darstellen. Diese Bionten sind
es, welche assimilieren, wachsen, sich vermehren, und deren vitale Thätig-
Allgemeine Folgeningen d. entwickeluDgBmech. Experimente. 553
keit die Gesamtthätigkeit der Zelle bedingt, sie bilden die Individuen im
Zellstaat, etwa in der Weise, wie man bisher die Zelle als das Individuum
des Organismusstaates auffasste. Ein durchaus logischer Weiterschritt führt
Roux dazu, diese Bionten weiter zu klassifizieren, und nach ihren vor-
nehmlichsten Eigenschaften als Idioplassonten, Isoplassonten, Automerizon-
(len und Autokineonten einzuteilen, und wahrscheinlich jedem Idioplassonten
die Eigenschaft zuzuschreiben, niur Idioplassonten zu erzeugen u. s. w.
Die Abweichung meiner persönlichen Anschauung von dieser Rich-
tung wird im folgenden zu oft zum Durchbruch kommen, als dass ich
es vermeiden könnte, sie hier, obgleich das entschieden sehr weit abführt,
ausdrücküch zu erklären. Der hier eingeschlagene Weg führt jeden, der
bereit ist, alle Konsequenzen zu ziehen, zur Annahme eines mit einer be-
sonderen Kraft begabten, d. h. lebenden Moleküls. Wer diesen Weg nicht
mitmachen will, und das Leben in der spezifischen Anordnung und Wechsel-
wirkung von nicht spezifischen Molekülen, die an und für sich den allge-
meinen physikaUschen Gesetzen der Erhaltung der Kraft unterliegen, sucht,
hat nicht nötig, das Problem der vitalen Organisation von der Zelle zurück-
zuverlegen; er darf die Zelle als den letzten, empirisch und theoretisch
notwendigen Elementarorganismus beibehalten. Für mich, denn ich be-
kenne mich zu dieser augenblicklich unmodernen Anschauung — sind die
Bionten Elementar — , die unter der vitalen Energie der Zelle passiv
vermehrt, vergrössert, und qualitativ bestimmt werden. Wir werden aber
sehen, dass wir unter dieser Reservatio mentaUs den weiteren Deduktionen
der beiden Forscher ganz gut folgen können.
Roux steht in der Deutung seiner Versuche wesentlich auf dem
Boden der Evolutionstheorie Weismanns. Das befruchtete Ei enthält
nach ihm nicht nur das Material, sondern auch den Entwickelungsimpuls
für die selbständige Entwickelung zum künftigen Organismus, den Idio-
plasson. Letzterer wird durch die Befruchtimg aktiviert, dann durch die
Furchung zuerst quahtativ ungleich zerlegt, derart, dass jede Furchungs-
kugel nur das Material und den Idioplasson einer Körperhälfte enthält.
Durch Fortsetzung dieses Vorganges sondert sich das Material bestimmter
Keimbezirke und soweiter gelangen wir durch diesen Vorgang, den Roux
als SelbstdifEerenzierung bezeichnet, zu den einzelnen Organ- und Gewebs-
anlagen. Neben diesem „Idioplasson der direkten Entwickelung" entliält
die Eizelle aber noch denRe- und Postgenerationsidioplasson ; derselbe geht
durch qualitativ gleiche Teilung auf die Tochterzellen über und bildet
einen nur bei abnormen Bedingungen „indirekter Entwickelung" in Thätig-
keit tretenden Faktor. In dritter Reihe endUch erkennt aber Roux auch
durchaus die gegenseitige Einwirkung der Elemente des Organismus auf
554 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
einander, sowie die Einwirkung der Aussen weit auf gewisse Entwicke-
lungen an.
Hertwig ist im Hauptzuge Epigenetiker. Er geht von der Anschau-
ung aus dass bei der Teilung der Zellen eine erbgleiche Zerlegung des
Anlagematerials stattfindet, derart, dass jede Tochterzelle die wesentlich
gleichen Eigenschaften wie die Eizelle besitzt. Die durch die Massenzu-
nahme der Elemente bedingten Wechselbeziehungen, ihre Unterordnung
in dem Haushalt des Ganzen, die Einflüsse der Aussenwelt, besonders die
Ernährung bedingen die Ausbildung besonderer Merkmale und Organe
der Zellen, ihre Differenzierung. Dabei erkennt Hertwig an, dass auch
nach seinem Standpunkte die Anlagesubstanz jeder Organismenart eine
spezifische hohe Organisation besitzen muss, um in der „ilirer Art ent-
sprechenden Weise auf die sie betreffenden äussern und innem Reize re-
agieren zu können*'.
Wenn wir nunmehr zur Analyse dieser Anschauungen übergehen, so
sehen wir, dass beide Autoren keine extremen Parteistellungen einnehmen,
0. Hertwig ist so wenig eigentUcher Epigenetiker wie W. Roux starrer
Evolutionist ist.
Eine eigentliche evolutionistische Anschauung, wie sie im vorigen
Jahrhundert galt, ist nach Erkenntnis der cellularen Zusammensetzung
des Organismus undenkbar geworden. Dass das Ei ein wirkliches Abbild
des Organismus enthalte, wäre eine sehr überflüssige Spekulation, seitdem
wir wissen, dass nicht die einzelnen Teile des Eies zu den Organen des
Individuums auswachsen, sondern sich durch Elemente, die im ganzen
dem Ei ähnUch sind, synthetisch aufbauen. Andererseits könnte, seitdem
war in die feine Organisation der Zelle und besonders der Keimzelle immer
weiter eindringen, auch kein Epigenetiker die Vorstellung aufrecht erhalten,
dass die Eizelle gewissermassen nur das Urchaos von Substanzen und
Kräften enthält, aus dem die Entwickelung erst den Organismus erachafft.
So sehen wir deim auch, dass Hertwig wie Roux dieselbe Anschauung
über die Eizelle haben, der auch andere gern zustimmen werden, dass die
Eigenschaften des Organismus in nuce auch der befruchteten Eizelle ganz
spezifisch zukommen müssen, und an spezifisch gebaute Formelemente
geknüpft sind. Wir werden auch — abgesehen von der Frage, ob diese
Formelemente Bionten oder Elementarorgane sind — darin mit beiden
Autoren übereinstimmen, dass die Elementareigenschaften in der spezifi-
schen, d. h. der Art zukömmlichen Fähigkeit der Differenzierung, der Yer-
mehrung, der Asshnilation und der Bewegung bestehen müssen. Eine
rein spekulative Differenz, die erst in Zusammenhang mit den weiteren
Schlussfolgerungen der Autoren Bedeutung gewinnt. Hegt aber schon da-
rin, dass 0. Hertwig den Elementarteilen der Zelle alle Elementareigen-
Allgemeine Folgerungen d. entwickelungsmech. Experimente. 555
Schäften zuschreibt, während Roux bereits in der Eizelle jede dieser Eigen-
schaften einer bestimmten Gruppe von Bionten überträgt.
Die erste wesentliche Verschiedenheit der beiderseitigen Anschauungen
liegt darin, dass Roux die Fortentwickelung der Eizelle durch Selbst-
thätigkeit, 0. Hertwig durch die Einwirkung der Aussen weit vor sich
gehen lässt.
Wir müssen hierzu nun zuerst kommentieren, dass Roux in einer
seiner neueren Ausführungen (Über Mosaikarbeit und neuere Entwicke-
lungshypothesen, Anat. Hefte 1893, S. 282) den von ihm angenommenen
Begriff der „Selbstthätigkeit" ausdrücklich seiner metaphysischen Ver-
dächtigkeit entkleidet.
Die Selbstthätigkeit der Entwickelung soll weder in sich selbst ver-
ursacht noch den Einwirkungen der Aussenwelt entzogen sein. Sie beruht
ihrem Wesen nach in Wechselwirkungen, in gegenseitigen Beeinflussungen
im Innern des Organismus. Es geht aus Roux' früheren Arbeiten zur
Genüge hervor, dass er hierbei nicht nur die im Innern einer einzelnen
Zelle statthabenden Wechselwirkungen, sondern auch den der Zellen
untereinander, der korrelativen Wirkungen, hinreichend würdigt. Hertwig
dagegen legt besonderes Gewicht auf die Einwirkungen der Aussenwelt
und auf die korrelativen Wirkungen im Gegensatz zu den intracellularen
Vorgängen. Soweit ich ihn verstehe, betrachtet er die Zelle nur als ein
gegebenes, allerdings spezifisch organisiertes Material , auf welches Aussen-
welt und korrelative Wirkungen formend, bewegend, nährend und teilend
einwirken.
A. Selbstthätigkeit der Entwickelung oder Einwirkung von
Korrelation und Aussenwelt?
Wenn wir nunmehr die Bedeutung der beiden Faktoren prüfen, die
von Hertwig der Selbstthätigkeit der Entwickelung gegenübergestellt
werden, so mochte ich zuerst die „Korrelationen** als gegensätzlichen Be-
weis ausschalten. Als Korrelationen bezeichnen wir Wechselbeziehungen
zwischen Teilen desselben Organismus, also in lelzter Linie von Zellen zu
Zellen desselben Organismus. Gesetzt den Fall, dass diese Zellen, ent-
sprechend der Auffassung Roux' durch selbstthätige Entwickelung aus dem
Ei hervorgegangen sind, so müssen auch ihre Wechselbeziehungen in den
Kreis der selbstthätigen Entwickelungsvorgänge gerechnet werden. Es
würde zu weit führen, diese These an einzelnen Beispielen zu erläutern.
Eins möge für viele genügen. Es erscheint sehr verführerisch, ein Haupt-
agens für ;die bilateral symmetrische Ausbildung der beiden Furchungs-
kugeb gerade in ihrer Nachbarschaft zu erblicken, in dem Druck, den
556 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
die eine auf die andere ausübt. Wir müssen aber bedenken, dass zwei
aus einer Teilung hervorgehende Protozoenzellen sich von einander ab-
schnüren und jede die Form der Mutterzelle annimmt; wo sie etwa sym-
metrische Stellungen annehmen, wie beim Gonococcus, bei der Sarcine
erkennen wir darin eine selbstthätige , der Art zukömmliche Eigenschaft.
Diese Symmetrie der Furch ungszellen ist auch keine Anpassung an die
Raumverhältnisse innerhalb einer engen Hülle, denn sie kommt den hüllen-
losen Zellen des Vogeleies so gut zu wie den von enger Hülle umschlossenen
Säugetiereiern. Diese erste Korrelation resultiert aus einer, den Furchungs-
Zellen als Metazoenzellen erbmässig zukommenden Eigenschaft und muss
somit selbst als selbstthätiger Entwickelungsvorgang aufgefasst werden.
Nicht anders haben wir die wichtigen, mechanischen Wechselbeziehungen zu
verstehen, die bei der Massenzunahme der Embryonalanlage ihre gestaltende
Wirkung äussern, wie durch His* schöne Untersuchungen in so ausgiebiger
Weise erwiesen worden ist. Es ist danach einleuchtend, dass die Knickung des
Medullarrohres an der Rautengrube kein selbstthätiger Vorgang, sondern
das mechanische Resultat aus dem Wachstum und der geringsten Dicken-
ausdehnung jener Stelle ist. Aber das Wachstum und die Dickenverhält-
nisse sind doch selber wieder nur als selbstthätige Entwickelungen erkenn-
bar. Das gleiche gilt aber auch von den geheimnisvollen Wechselbezieh-
ungen zwischen den verschiedensten Teilen des Organismus, die Hanse-
mann als altruistische Korrelationen bezeichnet hat und die durch Er-
fahrung und Experiment ebenso sichergestellt, wie in ihrem Geschehen
unserem Verständnis entrückt sind. Sie dokumentieren sich in einer Art
der Abhängigkeit eine Organentwickelung in einer andern, die nicht in
den Rahmen eines mechanischen Einflusses zu bringen ist. Derartige
Verhältnisse bestehen zwischen Nervenzellen und Muskelzellen und beson-
ders die Geschlechtsentwickelung bietet lehrreiche Beispiele. Das Sprossen
des Bartes, die sagittale Vergrösserung des Kehlkopfes beim Menschen,
zahlreiche Schmuck- und Verteidigungsorgane bei den Tieren treten mit
der Pubertätsent Wickelung der männlichen Geschlechtsdrüsen auf, sie
unterbleiben, wenn diese durch abnorme Entwickelung oder durch Kastra-
tion in ihrer Funktion verhindert sind. Selbst die Differenzierung der
männlichen Genitalien ist, wie ich andern Orts auseinandergesetzt habe,
wahrscheinlich in der gleichen Abhängigkeit von der Umwandlung der
indifferenten, dem weiblichen Typus nahestehenden Geschlechtsdrüsenan-
lage zum Hoden. Ich stelle mir vor, dass, wenn eine rechtzeitige Ka-
stration eines männlichen Fötus ausführbar wäre, der Verschluss des
Sinus urogenitaUs , die Auswachsung des Penis ausbliebe und vermute,
dass die Hypospadie und die Pseudothelie (wie ich den sogen, Pseudo-
hermaphroditismus masculinus Ueber bezeichnen möchte) Folgen einer ver-
Allgemeine Folgerungen d. entwickelungsmech. Experimente. 557
späteten Entwickelung des Hodens darstellen könnten. Alles das würde
allerdings darauf deuten, dass die Entwickelungen der äusseren männ-
lichen Geschlechtsmerkmale keine selbstthätigen Entwickelungen sind, aber
es verhindert nicht, dass wir das Vorhandensein jener altruistischen Korre-
lation als ein selbstthätiges Differenzierungsmittel des Organismus betrachten.
Ich möchte hier ferner auf eine Gruppe von Korrelationen hinweisen,
die allerdings von Roux wie von Hertwig weniger berücksichtigt sind,
aber doch wohl zu den anerkannten Formen gehören, und die man viel-
leicht antagonistische Korrelationen bezeichnen könnte. Sie haben dadurch
einen etwas verständlicheren Charakter, als sie vielfach auch als kompensa-
torische Entwickelungen gedeutet werden können. Ich meine die Vorgänge,
wo bei der Entwickelung eines Organes ein anderes, nicht in direkte^m
Funktionszusammenhange stehendes atrophiert, bei Atrophie eines Organs
ein anderes excessive Entwickelung eingeht. Gerade die Geschlechtsent-
wickelung bietet auch hierfür frappante Beispiele. Bei den Säugern bildet
sich bei der männHchen Differenzierung die Brustdrüse zurück, obgleich
sie in ähnlicher Weise angelegt wird wie beim Weibe. Man kann hier
keine Atrophie durch Unthatigkeit annehmen, denn man braucht nicht
vorauszusetzen, dass sich von vornherein die Säugetiermännchen aus
Interesselosigkeit für ihre Nachkommen oder aus Zeitmangel geweigert
haben sollten, sich bei dem Säugegeschäft zu beteiligen. Die interessante-
sten Beispiele geben hier die staatenbildenden Insekten, indem hier bei
den Geschlechtstieren Arbeits-' und Verteidigungsorgane verkümmern,
Arbeiter und Soldaten dagegen die Geschlechtsorgane verlieren. Wir haben
auf dieses Beispiel gleich zurückzukommen. Es ist unzweifelhaft, dass
auch diese Vorgänge durch Selbstthätigkeit des Orgaaismus reguliert werden
müssen, gleichviel ob hier Cirkulationsbedingungen oder nervöse Einflüsse
oder die von Nägeli betonte „feine Fühlung der Elemente unter ein-
ander" vermitteln.
Aber auch die interessanten, von Hertwig zusammengetragenen
Beispiele von Einflüssen der Aussenwelt, die allerdings gegen die Selbst-
thätigkeit der organischen Differenzierung sprechen würden, bedürfen einer
sorgfältigen Analyse. Dass die Aussenwelt sowohl durch direkte Eingriffe
wie durch ungeeignete Ernährung, Atmung, Feuchtigkeit ti. s. w. hemmend
und zerstörend auf Teile der Organismen einwirken kann, ist keine Frage.
Nach solchen Eingriffen können durch altruistische Korrelation Rück-
bildungen anderer Teile oder Vorgänge angeregt werden, die teils als
Regenerationen, teils als Kompensationen, also als antagonistische Korre-
lationen immer selbstthätige Entwickelungen des Organismus darstellen.
Können aber durch Einwirkungen der Aussenwelt auch direkte
Entwickelungen des Organismus hervorgerufen werden, wie es Hertwig,
558 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Emmery, Herbert Spencer behaupten? Wenn in der That die Aussen-
welt durch Sauerstoff, Feuchtigkeit, Nahrungsstoffe, Wärme und Licht
foimeud, vergrössernd, bewegend, ja selbst nur erhaltend auf die Organis-
men einwirkt, ist der Begriff der Selbstthätigkeit widerlegt. Ich übergelie
hier die zahlreichen Erfahrungen aus der Pflanzen physiologie, die von
O. Hertwig in diesem Sinne citiert werden. Mir scheint, dajss sie sich
auch in einfacher Weise dahin erklären, dass das physiologische oder horti-
kultorische Experiment hier von bekannten, der betreffenden Art inne-
wohnenden Eigenschaften Gebrauch macht, um spezifische Reaktionen
gegen den Eingriff hervorzurufen. Die Pflanze ist hier nicht das Material
welches die Aussenwelt bearbeitet, sondern die Aussen weit giebt die Be-
dingungen, die die Pflanze in der ihr spezifischen Art benutzt oder bekämpft.
Die grösste Verführung für einen Trugschluss bietet in diesem Kapitel
die Beurteilung des Einflusses der Ernährung. Selbstverständlich ist hier
nicht die Rede von der internen Ernährung des Organismus, die zweifellos
einen der wichtigsten Entwickelungsfaktoren bildet, aber ebenso zweifellos
eine Selbstthätigkeit des Organismus manifestiert. Es handelt sich viel-
mehr hier um die äussere Nahrungszufuhr. Es erscheint auf den ersten
BHck selbstverständlich, dass man durch vermelirte Nahrungszufuhr ebenso
die Entwickelung des Organismus fördern kann, wie man sie sicher durch
Nahruugsentziehung schädigt. Man hat aber hier zu beachten, dass diese
Entwickelungsförderung nur so weit möglich ist, als die spezifische Organi-
sation die selbstthätige Nahrungsaufnahme ermöglicht, und die Entwicke-
lung auch bei reichlichster Nahrungszufuhr durch die der Art oder Varietät
zukömmlichen Grenzen beschränkt ist. Die reichlichste Nahrung ver-
wandelt keinen Mops in eine Dogge und keinen Poni in einen Percheron
und das Resultat der Mästung ist vom Standpunkte des Anatomen und
Physiologen im Gegensatz zu dem des Thierzüchters keine Entwickelung,
sondern eine Degeneration.
Die obengenannten Forscher glauben nun den striktesten Beweis für
den gestaltenden Einfluss der Nahrungszufuhr in der individuellen Züchtung,
die die staatenbildenden Insekten besonders Bienen und Ameisen treiben,
gefunden zu haben. Diese Wesen produzieren durch zielmässige Ernährung
die teilweise äusserst abweichenden, gewissen Funktionen angepassten
Individuen. Aber ich glaube, dass diese Beweisführung nicht einwandfrei
ist. Zuerst ist unzweifelhaft, dass diese Züchtung nicht beliebige Fonneu,
sondern nur einen ganz bestimmten, der Art eigentümlichen Formenkreis
produzieren kann, also Formen, die sehr wohl selbst im Sinne Weis-
manns im Keimplasma determiniert sein können. Dieselben besitzen
doch immer den Bauplan der Art, nur dass einige Organe atrophiert,
andere ungewöhnlich entwickelt sind.
Allgemeine Folgerangen d. entwickelungsmech. Experimente. 559
Der zweite Einwand wäre, dass keineswegs zur Zeit festgestellt ist,
ob wirklieh diese Züchtungen an jedem Individuum nach Belieben oder
Bedürfnis vorgenommen werden können. Sehr wohl könnten die Tiere
schon an bestimmten uns unsichtbaren Merkmalen unter den Larven die
für die einzelnen Züchtungen geeigneten Individuen heraus erkennen.
Besonders fragt es sich aber, ob den Tieren dann ihre Zucht in jedem
Falle wunschgemäss gelingt, ob sie sich nicht oft irren und eine Larve
mit Arbeiternahrung füttern, die dabei zu Grunde geht, weil sie nur
Königinnennahrung verträgt, oder die nicht „einschlägt*', sondern nur un-
vollkommen die gewünschten Umwandlungen durchmacht. Das Vorkommen
von zahlreichen Zwischenformen zwischen den einzelnen Kasten wird von
Emmeriy, Spencer, Hertwig ausdrückUch zugegeben, es wird aber
ohne einschlägiges Beweismaterial auf Ungleichheiten der Fütterung zu-
rückgeführt. Solange hier keine positiven Beobachtungen vorliegen, ist
aber die Deutung zulässig und sogar wahrscheinlich, dass abgesehen von
(ien willkürlich regulierbaren Ernälirungsunterschieden auch bei gleichen
Emährungsbedingungen die Individuen durch verschiedene Entwickelungen
reagieren. In diesem Falle wäre bewiesen, dass auch hier die Nahrungszufuhr
nicht eigentlich die Entwickelung des Organismus bestimmt, sondern nur
die Bedingungen bietet, von denen der Organismus selbstthätig für seine
Entwickelung Gebrauch macht.
Wahrscheinlich hegt der Vorgang aber noch viel einfacher. Wir
dürfen annehmen, dass bei einer gewissen Normalnahrung das Geschlechts-
tier dieser Arten selbstthätig zur Entwickelung kommt, so bei den Bienen
aus den unbefruchteten Eiern das Männchen , aus den befruchteten das
das Weibchen. Das Züchtungsexperiment der Bienen besteht alsdann
nur darin, dass sie durch Nahrungsentziehung die weibliche Geschlechts-
entwickelung hemmen, durch antagonistische Korrelationen werden die
übrigen Merkmale der Arbeiterinnen vom Organismus alsdann selbstthätig
entwickelt Ähnlich werden die Verhältnisse bei den Termiten liegen. Es
ist hier zu bemerken, dass vielleicht nicht nur Nahrungsmangel, sondern
auch Nahrungsüberfluss, Mästung, auf die Geschlechtsentwickelung hemmend
wken kann, wie namentUch Erfahrungen bei Pflanzen lehren. Wir hätten
alsdann zwei Wege, die Bildung besonders differenzierter Kasten durch
Entwickelungshemmungen der Geschlechtsorgane zu erklären, ohne auf
direkte Beeinflussung der Entwickelung durch die Aussen weit zurückgreifen
zu müssen.
Es würde zuweit führen, an dieser Stelle den Nachweis zu führen,
dass auch für die histologische Entwickelung und Differenzierung dasselbe
gilt, wie für die Organentwickelung. Alle hier oft sehr verführerischen
Thatsachen fügen sich bei sorgfältiger Analyse der Deutung, dass der Ein-
560 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
fluss der Aussenwelt der selbstthätigen Entwickelung der Elemente zu-
sagende oder feindliche Bedingungen bieten kann; dass aber bisher keine
Einwirkung der Aussenwelt bekannt ist, die direkt den Entwickelungsgang
der Elemente progressiv zu beeinflussen vermag. Wir müssen uns klar machen,
dass die von der Aussenwelt stammenden Reize, wie Wärme, Ernährung,
Arbeitsaufgaben teilweise der Leistungsfähigkeit des Organismus adäquat
sind und alsdann die normalen Funktionen auslösen ; dann kann allerding?
die Kumulation der Reize eine Entwickelungsförderung bedingen, abt-r
nicht direkt, sondern eben durch die Häufigkeit der Funktion. Der Reiz
wird alsdann, wie dies Roux in einer früheren Arbeit bezeichnete, ein
Reiz der Funktion, also eine interne Angelegenheit des Organismus. Oder
aber diese Reize sind qualitativ oder quantitativ der Leistungsfähigkeit
nicht angepasst, gleichviel ob durch ein Zuviel oder Zuwenig. Dann be-
wirken sie Schädigungen des Organismus, die ihrerseits durch antagoni
stische Korrelation interne Reaktionen erzeugen. Hierher gehört in erster
Linie die sogenannte „histologische Accommodation", soweit sie wirklicli
von der Aussenwelt beeinflusst wird, und nicht, wie weiter unten noch zu
besprechen ist, als Anpassung an die „Funktion des Orts" ebenfalls ein rein
selbstthätiger Entwickelungsvorgang ist. Wenn eine Schleimhaut, die bis
dahin Cylinderepithel oder Übergangsepithel besass, nach Verlagerung an
die Körperoberfläche mit Pflasterepithel bedeckt wird, so hat nicht die Atmo-
sphäre jene Zellen in Plattenzellen verwandelt, sondern nach Zerstörung
jener Zellen durch die Luft hat die Keimscliicht des Epithels die Fähig-
keit erlangt, die der Schädigung widerstehenden Pflasterzellen zu pro-
duzieren.
Ob pathologische Reize, z. B. Mikroorganismen, im stände sind,
direkte Entwickelungen hervorzurufen, ist eine Frage, die man auf den
ersten Blick bejahen möchte, bis man sich die Bedenken klar gemacht
hat. Baum garten bildet Tuberkelbacillen in mitotisch sich teilenden
Zellen ab. Ich habe dies Verhalten in meinen Präparaten nicht gefunden,
aber bezweifele nicht die Möglichkeit. Dieses Verhalten würde aber in
erster Linie nur beweisen, dass der Tuberkelbacillus von so geringer oder
langsamer lokaler Wirkung ist, dass er vorerst das Auftreten von Mitosen
nicht hindert. Die Regel ist jedenfalls, dass die Mitosen nicht in den
von Mikroben befallenen Zellen, sondern in deren Nachbarschaft auftreten.
Das gleiche Verhalten gilt von den so produktiven Wuchenmgen, die das
best bekannte Protozoon Coccidium oviforme erzeugt. Die Frage ist aber
allerdings nicht spruchreif, ehe nicht Art, Lebensweise und Aufenthaltsort
der Krankheitserreger der Syphilis, der Leukämie bekannt, und die Ätio-
logie der malignen Geschwülste weiter geklärt ist. Indes ist die Möglich-
keit selbst im letzten Falle nicht von der Hand zu weisen, dass die Noxe
Allgemeine Folgerangen d. entwickelangsmech. Experimente. 561
üicht eigentlicli die wuchernden Elemente betrifft, sondern die Wucherung
reaktiv oder kompensatorisch auf Schädigmig anderer Elemente erfolgt.
Während wir also ablehnen können, dass empirische Beobachtung oder
Experiment bisher Thatsachen für eine direkte progressive Beeinflussung
Jer Entwickelung durch äussere Reize beibringen, glauben wir mit Roux
gerade in der empirischen und experimentellen Pathologie und Teratologie
die schlagendsten positiven Beweise für die selbstthätige Entwickelung des
Organismus zu erkennen, besonders, wenn wir nicht nur direktes Wachs-
tum, sondern auch korrelative Entwickelungen als Selbstthätigkeit regi-
strieren können. In erster Linie betrachten wir die Resultate der entwicke-
luugsmechanischen Experimente sowohl derjenigen Roux', wie auch der-
jenigen Hertwigs, die sich auf die Asyntaxia beziehen, als beweiskräftig.
Die Ausbildung der Urmundsränder zu MeduUarwülsten , auch wenn sie
durch die Asyntaxia dem Einfluss der Gegenseite entzogen sind, kann
doch nur so verstanden werden, dass trotz der äusseren Schädigungen die
selbstthätige Entwickelung der Nervensystemanlage weiter funktioniert.
Das Ausbleiben von Organentwickelungen an Stellen, wo Keimmaterial,
sei es durch direkte Eingriffe, sei es durch Amnionverwachsungen , zerstört
ist, kann nur so gedeutet werden, dass dieses Material die Entwickelungs-
faktoren jener Organe enthielt.
Ähnliche Beispiele bietet die Pathologie. Die Verhornung der Epi-
dermiszellen erfolgt in Kankroidsträngen und selbst in Metastasen, wo von
einer histologischen Accommodation an ihre Inanspruchnahme zur Ober-
flächenbedeckung keine Rede mehr sein kann. Ebenso ordnen sich die
Zellen von Drüsencarcinomen noch mitten in Krebsalveolen um Lumina;
die Zellen der Rektumcarcinome sondern Schleim ab und dergl. Diese
Beispiele, die zu anderen Beweisführungen öfters citiert werden, sind nicht
anders zu deuten, als dass jenen Zellen auch imabhängig von der An-
passung an die „Funktion des Orts'* die Entwickelungsrichtung erbmässig
innewohnt. Noch anschaulichere Beispiele geben die Teratome und Der-
moide innerer Organe, wo äussere Haut gebildet wird, die nie eine Ober-
fläche bedecken soll, und doch alle dieser Funktion zugehörige Organe,
Haare, Talgdrüsen besitzt; wo Zähne entstehen, die nie kauen können,
und doch in ihren Formen mit den normalen fast identisch sind. Gleich-
viel ob sie durch Keimversprengung oder durch rudimentäre Doppelbil-
dungen dorthin gebracht sind, machen die Anlagen unter den abnormsten
Bedingungen selbstthätig den ererbten Entwickelungsgang durch. Gerade
<üese Beispiele geben auch die Anknüpfung dieser Betrachtungen über die
selbstthätige Entwickelung an das Gebiet der Teratologie und zeigen die
Bedeutung derselben für das Verständnis der uns hier interessierenden
Vorgänge.
Labarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteil. II. 36
562 AUgem. pathol. Morphologie nnd Pathologie.
Ich fasse das Ergebnis dieses Abschnittes dahin zusammen, dass ich
nach den bisher vorliegenden Beobachtungen der Aussen-
weit entweder eine den Bedürfnissen des Organismus ent
sprechende oder eine denselben feindliche Beschaffenheit zu-
schreiben kann. Den Beweis für eine direkte Entwickelungs-
anregung durch den Einfluss der Aussenwelt halte ich bisher
nicht für erbracht. Aus diesem Grunde führe ich im An-
schluss an Roux die gesamte progressive Entwickelung des
Organismus auf Selbstthätigkeit zurück.
B. Auf welchem Wege erfolgt die Differenzierung der Gewebt?
Die zweite, zwischen Hertwig und Roux diskutierte Frage berührt
die ältesten Streitpunkte der Cellularpathologie in besonders naher Weist,
und verdient darum in diesem Werke eine ausführliehe Behandlung. Kanij
aus den empirischen und experimentellen Beobachtungen geschlossen
werden, dass eine grundlegende V'erschiedenheit der Körperelemente bereit
bei der Teilung der Furchungskugeln angelegt wird, und schreitet diese
Verschiedenheit in der Weise fort, dass bei jedem Teilungsakt die zu ver-
erbenden Eigenschaften ungleichmässig auf die Tochterzellen übertragen
werden (Roux). Oder ererben die Tochterzellen stets die vollen Qualitäten
der Mutterzelle, also in letzter Instanz der Eizelle, sodass die Ausbildung
ihrer spezifischen Merkmale aus individuellen Umformungen ihrer Elementar-
teile hervorgeht (Hertwig)? Bezüglich beider Auffassungen sind gewichtige
Beobachtungen und Gründe für und wider ins Feld geführt worden. Die-
jenige Roux' hat sich durch ihn selbst eine bedeutende Einschränkung
gefallen lassen müssen. Es ist richtig, dass sich die ungleichen Differen-
zierungen der Zellen am besten durch eine bei ihrer Entstehung angelegte
Verschiedenheit erklären würden. Damit wäre aber die Thatsache unver-
einbar, dass bei Zerstörungen der eigentlich für eine Entwickelung be-
stimmten Zellen andere für sie eintreten, die statt jener die typische Ent-
wickelung durchmachen, oder selbst nur, dass ein Substanzverlust durch Nach-
barzellen geschlossen würde, kurzum die Phänomene der Postgeneration, vde
Roux ersteren Vorgang benannt hat, imd der Regeneration. Zur Erklä-
rung diese Vorgänge nehmen Roux, Weismann und Hansemann
noch die Existenz sogenannter Nebenplasmen an, die jene Vorgänge ein-
leiten. Roux nennt diesen Faktor den Idioplasson der indirekten Ent-
wickelung und schreibt ihm erbgleiche Teilung zu, während er dem Idio-
plasson der direkten Entwickelimg die erbungleiche Teilimg belässt. Da
nun aber auch die Re- und Postgenerationskraft der Zellen in den späteren
Abkömmlingen der Eizelle allmählich abnimmt, müsste auch der Idioplasson
Allgemeine FoIgerungeD d. entwickelangsmech. Experimente. 5g3
der indirekten Entwickelung sich zeitweise erbungleich teilen. In der That
hat namentlich Hansemann diese Idee weiter ausgeführt und ist zu der
Anschauung gelangt, dass stufenweise eine solche erbungleicho Teilung
erfolgt und die totipotente ßegenerationskraft der Elemente mit der Zahl
der Generationen, die sie von der Eizelle entfernt sind, abnimmt.
Diese Verwickelung der Vorstellungen vermeidet O. Hertwig, indem
er die erbgleiche Teilung als gesetzmässig betrachtet. Wenn jede Körper-
zelle das ganze Idioplasma der Eizelle enthält, so macht allerdings die
Erklärung der Regenerations- und Postgenerationskraft der Zellen keine
Schwierigkeit. Es wird selbstverständlich, dass bei Pflanzen und niedern
Tieren beliebige Teile das Ganze ersetzen können. Es ist aber nicht zu
leugnen, dass die Theorie Hertwigs wieder einer andern Erscheinungs-
gruppe nicht völlig gerecht wird, die gerade bei den höheren Tieren, speziell
den Säugetieren und in der Pathologie dieser eine hervorragende Rolle
spielt, der Spezifizität der Gewebe. Trotz der nahen Verwandtschaft,
die ja selbstverständlich den Körperzellen jedes Individuums von ihrer
Stammmutter, der Eizelle, her innewohnt, sehen wir dieselben bekanntlich
mit erstaunlicher Zähigkeit die im Laufe der Entwickelung erworbenen, den
einzelnen Körpergeweben zukömmlichen Merkmale festhalten. Das äus-
sert sich in erster Linie darin, dass unter normalen Verhältnissen die Keime
jeder Gewebsart verhältnismässig früh erkennbar werden, und alsdann
einen fest normierten Entwickelungsgang darin innehalten, dass sie nur
Zellen bestimmter Art erzeugen. Wir sehen, wie es besonders durch Bar-
furt hs umfangreiche und sorgfältige Untersuchungen festgestellt ist, dass
bei der Regeneration der Gewebe diese scharfe Sonderung ebenfalls streng
aufrecht erhalten wird. Bei der Entzündung, bei der lange die spezifische
Teilnahme der Gewebszellen in Frage gestellt wurde, sind allmählich alle
Widersprüche verstummt. Die interessanten Beobachtungen Hanse man ns
über die Sondermerkmale der Kernteilungsfiguren der einzelnen Gewebs-
arten, auf die wir noch zurückkommen, sprechen in dem gleichen Sinne,
dass sich die Gewebszellen in grundlegender Weise von dem Typus der
andern und dem der Eizelle entfernt haben. Es entsteht dann also die
Frage, ob diese Beobachtungen mit Hertwigs Theorie vereinbar sind; an
welcher Stelle die Qualitäten der Eizellen sich ändern oder verloren gehen
könnten, wenn das nicht durch Ungleichheiten bei der Teilung geschehen
sollte?
Ich habe nun weiter auf einige Einzelheiten der beiderseitigen Be-
weisführung einzugehen. Auch abgesehen von dem mehrdeutigen Ausfall
der Versuchsresultate verschiedener Forscher scheint mir in dieser Rich-
tung Roux' Kritik seiner eigenen Versuche nicht ganz zwingend. Selbst
wenn die beiden Furchungskugeln den Anlagen der beiden Körperhälften
36*
564 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
entsprechen, ist die Symmetrie doch nicht als qualitative Ungleichheit auf-
zufassen; beide Furchungskugeln haben alsdann dasselbe Idioplasma me
die Eizelle, nur in quantitativer Verminderung, sie können dieselben
Gewebe wie die Mutterzelle d. h. alle Gewebe aus sich entwickeln. Für
die weiteren Teilungen, bei denen Roux die Sonderung der EntMicke-
lungsqualitäten in vier Teile annimmt, wird dadurch schon die Wahr-
scheinlichkeit abgeschwächt, dass die Abgrenzung der Bezirke ungewiss
wird. Viertelteile der Organismen sind schon keine anatomischen oder
histiologischen Begriffe mehr. Die Deutung, die Roux der schon oben er-
wähnten als Hemitherium anterius bezeichneten Missbildung giebt, nach der
der Defekt der hinteren Körperhälfte auf Verlust zweier Furchungskugeln des
Viererstadiums zurückgeführt werden könne, ist sicher unzutreffend. Die
Verwachsungen des Amnion mit den Defekträndem beweisen, dass der
Defekt erst nach Anlage des Amnion zu stände gekommen sein kann. Man
kann ziemlich sicher annehmen, dass er durch Verwachsungen des Amnion
wie die Mehrzahl angeborener Defekte veranlasst wurde und dabei ganze
Gruppen von Organanlagen der Zerstörung anheimfielen.
Der schwerste Einwand gegen den Versuch, zwischen direkter und indi-
rekter Entwickelung tief gehende Unterschiede zumachen, hegt aber offenbar
in der Thatsache, dass es eine direkte Entwickelung im Sinne Roux' bei
den wenigsten Tierspecies, vielleicht bei keiner giebt. Bei der Metamor-
phose der Larven niederer Tiere wird das Gewebsmaterial der Larve ge-
wissermassen eingeschmolzen, um die Gewebsanlagen des nächsten Sta-
diums zu schaffen. Hier müsste demnach nur für die erste Larvenfomi
der Haupt-Idioplasson funktionieren, und das definitive Individuum ganz aus
Nebenplasmen entstehen. Ähnhche Umformungen betreffen aber auch den
Säugetierfötus. Der Hauptidioplasson der Vorniere muss schon bei den secer-
nierenden Drüsenzellen des Wol ff sehen Körpers verbraucht werden. Für
die Nebenhodenepithelien bleiben höchstens noch Nebenplasmen übrig.
Ebenso sind die Umformungen des Visceralskeletts nicht unter den Begriff
einer direkten Entwickelung zu bringen. Besonders wäre aber die ganze
Theorie nur dann zulässig, wenn die von Balfour, M. Nussbaum für
niedere Tiere festgestellte direkte Abstammung der Genitalzellen von Fur-
chungszellen eine ganz allgemeine Giltigkeit hätte. Für die Wirbeltiere
ist aber nach zahlreichen Untersuchungen, die ich selbst bei den Säuge-
tieren bestätigen kann, diese Auffassung mit Sicherheit abzulehnen. Die
Genitalzellen differenzieren sich aus dem Keimepithel, welches bereits
die Stadien des Entoderms und des Cölomepithels durchgemacht hat, ehe
sich die ersten Ureier in ihm zeigen. Dieselben könnten also, wie Hanse-
mann ausdrücklich hervorhebt, ihre Totipotenz nur Nebenplasmen ver-
danken. Dieselbe Erklärung wendet Roux unbedenkUch auf pathologische
Allgemeine Folgerungen d. entwickelungsmech. Experimente. 56*5
Verhältnisse an. Wenn in Roux' eigenen Versuchen nach Zerstörung
einer Furchungszelle durch die andere ein fast vollständiger Ersatz geschaf-
fen wird, und in den Versuchen Hertwigs und Drieschs nach Verlust
einer Furchungskugel oder nach teilweiser Teilung einer Anlage, sobald
kein mechanischer Widerstand es hindert, von der andern Seite her der
Verlust völlig ergänzt wird, so müssen eben die Nebenplasmen ganz den-
selben Umfang und dieselbe Wichtigkeit, wie das Hauptplasma besitzen.
Die angeblich erbimgleich entstandene Tochterzelle ist also thatsächlich
auch nach Roux durch ihre Nebenplasmen der Mutterzelle qualitativ gleich,
und jede andere Deutung wird zur Spitzfindigkeit. Weiter möchte ich nur
kurz darauf hinweisen, dass auch die Fälle, in denen erbungleiche Zell-
teilimgen der direkten Beobachtung zugängig sein sollen, durchaus nicht
ganz eindeutig sind. Wahrscheinlich handelt es sich hier stets entweder
um unmittelbar vor der Teilung auftretende Differenzierung der Mutter-
zelle, wie bei der Reduktionsteilung der Geschlechtszellen oder um unmittel-
bar nach der Teilung auftretende Differenzierung einer Tochterzelle, wie
bei der Bildung der Richtungskörperchen des Eies, der inäqualen Fur-
chung der Orthonectiden und Dicyemiden. Selbst der bisher wohl einzig
dastehende Vorgang, den v. Hacker bei der Teilung der centralen Fur-
chungszelle des Cyclops brevicomis beschreibt, würde sich dieser Deutung
allenfalls noch einfügen ; hier erfolgt die Differenzierung der einen Tochter-
zelle, allerdings bereits im Stadium des Dyaster. Dass die asymmetrischen
Kernteilungsfiguren, die Hansemann in malignen Tumoren beobachtete,
überhaupt zur Entstehung lebensfähiger Zellen führen, ist keineswegs
sicher gestellt.
Schliesslich habe ich noch eine Hypotliese Hansemanns zu be-
sprechen, die so bestechend ist, dass sie, wenn sie sich fruchtbar erwiese, aller-
dings allein eine wichtige Stütze der Roux sehen Theorie bildete. In konse-
quenter Durchführung der Theorie der erbungleichen Teilung kommt Hanse-
mannzu demSchluss, dass die einer Zellart durch die Teilimg entzogenen
Plasmen sich notwendig bei einer anderen als Anagonisen vorfinden müssen,
und dass zwischen diesen beiden sich ergänzenden Zellarten eine innigere
Wechselbeziehung bestehen muss, die er als Altruismus bezeichnet. Die
Vermehrung der einen Zellart muss zur Aufrechterhaltung des Antagonismus
altruistische Hypertrophie der anderen, die Verminderung altruistische
Atrophie bewirken, also umgekehrt wie die kompensatorische Hypertrophie,
die nach Atrophie des korrespondierenden Organes erfolgt. Da ferner
jede Zellart auf die Funktion des Antagonisten angewiesen ist, besteht
eine Art von Altruismus zwischen jeder Zellart und allen übrigen Körper-
zellen. Der Altruismus soll so auch die Thatsache erklären, dass der
völlige Verlust einer Zeliart den Tod des Individuums zur Folge hat.
566 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Man sieht, dass sich der genannte Autor hier an die Lösung des schwierig
sten Problems der Biologie, der Korrelation und der — nennen wir es
organipriven Folgezustände wagt, und durch den Altruismus zu einer neuen
Theorie des physiologischen Todes gelangt. Leider muss ich gestehen,
dass mich eine sorgfältige Prüfung seines Ideenganges und seiner Beispiele
nicht zu einer Übereinstimmung mit ihm geführt hat. Die von mir schon
an anderer Stelle besprochenen Erscheinungen der Korrelation, die uns
so unerklärlich sind,' dass wir jeden Strohhalm einer Deutung festhalten
müssten, betreffen aber mit Vorliebe Zellarten, die in möglichst fernem
genetischen Verhältnis stehen, und deren Antagonismus demnach auf erb-
ungleiche Teilung einer Stammzelle am allerwenigsten zurückgeführt werden
kann. Dies gilt z. B. für die Korrelation zwischen Gehirn und Nebenniere,
die Hansemann citiert. Wenn wir auch, wie Hansemann hervorhebt,
die Keimbahnen der Geschlechtszellen bei den wenigsten Tieren kennen,
so können wir doch sicher sein, dass durch keine Keimbahn eine beson-
dere Beziehung der männUchen Geschlechtszellen zu den Epidermiszellen
des Kinns und der Lippen festgestellt werden wird, eine Beziehung, durch
die das Sprossen der Barthaare als altruistisch in Hansemanns Sinne
erschiene. Noch verfehlter ist die Citation der graviden Mammaentwicke-
lung, die ebenfalls auf Altruismus der Geschlechtszellen bezogen wird.
Die hier in Frage kommende Geschlechtszelle, das befruchtende Ei ist
nicht mehr als sich entwickelnde Körperzelle, sondern als ein sekundär
mit dem Körper der Mutter verwachsener Parasit zu betrachten, und kann
zu keiner Körperzelle in genetisch begründetem Altruismus stehen. Die
Spuren des Altruismus Hanse manns müssten sich am ersten zwischen
den Geweben nachweisen lassen, die beobachtungsgemäss aus Spaltungen
einer Anlage hervorgehen, zwischen Oberflächenepithel undDrüsen, zwischen
NeurogUa und Gangüenzellen, zwischen Keimepithel und Gesclüechtszellen.
Und was lehren uns hier die Thatsachen? Eine ungeheure Gesetzlosig-
keit, fast bei jedem derartigen Vorgang andere Verhältnisse und höchstens
in einer kleinen Majorität von Fällen das Vorherrschen einer Beziehung,
und zwar gerade derjenigen, die Hansemanns Altruismus entgegengesetzt
ist, nämhch derjenigen der kompensatorischen Korrelation.
Ebensowenig scheinen mir die übrigens sehr vereüizelten Thatsachen der
ausschhessenden Bedeutung einzelner Zellarten für den Gesamtorganismus,
gerade durch genetischen Altruismus am besten erklärt. Dass der Organis-
mus auf seine Organe angewiesen ist und deren Ausfälle tiefgreifende
Störungen hervorrufen müssen, darf ja selbstverständüch erscheinen; dass
aber der Defekt gewisser Organe mit uns unbekannten Funktionen um-
fangreiche Allgemeinstörungen bewirkt, würde nur dann für die altruistische
Grundlage sprechen, wenn sich nachweisen liesse, dass der Defekt der
Allgemeine FolgerungeD d. eDtwickelungsmech. ExperimoDte. 567
Zellen und nicht der Defekt der Funktion die Wirkung hervorbringe. Die
Erfolge der Strumatherapie sprechen demnach gegen Hansemann, und
ebenso spricht es gegen ilm, dass die organipriven Folgezustände keines-
wegs atrophischen Charakter besitzen. Dass nun aber zwischen den Ge-
schlechtszellen und den andern Körpergeweben ein derartiger vital bedingen-
der Altruismus besteht, wie Hanse mann behauptet, ist ein zu handgreif-
licher Irrtum, um einer längeren Widerlegung zu bedürfen. Die einzige
Thatsache, die für ein solches Verhältnis angeführt werden kann, ist das
Zugrundegehen von zahlreichen Pflanzen und Tieren nach vollendeter
Zeugung, welches Hansemann durch den Verlust der Geschlechtszelle
bedingt ansieht. Die unzähhgen Pflanzenspecies vom Pilzmycel bis zum
Eichbaum, die alljährUch oder öfter ihre Genitalzellen erzeugen und nach
erfolgter Funktion abwerfen, das millionenfältig an männlichen und weib-
lichen Menschen und Tieren ausgeführte Experiment der Kastration, die
kräftig entwickelten geschlechtslosen Personen der Insektenstaaten, durch
deren Thätigkeit die Geschlechtstiere allein bestehen können, beweisen über-
wältigend die geringe vitale Bedeutung der Geschlechtszellen für das In-
dividuum. So sehr ich sonst in meinen Auseinandersetzungen den massgeben-
den Einfluss der Geschlechtszellen für viele Entwickelungen hervorheben
konnte, muss ich gerade in jener geringen individuell vitalen Bedeutung
derselben den schlagendsten Beweis gegen Hansemanns Hypothese er-
blicken, und damit den auf erbungleicher Teilung begründeten inter-
cellularen Antagonismus oder Altruismus in Abrede stellen.
Damit scheinen mir die zur Zeit für die erbungleiche Teilung an-
führbaren Gründe widerlegt, und wir treten auf den Boden der von Nägeli,
de Vries, und in hervorragendster Weise von Hertwig vertretenen An-
schauung der erbgleichen Entstehung der Zellen.
Auch die Gegner werden Hertwig das Zugeständnis machen dürfen,
dass in der Entwickelung auch erbgleiche Teilungen vorkommen können;
Hansemann thut dies ausdrücklich, und auch bei Roux finde ich nicht
die Ansicht ausgesprochen, dass jede Teilung erbungleiche Produkte er-
zeugen muss. Sie werden ferner zugestehen dürfen, dass eine Zelle auch
im Laufe ihres Daseins Differenzierungen annehmen kann, die bei ihrer
Entstehung nicht erkennbar waren, vielleicht nicht einmal bestanden, ein
Verhältnis, wie es als histologische Accommodation anerkamit wird. Weis-
mann und Roux würden solchen Differenzierungen allerdings nicht die
Erbfähigkeit zugestehen, da sie bei der Zellentstehung nicht durch ungleiche
Verteilung des Idioplasmas angelegt waren. Hertwig selbst äussert sich
nicht ganz bestimmt über diesen Punkt, aber man kann aus seinen Dar-
legungen allerdings entnehmen, dass er die Vererbung von Differenzierungs-
568 Allgem. pathoL Morphologie und Physiologie.
merkmalen überhaupt in Abrede stellt und die Neudifferenzierung jeder
Tochterzelle postuliert.
Ein Zweifel darüber, ob die Differenzierungsmerkmale selbst vererbi
werden können, ist nur darum möglich, weil, wie zahlreiche Autoren über-
einstimmend angeben, im Moment der Teilung allerdings die meisten
Differenzierungsmerkmale verloren gehen. Nichtsdestoweniger giebt es
doch einige Ausnahmen von diesem Gesetz, auf die einiges Gewicht zu
legen ist. Die Pigmentzellen behalten ihr Pigment während der Teilung,
so dass Pigmentkörnchen der Mutterzelle direkt auf die Tochterzellen über-
gehen. Sich teilende Leberzellen verändern auch nur wenig ihren typischen
Protoplasmabau. Am wichtigsten ist aber die sichergestellte Teilung hämo-
globinhaltiger Zellen im Embryo und die pathologische Wiederholung
dieses Vorgangs bei perniciöser Anämie. Dass aber auch die scheinbar
ihrer Differenzierung beraubten Zellen während der Teilung ihre Spezifiziiät
beibehalten, ist durch die schon erwähnten schönen Beobachtungen Hanse-
manns, die wohl jeder üntersucher bestätigen muss, bewiesen. Wenn
sich auch vielleicht im einzelnen an der Typizität manches der angegebenen
Merkmale kritisieren liesse, ist die Grundlage der Thatsache nicht zu be-
zweifeln, dass die Kernteilungen der einzelnen Gewebe ihre Sondennerk-
male haben und also auch während der Teilung die Spezifizität der Zell-
art aufrecht erhalten bleibt.
Für die Vererbung von Merkmalen, die erst von der Mutterzelle er-
worben wurden, kenne ich allerdings nur ein Beispiel, und dieses ist auch
noch nicht ganz durch die Beobachtung aufgeklärt, es sind die jetzt
so viel diskutierten Reduktionsteilungen der Geschlechtszellen. Das eine
scheint durch die besten darüber gemachten Untersuchungen doch nun-
mehr festgestellt, dass die wesentliche Rolle bei diesem Prozess den Ver-
änderungen des Chromatins in der Mutterzelle, der Spermato- oder Ovo-
gonie, zufällt, und von dieser durch die Teilungen auf die Tochterzellen
übertragen wird.
Wenn sich nun aber erweisen oder wahrscheinlich machen liesse, dass
die Differenzieining selbst solche Umgestaltungen des Idioplasmas zu bewir-
ken vermag, dass die Vererbung der Differenzierungsmerkmale wenigstens
im Anlagezustande auch auf dem Wege der erbgleichen Teilung erklär-
lich erschiene? Mir scheint, dass hiermit die Schwierigkeiten, die dieHert-
wigsche Theorie der Auffassung der Spezifizität bietet, mit einem aus dem
Wege geräumt wären.
Die Vorstellungen, die sich Hertwig selbst im Einklang mit de Vries
von den Veränderungen des Idioplasmas durch die Differenzierimg gebil-
det hat, scheinen mir allerdings nicht ganz in dieser Hinsicht auszureichen.
Allgemeine Folgerungen d. entwickelungsmech. Experimente. 569
Hertwig führt die Differenzierung auf die Entfaltung einzelner Anlagen
des Idioplasmas und ein Latentwerden der andern zurück. Er erläutert
diese Anschauung an einem Vergleich mit dem menschlichen Staate, dessen
Individuen aus ursprünglich gleichen Keimen hervorgehen, dieselben bilden
imter den ihnen zukommenden Lebensverhältnissen spezifische Anlagen
aus und verrichten besondere Leistungen; aber sie behalten auch andere
Anlagen in mehr oder minder schlummernden Zustande und können die-
selben unter veränderten Lebensverhältnissen entfalten. Auch bei diesem
Vergleich könnten schon einige empirische Bedenken geltend gemacht
werden, ob denn in der That irgend welche Umstände vermögend wären,
einen älteren Lastträger zum Gelehrten, einen gedienten Haudegen zum Kauf-
mann umzuziehen; aber diese Schwierigkeiten sind in dem Beispiel nicht
ganz so augenfällig wie in der Anwendung auf unser Objekt, weil an den
menschlichen Individuen die morphologischen Differenzierungen der Berufs-
klassen von den geistigen, thatsächlich labileren in den Hintergrund ge-
drängt werden. Mir scheint ein Vergleich der Gewebszellen mit dem
Insektenstaat zutreffender. Wir sehen hier, dass aus gleich beschaffenen
Eiern oder vielleicht noch aus gleichen Larven sich unter bestimmten
Umständen die verschiedenartigsten Individuen entwickeln. Wir wissen
auch, dass bis zu einem gewissen Entwickelungszustand durch Verände-
rung der Umstände die Arbeiterinlarve noch zur Königin umgezogen werden
kann. Es ist aber ausgeschlossen, dass die entwickelte Arbeiterin noch
Geschlechtstier werden oder die Königin noch Arbeits- und Vertheidigungs-
werkzeuge entwickeln kann. Dieses Verhältnis ist nun so zu verstehen,
dass zwar anfangs beide Anlagen neben einander bestehen. Aber in dem Masse,
wie die eine Anlage ihre spezielle Ausbildung erreicht, bildet sich die andere
zurück und geht schliesslich zu Grunde. Andererseits ist die Umkehrung
der Entwickelung, d. h. die Entfaltimg der anfänglich latenten Anlage nur
so lange möglich, als die anfänglich entfaltete Anlage rückbildungsfähig ist.
Wir wollen nun an dem entwickelungsgeschichtlichen Prozess den
Gang der Gewebsdifferenzierungen zu verfolgen suchen. Für die Abkömm-
linge der Eizelle dürfte eine Periode bestehen, wo sie die totipotente Ent-
wickelungsfähigkeit, Teilbarkeit, Selbsternährung und Selbstbewegung von
der Eizelle voll ererben. Diese Periode ist aber zweifellos mit dem Fur-
chungsprozess abgeschlossen. Selbst schon hier kann allerdings bei der
durch die Selbstthätigkeit der Zellen bewirkten Lagerung an einem der
Eipole mit der nun eintretenden „Funktion des Ortes'' eine Ausbildung
besonderer Merkmale (Grössenunterschiede) und Abnahme der Totipotenz
verknüpft sein, die sich bei der Gastrula weiter manifestiert. Die Differen-
zierung der Ektodermzellen zum äusseren Keimblatt, zum animalem
Organe der Gastrula erfolgt unter Verminderung ihrer Fähigkeit, selbst
570 Allgem. paihol. Morphologie and Physiologie.
Nahrung aufzunehmen und Nahrung aufnehmende Zellen zu produzieren.
Die Differenzierung der Entodermzellen zum vegetativen Organ ist vor-
läufig eine viel weniger eingreifende, dieselben behalten viel länger die
Merkmale der Furchungskugeln, aber mit ihrer Differenzierung zum Er-
nährungsorgan ist ihre Fähigkeit Nervenzellen zu bilden vielleicht schon
völlig verloren gegangen. Erst nach Abspaltung des Mesodermes wird aber
die Differenzierung der Entodermzellen manifest und mit der frühzeitigen
Ausbildung der speziell der Assimilation der Nahrungsstoffe dienenden Zell-
merkmale geht die Fähigkeit, andere Gewebe zu produzieren und teilweise
die Selbstbewegung zurück. Von ersterer Eigenschaft bleibt dem Danu-
epithel bald nur noch die Drüsenbildung und die Selbslreproduktion übrig.
Es ist hier nicht der Ort diesem Prozess in allen Einzelheiten naclizugehen,
und die Kenntnis der Einzelheiten weist noch weite Lücken auf, die^e
Untersuchung halte ich für eine der wesentlichsten Aufgaben der histocre-
netischen Forschung. Überall aber wird uns die Thatsache entgegentreten,
dass nicht das Alter, d. h. die Zahl der seit der Eizelle durchlaufenen Genera-
tionen, allein massgebend ist, sondern dass besonders die Ausbildung spezifi-
scher Merkmale mit Verlust der allgemeinen Zelleigenschaften verknüpft ist.
Der Gang dieser Verlustbildungen ist, soweit das bisher übersehen werden kann,
jedenfalls nicht bei allen Gewebsentstehungen der gleiche. Im allgemeinen
scheint zwar dabei in erster Linie die gewebsbildende Fähigkeit der Körperzelle
einen Rückgang zu erleiden. Dies ist das Moment, welches bisher hauptsächlicli
für den Begriff der Gewebsspezifizität in Betracht genommen wurde. Aber
man muss darauf achten, dass auch die andern Elementarorgane in Mit-
leidenschaft gezogen werden. Die Selbstbewegung, die Selbsternährung
der Zelle können eingeschränkt werden, und sclüiesslich geht in vielen
Fällen auch die Selbstvermehrung verloren, wie bei den roten Blutkörper-
chen, den Knochen und Zahnzellen, den Oberflächenzellen der geschichteten
Epithelien, wahrscheinlich auch bei den Ganglienzellen. Im allgemeiDen
können wir sagen, dass die Elementarorgane der Zelle um so weniger funktio-
nieren, je höher die spezifische Organisation einer Zelle ausgebildet ist.
Dass dieses Gesetz auch umgekehrt gilt, lehrt Phylo- und Ontogeuie.
Physiologie und Pathologie. Die Zellen der Pflanzen und niederen Tiere
haben fast totipotente Bildungsfähigkeit, die undifferenzierten Zellen des
Embryo überragen die fein und zweckmässig organisierten Zellen des ent-
wickelten Tieres an Selbständigkeit. Ein Teil der Gewebe, die im aus-
differenzierten Zustand die Teilungsfähigkeit verlieren, besitzt als Aushülfe
für die in Frage gestellte Regeneration Keimzellen oder Keimlager, deren
Elemente vermehrungsfähig, aber nicht vollkommen differenzirt sind. Solche
Keimlager enthalten die Lymphknoten für die Lymphocyten ; das Stratum
cylindricum erfüllt dieselbe Funktion für die Epidermis, die Ausführungs-
Allgemeine Folgerangen d. entwickelungsmecL Experimente. 571
gänge für manche Drüsen, die Lieberkühji sehen Krypten vielleicht für
das resorbierende Epithel des Darms, die PlasmazeUen vielleicht für
das Bindegewebe und andere Beispiele mehr. EndUch geht aber, wie
schon erwähnt, selbst jede Zellteilung mit einem gewissen Verlust spezi-
fischer DifEerenzierungsmerkmale einher xmd unter pathologischen Verhält-
nissen leitet sich ^ede Wucherung mit demselben Vorgang ein.
Wir haben die Fälle aus unserer Betrachtung auszuschliessen , in
denen eine Art Lebensschwäche oder pathologische Einflüsse den Fortgang
der Differenzierung hemmten oder der Verlust der spezifischen Merk-
male das Symptom einer totalen Zelldegeneration ist; davon abgesehen
aber ergeben unsere Erwägungen hier in ähnUcher Weise wie bei dem
Insektenstaat die Vorstellung einer Art von Antagonismus sowohl zwischen
der Vielseitigkeit der undifferenzierten Keimzellen und der Einseitigkeit
hochorganisierter Gewebszellen, wie auch zwischen den einzelnen Differen-
zierungsmerkmalen. Ein einschneidender Unterschied zwischen den In-
sektenpersonen und den Gewebszellen besteht allerdings darin, dass erstere,
soweit sie zeugungsfähig sind, wieder undifferenzierte Keime erzeugen,
letztere aber, soweit sie sich vermehren, sich ähnliche Elemente hervor-
bringen. In dieser Beziehung zeigen eben die wichtigen Beobachtungen
Hansemanns, dass die Gewebszellen auch während der Teilung keine
Rückkehr zum Urzustand der Eizelle erleiden, sondern einen von dem
der Eizelle und dem anderer Gewebe unterscheidbaren , spezifischen Cha-
rakter beibehalten. Kurzum, die Differenzierungen sind, indem sie das
Idioplasma selbst modifizieren, erbfähig geworden. Diese Thatsachen müssen,
meiner Meinung nach zu Erweiterungen und Modifikationen der Hertwig-
schen Theorie führen, die eine Art Kompromis mit der anderen Richtung
bilden, und sich wie folgt formulieren lassen:
1. Die Gesamtmasse des Idioplasmas wird von der Eizelle auf
ihre Abkömmlinge erbgleich übertragen.
2. Die Differenzierung spezifischer Merkmale erfolgt da-
durch, dass eine Anlage des Idioplasmas sich auf Kosten
der andern entwickelt, wobei letztere erst vermindert, dann
verbraucht werden.
3. Der Differenzierungszustand der Mutterzelle wird durch
die Teilung auf die Tochterzellen vererbt.
In diesen Sätzen hoffe ich auf Grund der Hertwigschen Hypothese
einen, den Forderungen der Pathologie entsprechenden Ausdruck für die
progressive Spezifizität der Gewebe gefunden zu haben. Gegenüber der Roux-
schen Herleitung der Spezifität auf erbungleiche Teilung, scheint mir in dieser
Auffassung eine einfachere und darum annehmbarere Formel für die re-
572 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
generative und postgenerative Potenz der Zellen zu liegen. Es wird sicL
anderwärts die Gelegenheit finden, die Brauchbarkeit meiner Auffassung
für die Deutung einiger cellularpathologischer Probleme, besonders der
Metaplasie und der Anaplasie weiter zu prüfen. Ich möchte hier nur an-
deuten, dass auch die potentielle Labilität jugendlicher Zellen, sowohl der
neugebildeten, wie der embryonalen in jenen Thesen ihre Würdigung er-
hält. An dieser Stelle glaube ich meiner Aufgabe genügt zu haben, wenn
es mir gelungen ist, auf den Einfluss hingewiesen zu haben, den die ent-
wickelungsmechanische Auffassung auch auf die Pathologie auszuüben
bestimmt ist.
IV.
ALLGEMEINE PATHOLOGIE DES STOFF-
WECHSELS.
1.
Pathologie der Autointoxikationen.
Von
Fr. Kraus (Graz) und Qg. Honigmann (Wiesbaden).
A. Ursachen der Antointoxikation.
Toxisch heissen bekanntlich alle krankhaften Veränderungen, welche
im Organismus durch chemisch wirkende Agentien hervorgerufen werden.
Die Giftwirkung äussert sich zunächst als abweichende Funktion der ver-
schiedenen Organe, weiterhin führt sie zu Änderungen der chemischen
Zusammensetzung des Zellinhaltes oder der Säftemasse des Körpers und
bewirkt endlich selbst Zerstönmg der molekularen Konstitution und der
gröberen histioiden Struktur der geformten Elemente.
Ganz analog müssen sich auch die Folgen der Selbstvergiftung ge-
stalten; ihre Abgrenzung ist nur aus pathogenetischen Gesichtspunkten
gerechtfertigt. Von Autointoxikation darf man demgemäss zunächst dann
sprechen, wenn giftig wirkende Verbindungen in gewissen Phasen des nor-
malen oder des abweichenden Stoffwechsels im Organismus selbst ent-
stehen, beziehungsweise sich anhäufen.
Entstehen lassen bestimmte Ernährimgssförungen dem Körper in der
Norm fremde, direkt toxische Stoffe. Durch gewisse Grenzen überschreitende
Anhäufung im Haushalte werden aber auch ganz adäquate Verbindungen,
Substanzen, welche für die normale Zusanomensetzung des Körpers von
grosser Bedeutung sein können, imd ebenso die typischen Endprodukte des
normalen Stoffwechsels Ursache von Selbstvergiftung. Auch fortgesetzte
574 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
reichliche Verluste einzelner wichtiger Stoffe können eine geradezu
toxisch wirksame Mischung der Säfte zurücklassen.
Von aussen eingeführte Gifte können nur in ihren Wirkungen zweiter
Ordnung, als Ursachen gewisser Stoff Wechselverschiebungen, hier in Betracht
kommen. Dagegen stellt sich, allerdings gleichfalls mit bestimmten Ein-
schränkungen, als ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Auto-
intoxikationen die Infektion dar.
Dass die parasitären Mikroorganismen den infizierten Organismus ge-
wisser Stoffe berauben, deren sie zur eigenen Ernährung bedürftig sind,
und dass dieselben verschiedene direkt giftig wirkende, zum Teile auch
bereits chemisch charakterisierbare Substanzen erzeugen, kann an einer
den Selbstvergiftungen gewidmeten Stelle weitere Ausführung nicht bean-
spruchen. Die Vergiftung, welche in verschiedener Gestalt als typische
Teilerscheinung der einzelnen Infekte sich einstellt, gehört vorwiegend in
andere Gebiete. Vorläufig ist es ja auch noch nicht überall möglich, be-
stimmt abzugrenzen, wie viel von den vorliegenden Symptomen des frag-
lichen Krankheitsprozesses den einzelnen bekannten Bakteriengiften zuge-
schrieben werden müssen (man vgl. hierüber die einschlägigen Abschnitte
aus der allgemeinen Mykopathologie in der 1. Abteilung dieses Werkes.)
Wohl aber ist an dieser Stelle die Grösse des Anteiles zu untersuchen,
welche jene Bakterien, die im Normalzustand und unter pathologischen
Verhältnissen unsere Körperhöhlen, vor allem den Darmtrakt bewohnen,
und gegen die wir lokal immun geworden sind, an der Toxizität des In-
haltes dieser Höhlen, besonders also der Darmcontenta, besitzen. Auch
sollte hinsichtlich aller Infekte wenigstens nicht ausser acht gelassen werden,
inwieweit sich zur Vergiftung mit den direkten Bakterienprodukten, welche
den auf nicht organisierten Nährböden erzeugten analog sind, die Auto-
intoxikation durch die chemischen Trümmer der Gewebe und veränderten
Sekrete hinzugesellt ^).
1) Je nachdem man die Autointoxikationen verschieden systemisiert, wird auch das
Verhältnis zwischen Infekt und Selhstvergiftung verschieden aulgefasst, be-
ziehentlich umgrenzt werden. Derartige Systemisiemngs versuche hahen bisher v. Jak seh
und Robert unternommen, v. Jaksch unterscheidet zwischen Noso- und Autotoxi-
kosen. Durch Invasion und Vermehrung der pathogenen Organismen werden im infizierten
Körper Giftstoffe gebildet, und auf diese Weise entstehen in einer grossen Zahl von Infekten
die schweren Erscheinungen. Als eine Unterabteilung dieser Nosotoxikosen werden Erkran-
kungen angeführt, bei welchen *durch qualitative (quantitative) Abweichungen des Stoff-
wechsels ohne Intervention von Parasiten giftige Umsetzungsprodukte im Oiiganismus sieb
anhäufen. Zu den Autotoxikosen dagegen wären solche Prozesse zu rechnen, bei denen
in bestimmten Teilen des Körpers normale Substanzen mit toxischer Wirkung ttberreicblich
entstehen. Kobert trennt die Retentionstoxikosen von den Nosotoxikosen.
Letztere entstehen zunächst, wenn unter Mitwirkung von Mikroorganismen Nutritions-
Störungen eintreten, welche trotz regelrechter Funktion der Eliminationsorgane keinen Aus-
gleich finden. Dann werden Vergiftungen hier einbezogen, die nach Eindringen der Krank-
Ursachen der AutointoxikatioD. 575
Litteratur.
1. Kobert, Intoxikationen. Stuttgart 1893.
2. V. Jak seh, Wiener klin. Wochenschrift, 1890.
Einige Hauptztige der Entwickelung unserer heutigen Vor-
stellungen über Autointoxikation.
Die Vorstellung, dass der Organismus in sich selbst Quellen der Vergiftung
birgt^ ist eine sehr alte in der klinischen Pathologie. Wenn z. B. bereits bei den
Chemiatern zur Erklärung gewisser paroxystischer und auch bestimmter chronischer
Dyskrasieen die Rede ist von „Fäulnis und Oährung des Blutes" aus dem Körper
immanenten Ursachen, oder von sauren oder alkalischen „Schärfen", so enthält dies
wohl schon den Kern einer Lehre der Autointoxikation.
Erst der modernen Epoche der Medizin aber blieb es vorbehalten, an Stelle
vager Spekulationen hier thatsächliche Anhaltspunkte zu gewinnen. Die patho-
logische Auffassung der Urämie als Harnvergiftung, wie dieselbe schon seit Bright
von englischen Ärzten vertreten wurde, hat wegen ihres anfänglich ganz hypothe-
tischen Charakters und weil auch später ihre toxische Grundlage unserem Ver-
ständnis nur wenig vollkommen zugänglich wurde, die Lehre von den autogeneti-
schen Dyskrasieen nicht so nachhaltig gefördert, als man denken sollte. Grundlegend
jedoch für den prinzipiellen Standpunkt in einschlägigen Fragen sind Beobachtungen
geworden, welche sich an die von Petters 1857 gemachte Entdeckung des Acetons
in den Säften und im Blute bei Diabetes und anderen Krankheiten anschlössen.
Nicht als ob man heute mehr die genannte Verbindung als alleinige Ursache des
Coma diabeticorum imd ähnlicher klinischer Symptomenbilder ansehen könnte:
aber jene mit vollem Bewusstsein ihrer allgemeinen pathologischen Tragweite von
den ersten Prager Entdeckern verwertete Thatsache hat die Anregung gegeben
zu einer ganzen Reihe von exakten und konsequenten, weit über das ursprüngliche
Gebiet hinausragenden Untersuchungen. Die Fortschritte der physiologischen
Chemie haben diesen Arbeiten über das rein Kasuistische hinweggeholfen und
ihnen eine bestimmte, fruchtbare Richtung gegeben. Die heutige Lehre von der
Säureautointoxikation, deren grundlegende Thatsachen wir den Schulen Schmiede-
heitserreger durch deren toxisch wirksame Produkte, sowie durch abnorme Zerfallsprodukte
der Zellbestandteile oder der Stoffwechselerzeugnisse des infizierten Organismus hervor-
gerufen werden. Die Eonsequenz, mit welcher Behring die Auffassung vertritt, dass
jedes materielle Agens, belebt oder unbelebt, als Infektionsstoff sich herausstellt, sofern
dasselbe nur im stände ist, das typische Bild eines Infektes hervorzurufen, scheint aller-
dings geeignet, die Grenze zwischen den Begriffen „Infektion ** und „Intoxikation" nieder-
zureissen. Wenn aber auch auf diese Weise ein grosser* Teil der allgemeinen Mykopatho-
logie ins Bereich der Toxikologie gerät, sind doch die Infekte noch nicht ausschliesslich
oder auch nur hauptsächlich Autointoxikationen ! Es geht doch nicht gut an, Bakteriengifte,
welche ebensogut auf nicht organisierten Nährböden wie im durchseuchten Organismus
entstehen, den Ursachen der Selbstvergiftung anzureihen. Die ausschliesslich in Geweben und
Säften des Tierkörpers erzeugbaren Giftstoffe sind aber vorläufig nicht abgrenzbar. Infekte und
Ketentionsautotoxikosen können trotz der Ausschliessung v. Jakschs und Koberts zu
einander in Beziehung treten, Erysipel z. B. vermag bei Nephritikern Urämie auszulösen etc.
576 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
bergs und N au DJ n 8 verdanken, ist die Frucht dieser zielbewusaten VereiDigang
theoretischen und klinischen Forschens.
Wohl aus praktisch-klinischen Rucksichtem hat man eine Zeit lang die in
pathologischer Hinsicht vielfach sehr komplexen Selbstvergiftungen mit den ge-
wöhnlichen exkrementellen Stoffen zu sehr in den Vordergrund gestellt und die
einschlägigen Probleme bisweilen aus einseitigen Gesichtspunkten betrachtet Die
sogenannten Exklusiv-Theorieen der Urämie sind ein entsprechender Beleg dafür.
V. Voit hat hier zuerst einen Wandel geschaffen. Schmiedebergs Arbdten über
Harnstoff bildung, v. Schröders Untersuchungen über die Funktion der Leber-
zelle, Nenckis Entdeckungen über die Folgen der Eckschen Fistel haben auch
hier neue weite Perspektiven eröffnet. Aber es bleibt das Verdienst Bouchards,
vom rein klinisch-pathologischen Standpunkte die Notwendigkeit erwiesen zu haben,
dass zunächst die toxische Wirkung der normalen exkrementellen Stoffe ganz all-
gemein experimentell geprüft werden muss. Nicht bloss das Studium der Urämie,
auch das der vesikalen Autointoxikation und der intestinalen Formen der Selbst-
vergiftung musste dadurch neue Impulse erhalten.
Die Vergiftung durch im Organismus selbst entstandene Substanzen hat
heutzutage eine unstreitig grosse theoretische Bedeutung erlangt Wie weit hier
die Anschauungen bisweilen gehen, sei ohne weitere kritische Betrachtungen bei-
spielsweise dadurch illustriert, dass die Schule Petters den Abdominaltjphus, also
eine ätiologisch und klinisch autonome Krankheit, in allen Stücken als vom
Kranken selbst erzeugt angesehen und diese Autotjphisation als das Resultat der
Folgen erklärt hat, welche durch Retention der Stoffwechselschlacken bei Über-
ernährung hervorgerufen werden ! Abgesehen von solchen Rückfallen in die l^n-
denhafte ühemiatrie verfugt aber der durch die Bezeichnung „Autointoxikationen"
abgegrenzte Teil der Pathologie bereits über ein sehr ansehnliches Thatsachen-
material, dessen Sichtung bei dem Vorherrschen der Pathogenie in den Bestre-
bungen der zeitgenössischen Medizin ein gewisses Interesse erhoffen darf.
Die Akte des Stoffweclisels, welche zur Autointoxikation Ver-
anlassung geben können.
Die wichtigsten Stoffe des Tierkörpers sind Eiweiss, Fette, Kohlen-
hydrate, Wasser, Aschenbestandteile. Die chemischen Prozesse, deren Ge-
samtheit den Stoffwechsel darstellt, sind an den fortwährenden Umsatz
dieser Verbindungen geknüpft. Eine Betrachtung der speziellen Formen
der Autointoxikation, welche auf die Umsetzung jener einzelnen Verbin-
dungen im tierischen Organismus sich aufbauen würde, erscheint jedoch
kaum konsequent durcliführbar. Viel zweckmässiger knüpfen wir hierbei
an die Hauptakte des Stoffwechsels an. Erwägt man die Störungen des
Stoff wandeis aus den allgemeinsten Gesichtspunkten, so kann überhaupt:
1. die Zufuhr derjenigen Nährsubstanzen zu den Zellen beeinträchtigt
werden, welche die vorstehend genannten Stoffe im Körper zum Ansatz
Die Autotoxikosen des intermediären Stoffwechsels. 577
ZU bringen, beziehungsweise ihre Verminderung daselbst zu verhüten ge-
eignet sind;
2. die eigentliche Aufnahme der Nährstoffe in die Zellen selbst und
ihre partielle Umsetzung (durch einfache, hydrolytische und oxydative
Spaltung, durch Reduktionen und Synthesen), also die sogenannte Assimi-
lation und Dissimilation gehemmt oder in falsche Richtung gebracht sein, und
3. die Expulsion der Stoffwechselprodukte aus den Organen und aus
dem Organismus erschwert werden.
Im Wesen der Autointoxikation ist es gelegen, dass für ihr Entstehen
vorwiegend die beiden letztangeführten Akte der Stoffbewegung in Betracht
konunen. Jede beliebige Störung dieser zwei Akte kann aber unter die
Gesichtspunkte der Lehre von der Selbstvergiftung fallen. Die Grenzen
der Lehre von der Autointoxikation sind hiermit allerdings etwas weiter, als
vielfach üblich ist, gesteckt, indem nicht bloss paroxysmale, vom letalen Aus-
gang gefolgte, schwerste nervöse Symptomenkomplexe einbezogen erscheinen.
B. Die Antotoxikosen des intermediären Stoffwechsels.
Ungezwungen lässt sich zunächst eine Reihe von Selbstvergiftungen
als Gruppe der Autotoxikosen des intermediären Stoffwechsels
heraus heben. Es handelt sich hier um Nutritionsstörungen bestimmtester
Richtung: Die (partielle) Umsetzung der den Zellen einverleibten Nähr-
stoffe, beziehungsweise des Zellleibes selbst, also die wesentüchen Vorgänge
der Desassimilation sind im beschränkten Umfange gehemmt oder in
falsche Wege gebracht.
Ganz allgemein betrachtet, stellen sich die Dissimilationsvorgange im
Organismus als eine Konkunrenz von Spaltungs- und Oxydationsprozessen dar.
Hoch zusammengesetzte chemische Verbindungen werden entweder einfach ohne
Hinzutreten eines Stoffes zerlegt^ oder die Spaltung geschieht unter Aufnahme der
Hydroxylgruppe oder von Sauerstoff. Weitaus in der Überzahl aller Fälle sind
es somit nicht direkte Verbrennungen ; die organischen Stoffe werden nicht iinmittel-
bar in die terminalen kombustiven Produkte übergeführt, sondern dieser Übergang
erfolgt durch bestimmte Zwischenstufen der regressiven Metamorphose. Die
verschiedenen Mittelglieder des oxydativen Stoffwandels sind nun
vielfach Verbindungen saurer Natur, und finden sich auch ganz regelmässig
nach wechselnden Mengenverhältnissen in den Geweben, Oewebssäften und Ex-
l^ten. Art und Umfang der Verbrennungsprozesse im Organismus sind dabei
durchaus nicht bloss durch die chemische Wirkung des Sauerstoffs bestimmt, es
kommt vermutlich noch ein wesentlicher zweiter, aus der Organisation stammender
Paktor hinzu. Schmiedeberg und Gautier suchen hinter diesem letzteren eine
Anzahl von Enzymen (Histozyme). In jüngster Zeit ist gewissen „internen
Sekretionen'' oder bestimmten Bestandteilen derselben (z. B. dem Spermin von
Labareoh- Oster tag, Ergebnisse Abteil. II. 87
578 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Itoehl) eine ähnliche oxydationsbefordernde Rolle zugeschrieben worden. Es sind
übrigens auch bereits exakte, viel verheissende Aqfänge gemacht» die entsprechenden
Stoffwechsel Vorgänge hinsichtlich des Ursprunges zu lokalisieren und die nähere
Art ihres Geschehens zu erkennen. Sowohl wenn in den Geweben zu wenig
Bauerstoff zur Verfügung steht, als auch, wenn pathologische (toxische) Histozyme
in Aktion treten, oder wenn die normalen Enzyme wegfallen» müssen wir tief-
greifende Störungen der nutritiven Bewegung erwarten.
In beiden Fällen läuft das Endresultat auf die Anhäufung unver-
brannten Materiales und ein Überwiegen der Spaltungen über die
Oxydationen, d.i. auf Überschwemmung der Körpersäfte mit den
(sauren) Spaltungsprodukten hinaus.
Wenn nun aber die klinische Beobachtung in einer Reihe vergleich-
barer Fälle sonst leicht zersetzHches Material, wie 2. B. bestimmte Karbon-
säuren in den Körpersäfteu und Exkreten nachgewiesen hat, darf nicht
gleich summarisch der kombustive Gesamtstoffwechsel in Rech-
nung gezogen werden. Die pathologische Untersuchung hat vielmehr
solche klinische Ergebnisse immer zunächst als ganz spezielle, beschränkt
ablaufende intermediäre Veränderungen des Chemismus anzusehen. Weiter-
hin rauss sie festzustellen sich bemühen, inwiefern bei der vorliegen-
den Oxydationshemmung Sauerstoffmangel in den Gew^eben und patho-
logische Histozyme konkurrieren. Endlich ist noch, falls irgend möglich,
die funktionelle Lokalisation zu versuchen ; d. h. es ist zu ermitteln, welches
Organ, bezw. welche Organe intervenieren oder welche organische Funktion
(welches Histozym, inneres Sekret u. dgl.) ausfällt, damit die klinisch ge-
gebene Autointoxikation resultiert.
Diese spezialisierende Auffassungsweise, welche wenigstens den dargelegten
Vorzug klar definierbarer Aufgaben beanspruchen darf, stellt sich der älteren Vor-
stellung einer einheitlichen und einförmigen, stets die gesamte Nutrition
umfassenden „Retard ation des Stoffwechsels" entgegen. Letztere, von Be-
neke herrührende und seither vielfach, besonders von Bouchard missbrauchte
Bezeichnung geht davon aus, dass der gesunde Organismus in g^ebener Zeit eine
bestimmte Menge organischer Stoffe vollständig umzusetzen und nach einer Reihe
von digestiven und nutritiven Halteorten die terminalen Produkte auch zu elimi-
nieren vermöge. Wenn in derselben Zeit der Körper nur eine geringere Quantität
von Stoffen vollständig verbrennen kann, oder wenn er die normale Menge nur
bis zu intermediären Stufen oxydiert, die letzteren in seinen Gewebssäflen führt
und sie auch den Exkretionsorganen an Stelle von Endprodukten oder überreichlich
neben solchen übergiebt, sollen sich für den Gesamtstoffwechsel eine ganze Reihe
zusammengehörig gedachter Konsequenzen ergeben: es sinkt dann die
Alkaleszenz der Gewebe und Säfte wegen der sich anhäufenden organischen Säuren,
es tritt reichliche Harnsäure in den Urin und die Urate präzipitieren leicht im
Körper, ebenso erscheint Oxalsäure. Die innerste Konstitution der Gewebe wird
geschädigt infolge der Bindung der Mineralstoffe, welch' letztere das Gerüst der
Der Säurestoffwechsel. 579
Fonneleraente darstellen; gewisse Strukturen, wie z. B. die Knochen, erscheinen
speziell gefährdet
Die an sich bei richtiger Begrenzung ihres Umfanges ganz brauchbare
Vorstellung einer „Stoffwechselretardation" ist zunächst einer zu weit gehenden
Generalisierung für die Interpretation zahlreicher komplizierter pathologischer Prozesse
verfallen. Die Säuredyskrasien hat man, selbst wo nur ganz vage klinische Kri-
terien vorlagen, kurzweg unter die, wie ersichtlich, sehr allgemeine Bezeichnung
der retardirten Nutrition subsumiert und dann den scheinbar gewonnenen symp-
tomatischen Vergleichspunkt zum Punctum saliens im Bilde sonst geradezu aus-
einanderstrebender Krankheiten (Rachitis, Osteomalacie, senile Osteoporose, Gicht,
Oxalämie, Diabetes, Fettleibigkeit) gemacht Ferner wurden gewisse Abweichungen
in den Ausscheidungsprodukten, z. B. vermehrte Harnsäure- Exkretion , und be-
stimmte in den Geweben sich vollziehende Änderungen, wie verminderte Alka-
lescenz, Auftreten von organischen Säuren in den Säften, Gewebsverfettungen u. s. w.,
mit Unrecht ausschliesslich auf ein und dasselbe ursächliche Moment, nämlich auf
unzureichende Versorgung der 2iellen mit Sauerstoff bezogen und die Leistung der
Histozyme (internen Sekrete) nicht genügend berücksichtigt Während auf diese Art
die „verminderte Oxydation sgrösse" ein Schlagwort wurde, hat die Erfahrung gelehrt,
dass unter klinisch in Betracht kommenden Verhältnissen thatsächlich
eine sehr weitgehende Unabhängigkeit der Summe der Verbrennungs-
prozesse von der Grösse des jeweiligen Sauerstoffvorrates besteht,
und dass diese Summe auch innerhalb weiter Grenzen unabhängig ist
von der Grösse des krankhafterweise unzersetzt aus der Ökonomie
eliminirten Materiales. Erhebliche quantitative Abweichungen des kombustiven
Gesamtstoffwechsels bedeuten, sobald sie realisiert sind, äusserst schwere, meist
paroxysmal verlaufende Störungen, welche mit einer längeren Fortdauer des Lebens
schwer verträglich sind.
Litteratur.
1. Bouchard, Le^ons sur les maladies par ralentisBement de la nutrition. Paris 1890.
2. Schmiedeberg, Archiv für ezp. Pathol., 14. Bd. S. 382.
3. Poehl, Zeitschrift fOr klin. Medicin, 26. Bd. S. 135.
4. Kraus, F., Über den Einfluss von Krankheiten, bes. von anämischen Zuständen auf
den respiratorischen Gaswechsel. Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. XXII. H. 6.
Der „Säurestoffwechsel".
Verbindungen saurer Natur resultieren im Organismus aus dem
Stoffwechsel der Eiweisskörper, der Kohlenhydrate und Fette, und
addieren sich zu den von aussen dem Körper zugeführten Säuren. Die
physiologische und pathologische Bedeutung der verschiedenen entstehen-
den sauren Verbindungen ist natürlich eine sehr ungleiche. Sie hängt von
der Herkunft und Natur, speziell auch von der eventuellen spezifisch toxisclien
Wirkung der einzelnen Verbindung, sowie von der produzierten Menge
derselben ab.
37*
580 AUgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
Mit Rücksicht auf das beträchtliche Quantum von Kohlensäure, welches
ein nüchterner muskelruhiger Erwachsener pro die in Gasform durch die
Lungen ausscheidet (etwa 800 g), nimmt diese Säure eine quantitativ
so vorherrschende Stellung ein, dass die Menge, in der sie produziert wird,
als ungefähres Mass des kombustiven Gesamtstoffwechsels dienen kann.
Die innerhalb 24 Stunden vom gesunden Menschen ausgeschiedene Harn-
stoff menge lässt femer berechnen, dass der Organismus in der gleichen
Zeit etwa 30 g Karbaminsäure erzeugt hat, deren Ammonsalz aller-
dings (sofort) in die ersterwähnte indifferente Verbindung überführt wurde.
In demselben Zeitraum führt endlich noch der Harn einen Säureüberschuss
aus dem Körper ab, der ungefähr 5 g Na(HO) äquivalent ist.
Von einer gewissen Seite her betrachtet, stellt sich also der
gesamte tierische Stoffwandel als Säurestoffwechsel dar, dessen
imponierende absolute Grösse schon von vornherein eine Vorstellung davon
giebt, dass Unterbrechungen desselben unter Umständen schwere Stönmgeu
herbeizuführen imstande sind. Bei der Verbrennung der hochkonstituierteu
Karbonsäuren resultiert schliesslich die zweibasische Kohlensäure, welche
erheblich mehr Basis zu binden imstande wäre, als z. B. das Quantum
Stearinsäure, von welchem sie herstammt. Für den Organismus folgt jedoch
kein Übelstand daraus, weil die Kolilensäure durch Vermittlung einer be-
stimmten Drüse, nämlich der Lungen, beständig als solche aus dem Blute
entweicht, und dadurch die in Anspruch genommenen Basen inmier wieder
anderweitig verfügbar werden. Die höher konstituierten sauren Verbrennungs-
produkte gefährden die Basen weit stärker und sind teilweise auch viel
giftiger.
C. Sänreantointoxikation»
A priori steht Selbstvergiftung des Organismus mit Säuren unter
zwei allgemeinen Bedingungen zu erwarten:
1. Ist die vollständige Behinderung oder wesentliche Hem-
mung der Elimination gewisser, auch aus dem normalen Stoffw^andel
resultierender Säuren geeignet, Autointoxikation herbeizuführen. Abgesehen
von der gestörten Kohlensäureausscheidung durch die Lungen hat sich
aber thatsächlich die beeinträchtigte Exkretion saurer Verbindungen durch
Haut, Darm und Nieren von relativ geringer pathologischer Bedeutung
herausgestellt.
2. Droht Vergiftung, wenn saure Zwischenstoffwechsel-
produkte abnorm reichlich gebildet werden, beziehungsweise wenn
allmählich zunehmend oder plötzlich die weitere oxydative
Umsetzung bestimmter solcher saurer Verbindungen verlang-
SäureautoiDtoxikation. 5g 1
samt wird. Nach dieser Richtung werden wir uns zu beschäftigen haben
mit der Fleischmilchsäure, der Oxybuttcr- und Acetylessigsäure, der Karba-
minsäure, den Fettsäuren, der Oxalsäure, der Harnsäure, den aromatischen
Oxysäuren, der Schwefel- und Phosphorsäure.
Für den Begriff der Säureintoxikation kommt vor allem natürlich jene
Giftwirkung der Säuren in Betracht, die ihnen vermöge ihres allgemeinen
chemischen Charakters eigen ist. Hinsichtlich der organischen Säuren ist
jedoch auf die Individuahtät schon insofern Rücksicht zu nehmen, als nicht
alle diese Säuren im tierischen Organismus gleich gut oxydiert und damit
unschädlich gemacht werden können. Ein sehr bemerkenswerter Gegen-
satz besteht nach dieser Richtung beispielsweise zwischen Essig- und ähn-
lichen Fettsäuren einerseits und Milch- und Oxalsäure andererseits. End-
lich wird ebenso die der einzelnen Säure spezifisch zukommende toxische
Wirksamkeit, welche in vergleichbarem Masse auch ihren Salzen eigen-
tümlich ist, bisweilen ausschlaggebend in Betracht kommen. Ich führe als
Beispiel die Karbaminsäureautointoxikation an; ebenso wird hier wieder-
holt an die ältere klinische Lehre der „Säuredyskrasien" angeknüpft werden
müssen.
Die in abnorm reichUcher Menge im Organismus vorhandenen sauren
Verbindungen können sich entweder in allen Gewebssäften verbreiten oder
sich ausschliesslich (vorwiegend) in emem bestimmten Organ (Organsystem)
anhäufen. Im zweiterwähnten Falle sind auch die toxischen Wirkungen
meist mehr lokale, und die wenigen einschlägigen Beispiele, welche uns
die klinische Beobachtung nachweist, haben eine dementsprechend geringere
Bedeutung. Im ersteren Fall dagegen kommt es, sobald gewisse
Schutzvorkehrungen des Organismus unzulänglich werden, zur
Bindung, und in weiterer Folge durch Intervention der secer-
nierenden Gewebe zur wirklichen Entziehung der fixen Alkalien.
Physiologische Bedeutung der Alkalien.
Sowohl die l^ntziehuDg als die Bindung des Alkalivorrates ist jedoch geeignet,
schwere Folgen nach sich zu ziehen. Die Knochen ausgenommen, enthält zwar
der Körper überhaupt bloss etwa ein Prozent Aschenbestandteile. Eine ganze Reihe
physiologischer und chemischer Thatsachen lässt aber beurteilen, wie grosse Be-
deutung der mehr oder weniger vollständige Verlust dieser Mineralstoffe, unter
welchen die Alkalien (und alkalischen Erden) den ersten Platz einnehmen, er-
langen kann.
1. Die Mineralstoffe sind primäre Zellbestandteile. Das Ei weiss, das wich-
tigste Molekül des Protoplasmas, findet sich in letzterem stets vergesellschaftet mit
Salzen alkalischer Basis, besonders mit Kalium-, aber auch mit Calcium- und
Magnesiumphosphat. Mehrere Eiweisskörper, die Globuline der Gewebssäfte, werden
582 Allgem. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
durch die Alkalien in gelöstem Zustande erhalten. Der Vorrat des Organismus
an Kalisalzen ist typisch auf die Zellen, die Natrium Verbindungen in den Säften
aufgeteilt. Auch noch in anderer Weise erscheint der Tierkörper in zwei Teile
gesondert. Die geformten Elemente enthalten alkalische Basen und Phospbors&ure
in einem solchen Verhältnis, dass, beide mit einander verbunden gedacht, die Säure
überwiegt; in der Säftemasse (Blutplasma, Lymphe) waltet dagegen das Alkali
vor. Aus dem Gastrointestinaltrakt werden die Alkalien sehr vollkommen resorbiert
und ebenso vollkommen wieder durch die Nieren ausgeschieden; nur eine relativ
geringe Aufspeicherung über die Norm kann im Organismus stattfinden. Das
hinsichtlich der Alkalien besonders strenge Gesetz der konstanten Zusammensetzung
der Säfte beherrscht — wir nehmen in unserer Nahrung gewöhnlich einen Über-
schuss an mineralischen Stoffen auf — die Auswahl schon bei der AssimilatioD
derselben und regelt ebenso ihre Ausscheidung bei verminderter Zufuhr. Kaliarme
Nahrung ändert nicht die typische Zusammensetzung der Blutasche des Pflanzen-
fressers. Ebensowenig kann man, wie zu erwarten stände, Kaninchen durch an-
haltende reichliche Kalizufuhr grössere Quantitäten von Natrium entziehen. Mit dem
BBcernierten Harn wird nur ein verhältnismassig kleiner Teil der Alkalichloride
und Phosphate aus dem Körper geführt. Bei Inanition und im Salzhunger sinkt
der Gehalt des Urins an Mineralbestandteilen bald auf relativ geringe Mengen
herab.
2. Für die Diffusionen zwischen Blut- und Gewebsflüssigkeiten kommen das
Natriumchlorid und wohl auch die übrigen Salze wesentlich in Betracht Bei den
Quellungsvorgängen in den geformten Gewebsbestandteilen werden die typisch ver-
teilten Alkalisalze mit den Ausschlag geben. Die Mineralstoffe sind somit ein wichtiger
Faktor in der Physiologie der Aggregatzustände, bezw. der Lymphbildung. Aber auch
als Material für die Bereitung von Sekreten kommen dieselben in Betracht; das
Natriumchlorid für den Magensaft, die Alkalikarbonate für Darm- und Pankreassaf^.
Die ausnehmende Leichtigkeit, mit welcher das Blut die feinsten Gefasse durchschreitet,
ist der geringen Durchlässigkeit der Wände derselben für alkalische Flüssigkeiten
zuzuschreiben. Den Nahrungsstoffen, in welchen Verhältnissen sie sonst auch gemengt
sein mögen, geht ohne Mitwirkung der Salze die Verdaulichkeit (Resorption, Assi-
milation) ab. Bei den sogenannten plastischen Prozessen erscheinen gleichfalls die
Ascheubestand teile unentbehrlich. Bei einem erzielten Ansatz von Fleisch am
Körper fehlt in den Exkreten die jenem Ansatz entsprechende Aschenmenge, Stick-
stoff* und Phosphorsäure in den Ausscheidungen fallen und steigen bei Ansatz
und Abgabe von Fleisch. Ferner ist den Alkalien auch eine wesent-
liche Rolle unter den Bedingungen für die Fähigkeit der Gewebs-
atmung und der oxydativen Stoffzerlegung in den tierischen Zellen
zu vindizieren. Wie sich bei Mangel an Mineralstoffen in den Geweben die
Paarungen, Spaltungen und Reduktionen abweichend gestalten, darüber fehlen bis-
her noch spezielle Erfahrungen. Endlich binden die Alkalikarbonate so-
wohl die mit der Nahrung aufgenommenen, als die lius dem Stoffwechsel
in den Zellen zufliessenden Säuren. Die chemische Wirkung zwischen Säuren
und Alkalien kommt einerseits in Rechnung als die treibende Kraft, welche den
CfaemismoB der experimentellen Säurevergiftung. 583
sauren Speisebrei dem alkalischen Blute einverleiben hilft Andererseits führt die-
selbe chemische Wirkung die sauren End- und Zwischenprodukte des Stoffumsatzes
aus den verschiedenen Organen, in welchen dauernd die Säuren vorwalten, in den
Kreislauf und überantwortet sie der Elimination.
Hinsichtlich der speziellen Bedeutung der alkalischeo Erden im Organismus,
abgesehen von dem Beitrage der Karbonate und Phosphate derselben zur Alkalescenz
von Geweben und Säften , wäre nur folgendes kurz anzuführen. Sowohl in den
geformten Gebilden, als in der Säftemasse stehen die Phosphate des Kalkes und
der Magnesia in naher Verbindung mit den organischen Stoffen (Eiweisskörpern).
Die weitaus grossten Mengen der genannten beiden Verbindungen finden sich in den
Knochen abgelagert Das Skelet ist es auch, welches am allermeisten den Schaden
einer abnormen Kalkbewegung im Organismus zu tragen hat Inwiefern die wesent-
liche Rolle, welche die Kalksalze bei der Blutgerinnung spielen, für die Auto-
iutoxikation speziell in Betracht kommt^ ist nicht leicht zu entscheiden.
Litteratur.
1. V. Liebig, Chemische Briefe. 1865. S. 289.
2. V. Voit, Handbuch d. Physiologie des Gesamtstoffwechsels. 1881. S. 351.
3. Stadelmann, Über den Einfluss der Alkalien auf den menschlichen Stoffwechsel. 1890.
4. Landsteiner, Zeitschrift für physiologische Chemie. Bd. 16. S. 13.
5. Chvostek, F., Centralblatt für klinische Medizin. 1893. Nr. 16.
a) Chemismus der experimentellen Säurevergiftung.
Unser heutiges Urteil über Vorhandensein und Intensität von Auto-
intoxikationen mit Säuren ist, soweit es sich um Alkalibindung handelt,
hauptsächlich auf Grund experimenteller Untersuchungen gewonnen. Bei
diesen letzteren wurden entweder durch längere Zeit Versuchstieren künst-
lich salzarm gemachte Nährstoffe gereicht, oder man steigerte — meist
sehr rasch — die Säurezufuhr zum Blute vom Verdauimgstraktus her durch
direkte Vergiftung der Tiere mit Mineralsäiu'en.
Bei Entziehung der Mineralbestandteile der Nahrung gehen die Pro-
zesse des Stoffwechsels erwachsener Tiere, Zerfall und Umsetzungen im Körper, bis
zum Tode anscheinend in ähnlicher Weise vor sich, wie während einer die Aschen-
bestandteile in normaler Menge zuführenden Ernährung. Die Ausscheiduog von
Mineralstoffen dauert im Salzhunger, wenn auch noch so erheblich verringert,
fort, und so kommt allmählich doch eine VeränderuDg der Aschenbestandteile des
Organismus zu stände.
Die Erfahrung lehrt nun, dass der letztere selbst eine solche relativ gerioge
Abnahme der Mineralstoffe nicht erträgt. Beim Hunde zeigen sich zunächst Störungen
der nervösen Gentralorgane, Ermüdung, dann bis zu Lähmung sich steigernde
Muskelschwäche, Tremor, Sehstörung, Stumpfsinn. Auch tritt eine Behinderung
des Überführens der Nahrungstoffe in resorbierbare Modifikationen ein, wodurch
alsbald der Ersatz des zerfallenden Körpermateriales unmöglich gemacht wird. In-
584 Allgem. paibol. Morphologie und Physiologie.
folgedessen leben auch mit ausgelaugtem Fleisch uud Fett gefütterte Hunde
nicht länger als völlig hungernde.
Die Ursache dieser angeführten schweren Erscheinungen ist wenig-
stens zum Teil in (allmählich entwickelter) Säureautointoxikation zu suchen.
Bei der oxydativen Umsetzung des Nahrungsei weisses geht der Schwe-
fel desselben in Schwefelsäure über, welche unter normalen Bedingungen
leicht durch die basischen Salze der Nährstoffe gebunden wird. Bei Er-
nährung mit salzfreien Speisen entzieht dagegen die entstehende Schwefel-
säure den Gewebszellen basische Bestandteile. Die vorstehende, von Bunge
herrührende Erklärung der Erscheinungen des Salzhiingers ist bisher aller-
dings nur durch folgendes gestützt:
Füttert man Mäuse mit aschenfreier Nahrung, so gehen alle vor dem ein-
undzwanzigsten Tage zu Grunde, fugt man der Nahrung bloss Natriumchloiid zu,
so leben sie auch nicht länger.
Giebt man aber so viel Soda mit den aschenarmen Nährstoffen, dass auf je
ein Äquivalent Schwefel im verabreichten Eiweiss ein Äquivalent Natrium kommt,
so dass sich im Organismus saures schwefelsaures Natrium bilden kann, leben die
Mäuse doch länger, bis 36 Tage.
Litteratur.
1. Förster, Zeitschrift für Biologie. 9. Bd. S. 297.
2. Bunge, Ebenda. Bd. 10. S. 130.
3. Lunin, Zeitschrift fQr physiologische Chemie. Bd. 5. S. 31.
Die Einspritzung sehr verdünnter, nicht ätzender
Mineralsäuren in den Magen lässt prägnantere und eindeutige Resul
täte erzielen. Je nach der zum Experimente gewählten Tiergattung stellt
sich hierbei allerdings hinsichtlich des Grades der Wirkung ein durch-
greifender Unterschied heraus.
Wird einem Pflanzenfresser (Kaninchen) im Verlaufe von 24 Stunden so viel
verdünnte Salzsäure in den Magen gebracht, dass ihre Menge 0,9 g HCl pro Kilo
Tier überschreitet, so tritt im Anschluss an schwere Vergiftungss3rmptome der
Tod eiu. Das Blut der Versuchstiere verliert während des Lebens seine alkalische
Reaktion nie vollständig; doch ist dieselbe erheblich abgeschwächt Der Kohlen-
säuregehalt des Blutes , der in der Norm durchschnittlich 32 Vol. Prozent beträgt
sinkt während der Zufuhr der Säure rapid und erreicht kurz vor dem Tode der
Tiere Beträge von zwei bis drei Prozent Das Vermögen des Blutes, Basen chemisch
zu binden, welches unter normalen Bedingungen im Mittel 0,130 Na (HO) für 100 oc
Gesamtblut entspricht, wird auf 0,207 bis 0,311 erhöht. Das Säurebindungsver-
mögen, unter physiologischen Verhältnissen durchschnittlich gleich 0,167 Na (HO)
(ebenso berechnet), fällt bis auf 0,126. (Eigene Versuche). Der in der Versuchsdauer
secernierte Harn enthält den grössten Teil der einverleibten Säure in Salzform.
Chexnismas der experimentellen Säure Vergiftung. 585
Wesentlich verschieden ist der Ausgang des Versuches jedoch beim Fleisch-
fresser. Der Hund erfahrt selbst nach Verabreichung von Säuremengen, welche
das beim Kaninchen tödliche Quantum um das Dreifache übersteigen, noch keine
tiefgreifende Veränderung seines Wohlbefindens. Die Verminderung des Säure-
bindungsvermögens, bezw. die Herabsetzung des Kohlensäuregehaltes des Gesamt-
blutes, hält sich innerhalb viel engerer Grenzen als beim Pflanzenfresser. Im Harn.
erfolgt eine der Säurezufuhr entsprechende Vermehrung der Säuren, nicht aber zu-
gleich der fixen Alkalien, da die nachweisbare Menge der letzteren nicht zur Sättigung
der vorhandenen Säuren ausreicht
Diese relative Immunität des Fleischfressers gegenüber der höchst
toxischen Wirkung selbst verhältnismässig geringer Säuremengen beim
Pflanzenfresser erklärt sich folgendermassen : Bei der geringen Avidität der
Kohlensäure wird fast jede zum Blute hinzutretende anderweitige Säure
die Karbonate beinahe im Verhältnis der hinzu gekommenen Säuremoleküle
zersetzen. Indem dieser Anteil Kohlensäure, welcher in den Lungen entfernt
wird, für den Säurebestand des Blutes nicht weiter in Rechnung kommt
und die vorrätige Basis immer wieder anderweitig verfügbar wird, ist
eine Pflanzen- und Fleischfressern gemeinsame Schutzvorkehrung gegen
Säureautointoxikation geschaffen. Bei den Karnivoren werden aber durch die
»Säurezufuhr noch besondere Quellen für das Auftreten von Basen im Or-
ganismus eröffnet: hier wird zum Schutze der unentbehrlichen fixen Al-
kalien aus dem eigenen Stoffwechsel, und zwar aus der Spaltung der Ei-
weisskörper resultierendes Ammoniak vorgeschoben. Die näheren physio-
logischen Bedingungen hierfür sind allerdings bisher nicht festgestellt.
Insbesondere ist der Ort der Bindung der Säuren an das Ammoniak un-
bekannt.
Wie mich eigene mit einer der Wurster 'sehen ähnlichen Methode der Ammon-
bestimmung ausgeführte Versuche lehrten, cirkuliert auch bei reichlicher Ausscheidung
von Ammoniak im Harn mit Mineralsäuren vergifteter Hunde in dem Blute selbst
Ammoniak in kaum nachweislicher Menge. Selbst die Verarbeitung des gesamten
aus den Gefassen fliessenden Blutes der vergifteten Tiere liefert keine wesentlich
in ßetracht kommenden Quantitäten von Ammoniak. In den Körpersäften scheinen
also doch vorwiegend die fixen Alkalien auch beim Fleischfresser als Vehikel der
fremden Säure eintreten zu müssen ! Nur die schliessliche Entziehung der Alkalien
aus der Ökonomie verhütet das einspringende Ammoniak.
In dem erwähnten Vermögen des Blutes, durch Entfernung von
Kohlensäure den Vorrat an Basis für anderweitig hinzutretende Säuren
verfügbar zu halten, und in jener angeführten physiologischen Doppelrolle
des Ammoniak im Organismus der Karnivoren: der harnstoffbildenden
und neutraüsierenden Funktion, sind aber auch im wesentlichen die Schutz-
vorkehrungen erschöpft, welche der tierische Organismus überhaupt bei
gestörter Wechselwirkung zwischen den Alkalien der Gewebsflüssigkeiten
586 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
und den sauren Edukten der Gewebe besitzt. Dem gegenüber treten an-
dere Veranstaltungen zur Herabininderung der Acidität der Gewebssäfte
und der Sekrete (Harn), z. B. die Umwandlung eines Teiles der Schwefel-
säure durch Paarung mit aromatischen Verbindungen aus einer zwei-
in eine einbasische Säure, die Umwandlung des neutralen Kreatins in das
stark basische Kreatinin u. s. w., ganz in den Hintergrund.
Der menschliche Organismus teilt den Vorzug des Fleischfressers
einer grösseren Immunität gegen Säuren.
Zufuhr von Salzsäure verursacht auch beim Menschen eine erhebliche Steigenmg
der Animonausscheidung im Harn: 4 bis 8 g ofiizinelle Salzssaure pro die
steigern den Säuregrad des Harnes, verändern aber nicht das Säurebindungsver-
mögen des Blutes. Nach Zufuhr von 10 bis 13 g Milchsäure sinkt dieses letii&e
Vermögen um ein Fünftel bis ein Viertel, nach Einverleibung von 5 — 1 0 g Wein-
säure um ein Sechstel.
Der Säuregrad des Harns steigt nicht entsprechend der eingeführten Säure,
weil beide genannten organischen Säuren grösstenteils oxydiert werden.
Nach Massgabe pathologischer Erfahrungen ist jedoch der erwälmten
Immunität beim Menschen eine bestimmte Grenze nach oben gesteckt.
Jenseits derselben kommt die Säurevergiftung auch als Autointoxikatiou
zur vollen Geltung.
b) Symptomenbild und Pathologie der akuten experimentellen
Säureintoxikation.
Das Symptonienbild der akuten Säurevergiftung erscheint nur dann in
voller Reinheit, wenn anatomische Läsionen der Mucosa des Magendarmkanales
vermieden werden. Den Beginn der Erscheinungen im ausgeprägten Bilde der
Intoxikation beim Kaninchen bildet eine Steigerung der Respirationsfrequenz. Dann
werden die einzelnen Atembewegungen tiefer, mühsamer, es tritt hefUges „Flanken-
schlagen'' ein. Die Pulsfrequenz lässt sich bald nicht mehr kontrollieren; man
fühlt zwar, dass der Brustkorb durch die Herzschläge erschüttert wird, Zählungen
sind aber nicht ausführbar. Das Kaninchen wird zunächst eigentümlich atakliscb,
später verliert es die Fähigkeit sich fortzubewegen gänzlich und verharrt, wohin
man es auch setzt, träge und muskel schlaff in seiner Lage. Die Korpertemperatur
sinkt schliesslich progressiv, nachdem schon früher die Wärmeproduktion herabge-
setzt war. Während der letzten Viertelstunde schwindet der grosse Charakter der
Respiration, die Herzaktion wird kaum noch wahrnehmbar, der zur Erde sinkende
Kopf kann nicht mehr erhoben werdeu. Die Atemzüge hören früher auf als die
Herzaktion.
Die wesentlichen Züge dieses Vergiftungsbildes sind nicht so sehr
durch spezielle nervöse Erscheinungen als vorwiegend durch Dyspnoe,
Herabsetzung der Herzthätigkeit, Verminderimg der Wärmeproduktion, am
Schlüsse durch allgemeinen Kollaps bezeichnet.
Symptomenbild und Pathologie der akaten experimentellen Säareintoxikation. 587
Hinsichtlich des pathologischen Zusammenhanges der einzelnen Symp-
tome ist es von Wichtigkeit, dass der Blutdruck während der Dyspnoe ge-
steigert ist; auf -venninderte Herzarbeit kann somit die Dyspnoe nicht be-
zogen werden. Erst nachdem der Umschlag im Charakter der Atmung
eingetreten, erst wenn dieselbe flacher geworden ist, erscheint auch der
Blutdruck erniedrigt. Die Respiration sistiert schliesslich stets früher als
die Herzthätigkeit. Es darf also angenommen werden, dass infolge der
Säureintoxikation zuerst eine Reizung, dann eine Lähmung des Atemcen-
trums erfolgt, welch letztere zur Todesursache wird. Der Einfluss der zu-
geführten Säure lässt sich paralysieren, wenn man den Versuchstieren
gleichzeitig Alkalien reicht. Auch noch im vorgeschrittenen Stadiimi der
verflachten Respiration und des gesunkenen Blutdruckes lässt sich durch
Injektion von Natriumkarbonat ins Blut Herstellung der Atmungs- und
Herzthätigkeit erzielen. Anatomische Veränderungen bestimmter Organe
brauchen am Tode der Tiere kein wesentliches Verschulden zu tragen.
Wenn somit unter allen Folgen der Alkalientziehung die Lähmung
des Respirationscentrums nach vorausgegangener Reizung desselben als
unmittelbai'e Todesursache festgestellt betrachtet werden darf, sind hin-
sichtUch der Art, wie die Alkalientziehung jene Lähmung herbeiführt, ver-
schiedene Vermutungen möglich. Um Erstickung infolge Mangels an im
Blute cirkulierenden Sauerstoff kann es sich nicht handeln, weil der
Sauerstoffgehalt des Blutes auch in den höchsten Graden der experimen-
tc41en Säureintoxikation des Kaninchens annähernd normal bleibt. Mehr
Berechtigung haben zwei andere Annahmen. Nach einer dieser beiden
Vorstellungen würde das Versuchstier an der selbstproduzierten Kohlen-
säure ersticken, weil es dieselbe wegen Abgang des nötigen alkalischen
Vehikels nicht mehr aus den Geweben (Atemcentrum) zu eliminieren ver-
mag; die zweite Vermutung bewegt sich im Sinne einer inneren Gewebs-
erstickung, das heisst einer Behinderung der Sauerstoffaufnahme im leben-
digen Zellinhalt trotz ausreichenden mit dem Blute cirkulierenden Sauer-
stoffvorrates.
Experimentelle Untersuchungen, welche F. Chvostek in der ehe-
mals Kahler sehen Klinik ausführte, haben thatsächlich erwiesen, dass
die Grösse der durch die Sauerstoffaufnahme bei der Atmung gemessenen
Oxydationen im Körper von nach Walters Vorschriften vergifteten Ka-
ninchen kurz vor dem Tode durchschnittlich um 40 Prozent der Norm
absinkt. Auch die im Kalorimeter abgegebene Wärmemenge des Versuchs-
tieres nimmt ungefähr entsprechend ab.
Litterat ur.
1. Miquel, Archiv fQr Heilkunde. 1851.
2. Eylandt, Dissertation. Dorpat 1854.
588 Allgetn. pathol. Morphologie und Physiologie.
3. Trachtenberg, Dissertation. Dorpat 1861.
4. Gaethgens, Centralblatt für die med. Wissenschaften. 1872. Nr. 53.
5. Lassar, Pflüg ers Archiv. Bd. 9. S. 44.
6. Salkowski, Virchows Archiv. Bd. 58. S. 1. 1873.
7. Kurz, Dissertation. Dorpat 1874.
8. Hofmann, Zeitschrift fflr Biologie. Bd. 7. S. 338.
9. Walter, F., Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. 7. S. 148. 1877. Wichtigste
einschlägige Arbeit.
10. Freudberg, Virchows Archiv. Bd. 125. S. 566.
11. Chvostek, F., 1. c.
12. Schmiedeberg, 0., Über das Verhältnis des Ammoniak und der primären Monamis-
basen zur HarnstoffbilduDg im Tierkörper. Archiv fttr exper. Pathologie. Bd. 8. S. 2.
13. Uallervorden, Verhalten des Ammoniaks im Organismus und seine Beziehung zur
HarnstofFbildung. Ebenda. Bd. 10. S. 125.
14. Cor and a, Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. 12. S. 76.
c) Klinische Diagnose des Vorhandenseins und Beurteilung des
Grades von Säureautointoxikationen.
Der Massstab, den wir aus den dargelegten experimentellen Unter
suchungen für die Beurteilung des Vorhandtoseins und der Intensität von
Säureautointoxikationen gewonnen haben, ist von solcher Bedeutung und
so allgemein verwendbar, dass man zur klinischen Feststellung einer
Selbstvergiftung mit Säuren nur möghchst viele Berührungspunkte mit
dem Symptoraenbilde und den Hauptmomenten des Chemismus der ex-
perimentellen Säureintoxikation wird nachzuweisen haben.
Natürlich darf man im allgemeinen nicht erwarten, dass die kli-
nischen Bilder von Säureautointoxikation immer auch mit derselben
Prägnanz und in allen Konsequenzen als Paroxysmus sich herausgestalten
müssen. Komplexe Ätiologie, die spezifische Giftwirkung der vorhan-
denen Säuren, Mitwirkung verschiedenartiger sonstiger Gifte, interkur-
rierende anderweitige Funktionsstörungen, eventuell auch vorhandene ana
tomische Organveränderuugen werden das klinische Bild zu trüben und
selbst zu entstellen geeignet sein. Die Autointoxikation wird ferner sehr
oft relativ langsam entstehe^ und die verursachten Symptome nur Ob-
jekte feinerer klinischer Wahrnehmung sein. Zu bloss mittlerer Intensität
entwickelt kann die Störung selbst ausgleichsfähig bleiben. Wenn die \'er-
giftung Teilerscheinung einer anderweitigen Krankheitsform ist, braucht
sie für sich auf längere Zeit hinaus gar keine bedrohlichen und in die
Augen springenden Symptome hervorzurufen. Es kann sich dann um eine
chronische Nutritionsstörung handeln, die einerseits im vagen Gebiete der
Diathese verharrt, anderseits aber wieder mit mehr oder minder plötz-
lichem Debüt zum autotoxischen Paroxysmus ausarten kann und au die
grossen morbiden Prozesse heranreicht.
Klin. Diagnose d. Vorhandenseins u. Beurteilung d. Grades von Säureautointoxikationen. 589
Die einzelnen Berührungspunkte, welche nach dem Bisherigen im
gegebenen Falle die Analogie des klinischen Krankheitsbildes mit dem
Symptomenkomplex der experimentellen Säurevergiftung herzustellen ge-
eignet erscheinen, sind, kurz zusammengefasst, folgende:
Zunächst ist immer der Frage der symptomatischen Vergleich-
barkeit mindestens hinsichtlich der prinzipiellen Momente Genüge zu leisten.
Ferner wird direkt oder indirekt der Nachweis einer überschüssigen
Produktion bestimmter Säuren im Körper und deren vermehrter Aus-
scheidung zu erbringen sein. Als solcher indirekter Nachweis kommt beim
Menschen insbesondere die vermehrte Ammoniakexkretion im Harn in
Betracht. Zur vorläufigen Orientierung genügt es auch im fraglichen Einzelfalle
während weniger Stunden eine bestimmte Menge, sechs bis zehn Gramm
Natrium bicarbonicum per os einzuführen und zu sehen, ob, wie dies in der
Norm stets der Fall ist, danach der ausgeschiedene Harn alkaüsch wird.
Bleibt letzterer auch nach Verabreichung grösserer Dosen dieser Verbindung
deutlich sauer, darf die Acidität der Körperflüssigkeiten als gesteigert an-
genommen werden. Endlich hat die genaue Verfolgung der klinischen
Geschichte der verschiedenen Formen der Säureautointoxikatiou gezeigt,
(liiss schon die reichUche Anwesenheit bestimmter einzelner Verbindungen,
wie zum Beispiel des Acetons im Harn, die Wahrscheinlichkeitsdiagnose
im Sinne spezieller Formen von Säurevergiftung stellen lässt. Als ganz
direktes Mass für die Intensität der Autointoxikation wäre, wenn sich
das Hauptaugenmerk auf die Alkalientziehung richtet, die quantitative
Bestimmung der Blutasche oder die Bestimmung des Verhältnisses
von Säuren und fixen Basen in den Exkreten (Harn) heranzuziehen.
Hier hätte man erwarten dürfen, dass eine ungefähre Schätzung schon auf
Gnind wiederholter Feststellung des Säuregrades des Harns geschehen
könnte. Eine Reihe von Aciditätsbestimmungen im Harn (mittelst eines
vereinfachten Maly'schen Verfahrens) hat mir aber gezeigt, dass diess unter
den hier in Betracht kommenden Verhältnissen wenigstens nicht regel-
mässig mögUch ist. Fasst man, was in Rücksicht auf klinische Aufgaben
meist zweckdienlicher, vorwiegend die Alkalibindung ins Auge, so stehen
zwei naheliegende Masse zur Verfügung. Das eine ergiebt sich aus den
Veränderungen, welche der Gehalt (des Protoplasma und) der Säftemasse
an alkalisch reagierenden Salzen erfahren hat. Ein anderes beruht im
folgenden: Bei gleicher Menge der Kohlensäure im Blut ist die CO,,-
Spannung um so grösser, je geringer die Alkalescenz des Blutes geworden
ist. Die gesteigerte COg-Tension im Blute jedoch führt nach meinen
eigenen Erfahrungen zu einer Vermehrung des Kohlensäuregehaltes des
Harns, ohne Rücksicht auf die Acidität des letzteren.
590 AIIgeiD. pathol. Morphologie nnd Physiologie.
d) Reaktionsverhältnisse des Blutes.
Wenn auch fast alle Gewebe des Körpers alkalisch reagieren, so
findet sich doch die grösste Menge der Alkalien in Blut und Lymphe.
Das Blut darf gewissermassen als Reserv^oir und Quelle der Alkalien
gelten.
Die Sebwierigkeit zu entscheiden, ob, aus rein tbeoretischen Gesicbtspunkten
betrachtet, das Blut sauer, neutral oder alkalisch sei, und unsere unvollständigen
Kenntnisse über die Bindungsformen der Kohlensaure im Blute sind kein Hindernis,
die festgestellten Reaktionsverhältnisse desselben im gegebenen Falle für die Be-
urteilung des Einflusses, welche die Bindung der Alkalien im Blute auf die chemi-
schen Vorgänge im Organismus übt, zu verwerten. Die physiologische Betrachtung,
bei welcher es vor allem darauf ankommt, zu erfahren, wie sich das Blut gegen-
über Säuren, die ihm unter normalen oder krankhaften Bedingungen zuströmeD,
verhält, legt uns auch einfache methodische Mittel für diesen Zweck an die
Hand. Zunächst gestattet die Verwendung gewisser Pigmente als Indikatoren, wenn
die speziellen Eigenschaften derselben gehörig berücksichtigt werden, allerdings
nur annähernd richtig, besonders im Vergleichsfalle, das Reaktionsvermögen
des Blutes gegen hinzutretende Säuren und Basen zu schätzen. Nach seinem ganzen
physiologischen Verhalten scheint das Blut einer dünnen Karbonatlösung ver-
gleichbar, welche einen gewissen relativ geringen Bruchteil Bikarbonat enthalten
kann. Mit Rücksicht auf die in dem uns interessierenden Teile der Pathologie gestellten
Aufgaben dürfen wir vor allem die Gesamtkohlensäure des Blutes, solange das-
selbe mit intakten Formelementen in den Gelassen kreist, als an alkalische Basis
gebunden rechnen. Die Abweichungen, welche sich bei Absorptionsversuchen
hinsichtlich der Kohlensäurebindung zwischen Blut und entsprechenden Natrium-
karbonatlösungen herausstellen, erklären sich wohl durch das Auftreten schwacher
Säure im Blute während der Dauer des Versuches. Einerseits sind es aus ge-
wissen Verbindungen der Blutkörperchen (Nuklein Stoffen, Lecithin) freigewordene und
ins Plasma tretende Säuren, andererseits ist mit Eiweisskörpern („subaciden*' Stoffen
von Jaquet) zu rechnen, denen schwach saure Affinitäten zukommen. Die
Bohr'sche Vermutung, dass im Blute direkte Verbindungen von Hämoglobin und
Kohlensäure enthalten sind, darf hier vorläufig unberücksichtigt bleiben. Nach
dem Bisherigen zeigt somit eine Herabminderung des Gesamtkohlen-
säuregehaltes des Blutes auch ein Gebundensein der Alkalien durch
anderweitig stärkere Säuren an. Für seine pathologisch wichtigste Fähigkeit,
merkliche Mengen von Säuren, speziell Kohlensäure, aufzunehmen, ist namentlich der
Gehalt des Blutes an neutralem Karbonat von Bedeutung. Eine wirkliche Sättigung
des Blutes (das Natron im Blute) mit Kohlensäure zu Bikarbonat kommt (von der akuten
Erstickung etwa abgesehen) unter pathologischen Verhältnissen wohl kaum je in
Betracht Je mehr aber Bikarbonat in einem Blutgefassbezirk vorhanden, desto-
wen iger geeignet erscheint dort das Blut als Vehikel der aus den Geweben nach-
rückenden Kohlensäure. Wenn somit auch alle Methoden der Alkalescenzbestim-
Reaktionsverbälinisse des Blutes. 591
mung vorMiegned die beiden Karbonate zu berücksichtigen hätten, verfugen wir
doch über keine solche, die es erlaubte, mit einfachen Mitteln die Mengen von
Natriumkarbonat und Natrium hydrokarbonat neben einander zu bestimmen. Des-
halb ist auch zu Aufschlüssen über die . Reaktionsverhältnisse des Blutes (beim
Menschen kommt wohl ausschliesslich venöses Aderlassblut in Betracht), bezw. über
die Verminderung des Gehaltes des Blutes und der Gewebe an alkalisch reagierenden
Salzen die Bestimmung des Kohlesäuregehaltes des Blutes besser geeignet, als die
titrimetrische Bestimmung des Säurebindungsvermögens des Gesamt-
blutes oder des Blutserums (Alkalescenz) und die Bestimmung des basen-
bindenden Vermögens (Acidität) des Blutes. Es ist nicht einmal darüber volle
Einigung erzielt, ob für die Titraition besser das Gesamtblut oder das Plasma
(Serum) zur Verwendung kommen. Die in der Litteratur vorliegenden Werte für
die Alkalescenz sind vielfach numerisch falsch, weil früher das Serumvolum im
Blute nicht berücksichtigt werden konnte.
Litteratur.
1. Maly, Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissensch. Bd. 7. IL Abt. S. 21.
2. Walter, Archiv für exp. Pathologie. Bd. VJI. S. 148.
3. Meyer, H., EbeDdas. Bd. XIV. 8. 313.
4. V. Noorden, Ebendas. Bd. XXII. S. 225.
5. Y. Jak seh, Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. XIII. S. 850.
6. Kraus, F., Zeitschr. f. Heilkunde. Bd. X. S. 106 und Archiv fQr exp. Pathologie.
Bd. XXVL 8. 186.
7. Drouin, R., Thöse (Paris) 1892 (G. Stein heil).
8. Rumpf, Inaug.-Dissertation, Kiel 1890.
9. Wiaternitz, B., Zeitschr. für physiol. Chem. Bd. XV. 8. 505.
10. Freudberg, Virchows Archiv. Bd. 125. S. 556.
11. Zuntz, Med. Centralhl. Bd. V. 8. 529 u. S. 801, Pflüger's Arch. Bd. 58. 8. 507, 511.
12. Loewy, A., Pflüger's Arch. B. 58. 8. 462.
13. Jaqnet, Archiv f. exp. Pathologie. Bd. 30. 8. 811.
14. T. Limbeck, Wiener med. Blätter, 1895.
15. Bleibtreu, M. und L., Pflüger's Archiv. Bd. 51. 8. 151.
(Vergl. ausserdem das vollständige einschlägige Litteraturverzeichnis bei B. Drouin.)
e) Die Säuren CnHn208 im Chemismus der Säureautointoxikation.
Die bekannt gewordenen klinischen Typen der Säureautointoxikation
stellen sich zum Teil als solche dar, bei denen vielmehr die allgemeine
Giftwirkung der sauren Verbindung als die spezifische toxische
Wirksamkeit einzelner bestimmter Säuren in Betracht kommt. Als gemein-
sames Moment der diesen Typus am schärfsten darbietenden, auf abnorm
reichliche Bildung, beziehungsweise auf verzögerte Weiteroxydation saurer
Zwischenstoffwechselprodukte zurückzuführende Gruppe von Selbstver-
giftungen ergiebt sich die hervorragende Rolle gewisser Säuren aus der
Gruppe der zweiwertigen Alkoholsäuren (Hydroxyfettsäuren) CnHgnOg
592 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
im Chemismus derselben. Die wichtigsten hier speziell zu nennenden
Säuren sind die optisch aktive Äthylidenmilchsäure (Fleischmilchsäure)
CH3 — CHOH — COOH und die optisch aktive /i?-Oxybuttersäure
CH3 — CHOH — CH2 — COOH, nebst bestimmten z. T. gleichfalls
sauren Derivaten der letzteren.
Über die zwischen dem vom Ei weiss abgespaltenen stickstofffreien C-baltigen
Rest, den Kohlenhydraten und Fetten einerseits und der schliesslich entstehendeo
Kohlensaure andererseits liegenden einzelnen Oxydationsstufen sind nur vorwiegend
theoretische Vermutungen möglich. Klarer überblicken wir schon den allmählich
fortschreitenden Gang der oxydativen Zersetzung, welchen die in Betracht kommen-
den Karbonsäuren mit hohem C-Gehalt einschlagen. Augenscheinlich giebt es hier
mehrere spezielle Wege der oxydativen Spaltung. Zunächst werden die C-reichen
Moleküle wohl durch fortgesetzte Entziehung der CHg -Gruppe abgebaut, obwohl
bisher thatsächlich nicht alle Zwischenstufen von der Palmitinsäure herab zu den
C-ärmsten Säuren CnH2n02 im tierischen Körper aufgefunden sind. Das Vor-
handensein der Oxal- und Bernsteinsäure im Organismus nötigt femer zur Annahme,
dass die Karbonsäuren im gewissen Umfange durch eine zweite Serie von Oxydadon»-
Produkten zur Kohlensäure gelangen. Die zweibasischen Säuren CnH^n-sO« |
können durch Oxydation der Fettsäuren CnHgnOg oder solcher zweiwertiger Oxt-
fettsäuren entstanden sein, in denen das Hydroxyl an CH2 gebunden ist. Obzwar
mehrere Fettsäuren direkt hydroxylierbar sind, ist es dermalen nicht übersehbar, j
woher und wie die natürliche Gruppe dieser letzteren Säuren (CnH^nOg) im Körper
sich ableitet; hier können uns bloss physiologische und pathologische I
Erfahrungen Aufschluss verschaffen. Thatsächlich sind bestimmte 1
Glieder jener Reihe, z. B. gewisse Milchsäuren, dem Chemismus des !
Tierkörpers adäquate Verbindungen. Das typische Endprodukt der
Verbrennungen im Organismus, die Kohlensäure, hat gleichfalls, allerdings vor-
wiegend theoretische Beziehungen zu diesen Oxysäuren. Als unterstes Glied der
Säuren CnHgnOg erscheint nämlich die hydratische Kohlensäure (Oxyameisen-
säure), welche aber, wie bekannt, im Freizustand nicht existenzfähig ist und als zwei-
basische Säure von den höheren homologen doch wesentlich abweicht. Mit Rücksieht
auf die angeführten allgemeinen chemischen Beziehungen der in Betracht kommenden
Karbonsäuren unter einander werden sich wohl die erwähnten Oxydationsreihen
im Chemismus des Tierkörpers mannigfach durchkreuzen, und es wird deshalb
gestattet sein, die bei Autointoxikationen viel weniger ins Ge-
wicht fallenden Fettsäuren CnHgnOg neben den hier ungleich
wichtigeren Oxysäuren zu betrachten. Ganz allgemein wird dann wohl die
Stellung der bei den verschiedenen Formen der Säureautointoxikation massgebenden
einzelnen Säuren in deren cheniischer Gruppe die Stufe bezeichnen, auf welcher die
retardierten Oxydationen stehen geblieben sind. Aber deshalb müssen diese
verschiedenen Vergiftungsformen nicht einfach als stehen geblie-
bene Phasen der normalen regressiven Metamorphose und als Aus-
druck einer einzigen, nur der Intensität nach wechselnden Nutritions-
störung angesehen werden!
Die Säuren GnHsnOa im Chemismus der Säureautointozikation. 593
1. Die Fleischmilchsäure ist eine auch unter physiologischen Verhält
Dissen in kleiner Menge aus verschiedenen Geweben und Flüssigkeiten des Körpers
gewinnbare Säure. Dieselbe wird stetig in den Muskeln und (vielleicht) auch in den
Drüsen gebildet, findet sich häufig im Blute enthalten, geht aber normalerweise
nicht in den Harn über, sondern wird im Organismus zu Kohlensäure und Wasser
oxydiert. Dem entspricht auch die Erfahrung, dass Milchsäure und ihre Salze,
per 08 oder intravenös eingeführt, ausserordentlich rasch zu Kohlensäure bezw. in
kohlensaure Salze verwandelt werden, welche dann in den Harn übertreten.
Unter pathologischen Bedingungen ist ihr Auftreten in grösseren
Mengen sowohl während des Verlaufes bestimmter, experimentell hervor-
rufbarer Störungen als auch klinisch zu beobachtender Krankheitszustände
sicher festgestellt. Es ist noch strittig, ob die Bildung der Milchsäure
hierbei ausschliesslich aus einer Zerlegung von Kohlenhydrat herzuleiten,
oder ob ihr Ursprung teilweise auch in den Eiweissstoffen zu suchen sei.
Seit man jedoch weiss, dass im tierischen Organismus nach bestimmten
Verhältnissen Zuckerbildung aus Eiweiss von statten geht, hat diese Streit-
frage viel an Bedeutung eingebüsst. Die Frage, ob eine Verbindung den
Kohlenhydraten des Körpers oder dem N-freieu Teil des Eiweissmoleküls
entstammt, braucht nicht mehr getrennt behandelt zu werden, da die
ersteren bei kohlenhydratfreier Kost aus dem letzteren sich regenerieren.
Die strikte Unterscheidung zwischen einem „fermentativen" Ursprung der
Milchsäure (aus Glykogen) und einem solchen als Produkt der regressiven
Stoffmetamorphose (Kohlenhydrate, Eiweisskörper) ist wohl ebenfalls belang-
los. Ob bei einem besonders reichlichen Auftreten der Milchsäure im Organis-
mus die oxydativen Spaltungen in den betrefEenden Geweben nach völlig
normalem, oder (teilweise) nach abweichendem Typus verlaufen, steht
gleichfalls noch dahin. Eine indirekte Beleuchtung erfahren die einschlä-
gigen Verhältnisse dadurch, dass bei allen pathologischen Prozessen, in
deren Chemismus die Milchsäure eine hervorragende Rolle spielt, /J-Oxy-
butter- und ^cetylessigsäure gleichzeitig nicht erscheinen und Aceton nur
gelegentUch beobachtet wurde. Bemerkenswert scheint noch, dass unter
diesen Bedingungen Zucker bald erscheint, bald fehlt.
Die hierher gehörigen, experimentell hervorruf baren Formen der
Selbstvergiftung charakterisieren sich ziun Teil als Oxydationshemmung
infolge von Sauerstoffmangel in den Geweben, zum Teil aber auch,
und gerade diese sind die pathologisch bedeutungsvolleren, er-
klären sie sich ungezwungener aus dem Wegfallen bestimmter
Funktionen einzelner Organe (der Leber).
Hoppe-Seyler und seine Schüler betrachten ganz allgemein den
Sauerstoffmangel als Ursache für die Entstehung der Milchsäure. Dass
eine Bildung derselben in den Muskeln oder anderen lebenden Organen
LnbarBoh-Ostertag, Ergebnisse Abteil. II. 38
594 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
bei genügendem Sauerstoff überhaupt stattfinde, wird bezweifelt. Es sei
vielmehr höchst wahrscheinlich, „dass Milchsäurebildung bei Abwesenlieit
von freiem Sauerstoff, die Bildung von Kohlensäure und Wasser an ihrer
Stelle bei Anwesenheit des Sauerstoffs eine allen lebenden Protoplasmen
(in Gegenwart von Glykogen oder Glykose) allgemein zugehörende Eigen
Schaft darstellt."
Die wichtigsten Experimente, auf welche diese Ansicht sich stützt, sind
folgende. Araki liess zunächst Tiere in einem abgeschlossenen Räume atmen,
dessen Luft stetig abgesogen und durch Kalilauge von Kohlensaure befiieit wurde,
während für den verbrauchten Sauerstoff atmosphärische Luft nachströmte, sodass
der Partialdruck des O der Atemluflt beständig sank. Der danach von mit Fleisch
gefutterten Hunden abgeschiedene Harn enthielt neben Eiweiss und Traub^-
zucker immer auch Milchsäure, bald wenig, bald aber in grösseren Mengra. Bei
Hungertieren wurde unter gleichen Verhältnissen etwas Milchsäure und Eiweiss,
aber kein Zucker gefunden. Ähnliche Ergebnisse wurden an mit Weizen gefuiterteo
bezw. hungernden Hühnern verzeichnet In Versuchen von Hunden, Kaninchen
und Hühnern, die mit Kohlenoxyd bis zum Eintreten starker Vergiftung behandelt
wurden, liess sich ebenfalls Übertreten von Eiweiss, Zucker und Milchsäure in den
Harn erzielen. Starben die Versuchstiere wegen zu starker Erniedrigung des Sauer-
Btoffgehaltes der Atmosphäre oder zu intensiver Kohlenoxydvergiftung, fanden sich
Zucker und Milchsäure in beträchtlicheren Mengen im Blute. Bei Vergiftung mit
Curare und künstlicher Respiration enthielt das Blut gleichfalls Zucker und Milch-
säure, Harn wurde wenig ausgeschieden. Bei curaresierten und bei mit Strychnin ver-
gifteten Fröschen fand sich im Harn ebenfalls Zucker und Milchsäure. Bei Appli-
kation von Morphium, Amylnitrit, Kokain ergaben sich vielfach ähnliche Resultate.
Benützt wurden zu diesen (in der zweiten Mitteilung Arakis referierten) Ver-
suchen wiederum Frösche, Kaninchen und Hunde, zum Teil nach reicher Ernäh-
rung, zum Teil nach einigem Hungern. Nach Morphiumvergiftung trat Zucker
und Milchsäure in bedeutender Menge im Urin auf, ersterer besonders, falls die
Tiere gut genährt waren. Eiweiss fehlte öfter. Nach Intoxikation mit Amjl-
nitrit waren im Kaninchenharn enorme Mengen von Milchsäure enthalten. Eiweiss
fehlte meist Die Glykurie erwies sich auch hier als von der Ernährung abhängig.
Beim Hunde erschienen die Versuchsresultate durch das konstant sich einstellende
Erbrechen getrübt Kokain war in seiner Wirkung dem Morphium ganz ähnlich.
Araki hält es für ganz unzweifelhaft, dass bei allen diesen Intoxikationen der
Sauerstoffmangel die Ursache der Eiweiss-, Zucker- und Milchsäureausscheidung
sei. In einer dritten Mitteilung behandelt Araki die Wirkung künstlicher Ab-
kühlung bei Hunden und Kaninchen auf die Abscheidung von Zucker und Milch-
säure im Harn, ferner die Wirkung des Veratrins in dieser Richtung bei Fröschen.
Die Tiere wurden bis auf Rektumtemperaturen von 23 — 26^ abgekühlt Es fand
sich stets viel Zucker und Milchsäure, und konstant auch viel Eiweiss im Harn.
Nach Araki lähmt hier die Kälte die Respiration und bewirkt Sauerstofimangel.
Subkutan beigebrachtes Veratin führte bei Fröschen auch die Abscheidung von Zucker
und Milchsäure im Harn hervor. In einer vierten einschlägigen Arbeit endlidi
Die Sftoren CnHinOs im ChemiBmuB der Säureautointoxikation. 595
bezieht Araki auch die Ausscheidung der Milchsäure im Harn von Kaninchen
und Hunden bei Phosphor- und Arsenigesäurevergiftung auf ßauerstofiinangel in
den Geweben. Infolge der Abnahme der Herzthätigkeit wurde die Blutcirkulation
wesentlich verlangsamt und die Sauerstoffabgahe des Blutes an die Organe in
ähnlicher Welse vermindert, wie die Sauerstofiaufnahme aus der Luft in die Lungen.
ZiUesen hat bei Hunden die A. femoralis möglichst hoch unterbunden und
6 Stunden später Blut aus der Vena femoralis entnommen. Darin fanden sich
nur geringe Mengen von Milchsäure und Zucker. Auch der Harn enthielt ein
wenig Milchsäure. Grössere Quantitäten werden erhalten, als die A. abdominalis
ligiert und aus der V. cava nach 2 — 6 Stunden Blut aufgefangen wurde. An
drei Kaninchen und drei Hunden wurde die A. hepatica unterbunden. Die Hunde
überstanden die Operation meist gut Der nach der Operation entleerte Harn
enthielt, in allen Fällen Milchsäure, Zucker zeigte sich nur bei einem Kaninchen.
Es wurde von ZiUesen hieraus geschlossen, dass auch die Leber die in ihr ge-
bildete Milchsäure bei Beschränkung der Sauerstofizufuhr nicht vollständig zu
oxydieren vermag. Weiter wird auch angenommen, dass die im Fieber
und manchen Krankheiten beobachtete Abnahme der Blutalkalescenz
auf der Bildung von Milchsäure infolge Sauerstoffmangels der Ge-
webe beruhe. Bei Blausäureintoxikation (Kaninchen, Hunde) konnte gleichfalls
Milchsaure in reichlicher Menge im .Blute nachgewiesen werden. Die gebildete
Milchsaure verschulde auch hier die Alkalescenzverminderung des Blutes. Irisawa
endlich zeigte, dass bei der experimentell erzeugten Anämie ein um so höherer
Milchsäuregehalt des Blutes sich herausstellt, je grösser der Blutverlust gewesen ist.
Ob in allen diesen Versuchen das Auftreten der Milchsäure wirklich
durch nichts weiter als durch eine blosse Behinderung der oxydativen
Vorgänge im allgemeinen bedingt ist, soll hier nicht näher untersucht
werden. Jedenfalls wurde nicht überall bestimmt entschieden, ob der
Sauerstoffmangel an und für sich oder vielmehr die Unfähigkeit
bestimmter Gewebe, den vorrätigen Sauerstoff zur Oxydation
der Milchsäure zu verwerten, die Ursache ihrer Ausscheidung im
Harn gewesen ist. Für den speziellen Fall der Blausäurevergiftung, welch
letztere, wie Geppert nachgewiesen, als innere Erstickung der Organe bei
Gegenwart überschüssigen Sauerstoffs aufzufassen ist, sind die Gewebe
ganz bestimmt der Fähigkeit der Sauerstoffbindung beraubt!
Hier genügt es vollständig, darauf hinzuweisen, dass es eine ein-
schlage, ausgeprägt gleichfalls nur experimentell zu erzeugende Autointo-
xikation giebt, für welche der von Hoppe-Seyler und seinen Schülern
festgehaltene Gesichtspunkt ganz bestimmt nicht in Betracht kommt. Icli
meine die nach Ausschaltung der Leber bei Gänsen (Enten) resul-
tierende Säurevergiftung, welche wichtige Andeutungen und Winke
für die menschliche Pathologie enthält.
Die Ausschaltung der Leber ist ein bei Vögeln deshalb leichter durchfuhrbares
Experiment, weil dieselben neben dem Pfortaderkreislauf in der Leber ein ähn-
38*
596 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
liches Gefasssystem in der Niere besitzen. Nach Ligierung der Pfortader gelangt
das Blut vom Darme durch die Niere zur Vena cava inferior. Wenn man nun
bei Gänsen die Leber teils durch Unterbindung der zufuhrenden Gefässe, teils durch
Ezsürpation ausschaltet, stellt sich der Harn zunächst stets sauer dar, auch wenn
er vorher alkalisch gewesen. Die (zwölfstündige) Stickstoffausseheidung sinkt auf
zwei bis ein Drittel des früher beobachteten Wertes. Die Ausfuhr der Harnsäure^
welche im Vogelham den Harnstoff vertritt und vorher im Betrage von etwa 1—4 g
ausgeschieden worden, sinkt auf ein Zwanzigstel bis ein Dreissigstel der Norm, so
dass sie nur mehr drei bis vier Prozent des gesamten Stickstoffgehaltes des Harns
ausmacht. Dagegen ist die Ammoniakausscheidung so gesteigert, dass in dem
nach erfolgter Entleerung abgesonderten Harn 50 — 60®/o des Stickstoffes in dieser
Verbindung erscheinen. Das Ammoniak nimmt dann die Stelle ein, welche normaler-
weise unter den stickstoffhaltigen Bestandteilen der Harnsäure zukommt. Einen
Hauptbestandteil, bis über die Hälfte der festen Stoffe des Harns,
bildet nach der Entleberung die Fleischmilchsäure, von welcher in
12 Stunden bis 3,5 g ausgeschieden werden, während im normalen Harn diese
Säure überhaupt nicht nachweisbar war. Die Menge der secemierten Milchsaare
ist so gross, dass sie das Äquivalent der ausgeschiedenen grossen Ammoniaktnenge
beträgt. Als Quelle der Milchsäure ist mit Wahrscheinlichkeit die
Umsetzung der Eiweisskorper anzunehmen, da die grösste Menge der Säure
nach voraufgegangener Fleischnahrung ausgeschieden wird.
Minkowski nimmt an, dass die nach dem soeben geschilderteiv
von ihm gemachten Eingriff im Harn des Versuchstieres erscheinende
Milchsäure Produkt der regressiven Stoffmetamorphose im Gesamtorgaiiis-
nms ist. Die Leber sei hierbei nur das Organ, welches im normalen Zu-
stande durch die Blutcirkulation die gebildete Milchsäure empfängt und
weiter umsetzt. Fällt nach dieser Voraussetzung die Leberfunktion fort,
so muss eine Accumulation der Säure im Körper die Folge sein.
Wenn die Annahme einer solchen speziellen Wirkung des Mangels der
Leber nicht naheliegenden Einwänden begegnen will, muss durch die ganze
Versuchsanordnung ausgeschlossen sein, dass die aus den zerfallenden
Leberzellen und anderweitigen in Betracht kommenden Zellen stammende
Milchsäure nicht in den Kreislauf aufgenommen wird. Da die Säure viel-
leicht in allen nekrotisierenden Protoplasmen entsteht, wird die Leber unter
analogen Bedingungen keine Ausnahme machen. Die Geschwindigkeit, mit
welcher gerade die aus der Cirkulation entfernten Leberzellen absterben, ist eine
besonders grosse: der Kernschwund beim Absterben vollzieht sich hier nach
meinen Erfahrungen fast vollständig in etwa 60 Minuten 1 Derjenige Teil der
Versuche Minkowskis, in welchen bei der Unterbindung sämtlicher zai-
ührender Gefässe die Leber stehengelassen wurde, erscheint also nicht
vollkommen beweiskräftig. Bei dem grösseren Teil der Experimente wurde
aber die Totalexstirpation des Organs ausgefülirt unter Versuchsbedingungen,
Die Säuren CnHsaOs im Chemisrous der Säareaatointoxikation. 597
unter denen, wenn man nicht gewaltsam deuteln will, nicht an ein Über-
gehen halbwegs in Betracht kommender Milchsäuremenge aus der Leber
ins Blut gedacht werden kann. Den noch möglichen Einwand, dass bei der
Operation erhebliche Störuilgen der Cirkulation in den grossen Venenstämmen
des Portalsystems schwer zu vermeiden sind, und dadurch die Darm-
epithelien geschädigt werden, beseitigte Minkowski selbst, indem er
in einer neuen Versuchsreihe einer Anzahl Enten sämtUche zuführende
Lebergef ässe , ausgenommen die A. hepatica, unterband und eine Aus-
scheidung von Milchsäure im Harn hierbei nicht nachweisen konnte.
Die Umwandlung gewisser organischer Säuren in der Leber in an-
dere (höher oxydierte) Verbindungen braucht aus allgemeinen pathologischen
Gesichtspunkten weder ein ausschliessUches , noch ein unbegrenztes Ver-
mögen darzustellen. Gleichwohl hat eine solche Anschauungsweise prin-
zipielle Bedeutung für die Lehre der Stoffwechselanomalien überhaupt.
Erstlich erscheint hiermit ein neues wichtiges Beispiel für die auch sonst
sich äussernde Funktion der Leber, Gifte zu arretieren, gegeben. Dann
wäre liinsichtlich einer dem Körper sonst adäquaten sauren Verbindung
nachgewiesen, dass der Ausfall einer spezifischen Organfunktion (Histozym-
wirkung) dieselbe bis zu toxischer Wirksamkeit im Körper ansammeln lässt
Diese toxische Wirkung gipfelt wahrscheinlich darin, dass dem Organismus
Ammoniak entzogen wird, wodurch indirekt eine Störung der Hamsäure-
bildung bewirkt wird. Eine anscheinend allgemeine Ernährungsstörung
wäre damit an bestimmter Stelle im Körper lokalisiert. Mit der vorstehend
entwickelten Auffassung wäre es auch immer noch vereinbar, wenn die
Umsetzung der Säure nicht gerade in der Leber selbst von statten ginge,
sondern an anderen physiologischen Orten unter Mitwirkung (eines Histo-
zyms, internen Sekretes) dieses Organes. Es handelte sich dann um eine
Wirkung denjenigen analog, welche das Pankreas bei der Zuckerumsetzung
im Tierkörper ausübt.
An dieser Stelle sei endlich noch eine weitere experimentelle Form
der Säureautointoxikation angeführt, welche in pathogenetischer Hinsiqht
nicht so vollständig klar ist, nämlich die Säurevergiftung der
Pflanzenfresser bei intensiver Muskelarbeit.
Der thätige Muskel produziert Säure (vermutlich vorwiegend Fleischmilchsaure)
in nicht unbeträchtlicher Qualität und in gewissen Verhältnissen zur geleisteten
Arbeit Selbst unter sonst physiologischen Bedingungen darf also intensive, aus-
gebreitete und anhaltende Kontraktion von Muskeln aus dem Gesichtspunkte einer
eventuell zu schweren Erscheinungen führenden Säurewirkung betrachtet werden.
Die vorliegenden Erfahrungen zeigen auch hier den bestehenden Unterschied zwischen
Fleisch- und Pflanzenfresser.
598 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Bei im StrjchnintetanuB zu Grunde gegangenen Kaninchen erscheint der
Kohlensäuregehalt des Bluter auf beinahe ein Drittel der Norm herabgesunken.
Auch direkte Bluttitrierung ergiebt Herabsetzung der Alkalescenz bis auf die
Hälfte. Ebenso kann bei längere Zeit mittelst elektrischer Reize tetanisierten
Kaninchen ganz plötzlich der Tod eintreten, welcher dann als Folge progressiven
Absinkens der Gewebsalkalescenz , als Wirkung akuter Säurevergifitung, gedeutet
werden kann.
Dagegen wohnt dem Hunde (bei reichlicher Fleischkost) eine grossere Wider-
standsfähigkeit gegen die bei Muskelarbeit entstehenden Säuren inne; nach einem
zu Beginn der Muskelanstrengung schnell erreichten Minimum der Blutalkalescenz,
wobei übrigens die Schwankung weit weniger beträchtlich ist als beim Pflanzen-
fresser, tritt ein Regulationsmechanismus in Thätigkeit, der ein weiteres Absinken
der Alkalescenz verhindert
Auch hier könnte man nun das den Karnivoren zur Verfugung stehende
labile Alkafi (Ammoniak) zur Erklärung dieses difierenten Verhaltens heranziehen.
Ebenso viel Wahrscheinlichkeit hat jedoch die Annahme einer grosseren Geschwindig-
keit der Oxydation saurer Zwischenstoffwechselprodukte im Organismus des Fleisch-
fressers.
Vielleicht gewinnen durch das Vorstehende gelegentliche klinische
Beobachtungen über das Erscheinen von Fleischmilchsäure
im Harn von Soldaten nach grossen Märschen, ferner bei Epileptikern
nach dem Anfalle und bei Trichinose eine gewisse Bedeutung.
Im Chemismus der klinisch zu beobachtenden Säureautointoxikationen
kommt der Milchsäure übrigens nur eine relativ geringe Bedeutung zu.
Da Minkowski gezeigt hat, dass ein verhältnismässig kleiner Teil des
Leberparenchyms genügt, um die säurezerstörende Funktion zu erfüllen,
wird es auch begreiflich, wie selten und in wie geringem Grade bei
leberkranken Menschen die Störungen dieser Funktion sich geltend machen.
Dass übrigens die kranke Leber doch nicht immer ihrer Aufgabe nach dieser
Richtung vollkommen gerecht wird, beweist das Auftreten von gelegentlich be-
trächtlichen Milchsäuremengen bei akuter Leberatrophie und, wenigstens in einzelnen
Fällen, auch bei Lebercirrhose. Konstanter, aber nicht bedeutend, erscheint bei
letzterer Erkrankungsform die Acidität des Harns erhöht. Die vermehrte Ammon-
ausscheidung der Leberkranken muss bei einer späteren Gelegenheit noch einmal
ausführlicher diskutiert werden.
Bei einem jungen Mädchen mit Icterus catarrhalis fand R. Oroni eine Blut-
alkalezcenz von bloss 180 mg Na(HO) pro 100 ccm (statt der Normalzahl dieses
Autors 205). Renzi und Marotta wollen gar in einem Falle von Gastroduod^al-
katarrh mit intensivem Ikterus die Reaktion des Blutes „sauer" (1) gefunden haben.
In einem Falle von Hepatitis interstitialis mit intensivem Ikterus und in emem
Falle von akuter gelber Leberatrophie soll die Reaktion „neutral** gewesen sein.
In einem Falle von hypertrophischer Cirrhose mit Ikterus, ebenso in einem Falle
von atrophischer Lebercirrhose wird die alkalische Reaktion kaum nachweislich
Die Säuren CnHioOs im Ghemismus der Sftureaatointoxikation. 599
bezeichnet Auch v. Jak ach beobachtete bei einer gewissen Zahl von Kranken
mit schweren Leberafiektionen (ein Fall von Carcinom, drei Fälle von hypertrophi-
scher Cirrhose, ein Fall von Icterus gravis, ein Fall von Icterus febrilis) ein be-
merkenswertes Absinken des alkalimetrischen Titre. Bei katarrhalischem Ikterus
fand V. Jaksch die Blutalkalescenz normal. Peiper endlich konstatierte gleich-
falls verminderte Alkalescenz bei vier leberkranken Individuen (Cholelithiasis,
Icterus catarrhalis, zwei Fälle von Hepatitis interstitialis). Fünf Fälle von Car-
cinoma hepatis, bei welchen für die Alkalescenzverminderung des Blutes auf das
Neoplasma an sich angeschuldigt werden könnte, rechnet Peiper deshalb nicht
hierher.
E. Schütz untersuchte mit verlässlicher Methode den Harn von 30 Krank-
heitsfällen (Leberkrankungen, Vitium cordis, dyspnoische Phthisiker) un<i fand
keine Milchsäure. Er erhielt bloss oxyphenylessigsaures (und oxyphenylpropion-
saures) Zink (und Hippursäure (?)). Er warnt mit Becht, jedes Zinksalz aus Harn
auf Grund der Kr y stallform für milchsauer zu halten; die Analyse ist unbedingt
nötig.
Abgesehen von Fleischmilchsäure enthielten die Harne von Menschen, deren
Lebergewebe schwer erkrankt ist, gelegentlich grössere Mengen von Fettsäuren,
hinsichtlich deren freilich schwer auszuschliessen ist, ob sie nicht aus
dem Darme stammen.
Litterat ur.
1. Araki, T., Zeitschrift für physiol. Chemie. Bd. 15. S. 335. Bd. 15. S. 546. Bd. 16.
8. 453. Bd. 17. S. 311.
2. Irisaws, T., Ebendaselbst Bd. 17. S. 340.
3. Zillesen, H., Ebendaselbst Bd. 15. S. 387.
4. Hoppe-Seyler, Beiträge zur Kenntnis des Stoffwechsel bei Sauerstoffmangel. Fest-
schrift zn R. Virchows 70. Geburtstage.
5. Minkowski, Archiv für exp. Pathologie. Bd. 21. S. 91 und Bd. 31. S. 214.
6. Cohnstein, W., Virchows Archiv. Bd. 130. S. 332.
7. Stadelmann, Archiv fttr exp. Pathologie. Bd. 17. S. 442.
8. Hallervorden, Ebendaselbst. Bd. 12. S. 287.
9. Schatz, £., Zeitschrift fOr physiol. Chemie. 19. Bd. S. 482.
10. Manzer, Prager med. Wochenschrift 1892. Nr. 34.
11. V. Jaksch, Strassburger Naturforscherversammlung. 1885.
12. Heuss, Archiv für exp. Path. Bd. 26. S. 147.
13. Moscatelli, ibidem. Bd. 27. S. 158.
2. Mit der linksdrehenden /?-Oxybuttersäure muss gleichzeitig die
Acetylessigsäure CHs— CO— CHgCOOH und das Aceton CHg-CO—CHg in
Betracht gezogen werden.
Zwischen den genannten drei Verbindungen bestehen sehr nahe chemische
Beziehungen. Insbesondere geht auch ausserhalb des Organismus die Acetylessig-
säure sehr leicht in Aceton über. Die Acetylessigsäure, eine /J-Ketonsäure, kann
als Aceton aufgefasst werden, in welchem ein H-Atom durch Karboxyl ersetzt
600 AllgeiQ. pathol. Morphologie und Physiologie.
ist, so dass die Bezeichtfung Acetonkarboneäure gerechtfertigt erscheint Beim
Erwärmen, beim einfachen Stehen in verdünnter Lösung spaltet sich auch die
Säure in Kohlensäure und Aceton. Die Salze sind ebenso unbeständig und erleiden
analoge Zersetzimgen. Wie alle Oxysäuren mit der sekundären Alkoholgruppe
]>CHOH ist auch die /^-Oxybuttersäure leicht oxydierbar zur entsprechenden
/^-Ketonsäure (Acetylessigsäure). Durch Oxydation mittelst Chromsäuremischmig
erfolgt die Überführung direkt in Aceton. Umgekehrt ist die Oxybuttersäure künst-
lich darstellbar durch Reduktion aus Acetylessigsäure.
Diese nahe chemische Verwandtschaft und die Thatsache, dass die
/y-Oxybuttersäure eigentlich nur mit den beiden andern genannten Vor-
bindungen gemeinsam im Harn erscheint, lässt es von vornherein als selir
wahrscheinlich annehmen, dass alle drei Stoffe der gleichen Nutri-
tionsstörung ihr Entstehen verdanken.
Der nähere Zusammenhang der angeführten drei Verbindungen im
kranken Organismus, beziehungsweise das Verhältnis der Oxybuttersäure-
ausscheidung (Acetonacidurie) zur Acetylaceturie (Diaceturie) und zur Ace-
tonurie hat jedoch bisher eine verschiedene Auffassung erfahren.
Wenn alle drei Verbindungen in den Harnen kranker Menschen erscheinen,
pflegt kein Parallelismus zu bestehen zwischen Oxybutter- und Acetonausscheidung,
eher zeigt sich hier sogar ein Antagonismus. In zahlreichen klinischen FäUen
erscheint durch längere Zeit Aceton allein im Harn. Besser entsprechen einander
die Mengen der ausgeschiedenen Oxybuttersäure und der Acetylessigsäure. Da,
wie bereits hervorgehoben, der Zerfall der Acetylessigsäure in Aceton und Kohlen-
säure gar nicht in Störungen des Organismus begründet zu sein braucht und
eventuell nach Massgabe unbestimmbarer Verhältnisse erst in der Harnblase er-
folgt sein kann, kommt es im gegebenen Falle bloss darauf an, das Verhältnis
der darstellbaren Oxybuttersäuremenge gegenüber dem Gesamtquantum Aceton
festzustellen, welches als £- und Produkt neben der Buttersäüre aus dem in be-
stimmter Zeit abgesonderten Harn gewonnen werden kann. Aceton und Acetyl-
essigsäure erscheinen unter diesen Verhältnissen hinsichtlich ihres
Auftretens im Harn einfach nebeneinander geordnet
Auf Grund klinischer Beobachtungen steht nun aber fest, dass
die unter bestimmten Verhältnissen als kontinuierlich anhaltende
Abweichung für sich eintretende Acetonurie prognostisch eine weniger
schwere Affektion darstellt, als die Ausscheidung von Acetylessig-
säure mit oder ohne gleichzeitiger Exkretion von /^-Oxybuttersäure,
Häufig geht auch die Acetonurie in Fällen, welche im vorgerückteren Krankheits-
stadium mit der Ausscheidung aller drei Verbindungen verknüpft sind, zeitlich
voraus. £s ist ferner analytisch durch v. Jaksch nachgewiesen, dass
mit dem Auftreten der Acetylessigsäure das präformierte Aceton im
Harn verschwinden kann.
Zu einer Zeit, als das Vorkommen der Oxybuttersäure im Harn
Die Säuren CnHsoOj im Ghemismiifi der Säureautointoxikation. 601
noch nicht nachgewiesen war, hat nun v. Jak seh zur Erklärung dieses
differenten klinischen Verhaltens folgende Hypothese aufgestellt:
Wenn Aceton im Körper in vermehrter Menge auftritt, ruft es Vergiftungs-
ßvmptome hervor. Ist diese Menge enorm gross , vereinigt sich das Aceton mit
den aus der Eiweissspaltung resultierenden Säuren, besonders mit Ameisensäure,
und so entsteht die Acetylessigsäure. Zum Teil aber auch mit einer Reihe anderer
Säuren, so dasa jene übrigen (sauren) Verbindungen gebildet werden, welche oxydiert,
Aceton liefern. Die Abnahme des Acetons im Harn bei gleichzeitigem Erscheinen
der /^-Oxybuttersäure wäre dann allerdings leicht verständlich, indem das Aceton
bei Bildung der Oxybuttersäure Anwendung gefunden haben muss. Wie alle
übrigen Autoren vermag nun aber auch v. Jaksch der Acetylessigsäure keine
(erhebliche) spezielle Giftigkeit zu vindizieren. Giftig sei immer nur das Aceton.
Die Diaceturie wäre bloss ein Ausdruck dafür, dass der Organismus mit so grossen
Mengen von Aceton überladen ist» wie sie zur Hervorbringung schwererer toxischer
Symptome ausreichend sind.
Seitdem jedoch die /^-Oxybuttersäure unter den hier in Betracht
kommenden Verhältnissen im Blut und Harn nachgewiesen worden, wird
a priori kaum jemand mehr im Zweifel bleiben, dass diese Säure, dem
Verlaufe des Stoffwechsels im allgemeinen entsprechend, die Vorstufe der
Acetylessigsäure und des Acetons im Körper bildet. Abgesehen von den
in den obenstehenden Zeilen angeführten chemischen Beziehungen der drei
Verbindungen ist folgender Thierversuch ausschlaggebend für diese Auf-
fassung:
Wenn bei der Oxydation der /^-Oxybuttersäure im Organismus wirklich
Acetylessigsäure, bezw. Aceton als Zwischenstufen entstehen und in der Norm so-
fort weiter zersetzt werden, so kann man erwarten, dass, wenn man bei Tieren
(durch Vergiftung mit Kohlenoxyd) eine möglichst einfache und direkte Hemmung
der Oxydationen herbeifuhrt, diese Zwischenstufen in Körpersäften und Exkreten
nachzuweisen sein werden. Araki, welcher auf Grund dieser Überlegung mit
Kohleboxyd vergifteten Hunden, Kaninchen und Fröschen die Oxybuttersäure
als Natriumsalz beibrachte, konnte in der That Aceton, bezw. Acetylessigsäure in
den Hamen auffinden.
Mit dieser Anschauungsweise kommt man zunächst über den Wider-
spruch in der v. Jaksch' sehen Hypothese hinweg, die einerseits bei der
Diaceturie das ursprünglich vorhandene Aceton eine Verbindung eingehen
lässt, so dass kein präformiertes Aceton mehr in den Harn enitritt, und
andererseits doch wieder das Aceton trotz seiner Überführung in Acetyl-
essigsäure, Oxybuttersäure u. s. w. als das ausscliHesslich toxisch wirkende
Agens hinstellt. Auch ist es damit leicht erklärlich, dass in einer bestimmten
Reihe von Fällen die Oxybuttersäure noch vollständig zu Aceton oxydiert
wird, während in einer Reihe schwererer Fälle die Oxydationen nicht mehr
über die Oxybuttersäure hinausgehen. In der Menge der im Körper ange-
602 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
häuften Oxybuttersäure und sonstigen Säuren, beziehungsweise in der
grösseren Intensität der Säurautointoxikation überhaupt, ist nach Mas*
gäbe der Untersuchungen Chvosteks ein ausreichender Grund für diese
Oxydationsheniraung gegeben. Wie auch sonst vielfach unter pathologi
scheu Verhältnissen bewegt sich hier der tierische Cliemismus in einem
Circulus vitiosus. Die Vermelirung der Säuren in der Ökonomie, welche
von einem Gesiclitspunkte aus an sich schon eine Retardation der Ver
brcnnungsprozesse bedeutet, >>irkt, sobald sie eine bestimmte Höhe erreicht,
selbst wieder oxydationshemmend.
Die Acetonurie (Acetonämie) als klinisches SymptomeubilJ
verliert dann natürlich ihre selbständige pathologische Stellung,
sie ist nur der Ausdruck einer gewissen Form der Säureautoin-
toxikation in gelinderer Intensität. So wird die Thatsache verständ-
lich, dass Eiweisszerfall (Stickstoffausscheidung) und Acetonurie im gegebeneu
Falle nicht direkt pro[)ortional sind, während ein annähernder Parallelismus
zwischen Ammoniakausscheidung, (welche bereits an einer früheren Stelle
als Mass der Säurevergiftung bezeichnet werden konnte), und dem im
Harn erscheinenden Aceton erfahrungsgemäss die Regel bildet. So erklärt
sich die weitere Thatsache, dass die Fälle von (hochgradiger) Acetonurie
auch solche von herabgesetzter Blutalkalescenz sind. Und endlich wird
auf diese Art begreiflich, dass wenigstens die reinen Abarten der Acetonurie,
z. B. die febrile, thatsächlich durch Alkalizufuhr eingeschränkt werden kann.
Überflüssig erscheint nach derselben Anschauungsweise die Auf-
stellung einer immer länger werdenden Reihe gesonderter
klinischer „Formen'' der Acetonurie.
Aceton ist auch unter normalen Bedingungen in allerdings nur sehr
geringen Mengen im Harn von Menschen und Tieren gefunden worden
(physiologische Acetonurie). Acetylessig- und Oxybuttersäure dagegen er-
scheinen unter physiologischen Verhältnissen wohl kaum jemals in den
Gewebssäften oder Exkreten.
Es braucht kaum nochmals betont zu werden, dass die Ausschei-
dung der drei in Rede stehenden Verbindungen in letzter Linie als Oxy-
dationshemmung sich darstellt. Der gesunde Organismus verbrennt alle
diese Substanzen leicht und vollständig zu Kohlensäure. Das bereits er-
wähnte Tierexperiment von Araki beweist aber natürlich nicht, dass in
klinischen Fällen das Auftreten dieser Substanzen lediglich durch eine
Behinderung der Oxydationen und zwar infolge Sauerstoffmangels der Ge-
webe bedingt ist! Sauerstoffmangel existiert in allen hier in Betracht
kommenden klinischen Fällen im Organismus durchaus nicht, ebensowenig
eine allgemeine Oxydationsstörung. Es handelt sich vielmehr um
eine beschränkte Oxydationsstörung in ganz spezieller Rieh-
Die Säuren GnUsnOs im Chemismus der Säureautointoxikation. 603
tiing, für welche wahrscheinlich auch noch anderweitige besondere Nutritions-
störxingen, deren Lokalisation in bestimmten Organen anzustreben ist,
mit verantwortlich sein werden.
Bestimmtes über die Herkunft der drei genannten Verbindungen im
Organismus, beziehungsweise über die Art dieser angenommenen besonderen
Stoffwechselstörung, lässt sich gegenwärtig allerdings nicht behaupten.
Die ältere Prager Schule (Petters, Kaulich) und Markownikow hatten
vermutet, dass — wenigstens bei den Diabetikern — das Aceton unter dem £in-
fluss eines Fermentes (im Darm) aus den Kohlenhydraten hervorgehe. Külz hielt
für wahrscheinlich, dass die Oxybuttersäure ein normales Oxydation sprodukt des
Traubenzuckers darstellt. Gegenüber solchen a priori nicht ganz unwahrschein-
lichen Vermutungen erscheint es nur auffallend, dass thatsächlich die Aceton-
acidurie durchaus nicht parallel zu gehen pflegt mit der Zuckerausscheidung im
Harn, ja, dass Jahre lang bei reichlicher Zuckerausfuhr die Oxybuttersäure fehlt.
Bei absoluter Fleischdiät tritt dagegen selbst unter physiologischen Bedingungen
Acetonurie ein und gerade von den Kohlenhydraten ist festgestellt, dass sie unab*
hängig von eventuellen Beeinflussungen des Stickstoflumsatzes die Acetonaus-
scheidung herabdrücken. Überhaupt tritt die hier in Betracht kommende Form
der 8äureintoxikation vielfach unter Verhältnissen ein, in denen der Kohlehydrat-
stofi*wechsel wesentliche Abweichungen sonst nicht darbietet
Hierdurch erscheint die ziemlich allgemein bevorzugte Anschauung näher gerückt,
nach welcher die Oxybuttersäure ein Spaltungsprodukt der Eiweisskörper
ist. Auch hier sei, wie bereits gelegentlich der Besprechung der Milchsäure im Chemis-
mus der Autointoxikation nur betont, dass eine ganz prinzipielle Trennung der Frage,
ob das Aceton, bezw. die /J-Oxybuttersäure von den Kohlenhydraten des Organismus
oder von dem N-freien Beste des Eiweissmoleküles herzuleiten sei, unnötig ist:
Die Eiweissstofle sind eine Quelle für die Kohlenhydrate des Körpers. Als ent-
fernter Grund gelten die von Gautier und Etart über die Bildung von Kroton-
saure bei der Zersetzung der Eiweisskörper angestellten Untersuchungen für das Ent-
stehen verwandter Säuren ausEi weiss im Organismus. Das Auftreten von Aldehyden
(Acctaldehyd, Butylaldehyd) bei Oxydation der Eiweissstoflfe könnte vielleicht eben-
falls dafüf verwertet werden. Mehr Berücksichtigung verdienen aber wohl die Spal-
tungsprodukte speziell derjenigen Eiweisskörper, die beim Aufbau der tierischen
Zelle hervorragend beteiligt sind. Es ist nun in der That A. Kos sei gelungen,
einer aus Thymus gewonnenen Nukleinsäure durch Säurebehandlung in relativ
reichlicher Menge Lävulinsäure, als Acetylpropion säure eine Homologe der Acetyl-
essigsäure, abzuspalten. Die Versuche Wein trau ds, diese übrigens nicht spezifisch
giftige Säure mit dem Auftreten der Diaceturie und Acetonurie in Beziehung zu
bringen, hatten insofern ein Ergebnis, als im Harn der Versuchstiere nach Ver-
abreichung grösserer Mengen von Lävulinsäure eine die Acetonreaktion gebende
flüchtige Substanz erschien. Die Mengen des ausgeschiedenen Acetons waren aller-
dings gering. Acetylessigsäure konnte nicht nachgewiesen werden. Wichtiger als diese
vereinzelten analytischen und experimentellen Erfahrungen scheint vorläufig die
604 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
klinische Thatsache, dass fortgesetzte exklusive Eiweissdiät das Eintreten der
Säureintoxikation begünstigt.
Vielfach sind als ausschlaggebende Bedingungen , unter welchen im
Organismus aus Eiweiss Oxybuttersäui'e und Aceton entstehen, zwei Mo^
mente diskutiert worden : 1. die abnorm grosse Zersetzung von cirkulieren-
dem Eiweiss bei reichlicher Fleischzufuhr, und 2. der pathologische Zer-
fall von Organeiweiss. Gewisse Beziehungen zwischen krankhaftem Ge
wcbszerfall und der Bildung der genannten Verbindungen mögen bestehen.
Entscheidend scheinen aber beide Momente nicht zu sein. Fest sticht
dass bei Diabetikern auch ohne sehr reichliche Fleischkost Acetonurie zu
beobachten ist, und in einem Diabetesfalle Weintrauds blieb der Kranke
trotz fortgesetzter Oxybuttersäure- und Acetonausscheidung im Stickstoff-
gleichgewicht!
Wenn man einem bestechenden Ideengange Mi nkowskTs folgen will,
hängt das Erscheinen der Oxybuttersäure vielleicht mit Störungen der nor-
malen Zuckerbildung aus Eiweiss im Körper zusammen. Die Oxybuttersäure
könnte entstehen, wenn an dem N-freien Rest der gespaltenen Eiweiss-
körper die Zuckerbildung nicht im physiologischen Umfange erfolgt Da5s
die Säure eine normale Vorstufe bei der Synthese des Zuckers ist, er-
scheint dabei minder wahrscheinlich, als dass sie erst dann entsteht, wenn
die Bildung von Zucker pathologischerweise behindert ist.
Über das Verhalten der anderweitigen in Betracht kommenden orga-
nischen Säuren bei der Form der Autointoxikation, welche speziell durch
Auftreten der Oxybuttersäure und ihrer Derivate charakterisiert er-
scheint, ist wenig bekannt. Besonders auffallend ist die geringe Zahl von
Fällen, in denen in Oxybuttersäureharuen auch Fleischmilchsäure sich
nachweisen lässt. Hiermit stimmt die experimentelle Erfahrung überein.
dass in den Muskeln durch Pankreasexstirpation diabetisch gemachter
Tiere die Milchsäure nur in auffallend geringer Menge vorhanden ist.
Dagegen erscheinen in allen hier zu betrachtenden pathologi-
schen Prozessen öfter die niederen Fettsäuren in verinehrter
Menge im Urin.
Die /^-Oxybuttersäure, beziehungsweise ihre angeführten Derivate, die
Acetylessigsäure und das Aceton, erscheinen zunächst (alle oder zum Teile)
im Chemismus mehrerer experimentell hervorrufbarer pathologischer Zu-
stände, Obzwar die Mengen, in welchen die genannten Verbindungen
dort auftreten, durchaus nicht ausschlaggebend sind, um ein paroxysmales
Vergiftungsbild zu verursachen, enthalten diese experimentell pathologischen
Prozesse doch im mehrfachen Betracht Andeutungen und Winke auch für
die uns klinisch meist interessierenden Säureintoxikationen.
Zunächst käme hier das allerdings noch recht fragliche Beispiel einer
Die S&uren CoHsnOs im Chemismus der Sftureautointoxikation. 605
durch Exstirpation des Plexus coeliacus bei Kaninchen und
Hunden erzeugbaren Acetonurie zu erwähnen.
Lustig hat bei den genannten Tiergattungen, bei ersteren in überwiegender
Zahl, unter aseptischen Kautelen den Plexus coeliacus exstirpiert. Alle Versuche,
in denen die Wundheilung nicht tadellos war, wurden eliminiert. Die meisten Tiere
starben in der zweiten bis dritten Woche nach der Operation. Starke Abmagerung,
trotzdem die Fresslust und Verdauung der Versuchstiere bis kurz vor dem Tode
ungestört blieb, bildete das hervorstechendste Symptom des Krankheitsbildes. Nach-
dem der Harn in den ersten Tagen nach der Operation zuckerhaltig gewesen war,
trat Aceton auf, welchem später Eiweiss folgte. Die Harnmenge nahm ab und
es zeigte sich ein Nierenepithelien und Blut enthaltendes Sediment Die meisten
Tiere gingen, ohne dass besondere Erscheinungen vorausgegangen wären, plötzlich
zu Grunde. Bei zwei Tieren, die den Eingriff überlebten, verschwanden die Acetonurie
und die Albuminurie allmählich.
Lustig, der eine gleichartige Affektion auch hatte erzeugen können, indem
er Kaninchen mehrere Gramm Aceton pro die durch Inhalation oder per os zu-
führte, trug kein Bedenken, anzunehmen, dass das nach dem Eingriff in den Säften
der Versuchstiere kreisende reichliche Aceton Ursache der Albuminurie, der Nephritis
und selbst des unter komatösen Erscheinungen schliesslich erfolgenden Todes sei.
Über die Entstehungsart, bezw. über die Bildungsstätte des Aceton in seinen Ver-
suchen enthielt sich Lustig jeder Vermutung.
Peiper, welcher Lustigs Versuche bei 16 Kaninchen wiederholte, konnte
die bis zum Marasmus sich steigernde Abmagerung der Versuchstiere bei gesteigerter
Fresslust bestätigen. Er beobachtete ferner ausgesprochene Stuhlretardation. Melli-
turie fand sich nur in den ersten Tagen. Die von Lustig behauptete Ace-
tonurie und Albuminurie vermochte Peiper bei Wochen hindurch
fortgesetzter Untersuchung nur bei zwei Kaninchen in ganz geringem
Grade nachzuweisen. Lustig hatte sich zur Prüfung auf das Vorhandensein
von Aceton der bekannten Methoden von Legal und Le Nobel bedient. Peiper
wendet das zuverlässige und scharfe Verfahren nach Lieben, Reynolds und
Gunning an und ist nicht abgeneigt, in der Verschiedenheit des eingeschlagenen
Reaktionsverfahrens den Grund zu suchen, dass er andere Resultate gefunden.
Die Nephritis in den Experimenten Lustigs möchte Peiper aus der Ver-
wendung des Sublimats zur Desinfektion des Operationsfeldes erklären.
Wenn nun auch Lustig auf Grund neuer, an Hunden und Kanin-
chen ausgeführter Versuche mit ausreichenden Methoden des Acetonnach-
weises nochmals für Acetonurie als Folge der Ausrottung des Plexus
coelianufl eingetreten ist, kann man dieses Symptom nach dem heutigen
Stande unserer Kenntnisse doch nicht als etwas Konstantes und Charak-
teristisches gelten lassen. Wo nach dem genannten Eingriff Acetonurie
gelegentlich als Begleiterscheinung neben den übrigen vorherrschenden
Symptomen beobachtet wird, ist zur Erklärung zunächst an die enorme
Beeinträchtigung in den Funktionen des Darmes zu denken,
606 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
welche in derartigen Experimenten ja auch die Todesursache wird. Wir
werden später noch sehen, wie hervorstechend wenigstens in der mensch
liehen Pathologie Digestionsstörungen verschiedener Art für die Ent
stehung der Situreintoxikation (Acetonurie) in Betracht kommen.
Unter solchen Verhältnissen können weitere Angaben Lustigs, dass auch
Resektion der beiden Nn. splanchnici, Exstirpation des Plexus abdominalis leichte
transitorische Acetonurie verursacht, kein besonderes Interesse beanspruchen. Nur
ganz beiläufig sei schliesslich erwähnt, dass Oddi bei fünf Hunden nach der
Cl. Bernard sehen Piqüre neben Glykurie auch sieben bis neun Tage lang an-
haltende, dann verschwindende Acetonurie beobachtete. Die Tiere zeigten stärkeren
Gewichtsverlust trotz auffallender Gefrässigkeit Das gleiche Resultat sollen auch
Einschneiden des einen Hirnschenkels, einseitige Exstirpationen im Berdche der
motorischen Rtndenfelder, Entfernung eines Kleinhirnlappens haben!
Litteratur.
1. Lustig, A, Arch. p. 1. Scienze Medlche. Bd. 13. S. 129.
2. Peiper, K, Zeitschrift ffir klin. Medizin. Bd. 17. S. 498.
3. Lustig, Lo Sperimentale. Bd. 45. S. 435.
4. Oddi, R., Ebendaselbst. Bd. 45. S. 458.
Bedeutungsvoller ist die Ausscheidung der in Rede stehenden Ver-
bindungen beim künstlichen Phlorhidzin- und beim Pankreas-
diabetes.
Im Phlorhidzin, einem in der Wurzelrinde verschiedener Fruchtbäume sich
findenden Glykosid, hat v. Mering eine Substanz gefunden, welche per os oder
subkutan (auch intravenös) eingeführt bei Gänsen, Hunden, Kaninchen und auch
beim Menschen Glykosurie hervorruft Die Menge des ausgeschiedenen Zuckers
ist dabei unabhängig von der Nahrung. Die Vermittelung der Leber, des Leber-
gljkogens und der Kohlenhydrate des Organismus überhaupt sind für das Zustande-
kommen der Zuckerausscheidung nicht erforderlich. Im Hungerzustand geht dieser
experimentelle Diabetes mit gesteigerter Harnstoffausscheidung, also mit erhöhtem
Eiweisszerfall einher. Es besteht kaum ein Zweifel, dass der ausgeschiedene Zucker
bei den kohlenhydratfreien Tieren direkt vom eingeschmolzenen Eiweiss herrührt.
Die im Harn erscheinende Zuckermenge stellt bei entsprechend gewählten Ver-
suchsbedingungen das höchste Zuckerquantum dar, dessen Entstehung aus dem
umgesetzten Eiweiss theoretisch möglich ist.
Beim Studium der Reaktion kohlenhydratfreier Tiere auf Phlorhizinzufuhr
machte nun v. Mering die Beobachtung, dass einer der vier nach langer
Hungerperiode mit dieser Substanz vergifteten Hunde einen dem
Coma diabeticorum ähnlichen Zustand darbot und dass bei zweien
der Hunde Ausscheidung relativ grosser Mengen von Aceton und
/J-Oxybuttersäure nebst Vermehrung der Ammonausscheidung im
Harn nachweisbar war.
Die Säuren CnHanOs im Chemismns der Säure autoxikation. 607
Das Symptomenbild bei dem komatösen Versuchstier war folgendes: Es lag
auf der Beite, konnte nicht stehen, reagierte auf wiederholtes lautes Anrufen nicht.
Mitunter traten leichte Zuckungen am ganzen Körper auf. Dargereichtes Futter
nahm der Hund spontan nicht. Bei künstlicher Fütterung verschluckte er sich
oftmals. In der Minute erfolgten sechs bis sieben tiefe Respirationen und 150 Pulse.
Der vergorene Harn drehte 1,1 Teilstriche im Zweidecimeterrohr des Soleil-
Ventzkeschen Polarimeters (die quantitative Bestimmung nicht ganz einwandfrei).
Die Oxjbuttersaure konnte dargestellt werden. Der Harn enthielt femer 0,24 ^/o
Ammoniak und roch stark nach Aceton. Mit dem Aussetzen des Phlorhidzin,
bezw. mit sistierender Zuckerausscheidung schwanden auch die
komatösen Erscheinungen bald.
Unter dem Einfluss eines chemisch charakterisierbaren Giftes kommt
es also zum Übertritt von Zucker in den Harn und bisweilen daneben zur
Säureintoxikation. Leider können wir uns über die nähere Art des Vor-
ganges kaum eine bestimmtere Vorstellung bilden und noch weniger den
Zusammenhang der Glykurie imd der Säurevergiftung durchschauen. Die
Zuckerbildung aus Eiweiss, welche an sich jedenfalls einen normalen Vor-
gang im Organismus bezeichnet, ist, chemisch betrachtet, gewiss ein kom-
plizierter Prozess, bei welchen neben Spaltungen und Oxydationen vielleicht
auch Synthesen eine Rolle spielen. Auch ist der Umfang dieser normalen
Zuckerproduktion aus dem N-freien Rest der Eiweisskörper selbst nicht
halbwegs bestimmt zu schätzen. Dass ein Gift eine solche Summe von
chemischen Aktionen ungenügend oder abweichend von statten gehen macht,
ist a priori ganz wohl begreiflich.
Wegen des vielfach beobachteten Fehlens der Hyperglykämie bei der
Phlorhidzinvergiftung, und weil die Nierenexstirpation nach Einführung von
Phlorhidzin nur eine geringere Erhöhung des Zuckergehaltes zur Folge hat,
als beispielsweise die Abtragung des Pankreas, hat man allerdings an-
nehmen zu müssen geglaubt, dass jenes Gift Glykurie verursacht,
ohne eine Hauptrichtung der chemischen Stoffbewegung im
Körper direkt zu stören. Diese Annahme ist aber wohl eine irrige.
Denn das Dogma Gl. Bernards, welches die Hyperglykämie als un-"
erlässUche Vorbedingung der diabetischen Glykosurie bezeichnet, ist durch
die Beobachtungen von See gen und Andern widerlegt. Der genügend
festgestellte Schwund des Leberglykogens beim Phlorhidzindiabetes und
die Fettinfiltration der Leber sprechen ferner gleichfalls eher für eine
Störung des Zuckerumsatzes im Körper unter dem Einflüsse dieses
Giftes, welches sich also wie ein abnormes Histozym zu verhalten
scheint. Vielleicht handelt es sich um eine raschere, beziehungsweise
absolut erhöhte Produktion von Zucker aus Eiweiss. Den bekannt ge-
wordenen Thatsachen nicht widersprechend wäre auch die Annahme, dass
608 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
die Oxybuttersäure und die ihr verwandten Verbindungen indirekt auf
dem chemischen Wege liegen, welchen der N-freie Eiweissrest zur Dextrose
schreitet, indem diese Säuren eine Oxydationsstufe anderweitiger (abnormer?)
intermediärer Produkte darstellen. Das komatöse Versuchstier v. Merings
zeigte allerdings keine auffallend herabgesetzte Zuckerausscheidung vor
dem Eintreten dieses Symptoms.
Litteratur.
1. V. Mering, Zeitschrift fUr klinische Medizin. Bd. 16. S. 431.
2. Creroer, M. und Ritter, A., Zeitschr. für Biolog. Bd. 29. S. 256.
3. Minkowski, Archiv fttr exp. Pathologie. Bd. 31. S. 85.
4. Rosenfeld. G., Zeitschrift f. klin. Medizin. Bd. 28. 8. 256.
Auch im Verlauf des Diabetes nach Pankreasexstirpatiou
können beträchtliche Mengen von Oxybuttersäure, Acetylessigsäure und
Aceton im Harn erscheinen.
Eine regelmässige Folge der Operation bildet das Auftreten dieser Verbin-
dungen jedoch nicht, Minkowski hat ihr Vorhandensein im Harn nur in fünf
Fällen mit Bestimmtheit nachweisen können. In dreien von diesen fünf Fällen
erschien die Oxybuttersäure erst, als der Diabetes bereits wochenlang bestanden
und zu allgemeiner Hypotrophie gefuhrt hatte. In den beiden anderen Fällen
trat die Eisenchloridreaktion relativ bald nach der Operation ein ; die beiden Tiere
gingen auch bald zu Grunde: sie hatten alle Nahrung erbrochen. Die Obduktion
wies Magengeschwüre, Knickung des Duodenums (durch Narben) als Komplikationen
nach. Die Menge der ausgeschiedenen Oxybuttersäure war selbst in den vorge-
schrittenen Stadien des experimentellen Diabetes nur eine massige: in einem Falle
fand Minkowski in dem 24 stündigen Harnquantum etwa 4 g, in den anderen
Fällen bloss 0,5— 2 g. Dass nach Pankreasabtragung diabetisch gewordene Hunde
die in ihrem Körper entstehende Oxybuttersäure noch teilweise zu oxydieren ver-
mögen, hat der direkte Versuch erwiesen. Der Harn eines solchen Hundes, welchem
10 g reines oxybuttersaures Natron verabreicht worden waren, enthielt (bei alkalischer
Reaktion) nur wenig linksdrehende Substanz, aber reichlich Aceton bdzw. Acetjl*
essigsaure.
Hinsichtlich des Auftretens der Oxybuttersäure im experimentelleu
Pankreasdiabetes scheinen ähnliche Erwägungen am Platze, wie bei der
Phlorhidzinglykurie. Von Bedeutung scheint es, dass bei dem erstgenannten
die Säuren erst zu einer Zeit erscheinen, in welcher die Zuckerausscheidung
abnimmt. Es sei auch nicht unterlassen, nochmals auf die auffallend ge-
ringeMenge der Milchsäure in den Muskeln nach Paukreasexstirpatio«
zu verweisen, eine Thatsache, die bereits an früherer Stelle erwähnt wurde.
In einem Falle, in welchem das diabetische Versuchstier nach 22 Tagen
getütet worden war, erhielt Minkowski aus 800 g eine Stunde post
mortem verarbeiteter Muskeln nur 0,2 g Zinklaktat
Die Krankheitsformen des Menschen etc. 609
Litteratur.
1. Minkowski, Archiv ftlr exp. Pathologie. Bd. 31. S. 86.
D. Die Krankheitsformen des Menschen, in deren Verlauf
Sänreantointoxikation infolge von Anhäafnng der /9'Oxy-
bnttersänre nnd der ihr verwandten Verhindangen eintritt.
Klinisches Material zum Studium einschlägiger Fragen der Selbst-
vergiftung liefern akute und noch viel häufiger chronische Krankheits-
prozesse des Menschen. Am schwierigsten zu beurteilen sind in patho-
logischem und selbst in rein kasuistischem Betracht gewisse akute, an-
scheinend selbständige (kryptogenetische) Formen, sowie akute Psy-
chosen. Besser, aber deshalb nichts weniger als vollständig, beurteilen
wir die zu grösserer oder geringerer Intensität anwachsende Säureintoxi-
kation im Diabetes, im Verlaufe der febrilen Infekte, bei Krebs-
kranken, bei progressiv anämischen Individuen, bei Leukämikern
und im Anschluss an verschiedene aus anderen Gründen entwickelte
Formen vorgeschrittener Inanition.
Alle Bemühungen, die vorstehend genannten, sonst vielfach aus-
einanderstrebenden Prozesse unter gleichen Gesichtspunken einander hin-
sichtlich der Genese näher zu bringen, haben bisher wenig Erfolg gehabt.
Als gemeinsam im Krankheitsbilde wurden besonders folgende Momente
diskutiert. Abgesehen von der seltenen kryptogenetischen Form und
derjenigen im Ablaufe fieberhafter Krankheiten handelt es sich um Pro-
zesse mit meist ausgesprochen chronischem, zu progressiver konstitutioneller
Hypotrophie (Kachexie) führenden Decursus. Der Umstand, ob febril oder
nicht, scheint kaum ausschlaggebend. Wenn man sich bloss an das Schluss-
resultat hält, so ist der Charakter des StofEwechsels der meisten hier in
Betracht kommenden Krankheiten vorzugsweise dadurch bezeichnet, dass
grossere oder geringere Mengen von organisiertem Eiweiss auch
unter Bedingungen abgeschmolzen werden, welche dem ge-
sunden Menschen Erhaltung, bezw. Vermehrung des Eiweiss-
bestandes sichern. Die Bedeutung dieses Kriteriums ist aber deswegen
vermindert, weil unter den hier einschlägigen khnischen Bedingungen der
Eiweissumsatz im Organismus und die Intensität der Säureintoxikation
keineswegs direkt parallel verlaufen. Die Bildung von Aceton, Acetyl-
essigsäure mid Oxybuttersäure ist fortgesetzt möglich, obwohl die betref-
fenden Kranken eventuell nur massig grosse Eiweissmengen gemessen
und sich im Stickstoff gleichge wicht befinden. Ich selbst habe sogar bei
Rekonvalescenten nach febrilen Infekten mehrere Tage Oxybuttersäure-
ausscheidung beobachtet! Die wiederholt gemachte Behauptung, nach
Lnbarsch-Oitertag, Ergebnisse Abteilang II. 39
610 Allgem. patboL Morphologie nnd Physiologie.
welcher Diaceturie (Acetonurie) zum Schwinden gebracht wird, wenn
man den Kranken soviel N-freie Nahrung zuführt, dass das Körper
eiweiss geschützt bleibt, ist nicht für alle Fälle einwandfrei nach
gewiesen. Der Umstand, dass Nahrungsaufnahme die Acetonurie eher
herabsetzt, wobei den einzelnen NahrungsstoSen immerhin eine verhältnis-
mässig verschieden grosse Wirkung (die grösste den Kohlenhydraten)
zukommen mag, spricht vor allem nur dafür, dass die in Rede stehen
den Verbindungen nicht einfach aus dem physiologischen Abbau der
Nahrungsmoleküle hervorgehen. Die fehlende direkte Abhängigkeit der
Intensität der Säurevergiftung von der Zahl der zersetzten Eiweissmoleküle
und die (bereits hei-vorgehobene) Thatsache, dass in den einschlägigen
Krankheitsformen SauerstofiEmangel im Organismus meist nicht nachweis-
bar ist, bringt uns die Annahme eines speziellen fehlerhaften Chemismus
des N-freien Restes der umgesetzten Eiweisskörper näher. Wollte man aber
etwa im Hinblick auf die oben erwähnte chemische Abstammung der
Lävuhnsäure aus dem Nukleohiston das Auftreten der Oxybuttersäure
und der verwandten Verbindungen an die Umsetzung speziell der Nu-
kleinsubstanzen knüpfen, so fehlt wenigstens vorläufig die Kongruenz
und ebenso jedwede sonstige bestimmbare Beziehung der Säurevergiftung
mit einem reichlicherem Auftreten der aus den Zellkernen stammenden
AUoxurkörper im Organismus völlig. Letzteres bildet im Gegenteil für
sich das charakteristische Symptom einer ganz abweichenden sauren Dys-
krasie (Harnsäuredyskrasie).
Im Symptomenbilde der hierher gehörigen Krankheitsprozesse spielt
ferner die Anämie eine Rolle. Doch wird es heute wohl kaum jemand mehr
unternehmen, mit Riess die Ursache des bei allen früher genannten Er-
krankungsformen möglichen terminalen Symptomenbildes (Koma) auf rasch
eintretende Himanämie zurückzuführen. Die komatös endenden Diabetiker
brauchen gar nicht stark anämisch zu sein und gerade die mit profuser
Hämatemesis jäh abschliessenden Fälle von Carcinoma ventriculi bieten
den massgebenden Symptomenkomplex des Coma der Carcinomatösen
nicht ausgeprägt dar. Wenn somit auch schwere (perniciöse) Anämie mit
ähnlichen nervösen Affektionen (Coma) enden, ist die Anämie nicht die
direkte Ursache der letzteren.
Weiterhin beobachtet man in der Mehrzahl der einschlägigen Krauk-
heitsprozesse noch mehr oder weniger ausgedehnte Verfettungen ge-
wisser parenchymatöser und auch muskulöser Organe. Unsere theoretischen
Erörterungen über diese pathologischen Prozesse bewegten sich deshalb seit
A. Fränkels Untersuchungen über die Folgen schwerer experimenteller
Dyspnoe vielfach innerhalb der Formel: Sauerstoffmangel und deshalb
gesteigerter Stickstoffumsatz, Fettdegeneration, retardierte Oxydation der or-
Die Krankheitsfonnen dea lAenschen etc. 611
ganischen Säuren. Mit dieser einfachen Formel aber kommen wir nicht
weiter. Die erste Supposüion, der Sauerstoffmangel, fällt hier zu allererst
weg. Die Physiologie der normalen Ernährung kennt ferner keine Fett^
bildung aus Eiweiss. Die pathologischen akuten Fettansamm-
lungen in einzelnen Organen jedoch sind vielfach blosse
Fettmetastasen. Selbst bei der Phosphorintoxikation ist eine wirk-
liche Zunahme der Fette im Gesamtorganismus nicht unzweifelhaft
nachgewiesen. Das metastasierende „Fett" stammt vermuthch meist aus
den Blutkörperchen und dem Toldt sehen Fettgewebe.
Die Toxikologie hat nun aber bereits eine ganze Reihe von Giften nach-
gewiesen, welche im Organismus bei normalem Sauerstoff Vorrat in Blut
und Geweben erhöhten Zerfall von organisiertem eiweisshaltigen Material
(und gleichzeitig eine Steigerung der Harnstoffausfuhr) Zerfall der roten
Blutkörperchen, Gewebs Verfettung, Albuminurie, Auftreten von abnormen
Säuren im Blute und Sinken der Blutalkalescenz als koordinierte Stö-
rungen bevrirken. Wir werden somit den Thatsachen der mensch-
lichen Pathologie keinen Zwang anthun, wenn wir als Punctum
saliens in den oben zusammengestellten krankhaften Prozessen
die Resorption von in bestimmten Geweben gebildeten ab-
normen Umsetzungsprodukten und die Wirkung pathologi-
scher Histozyme (im weitesten Sinne dieser Bezeichnung) an-
nehmen. Eine Hauptquelle dieser Gifte müssen wir nach einer sorg-
fältigen klinischen Analyse der hierhergehörigen pathologischen Prozesse
mit Senator im Darmkanal vermuten.
Die Oxybuttersäure , beziehungsweise die ihr chemisch verwandten
Verbindungen (Acetylessigsäure , Aceton) werden in allen den mehrfach
erwähnten Krankheitsprozessen gelegentlicH zu einem Grade im Organismus
angehäuft, dass die Blutalkalescenz nachweislich absinkt und sonstige Er-
scheinungen von Autointoxikation resultieren. Inwiefern gewisse terminale,
paroxysmenartig oder subakut erscheinende und vorwiegend nervöse Sympto-
menkomplexe mit Somnolenz und Koma ausschliesslich und direkt mit der
Säurevergiftung zusammenhängen und inwieweit anderweitige, beziehungs-
weise mehrfache Ursachen konkurrieren, ist nicht für alle einschlägigen
Fälle bestimmt festgestellt.
a) Diabetes mellitus und Säureintoxikation.
Bei der Säureautointoxikation der Diabetiker ist zunächst der Nach-
weis überschüssiger Produktion bestimmter Säuren im Körper
und deren vermehrte Ausscheidung im Harn mit grosser Sicherheit er-
bracht und dieselbe quantitativ genau studiert. Dies gilt vor allem hinsicht-
39*
612 Allgem. paihol. Moq>hologie und Physiologie.
lieh der in erster Linie in Betracht kommenden Säuren, der /J-Oxybutter
säure und der Acetylessigsäure imd hinsichtlich des schon oft er
wähnten Derivates derselben, des Acetons.
Entdeckt im Diabetikerham wurden die drei genannten Verbindungen in der
umgekehrten Reihenfolge, als in der sie hier, ihrer Dignitat entsprechend, ad]^
zahlt worden sind. Fetter s, Assistent des älteren Prager Klinikers t. Jaksch,
beschäftigte sich anlässlich eines beobachteten Falles von Coma diabetiooni»
zuerst mit der Ausmittelung jenes „geistig'' riechenden Korper im Harn, der bd
Diabetikern schon wiederholt früher, jedoch immer bloss mit dem Geruchsinn, kon-
statiert war. Das Resultat seiner unter Lerchs Leitung ausgeführten Unt^-
suchung war, dass aus Harn tmd Blut ein Körper gewonnen wurde, welcher nacb
seinen physikalischen Eigenschaften und nach seinem chemischen Verhalten geg«D
Schwefelsäure imd Ätzkali für Aceton gehalten werden musten.
Kaulich, Petters Nachfolger, verfolgte den Gregenstand weiter. Er stellte
zunächst — gleichfalls im Laboratorium Lerchs — die fragliche Verbindung aufi
neue dar und wies durch Elementaranalyse und Siedepunktsbestimmung nach,
dass es chemisch identisch sei mit Aceton. To Ileus hat dann später auch die
Dampfdichtebestimmung zur vollkommenen Sicherstellung der Identität nachgetrageo.
Hinsichtlich der Säuren hat zuerst R. v. Jaksch die bereits von Teilens
geäusserten Vermutungen über die Form, in welcher die durch Gerhardt neben
Aceton entdeckte eisenchloridrötende Substanz im Diabetikerham enthalten ist,
die nötige analytische Unterlage gegeben. Auf den Umstand hin nämlich, dass
der damals gleichzeitig von Geuther dargestellte Acetylessigsäure -Äthyläther
(Acetessigester CHg — CO-CHg — COOCgHg) dieselbe burgunderrote Farbe annimmt
auf Zusatz von Eisenchlorid und leicht eine Spaltung in gleiche Moleküle Alkohol,
Aceton und Kohlensäure erfahrt, hatte Gerhardt in der fraglichen Substanz
diesen Äther vermutet und letzteren als Quelle des Acetons im Körper bezeichnet
Vielfache^ zur Losung der Frage nach der Herkunft des Acetons im Diabetikef-
harn gemachte Untersuchungen füErten aber, dieser Anschauung entgegen, zu der
Erfahrung, dass jener Körper nur aus angesäuertem Urin in Äther überging, wo-
durch er sich als Säure charakterisierte. Auch fand Tollens unter den Zer-
setzungsprodukten keinen Alkohol. Den vollen Beweis der sauren Natur der
eisenchloridrötenden Verbindung lieferte nun R.v. Jaksch, indem er das Ammon-,
Baryum-, Zink- und in grösserer Menge das Kupfersalz der Säure darstellte, und
das letztere, allerdings in nicht völlig reinem Zustande, analysierte. Ausserdem
fand er, dass die aus dem Harn gewonnene Säure sich identisch zersetzt, wie die
mittlerweile von Ceres ole dargestellte freie Acetylessigsäure: die wässerige Losung
\ ihrer Salze liefert nämlich bei der Destillation für sich oder mit Säuren Aceton
und Kohlensäure.
Nachdem ferner Hall er vorden in der Naunyn sehen Klinik (Königsberg),
da er die Ammonausscheidung im Harn unter pathologischen Verhältnissen studierte,
bei einer Reihe von Diabetikern eine bedeutende Steigerung derselben nachgewiesen,
es dabei aber noch unentschieden gelassen hatte, ob hier eine Zunahme der nicht
organischen Säuren vorliege oder ob saure Produkte des (Kohlenhydrat- [?])
Diabetes mellitus und Sftureintoxikation. 613
Stoffwechsels das Ammoniak an sich reissen und nach aussen fuhren, gelangte
Stadelmann zu dem Schlüsse, dass im Diabetikerharu eine dort bisher noch
unbekannte Säure in bedeutender Menge vorhanden sein müsse. Stadelmann
selbst gelang es nur, ein Umwandlungsprodukt der eigentlichen Saure zu isolieren;
er erhielt nämlich eine von den Krotonsäuren (und zwar CH3 — CH — CH — COOH).
Das Auftreten einer Krotonsäure im Harn musste jedoch befremden, da für das
Vorkommen von Säuren aus der Reihe der ungesättigten Kohlenwasserstoffe bis
dahin kern Analogen existierte. Mit Rücksicht auf das von Stadelmann bei
der Isolierung angewendete Verfahren vermutete deshalb Minkowski, dass diese
Säure nicht ursprünglich im Diabetikerharn vorhanden sei, sondern erst bei der
Behandlung aus einer anderen Säure hervorgehe. Als solche ergab sich nun die
optisch aktive /?-Oxy buttersäure. Von letzterer ist bekannt, dass sie beim
Destillieren mit Schwefelsäure unter Wasserabspaltung a-Krotonsäure liefert Da-
durch bt also auch der frühere Befund von Stadelmann vollständig aufgeklärt.
Unabhängig von Minkowski und gleichzeitig hat Külz die Oxybuttersäure im
Diabetikerham gefunden.
Milchsäure ist im Diabetikerham jedenfalls nur ein seltener Befund.
Es liegt zwar eine gegenteilige Angabe von Bouchardat vor. Dieser wollte
Milchsäure in relativ beträchtlicher Menge nachgewiesen haben: erstens bei den
Diabetikern der schweren Form, wenn sie keinem strengen Regime unterworfen
sind, zweitens, bei Greisen mit Glykurie, deren Blase sich unvollständig entleert,
drittens wenn zuckerhaltiger Harn einige Zeit konserviert ist Nie sind aber diese
x\ngaben bestätigt worden. Stadelmann, der im Harn eines Diabetikers 4,5 g
Gärungsmilchsäure pro Tag fand, musste auf Grund einer speziell darauf gerichteten
Untersuchung die von Hallervorden ganz allgemein geäusserte Vermutung,
nach welcher Milchsäureausscheidung der Grund der erheblichen Ammoniakver-
mebning im Diabetikerham sei, abweisen.
In einzelnen Fällen von Diabetes enthält der Urin flüchtige Fettsäuren.
V. Jak seh konnte diesen Befund in acht untersuchten Fällen allerdings nur ein-
mal machen.
Die spezielleren Bedingungen der Aceton- und Oxybuttersäureaus-
scheidung im Decursus des Diabetes mellitus sind vielfach studiert und
an früherer Stelle bereits teilweise erörtert.
Acetonurie kommt> dies sei nochmals betont, bei Diabetikem auch ohne reichlichen
Fleischgenuss zur Beobachtung. Aceton-, Acetylessig- und Oxybutter^ureexkretion sind
selbst im N-Gleichgewicht möglich. Das Verhältnis des ausgeschiedenen Acetons
zum Stickstoff unterliegt Schwankungen. Nahmngsaufnahme setzt die Acetonaus-
scbeidung herab. In prognostischer Beziehung haben wir beim Diabetesden Umfang
der Oxybuttersäurebildung in erster Linie beachten gelernt Die Oxybutter-
säure weist zu allererst auf das drohende Koma hin. Hirschfelds
einseitige Betonung der prognostischen Bedeutung der Acetonausscheidung hat
wegen des fehlenden Parallelismus zwischen dieser und der Oxybuttersäureexkretion
mit Recht keinen Anklang gefunden. Bei Diabetes bewirkt die Verabreichung
von Alkali unter Umständen (ohne Stömng des Stickstoffgleichgewichtes) gegen
614 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
die Erwartung eine Steigerung der Acetonurie. Vielleicht hat man es hierbei mit
einer oxjdationsbefordernden Wirkung des Alkali zu thun.* Von der in vennehrter
Menge gebildeten Oxybuttersäure erscheint ein grosserer Teil als Aceton im Hara
und die Oxjbuttersaureexkretion als solche bleibt scheinbar unverändert Im Fieber
verhalten sich diese Dinge einfacher: dort gelingt es vielfach, durch Alkalidar-
reichung die Acetonurie zu verringern. Bekanntlich verschwindet die nach Kohlen-
hydraten tziehung zu beobachtende physiologische Acetonurie sofort, wenn Eohloi-
hydrate wieder gereicht werden. Auch die diabetischen Aceton- und Acetyl
essigsäureexkrete gehen herunter bei Verabreichung von Kohlen
hydrate n. Man hat sich hier gedacht, dass beim Abbau der Nahrungsmole-
küle (Kohlenhydratmoleküle) durch die Aktivierung von Sauersto£F eine sekun-
däre Oxydation dieser Verbindungen nach ihrer Bildung kommt. Glyoerin setzt
gleichfalls die Acetonausscheidung herab (steigert aber die Glykurie). Ob dies
etwa mit der Art des Abbaues des Traubenzuckers zusammenhängt, ist nicht er-
forscht
Die weitere Begründung der Analogie der diabetischen Intoxikation
mit der experimentellen Säurevergiftung ist ebenso wie der Nachweis über-
schüssig produzierter Säuren im diabetischen Organismus vor allem das
Verdienst der Schüler Naunyns. Allerdings war sieh bereits Külz über
die Bedeutung des Verlustes klar, welchen der Organismus durch die Aus
fuhr der Oxybuttersäure erleidet. In einem letal verlaufenen Falle l>e-
rechnete er die Menge der in 24 Stunden ausgeschiedenen Säure auf 226,5 g.
Minkowski aber schaffte, nachdem er zunächst durch entsprechende
klinische Beobachtungen den Zusammenhang zwischen Oxybuttersäure und
Coma diabeticorum nahegelegt hatte, bestimmte Klarheit darüber, dass für
eine spezifisch toxische Wirkung der Säure und ihrer Verwandten keine
ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen. Er wies nach, dass während des
Koma die Menge des Acetons ab-, der Säuregehalt jedoch zunahm. In der
Unterschätzung der toxischen Wirkung des Acetons ist er allerdings vielleicht
zu weit gegangen, und es scheint mir, als ob man hier dem älteren Stand
punkte grössere Zugeständnisse machen müsse. Entschieden verunglückt ist
der von Stadelmann und Minkowski zu Gunsten der Annahme einer
Säurevergiftung versuchte Hinweis auf den therapeutischen Erfolg der
Zufuhr von Alkalien in klinischen Fällen von Coma diabeticorum. Auf
Grund von 12 einschlägigen eigenen Beobachtungen ist Referent in der Lage.
zu berichten, dass durch Injektion von kohlensaurem Alkali in die Venen,
das subkutane Zellgewebe und den Darm in den von Stadelmann vor-
geschriebenen Mengen vielleicht vorübergehende Besserung erzielbar ist,
dass aber schliesslich die Harne anhaltend saure Reaktion darbieten und
der tödliche Ausgang nicht abgewendet wird. Viel wichtiger als die beiden
vorstehend erörterten Argumente ist zur Begründung der vollkommenen Ana-
logie zwischen diabetischer und Säureintoxikation im Sinne unserer früher
Diabetes mellitus and Sftareiotozikation. 615
entwickelten Grundsätze die Herabminderung der Alkalescenz des
Blutes während des Koma nachzuweisen. Dieser Beweis ist nunmehr
durch (Frerichs, v. Jaksch) Minkowski und Referenten sowohl
durch titrimetrische Bestimmungen als durch den Nachweis des verminderten
C'O^ -Gehaltes im Blute sicher erbracht. Minkowski hat bloss indirekte
Bestimmungen der Blutalkalescenz , nämlich COg-Bestimmungen im venösen
und arteriellen Blute von an diabetischer Intoxikation erkrankten Individuen
ausgeführt und sich dabei der gasanalytischen Methode bedient. Ich
selbst hatte im ganzen in 13 Fällen Gelegenheit, Blutuntersuchungen aus-
zuführen und das Bestehen einer Säureintoxikation zu erweisen. (Über
zwei Fälle ist schon an andrer Stelle berichtet.) Ich fand Werte von
12,44, 9,83, 19,54, 19,62, 15,50, 19,33, 17,40, 10.50, 10,20, 19,77, 18,50,
19,38, 10,59 Vol. ®/o (bei 76 cm Druck). Diese Kohlensämrewerte stehen
wenigstens zum Teil den Zahlen nahe, welche bei experimenteller Säure-
vergiftuug erhalten wurden. (Titrimetrische Bestimmungen der Blutalkales-
cenz wurden nur in 3 dieser Fälle gemacht, sie ergaben alle abnorm nied-
rige Werte. In einem Falle mit 12.44 Vol. ®/o CO^ stellte sich eine sehr
hohe Basenkapazität, 0,347 g Na(HO) pro 100 cc Blut heraus). 1887 ist es
Hugouneng gelungen, die Oxy buttersäure auch im Diabetikerblut direkt
nachzuweisen (4,27 pro Mille I). In einem Falle von allgemeiner Lähmung
und schwerem Koma (52jähriges Weib im apoplektischen Insult) fand ich
bei stark aceton- und zuckerhaltigem Harn (1,9 ®/o Dextrose nach der Dreh-
ung) 38,0 Vol. ®/o COg im Venenblut. Die während des Lebens im übrigen
zweifelhafte Haemorrhagia cerebri wurde thatsächlich durch die Sektion
nachgewiesen. Die letztere Beobachtung beweist, ebenso wie ähnliche Erfah-
rungen von Minkowski die diagnostische Verwertbarkeit der herabge-
setzten Blutalkalescenz in unsicheren Fällen. Weder der Diabetes, noch die
in einem anderweitigen Koma tief darniederliegenden Funktionen des Or-
ganismus verursachen eine Verminderung der Blutkohlensäure, sobald eine
abnorme Säureproduktion nicht besteht.
Nach Massgabe je einer Beobachtung von Löpine, mir selbst
und Rumpf giebt es allerdings komatöse Zustände bei Diabetikern ohne
Ausscheidung von Oxybutter- und Acetylessigsäurel Allein
diese Form des Koma scheint relativ selten zu sein und ist bisher patho-
genetisch ganz unaufgeklärt.
SchliessUch kommt noch die Frage der symptomatischen Ver-
gleichbarkeit in Betracht. Die Erscheinungen, unter welchen das Coma
diabeticorum zu verlaufen pflegt, sind nach dem vorliegenden relativ
reichen kasuistischen Material im wesentlichen folgende:
1. Eine Dyspnoe besonderer Art. Bei fehlenden Symptomen, die auf
Stenosierung der Leitungen deuten würden, scheinbar hoch gesteigerter
616 Allgem. pathol. Morphologie und Thysiologie.
Lufthunger. Sowohl die Qual der Beengung, welche der Patient leidet,
als die angestrengte Thätigkeit der Atemmuskelu („grosse" Respiration),
das hörbare, bisweilen selbst stöhnende Geräusch, welches der in- und ei-
spiratorische Luftstrom im Larynx hervorruft und die Beschleunigung der
sonst regelmässigen Atemzüge (bis 40 pro Min.) weisen darauf hin. Das
venöse Blut strömt augenscheinlich leicht gegen den Thorax. Erst spiit.
wenn sich Lungenödem entwickelt, kann statt der Blässe sich Cyanose ein-
stellen. Mit der Stärke und Zahl der Respirationen kontrastiert auffallend
die allgemeine Muskelschwäche.
2. Die beschleunigte Herzthätigkeitund die Frequenz des Radial-
pulses geht bis 120, selbst bis 190; die Einzelpulse sind klein, schwach,
aber regelmässig. In 5 von meinen eigenen Beobachtungen von diabetischer
Intoxikation, in denen genau darauf geachtet wurde, sistierte die respira-
torische Thätigkeit vor der kardialen.
' 3. Im Ablaufe der Vergiftung kühlen die Kranken aus; die Achsel-
höhlentemperatur kann bis auf Werte um 35® herum sinken.
4. Bestehen (meist vorübergehender) Aufregungszustände, Stöhnen,
Schreien, Jactation, Konvulsibilität , der schon aus Petters erster Schilde-
rung bekannte komatöse Zustand. Er entwickelt sich manchmal schon
sehr bald, 1 Stunde nach Beginn der Dyspnoe, oft auch später. Das
Koma kann bis zur absoluten Anästhesie und allgemeinen Paralyse fort-
schreiten. Die Pupillen sind meist eher verengt als weit. Der Exitus er-
folgt 20 — 40 Stunden nach Beginn der Dyspnoe.
5. In einem auffallend grossen Prozentsatz der Fälle ist die Vergiftung
eingeleitet durch gastrische und intestinale Störungen: Kardialgie,
Dyspepsie, Meteorismus, Obstipation.
Ein Vergleich dieser Symptome mit dem Vergiftungsbilde der ex-
perimentellen Säureintoxikation lässt gewisse Analogieen nicht verkennen.
Gemeinsam sind die eigentümliche Dyspnoe, die Pulsbeschleunigung, die
vorausgehende Respirationslähmung, das Auskühlen. Selbständiger
im klinischen Bilde der diabetischen Intoxikation stellt sich
das Koma dar. Doch müssen wir uns erinnern, dass wir das prägnante
Bild der Säure Vergiftung bloss vom Kaninchen kennen.
Die angeführten Berührungspunkte sind zahlreich und bedeutungsvoll
genug, um die hypothetische Auffassung des Coma diabeticorum
als Säureautointoxikation weit über alle älteren einschläg-
igen Theorieen zu stellen. Zu erwägen bleibt aber noch, ob das
ganze klinische Symptomenbild in allen Einzelheiten nur durch
Säurevergiftung im strengen Wortsinn hervorgerufen wird ? Dies ist aller-
dings minder wahrscheinlich. Auch erscheint die letzte Ursache des
Coma diabeticorum durch eine solche Auffassung noch nicht aufgeklärt,
Die Säureauiointozikation sui generis. 617
da ja feststeht, dass weder zwischen Diabetes an sich, noch zwischen koma-
tösen Prozessen im allgemeinen und Säurevergiftung ein direkter Zu-
sammenhang besteht. Ref. scheint es naheliegend, diese letzte Ursache in
Giften aus dem Intestinal trakt zu verinut^n.
Litteratur.
1. V. Jaksch, über Acetonurie und Diaceturie. Berlin 1885. (Fasst die übrigen ein-
schlägigen Arbeiten dieses Forschers zusammen.)
2. Minkowski, Arch. für exp. Pathologie. Bd. 18. S. 35.
3. Külz, Zeitschr. für ßiol. Bd. 20. S. 165.
4. Stadelmann, Arch. für exp. Pathologie. Bd. 17. S. 419. Deutsches Arch. f. klin.
Med. Bd. 37. S. 580 und Bd. 38. S. 302. Therap, Monatshefte 1887, Novemberheft.
Tageblatt der 60. Versamml. der Naturforscher 1887, S. 126 u. s. w.
5. Hallervorden, Arch. für exp. Pathologie. Bd. 12. S. 237.
6. Wolpe, Ibidem. Bd. 21. S. 157.
7. Minkowski, Mitteilungen der med. Klinik. Königsberg 188S. S. 174.
8. Kraus, F., Zeitschrift für Heilkunde. Bd. 10. S. 106.
9. Lupine, Rävue de möd. Bd. VIT. S. 224.
10. Alhertoni, Archiv für exp. Pathologie. Bd. 18. S. 218.
11. Rosenfeld, Dissertation Breslau 1885.
12. Ephraim, Dissertation. Breslau 1885.
13. Jan nicke, Deutsches Archiv f. klin. Medizin. Bd. 30. S. 108.
14. V. Engel, Zeitsohr. für klin. Medizin. Bd. 20. S. 520.
15 Hir Sehfeld, Deutsche med. Wochenschrift 1893. S. 914.
16. Mflnzer u. Strasser, Arch exp. Pathol. Bd. 32. S. 372.
17. Weintrand, Bibliotheca medica. Heft 1. 1893. Arch. f. exp. Pathol. Bd. 34. S. 169
u. 367.
18. Frerichs, Zeitschr. für klin. Medizin. Bd. VI. S. 1.
19. V. Jak seh, Zeitschr. für klin. Medizin. Bd. XL S. 307.
20. Nobel, Centralbl. med. Wissenschaften. 1886. S. 641.
21. Lupine, R^vue de m^d. Bd. VIII. p. 1004.
22. V. Rokitansky, (Loebisch), Wiener med. Jahrbücher. 1887. S. 205.
23. Bonchardat, Glykosinurie 1875. S. 17.
24. V. Noorden, Pathol. des Sto£fwechsels. Berlin 1893.
25. Rumpf, Berliner klin. Wochenschrift. 1895.
b) Die Säureautointoxikation sui generis.
Das hier einschlägige klinische Material ist allerdings noch ein sehr
dürftiges und teilweise gerade der uns meist interessierenden Einzelheiten
wegen wenig genau und unvollständig untersuchtes.
Fünf Fälle von Acetonurie infolge kryptogenetischer Autoin-
toxikation hat V. Jaksch beobachtet, einen weiteren Fall beschrieb Pawinski
als Asthma acetonicum, welchen er dem von v. Jaksch als Epilepsia
acetonica bezeichneten 5. Fall an die Seite stellt. Ausserdem wurde ein der-
artiger Fall von Juf finge r mitgeteilt. In den beiden letzteren Beobachtungen ist
über Diaceturie nichts angemerkt. Das Gleiche bezieht sich auf einen von Tuozek
Teröffentlichten Fall mit epileptiformen Anfällen nach An tipyrin Vergiftung
618 All gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
bei einem 4jährigen Kinde. Ferner erwähnt Stumpf Acetonarie als regel-
mässigen Befund bei puerperaler Eklampsie und ist geneigt, die^be
als Symptom einer Autointoxikation, der „Aoetonämie'S aufzufassen. Baginekj
findet bei Kindern mit eklamptischen Anfällen den Acetongehah
des Harns enorm gesteigert, hält aber die Acetonämie nicht für die Ur-
sache der Anfälle. Auch nach v. Jaksch würde ein Teil der als Eklampsia
infactum beschriebenen Fälle hierher gehören. Mehrfach beobachtet ist Kon-
gruenz von Diaceturie und gestörter Darmfunktion. Gerhardt faod
Eisenchloridreaktion wiederholt bei Alkoholisten. v. Jaksch sah Diacetarie
bei Psychosen und zweimal bei Enterostenose. Das Vorkommen von
Aceton und Acetylessigsäure im Harn bei akuten Psychosen ist mir
von mehreren Psychiatern bestätigt worden. Vergiftungen (mit Schwefel-
säure nach G. Hoppe-Seyler, mit Atropin nach Senator, mit Extractum
filicis maris nach Schrack) können, doch wohl gleichfalls vom Darme her,
Diaceturie verursachen. Litten beobachtete positive Eisen chloridreaktion 1 4 mal
bei Krankheiten des Digestions- und chylopoetischen Apparates (Coma dyspep-
ticum). Lorenz hat ebenfalls eine Reihe von Fällen mitgeteilt, in denen es
sich um Acetonurie bei primärer Erkrankung des Magens und Darms
(und zwar sowohl um funktionelle als auch um meist chronische einchlägige Pro-
zesse) handelt. Er fand nicht bloss Acetonurie, sondern, weni^tens in einzeben
Fällen auch Diaceturie höherer Intensität. Vielfach Hess sich nachweisen, dase
die Schwere der übrigen Krankheitserscheinungen in geradem Verhältnisse stand
mit der Acetonurie und dass mit dem Abklingen der Symptome entweder gleich-
zeitig oder bald nachher auch die letztere verschwand. Häufig konnte Lorenz
Aceton in den Fäkalien, und im Erbrochenen finden. Auf /?-Oxy buttersäure
wurde nicht in allen Fällen geachtet, wiederholt aber konnte dieselbe nachge-
wiesen werden. Die von Lorenz in Untersuchung gezogenen Krankheitsprozesse
waren sog. Magenkatarrhe, Ulcus ventriculi, Gastroduodenalkatarrh,
akute Gastroenteritis, Darmocclusion, Peritonitis, tabische gast-
rische Krisen, hysterische Magenneurosen, Eklampsie (Puerperium),
Encephalopathia saturnina, epileptiforme Zustände bei Kindern.
Das grösste Interesse verdienen natürlich solche hierhergehörige Beobachtungen,
in welchen es sich um wirklich paroxysmale Selbstvergiftungen mit
letalem Ausgang handelt. Zwei hierhergehörige, wenn auch unvollständige
Beobachtungen vermag ich selbst mitzuteilen.
Prof. Kahler übergab mir seinerzeit die Notizen über folgenden (in Prag beob-
achteten) Fall: Er hatte die 35jährige Frau vor 5 Jahren zuerst kennen gelernt,
damals waren im Anschluss an akut eingetretene dyspeptische Beschwerden 5 Wochen
nach einem normalen Partus bei der selbst stillenden und stark essenden Patientin
meningeale Reizerscheinungen aufgetreten. Die Kranke tobte förmlich über die
äusserst intensiven Kopfschmerzen, wiederholt stellten sich in einzelnen Muskel-
gebieten Zuckungen ein. Alle Reflexe waren gesteigert, die tieferen Teile druck-
empfindlich. Fieber bestand nur einen Tag und in geringer Intensität Der Stuhl
war verstopft. Hinsichtlich des Harns wurde bloss angemerkt, dass er Spuren voo
Die Säureaatointoxikation sui generis. 619
Eiweiss und ferner Aceton enthielt, letzteres auch, nachdem die Temperatursteigerung
beseitigt und die Patientin bereits rekonvalescent war. Die Prognose wurde sehr
ernst gestellt, da sich im Verlaufe der ersten Beobachtungstage eine deutliche
Neuritis optica, besonders rechts, entwickelte, und ausgesprochene Sehstörungen
sich geltend machten (welch letztere allerdings nicht genauer präcisiert sind). Nach
5 — 6 tagiger Dauer der schweren Cerebralsymptome sistierte das Brechen, es stellten
sich auf ein Abführmittel reichliche Stuhlentleerungen ein und die Kranke erholte
sich rasch und vollständig. Im Laufe der folgenden Jahre wurde der Harn nicht
weiter beachtet. Die Stauungspapille blieb bestehen. Cerebrale Symptome
fehlten sonst ganz. Die Patientin gebar dazwischen noch einmal. Fünf Jahre
nach der ersten Erkrankung abermals ein akuter Magendarmkatarrh „ohne nachweis-
liche besondere Ursachen". In der zweiten Woche desselben wurden sehr heftige Kopf-
schmerzen, Delirien konstatiert, keine Krämpfe, wohl aber allgemeine Muskelschmerzen
und gesteigerte Sehnenphänomene. Wiederum sehr ausgeprägte Sehstörung ohne
neuerlich nachweisbare Veränderung am Augenhintergrund. Am 11. — 12.' Krank-
heitstage „Acetongeruch" und Koma. Den Harn der Patientin während dieser Er-
krankung habe ich selbst zweimal untersucht. Er enthielt keinen Zucker, dagegen
deutlich nachweisbare Spuren von Eiweiss, reichlich Aceton, Acetylessigsäure. Im
Eindecimeter-Rohr drehte femer der Harn einmal 11, einmal 14 Minuten links,
er enthielt sonach wohl Ozybuttersäure. Da mir das Tagesquantum unbekannt
blieb, vermag ich über die ausgeschiedene Menge nichts weiter anzugeben. Die
Patientin starb, eine Obduktion wurde nicht ausgeführt. (Die Möglichkeit einer
cerebralen AfTektion muss ich somit dahingestellt sein lassen.)
Einen dieser leider mangelhaften klinischen Beobachtung analogen Fall
habe ich in der Litteratur nicht aufßnden können. Auch das reiche Material der
Wiener Klinik hat uns trotz speziell darauf gerichteter Aufmerksamkeit nichts
Ähnliches zukommen lassen. Ich war deshalb Herrn Dr. Müller, Assistenten der
oculist Klinik, für folgende Notizen aus einer einschlägigen Krankengeschichte
höchst dankbar.
Patientin giebt an, am 22. XII. (Jahreszahl fehlt) noch gut gesehen zu
haben (sie hatte damals noch ganz gut einen Brief geschrieben). Am 23. XIl.
sah sie des Morgens sehr schlecht. Dieser Zustand veränderte sich nicht weiter
bis zur Untersuchung durch Dr. Müller am 30. XII. Müller fand die rechte
Pupille etwas weiter als die linke; beiderseits gute Reaktion auf Licht und Kon-
vergenz. Papille in ihren Grenzen leicht verwaschen und gerötet. Die Venen, nament-
lich die kleineren in der Maculargegend, stark geschlängelt. In der Macula selbst
keine Veränderungen. Die Annahme einer retrobulbären Neuritis wurde gestützt
durch die Untersuchung des Gesichtsfeldes. Diese wurde mittels einer Eprouvette vor-
genommen, die mit Kali hypermanganicum gefärbt war und hinter welche das Licht
gehalten wurde. Patientin konnte nur in der Peripherie des Gesichtsfeldes die Farbe
angeben. Visus R.: Finger in ^/s m; L.: Handbewegung. Kein Zucker; kein
Eiweiss.
31. XIL Gesichtsfeld mit Wolle aufgenommen. Patientin ist etwas be-
nommen und muss wiederholt gefragt werden, ehe sie Autwort giebt. Dabei kann
620 Allgem. patbol. Morphologie nnd Physiologie.
man doch wieder bestimmt ein grosses centrales Skotom fiir Blau, Rot und Grün
nachweisen. Gelb wird überhaupt nicht erkannt. Reaktion der Pupillen gut
Virus R.: Handbewegung, L.: nur vor dem Auge. Bei Druck auf die Bulbi giebt
Patientin Schmerzhaftigkeit an und fahrt kraftig zurück.
2. I. Die Pupillen noch starker gerötet, ein wenig geschwellt, die Venen
wie am 30. XII. Patientin ist in ultimis. Pupillen reagieren. Gestorben 2. L
Die Sektion am 3. I. ergiebt quoad cerebrum nichts, desgleichen in den Meningen
negativer Befund. Magen-Darmkatarrh. Sehr kleines Herz und enge Aorta.
Am 2. I. war (Klinik des Herrn Hofrat Nothnagel) viel Oxybutter-
säure (2,5^/o) im Urin gefunden worden. Die Leichenteile rochen
nicht nach Aceton.
Das diesen beiden Fällen Gemeinsame tritt sehr prägnant hervor. Sympto-
matisch bemerkenswert erscheint mir besonders die in dem einen Falle sicher ge-
stellte, im ersten Falle zu vermuthende retrobulbäre Optikusaffektion. Ich habe
seither in einer grösseren Zahl von Fällen von Retrobulbämeuritis ungicherer
Ätiologie wiederholt die Harne ganz vergebens nach der gleichen Richtung unter-
sucht. — Es ist wenigstens sehr wahrscheinlich, dassjene beiden nicht diabe-
tischen Individuen einer Säurein toxikaton intestinalen Ursprungs erlegen sind.
Das in den vorstehend angeführten Beobachtungen zahlreicher Autoren
niedergelegte khnische Material erscheint trotz aller anhaftenden Mängel be-
reits genügend, einen genetischen Zusammenhang zwischen ge-
wissen Digestionsstörungen und Säureautointoxikation (und zwar
mit Säuren von der Zusammensetzung CnH2n08 und deren nächsten Derivaten)
zu begründen. Wenn man dann ebenso alle sonstigen klinischen Formen
dieser Säurevergiftung, also ausser der kryptogenetischen auch die infektiöse,
die diabetische, die carcinomatöse Form in dieser Richtung vergleicht, tritt
überall das überaus häufige Zusammentreffen von Magendarm-
erscheinungen und Säureintoxikation genügend hervor. Die Regel-
mässigkeit, mit welcher sich, wie Lorenz nachwies, die leichteren Intensitäts-
grade der Vergiftung, besonders die Acetonurie, bei Magendarmaffektionen
findet, übertrifft entschieden die Häufigkeit der Acetonurie bei Infekten, beim
Diabetes, bei Carcinomen und Inanitionszuständen. Das Verhältnis zwischen
Störung der Darmfunktion und Acetonurie muss geradezu als ein ganz ge-
setzmässiges anerkannt werden. Die Säurevergiftung bei Digestionsstörungen
stellt nun aber eine Reihe dar, die von den leichtesten Formen, in denen
die Acetonausscheidung über die physiologischen Grenzen nur wenig hin-
ausgeht, einen fortschreitenden Übergang zeigt zu den hervorragenden h-
toxikationen mit Oxybutter-, Acetylessigsäure und Aceton und zum tödlichen
Ausgang. Es existiert nicht bloss eine klinische Erscheinungsform
der Säureautointoxikation bei Digestionsstörungen; man wird
vielmehr kaum fehl gehen, wenn man die schwere Säurever-
giftung sui generis (die kryptogenetische Form) auf den Darmtrakt
Die Säureaatointoxikation sni generis. g21
bezieht, und es dürfte sich vielleicht überhaupt herausstellen, dass alle
sonstigen klinischen Formen der Säurevergiftung ebenfalls accidentelle
intestinale Autointoxikationen sindl
Wenn sich nun aber auch direkt nachweisen Hesse, dass der Darm
wirklich die letzte Quelle aller einschlägigen Formen der Selbstvergiftung
birgt, darf doch weder gestörte Darmfunktion an sich, noch das Aceton und
die Säuren CiiHnaOs als einzige Ursache der so verschiedenartigen Symp-
tomenbilder der kryptogenetischen Säureintoxikation aufgestelR werden.
Weder das Experiment noch die klinische Beobachtung berechtigen hierzu.
In vielen Fällen ist hier vermutlich das Auftreten der Säuren bloss ein be-
quem feststellbares Symptom einer komplexen, bisher nur unvollständig
erkannten, vom Darme herrührenden Nutritionsstörung ; das Disparate der
Vergiftungsbilder wird sich auf verschiedene erst zu ermittehide toxisch
wirksame Komponenten beziehen. Trotzdem bleibt mindestens der
diagnostische Wert des Acetons und der Säuren auch für diese Fälle
bestehen.
Die Bildung der Säuren und des Acetons im Darmkanal selbst und eine
nachträgliche Aufnahme derselben in die Säfte, wie dies teilweise Litten
un(l V. Jaksch angenommen haben, ist wenig wahrscheinlich. Die Aceton-
menge im Magendarminhalt ist der im Harn ausgeschiedenen Menge der
entsprechenden Verbindung gegenüber, rein analytisch betrachtet, zu gering-
fügig, als dass ernstlich eine solche Bildung der Säuren und des Acetons
im Darmkanal selbst in Betracht gezogen werden könnte.
Litteratur.
1. Petters, Prager Vierteljahrschrift. 19. Jahrg. 8. 81.
2. K an lieh. Ehendaselbst. 17. Jahrg. 3. 58.
3. Senator, Zeitschrift für klin. Med. Bd. VII. S. 235.
4. Litten, Ebendaselbst. Bd. VII. Sappl. S. 81.
5. y. Jaksch, Ebendaselbst. Bd. X. S. 362 nnd: Über Acetonurie u. Diacetnrie. S. 126.
6. Pawinski, Berlin, klin. Wochenschrift. 1888. Nr. 50.
7. Juffinger, Wiener klin. Wochenschrift. 1888. Nr. 17.
8. Tnczek, Berliner klin. Wochenschrift. 1889. Nr. 17.
9. Stumpf, Verhandinngen der deutschen Gesellschaft für Gyn. I. Kongress 1886. S. 169.
10. Baginsky, Archiv f&r Einderheilkunde. Bd. 9. Nr. 1.
11. Gerhardt, Wiener med. Presse. 1865. Nr. 28.
12. Hoppe-Seyler, G., Zeitschr. für klin. Med. Bd. VI. S. 478.
13. Schrack, Jahrb. für Kinderheilkunde. Bd. 29. S. 411.
14. Lorenz, H., Zeitschrift für klin. Medizin. Bd. 19. S. 1.
Febrile Saureintoxikation.
Litteratur.
1. Geppert, Zeitschrift für klin. Med. Bd. IL S. 255.
2. Minkowski, Arch. für exp. PathoL Bd. 19. S. 209.
622 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
3. Kraus, Zeitschr. f. Heilk. Bd. 10. S. 1.
4. Drouin, Hämo-alcolim^trie. Paris 1892.
5. Witticowski, Arch. für exp. Pathol. Bd. 28. S. 233.
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Sattreintoxikation der Carcinomatösen.
Litteratur.
1. Klemperer, G. , Charit^ Annalen. Bd. 15. S. 151 nnd Berliner klin. Wochenschrift
1889. Nr. 40. Charit^-Annalen. Bd. 16. S. 138.
2. V. Jak seh, IL Kongress fttr innere Med. S. 269.
3. Gärtig, Dissert. Berlin 1890.
Die Folgen der £ckdchen Fistel zwischen der unteren Hohl-
vene nnd der Pfortader für den tierischen Organismas.
Es giebt Autointoxikationeu mit Produkten des intermediären Stoff-
wechsels, in deren Chemismus Säuren mit vorwiegend spezifisch-toxi-
scher Wirkung eine hervorragende Rolle spielen. Vor allem ist hier
die Carbaminsäure Nllg— COOH, das Anfangsglied der Amidosäurereilie
(CnH2ii(NH#) — COOH), ein saures Produkt bei der Umsetzung der Eiweis-
körper in ihre Endprodukte, anzuführen.
Diese Säure ist (wenigstens höchstwahrscheinlich) der Grundfaktor
eines experimentell hervorrufbaren Vergiftungsbildes, welches wegen
seiner hypothetischen Beziehung zur Urämie des Menschen
aus pathologischen Gesichtspunkten das höchste Interesse be-
ansprucht.
Als M. Nencki, Pawlow, Maassen und Hahn bei Hunden die
Ecksche Venenfistel anlegten, durch die das Pfortaderblut aus dem Leber-
kreislauf ausgeschaltet und direkt in die untere Hohlvene geleitet wird,
machten sie an den Versuchstieren, welche den Fährlichkeiten des Ein-
griffes entrannen, die nachstehenden Beobachtungen und Untersuchungen.
Die Leber der Tiere verfällt dabei in verchiedene Grade einfacher Atrophie
und progredienter Verfettung.
Ein grosser Teil der operierten Hunde verändert plötzlich für kurze oder
längere Zeit seinen Charakter. Aus sanften und gehorsamen Tieren werden böse
und störrische. Diese Reizbarkeit mildert sich allmählich, aber oft ist diese Ruhe
nur der Vorläufer eines neuen Wutausbruchs; das Tier ist dann in rastloser Be-
wegung, es dreht sich im Käfig hin und her, steigt an den Wänden in die Höhe,
benagt alles, überschlägt sich, verfallt in klonische und tetanische Krämpfe. Auch
ist eine grössere Atmungsfrequenz bemerkbar. Neben dieser Excitation stellen sich
auch Symptome von Depression ein. Es geht oft ein komatöser Zustand, eine
allgemeine Schwäche der geschilderten Erregung voran. Das Versuchstier bleibt
liegen, erhebt sich nicht, wenn man es ruft, und schläft fast die ganze 2ieit Wird
es gezwungen sich zu erheben, so schwankt es, die Hinterbeine schleifen nach.
Die Folgen der Eckschen Fistel zwischen d. unteren Hohlvene u. der Pfortader etc. 623
das Tier fallt nach rückwärts u. dgl.; endlich lässt sich dasselbe mit dem ganzen
Körper auf den Boden nieder. Grenötigt zu gehen, zeigt das Tier deutliche Ataxie.
Oft verharrt es lange in sehr unbequemer Stellung, auch wenn die Pfoten entfernt
oder gekreuzt werden. Im Excitationsstadium wird die Ataxie noch deutlicher,
das Tier ist dann ununterbrochen in Bewegung, aber die Bewegungen sind unge-
schickt und unschön. Ausserdem wird das Tier blind und verliert die Schmerz-
empfindung, während Bewusstsein und Gehör erhalten bleiben. Während der
Periode der Konvulsionen geht das Bewusstsein wahrscheinlich verloren. Den
Krämpfen folgt wieder ein komatöses Stadium. Dann liegt das Tier ganz regungs-
los, nur zuckt es zuweilen. Dieser Zustand geht in den Tod oder in völlige Heilung
über. Das erholte Tier ist aber einer Wiederholung des Anfalles ausgesetzt, wenn
es eine starke physische oder psychische Erregung erleidet Die Symptome dieser
Anfalle treten häufig ganz plötzlich in die Erscheinung und folgen sich so rasch,
dass nur ein Teil dieses klinischen Bildes beobachtet werden kann. Oft ent-
wickelt sich die angeführte Beihe von Erscheinungen nicht zu Ende, zuweilen
b^nnt der Anfall mit den Symptomen des mittleren Stadiums (Zuckungen). Bei
mehreren Tieren wiederholten sich die Attacken. Frühestens treten sie am 10. Tage
nach der Operation auf. Einige Hunde erlagen schon dem ersten Anfalle, andere
viel später. Die ersten, mit starken Krämpfen verbundenen Attacken wurden von
mehreren Tieren überstanden, eine Anzahl von Hunden erlag den folgenden schwächeren
Anfallen, andere haben sich ganz erholt. Bei allen Versuchshunden sank am Tage
der Operation die Temperatur. Am dritten Tag stieg die Temperatur um 0,5 — 1 ^ C.
über die Norm und blieb so durch 10 — 15 Tage. Das Körpergewicht einzelner
Tiere nahm progressiv ab, andere nahmen im Gegenteil zu. Im ersteren Falle
ging die Fresslust verloren oder sie bekamen einen „launenhaften** Appetit Andere
Tiere, die sich erholten, erlangten früher als das Körpergewicht die Esslust wieder,
wurden selbst fett. In der Periode der unzureichenden Ernährung wurden öfter
Erbrechen und Diarrhöen beobachtet.
Von Anfang an war eine bestimmte Beziehung zwischen der Nahrung
der Versuchstiere und den ersten Anfällen zu erkennen. Sobald einer
der Hunde sich mit Gier auf das Fleisch stürzte, büsste er dies mit einem Anfall,
öfter erfolgte selbst der Tod. Die, welche solche Krisen überdauerten, rührten lange
kein Fleisch an, dagegen frassen sie N-freie Nahrung mit Appetit Von diesem Ge-
sichtspunkt aus lassen sich die Tiere in zwei Gruppen einteilen. Den einen wider-
stand Fleich von allem Anfang an, sie begnügten sich mit stickstofiarmer Nahrung;
sie verhungerten lieber, ehe sie Fleisch nahmen. Die andern frassen oder verweigerten
jedoch nur zeitweise Fleischnahrung. Sie entsagten, wenn der Genuss eine Störung
nach sich gezogen hatte. Widerstanden sie später nicht mehr der Versuchung,
wurden sie von einem neuen Anfall ergriffen. Die Hundekönnen also kein
Fleisch vertragen, ohne ernste Störungen des Nervensystems, die oft den Tod
im Gefolge haben.
Die Rückkehr zur Norm hat statt, indem sich Kollateralbahnen entwickeln,
welche der Leber Blut zuführen. Im Falle, als die Fistelöffnung zwischen Hals-
vene und Pfortader sich stark verengert, wird der erhöhte Druck zur Ursache des
624 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
KoUateralkreislaufes auch ohne Zusammenhang der Leber mit verschiedenen Teilen
der Intestina und des Mesenteriums.
Der Harn der Versuchstiere wurde nur, wenn Vergiftungserscheinungen ein-
getreten waren, regelmässig alkalisch. Wurde die Eck 'sehe Operation mit de;
Unterbindung der A. hepatica kombiniert, war die Reaktion des Harns beständig
alkalisch, und ausserdem enthielt derselbe £i weiss und Hämoglobin. Der sofort
nach der Operation gelassene Harn enthielt fast immer Bilirubin und ürobilin. j
Niemals wurde, in zahlreichen Analysen, Oxybutter- und Milchsäure gefundeo.
Die Harnanalyse der Hunde mit Eck scher Operation und Ligierung der Leber- j
arterie ergab eine beträchtliche Harnstoff Verminderung. Das Verhältnis des
HarnstofT-N zum GesamtstickstofT, welches in der Norm nur. in sehr engen Grenzen
schwankt, erwies sich relativ sehr difierent Das Defizit im Verhältnis von Harn-
stofT-N und Gesamtstickstoff war zunächst teilweise gedeckt durch eine konstant
sich einstellende Vermehrung der Harnsäureexkretion. Die Harnsäure ver-
minderte sich, wenn es den Tieren gut ging, um neuerdings zuzunehmen, sobald sich
Vergiftungserscheinungen zeigten. Ferner war nach der Eckschen Operation (ver-
bunden mit Unterbindung der A. hepatica) die Ausscheidung des Ammoniaks
erhöht. Die Steigerung zeigt sich, nach der einfachen Eckschen Operation,
wenn die Tiere Fleischnahrung verweigern oder wenn sie gezwungen werden, stick-
stoffreiche Nahrung zu sich zu nehmen. Die Form, in welcher der Organismus
dieses Ammoniak ausscheidet, ist das leicht zersetzliche karbamin-
saure Salz. Das Auftreten der Earbaminsäure in gesteigerter
Menge muss als die Folge der wesentlichsten Störung im Stoff-
wechsel der Hunde mit Pfortaderfistel bezeichnet werden. Da^
karbaminsaure Salz ist im Harn viel reichlicher enthalten, als im normalen Hunde-
harn (in welchem ebenso wie im normalen Menschenurin Spuren von Earbamaten
nachweislich sind). Auch im Blute der Fistelhunde sind beträchtliche Earbamin-
säurem engen enthalten.
Diese chemischen Befunde gaben Veranlassung die toxische Wirkung
der karbaminsauren Salze am Hunde zu studieren. Nach subkutaner In-
jektion stellten sich nun beim normalen Hund dieselben Vergiftuugs^
Symptome ein, wie bei den Hunden mit Eckscher Fistel. Auf die Einführung
karbaminsaurer Salze per os reagierten normale Hunde überhaupt nicht; die
operierten Tiere dagegen zeigten ganz dieselben Intoxikationsphänomene, wie
sonst spontan oder besonders nach Fleischnahrung.
Das Gesamtresultat aller vorstehend angeführten Versuche berechtigt
zum wenigsten mit grosser Wahrscheinlichkeit die Karbaminsaure al<
das einzige hier massgebende toxische Agens anzuerkennen. Die
giftigen Karbaraate gelangen bei den operierten Tieren nach reichliclieni
Eiweissgenuss mit Umgehung der Leber direkt vom Darm in die unU^re
Hohlader (in den allgemeinen Kreislauf) und entfalten ihre krampferregendo
Wirkung auf das Centralnervensystem. Die Annahme liegt nahe, dass
der Leber die Funktion obliegt, unter normalen Verhältnissen
Der toxigene £iweiB8zerfall. 625
die im Blute angesammelte Karbaminsäure in Harnstoff um-
zuwandeln.
Die Ähnlichkeit zwischen diesem Vergiftungsbilde und dem
klinischen Symptomenkomplex der Urämie des Menschen ist
eine in die Augen springende. Beinahe alle Symptome der Urämie
finden sich bei den Fistelhunden wieder. Die Frage, ob die Karbamin-
säure nicht auch unter den Ursachen der Urämie des Menschen eine
wichtige Rolle spielt, muss jedenfalls in künftigen Untersuchungen ernstlich
ventiliert werden. Unzweifelhaft erscheint es schon jetzt, dass, sobald
es gelingen wird, die Karbaminsäure im Blut und Harn quantitativ zu
bestimmen, verschiedene pathologische Zustände ein besseres Verständnis
erlangen. Erinnert sei hier nur an die vermehrte Ammonausscheidung bei
interstitieller Hepatitis; wahrscheinlich ist die Karbaminsäure hiervon teil-
weise die Ursache u. s. w.
Hofmeister hat (durch £. Pick) bei Hunden und Katzen Schwefelsaure
in den Ductus choledoehus einspritzen lassen und dadurch ein Vergiftungsbild er-
zielt, das hauptsächlich durch centrale Narkose und terminale Krämpfe charakterisiert
ist. Das Gemeinsame mit den N e n c k i sehen Experimenten dürfte trotz verschiedener
Versuchsanordnung der Funktionsausfall der Leber sein.
Litteratur.
1. Nencki, M. u. Pawlow, J., Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. 82. S. 162 und
(früher) Arch. de scieno. biol. publ. par Tinstitat imp. de möd. exp. ä St. Petersboorg.
Bd. I. S. 401.
2. Drechsel, Bericht der sächsischen Akademie der Wissenschaften. 1875. S. 177.
3. Drechsel und Abel, Dubois Archiv. 1891. S. 236.
4. Abel, The Uoiversitj Record of Michigan. Jone 1892. S. 46.
5. Abel und Muirhead, Arch. für exp. Path. Bd. 31. S. 15. Bd. 32. S. 467.
6. Slosse, Dubois Archiv. 1890. S. 482.
7. Pick, E., Archiv für exp. Pathol. Bd. 32. S. 382.
c) Der „toxigene'' EiweisszerfalL
Die Thatsache des krankhaften Protoplasmazerfalls bei Krebskranken,
welche trotz reichlicher Nahrung und trotz hohen Eiweissgehaltes derselben
dauernd Stickstoff abgeben, ist zuerst von F. Müller auf einen autotoxi-
schen Faktor bezogen worden. Die Abstammung und Natur des Giftes,
insbesondere die Annahme, dass das Carcinom die Bildungsstätte,
ist bisher vollkommen hypothetisch. Jedenfalls wäre der Vergiftung ein
Platz unter den intermediären Autotoxikosen anzuweisen. Klinisch ist es
sehr wahrscheinlich, dass die Krebskachexie und der ihr eigentümliche
Schwund des Körpereiweisses erst mit destruktiven Prozessen im Neoplasma
(Jauchung, septische Infektion) platzgreifen.
Labarack-Ostertag, Ergebnisse. U Abteil. 40
626 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Litteratur.
1. Müller. F., Zeitschrift für klio. Medizin, ßd. 16. S. 496.
2. Klemperer, G., Ihidem. Bd. 16. 8. 581.
8. V. Noorden, Pathologie des Stoffwechsels. Berlin 1893.
£. Die Harnsäarediathese.
Eine intermediäre Autotoxikose, welche an die Dissimilation derNuklein-
stofEe und an die Expulsion der Produkte dieser Umsetzung anknüpft, ist
die Hamsäuredyskrasie. In der Pathologie war bisher letzteres die Be
Zeichnung für jene abnorme Beschaffenheiten des Blutes und der Säfte, als
deren klinische Manifestationen die G i c h t , die L i t h i a s i s uratica und noch
anderweitige Symptomenbilder verschiedener Art, welchen nur die ver-
mehrte Harnsäureexkretion übereinstimmend zukommt, erschienen.
Die Zurückführung aller dieser Krankheitsformen auf hinsicht-
lich des Zusammenhanges und der Aufeinanderfolge gemein-
schaftliche Ursachen, ist aber, wie aus dem folgenden hervor-
gehen wird, etwas noch zu Erstrebendes.
Bis vor kurzer Zeit verfügten wir zur Beurteilung der Stellung der Harn-
säure im Stoffwechsel zwar über zahlreiche Einzelerfahrungen, aber es fehlte der
verknüpfende Gedanke für die physiologischen und pathologischen Gesetze ihrer
Bildung. Einige Tierordnungen (Fische, Amphibien, Säugetiere — Mensch) scheiden
aU typisches Endprodukt des Eiweissstoffwechsels Harnstoff, andere (Pulmonaten,
Arthropoden, Reptilien, Vögel) Harnsäure aus. Bei den letzterwähnten Tierklassen,
bei welchen der mit der Nahrung aufgenommene Stickstoff als Harnsäure zur
Exkretion gelangt, gleichviel ob der N in der Form von Eiweiss, Hamstofi,
Ammonkarbonat, Amidosäuren eingeführt wird, erfolgt die Bildung der Harnsäure
der Hauptmenge nach vermutlich in der Leber, wobei als Konstituenten Milch-
säure, Ammoniak, Kohlensäure dienen. Horbaczewskys zweite Synthese der
Harnsäure (durch Einwirkung von Trichlormilchsäureamid auf Harnstoff oder mit
freier Trichlormilchsäure und Ammoniak), nach welcher die Harnsäure im Medicus-
NH-C— NH.
sehen Sinne als Akrylsäurediureid C0< C — NH'^ aufzufassen ist,
NH— C
und die früher angeführten Experimente Minkowskis über die Folgen der Leber-
ausschaltung bei Gänsen gestatten einen solchen Schluss auf die Entstehungsweise
der Säuren im Organismus. Bei den übrigen Tieren sind dagegen als (über-
wiegende) Quelle der Harnsäure die Nukleine anzusehen. Von der
Nukleinsäure leiten sich alle sogen. Xanthin- oder Alloxurkörper ab. Das
Übereinstimmende dieser Verbindungen besteht darin, dass sie sämtlich einen
Alloxan- und einen Harnstoff kern enthalten, wobei unter „Kern" die Harnstoff
und Alloxan charakterisierende Gruppierung der C- und N- Atome verstanden
Die HarnaAnrediatheM. ^27
wird. Aasserdem sind beide Kerne in bestimmter Weise nach dem Schema
N-C
C<^ C — ^N Verbunden. Die Alloxurkorper sind zum Teil Basen. Einige
\ I >C
derselben sind als regelmässige Bestandteile des Harns bekannt: Xanthin, Ouanin,
Hjrpoxanthin, Karmin-, Para- und Heteroxanlhin. Unter pathologischen Verhält-
nissen (Leukämie) ist auch das hergehörige und besonders wichtige Adenin
gefunden. Die Harnsäure ist eine schwache Säure dieser Gruppe, welche sich
bloss durch einen grösseren 0-Gehalt unterscheidet Die Alloxurbasen stecken
in der Mehrzahl der Nukleine, aus denen sie durch Säuren, ja selbst durch blosses
Kochen mit Wasser abspaltbar sind. Sie sind Bestandteile der Zellkerne und
deshalb findet sich fast in allen Geweben des Körpers in kleiner Menge die eine
oder die andere dieser Verbindungen.
In der Norm ist die Menge der mit dem Urin secemierten Alloxurbasen
eine sehr geringe, mit 100 ccm Harn werden etwa 2,8 — 3,8 mg Basen ausge-
schieden. Die Alloxurkörper entstehen beständig bei den chemischen
Prozessen, welche sich in den Zellkernen abspielen; sind dieXanthin-
körper erst einmal gebildet, scheinen sie nicht weiter zur Harnsäure
oxydierbar zu sein. Wenn nun auch nach Maesgabe der Horbaczewski-
scben Versuche die Harnsäure im gesunden Körper gleichfalls bei der
Desassimilation der in allen Geweben enthaltenen Nukleine entsteht,
erklären sich doch die raschen physiologischen (und pathologischen) Schwankungen
der Hamsäureproduktion am einfachsten, wenn man in bestimmten Zellen,
z. B. in den Leukocyten die Hauptbildner der Säure anerkennt. Denn
diese stellen vor allen andern solche nukleinhaltige Zellen dar, hinsichtlich deren
wir einen fortgesetzten oder sich oft wiederholenden und umfangreichen Zerfall im
Körper annehmen dürfen. Schon eine reichliche Mahlzeit erscheint ausreichend, eine
nicht unerhebliche Vermehrung der Leukocyten im Blute zu bewirken, und da diese
Vermehrung rasch vorübergeht, muss daran gedacht werden, dass das Nukle'm
dieser zerfallenden Zellen hauptsächlich es ist, welches sich (entweder in Xanthin-
basen oder) zu Harnsäure umsetzt An manchen Personen konnte sich Hor-
baczewski thatsächlich überzeugen, dass nach einer stark ei weisshaltigen Mahlzeit
am Abschluss einer längeren Fastenperiode die Harnsäureexkretion erheblich an-
stieg. In solchen Fällen, in denen nach Einbringung eiweissarmer Nahrung die
Yerdauungsleukoc3rtose ausblieb, stellte sich auch die Vermehrung der Harnsäure-
aasecheidung nicht ein. Ebstein ist aus pathologischen Gesichtspunkten (Gicht)
gleichfalls zu dem Schlüsse gelangt, dass eine Hauptbildungsstätte der Harnsäure
das Knochenmark sei. Bei längerer Beobachtung ist die Harnsäureexkretion für
gesunde Menschen annähernd konstant und variiert höchstens mit dem Alter. Der
Zerfall der Bestandteile des Körpers, welcher die Harnsäureproduktion vermittelt,
hängt zwar von der Ernährung ab, aber durchaus nicht im Verhältnis zur ein-
geführten Eiweissmenge. Durch Arbeiten von Pflüger und seinen Schülern
(L Bleibtreu, E. Schnitze) haben wir die Art der Zersetzung der Ei weiss-
40*
AmmonUk-N
ExtnktiT«toff-N
. 4,96 . .
. . 9,48
. 4,77 . . ,
. 8,16
. 4,10 . .
. 16,70
628 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
menge im Organismus unter wechselnden physiologischen Verhältnissen kennen zu
lernen angefangen. Den speziellen Einfluss der Nahrung auf das Mischungsver-
hältnis der N-Komponenten im normalen Harn (Harnstoff, Ammoniak, stickstoff-
haltige Extraktivstoffe wie AUoxurkorper, Kreatinin, Pigmente) bei längerer Be-
obachtung bestimmte seither Oumlicli für
Harnstoff-N
gemischte Kost mit . . . 85,57 . .
mineralische „ „ ... 87,07 . .
vegetabilische „ „ ... 79,20 . .
Prozent vom ausgeschiedenen Gesamtstickstoff.
Bei animalischer Kost ist also der Extraktiv-N ein prozentisch niedriger,
bei vegetabilischer ein hoher.
Aus diesen physiologischen Thatsachen ergeben sich auch für die
Pathologie der Harnsäurediathese prinzipielle Folgerungen. Bei patholo-
gischen Untersuchungen über Hamsäurereproduktion sind wir erstlich viel
mehr als in anderen Fällen unabhängig vom übrigen Stoffwechsel. Die
Aufstellung einer Relation zwischen den im Urin ausgeschiedenen Mengen
von Harnstoff und Harnsäure setzt längere Beobachtungsdauer und die
Berücksichtigung . der Kostordnung voraus. Von einem absoluten Ver-
hältnis (etwa 33 : 1 nach Ha ig) kann kaum die Rede sein. Bei beliebig
gewählten, plötzlich eingeschobenen Mahlzeiten wird die Relation von
Stunde zu Stunde variren können.
Da es Horbaczewski ausserhalb des Körpers gelungen ist, aus
dem Nuklel'n unter bestimmten Umständen Xanthinkörper, unter andern
Harnsäure zu gewinnen, erscheint von vornherein die Annahme nahe ge-
legt, dass auch im Organismus statt Harnsäure sich Alloxurbasen in
grösserer Menge bilden, bezw. anhäufen können, dass also neben der
eigentlichen Harnsäurediathese noch eine Xanthinbasendyskrasie
zu unterscheiden ist. Einige physiologische und pathologische That-
sachen sind für diese Unterscheidung verwertbar.
Der N der Xanthinkörper wird vermehrt durch Zufuhr von Pflanzennahrung
(grünes Gemüse, Obst). Bei tuberkulösem Fieber (schlechter ErnährungszuBtand)
sind die Alloxurbasen der Harnsäure gegenüber vermehrt. Ahnliches ist zu be-
obachten bei schweren Anämieen. In einschlägigen Fällen, in welchen schon die
starke Urobilinurie auf Blutphthise hinweist, ist manchmal die Hamsäureexkredon
auffallend herabgesetzt, die Ausfuhr der Xanthinbasen erhöht Weitere That-
sachen sind zu erhoffen aus den neuen schärfere Methoden zur Trennung der Harn-
säure von den Xanthinbasen (vgl. insbesondere diejenigen von Krüger). Vorläufig
müssen wir uns vielfach begnügen mit Feststellungen des ganzen „Extraktivstick-
stoffes''. Bei hohem Fieber ist die relative Verminderung des Harnstoffs ausge-
glichen durch verminderte Exkretion des Exstraktivstoff-N. Bei den Diabetikern
erscheint die Menge des letztem sehr gering (reichliche Fleischnahrung?). Leber-
cirrhose, Herzfehler mit Eompensationsstorungen gehen mit einer Vermehrung
Die Harnsfturediftthese. 629
der Ausscheidung desselben einher. Beim Hungern ist der Extraküv-N erhöht.
Auch im urämischen Anfall scheint eine Ansammlung desselben im Organismus
stattzufinden. In einer schönen Untersuchung hat Töpfer weiter gezeigt, dass
im Harn von Carcinomatösen der Harnstoffstickstoff gegenüber dem
Extraktivstickstoff bedeutend vermindert ist Bei 9 Carcinomatösen er-
reichte der Harnstofistickstoff nur 80®/o (und schwankte zwischen 65,2 — 79,9 ^/o);
für den Extraktiv-N entfallen 13 — 23^/o des Gesamtstickstoffs. Auf dieses
Resultat übt die Art der Ernährung wenig Einfluss.
Die Gift Wirkung der Xanthinbasen steht allerdings vielmehr ausser
Zweifel als die Giftigkeit der Harnsäure. Für die uns interessierenden Auf-
gaben der menschlichen Pathologie enthält jedoch das akute Vergiftungsbild
nur geringfügige Anhaltspunkte. In der Lehre der Autointoxikationen käme
als Paradigma noch am ehesten die „chronische KafEeevergiftung" in Be-
tracht („Neurasthenie", Kopfschmerz, Schwächung der Muskelkraft, Tremor,
Angst, Herzklopfen, Dyspepsie, Kardialgie).
Die Toxizität der Harnsäure wurde dagegen vielfach als unerheblich
hingestellt. Bouchard hat Versuchstieren 30 cg der Säure pro Kilo Tier in-
jiziert, ohne besondere Folgen zu bemerken. Im Anschluss an die pathologisch-
anatomische Erfahrung, dass der gich tische Tophus ein halb oder ganz
nekrotisches Gewebe darstellt, hat Ebstein geglaubt, dass die gelöste
Harnsäure eine nekrotisierende Entzündung der befallenen Gewebe erzeugt.
Später sollen dann die durcli Säuerungsprozesse unlöslich gewordenen
ürate in den Teilen abgelagert werden. Pfeiffer will aber experimentell
nachgewiesen haben, dass weder die Harnsäure für sich, noch die durch
Harnsäure hervorgerufene nichteitrige Entzündung wirklich nekrotische
Herde zu erzeugen vermag. Als sicher darf man wohl annehmen, dass
die Harnsäure ein chemisch wirkendes Gift und keine bloss mechanisch
in Krystallform wirkende Substanz darstellt, welches verschiedene Gewebe
des menschhchen Körpers schädigt, wenn es mit denselben in gewisser
Konzentration gelöst, in Kontakt tritt. Neben lokalen Entzündungspro-
zessen ist aber auch noch die Entstehung anderweitiger mehr funktioneller
Störungen, z. B. aktiver Hyperämieen und gewisser Neurosen nicht unver-
ständlich. Nicht alle klinischen Bilder, welche wir auf Hamsäurediathese zu
beziehen uns gewöhnt haben, weisen ausschliesslich auf lokale toxische
Wirkung der Säure hin; es ergeben sich auch von vornherein generali-
sierte einschlägige Störungen, z. B. bei den „gichtischen Neurasthenikem".
Dass Säureintoxikation im gewöhnlichen Wortsinn im toxischen Bilde der
Harnsäuredyskrasie eine Rolle spielt, dafür fehlt es merkwürdigerweise
fast ganz an Belegen, trotzdem diese Behauptung immer wiederkehrt, seit-
dem überhaupt diese Dyskrasie angenommen wird.
Bei Anwendung der Bezeichnung Hamsäurediathese (im engeren
g30 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Wortsinn) scheint es an der Zeit, einen Unterschied zu machen, je nach-
dem sich vor allem eine Neigung der Harnsäure, im Körper
Niederschläge zu bilden, kund gibt, oder bloss (gelöste) Harn-
säure reichlich im Organismus sich findet, bezw. in denExkreten
erscheint. Beides braucht im Einzelfalle nicht gleichzeitig zu bestehen.
Leukämiker z.B. mit unzweifelhaft überreichlicher Hamsäureproduktion
(und entsprechend starker Exkretion) unterliegen nicht etwa regelmässig
der Bildung von uratischen Konkretionen.
Freund und Zerner betrachten folgendes Verhältnis als massgebend
für die Abscheidung von Harnsäure auch in den Ueweben. Im Harne
bildet sich kein uratisches Sediment, wenn das Verhältnis Harn-
säure: P2O5 der neutralen Phosphate kleiner ist als 0,35 — 0,4.
Mangel an neutralen Phosphaten führt die Entstehung des Nieder-
schlages auch in Harnen mit subnormalem Harnsäuregehalt und
geringer Acidität herbei. Die Menge der sauren Phosphate scheinen
die Bildung des Sedimentes überhaupt wenig zu beeinflussen. Dieses Ver-
hältnis auf die Gewebe übertragen, werden wir vielleicht schon
vor dem Auftreten lokaler gichtischer Processe die Diagnose
zu stellen in der Lage sein. Allerdings bedürfen wir hierzu einer Methode
zur Bestimmung der Alkalinität und Acidität des Urins, welche die Grösse
aller dieselben bestimmenden Faktoren gestattet (Mono- und Dinatrium-
phosphat, einfachund doppelkohlensaures Salz, Urate, freie organische
Säure). Gegen eine entsprechende, von Freund und Toepf er angegebene
Methode hat aber neuestens Lieblein Bedenken erhoben.
Eine weitere Frage wird es sein, ob in den klinischen Fällen von
Hamsäurediathese überschüssige Bildung oder Retention überwiegt
Ersteres wird immer die einfachere Annahme sein, wenn durch längere
Zeit abnorm viel Harnsäure in den Exkreten erscheint. Indirekt
spricht dafür, dass beim Menschen, je mehr er Harnsäure erzeugt,
desto mehr die Rhodanbildung herabgeht. Im Adenin
HN — C=N^
I >CH
NH = C C— N^
HN CR
ist nämlich das C zum Teil doppelt an N gebunden. Beim völligen Zer-
fall derselben muss daher die Cyangruppe entstehen, welche sich mit nicht
oxydiertem S verbindet und als Rhodanalkali in Speichel, Harn, Milh an-
zutreffen ist.
Alle Gifte und Krankheiten, welche einen beschleunigten oder verzögerten Zer-
fall von Gewebszellen, vor allem von Leukocyten, bewirken, erhohen oder ver^
ringem auch die Hamsaureexkretion. £ue Vermehrung d& Hamsauieausscheidung
Die Harnsäurecliatbese. 631
wurde von Horbaczewgki u. a. konstatiert bei der Leukämie, den akuten Infekten
(besonders der Pneumonie), der Inanition, verschiedenen Kachexieen, Lebercirrhose,
bei ausgedehnten Hautverbrennungen. Alle diese Fälle sind mit der Anschauung
verträglich, dass die Harnsäure aus dem sich umsetzenden Nuklein hervorgeht
Seit Garrod durch sein bekanntes Fadenezperiment es wahrscheinlich gemacht
hatte, dass die im Blute von Gichtikern wenigstens kurz vor und während eines
Anfalles enthaltene Harnsäuremenge meist (etwas) grösser gefunden wird, als in
der Norm, sind nur vereinzelte exakte Untersuchungen darauf zurückgekommen.
Abel es konnte nicht nur nicht die ältere Angabe, dass Leber, Milz und Muskeln
des Menschen Harnsäure enthalten, bestätigen, er fand die Säure auch in den
Gelenken und Knorpeln, und ebenso im normalen Blute! Im Blute kranker
Menschen liegen leider recht wenig genaue Einzelbestimmungen vor. Salomon wies
Harnsäure nach im Blute von vier Pneumoniekranken und von Gichtikern (im
Anfall). Bei akutem Gelenkrheumatismus, bei Nephritis und Diabetes mellitus
hatte er negative Resultate. An einem bedeutenden klinischen Material hat von
Jaksch mit der Ludwigschen Methode solche Bestimmungen ausgeführt Im
Blute Gesunder konnte er Harnsäure nicht finden. Die untersuchten Fälle von
Krankheiten des Nervensystems ergaben gleichfalls negatives Resultat Die Be-
stimmung bei Patienten mit Typhus abdominalis während der fieberhaften Periode
war ebenso umsonst In Krankheiten der Unterleibsorgane stellte sich ein wechselndes
Ergebnis heraus. In einem Falle von Tumor lienis Hess sich eine relativ bedeutende
Menge Säure nachweisen. Ähnliches ergab sich bei Carcinoma ventriculi und (hyper-
trophischer Lebercirrhose. In 10 Fällen von Kardiopathie und Erkrankung der
grossen Gefasse fand sich meist negatives Resultat Dagegen liess sich in einem
Falle von multipler Serosenentzündung eine recht bedeutende Menge von Harn-
säure nachweisen. Im Blute von 6 Pneumonikern wurde regelmässig ein bedeutender
Oehalt an Harnsäure festgestellt In 9 von 11 Fällen von Nieren afiektion ent-
hielt das Blut Harnsäure, öfter in beträchtlicher Quantität; besonders gross erwies
sich der Hamsäuregehalt in den Fällen mit Granularatrophie. Positiv war end-
lich auch das Ergebnis bei Anämie mit Leukocytose. Die von v. Jaksch er^
mittelten Thatsachen stimmen in erfreulicher Weise zu der mehrfach erwähnten
Horbacze WS kischen Annahme, nach welcher wir deutliche Harnsäurereaktion im
Blute in solchen Fällen erwarten müssen, wenn Symptome für abnorm reichliche
Neubildung oder von gesteigertem Zerfall der Zellen (Leukocyten) im Organismus
vorhanden sind.
Neusser fand in Fällen von uratischer Diathese (Podagra, Lithiasis uratica,
»irreguläre Gicht" als Muskelrheumatismus, Asthma nervosum, Hautafiektionen,
gastro-intestinale Störungen, diab^te gras, Neuralgieen, Neurasthenie) im Blute bei
Ehrl ich scher Färbung der frisch getrockneten Präparate, und zwar vor allem in
den mononuklearen und selbst in den eosinophilen Leukocyten rings um den Kern
gelagerte, mit der basischen Komponente (einer etwas modifizierten) Triacidmischung
intensiv schwarz gefärbte Körner und Tropfen, bald unmittelbar aus dem Kern
in das Plasma eindringend, bald dieses rosenkranzförmig einsäumend. Es handelt
sich wahrscheinlich um chemisch modifizierte, in den Protoplasmaleib eingedrungene
632 Allgem. pathol. Morphologie und PhjRiologie.
Kernbestandteile. Die Fälle waren yielfach durch Stoffwechseluntersachtuigen als
in das Bereich der Harnsäurediathese fallend verifiziert
Nach Neusser wären nun die Leukocjten bei Hamsäuredyskrasie abnorm
reich an nukleinartigen Substanzen, also abnorm reich an Vorstufen der Harnsäure.
Das Interesse dieses Blutbefundes gipfle darin, dass hierdurch zunächst ge-
wisse bisher nicht erkannte Manifestationen der Diathese diagnos-
tisch zugänglich würden. Derselbe Blutbefund sei femer für Fälle vod
Tuberkulose in prognostischer Hinsicht bedeutungsvoll; bei seinem VorhandenseiD
habe die Phthise einen besondem, zu fibröser Umwandlung der tuberkulösen In-
filtrate tendierenden benigneren Verlauf.
Die Neuss er sehen Granula scheinen doch wohl identisch mit den „pjreno-
genen" Körpern Löwits in den weissen Blutkörperchen des Flusskrebses (die
Arthropoden bilden die Harnsäure nicht aus NukleinstofiTen) und in gewissen
Leukocyten des Knochenmarkes. Damit fiele die Erscheinung derselben in das
grosse Gebiet der Karyorhexis und wäre gleichbedeutend mit einer Chromate-
lytischen Degeneration der Leukocyten. Die Karyorhexis ist teilweise kadaveröser
Natur; inwiefern die Neusser sehen Granula an das Leben der Zellen geknüpft
sind, bleibt zu untersuchen. Die gewählte Bezeichnung „uratische Veränderung
der Leukocyten'^ ist aber deshalb noch nicht anfechtbar und es bleibt das Interesse
der Neuss ersehen Granula, sofern sich nur durch exakte StofiTwechseluntersucfa-
ungen ausreichend ihre Beziehung zu Individuen mit Harnsäurediathese bestätigen
lässt, kein geringes.
Hinsichtlich der letzten Ursache, welche den vorübergehend oder
dauernd erhöhten Gehalt des Blutes und der Säfte an Harnsäure bewirkt,
und über die unmittelbare Bedeutung derselben für die Pathogenese von
Gicht und Lithiasis differieren die Meinungen der Pathologen ausserordentlich.
Referent ist unvermögend, die verschiedenen Ansichten zu vereinigen.
In Diskussion stehen die Ansichten von Garrod, Ebstein, v. Noorden,
Pfeiffer, Roberts. Da vermehrte Produktion von Harnsäure allein
erfahrungsgemäss nicht regelmässig zu Gicht und Lithiasis uratica führt,
so scheint es, als ob, wie bereits betont, in Zukunft den harnsäure-
lösenden Faktoren der organischen Flüssigkeiten und Sekrete wieder
grössere Aufmerksamkeit wird zugewendet werden müssen. Vielleicht
werden die Untersuchungen von Roberts das Material für eine brauch-
bare Theorie liefern. Über die Alkalescenz des Blutes der Gichtiker
liegen keine ausreichenden Untersuchungen vor. Die besondere Vulne-
rabilität der Gewebe gegenüber einer Säure von wenig siguificanter Wirkung
legt es nahe, an abweichenden Bedingungen der intimsten Organisation der
Zellen (Zellkerne) zu rekurrieren ; bisher ist die Aufnahme der pathologisch-
anatomischen Prozesse der Gicht in die überhaupt wenig gewürdigte Gruppe
der Vegetations anomalieen allerdings nicht ernstlich unternommen worden.
Die AlkaptoDurie. 533
Litteratur.
1. Ebstein, Beiträge zar Lebre von der bamsaaren Diatbeae. Wiesbaden 1891.
2. Levison, Die Hamsäurediatbese. Berlin 1893.
3. Dnckwortb, Die Gicbt. Dentscb von H. Dippe. 1894.
4. y. Noorden, Patbologie des Stoffwechsels.
5. Hoffmann, A, Konstitution skrankbeiten. Stuttgart 1893.
6. Pfeiffer, E., Die Gicbt. Wiesbaden 1891 nnd Berl. klin. Wocbenscbrift 1892.
7. Horbaczewski, Sitzungsber. d. kais. Akad. der Wissenscbaften. Wien, matbem.
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8. MareS, Archives slaves de biol. Bd. III. S. 207.
9. Munk, J., Eulenburgs Encyclopädie. Bd. 21. S. 877.
10. Camerer, Deat.<M;be med. Wocbenscbrift. 1891. Bd. 10. S. 11.
11. Krager, Zeitocbr. f&r pbys. Chem. Bd. 20. S. 176.
12. Pascbkis, H. u. Pal, Wiener med. Jahrb. Bd. II. S. 612.
13. Brnylants, J.. Bull de Tacad. de m^d. de Belg. (4) 2. 18. 1888.
14. y. Jak seh, Zeitschrift f. Heilkunde. Bd. 11. S. 5.
15. Gumlicb, Zeitschrift f. phys. Chemie. Bd. 17. S. 10.
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17. Rohland und Schurz H., Pflflgers Archiv. Bd. 47. Heft 9.
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19. Hirscbfeld, Virchows Archiv. Bd. 117. S. 301.
20. SalomoD, G., Virchows Archiv. Bd. 125. S. 554. u. Cbaritö-Annalen. 1878. S. 139.
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25. Freund, £. und T Opfer, Zeitschrift fttr physiol. Chemie, 19. Bd., 8. 84.
26. Lieblein, V., Ebendas. 20. Bd. 52.
27. Freund, £. und Zerner, Wiener klin. Wocbenscbrift VI, S. 272.
F. Die Alkaptonarie.
Hier ist auch der Platz für eine kurze Besprechung des Wesens dieser
allerdings niemals zu autotoxischen Paroxysmen, ja überhaupt kaum zu
grober Schädigung des Körpers Anlass gebenden, an die Umsetzung des
aromatischen Kernes im Eiweissmoleküle geknüpften Nutritionsstörung, welche
erst seit 1891 ernstlich diskutiert wird. Es handelt sich dabei um das Auf-
OH
OH
treten der Trioxyphenylpropionsäure (Uroleucinsäure) CgH^Qjj
C2H4COOH
OH
und der Dioxyphenylessigsäure (Homogentisinsäure) CgHsOH
CH2COOH,
welche vom Tyrosin (Paraoxyphenyl-a-Amidopropionsäure)
OTT HO
^•^*CH,— CHNH,— COOH abstammen.
634 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Nach Boedeker verstand man unter AI kaptonurie einen Zustand, bei welchem
der Harn auch nach Beseitigung von Ameisensäure, Harnsäure, Glykaronaäiire und
Zucker die Eigenschaft behält, kräftige Reduktionen auszufuhren und nach Zusati
von Alkali unter Og- Absorption sich schwarz zu färben. Bau mann und Wolkow
untersuchten nun den Harn eines 67jährigen Mannes mit Alkaptonurie, bei welchem
die auffallende Farbenveränderung des Harns schon seit der Jugend bestand ohne
weitere Gesundheitsstörung. Eine 60jährige Schwester des Patienten hatte gleich-
falls seit den Kindeijahren alkaptonartigen Urin. Beide Forscher isolierten
die Homogeptisinsäure und stellten ihre Konstitution fest Auch hoben sie
die nahe Analogie derselben mit der von Kirk in einem Falle aufgefundenen
Uroleucinsäure hervor, deren Natur als Trioxphenylpropionsäure von
Huppert erkannt worden war.
Das Tyrosin stammt aus dem aromatischen Kern des Eiweissmoleküles; es
gebort zur Phenolgruppe der mannigfaltigen aromatischen Spaltungsprodukte.
Das Tyrosin ist das einzige aromatische echte Verdauungsprodukt: es geht aus
der Spaltung des Hemipepton durch Pankreasenzym hervor. Die im Darme nie
fehlenden Fäulnisprozesse geben gleichfalls Anlass zur Bildung von Tyrosin aus
Pepton. Dass Tyrosin endlich auch bei der Umsetzung der Eiweisskörper im
Organismus als normales Zwischenprodukt resultiert^ istvonNenoki und Schultzen
wenigstens behauptet worden. Im Darm erfolgt die weitere Zerlegung des Tyrosins
durch niedere Organismen in aromatische Oxysäuren, Phenol. Über das Schicksal
des resorbierten, bezw. in die Cirkulation überführten Tyrosins ist wenig bekannte
Nach Tyrosingenuss sind beim Menschen und beim Hunde weder die Hippursäuie
noch Phenol und die gepaarten Schwefelsäuren im Harn vermehrt; der Benzolkem
ist verschwunden, gerade so, wie die im Eiweissmolekül eingeschlossene aromatische
Atomgruppe gleichfalls vollständig oxydiert wird. Mit Leichtigkeit spaltet der
gesunde Organismus die NH^-enthaltende Seitenkette ab und bildet NH, und
Harnstoff. Vermutlich ist dies eine Funktion der Leber.
Das Versuchsindividuum Bau man ns und Wolkows schied nun bei
Fütterung mit Tyrosin nicht bloss mehr Homogentisinsäure aus, sondern
das Tyrosin überging auch nahezu vollständig in diese Säure. Da erhob
sich die Frage, handelt es sich hier um eine direkte Umwandlung in den
Organen und Geweben? Bau mann hat gewichtige Einwände gegen die
Entstehung der Homogentisinsäure aus Tyrosin durch den tierischen Stoff-
wechsel erhoben. Jene Umsetzungen vollziehen sich nach ihm vielmehr
ausschliesslich im Darmkanal, der mit hierfür spezifischen (bisher un-
bekannten) Mikroorganismen infiziert ist. Den vollen Beweis für die Ent-
stehung der Säure im Darm vermochte aber Baumann nicht zu erbringen.
E m b d e n hat Baumanns Vermutung durch Versuche geprüft. Seine Patientin
schied gleichfalls bei Tyrosinzufuhr viel mehr Säure aus. Mittel, welche die
Fäulnisprozesse im Darme herabsetzen (Terpentinöl, Kefir, Ricinusöl),
vermindern nicht die Alkaptonausscheidung. In den Bicinusstühlen Hess
sich keine Homogentisinsäure nachweisen, die Atherschwefelsäure im Harn aber
Die interne Sekretion und die Antointoxikation. 635
war Termindert, also eine stärkere Zersetzung der Saure im Darm unwahrscheinlich.
Verabreicfate Homogentisinsäure fand sich zu drei Viertel im Harn wieder; der
Rest wird nicht im Darm durch Fäulniss zerlegt, sondern, wie die Bestimmung
der gebundenen Schwefelsäure des Harns erwies, in den Geweben oxydiert*
Bei subkutaner Injektion groasoer Mengen der Säure wird ein Teil unverändert
im Harn abgeschieden, ohne Vermehrung der gepaarten Schwefelsäure. Der
Alkaptonharn enthält übrigens bemerkenswerterweise nur einen ge-
ringen Teil der normalen Harnsäuremenge. In Ogdens Fall (45jähriger^
sonst gesunder Mann), in welchem täglich ungefähr 5 g Homogentisinsäure aus-
geschieden wurden, zeigte eich gleichfalls stark verminderte Hamsäureexkretion.
Die Embdenschen Versuche sprechen gegen Baumanns Hypothese.
Der menschliche Organismus scheint hier doch nicht bloss insofern be-
teiligt, als er ein spezifisches bakteritisches Produkt resorbiert und aus
scheidet. Ist ja doch auch, wie das Beispiel der Phosphorvergiftung und
der schweren Anämieen beweist, die Vermutung des ausschliesslich bakte-
riellen Ursprunges des Tyrosins zu verwerfen. Die Aufklärung, in welchem
Umfange das Tyrosin physiologischen Leistungen des Organismus sein Her-
kommen verdankt und inwiefern Uroleucin- und Homogentisinsäure als
Produkte des Intermediärstoffwechsels gelten dürfen, bleibt allerdings weiteren
Untersuchungen vorbehalten.
Das Symptom einer besonderen Krankheit scheint die
Alkaptonurie nicht zu sein. Sie kommt bei anscheinend gesunden
hidividuen jeglichen Alters upd im Verlaufe verschiedener krankhafter
Prozesse zur Beobachtung.
Litteratur.
1. Boedeker, Zeitschrift für rat. Med. (8) Bd. VII. 8. 180.
2. Eirk, Brii med. Jouni. 1886. Bd. II. S. 1017.
3. Happert, Analyse des Harns. Wiesbaden 1890. S. 152, 155.
4. Wolkow nnd Banmann, Zeitsofarift f&r physiol. Chemie. Bd. XVII. S. 228.
5. Garnier et Voisin, Arch. d. phys. (5). IV. p. 225.
6. Embden, Zeitechr. f. physiol. Chem. Bd. XVII. S. 182 nnd Bd. XVIII. S. 804.
7. Ogden, H. V., Zeitsch. f. physiol. Chemie. Bd. XX. S. 250.
6. Die „mterne^^ Sekretion nnd die Antointoxikation.
Den (gewöhnlich mit diesem Namen bezeichneten), anf äussere Ober-
flfichen ergossenen Sekreten gegenüber unteracheidet die Physiologie seit
Cl. Bernard und Brown S^quard ins Blut zurückkehrende
secernierte Stoffe (S^cretion recrömentielle). Jedes Organ nimmt
thatsäohlich Substanzen aus dem Blute auf, welche, chemisch umgewandelt,
wieder in Cürkulation gesetzt werden. Vor allem aber fallen drüsige
Bildungen, wie Pankreas, Leber, Schilddrüse, Nebenniere, Hypophysis
636 Allgem. pathoL Morphologie nnd Physiologie.
cerebri und wohl auch Nieren [und Speicheldrüsen (?)] unter diesen Ge-
sichtspunkt.
Das in den letzten Jahren riesig umfänglich gewordene Feld der (be-
reits früher erwähnten) internen Sekretionen ist für die den Referenten
gesteckten Grenzen einerseits zu gross, andererseits vorläufig vom chemisch-
physiologischen Standpunkte noch nicht genügend exakt ausgebeutet, als
dass hier über gewisse, für die intermediären Autotoxikosen bedeutungs-
volle allgemeine Momente hinausgegangen werden könnte.
Die inneren Sekrete sind entweder den Zwecken des Organis-
mus dienende Verbindungen (Stufen des Intermediär-StofEwechsels, z.B.
Zucker) oder Exkrete (wie der in der Leber gebildete Harnstoff). Am
meisten Interesse beanspruchen jene Stoffe, welche die Hauptrich-
tungen der Stoffbewegung weitgehend modifizieren (man vgL
als Beispiel die Wirkung des Pankreas auf den Kohlenhydratstoffwechsel
der Gewebe). Die Beziehungen zwischen Autointoxikation und innerer
Sekretion werden nun naturgemäss umso unmittelbarer und gewinnen in
dem Masse an Umfang, je mehr sich die Funktion der genannten
Drüsen als exkretorische herausstellt. Denn unter dieser Voraus-
setzung erwachsen zahlreiche zur Anhäufung im Blute geneigte toxische
Substanzen, welche unschädlich gemacht, bezw. entfernt werden müssen.
Den Mechanismus dieser Wirkung kann man sich vorläufig durch einen
Vergleich mit den Histozymen Schmiedebergs näher bringen. Spezieller
Untersuchung bleibt vor allem vorbehalten, wie jene Giftstoffe chemisch
geartet sind und in welchen Organen jedes einzelne derartige
Sekret gebildet wird. Aber auch der mit der Ausschaltung (Erkran-
kung) der entsprechenden Organe verbundene Verlust nützlicher in-
terner Sekrete führt — auf Umwegen allerdings — zur Selbstvergiftung:
gewisse Stoffwechselprozesse bleiben stehen oder geraten in (teilweise)
falsche Richtung. Man hat bisher den Beweis für die erstangeführte
mögliche Beziehung immer durch Feststellung der Thatsache zu erbringen
gesucht, dass das Blut von Tieren, die an der Exstirpation des fragliehen
Organes starben, bei anderen Tieren, besonders bei gjolchen, welchen kurz
vorher dasselbe Organ entfernt worden war, giftig wirkt Die Schwäche
dieser Beweisführung liegt auf der Hand.
H. Die Cachexia thyroidiana«
Zunächst sei an dieser Stelle das geringe Thatsachenmaterial ange-
deutet, welches für die Existenz einer sogenannten Mucinämie ver-
wertet wird.
Versuche von Horsley haben ergeben, dass bei dem durch Schilddiüsen-
ezstirpation auftretenden Myxödem während des Lebens eine Vermehrung des durdi
Die Cachexia thyroldiana. 6^7
Speichel, Dannkanal und Blase ausgescbiedenen Mucins feststellbar ist Die chemische
Untersuchung der Kadaver soll Vermehrung (Anhäufung) von Mucin in den Ge-
weben der verschiedensten Organe und im Blute nachgewiesen haben. Gley
konnte bei Tieren nach der totalen Thyrektomie im Harn eine Substanz nach-
weiseoy infolge deren toxischer Wirkung die Injektion des Harns bei Kaninchen
Zuckungen hervorruft, welche, an den Masseteren beginnend, sich über die ganze
Muskulatur verbreiten und das Versuchstier töten. Vielleicht handelte es sich bei
diesen Experimenten um Mucin (?). Wagner und Hammerschlag konnten durch
Macineinspritzungen bei der Katze bisweilen tetanieähnliche Symptome hervorrufen.
So wäre der Gedanke nahegelegt, das Myxödem und die Tetanie nach Ejropfexstir-
pation als eine Form der Autointoxikation durch Mucin aufzufassen.
Man sieht leicht, dass zunächst noch weitere Thatsachen abgewartet
werden müssen, wenn in diese Frage Gewissheit kommen soll. Da die
Mucinfrage überhaupt noch sehr unvollkommen erforscht ist, wäre uns
aber auch die Sicherstellung der Mucinämie vorläufig in ihrer Bedeutung
wenig verständlich. Dass die Mucine im IntermediärstofEwechsel nicht
gleichgiltig sind, geht jedoch zur Genüge aus ihrer weiten Verbreitung
innerhalb des Organismus und ihrem reichlichen Auftreten in bestimmten
Geweben hervor. Ihre Zersetzungsprodukte müssen eine Rolle spielen in
der Frage von der Entstehung und Abspaltung der Kohlenhydrate, der
Glykuronsäm-e und anderer Atonikomplexe.
Litteratur.
1. Horsley, Brit med. Journ. 1892. p. 1622.
2. Gley, £., Arch. de physiol. norm. path. (5). T. IV. jan. avril 1892.
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klio. Wochenschrift. 1892. Nr. 5.
4. Schlesinger, Wiener Medizinalzeitiuig. 1890. Nr. 30.
Die bekannten klinischen, physiologischen und morphologischen That-
sachen, welche in den letzten Jahren den Anstoss zu einer von Grxmd
aus veränderten Auffassung der Funktion und der Bedeutung der Glan-
dula thyreoidea geführt haben, können an dieser den intermediären Auto-
toxikose gewidmeten Stelle eine erschöpfende Zusammenstellung deshalb
nicht beanspruchen, weil der Zusammenhang von Funktionsanomalien der
Schilddrüse und gewissen Formen schwerer kachektischer Allgemein-
erkrankung thatsächlich zwar feststeht, aber bisher aus Abweichungen des
tierischen Chemismus höchstens ganz allgemein verständhch gemacht
werden kann. Abgesehen von den nicht mehr abweisbaren Beziehungen
zwischen Cachexia strumipura und Myxödem einer- und pathologischen
Funktionsabweichungen der Schilddrüse andererseits, drängen sich in jüng-
ster Zeit auch solche, allerdings noch viel weniger aufgeklärte, mit dem
638 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Morbus Basedowii auf. Man spricht von einer chemisch-toxischen Theorie
dieser öfter kachektischen Konstitutionsanomalie.
Es war Moebius, welcher zuerst einer solchen Auffassung der Beziehungen
der Glandula thyreoidea zur Graves sehen Krankheit sich zuwendete. Seine Ad-
sichten werden allerdings in ihrer ursprünglichen Fassung Konrekturen sich gefallen
lassen müssen. Diese Ansichten fussen nämlich auf dem supponierten Oegensati
in anatomischen Befunden und in symptomatischer Beziehung zwischen Base-
dowscher Krankheit und Myxödem. Aber dieser Gegensatz ist vielfach kein eo
scharfer; es sind Ähnlichkeiten und Übergänge zu berücksichtigen. Auch scheint
ein vorläufig mehr logischer Gegensatz wenig geeignet, die Pathogenese des M.
Graves aufzuklären. Die einfache Steigerung einer für den Organismus unent-
behrlichen Sekretion als krankmachendes Agens bedarf zunächst selbst weiterer
Aufklärung. Ist femer Myxödem wirklich das Ergebnis einer Mucinämie, wie stellt
sich der Morbus Basedowii dar? Wie kompliziert die Vorgänge im Stoffwechsel der
Drüse, in der Konstitution ihres Sekrets und dem Modus der Resorption sein
müssen, ist uns unmöglich zu durchschauen. Inwieweit sich gesteigerte Sekretions-
tbätigkeit und (unbekannte) qualitative Veränderung des Sekretes mit spezifischer
patbogener Wirkung kombinieren, kann bisher nicht abgegrenzt werden. Die ver-
einzelten Befunde von „Ptomainen*< im Harn der Basedow-Ejranken beweisen
wenig.
Litteratur.
1. Moebius, Centralbl. far Nervenheilkunde. 1887. Nr. 8 und Zeitschrift für Nerren-
krankheiten. Bd. 1. 1891.
2. Gaathier, Rävue de mäd. 1890.
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4. Chevalier, Th^se. Montpellier 1890.
5. Boinet, Gazette des höpitaux. 1891. p. 1062.
Fr. Kraus (Graz).
J. Die Urämie.
Von
G. Honigmann» Wiesbaden.
Litteratur.
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Berl. Klin. Wochenschr. 1894. Nr. 1. — Über die Ausscheidung toxischer Substanzen aus
dem Organismus bei akuten und chronischen Krankheiten. Ibidem Nr. 48.
2. Astaschewski, Zur Frage von der Urämie. Petersb. med. Wochensbhr. 1881. Nr. 27.
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8. Boinet, De Th^mipMgie nr^mique. Revue de m^decine Bd. XII. S. 12. (1892) (enthält
die gesamte übrige Litteratur über urämische Hemiplegieen).
9. Bouchard, Lebens sur les maladies de Tautointoxication. Paris 1887.
10. Brown-S^quardetd'Arsonval, Comptes rendues de la societä de biologie. Juin 1889.
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19. Feltz et Bitter, De Tur^mie experiro enteile. Paris 1881.
20. Ferr^ol, Bull, et mömoires de la societ^ m^dicale des hdpitaux. Paris 1890. cit nach
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32. Horbaczewski, Beiträge zur Lehre von der Urämie. Wiener med. JahrbQcher 1888.
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41. V. Limb eck, a) Zur Lehre von der urämischen Intoxikation. Arch. f. exper Path. und
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42. Luff, Englische Doktordissertation. Citiert nach Albu. Anm. 1.
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46. V. Noorden, Lehrbuch d. Pathol. d. Stoffwechsels. Berlin 1893. Daselbst sind die
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47. Oppler, Beiträge zur Lehre der Urämie. Virchows Arch. Bd. XXI. Citiert nach
Bartels Lehrbuch.
48. Peiper, Alkalimetrische Untersuchungen des Blutes. Virch. Arch. Bd. 116.
49. Pouchet, Contributions ä la connaissance des matiöres extract. de Furine. Revue de
Paris 1880.
Die Urämie. 641
50. R^naut, Sur la fanssc impermäabilit^ de certains reins brightiqaes et la th^rapie de
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51. de Renzi, Über die chemische Reaktion des Blutes. Virchows Archiv Bd. 102.
52. Riegel, Über die Veränderung des Herzens und des Gefässsystems bei akuter Ne-
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54. Rosenstein, Die Pathol. und Therapie der Nierenkrankheiten. III. Aufl. Berlin 1894.
55. Rothmann, Über die transitor. Erblindung bei Urämie. Berliner Klin. Wochenschr.
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58. Schiffer, Verhandlungen des Vereins für innere Medizin. Gitiert nach Stadthagen
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bindung der Ureteren. Gazeta lekarska. 1891. Nr. 48. Cit nach Virchow-Hirsch.
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Anfälle zur Erkrankung der Urämie stehen. Ges. Abhandl. Bd. II. S. 551.
65. VannieManzini, Nella parte che spetta al rene nella patogenesi della uremia.
Gaz. degli ospedali 1893. Bd. XU. S. 16. Gitiert nach Gentralbl. f. klin. Med. 1894. S. 561.
66. Voit, Zeitschr. für Biologie Bd. IV. S. 140.
Mit den Anfängen der Kenntnis des unter dem Namen der Urämie
zusammengefassten Symptomenkomplexes ist in die Klinik und Pathologie
der Begriff der Selbstvergiftung durch Zurückhaltung normaler Ausschei-
dungsprodukte, der allerdings an eine schon in früheren chemiatrischen
Theorieen herrschende mystische Vorstellung anknüpfte , zum ersten Male
wissenschaftlich eingeführt worden. Wiewohl die Urämie daher den An-
stoss zu einer neuen Lehre gegeben und wiewohl ihr Studium schon länger
als ein halbes Jahrhundert das Interesse hervorragender Forscher wachge-
halten, so vermochte sie weder ihrerseits auf den weiteren Ausbau der
Pathologie der Autointoxikationen einen bestimmenden Einfluss auszu-
üben, noch sind die durch diese besonders in den letzten Jahren ge-
wonnenen Fortschritte der endgültigen Erledigung der für sie wichtigsten
Fragen zu Gute kommen. Der für die Aufstellung und Bekämpfung von
„Theorieen" für sie verthane Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den
brauchbaren positiven Thatsachen, die man zu ihrer Aufklärung benutzen
kann, geschweige denn zu der Möglichkeit einer einheitlichen Erklärung
der mannigfaltigen Erscheinungen. Mein Referat wird sich daher mehr
Labarbch-Ostertag, Ergebniiie Abteil. II. 41
642 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
mit der Erörterung theoretischer Aüschauungen , als mit thatsachlichen
Befunden zu beschäftigen haben.
Die Frage, welche von Anfang an die Untersucher interessierte, i-l-
gewisse einzelne Hambestandteile oder zusammengehörige Gruppen von ?n':
eben für <Jie ganze Symptomenreihe verantwortlich gemacht werden sollen,
kann jetzt wohl endgültig verneint werden. Vom Harnstoff, dem
zu allererst nach den Entdeckungen Brights die Hauptrolle zugeschriebeu
w^urde, ist man bekanntlich auch schon in den ersten Zeiten wieder abge-
kommen, wenngleich auch vielfache Untersuchungen feststellten, dass in
der Regel mit der Urämie eine HarnstofEüberladung des Blutes einher
gehe. Die Thatsache, dass auch das Blut nicht urämischer Nepliritiker
sehr reich daran sein könne, vor allem, dass damit eingebrachte Injektionen
von Tieren sehr gut vertragen wurden, Hess seine Wirksamkeit von vorn-
herein zweifelhaft erscheinen und veranlasste indirekt wohl hauptsächlich
die berühmte Frerichssche Ammoniakhypothese, der wir weiter unten noch
einige Worte widmen werden. Trotzdem darf auch heute noch nicht ver
gessen werden, zu registrieren, dass es Voit (66) gelang, nach Einverleibung
grösserer HamstofiEmengen dann jedesmal schwere Vergiftungserscheiuungeu
beim Hunde hervorzurufen, wenn er gleichzeitig die Wassereinfuhr be-
schränkte und dadurch die Elimination des Stofifes erschwerte oder aufhob.
Nach den neueren Untersuchungen von Fleischer (22) steht es nunmehr
fest, wie schon früher angenommen wurde, dass die ü- Vermehrung ini
Blut während der Urämie die Regel ist, dass eine solche jedoch bei
Nephritikern bestehen kann, ohne Urämie hervorzurufen imd dass anderer-
seits selbst beim Anfall eine reichliche Ausscheidung von Harnstoff er-
folgen kann. Als Zeugnis für die verhältnismässige Unschädlichkeit des
zurückgehaltenen Stofifes sei übrigens hier eines von Ferreol(20) ver-
öffentUchten Falles gedacht, in welchem nach achttägiger Anurie an einem
Tage 10^/8 Liter Urin mit 147 g Harnstofif entleert wurden. Dagegen hat
Bouchard (s. u.) unter den von ihm zu isolieren versuchten toxischen
Prinzipien des Urins auch den Harnstoff gefunden, desgleichen verdient
eine Untersuchungsreihe von Cavazzani und Rebustello (12) Erwäh-
nung, welche durch sinnreiche Experimente festzustellen vermochten, dass
Injektion von Harnstoff auf die Vasomotoren der Nierengefässe enien
wesentiichen Einfluss ausübe und Gefässerweiterung und Stromverlang-
samung hervorriefe. — Ob der Harnstoff also an der Urämie mitwirken
kann, ist daher durch die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausge-
schlossen.
Von anderen stickstoffhaltigen Ausscheidungsprodukten sind dann
noch die sogenannten Extraktivstoffe, vor allem das Kroatin
bezw. Kreatinin genannt worden. Die Aufmerkamkeit auf diese wurde
Die Urämie. • 643
bekanntlich zuerst von Schottin (59) gelenkt, der sie im urämischen Blut
und Transsudat vermehrt ausrechnete. lu ähnlicher Weise äusserten sich
Oppler (47) und Hoppe (31), alle drei sprachen übrigens auch noch die
Vermutung aus, dass durch die Beeinträchtigung des Stoffwechsels bei
Nierenkranken intermediäre Produkte der Eiweissoxydation auftreten
könnten, die ähnlich wie die ErmüdungsstofFe der Muskeln im Centrainer ven-
system Lähmungs- und Reizerscheinungen auswirkten. Auch in neuerer
Zeit wurden Beobachtungen gemacht, welche die Bedeutung der Extrak-
tivstoffe in den Vordergrund drängen sollten. Gumlich (27) trennte
durch Fällung vermittelst Phosphorwolframsäure die verschiedenen N-hal-
tigen Produkte des Harns, bestimmte gleichzeitig den Betrag des Harn-
ammoniak und berechnete so den Stickstoff vom Harnstoff, Ammoniak
und „Extraktivstoffen' ' (inkl. der Harnsäure) besonders. Er fand in einem
Falle von Urämie, der unmittelbar vor und nach den Anfällen untersucht
werden konnte, vorher abnorm geringe, nachher abnorm hohe Werte dieses
Stickstoff betrags (5,4:19,0 ^Iq gegenüber den normal von ihm bei Nephri-
tikem gefundenen 9—11 °/o des Gesamt-N). Lange vor ihm hatte übrigens
K. B. Hoff mann (30) Kreatinverminderung im Harn vorgeschrittener
Nephritiker auch bei kreatinreicher Nahrung nachweisen zu können ge-
glaubt. Schliesslich fand Landois (36) bei seinen noch weiter unten zu be-
schreibenden Versuchen künstlicher urämischer Anfälle beim Hunde in
dem Kreatinin einen für die Herstellung des eklamptischen Symptomenbildes
sehr wirksamen Stoff. Auch von den übrigen Harnbasen, die von Thu-
d ich um (63) isoliert wurden, besonders von den darunter befindlichen
Harnfarbstoffen, hat Kobert (34) eine Mitwirkung vermutet, ebenso
auch einige französische Forscher , die neuerdings die Hamgiftigkeit
studiert haben (Mairet et Bosc (43)). Dagegen haben die Versuche von
Feltz und Ritter und auch Bouchard (9) eine besondere Giftwir-
kung des Kreatinins nicht annehmbar erscheinen lassen.
Feltz und Ritter (19) waren es, die den Aschenbestandteilen des
Harns ihre Aufmerksamkeit zuwandten, auf deren Giftigkeit übrigens auch
schon Voit (66) hingewiesen hatte; sie sowie unabhängig von ihnen
Astaschewsky (2) fanden im Blut nephrotomierter Tiere Vermehrung
der Kalisalze vor und brachten dies mit der klinischen Urämie in Zu-
sammenhang. Sie suchten ihrer Anschauung dadurch eine experimen-
telle Stütze zu verleihen, dass sie die Salze des Harns in 3tägiger Äqui-
valentmenge Tieren einspritzten, die dann unter Krämpfen zu Grunde
gingen. d'Espine (17) konstatierte dann im Blutserum eklamptischer
Frauen Vermehrung des Kali bei Kaliarmut des Urins. Die Verallge-
meinerung dieses Befundes wurde durch die Untersuchungen von Hor-
baezewski (32) widerlegt. Später wies jedoch Landois (36) mit Recht
41*
644 Allgem. pftthol. Morphologie and Physiologie.
darauf hin, dass die von Feltz und Ritter erzeugten Symptome mit
Urämie nichts gemein hätten und nur durch die Herzwirkung des Kali
zu deuten seien, und von Limbeck (41a) [s.u.] erklärte ihre Blutbefundf
aus postmortalen Veränderungen. — Die Rolle der Aschenbestandteile des
Harns als selbständige direkte Ursache der Urämie ist daher wohl als aus-
gespielt zu betrachten. Sieht man von ihnen ab, so bleiben die normaler
weise ausgeschiedenen stickstoffhaltigen Stoffwechselprodukte übrig, welch»^
von den früheren Autoren der Reihe nach für das Zustandekonunen des
Krankheitsbildes verantwortlich gemacht wurden.
Das Unbefriedigende dieser einseitigen Erklärungsversuche, das heute
klar auf der Hand liegt, wurde, als noch alle Untersuchungen in den An
fangen steckten, frühzeitig von Frerichs (23) scharfblickend erkannt Die
von ihm sehr geistreich ersonnene Theorie, dass es etwas anderes, ueu
hinzugekommenes sein müsse, um den eigenartigen Symptomenkomplex
zu schaffen, das er bekanntlich in der Giftwirkung des aus dem Harnstoff
durch Fermentwirkung entstandenen kohlensauren Ammoniak sah, bildet
den ersten Versuch, auf eine andere Weise der direkten Frage beizu-
komraen. Allerdings nur den vergeblichen, denn die thatsächlichen Unter-
lagen, die er zu geben versuchte, konnten exakten Untersuchungen nicht
Stich halten und nach jahrelangen Diskussionen musste die Hypothese als
gänzlich unhaltbar beiseite gelegt werden. Heute denkt kein Mensch mehr
an den kohlensauren Ammoniak als Ursache der Urämie, überflüssiger-
weise hat noch im Jahre 1887 Landois seinen Schüler Kruse (35) die
Unzulänglichkeit dieser Anschauung nachweisen lassen. — Die gauze
Forschungsperiode, die unter dem Zeichen von Frerichs Hypothese stand,
wurde schon von Rom melaire [1867] (53) und Voit [1868] (66) endgültig
abgethan. Ersterer machte mit Recht darauf aufmerksam, wie aus-
sichtslos es sei, einem einzigen Harnbestandteile die Fähigkeit zur Er-
zeugung der fraglichen Symptome zuzuschreiben. Diese Wirkung könne
nur durch Retention aller N-haltigen Substanzen erzeugt werden, die je
nach dem verschiedenen Grade der Oxydation, den sie im Organismus er-
fahren, der eine mehr, der andere weniger beteiligt seien. Ebenso komme
es dabei wahrscheinlich auch auf die Ausscheidungsgrösse des Wassers
an. Ähnlich, aber noch allgemeiner, sprach sich Voit aus. Es treten
die krankhaften Symptome auf, wenn irgend ein Stoff, der nicht zur Zu-
sammensetzung des Körpers gehört, sich ansammelt und nicht fortgeschafft
werden kann. Bei der Unterdrückung der Harnabsonderung ist es daher
nicht ein einziger Bestandteil, der Schaden bringe, sondern alle mitander.
Unter den gleichen Umständen könne daher aber auch irgend ein fremdes
Salz, wie kohlensaures Ammoniak oder Glaubersalz, die nämlichen Er-
scheinungen machen. (So gelang ihm dies durch Anhäufung von benzoe-
Die Urämie. 645
saurem Natron im Organismus.) Er hält daher auch den Namen „Urämie"
für unangebracht.
Die Hauptschwierigkeit der Erklärung des Symptomenkomplexes lag
in zwei Umständen. Zunächst in der klinischen Eigenart des Krankheits-
bildes selbst, das einmal eine Summe oft heterogener Allgemeinerschei-
nungen (Lähmung , Reiz , Koma , Konvulsionen etc.) vereinigt , das
andre Mal ganz cirkumskripte vereinzelte Herderscheinungen (Amaurose,
Hemiplegien) erzeugt, manchmal zu stürmischen Wiederholungen neigt,
manchmal sich mit einem einzigen Auftreten begnügt, manchmal schliess-
lich einen langdauemden chronischen, aber weniger intensiven Krankheits-
zustand hervorruft. Mehr noch als dies musste das wechselnde Verhalten
der Nieren selbst die Erklänmg erschweren, das mit den Anfällen in
keinen richtigen Parallelismus zu bringen war, weder in Bezug auf Form,
Ausbreitung und Dauer der Erkrankung noch auf das Verhalten des Harns
in der Ausscheidung des Wassers oder der N-haltigen Bestandteile. Um
alle diese so verschiedenen Momente möglichst in Einklang zu bringen,
hat Traube (64) bekanntlich eine mechanische Erklärung versucht.
Sie sah das massgebende Moment an der bei Nierenkranken so häufigen Kom-
bination von Hydrämie und arterieller Drucksteigerung. Durch Zunahme der
hohen arteriellen/ Spannung oder der Hydrämie komme es dann zu Hirn-
ödem und Anämie der Hirnsubstanz , die im Grosshirn lokalisiert ledigUch
Koma, im Mittelhirn und der Med. oblongata Konvulsionen hervorrufe. Auch
diese Anschauung ist in ihren Einzelheiten und in ihrer Allgemeinheit
längst widerlegt, vor allem durch den Umstand, dass das Hirnödem gar kein
konstanter Befund bei Urämie ist, auch lässt sie das Entstehen der Urämie
bei plötzHcher Anurie infolge von Nierensteinen etc. ganz ausser acht.
Trotzdem ist sie noch in neuester Zeit zum Ausgangspunkt der Darstellung
geworden, die Rosenstein (84) auch noch in der letzten Auflage (1894)
seines bekannten Lehrbuchs giebt. Nach seiner Auffassung liegt der
Schwerpunkt der Traubeschen Theorie in dem Zustandekommen einer
akuten Hirnanämie, gleichviel ob mit ob ohne Ödem. Dies könne
iu vielen Fällen wohl in der von Traube auseinandergesetzten Weise
zustande kommen, kann sich aber mit gleichem Erfolge auch in ganz
anderer Weise produzieren. Es kann unter den zurückgehaltenen Harn-
bestaudteilen sich auch ein Stoff befinden, welcher hauptsächlich auf die
Gefässnerven des Gehirns wirkt und eine akute Anämie bald dieser, bald
jener Himteile hervorruft. Denn nur die Theorie der Urämie kann auf
Geltung Anspruch erheben, welche die klinischen Erscheinungen in ihrer
Gesamtheit erklärt. Und dies thut keine, die nicht die Möglichkeit der
Ursache in verschiedenen Lokalisationen des centralen Nervensystems zu-
lässt, woraus allein die Vielgestaltigkeit der Symptome erklärlich ist. Die
646 All gem. pathol. Morphologie und Physiologie.
mittelbare Ursache ist daher die Hamretention, die unmittelbare die Wir-
kung auf die vasomotorischen Nerven aller oder vereinzelter Himprovinzen
— ob durch Herzschwäche (Cohnheim 13j oder durch plötzliche Ver-
stopfung der Hamkanälchen, hervorgerufen, müssen noch Untersuchungen
lehren. Der eben entwickelten Anschauung fehlt jedoch sowohl die
pathologisch anatomische, wie die experimentelle Unterlage; weder ist die
Anämie konstant, noch ist ein gefässkrampferregendes Gift nachgewiesen.
Rosenstein sagt ja auch selber bezeichnenderweise : Es kann! Fleischer
(22) nimmt übrigens auch auf Grund der Leichenbefunde seiner Versuchs-
tiere einen Gefässkrampf an, welcher die Blutverteilung in den verschiedenen
Organen verändere und besonders in Hirn Anämie erzeuge. Gei gel (24)
macht auf Grund der Versuche dieses Autors den supponierten Gefässkrampf
der Himarterien zum Ausgangspunkt seiner Anschauung über die Blutver-
teilungsmechanik im Gehirn bei Urämie, (Kapillarenerweiterung auf Grund
arteriellen Blutgefässkrampfes), die jedoch ohne die nicht hierhergehörige
Erörterung seiner allgemeinen Theorie der Himblutcirkulation nicht verständ-
lich ist. Ebenfalls von dem Bedürfnis, die Vielgestaltigkeit des urämischen
Erkrankungsbildes zu erklären, sind die Versuche von Landois (36) ausge-
gangen. Landois stellte fest, dass gewisse Hanibestandteile , vor allem
die Extraktivstoffe und die Salze, weniger der Harnstoff, auf die in der
Äthernarkose freigelegte Oberfläche des Gehirns von Kaninchen, Hunden
und Affen gebracht, infolge von chemischer Reizung der Teile Erscheinungen
hervorrufen, die dem urämischen Anfalle gleichen. Je nach der Dauer
der Einwirkung und der Wahl der Applikationsstelle vermochte er nicht
nur Koma und Konvulsionen, sondern auch noch andere während der
Urämie beobachtete Vorgänge hervorzurufen, so dass unter den künstlich
bei den verschiedenen Versuchstieren zustande gebrachten Erscheinungen
kaum Züge fehlten, welche das Ensemble des urämischen Anfalls zu-
sammensetzen. Diese Versuche veranlassen ihn zu folgender Erklärung.
Das Wesen der Urämie besteht in einer toxischen Einwirkung von solchen
Substanzen auf das Gehirn, welche normalerweise durch den Urin ent-
leert werden sollen und zwar der sogenannten Extraktivstoffe und Salze.
Indem diese Stoffe vom Blut aus, in dem sie sich infolge der gestörten
Hamabsonderung aufspeichern müssen, mit dem Centralnervensystem in
innige Berührung gebracht werden, erzeugen sie in demselben einen an-
haltenden Reiz. Als das hervorstechendste Zeichen bildet sich ein Zustand
im Gehirn aus, der von ihm als die „eklamptische Erregbarkeits-
stufe" bezeichnet wird. Derselbe besteht darin, dass es durch die Sum-
mation der anhaltenden, an sich zu schwachen chemischen Reize zu einem
Ausbruch der Konvulsionen kommt; während der Entwickelung dieser
Krarapferscheinungen wird die Thätigkeit der Hemmungsvorgänge in der
Die Urämie. 647
Hirnrinde geschädigt oder aufgehoben. Der Angriffspunkt der Krämpfe
liegt in den psychomotorischen Centren der Grosshirnrinde, doch
können sich Erschütterungen auf Pons und MeduUa oblongata fortpflanzen.
Oft verbinden sich damit Reizungs- und Depressionserscheinungen in anderen
Gebieten der Rinde (Koma, Bewustseinsstörungen, psychische AnomaUen),
schüessUch kann sich der Reizzustand auch dem Rückenmark mitteilen und
die Reflexerregbarkeit beeinflussen. Des ferneren versucht Landois durch
genauere Analyse der einzelnen urämischen Symptome in den verschiedenen
Organen den centralen Anteil gegenüber peripheren Momenten in den Vorder-
grund zu stellen, was ihm auch zum grossen Teil gelingt. — Die La n dois sehen
Versuche sind an sich wegen der grossen Ähnlichkeit der erzielten Rinden-
reizwirkungen mit dem urämischen Anfall bezw. mit Teilerscheinungen des-
selben sehr interessant. Auch bezeichnet der von ihnen in die klinische
Pathogenese herübergenommene Begriff der „eklamptischen Erregbarkeits-
stufe" einen Zustand, der sich mit manchen khnischen Thatsachen im
Einklang befindet, da zur Hervorbringung desselben ausser den bei Urämie
zu supponierenden , chronischen, toxischen Einflüssen auch noch andere
nervenerregende Momente, die jeder Kliniker wohl vor Beginn eines
urämischen Anfalls oft bemerkt, mitwirken können. Namentlich der Puer-
peraleklampsie mit ihrer besonderen Pathogenese musste er zugute kommen
und ist in der That auch von v. Her ff (28) als Unterlage zu einer speziellen
Theorie derselben ausgenutzt worden. Aber gerade, wo es sich um den
Mechanismus des Anfalls handelt, sind die Analogieen Landois'
mit den durch örtliche Rindenapplikation der toxischen Stoffe hervor-
gerufenen Vergiftungserscheinungen sehr gewagt. Landois anerkennt
dies auch selbst und nimmt zur Erklärung desselben an, dass das Ge-
fässsystem die Eigenart habe, die im Blut deponierten heterogenen Sub-
stanzen möglichst ra«ch an die Gewebe abzugeben, was er bei Transfusions-
versuchen mit fremdartigem Tierblut am Hämoglobin beobachten konnte.
Dafür sprächen auch die Überschwemmungen der Gewebe bei Urämie
mit Harnstoff und dergleichen. Damit ist aber noch lange nicht erklärt,
dass gerade die Hirnrinde zum Depot dieser Stoffe besonders einlädt;
noch weniger ist die Verschiedenheit der Anfälle bei anscheinend gleicher
Schädigung des Gehirns unserem Verständnis näher gerückt. Es erscheint
daher fragUch, ob wirkUch jeder uränische Insult primär von der Hirn-
rinde ausgeht. Auch sonst lassen manche der Landois sehen Erklärungs-
versuche noch die verschiedensten Fragen über die Symptomatologie des
Anfalls offen. So sind die Fälle, in denen er nur und gleich von Anfang an,
aus Lähmungs- und Depressionserscheinungen (Hemiplegie, Koma, Amaurose)
besteht, ohne irgend welche Reizerscheinungen darzubieten, durch die von
ihm angenommene „Lähmung durch Überreizung*' nicht befriedigend erklärt.
648 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Nicht unerwähnt möchte ich übrigens hierbei eine Arbeit von Szpan-
bock (61) lassen, welcher die elektrische Erregbarkeit der Hirnrinde Tor
und nach Ureterenligatur beobachtete und unter Zunahme der urämischen
Erscheinungen Abnahme derselben feststellte — also einen Vorgang,
der eigentUch eine der La ndois sehen entgegengesetzte Vorstellung von
der Wirksamkeit des Harnverschlusses auf die Erregbarkeit der Hirn-
rinde erweckt. SchHesslich ist es sehr willkürlich, wenn La ndois die beim
Tierexperiment wirksamen Extraktivstoffe und Salze ohne weiteres als die
wirksamen Agentien für die menschUche Urämie proklamiert. Im Blut und
in den Geweben ist zudem bisher nur das ungiftige Kreatin nachgewiesen,
das giftige Kreatinin nur in sauren Verbindungen, wie im Harn (siehe auch
oben das über die Extraktivstoffe gesagte).
Wieder mehr an die alte Forschungsrichtung, besonders an die Yer-
suche von Feltz und Ritter knüpfen eine Reihe moderner Untersuch-
ungen, hauptsächlich französischer Pathologen an, die sich mit der Fest-
stellung der Giftigkeit des normalen und pathologischen Urins beschäftigten.
Die Hauptvertreter dieser Richtung sind Bouchard (9) und Lepine(3S)
und deren Schüler. Die Untersuchungen gingen so vor sich, dass in die
Ohrvene des Versuchstieres (Kaninchen) so lange filtrierter und sterilisierter
Harn eines Tieres derselben oder einer anderen Species injiziert wurde,
bis der Tod eintrat. Auf diese Weise konnten die Symptome studiert und
die kleinste Dose ausgerechnet werden, welche genügt, um ein Tier durch
die Harneinführuug zu töten. Die Harnmenge, die für 1 Kilo Tier hierzu
nötig ist, wurde von Bouchard urotoxische Einheit, die Menge
Urotoxie, welche 1 Kilo Mensch in 24 Stunden produziert, der urotoxische
Koeffizient genannt. Als Mittelwert der urotoxischen Einheit des Menschen-
harns für Kaninchen berechnete Bouchard ca. 50 ccm, bei einem Gewicht
von 60 Kilo also den urotoxischen Koeffizienten = 0,4. Bouchard über-
trägt diesen Befund auf die Wirkung des menschlichen Harns auf den
Menschen selbst und nimmt daher an, dass ein Mensch in 2—3 Tagen
Gift genug hervorbringe, um sich zu töten. Die Erscheinungen, die
Bouchard durch die Giftwirkung an Tieren erzielte, waren Myosis, Ver-
mehrung der Atmungsfrequenz, Herabsetzung der Atmungsgrösse, Beschleu-
nigung der Herzaktion, Zunahme der Harnsekretion, Vermindermig der
Lid- und Komealreflexe , Apatliie, Soranolenz, Koma, durch Konvulsionen
unterbrochen, Exophthalmus, Hypothermie (bis um 7°), plötzlicher Tod oder
nach Nachlass der Einspritzung Erholung mit nachfolgender Polyurie. Eine
Isolierung der vermuteten Stoffe hat Bouchard nur sehr mangelhaft ver-
sucht, nur durch ihr verschiedenes Verhalten gegenüber Tierkohle, Alkohol
und Mineralsalzen hat er sie unterschieden, glaubt jedoch auf diese Weise
ausser den giftigen Kalisalzen im ganzen sieben verschieden physiologisch
Die Urämie. 649
wirksame, organische Substanzen annehmen zu können (eine davon ist der
Harnstoff, Kreatinin ist nicht dabei), die unter der Wirkung verschiedener
Umstände auf ihre Produktion (Tages-, Nachtzeit, Nahrung, Ruhe und Be-
wegung) sich bilden, gegenseitig beeinflussen, verstärken und herabsetzen
können. — Weitere Untersuchungen ergaben ihm, dass der Urin urämischer
Patienten weniger toxisch als der normale sei; dies veranlasste ihn, die
Urämie als eine Vergiftung durch alleHamgifte anzusehen, die normaler-
weise in den Organismus eingeführt oder in ihm gebildet, durch die In-
sufficienz der Nieren zurückgehalten werden. Die Stoffe müssten aus dem
Blut stammen, das sie aus den Geweben herausspült, zum Teil seien
es Zellschlacken, zum Teil normale Sekretionsprodukte der Verdauuugs-
drüseu, zum Teil schliesslich Prodykte der Nahrung und der Darmfäulnis;
durch Beeinflussung der Diät lasse sich daher auch die Giftigkeit verändern.
Die Variabilität der Symptome bei der Urämie erkläre sich aus der verschie-
denen Durchlässigkeit der noch sekretionsfähigen Teile der erkrankten Niere
für die verschiedenen Stoffe. — Diese Untersuchungen haben nun eine grosse
Reihe höher oder geringer wertiger Arbeiten hervorgerufen, die mit dem
urotoxischen Koeffizienten wie mit einer absolut sicheren Einheit rechnen.
Sie ergänzten die Befunde Bouchards bei normalen und patliologischen
Harnen. Einiges Interesse für uns haben die von Tarnier und Chambre-
lent (62), die sich mit dem Verhalten bei puerperaler Eklampsie beschäf-
tigen und Wechselbeziehungen zwischen der Toxizität des Serums und Harns
im Sinne einer Toxinüberladung des Blutes bei Eklamptischen feststellen
zu können glaubten; Laulanier und Chambrelent (37) fanden zudem
während der Gravidität die Harntoxizität überhaupt geringer wie normal und
schlössen daraus eine Überschwemmung des schwangeren Organismus mit
Toxinen, wohingegen Blanc (7) die Differenzen für zu gering ansieht, um sie
ätiologisch für die Eklampsie verwerten zu können. Auch bei Epileptikern
ist vor und nach den Anfällen die Harngiftigkeit geprüft worden [Denny
et Chouppe, Fere, Voisin (15)] und vor und wälirend des Anfalls „Hypo-
toxie", nach demselben „Hypertoxie", bei manchen Epileptikern auch dau-
ernde Hypotoxie in den anfallsfreien Zeiten wahrgenommen worden. —
Ohne den allgemeinen Wert der Arbeiten Bouchards und seiner Schüler
für die Pathologie der Autointoxikationen in Frage stellen zu wollen,
scheint uns doch die Ausbeute gerade für die Urämie, von der sie ihren
Ausgang genommen, im ganzen sehr gering. Denn der von ihm experi-
mentell hervorgerufene Symptomenkomplex ist einmal eben so gross, dass
er natürlich auch Züge der klinischen Urämie enthalten muss ; aber würde
er selbst sich enger an den Rahmen der beim Menschen in ganz typischer
Weise sich abspielenden Zeichen halten, so würde die Form seines experi-
mentellen Eingriffs das Zustandekommen der Erscheinungen dem Verstand-
650 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
nis auch mcht näher rücken, als es die früheren Untersuchungen mit einem
oder dem andern Hamteil gethan haben. Als interessante und einer spä-
teren Verwertung zugängliche Thatsache bleibt nur übrig, dass der Harn
des gesunden Menschen für gewisse Tiere giftig ist und dass bei Urämie
diese Giftigkeit sich vermindert. Welchen Stoffen diese Giftigkeit zuzu-
schreiben ist, darüber haben die französischen P'orscher sich wenig zu äussern
vermocht. Lupine, Aubert und Gu er in (38) fanden, dass die Giftigkeit
des genuinen Harns die seiner Aschenlösung um 15 — 20®/o. überträfe, dass
daher ungefähr der fünfte Teil der Wirkung organischen Giften zuge-
schrieben werden müsste. Pouch et (49) vermochte aus dem Tanninnieder-
schlag des Harns eine sehr giftige Base, deren Menge jedoch zur Elemen-
taranalyse nicht ausreichte, zu isolieren, Bin et (6) konnte eine thermogene
Substanz durch Mitreissen mit amorphen Niederschlägen aus dem Harn
entfernen, die sich in Gl3''cerin löste und durch Alkohol fällbar war. Über
ihre chemische Natur giebt er jedoch sonst keinen Aufschluss. In neuester
Zeit hat auch Sacaze (57) bei Prüfung der Toxizität des Aderlassblui-
serums und Urins urämischer Patienten gefunden, dass die giftigen Stoffe
zum grössten Teil beim Filtrieren durch Tierkohle zurückgehalten werden,
daher den Farbstoffen oder Ptomainen zuzuschreiben seien. Der Äther-
extrakt des Kohlenrückstandes erwies sich sehr toxisch, dagegen die nach
Griffiths (26) und Luff (42) (s. u.) zu isolieren versuchten „Ptomaine''
als ungiftig (die Angaben über die Vornahme dieses Verfahrens sind sehr
dürftig). Es handelte sich aber in dem Falle um Urämie bei einem Typhus,
der durch Erysipel kompliziert war, daher kann dem Befund keine allge-
meine Deutung zugeschrieben werden. — Von deutschen Forschern hat schon
im Jahre 1883 Schiffer (58) sein Interesse dem Studium der Hamgiftigkeit
zugewendet, dessen Versuche im Sinne der oben citierten Löpinescheu
ausfielen und die Überlegenheit der Toxizität des genuinen Harnes gegen-
über seiner Aschenlösung erwiesen. Stadthagen (60j, der nach Schiffers
Tode seine Versuche wieder aufnahm, vermochte jedoch durch genaue
Analyse keine neuen giftigen Verbindunge weder aus der Reihe der
Basen noch aus derjenigen der Toxalbumine nach den Methoden von
Stas-Otto bezw. Brieger herzustellen. Die grössere Giftigkeit des genuinen
normalen Harns gegenüber seiner Aschenlösung erklärt er im Sinne Voits
(s. o.) durch die Überschwemmung mit den normalen Harnbestandteilen,
Gewebs- und Nahrungsschlacken, welche die osmotischen Vorgänge zwischen
Ernährungsflüssigkeit und Zellen behindern und die Gewebe wie die Asche das
Feuer ersticken. In neuester Zeit haben Griffiths und Luff mit neuen Me-
thoden aus pathologischen Harnen Ptomaine zu kristallisieren vermocht, der-
selben bediente sich auch Albu (1) und wies damit im Harn von Kranken be-
sonders nach Infektionskrankheiten alkaloid-ähnliche Stoffe nach, die sich bei
Die Urämie. 651
Gesunden nicht vorfanden. Dasselbe gelang auch Ewald und Jacob-
sohn (18). Als ein für die Urämie interessantes Faktum sei von diesen Unter-
suchungen hier erwähnt, dass in einem Falle von Tetanie (mit Autopsie),
der sich als Autointoxikation vom Darm aus erwies, von Ewald und
Jacobsohn sowohl, wie später von Albu der direkte Nachweis eines
ptomainartigen Körpers gelang. Ebenso interessant ist übrigens eine Be-
obachtung von Goldflam (25), welche auf die Beziehungen zwischen im Harn
befindlichen toxischen Substanzen und klinisch beobachteten nervösen Herd-
erscheinungen ein Licht wirft. Goldflam fand bei einem merkwürdigen
Falle chronisch bestehender und anfallsweise auftretender spinaler Para-
lyse bei sehr sorgfältiger Prüfung des Harns nach Bouchardscher Me-
thode in anfallsfreien und Anfallszeiten eine ganz erhebliche Zunahme der
Giftigkeit des Harns während der Anfälle. Hierbei liessen sich unter den
toxischen nervösen Erscheinungen der vergifteten Tiere solche wahrnehmen,
welche mit den klinisch beobachteten direkt übereinstimmten; die Ver-
gleiche zwischen Aschenlösung und Harn sprachen zu Gunsten eines
organischen Giftes. Leider ist eine genauere chemische Analyse nicht ge-
macht worden.
Es scheint daher, dass das "Studium der Hamgifügkeit für die Erklä-
rung der Urämie doch einige Perspektiven eröffnet. Einen neuen Gedanken
brachte Lupine (39) in diese Richtung. Er führte in den freigelegten
Ureter eines Hundes sterilisierte schwache Sodalösung, welche den Abfluss
des Harns hinderte, und so „vor ihrem Eintritt ins Blut die Niere abspülte
und sich mit ihrem Gewebssaft mischte." Diese Versuche riefen Hyper-
thermie bis 42" und Tod unter beginnender exspiratorischer Dyspnoe her-
vor. Dasselbe erzielte er durch Injektion eines filtrierten und sterilisierten
Nierenextraktes. Er nimmt an, dass es sich daher hier nicht um Retention
von Harnstoffen, sondern im Gegensatz zur Urämie um die Resorption
eines giftigen „suc interstitilel" der Niere handele. Der gleiche Gedanke,
dass sich bei der Niere neben der Harnproduktion durch die Zelltliätig-
keit eine „innere Sekretion*' vollziehe, gab denAnstoss zu einer Reihe
von Arbeiten, die allerdings nach dem entgegengesetzten Ziel strebten,
nämlich gerade die Urämie hieraus im Sinne der Cachexia strumipriva
und des Pancreasdiabetes zu erklären. — Brown-S^quard (10), der Be-
gründer des Organtherapie, hat im Verein mit d'Arsonval die Behaup-
tung aufgestellt, dass nicht nur die Blutdrüsen, sondern auch die Aus-
führungsdrüsen eine solche Sekretion lieferten, wie sie ja vom Pankreas
durch die 'Existenz des Pancreasdiabetes bewiesen sei. Was die Niere an-
belangt, so ergeben seine und d'Arsonvals Versuche, dass doi)pelseitig
nephrotomierte Kaninchen und Meerschweinchen nach Einspritzung eines
Nierenextraktes „Nephrine" den Eingriff länger überlebten, als ohne diese
552 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
behandelt^ Tiere. Für das Zustandekommen der Urämie genüge daher
nicht die unzureichende Entfernung gewisser Harnsubstanzen, sondern es
ist nötig 1. die Unzulänglichkeit oder Abwesenheit gewisser vom normalen
Nierengewebe auf das Bhit ausgeübter chemischer Einwirkungen, 2. das
Vorhandensein von krankhaften chemischen Veränderungen des Blutes,
welche durch den Ausfall der innern Nierensekretion entstehen, 3. die Be
schaffenheit der Niere selbst. E. Meyer (44) versuchte nun der Frage
dadurch näher zu kommen, dass er die Wirkung des Ausfalls der Nieren-
funktion und deren angemessenen Ersatz an einem einzigen graphisch
studierbaren Symptom verfolgte, nämUch in dem Cheyne-Sto keuschen
Atemtypus, den Hunde nach Nephrotomie darzubieten pflegen. Sobald
diese Atmungsveränderung eingetreten war und sich graphisch deutlich
— unter Vermeidung aller Fehlerquellen — markierte, spritzte er zunächst
Nierensaft ein und vermochte dadurch den normalen regelmässigen Atmungs-
typus wieder herzustellen. Würde nun die fragliche „modifizierende Sub-
stanz" wirklich von den Nieren für das Blut geliefert, so musste sie sich
überhaupt im arteriellen Körperblut, am deutlichsten aber im Nierenvenen-
blut vorfinden. Und in der That gelang es hier nach Injektion solchen
defibrinierten Blutes, am besten mit venösem 'Nierenblut, die Regelmässig-
keit der Atmung wieder herzustellen. Die beigefügten Zeichnungen be-
stätigen seine Angaben. — Brown-Sequard (11) hat in einer weiteren
Arbeit die klinische Seite der Frage erörtert; er macht mit Recht auf die
zahlreichen Fälle langdauernder Anürieen auhnerksam, die ohne jedes urä-
mische Symptom, bei völligem Wohlbefinden des Patienten verlaufen können
Er fügt eine genaue reichhaltige Zusammenstellung solcher gut beobachteter
Fälle bei, in denen die Anurie sich in einer Dauer von 8—28 (!) Tagen
(Fall von Whiteland, Lancet 1877) bewegt. — Diese Fälle lassen t*s
unmöglich erscheinen, dass die Retention experimenteller Harnbestandteile
als Ursache der Urämie anzusehen sei. Nach seiner Anschauung liegen
bei der Erkrankung der Niere drei Möglichkeiten vor: 1. Störung sowohl
der inneren wie der äusseren Sekretion — schwere Texturerkrankungen,
experimentelle doppelseitige Nephrotomie: Urämie; 2. alleinige Störung der
inneren Sekretion - Fälle von Urämie trotz vorhandener Hamsekretion ;
3. alleinige Störung der äusseren Sekretion — Fälle von Oligurie und Anurie
ohne Urämie. Erst wenn die Nierensubstanz soweit vernichtet ist, dass gar
keine innere Sekretion mehr stattfinden kann, kommt es zur Urämie, genügt
doch auch bei Exstirpation der Blutdrüsen die Zurückhaltung eines kleinen
^wohlerhaltenen Stückes des fraglichen Orgaues, um die Giftwirkung der
Exstirpation zu verhindern. — Eine Nachprüfung haben die Versuche erst
durch eine Arbeit von Vanni und Manzini (65) erfahren. Sie vergleichen
die Resultate der Eingriffe nach doppelseitiger Ureterenligatur und Nephro-
Die Urämie. 653
tomie, ohiie jedoch wirklich wesentiiche Differeuzen zwischen beiden Ope-
rationen zu konstatieren, dagegen schien auch in ihren Versuchen das
Leben der der Nieren beraubten Tiere sich durch Einspritzung wässrigen
Nierenextraktes zu verlängern.
Man wird diesen spärlichen unzulänglichen Versuche und ihrer Aus-
legung, die übrigens bereits bei einigen französischen Klinikern enthusias-
tischen Anklang hervorgerufen und zu therapeutischen Versuchen geführt
haben, natürlich mit grossem Zweifel und Zurückhaltung begegnen müssen,
besonders, da das „grundlegende" Experiment von Brown-Sequard und
d'Arsonval, sowie auch das der letztgenannten italienischen Autoren
von sehr fragwürdigem Erfolge ist, wohingegen allerdings das Meyer sehe zu
denken giebt. Trotzdem wäre es meines Erachtens nach wohl verfehlt, das
Kind mit dem Bade auszuschütten und die Möglichkeit der von Brown-
S^quard und seinen Anhängern vermuteten Vorgänge a limine abzu-
weisen. Auch von anderer Seite ist an eine derartige Möglichkeit schon
andeutungsweise gedacht worden (v. Limb eck) (41a). Die Wirksamkeit
des Nierenparenchyms bei der Synthese der Hippursäure legt nahe, dass
die Niere ausser der sekretorischen auch noch andere aktive Thätigkeit
entfalten kann. -— Auch möchte ich hier auf die neuen Untersuchungen
L. Liebermanns (40) hinweisen, der im Nierengewebe einen nuklein-
ähnlichen sauer reagierenden Körper Lecithalbumin vorfand. Dieser
Substanz kommt die Eigenschaft zu, gewisse alkalisch reagierende Salze,
wie phosphorsaures Natron so zu zersetzen, dass eine Lösung des Salzes
durch eine Schichte der Substanz filtriert, ein sauer reagierendes Filtrat
giebt. Serum und defibriniertes Blut von Rindern, über Lecithalbumin
vorsichtig filtriert, ergab eine saure, dem Pflanzenfresserharn ähnliche
Flüssigkeit im Filtrat. Wir haben demnach von der Chemie noch weitere
Aufschlüsse über die Natur des Nierenparenchyms zu erwarten, die mög-
licherweise auch einiges Licht über den von die genannten französischen
Forschem vermuteten Beziehungen bringen können.
Überblicken wir im Zusammenhang das Ergebnis der bisherigen Zu-
sammenstellung, so müssen wir gestehen, dass trotz mannigfacher interes-
santer Ermittelungen von all den Hypothesen keine einzige unser Kausal-
bedürfnis zu befriedigen imstande ist. Jede von ihnen enthält wohl richtige
Gedanken, welche Anregungen und Ausgangspunkte für spätere Forschungen
geben wird, aber alle sind zu leicht gezimmert, der thatsächliche Unterbau
ist viel zu schwach. Vor allem muss befremden, dass fast alle Bearbeiter
sich bereit fanden, Hypothesen aufzustellen, ohne die Analyse des Vorgangs,
soweit es sich um die Feststellung der pathologisch-anatomischen und patho-
logisch-physiologischen Vorgänge handelt, erschöpft zu haben. Unter
den genannten Arbeiten befinden sich ja allerdings einige, welche nach
654 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
diesem Zid streben und daher sich auch als nutzbringend erwiesen haben.
Aber erst in letzter Zeit ist in dieser Hinsicht mehr gethan worden. El?
bleibt uns daher noch übrig, über eine Anzahl Untersuchungen zu be-
richten, welche in rein induktiver Weise sich mit der Analyse der frag
liehen Verhältnisse befassen und mit der Aufdeckung und genauer Registrie-
rung wichtiger Thatsachen begnügen, ohne sie von vornherein in den Dienst
einer vorgefassten Theorie zu stellen. Hierher gehören zunächst die Stoff-
Wechseluntersuchungen an Nierenkranken überhaupt, ohntr
deren genaue Kenntnis eine richtige Würdigung der dem urämischen Bilde
zu Grunde liegenden Kenntnisse gar nicht denkbar erscheint. Diese be-
ziehen sich hauptsächlich auf N-Stoffwechsel , der bei sorgfältiger Analyse
der Nahrungseinfuhr in längeren Untersuchungsreihen hauptsäclüich von
V. Noorden (15) in Gemeinschaft mit Ritter untersucht worden ist, nach-
dem vorher schon Fleischer (s. o.) über die Harnstoffausscheidungsbt-
dingungen und Prior (46) über den Einfluss der Nahrung auf die Albu-
minurie bemerkenswerte Thatsachen festgestellt hatten. Ihm schlössen sicL
die Untersuchungen von Mann, Kornblum, P. Müller und Hirsch-
feld (46) an. v. Noorden (46) fasst in seinem Lehrbuch der Pathologit
des Stoffwechsels die bisherigen Forschungsergebnisse dahin zusammen,
dass für das Verhältnis von Nahrungseinfuhr zur N- Ausscheidung drei
Möglichkeiten vorlägen. 1. Ein Parallelismus zwischen N-Ein- und Ausfuhr.
2. Verminderung der N- Ausfuhr gegen die Einfuhr — d. h. (bei Ausschluss
des Eiweissansatzes) entweder Retention von N im Körper oder vikariierende
Ausscheidung durch andere Organe. 3. Die N-Ausfuhr übertrifft die Ein-
fuhr, d. h. „bei wachsender Durchgängigkeit der Niere körmen angehäufte
Zerfallsprodukte in breitem Strome entfernt werden.*' Die verschiedenen
Arten der Nephritis gewähren also dem Austritt der stickstoffhaltigen Aus-
fuhrproduktion im Einzelfall die mannigfachsten Bedingungen. Speziell
füi* die Schrumpf niere wies v. Noorden und Ritter nach, dass perioden-
weise sohlechte und gute, ja vortreffliche EUmination sich ablösen können,
ohne dass das Allgemeinbefinden einen Fingerzeig dafür gäbe. So konnte
er die Untersuchungen früherer Forscher bestätigen, dass grosse N-Retention
vorkommen kann, ohne dass irgend ein nervöses oder sonstiges Symptom
von Urämie die Aufstapelung der Ausfuhrprodukte im Körper verriete:
dann gingen diese Perioden der Zurückhaltung von Stickstoff ganz schroff
in solche guter N-Elimination über. „Das Unberechenbare, fast bizarre der
N-Ehmination drückt dem Stoffwechsel der Nierenkranken gerade den be-
zeichnenden Stempel aufl"
Der Stoffwechsel der Salze und der Extraktivstoffe ist bisher nur in
so vereinzelten Untersuchungsreihen bestimmt worden, dass eine Wieder-
gabe dieser Resultate mir noch verfrüht erschiene, zum Teil sind diese
Die Urämie. 655
Beobachtungen auch schon eingangs erwähnt. Jedenfalls bietet der Ham
der Nephritiker, besonders der an chronischer Urämie Leidender noch
Angriffspunkte genug zu stoffwechselanalytischen Untersuchungen.
Auch über die Chemie des Blutes sind einige wissenswerte Thatsachen
eruiert worden, v. Jak seh (33) fand die Alkaünität desselben bei Nephri-
tikern im allgemeinen normal, de Renzi (51) höher als normal, bei Urämie
bestimmte v, Jaksch (33), ebenso Peiper (48) und W. Rumpf (56) sehr
geringe Werte. Noch stärkere Abnahme der Alkalescenz sah v. Lim-
beck (41b) in einem Falle, dagegen gab die Blutanalyse der künstüch
urämisch gemachten Tiere keine Veränderung der Reaktion nach dieser
Seite. Während daher v. Jaksch nicht ansteht, der verminderten Blut-
alkalescenz eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen des Krankheits-
bildes, wenn auch nicht das allein bestimmende Moment zuzuschreiben und
das Krankheitsbild den Säurevergiftungen anzureihen, hält v. Limbeck (41 a)
es nur für eine Begleiterscheinung ohne wesentliche Bedeutung. Letzterer
hat übrigens bei seinen gleich weiter unten zu besprechenden Versuchen
auch geprüft, ob sich als Anzeichen einer Aufstapelung von anorganischen
Salzen eine Steigerung der sog. Isotomie des Blutes nachweisen lasse.
Er fand jedoch die Werte sowohl bei diesen, als auch in einem klinischen
Falle normal, so dass an eine Anhäufung von Chloriden oder sich älmUch
gegen das Blutstroma verhaltenden Salzen nicht die Rede sein konnte.
Die Phosphate untersuchte er besonders und bemerkte bald Vermehrung,
bald Verminderung, also durchaus kein regelmässiges Verhalten. Ebenso
führte er den Nachweis, dass der Kaligehalt des Blutes durch die experi-
mentelle Harnretention nicht zunähme ; erst nach dem Tode tritt auf Kosten
des aus der Muskulatur geschwundenen Salzes eine Vermehrung des Blut-
kali auf
V. Limbeck (41a) betont den richtigen Gesichtspunkt, dass dem
Versuche experimentell zu erzeugender Urämie durch Einführung gewisser
Stoffe ein genaues Studium des beim Tier durch Nephrotomie oder
UreterenUgatur zu Stande gebrachten Symptomenbildes vorangehen müsse
und hat daher diese Aufgabe zu erfüUen gesucht. Er kam dabei zu dem
Resultat, dass die centrale Narkose das Bild beherrsche; dieselbe tritt
zuerst in Form von Stumpfheit und Schläfrigkeit auf, führt dann zu
mangelhafter Beherrschung der koordinierten Bewegungen, zu Koma, endlich
zum Stillstand der Respiration, Vor dem durch Lähmung des Atmungs-
centrmns erfolgten Tod findet in der Regel eine Beeinflussung der Vaso-
motoren und des Vaguscentrums, in einzelnen Fällen auch der automatischen
Herzganglien statt, welche fast konstant durch eine vorübergehende Vagus-
reizung ausgezeichnet ist. v. Limbeck steht nicht an — auch unter
Berücksichtigung dieses letzteren, bei narkotischen Vergiftungen oft genug
656 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
beobachteten passageren Reizsymptoms — das urämische Vergiftungsbil-i
in allen seinen Einzelheiten mit der Wirkung eines narkotischen Giftes zu
vergleichen und den von anderen Forschem durch Injektionen etc. hervor-
gerufenen Konvulsionen jede wesentliche Bedeutung abzusprechen. — Die
Limb eck sehe Arbeit zeigt jedenfalls, wie willkürlich es ist, die Tier-
experimente ohne weiteres auf den Menschen zu übertragen und raubt
daher auch den Landoisschen Versuchen einen grossen Teil ihrer Be-
deutung.
Von klinischer Seite ist eine subtilere Analyse der einzelnen Krank-
heitszeichen in den letzten Jahren so gut wie gar nicht erfolgt, die Beschreib-
ungen derselben enthalten auch in den neuesten Auflagen der bekannten
Lehrbücher keine andere Schilderung und Vertiefung des Symptomenbildes als
sie im wesentlichen sich schon in den früheren klassischen Darstellungen
von Bright, Bartels, Wagner und Rosenstein sich findet. Nur ver-
einzelte Angaben rücken manche Thatsache in helleres Licht. So möchte
ich hier z. B. der von Riegel (52) entdeckten Thatsache gedenken, dass
sieh bei akuter Scharlachnephritis synchron mit dem ersten Auftreten der
Albuminurie noch vor dem Vorhandensein einer Herzhypertrophie erhöhte
Pulsspannung und Pulsverlangsamung ausbildet, ein Umstand, der sicher
auf eine toxische Einwirkung zurückzuführen ist. Von den französischen
Autoren (14) ist in letzter Zeit dem Verhalten der Temperatur bei
Urämie ein besonderes Interesse zugewendet worden. Merkwürdigerweise
zeigen sich sowohl bei Koma als bei Konvulsionen Temperaturherab-
setzungen sowie Temperaturerhöhungen in hohen Graden, die in inte-
grierenden Zusammenhang mit der Urämie gebracht werden müssen
und daher sich nicht allein durch Abkühlung (Koma) bezw. auf Grund
der eventuell vorhandenen Konvulsionen gesteigerten Wärme gedeihen,
sondern als direkte Beeinflussung des Wärmecentrums nur deuten
lassen. Berichte über centrale Herderscheinungen, Lähmungen wie Rei-
zungen, liegen eine ganze Anzahl vor, besonders über rein urämische
Hemiplegieen [vgl. Boinet (8)] sowie über Krämpfe vom Charakter der
Jackson sehen Epilepsie [Dunin (16)]. Ebenso verdient eine Arbeit von
M. Rothmann (55) über die urämische Amaurose Erwähnung. An der
Hand eines Falles, der zuerst plötzlich eintretende ErbUndung des einen
Auges mit aufgehobener Pupillarreaktion, und ausserdem später eine pe-
riodisch wiederkehrende Erblindung des anderen darbot, sucht der Verf.
die Unabhängigkeit der Optikuskompression für das Zustandekommen der
Pupillarreaktion darzuthun und die Entstehung dieser Amaurose auf Grund
eines flüchtigen Ödems der Optikusscheide wahrscheinlich zu machen.
Einige Verwunderung muss schliesslich erregen, dass die pathologisch
anatomischen Veränderungen an den Nieren urämisch Verstorbener so gut
Die Urämie. 657
wie gar keine erneute Bearbeitung gefunden haben. Während diese Ver-
hältnisse an den Nieren und anderen Organen bei der Puerperaleklampsie
durch eine grössere Anzahl Untersuchungen, die bereits an einer anderen
Stelle dieses Werks besprochen sind*), jetzt völlig klargestellt zu sein
scheinen. Es ist mir nur gelungen, im ganzen zwei Arbeiten ausfindig
zu niachen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob der Befund an den
Nieren urämisch verstorbener Nephritiker sich von dem anderer unter-
scheidet. Die eine von Hlava und Thomayr (29) stammt aus dem Jahr
1882 und hat 22 Fälle von Nephritis zur Grundlage, die zum Teil unter
Urämie, zum Teil an andern Todesursachen zu Grunde gegangen sind.
Es zeigte sich nun, dass weder die Hamkanälchenepithelien noch die
Glomeruli Veränderungen aufwiesen, die zu den bestandenen urämischen
Zeichen in Parallelismus gestanden hätten. Dagegen waren die urämischen
Fälle fast alle von kleinzelügen Infiltrationen begleitet, die mehr oder
weniger massenhaft, zumeist ganz frisch sich in der Nachbarschaft der
Malpighischen Knäuel etabUert hatten, vorzüglich an der Stelle, wo das
Vas afferens und efferens die Mülle rsche Kapsel durchdringt, femer an
den aus den Blutgefässboden entspringenden interlobulären Arterien und
schliesslich in der Umgebung anderer Rindengefässe. Die Verfasser bringen
demgemäss die Erscheinungen mit einer Kompression der zuführenden
Gefässe und einer Behinderung der Wasserfiltration zusammen. — Die
andere Arbeit stammt von R^naut (50) aus dem Jahr 1890. Dieser stellte
an den von ihm untersuchten Fällen fest, dass die Urämie in keinem Zu-
sammenhang mit der Ausbreitung der Nierenläsion stünde. Er fand bei
diesen, von denen er einen typischen mitteilt, enorme Blutüberfüllung der
Nieren, dunkelblaue Schnittfläche, auf der sich Mark und Rinde nicht
unterscheiden Hess, die Kapsel überall von der Rinde gelöst, die inter-
lobulären Bindegewebsspalten erweitert. Die mikroskopische Prüfung der
Rinde ergab nur wenig geschädigte Glomerulussysteme, 95 °/o aller Glome-
ruli waren intakt. Nach seiner Ansicht handelt es sich um ein auf bulbo-
cerebralem Wege zustande gekommenes Odem der Nierenrinde, dass er mit
der ürtikariaquaddel vergleicht. Entlang den Markstreifen und um die
Glomeruü herum an der Umgebung der Vasa efferentia findet eine leb-
hafte Transudation statt, welche die Vasa efferentia verschliesst und so die
Sekretion zum Stocken bringt. Schliesslich seien hier noch die patho-
logisch-anatomischen Arbeiten von J. Fischer (21), der das Verhalten des
Darms bei Urämie, von Bariö (4), der eine Stomatitis uraemica beschreibt,
sowie von Banti (3) und Beco (5) über urämische Perikarditis erwähnt.
Die erwähnten Pubükationen, von denen die Fi scher sehe sich durch sehr
^) 0. Labarsch, Die Puerperaleklampsie, I. S. 113 ff.
Lübarsch-Ostertag, Ergebniise Abteil, n. 42
658 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
sorgfältige und detaillierte Untersuchungen auszeichnet, zeigen, dass die
Urämie Zustände in den Organen schafft, oder besser gesagt mit solcko
einhergeht, die an sich nichts Spezifisches haben, aber zu katarrhahscheo
und entzündhchen Veränderungen disponieren. Beco glaubt auf GruuJ
eines Falles der urämischen Perikarditis die Thätigkeit der Bact. coli
commune hierbei nicht ausschliessen zu können.
Alle die zuletzt besprochenen Untersuchungsresultate, die unter sich
keine zusammenhängende Erklärung gestatten, sind meiner Ansicht iia<?li
vereinzelte Bausteine, die in späterer Zeit am Aufbau einer einheitlichen
Auffassung werden mithelfen können. Ich habe es daher absichtlich ver-
mieden, irgend welche weitergehende Schlussfolgerungen aus ihnen zu
ziehen. Ein wirklicher Fortschritt wird sich in der lang umstritteDeü
Lehre von der Urämie wohl erst dann erzielen lassen, wenn Klinik, pa
thologische Anatomie und Chemie unsere Kenntnis von den thatsächlichen
Veränderungen im Organismus derartig erweitert haben sollten, dass es
dann auch nicht mehr schwer fallen kann, synthetisch experimentell durch
Nachahmung der klinischen Verhältnisse der Lösung der Frage näher zu
kommen. Bei dem heutigen Stand der Kenntnisse scheint aber dieser
Weg noch eher vom Ziele ab, als zu ihm hinzuführen.
I
2.
Fieben
Von
Fr. Kraus, Graz.
Einleitang.
Litteratur.
1. Wunderlich, C. A., Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten. Leipzig 1870.
2. Liebermeister, C, Handbach der Pathologie und Therapie des Fiebers. Leipzig 1875.
3. Naunjn, B., Archiv fQr exp. Pathologie. Bd. 18.
4. Rabe, A., Die modernen Fiebertheorieen. Berlin 1894.
5. üghetti, G. B., Das Fieber (Deutsch: Dr. R. Teuscher). Jena 1895.
6. Volkmann und Genzmer, Volkmanns Vorträge. Nr. 21.
7. Murri, A., Febbre ed antipiresi, Resveonto. I^. Congresso medico di Roma 1888.
8. Herz, M., Untersuchungen über Wärme und Fieber. Wien 1893.
Wer auf den lebhaften Meinungskampf zurückblickt, der bis zum
Ende der Siebziger Jahre um die Fieberprobleme wogte, und die augen-
blicklich auf diesem Forschungsfelde herrschende Ruhe zum Massstabe
wählte, könnte zum Glauben verführt werden, dass entweder alle ein-
schlägigen Fragen zum endgiltigen Abschluss gebracht sind, oder dass
doch heute für die Fieberlehre wenig mehr geleistet wird.
Der unbefangene Vergleich der jüngsten mit jener so wenig hinter
uns liegenden Periode fällt aber kaum zum Nachteil der letztern aus.
Eine exakte Definition des Fiebers und die Aufstellung einer abge-
schlossenen Fiebertheorie erscheint allerdings auch heute unmöglich. Nach
der gegenwärtig noch vorherrschenden Auffassung gilt jede aus einem
innern Grunde resultierende krankhafte Temperaturerhöh-
ung als „fieberhaft". Aber nur mehr aus rein diagnostischen
42*
660 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Rücksichten, weil sie nicht so leicht gleich exakter Messung zugänglich
sind, werden die zahlreichen, meist daneben zu beobachtenden anderweitigen
Symptome, welche sich auf Stoffwechsel, Nervensystem, Cirkula-
tions- und Respirationsapparat, auf den Digestionstrakt und
die Se- und Exkretionsorgane beziehen, gegenüber der genauen Re-
gistrierung der Körperwärme \md des Temperaturverlaufes m zweite Linie
gestellt. Die Begriffe „Hyperthermie*' und „Fieber" decken
sich nicht mehr völlig. Li diesem symptomatischen Sinne, als kon-
stitutionelle Phänomeneinheit wurde die Definition des Fiebers durch
J. Müller, Henle und Wunderlich vollendet.
Wohl als dauernd beseitigt darf man die bis vor kurzem allgemein
geltende Liebermei st ersehe Doktrin ansehen, welche die meisten Er-
scheinungen des febrilen Symptomenkomplexes auf einen imd denselben
Erklärungsgrund, die Überhitzung, zurückführt und daran deren pro-
gnostische Bedeutung misst. Der Hyperthermie pathogenetisch unmittel-
bar angegliedert bleibt nurmehr die gesteigerte Pulsfrequenz und die
Wärmedyspnoe. Die übrigen Fiebersymptome stellen in der grossen Über-
zahl der Fälle, in denen uns das Fieber am Krankenbett gegenübertritt,
gleichwertige Äusserungen der Infekte, d. h. der Dauerzustände
dar, in welche der tierische Organismus durch die Infektion versetzt wird,
und der Wahrnehmung sämtlicher biologischer Faktoren im Infekte muss
gegenwärtig unser vollstes Interesse gleichmässig zugewendet sein. Es
handelt sich darum, mit allen Mitteln der pathologischen Forschung den
Mechanismus sämtHcher Konsequenzen der Infektion festzustellen, wie sicli
dieselben darstellen als Abweichungen des Stoffwechsels, als Funktions-
störungen des Nervensystems (insbesondere des vasomotorischen Apparates),
als Abnormitäten in den Sekretionen, als Albuminurie, NukleoalbunÜDurie,
sowie ferner in bestimmten anatomischen Primärlokalisationen (Digestions-
trakt, Respirationsapparat, seröse Membranen) als Kongestionen, Entzün-
dungen, Nekrosen, Ödeme, Hämorrhagieen u. s. w. An der Hand einer solchen
allgemein pathologischen Auffassung steuern wir vielleicht der theilweisen
Auseinandergliederung des Fieberbegriffes zu Gunsten der Begriffsformen
der spezifischen EinzeUnfekte entgegen. Das trotz der spezifisch-hete-
rogenen Natur der äusseren Krankheitsursachen im Decursus
der Infekte gemeinsame konstitutionelle Symptomenbild ver-
bleibt aber Objekt der Fieberlehre. Zahlreich sind neben solchen
allgemein pathologischen die unmittelbar der gröberen und feineren klini-
schen Wahrnehmung entnommenen Gründe, welche uns zwingen, die
Überhitzung des Körpers als Kardinalsymptom des Fiebers im Lieber-
meister sehen Sinne und als ausschliessüchen Massstab der Gefahr fallen
zu lassen. Der Grad der Hyperthermie entspricht nämlich durchaus nicht
Fieber. 661
immer und fast nie genau der Intensität der Infektion. Dies gilt insbe-
sondere für gewisse Infekte (z. B. die Febris recurrens). Dass gerade in
den raschesten und schwersten verlaufenden Fällen von Sepsis die Tem-
peratursteigerung gelegentlich ganz fehlt, dass in einzelnen Typhusepide-
demieen gerade die Fälle mit beinahe fieberlosem Decursus als höchst ge-
fährhch sich herausstellen, sind ebenso banale klinische Thatsachen. Ganz
bestimmt darf man ferner sagen, dass zwischen der Temperaturhöhe und
der Art und dem Grade der sonstigen Manifestationen des Infektes weder
im ganzen, noch in Hinsicht auf die Einzelsymptome ein strenger Paral-
lelismus zu bestehen braucht. So hängt die Intensität der Steigerung der
Eiweisszersetzung in den Infektionsfiebern viel mehr von der Nahrung,
dem Ernährungszustände und der besonderen Natur des Einzelinfektes als
vom Grade der Überhitzung ab, die Vermehrung der N-Ausscheidung
scheint nicht einmal für alle Infektionskrankheiten ausgesprochen zu gel-
ten, sie stellt sich durchaus nicht erst mit Beginn der Temperatursteige-
rung ein und überdauert die letztere auch mehr oder weniger beträchtlich.
Auch der Grad der infektiösen Säureintoxikation lässt erfahrungsgemäss
durchaus keine direkte Abhängigkeit von der Höhe und dem zeitlichen
Ablauf der Fiebertemperatur feststellen: die nach dem CO «-Gehalt des
Blutes zu schätzende Säurevergiftung gestattet im Gegenteil die Intensität
der Infektion bestimmter zu messen als die Thermometrie. Bei künstlicher
und natürlicher Entfieberung dauert die Säureintoxikation noch fort; Ref.
hat bei selbst vorgeschrittener Kekonvalescenz noch die Oxybuttersäure
im Harn getroffen. Die infektiöse Leukocytose hängt gleichfalls nur schein-
bar mit dem • Temperaturverlauf e zusammen. Die in den meisten fieber-
haften Prozessen nachweisliche Verminderung der oxyphilen Leukocyten
schwindet nach Aufhören des Fiebers nicht sofort, sie bleibt mehr oder
weniger zurück. Selbst die kritischen Exkretionen können dem Absinken
der Temperatur erst folgen.
Es kann nicht verschwiegen werden, dass jenseits der im Vorder-
grunde stehenden Gruppe der „Infektionsfieber" ein Rest von Pyrexieen
bleibt, für welche Beziehungen zur Infektion zu fehlen scheinen. Die
Hyperthermien bei gewissen Koliken, beim Katheterismus u. dgl. wird man
allerdings als rein vasomotorische Phänomene von kurzer Dauer zweckmässig
in andere pathologische Gebiete verlegen. Auf das „aseptische Eieber'*
Volkmanns, auf die Pyrexie bei schweren Anämieen, bei der paroxys-
malen Hämoglobinurie, bei Urämie u. s. w. wird man aber doch wohl den Fieber-
begriff anwenden müssen. Keinesfalls sind wir jedoch deshalb zur Aufstellung
zweier prinzipiell differenter Fiebertypen mit einer von aussen
kommenden infektiösen und einer im Innern des Körpers entspringenden
Ursache (Febris mixta, complicata und Febris simplex) genötigt, oder zum
662 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Leugnen der chemischen Theorie der Pyretogenese berechtigt Das ver-
bindende pathologische Glied bleibt die Intoxikation. Bei den
Infektionsfiebem rekurrieren wir auf die Wirkung der im kranken Körper
als Nährboden erzeugten Bakteriengifte. Untrennbar davon scheint übri-
gens die begleitende Autointoxikation mit den chemischen Trümmern der
Gewebe des infizierten Organismus. Dass ausserhalb der Gruppe der Bak-
teriengifte auch Stoffe nicht bakteriellen Ursprungs, welche im Körper ent-
stehen oder von aussen eingeführt werden, und sonst vergleichbare
toxische Wirkung besitzen, gleichfalls Hyperthermie und selbst Fieber
hervorrufen können, ist a priori nicht anzuzweifeln.
Wenngleich der febrile Symptomen komplex den ätiologisch verschie-
denen Infekten gemeinsam zukommt und auch sonst klinisch sich relativ
einförmig darstellt, muss gegenwärtig doch die Frage nach der Einheit
oder Vielfältigkeit dieses in Wirklichkeit hochkomplizierten pathologischen
Prozesses aufgeworfen werden. Es handelt sich hierbei darum, zu ergrün-
den, ob die spezifisch verschiedenen Krankheitserreger immer vermöge des
gleichen Mechanismus auf dieselben Elemente des infizierten Körpers ein-
wirken, oder ob dieser Mechanismus je nach den verschiedenen äussern
Krankheitsursachen variiert und nur das äusserlich symptomatische End-
ergebnis dasselbe bleibt. Die Frage scheint eine offene. Wahrscheinlicher
a priori ist die Pluralität.
Bis in die jüngste Zeit hatte man unter der Bezeichnung „Fieber**
vorwiegend Symptomenbilder vor Augen, welche dem Organismus
der höheren Ordnungen des Tierreiches eigentümlich sind. Erst vor
kurzem wurde ernstlich der Versuch unternommen, auch von Hyperthermie
begleitet^ pathologische Zustände jeder Zelle überhaupt (insbesondere
falls das ätiologische Moment der Infektion hinzutritt) als fieberhaft zu
bezeichnen. In einer gewiss unsere vollste Beachtung verdienenden origi-
nellen Arbeit betrachtet M. Herz die Temperatur einer durch ihren Stoff-
wechsel Wärme entbindenden Zelle abhängig vom Temperaturoptimum
ihrer Lebensthätigkeitund von der mehr oder weniger ausreichenden Wärme-
isoUerung gegenüber dem monde ambiant und erhärtet seine Anschauungen
durch Untersuchungen an gärender Hefe. Jeder pathologische Zustand
einer Zelle, welche ein Freiwerden übemormaler Wärmemenge zur Folge
hat, bedeutet nun nach Herz für dieselbe ein Fieber. Durch Einftihrung
der Infektion als ätiologisches Moment dieser Temperaturerhöhung glaubt
er die Diagnose Fieber absolut sicher zu stellen. Um einen Infektionsstoff
zu gewinnen, liess er mit Wasser versetzte Bäckerhefe durch Wochen
faulen. Die Einverleibung einer kleinen Menge der so gewonnenen, von
Bakterien wimmelnden Flüssigkeit in eine Hefe-Zuckerlösimgmischung stellt
sich thatsächlich als Ursache eines starken Aufschwungs der Kohlensäure-
Fieber. 663
entwickelung dar. Die gesteigerte Temperatur ist äusseren Einwirkungen
gegenüber stabiler als im normalen Zustand. Auch der Einfluss von Anti-
pyreticis wurde in speziellen Versuchen geprüft. Es fällt nun Herz aller-
dings nicht ein, alles, was er bei der infizierten Hefe findet, rückhaltslos
auf den fiebernden Menschen zu übertragen, aber er betrachtet doch alles,
,,was bei den Zuständen erfahrungsgemäss als gemeinsam sich erweisen
sollte", beim Säugetier nicht mehr als Wirkung emes komplizierten Organ-
systems, sondern als direkte Äusserung des lädierten Zellleibs. So verschiebt
er den Schwerpunkt vom fieberkranken Organismus auf das fieberkranke
Protoplasma. Er verpönt es also, zum Aufbau einer Fiebererklärung
das „zweifelhafte Material der Nerven- und Gefässwirkungen, mit denen
man erklären kann, was man will", heranzuziehen.
In der WirkHchkeit hat M. Herz auf diesem Wege nur wieder aufs
neue bewiesen, dass einzellige Organismen pathologischen Zuständen unter-
worfen sind, welche gewisse Anologieen mit jenen des hochorganisierten
und differenzierten Zellenstaates der Wirbeltiere besitzen. Abgesehen davon,
dass Herz die Begriffe „Krankheit," „Entzündung," „Fieber" zusammen-
fiiessen lassen muss, und abgesehen davon, dass er nicht mit Reinkulturen
gearbeitet hat, sind seine interessanten Versuche auch deshalb nicht voll-
kommen einwandsfrei, weil keine Rücksicht auf die Vermehrung der
Hefezellen genommen wurde, sodass man aus den Kurven keinen Schluss
ausschliesslich auf die Schwankungen des Stoffwechsels in den ursprüng-
lich gegebenen Zellen ableiten sollte.
Der folgende Bericht bezieht sich ausschliesslich auf den Mechanis-
mus des Fiebers als Wirkung des komplizierten Organsystems der höheren
Tierordnungen. Ref. scheint die Frage: Wenn ein fiebernder Organismus
in seine Zellen zerfällt, was unterscheidet jede einzelne derselben von einer
gleichartigen gesunden? darum nicht minder beachtenswert. Aber der
Mechanismus, der aus dem Zusammenleben der Zellen im Zellenstaat resul-
tiert, der sich auf Differenzierung und Arbeitsteilung einer riesigen Zahl von
einander abhängiger Zellen gründet und nicht denkbar scheint ohne die Vor-
aussetzung einer Centralisation der Verwaltung durch das Nervensystem:
dieser Mechanismus ermöglicht es auch, dass auf pathologische Einwirkimgen
von aussen an dieser oder jener Stelle in (beschränkt) zweckmässiger
Weise gerade dieses oder jenes Organ reagiert und zur Erhaltung des
Ganzen in feiner Harmonie bestimmte Zellen, Gewebe und Organe zu-
sammenwirken. Die Einflüsse der topographischen Verhältnisse und
das konstitutionelle Moment sind sonach allerdings geeignet, beim
hochorganisierten Tiere das Fieberbild zu kompUzieren, aber sie gehören
zu seinem Wesen.
664 Allgem. patho]. Morphologie und Physiologie.
Sowohl die thatsächliche Erforschung, als auch die theoretische Be-
trachtung des febrilen Symptomenkomplexes knüpft gegenwärtig hauptsäch-
lich an folgende fünf Gruppen von für die Fieberlehre massgebenden Fak-
toren an: a) Die ätiologischen Momente, b) die nervösen, besonders die
vasomotorischen Störungen, c) die StofEwechselabweichungen, d) die Tempe-
raturverhältnisse, e) das therapeutische Problem.
a) Die ätiologische Richtung in der Fieberlehre.
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Die Frage nach den pyrogenen Ursachen ist bisher vorwiegend so
verstanden worden, dass es sich um Feststellung der Agentien handelt,
welche auf den Organismus einwirkend als schhessliches Ergebnis Fieber,
vor allem erhöhte Körpertemperatur hervorrufen. Die Art der primären
Störung durch diese Agentien, die Möglichkeit einer Variation der Wir-
kung derselben Ursache oder d|e identische Wirkung der verschiedenen
Ursachen, also alles, was den Mechanismus der Wirkung begreift,
ist Gegenstand spezieller Untersuchungen, deren bisherige Ergebnisse als
spärhche bezeichnet werden dürfen.
Die ätiologische Richtung in der Fieberlehre. 665
Ferner lassen sich bereits bestimmt zwei differente geschichtliche
Perioden der ätiologischen Richtung in der Fieberlehre unterscheiden.
Li der ersten dieser Perioden wurde hauptsächlich die Verbindung
zwischen Fieber und Entzündung gesucht. Von den Ideen, welche
sich nach dieser Richtung geltend zu machen suchten, ist bekanntUch die
Annahme einer Verbreitung der erhöhten Wärme vom hochtemperierten
Entzündungsherde aus endgiltig abgelehnt Seit ferner Gaspard (1832)
durch experimentelle Untersuchungen die fiebererregende Eigenschaft des
unter die Haut, in die Pleura und das Peritoneum eingespritzten Eiters
nachgewiesen hatte, überzeugten sich dann Virchow, Billroth, Weber,
Stricker u. a., dass in den Organismus eingebrachtes „Pus bonum et
laudabile*' fiebererregend wirkt und dass auch dem Eiterserum für sich
diese Eigenschaft zukommt. Spätere Untersuchungen dieser ersten Periode
haben aber rasch diesen älteren spezifischen Standpunkt widerlegt. Es kam
hervor, dass die Infusion in Wasser suspendierter Stärke, Blut von gesunden
Tieren ebenfalls pyretogen sei. Weiss Gott übrigens, was neben den ge-
nannten Dingen damals alles mit injiziert wurde! Dazu kam endlich in
neuerer Zeit der erbrachte Beweis konstanter Relationen zwischen Infek-
tion und Entzündung. Da musste von vorn angefangen werden.
Die zweite Periode erscheint demgemäss durch das Bestreben charak-
terisiert, unsere Kenntnisse über den Zusammenhang von Infekt und
Fieber zu erweitern und zu vertiefen.
Als erste Frage tritt uns hier entgegen: Sind die Infektionser-
reger als solche pyretogen, oder sind es von ihnen erzeugte chemi-
sche Produkte? Die Erkenntnis, dass zwar die unstreitig häufigste und
klar liegendste Ursache des Fiebers auf das Eindringen niederer Lebewesen
in den Körper homoiothermer Tiere sich zurückführen lässt, dass aber unter
natürlichen Verhältnissen bei den Infekten die Bakterien öfter entweder
gar nicht oder nur späriich in den Kreislauf gelangen, nötigte von vorn-
herein, die löslichen Produkte in Betracht zu ziehen, welche die Mikro-
organismen von den Kolonisationsherden aus verbreiten. In Fluss gebracht
wurden die einschlägigen Fragen durch eine der französischen Akademie
vorgelegte Arbeit von C harr in und Ruf f er, welche Forscherzeigten, dass
man durch Injektion von sterilisierten und von mikrobenfreien Kulturen des
Bacillus pyocyaneus, also ausschliesslich durch den Einfluss der löslichen
Produkte der Kulturen, bei Kaninchen Temperaturerhöhung hervorrufen
kann. Seither hat der grösste Teil der Pathologen und der beigebrachten
Gründe für pyretogene Gifte entschieden. Alle Erscheinungen der
Infektionskrankheiten gelten nunmehr als Vergiftungssymp-
tome. Von diesen macht einen wichtigen Teil das Fieber aus.
Naturgemäss wurde dann die Frage erweitert und alle chemischen Sub-
666 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
stanzen, welche überhaupt Hypertliermie verursachen, mit ins Bereich ein-
schlägiger Untersuchungen einbezogen.
Strittig war dann zunächst, woher jene die Wärmeregulation
beeinflussenden Bakteriengifte stammen? Zwei Möglichkeiten kamen
in Betracht: die Mikroorganismen bilden sie aus den Körpergeweben als
ihrem Nährboden, oder die Bakterienleiber sind selbst das Gift, indem sie zer-
fallen, so dass die entsprechenden löslichen Substanzen in die Cirkulation ge-
raten. Es ist indessen fraglich, ob eine solche allzustrenge Unterscheidung
mit Recht geschieht. Zunächst scheint es kaum möglich, mit Sicherheit die
einen und die anderen absolut zu isolieren. In allen Nährböden gehen Bak-
terien zu Grunde; das von ihrer Leibessubstanz Lösliche geht in die Flüssig-
keit über. Auch von festen Nährböden aber gewinnt man die Leiber kaum
absolut rein. In der Umgebung liegen ja gewiss die Substanzen, welche durch
die Lebensthätigkeit der Mikroorganismen aus dem Nährboden gebildet
wurden. Auch scheint eine so strikte Differenzierung kaum nötig, weil
doch alle Stoffwechsel produkte einmal Teile der Bakterienleiber gewesen
sind. Bei dieser von Krehl verteidigten Auffassung kommen sowohl die
Bakterien, wie die Art des Nährbodens zu ihrem Recht. Zahlreiche Er-
fahrungen sprechen dafür, dass die von den Mikroorganismen erzeugten
chemischen Stoffe bis zu einem gewissen Grade vom Nährboden abhänß:ig
sind. Die speci fischen Gifte mancher Mikroorganismen werden aller-
dings auch auf seht einfach zusammengesetzten Nährböden gebildet
und es liegt auch Grund zur Annahme vor, dass diese Gifte vorwiegend
in den Bakterienleibern aufgespeichert sind.
Über Natur und Herkunft der speziell Fieber erzeugenden Bakterien-
gifte liegen aus jüngster Zeit mehrere eingehende Untersuchungen vor.
Zunächst erscheint sicher gestellt, dass dieselben in den Kulturen lebender
wie abgetöteter Mikroorganismen enthalten sind. Die gegenwärtig haupt-
sächlich noch zur experimentellen Diskussion gestellten Fragen sind fol-
gende. Erzeugen alle Bakterienarten bei allen höheren Tieren Fieber?
Existieren auch temperatursenkende Gifte? Wird die Pyrexie durch einen
allen Bakterien gemeinsamen Giftstoff bewirkt? Welche chemische Natur
besitzt die pyretogene Substanz ? Hängt die temperatursteigemde Wirkung
eines Mikroorganismus bei einer bestimmten Tiergattung mit der Patho-
genität für dieselbe zusanomen?
In einer höchst sorgfältig zusammengestellten Tabelle, welche einen
Anhang zu der oben citierten einschlägigen Arbeit bildet, legt L. Krehl
sämtliche bisher vorliegenden Erfahrungen der Autoren und seine eigenen
Untersuchungsergebnisse über den Einfluss von lebenden imd abgetöteten
Mikroorganismen auf die Temperatur der Säugetiere dar. Es ergiebt sich,
dass der aus der gleichen Bakterienart gewonnene Stoff bei verschiedenen
Die ätiologische Richtung in der Fieberlehre. 6g7
Tieren ausserordentlich verschieden wirkt. Eine sichere Beziehung zwischen
Erzeugung von Fieber durch die abgetöteten Produkte eines Mikroorganis-
mus bei einer Tierart und der Pathogenität des Bakterium für dieselbe
Art scheint nicht zu bestehen. Durch Kochen können in gewissen Kul-
turen fiebererzeugende Substanzen zu Grunde gehen. Die verschiedenen
Tierarten zeigen sich sehr verschieden empfindlich gegen Eingriffe auf
ihre Körperwärme. Bei gewissen Tieren, z. B. Meerschweinchen, erhöhen
kleinere Giftdosen die Temperatur, grössere vermögen sie im Gegenteil
zu senken. Der Applikationsort ist für den Erfolg zunächst insofern mass-
gebend, als die Stoffe vom Blut aus am schnellsten, vom Unterhautgewebe
am langsamsten zu ihrem eigentlichen Angriffspunkte , dem Centralnerven-
system, gelangen können. Beim Peritoneum kommen dagegen konkur-
rierende Reflexe auf die Gefässe in Betracht; Meerschweinchen z. B. sind
von hier aus schon durch kleine Dosen lebender Bakterien unter starkem
Temperaturabfall zu töten.
Bei keiner Infektion ist es übrigens bisher gelungen, das Vorhanden-
sein eines Pyrotoxins im Blute und den Säften der kranken Indi-
viduen nachzuweisen.
Hinsichtlich der chemischen Natur der fiebererzeugenden Substanz
dachte Buchner an Eiweisskörper. Krehl fand in den Leibern von
Bacterium coh eine Albuminose, welche die Temperatur von Hunden,
Kaninchen und Meerschweinchen zu steigern vermag. Krehl ist übrigens
selbst im Zweifel, ob es ihm thatsächlich gelungen, die eigentlich wirksame
Substanz zu gewinnen. Voges züchtete Prodigiosus und Subtilis auf
Us ch in sky scher Nährlösung und erhielt durch Fällung mit Ammon-
sulfatlösung oder Alkohol eine Substanz, welche keine Biuretreaktion gab
und in kleinen Dosen injiziert die Temperatur von Meerschweinchen stei-
gerte, während grosse Gaben sie herabsetzten.
E. Centanni gewann das Fiebergift der Bakterien (Pyrotoxina bac-
terica) nach einem Verfahren, das auf den Eigenschaften des wirksamen
Stoffes, dem Kochen zu widerstehen, durch den Dialysator zu gehen, in ab-
solutem Alkohol unlöslich und in Wasser löslich zu sein beruht. Es handelt
sich um keine Albuminsubstanz, auch ist das Pyrotoxin kein Ptomain
oder Enzym. Mittelst dieses Fiebergiftes kann man an Kaninchen alle
Haupterscheinungen hervorbringen, welche die klinische Beobachtung bei
dem Bakterienfieber verzeichnet: Änderungen der Temperatur, Konsump-
tion des Organismus, Diarrhoe {?), Steigerung der Puls- und Respirationsfre-
quenz. In Röhrchen unter die Haut gebracht, zeigt sich das Pyrotoxin
Centannis als mit energischer positiv-chemotaktischer Kraft begabt. Gelöst
injizirt verursacht es keine Eiterung. Die ganze Familie der Bakterien
soll ein wesentlich gleiches Fiebergift gemeinschaftlich besitzen.
668 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
das unzertrennlich an ihre Existenz gebunden ist und von welchen das typisch
gleichförmige Bild der sogenannten allgemeinen Störungen im Decursus der
sonst verschiedenen Bakterienkrankheiten abhängt. Bei den einzelnen
Bakterienarten steht die pyrotoxische Kraft nicht im Verhältnisse zu ihrer
spezifischen Pathogenität. Das Fiebergift macht einen Teil des Körpers
der Bakterien aus.
Hinsichtlich der nicht von Bakterien erzeugten Stoffe, welche die
Körpertemperatur erhöhen, scheinen noch ausgedehnte Beobachtungen
nötig, um zu einem abschliessenden Urteil zu gelangen. Zunächst muss
dabei immer im Auge behalten werden, dass Temperatursteigerung ohne
erhöhte Konsumption im Organismus u. s. w. nicht ohne Einschränkung
mit Fieber identifiziert werden darf. Ferner ist bisher nicht immer ge-
nügend darauf Rücksicht genommen, ob nicht die Giftwirkung der zahl-
reichen hier in Betracht kommenden Substanzen auf dieselben oder do<.h
auf einige wenige Störungen hinausläuft, sodass diese letzteren, z. B. Hämo-
lyse u. dgl, dann als die eigentlichen Ursachen der Hyperthermie an-
zusprechen sind. Natürlich verdienen schliesshch diejenigen Substanzen
ein grösseres Interesse, welche irgend welche Beziehungen zum tierischen
Körper haben, sei es, dass sie in demselben entstehen oder ihn doch
passieren, sei es, dass sie den Stoffen des Organismus bloss chemisch
nahe stehen.
Auch hier verdanken wir Krehl eine sorgfältige Zusammenstellung
früherer Versuche und eigene wertvolle Beobachtungen. Nicht nur in den
Bakterienzellen, sondern im Protoplasma aller lebenden Zellen scheinen
temperatursteigernde (eiweissartige) Stoffe vorhanden zu sein. Auch die
Sekrete des tierischen Organismus (Milch, Harn) erhöhen die Temperatur
von Versuchstieren. Injektionen von Blut einer fremden Tierart wirkt
pyretogen. Das Fibrinferment erzeugt starke Temperaturerhöhungen. Ist
Gelegenheit zur Entstehung dieses Körpers im Blute gegeben (Transfusion
fremden Blutes, Injektion grösserer Wassermengen), steigt die Temperatur.
Es scheint denkbar, dass das Volkmannsche aseptische Fieber hierher
gehört (?). Betont muss aber an dieser Stelle werden, dass zwar bei septi-
schem Fieber des Menschen Fibrinferment gefunden, bei zahlreichen
anderen Fiebern aber vermisst worden ist. Die unreinen (eiweisshaltigen?)
Präparate mancher Enzyme (Pepsin, Lab, Pankreatin, Invertin etc.) er-
zeugen nach subkutaner oder intravenöser Einverleibung bei Kaninchen.
Hunden und Menschen Fieber (Blutkörperchenlösung ?), sehr reine Enzyme
scheinen im Gegenteil unwirksam. Schlangenbiss verursacht beim Menschen
meist Herabsetzung der Temperatur ; Fugurvergiftung setzt (beim Menschen)
die Temperatur bis auf 33,5® C. herab. Hydrierte Eiweisskörper wirken
nur schwach und inkonstant hyperthermisch. Auch sehr zahlreiche
Die vasomotorischen Phänomene im Fieber. 669
niedriger konstituierte Stoffe aber (z. B. Harnstoff, hamsaures Alkali,
Leucin, Neurin, Kadaverin etc.), selbst mineralische Salze, beeinflussen bei
mit besonderer Reaktionsfähigkeit ausgestatteten Versuchstieren die Tem-
peratur. Eine beträchtliche Reihe von Substanzen (zum grossen Teil den
Eiweisskörpern zugehörig) bewirkt am tuberkulös infizierten Organismus
stärkere Temperaturänderungen, als am gesunden.
Sowohl bei Fieberversuchen mit Bakteriengiften als bei
solchen mit den zahlreichen angeführten anderweitigen Stoffen
zeigt es sich, dass eine direkte Übertragung der Erfahrungen
von einer Tierart auf die andere und vom Tier auf den Menschen
unstatthaft ist. Das Fieber des Menschen kann in ätiologischer
wie in jeder andern Richtung nur nach Untersuchungen am
Menschen selbst massgebend beurteilt werden.
b) Die vasomotorischen Ptiänomene im Fieber.
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Eine analytische Behandlung der Fieberlehre auf Grund unserer
physiologischen Kenntnisse über den Einfluss des Centralnervensystems
auf die Wärmebildung erscheint ausgeschlossen. Die Abhängigkeit der
Wärmeverhältnisse vom Nervensystem, welche ihren Ausdruck in der
Hoinöothermie findet, ist auch unter normalen Bedingungen ein nur teil-
weise gelöstes Problem und die Übertragung allgemeiner physiologischer
670 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Begriffe auf pathologisches Gebiet hat liier thatsächlich geradezu Schaden
gestiftet.
Für den Standpunkt der Fieberlehre ist der Einfluss des centralen
Nervensystems auf die Erwärmung der Teile des Körpers kurz durch fol-
gende Sätze präcisiert: Die Steigerung und das Absinken der gesamten
und der lokalen Temperatur nach Verletzungen des Rückenmarkes und
verschiedener Hirnteile erklärt sich aus der Erweiterung und Verengerung
der Gefässe und die dadurch veränderten Bedingungen des Blutumlauft^
und der Wärmeabgabe. Eventuelle Muskellähmungen verursachen dann
noch ausserdem den Ausfall der wichtigsten Wärmequelle. Auch die Rei-
zung der thermisch wirksamen Rindencentren führt zur Steigerung des
Blutdruckes infolge von Kontraktion der kleinen Arterien. Läsionen des
Streifenhügels und des basalen Marklagers haben (vielleicht) auch einen
direkten Einfluss auf die Wärmeproduktion. Das Nervensystem steht also
auf chemischem Wege (durch Erregung der Muskeln, wohl auch der
Drüsen) und auf mechanischem W^ege (mittelst seiner vasomotorischen
Bahnen) für die Homöothermie ein.
Der Mechanismus der physiologischen Wärmeregulation ist für
den Menschen in jüngster Zeit durch A. Loewy neuerdings genauer festge-
stellt worden. Das Thatsächliche derselben besteht darin, dass auf einen
äusserlichen Kältereiz als erstes eine Kontraktion der Haut und ihrer
Gefässe eintritt, die durch Beschränkung der Wärmeausgabe eine bei ge-
ringer Entziehung vollkommene, bei stärkerer eine unvollkommene Kom-
pensation bewirkt; im letzteren Falle sinkt auch die Temperatur mehr
oder weniger, während sie im ersteren konstant bleibt. Der Frost als
thermischer Regulierungsapparat, welcher durch tonische und klonische
Muskelkontraktionen eine Erhöhung der Wärmeproduktion hinzugefügt,
steht beim Menschen weit hinter der Haut (mit dem schlechtleitenden
Pannikulus als eingeschalteter Isolator) zurück.
Es ist nie bezweifelt worden, dass die pyretogene Substanz auf jene
Teile des Organismus einwirkt, welche dessen Wärmeverhältnisse
beherrschen. Aber nur Murri und M. Herz haben angenommen, dass
ohne jeden Einfluss des Nervensystems in den Geweben (Zellen)
selbst durch die pyrogene Ursache hervorgerufene neue chemische, be-
ziehungsweise physikalische Vorgänge platzgreifen, welche ihren Ausdruck
im Fieber finden. Dass die toxischen Substanzen, welche in dem zum Nähr-
boden pathogener Mikroben gewordenen Kranken cirkuHeren, wirklich teil-
weise direkt auf die Organe des Stoff- und Kraftwechsels einwirken, steht
ausser Zweifel: die Autointoxikation mit den chemischen Trümmern der
durch die Bakterienprodukte geschädigten Zellen ist neben der unmittel-
baren Vergiftung durch die Toxine ein integrierender Bestandteil des
Die phasomotorischen Phänomene im Fieber. 671
typischen Kjankheitsbildes der einzelnen Infekte. Aber fast allen übrigen
Fiebertheoretikern ist es ebenso evident erschienen, dass speziell die
Ursachen der febrilen Hyperthermie zuerst das Nerven-
system angreifen. Liebermeister und Finkler nehmen eine von
funktioneller Alteration der die Temperatur reguherenden Nervencentren
abhängige vermehrten Thätigkeit der Oxydation an. Traube, Marey,
Vulpian, Gl. Bernard, Senator, Winternitz, Rosenthal erkannten
den Zusammenhang der febrilen Erscheinungen mit dem vasomotorischen
Nervensystem. Ihre Auffassungen differieren nur in der Voraussetzung
einer von vasomotorischen Faktoren abhängigen Steigerung der organischen
Verbrennungen und einer Verminderung des Wärme Verlustes
durch Wirkung vaso motorischer Einflüsse ohne Erhöhung
des kombustiven Stoffwechsels. (Mosso nimmt ein Fieber unab-
hängig und eines abhängig vom Nervensystem an.)
Da sich unter normalen Bedingungen Erhöhungen des Stoffwechsels
mit entsprechender Steigerung der Wärmebildung, welche weit hinausgehen
über die im Fieber wirkUch nachgewiesene und denkbare Verstärkung der
wärmebildenden Prozesse zu ereignen pflegen, ohne dass die Körpertempera-
tur halbwegs dauernd steigt; da ferner selbst im Fieber die Überhitzung
keineswegs von der Menge der gebildeten Kalorien direkt abhängig erscheint:
kann die fieberhafte Hyperthermie nur auf geänderte Anpas-
sung der Wärmeabgabe an die Thermogenese zurückgeführt
werden. Als unmittelbare Konsequenz daraus geht hervor, dass die vas-
kulären Phänomene, ein Hauptmoment im Fieber darstellen,
weil, wie wir sahen, der Wärmeverlust des Körpers hauptsäclüich von den
Gefässnerven geregelt wird.
Das einschlägige experimentelle Material ist bisher folgendes. An
vorderster Stelle sei älterer wichtiger Versuche von Heidenhain gedacht,
welche zuerst exakt ein charakteristisches abweichendes Verhalten der Haut-
gefässe im Fieber nachgewiesen haben. Heiden hain beobachtete, dass
bei normalen Hunden durch direkte oder reflektorische Reizung des vaso-
motorischen Hauptcentrums eine Zunahme des Blutdruckes mit gleich-
zeitigem Sinken der Innentemperatur bewirkt wird, und zwar dadurch, dass
infolge der Reizung sich allerdings auch die Hautgefässe, aber doch nicht
in dem Masse verengem, dass die Wirkung des erhöhten Druckes ausge-
glichen würde. Das infolge dessen in den peripheren Teilen stärker strö-
mende Blut führt mehr Wärme aus dem Körperinnern ab als früher. Die
Haut erwärmt sich auf Kosten der tieferen Schichten. Bei durch Eiter-
injektion fiebernd gemachten Hunden dagegen erfolgt auf ganz gleiche
Reize eine viel stärkere Zusammenziehung der Gefässe, wie aus dem be-
obachteten Steigen des arteriellen Druckes und der gleichzeitigen Abküh-
672 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
lung der Haut geschlossen werden müsste. Die stärkere Verengerung der
Hautgefässe verursacht Stauung des Blutes im Körperinnem, sodass die
Temperatur desselben nicht nur nicht sinkt, sondern meist ansteigt.
An zweiter Stelle seien die an Kaninchen und Hunden ausgeführteo
Experimente von Senator erwähnt, durch welche gezeigt wurde, dass auf
der Höhe eines Injektionsfiebers die Gefässe der Haut (des Ohrs) keines-
wegs dauernd und gleichmässig in demselben Zustande, weder in lähmungir-
artiger Erschlaffung, noch in tetanischer Kontraktion verharren, sondern
sich abwechselnd, verglichen mit der Norm, in übertriebener Weise erweitem
und verengern.
In jüngster Zeit haben Bouchard imd seine Schüler die vasomotori-
schen Faktoren geradezu in den Mittelpunkt einer systematischen Theorie
des Infektes mit all seinen lokalen und allgemeinen Unfällen, mit der Heilung
und mit der erworbenen, sowie der natürlichen Immunität gestellt. Den
Ausgangspunkt der einschlägigen Überlegungen bildete die experimentelle
Erfahrung, dass es Bakteriengifte giebt, welche die Auswanderung der Leu-
kocyten begünstigen, und] andere, welche dieselbe hemmen. Während ge-
wisse pathogene Mikroben bei prophylaktisch geimpften Versuchstieren Ent-
zündung und Eiterung hervorrufen und dadurch den Phagocytismus er-
möglichen, lässt sich diese lokale günstige Erscheinung durch vorherige
Injektion gewisser anderer Bakterien verhindern. Der Phagocytismus,
welcher eine konstante Funktion im gesunden Zustande darstellt, sei es,
wurde daraus geschlossen, nicht mehr im Infekt und er mache sich bloss
geltend gegen nicht pathogene oder gegen abgeschwächte pathogene Mi-
kroben. Worin also dasjenige- was einen Mikroorganismus eigentlich zum
pathogenen macht, gipfle, sei die Erzeugung eines lösHchen Giftes im Körj>er,
welches die Diapedese verhindert. Als unerlässliche Vorbedingung der Emi-
gration aber wurden theoretisch reaktive Vorgänge von seite der Gefässe,
und zwar eine reflektorisch ausgelöste aktive Gef ässdilatation , angesehen.
Charrin, welcher die letzte Hypothese experimentell prüfte, überzeugte
sich in der That, dass Injektionen löslicher Bakterienprodukte Vasokou-
striktion und Steigerung des arteriellen Druckes nicht zur Folge hat, dass
aber beispielsweise unter den flüchtigen Produkten des Bacillus pyocyaneus
solche vorhanden sind, welche die Erregbarkeit des bulbären und medullären
vasodilatatorischen Apparates wesentlich herabsetzen, vorübergehend selbst
lähmen. Das Koch sehe Tuberkulin wiederum besitzt eminent vasodilatatori-
sche Wirkung. Das von Charrin unter dem Einfluss der Pyocy aneusprodukte
beobachtete Ausbleiben der Erweiterung der Arterien (der Blutdruckherab-
setzung) bei Reizung des centralen Endes des N. depressor und des unter
dem Namen des Snellen-Schiffschen bekannten Gefässreflexes dürfen
wohl als verlässliche Versuchsergebnisse angesehen werden. Dass es aber
Die vasomotorischen Phänomene im Fieber. g73
bloss die auf dem Wege der Reizung oder Lähmung von Nerven herbei-
geführte GefässerschlafEung ist, welche zur Emigration Anlass geben soll,
wird wohl ^on allen übrigen Pathologen angefochten werden. Lässt man
Charrins Beweisführung, welche darthun will, dass es sich in seinen Ex-
perimenten nicht um allgemeine Herabsetzung der Erregbarkeit des cen-
tralen Nervensystems handelt, als ausreichend gelten, so stehen wir vom
Anbeginn vor einer gewissen Schwierigkeit, die Beobachtungen des letzt-
genannten Forschers mit denjenigen Heidenhains und Senators auch
nur unter den allgemeinsten Gesichtspunkten zu vereinigen. Nach Charrin
wurde es sich um eine Verminderung der Erregbarkeit bestimmter Gefäss-
centren handeln, aus den Versuchsergebnissen der beiden anderen Forscher
aber dürfte man wohl entgegengesetzt schliessen, dass, in fieberhaftenZuständen
die Erregbarkeit der vasomotorischen Nerven der Versuchstiere, besonders
der Hautarterien derselben, abnorm erhöht ist.
Entgegen dem Verhalten in der allgemeinen Decke ist nach Wolff
die Geschwindigkeit des Blutstroms in der A. carotis herabgesetzt. Marey
und Chauveau beobachteten bei fiebernden Pferden mittelst manometri-
scher Messungen Herabsetzung, Rosenstein im Fieber nach Pepsininjektion
Steigerung des Druckes, u. s. w.
Dieses wenig umfängliche experimentelle Material lässt schon aus-
reichend erkennen, um wie verwickelte Cirkulationsstörungen es sich in den
febrilen Infekten handeln muss. Auch die klinische Untersuchung hat sich
durch die gegebenen Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen, ihre Hilfs-
mittel (die Sphygmomanometrie, die Plethysmographie, die thermoelektrische
Methode, die partielle KaJorimetrie und die Bestimmung des Plasmavoluras
des Blutes) auszunutzen^ um dem Verhalten der Gefässe und des Kreis-
laufes des fiebernden Menschen anders als wie bisher vorwiegend spe-
kulativ nahe zu kommen.
Mittelst des von Baschschen Sphygmomanometers gemachte
Druckbestimmungen lassen vermuten, dass im recenten Fieber beides,
Blutdruckerhöhung und -Erniedrigung, vorkommen kann; zumeist erwies
sich allerdings die beobachtete Steigeruqg geringfügig.
Mit dem Mossoschen Wasserplethysmographen konnte Marag-
liano nachweisen, dass sich während der spontanen Invasion eines Fiebers
(Intermittensanfall) die Gefässe verengern, bevor noch in der Achselhöhle eine
Steigerung der Temperatur nachweislich ist. Erst mit dem Fortschreiten
der Gefässkontraktion fängt die Temperatur zu steigen an und beide er-
reichen den Höhepunkt zur gleichen Zeit. Dem Sinken der Temperatur
geht wiederum eine Erweiterung der Blutgefässe voran, imd die Norm wird
erreicht, sobald die Dilatation am grössten geworden ist. Die sog. Anti-
pyretika setzen die Temperatur insofern herab, als sie eine Erweiterung der
Labarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteil. IL 43
674 Alldem, pathol Morphologie und Physiologie.
Blutgefässe bewirken. Diese Versuche von Maragliano sind nicht ganz
eindeutig, weil die Verminderung der GefässfüUe die Folge einer Gefäss-
kontraktion, aber auch einer Druckherabsetzung in der Aorta sein kann.
Franijois Franck, welcher mit Hilfe desselben Versuchsverfahrens Unitr
suchungen über die vasomotorischen Reflexe machte, hatte gefunden, da«^
nach Abkühlung der einen Hand sich die Gefässe der anderen niit kontra-
hieren. Maraglianos Beobachtungen zufolge sind die analogen Reflexe
im Fieber energischer, prompter, dauerhafter. Meist äussern sich die vaH>
motorischen Reflexe im Fieber als Gefässkonstriktion.
Die thermoelektrische Methode wurde zur Untersuchung der Bedin-
gungen der Wärmeabgabe im Ablaufe des Fiebers zuerst von Geige 1 ver-
wertet. Durch systematische Messungen der Hauttemperatur in den ver-
schiedenen Fieberperioden überzeugte sich derselbe, dass im Frost die Haut
bedeutend kühler ist. Beim kritischen Temperaturabfall und bei Verab
reichung von Antipyreticis folgt auf ein Ansteigen ein beträchtliches Ab-
fallen der Hauttemperatur mit Schweissbildung.
Referent hat selbst eine Zahl von thermoelektrischen Temperatur-
bestimmungen an gesunden und fiebernden Menschen ausgeführt, welche
zum Zwecke hatten, die Differenz zwischen Rektum und den tieferen
Schichten des Unterhautbindegewebes unter bestimmten abweichenden phy-
siologischen Beding\mgen, besonders aber in verschiedenen Fieberstadien
fortlaufend festzustellen. Wenn man einen leicht bedeckten gesunden
Menschen mit konstanter Achselhöhlentemperatur beobachtet und durch
längere Zeit die Bussolenausschläge als Ordinaten auf die Haut als Ab-
scisse aufträgt, so entsteht eine der Abscisse fast parallele Wellenlinie
mit ganz seichten Thälern. Bei Entfernung der Decke tritt bei gleich
bleibender centraler Temperatur ein Steigen der Kurve von der Abscisse
weg ein, dem ebenso rasch wieder ein Sinken zur letzteren folgt, wenn das
Individuum wie früher bedeckt ist. Diese von der Haut auslösbaren vaso-
motorischen Reflexe sind bei fiebernden Menschen erhalten. Bei dem durch
Tuberkulin herbeigeführten oder bei natürlich eintretendem Fieberanstieg
und ganz ähnlich im spontanen imd künstlich bewirkten Fieberabfall stellt
sich weder ein ähnliches Steigen noch ein entsprechendes Sinken der Kurvte
heraus, die letztere stellt vielmehr eine unregelmässige, der centralen Wärnie-
bewegung ganz disgruente Wellenlinie dar, deren Berge und Thäler aller-
dings weit tiefer sind, als bei konstanter Körpertemperatur. Des Referenten
Beobachtungen, welche nicht so einfach ersdieinen, wie die einschlägigen
des jüngeren (W.) Rosenthal, sprechen entschieden dagegen, dass die
zu Grunde liegenden vasomotorischen Vorgänge von der Peripherie im
Fieber auf einfache tetanische Kontraktion und gleichförmige Erschlaffungs-
zustände ausgedehntem Gefässgebiete im Fieber hinauslaufen. Die peri-
Die vasoniotorischen Phänomene im Fieber. 675
pheren Gefässe scheinen vielmehr sowohl bei steigender als bei fallender
Temperatur sich beständig abwechselnd zu verengern und zu erweitern.
Wenn die Innentemperatur rasch steigt, während nach Massgabe
eines (Rosenthal sehen) Kalorimeters eine Verminderung der Wärme-
abgabe von der Haut eingetreten ist; oder, falls nach längerem konstanten
Verhalten des Manometers desselben bei rasch sinkender centraler Tem-
peratur die Ausfuhr erhöht ist, stellt die partielle Kalorimetrie gleichfalls
ein Mittel dar, das Verhalten der die Wärmeverluste regulierenden Gefäss-
nerven zu prüfen. Referent hat nun selbst an vielen Menschen mit ver-
schiedenen fieberhaften Krankheiten zahlreiche solche Bestimmungen aus-
geführt und dabei möglichst grosse, Stunden dauernde Ausschnitte aus dem
Decursus zu gewinnen gesucht. Dabei konnte derselbe die einschlägigen
Beobachtungen der beiden Rosen thal bestätigen und mehrfach ergänzen.
Am meisten Erfahrungen konnten hinsichtlich des künstUchen und natür-
lichen Fieberabfalles gesammelt werden. Alle sog. Antipyretika steigern die
Wärmeabgabe. In diesem Sinne ist auch Amylnitrit ein ganz
energisches Antithermikum. Chinin wirkt beim Menschen nicht, wie
man etwa nach Gottliebs Tierversuchen schliessen könnte, wesentlich
anders als Antifebrin etc., nur träger. Bei spontaner Entfieberung besteht
ein ähnliches Verhalten, nur weniger rasch und prägnant. Mit dem fieberfreien
Zustand verglichen ist im Fieberanstieg die Kalorienabgabe immer vermindert.
Die abweichende Wärmeabgabe an das Kalorimeter kann kaum anders zu-
stande kommen, als dadurch, dass auf die vasomotorischen Centren eingewirkt
und dabei entweder Erregung der Vasokonstriktoren oder Reizunempfind-
Uchkeit der Dilatatoren hervorgerufen wird, so dass dann die Konstrik-
toren überwiegen. Die Antipyretika schwächen entweder die Erregkarkeit
der letzteren, oder sie erhöhen diejenige der Dilatatoren.
In der Zusammensetzung und physikalischen Beschaffenheit
des Blutes verfügen wir gleichfalls über ein geeignetes Mass vasomoto-
rischer Beeinflussungen. Auf Veranlassung des Ref. hat Dr. Th. Pfeiffer mit
dem Bleibtreuschen Verfahren der Bestimmung des Blutkörperchenvolums
einschlägige Untersuchungen an fiebernden Menschen gemacht. Es ergab
sich, dass in der Fieberhitze das Plasmavolum und die Grösse des einzelnen
roten Blutkörperchen von der Norm nicht wesentlich abweichen. Diese
Versuchsergebnisse stehen mit anderweitigen Beobachtungen Hammer-
schlags im Einklang, nach denen die fibrile Hydrämie überhaupt zweifel-
haft (oder doch äusserst gering) ist. Würde es sich um aus starker Beein-
flussmig des Kopfmarkes resultierende Verengung (Erweiterung) sämtlicher
oder fast sämtlicher Gefässgebiete des grossen Kreislaufes im Fieber handeln,
könnte eine Konzentrationsänderung nicht fehlen. Die vasomotorischen Vor-
43*
676 Allgem. pathol. Morphologie and Physiologie.
gänge im Fieber stellen sich sonach als nur auf einzelne Provinzen be-
schränkte Gefässreflexe dar.
Wenn die Fiebertheoretiker aus allgemeinen physiologischen und
pathologischen Gründen und an der Hand eines selbst reicheren experi-
mentellen und klinischen Thatsachenmaterials, als es gegenwärtig vorliegt,
gleich eine abgeschlossene Fiebertheorie aufbauen wollen, müssen sie
hiezu mehr Gestaltungskraft aufwenden, als in den induktiven Wissen-
schaften erlaubt scheint. Dies gilt für alle fertigen nervösen Fiebertheorieen
überhaupt: wir stehen hier wie überall in der Fieberlehre am Anfange!
Wenigstens hinsichtlich einer grundlegenden Frage, der febrilen Wärme-
regulation, ist jedoch bereits durch das Studium der vasomotorischen Er-
scheinungen eine gewisse Entscheidung erzielt. Als einen Haupt-
angriffspunkt schädigen die toxischen Erzeugnisse der In-
fektion die Orte, von welchen aus die Anpassung der Wärme
bildenden und abgebenden Prozesse geleitet wird.
c) Der Sto£Fwechsel im Fieber (Gesamtstoffwechsel).
Litteratur.
1. Kraus, F., Zeitschr. für klin. Med. Bd. 18 u. Wiener klinische Wochenschrift 189 .
2. Loewy, A., Virchows Arch. CXXVI Bd.
3. Gavallero e Riva Rocci, Rivista clinica 1890.
4. May, R., Zeitschrift f. Biol. Bd. XXX. 1. Heft.
5. V. Noorden, Pathologie des Stoffwechsels. Berlin
An die Spitze darf der Satz gestellt werden, dass alles, was in jüngster
Zeit über den febrilen Gesamtstoffwechsel ermittelt wurde, mit der An-
nahme einer erheblichen Steigerung der Oxydationen im Fieber durchaus
nicht in Einklang zu bringen ist.
Ref. kam zuerst gegenüber älteren, viel weiter gehenden Schätzungen
bei der Untersuchung des respiratorischen Gasaustausches fiebernder
Menschen nach dem Zuntz-Geppertschen Verfahren zum Resultate,
dass die febrile Erhöhung des 0-verbrauchs höclistens 20®/o der Norm
beträgt. Die früher gefundenen hohen Werte für die COg- Abgabe kommen
wesentlich auf Rechung der gesteigerten Muskelthätigkeit (Frost). Der respira-
torische Koeffizient ist auch in der Pyrexie nur vom augenbHcklichen
Ernährungszustände abhängig. Die Steigerung des Sauerstoffkonsmns und
der Kohlensäureausfuhr erklären sich schon durch den erhöhten N-Umsatz,
für gleichzeitige Steigerung des Fettzerfalls hegen ausreichende Gründe
kaum vor.
A. Loewy konstatierte eine Erhöhung der Sauerstoffaufnalime in den
meisten Fällen, dieselbe ist sehr schwankend und oft gering. Die gesteigerte
Der Sto£fwechBe] im Fieber (Gesamtetoffwechael). 677
Muskelaktion (Frösteln etc.) ist von evidentem Einfluss. Die Mehrzersetzung
scheint hauptsächlich durch gesteigerten Eiweisszerfall gedeckt, der Fett-
bestand wird kaum angegrifEen.
Auch G, Cavallero imd S. Riva Rocci finden wohl im allgemeinen
den respiratorischen Gaswechsel im Fieber erhöht, aber nur in sehr geringem
Grade; der Verbrauch geschieht grösstenteils auf Kosten des Körper-
bestandes. Sogar höher als bei gut genährten gesunden Menschen kann
der StickstofEverbrauch sich gestalten. Mit der Temperaturhöhe halten
N- Ausscheidung, Wasserverbrauch und Körpergewicht nicht gleichen Schritt.
R. May hat einschlägige Versuche an hungernden Kaninchen ange-
stellt, die mit Schweinerotlauf infiziert wurden. Der respiratorische Stoff-
wechsel wurde mit dem kleinen Voit sehen Apparat bestimmt. Ausserdem
wurde die N-Exkretion gemessen, der C nach den Angaben Rubners be-
rechnet. Mays Untersuchungen sprechen für eine Steigerung der Gesamt-
kalorienproduktion im Fieber, welcher auf einer Mehrzersetzung von Ei-*
weiss beruht. Der Eiweisszerfall im Fieber kann durch Zufuhr von
Kohlenhydraten vermindert werden. Das Glykogen der Leber schwindet im
Fieber rascher als bei normaler Temperatur. Der Glykogengehalt der Muskeln
war dagegen beim Fiebertier etwas grösser als beim Kontrolltier. Das Ver-
hältnis von N und C ist im Fieberharn geändert, der febrile Harn ist
C-reicher. May ist der Ansicht, dass die Vermehrung der Eiweiss-
zerstörung im Fieber der Hauptsache nach bedingt sei durch
den Mehrbedarf des fiebernden Organismus an Kohlen-
hydraten, Diese Annahme bedarf aber doch wohl noch weiterer Prüfung.
Hinsichtlich der Erhöhung des Eiweisszerfalles beim fiebernden
Menschen liegen grössere Beobachtungsreihen, die allen modernen Anforde-
rungen Rechnung tragen, aus jüngster Zeit sonst nicht vor. Man ist nun-
mehr aber darüber einig, dass die Ursache der pathologischen Steigerung
des Eiweisszerfalles nur zum geringsten Teile in der erhöhten Körper-
wärme selbst liegt, höchstwahrscheinlich ist sie zu suchen in Protoplasma-
giften, welche durch die Invasion der Krankheitserreger im Körper auftreten.
Der im Fieberharn vorfindliche N ist somit theils solcher, welcher aus
toxigenem Eiweisszerfall hervorgeht, teils solcher, welcher der Art der Er-
nährung entspricht. Die gesamte Stoffzersetzung fiebernder Menschen ist
jedenfalls nur unwesentlich grösser, als die normaler Individuen, und jeden-
falls kleiner, als die des Arbeiters. Dass die febrile Konsumption in ein-
zelnen Fällen eine so bedeutende wird, muss weniger den toxischen Ei-
weissverlusten zugeschrieben w^erden, als vielmehr der chronischen Inani-
tion. Ein halbwegs zuverlässiges Mass für die Beurteilung der Grösse des
Calor praeter naturam im fiebernden Körper gestatten uns die vorliegenden
Stoffwechseluntersuchungen nicht; vom Anbeginn des Fiebers muss
678 Allgem. pathol. Morphologie aod Physiologie.
mit Wärmeretention gerechnet werden, sofern man im Stoff-
wechsel die einzige oder doch ausschlaggebende Wärmequelle
voraussetzt.
d) Der Wärmehaushalt im Fieber.
Litteratur.
1. Rabner, Ludwigs Festschrift 1891. Berl. klin. Wochenschr. 1891. Zeitschrift ffir
Biol. Bd. XXX.
2. Rosenthal, J., 1. c.
8. Richet, Gh., La chaleur animale. Paris 1889.
4. Herz, M., L c.
5. £. Wiedemann und Lüdeking, Gh., Annalen, N. F. Bd. 25, 8. 145.
6. Pfeiffer, Th., 1. c.
7. Glax, J., Wasserretention im Fieber. Jena, 1894.
8. Nebel thau, £., Zeitschrift fQr Biologie, Bd. 31, S. 293.
Der Wert der thermometrischen Methoden für die Lehre der Pyro-
genese wird gegenwärtig nicht mehr überschätzt. Es ist die Erkenntnis durch-
gedrungen, dass das Thermometer auch im Fieber zu nichts anderem
dienen kann, als Auskunft zu geben über die Wärmeverteilung im Körper;
hinsichtlich der Frage nach den Wandlungen der Thermogenese bleibt es
stumm. Die letzteren lassen sich nur mit Hülfe der Kalorimetrie, für
welche erst in jüngster Zeit geeignete Apparate geschaffen wurden (Ch.
Riebet, Rosenthal, Rubner, d*Arsonval) und an der Hand der fest-
gestellten Bestimmungsgrössen des Stoffwechsels verfolgen.
Letzteres ist wenigstens der Standpunkt der „konservativen'' Pyre-
tologie. Diese geht bei Betrachtung der Temperaturverhältnisse im Fieber
von Lavoisiers Anschauung aus, nach welcher die Wärme im Tierkörper
durch die dauernd in demselben vor sich gehenden chemischen Prozesse
(Oxydationen) erzeugt wird. Darnach ist die tierische Wärme nichts anderes
als die Verbrennungswärme der durch den eingeatmeten Sauerstoff ver-
brannten Eiweisstoffe, Fette, Kohlenhydrate. Das Durchdringen des Grund-
satzes von der Erhaltung der Energie hat dazu geführt, die anscheinende
Vielheit der im Organismus gefundenen Wärmequellen (mechanische Arbeit
im Cirkulationsapparat, Ne^^^enf unktion , die zuerst von Matteucci hier
verwertete Quellung trockener Substanzen) doch insgesamt auf die genannte
einzige Ursache zurückzuführen. Beim ruhenden Menschen werden die
mit der Nahrung eingeführten chemischen Spannkräfte fast vollständig als
Wärme frei. Die konservative Fieberlehre lässt es nicht gelten, dass im
Organismus ein geheimer Vorrat von schnell und anders als in der typi-
schen Weise (Oxydations- und Spaltungsprozesse mit 0-aufnahme und
COa-entwickelung) frei zu machenden Spannkräften existiere, der bei Hunger
Der Wärmehaashalt im Fieber. 679
allmählich verbraucht, bei guter Ernährung auf gleicher Höhe erhalten,
oder selbst bis zu einer gewissen Grenze gesteigert wird. Sie hält es
demgemäss auch für unberechtigt anzunehmen, dass im Fieber diese vor-
handene Spannkraft unter dem Einfluss der krankmachenden Ursache in
Wärme umgesetzt werden und so den unzweifelhaft vorhandenen Über-
schuss des Körpers an Wärme auf der Fieberhöhe erklären könne. Der
Vergleich der Wärme- und der Kraftbilanz muss auch unter diesen Be-
dingungen ein glattes Resultat üefern, es giebt kein Manko und keinen
Überschuss. Auch das Kaloriendefizit durch den sogenannten „Ansatz*'
ist in der Norm ein relativ geringes.
Der letzte, welcher den Vergleich der tierischen Wärme mit der Ver-
brennungswärme der NahrungsstofFe unter Berücksichtigung aller biolo-
gischen Faktoren zur selben Zeit in musterhaft abschliessender Weise
durchführte, war Rubner. Er hat alle für die Erkenntnis der Stoffzer-
setzung notwendigen Werte genau festgestellt. Bei Hunger (Hund) zeigte
das mittlere Ergebnis bei der direkten Wärmebestimmung ein geringes
Defizit (1,4 °/o), bei Fettnahrung von nicht einmal 1 ®/o, bei Fleischfettnah-
rung von nicht V2 ^/o. Bei ausschliesslicher Fleischnahrung blieb ein ge-
ringes Plus. Im Gesamtdurchschnitt aller Rubner sehen Versuche sind
nach der kalorimetrischen Methode um etwa V« ^/o weniger an Wärme
gefunden worden, als nach der Berechnung der Verbrennungswärme der
zersetzten Körper- und Nahrungsstoffe.
Über ein strenges Mass für die Grösse der absoluten Erhöhung des
Wärmevorrathes im fiebernden Körper, welch letztere als feststehende
Thatsache bezeichnet werden darf, verfügen wir nicht. Nach Massgabe der
früher mitgeteilten Erfahnmgen über den febrilen Stoffwechsel, welche in
der konservativen Fieberlehre ausschlaggebend sind, ist die Kalorienpro-
duktion im Fieber (im recenten Fieber) nur in relativ geringem Umfange
erhöht. Bei länger dauernden Fiebern handelt es sich bloss mehr um eine
Verschiebung, denn um eine Steigerung des Gesamtstoffwandels.
Die direkte Bestimmung der Wärmeproduktion auf kalorimetrischem
Wege mit guten Apparaten hatf für Tiere, deren Temperatur infolge Fieber
erzeugenden Injektionen ansteigt, ergeben, dass die Wärmeausfuhr während
des Temperaturansteigens stets vermindert ist. Schätzt man aus der
Temperaturzunahme den Betrag an Wärme, welcher von dem Tiere zu-
rückgehalten worden ist, und addiert denselben zu der an das Kalorimeter
abgegebenen Menge, so erhält man irgend eine Vorstellung über die ganze
Wärmeproduktion während des Fieberanstieges. Dieselbe weicht nur relativ
wenig von der Produktion vor der Injektion ab, so dass man fast die
ganze Zunahme der Temperatur durch Wärmestauung erklären
muss. Dass die febrile Steigerung der Körperwärme ausschliesslich
680 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
durch Retention bewirkt wird, ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht
streng bewiesen. Hält das Fieber längere Zeit an, erreicht die Wärme-
ausgabe wieder den normalen oder selbst einen etwas höheren Wert
Antipyretika bewirken Temperaturabfall und bedeutende Steigerung der
Wärmeausgabe. Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass die Wärnaere-
tention in der Periode des Fieberanstieges ebenso auf vasomotorische Ein-
flüsse zurückgeführt werden darf, wie die normale Wärmeregulierung. Das-
selbe gilt auch vom Temperaturabfall.
Rubner hat die Erscheinungen des Kraftwechsels aber nur am
ruhenden Versuchstier direkt gemessen. Schon die physiologische
Energetik bei Entwickelung mechanischer Energie (Bewegung des Körpers) ist
lückenhaft; da kennen wir noch nicht einmal genau die Anfangs- und End-
gliede der Reihe. Durch Quellung werden beispielsweise gewaltige Energie-
werte erzeugt. Welches aber die vielverschlungenen Wege des Kraftwechsels
hier und überhaupt sind, ist uns ziemUch unbekannt. Es ist gar nicht
absolut notwendig, dass im einzelnen der Kraftwechsel des fiebernden Orga-
nismus der Norm völlig kongruent ist, dass aus den eingeführten Energieen
dieselben Zwischenzustäude resultieren und dass der Energievorrat identische
Rückverwandlungen erfährt, um schliesslich als Wärme den Körper zu
verlassen.
Angesichts der Unbestimmtheit des Fieberproblems nach dieser Rich-
tung hat nun Herz sich auf den unbefangensten und radikalsten Standpunkt
stellen zu sollen geglaubt. Er leugnet beinahe die Lebenserscheinungen als
Ausdruck des kontinuierlichen Wechsels der Materie, aus welcher der Orga-
nismus besteht. Für ihn ist 0- Konsum und COg-Produktion im Verein mit
der HarnstofFbildung kein Mass der StofEwechsehntensität. Denn die Zellen
haben auch andere Möghchkeiten, Wärme zu binden und frei zu machen,
als die Oxydationen. Bei dem Eintreten eines Nahrungsatoms in die Zelle
und bei der Umwandlung des toten in ein lebendiges Molekül wird Wärme
gebunden (?); gerade so viel wird produziert, wenn die Zelle einen Teil ilires
Leibes verbrennt. In der Norm besteht Gleichgewicht von Bindung und
Ausgabe (Wärmegleichgewicht). Wenn aber die Zelle nur ausgiebt, w/ih-
rend die ersatzschaffende Funktion darnieder liegt, wird mehr Wärme frei.
Dies gilt für die fiebernden Zellen. Eine weitere Wärmequelle im Fieber
ist die Aufnahme von Wasser in die Zellen (frei werdende QueUungs wärme).
Ein wärmeregulierendes Centrum zieht er ebenso wenig m Betracht, wie
die früher mitgeteilte Anschauung betrefiEs der physiologischen Wärme-
regulierung, nach welcher der Blutgehalt der Haut durch den Einfluss
nervöser Mechanismen zweckmässig wechselt, um bald mehr, bald weniger
Wärme abzuführen.
Der Wärmehaushalt im Fieber. ßgl
Auf Grund von Untersuchungen über die Perspiratio insensibilis
schliesst M. Herz, dass die subepitheliale Flüssigkeit in der Haut bei
weitem nicht einen dem Wasser und salzigen Lösimgen entsprechenden
Dampfdruck in einer auf die Körperoberfläche aufgesetzten Glocke bewirkt.
Eine andere Bindung ist das Hindernis. Bei Fiebernden fand er, dass auf
erhöhten Dampfdruck über der Haut stets Abfall der Temperatur, auf ver-
minderten dagegen Ansteigen folgte. Die Minderung des Dampfdruckes
zeigt stärkere Bindung des Wassers in den Geweben an, die Zellen quellen
und erhitzen sich. Da die tiefgelegenen Zellen viel quellungsfähiger sind,
als die oberflächUchen, in der Haut gelegenen, so wird das Blut der Haut
entzogen (Schüttelfrost). Die Kalorimetrie verwirft M. Herz gleichfalls:
sie misst die Wärmeabgabe zu schlecht. Besser ist es, man misst die „Heiz-
kraft" der Haut, d. h. ihre Fähigkeit, die Umgebung zu erwärmen. Er setzt
also eine mit einem Thermometer versehene Kapsel auf die Haut und
schätzt die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs an dem mit Zeitgraden
armierten Instrument. Herz findet die kalorimetrische Wärmeabgabe nicht
selten gering, wo er gesteigerte Heizkraft annehmen muss.
Th. Pfeiffer, welcher das Volum der Erythrocyten im Fieberblut
mit jenem der fieberfreien Zeit bei demselben in sieben Krankheitsfällen
verglich, fand fast identische Werte für beide Zustände. An den roten Blut-
körperchen ist also, entgegen den einschlägigen Behauptungen von M. Herz
eine Quellung des Protoplasmas nicht nachweisbar. Auf eine weitere Kritik
der Herzschen Fiebertheorie sei diesmal nicht eingegangen. Nur das Eine
sei noch betont: Wasserretention von selten des fiebernden menschlichen
Körpers istkünisch als typische Erscheinung überhaupt nicht erweislich.
Wenn in einzelnen Fällen Wasserretention platzgreift, sind stets grobe
anderweitige Störungen (z. B. Herzschwäche etc.) vorhanden.
HAND- \m LEHRBÜCHER, GRUNDRISSE,
KOMPENDIEN, ATLANTEN ETC.
I. Der menschlichen Pathologie.
Von
Albert Thierfelder in Rostock,
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8. Aufl. Jena. Fischer. 1895.
14. Karg, C. und Schmorl, G., Atlas der pathologischen Gewebelehre in mikrophoto-
graphischer Darstellang. 27 Tafeln in Kupferätzung. Mit einem Vorwort von Birch-
Hir Sehfeld. Leipzig. Vogel. 1893. Bisher erschienen: Lfrg. 1— IV.
15. Grawitz, P. Atlas d. pathol. Gewebelehre. Lfrg. l—V, Berlin. Scholz 1893.
16. Rnmpel, Th., Aus den Hamburger Staatskrankenhftusern. Pathologisch-anatomische
Tafeln nach frischen Präparaten. Mit erläuterndem anatomisch-klinischem Text unter
Mitwirkung von Käst, Alf. Wandsbeck -Hamburg, Kunstanstait (von G. W. Seitz).
1892. Bisher erschienen 12 Lieferungen.
17. Rieder, H., Atlas der klinischen Mikroskopie des Blutes. 12 Taf. -mit 48 Abbildungen
in Farbendruck. Leipzig. Vogel. 1893.
18. Chiari, H., Pathologisch-anatomische Sektionstecbnik. Mit 28 Holzschnitten. Berlin.
Fischer-Kornfeld. 1894.
19. Ne eisen, F., Grundriss der patholog.-anatomisch. Technik. Stuttgart. Enke. 1892.
20. Nauwerck, C, Sektionstechnik. Mit 51 Abbildungen. 2. Aufl. Jena. Fischer. 1894.
21. Virchow, R., Die Sektionstechnik im Leichenhause des Charit^-Krankenhauses mit
besonderer Rücksicht auf gerichtsärztliche Praxis. 4. Aufl. Berlin. Hirschwald. 1893.
Der nachfolgenden Besprechung seien einige Bemerkungen voraus-
geschickt. Dass das obige Verzeichnis nicht nur die in den letzten Jahren
erschienenen Werke umfasst, sondern etwas weiter, etwa ein Jahrzehnt,
zurückgreift, bedarf wohl weder einer Entschuldigung noch einer ein-
gehenden Begründung. Es ist der erste Band der Ergebnisse, und es
sollte in ihm eine Basis geschaffen werden, auf welchen sich das in den
folgenden Jahren neu Hinzukommende leicht aufbauen lässt; es soll wo-
möglich vermieden werden, dass weit zurückgreifende Ergänzungen und
Nachträge sich notwendig machen; zudem sind die aufgeführten Werke
sämtlich im Gebrauch und verdienen schon um deswillen Berück-
sichtigung.
Giebt das Verzeichnis somit ein Mehr, als vielleicht erwartet wurde,
so weist es auf der anderen Seite doch noch grosse Lücken auf, und
namentlich fehlt die ausländische Litteratur der Lehrbücher u. s. w. noch
gänzlich. Auch das hat, wenigstens zum Teil, seinen Grund darin, dass
es sich um den Anfang eines Werkes handelt und möge damit entschul-
digt werden.
684 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Unter den in den Ergebnissen abgehandelten Werken und Einzel-
arbeiten nehmen die Lehrbücher insofern eine besondere Stelle ein, als ihr
Zweck es verlangt, dass sie das thatsächlich Feststehende, das von allen
Sachverständigen oder doch deren grössteui Teile als gültig Anerkannte in
übersichtlicher Weise und dabei in thunlichst knapper Form wieder geben.
Hiermit soll selbstverständlich weder die wissenschaftlich begründete HyjK>
these noch die Erörterung von Fragen , die im Mittelpunkt des Interesses
stehen, ihrer endgültigen Beantwortung aber noch harren, aus unseren
Lehrbüchern gänzlich verbannt werden. Der akademische Lehrer kann uinl
soll es nicht umgehen, die Lücken und Mängel seiner Wissenschaft klar zu
legen; er soll die Grenze zu bestimmen suchen, wo das positive Wissen
aufhört und darf auch kein Bedenken tragen, wichtige Streitfragen mit
seinen Schülern zu besprechen. Ist doch das heranwachsende Geschlecht
berufen, da die Arbeit aufzunehmen und fortzuführen, wo sie unserer
Hand entfällt. Die eingehende Behandlung solcher Fragen jedoch gehört
meiner Meinung nach vorwiegend in die Handbücher, welche wie das
Kleb s sehe, leider noch unvollendete Werk (8) auf breiterer Basis auf-
gebaut sind und ausser den speziellen Schülern des Autors namentlich
dem Fachmann und dem durchgebildeten, erfahrenen Arzt Anregimg und
Belehrung bieten. In dem Lehrbuch, das den Studenten als tägliclier
Auskunftgeber durch seine Studienjahre begleiten soll, werden Streitfragen
immer nur in beschränktem Masse Platz finden können. Ist der oben an
die Spitze gestellte Satz richtig, so wird jedes Lehrbuch an sich schon die
wichtigsten „Ergebnisse" der fachwissenschaftlichen Forschung bis zur Zeit
seines Erscheinens enthalten, und die Abweichungen, welche die einzehien
nach Inhalt und Anordnung des Stoffes aufweisen, entsprechen sodann dt^
Herausgebers individueller Auffassung von der Wichtigkeit des betreffenden
Forschungsresultats und von dessen Stellung im Gesamtgebiet der patho-
logischen Wissenschaft.
Wenn auch im folgenden eine anerkennende oder abweisende Be-
merkung ihren Platz finden muss, so liegt es doch nicht in meiner Ab-
sicht, Kritik zu üben; dazu wäre es einmal erforderlich, auf Einzelheiten
einzugehen, wie sie in dem speziellen Teile der Ergebnisse thatsäclilich
zur Besprechung stehen werden, in einen zusammenfassenden Bericht
jedoch nicht gehören — und dann setzt die Abgabe einer Kritik voraus,
dass der Beurteilende die betreffenden Bücher wirklich -— wenn auch nur
einmal — durchgelesen hat. Das habe ich nicht gethan und es wird, wie
ich wohl annehmen darf, auch niemand diese Forderung an mich stellen.
Es ist aber auch nicht meine Aufgabe, hier Kritik zu üben noch auch
die im Verzeichnis aufgeführten Werke einzeln zu besprechen. Ich werde
mich im folgenden zunächst darauf beschränken, diejenigen Kapitel der
Hand- und Lehrbücher der menschlichen Pathologie. 685
allgemeinen Pathologie hervorzuheben, deren Inhalt als Ergebnis ge-
meinsamer Arbeit während des letzten Jahrzehnts gelten darf, oder
welcher, als Arbeit eines Einzelnen, die Anerkennung der Fachgenossen
gefunden hat.
Endlich soll in einem besonderen Abschnitt der Abbildungen sowie
der Bildwerke gedacht werden.
Begreiflicherweise ist der Ätiologie, welche, durch die Ausbildung
und Ausdehnung der bakteriologischen Forschung wesentlich be-
reichert, einen so bedeutsamen Aufschwung genommen hat, ein relativ
breiter Raum in allen Lehrbüchern zugestanden worden. Es ist hoch er-
freulich zu konstatieren, wie die Darstellung der auf Infektion zurück-
zuführenden Krankheitsprozesse an Klarheit und Einheit gewonnen hat,
— wie das Zusammenfassen ätiologisch zusammengehöriger Krankheits-
bilder dem Verständnis des Lernenden entgegen kommt und ihm die
Arbeit beim Aneignen des gewaltigen, fast täglich anwachsenden Stoffes
erleichtert. In allen Lehrbüchern finden die Resultate der bakteriologischen
Forschung an geeigneter Stelle ihren Platz und, soweit die Anwendung
bestimmter F'ärbungsmethoden oder kulturelle Eigentümlichkeiten patho-
gener Organismen ihr Erkennen und Unterscheiden von anderen ermög-
lichen, gehören auch solche Angaben in die betreffenden Kapitel, und
selbst ein instruktiver Wink über Technicismen ist sehr erwünscht und
fördert das Verständnis. Nun finden sich aber in einzelnen Lehrbüchern
spezielle Anleitungen zu den bakteriologischen Untersuchungs- und Züch-
tigungsmethoden. Von den älteren Autoren giebt Klebs (3) eine solche,
und auch Thoma (11) widmet der „Methode der Untersuchung pathogener
Spaltpilze" ein besonderes Kapitel. Es lässt sich wohl darüber streiten,
ob derartige technische Instruktionen, so vorzüglich und wertvoll ihr In-
halt ist, in einem Lehrbuch der allgemeinen Pathologie sachlich begründet
eine Stelle finden sollen; oder ob sie nicht besser in einem Anhang
(Birch-Hirschfeld) bezw. in einer noch loser verbundenen Beigabe
(Ziegler) unterzubringen wären. Zudem existieren, abgesehen von den
zahlreichen grossen und kleinen Lehrbüchern der Bakteriologie, auch
Werke geringeren Umfangs, welche die hier in Rede stehenden Bedürfnisse
des jungen Mediziners in ausgezeichneter Weise berücksichtigen; so ge-
schieht dies in Weichselbaums Grundriss (12), der noch an anderer
Stelle Erwähnung finden wird. Die Gründe, weshalb der Herausgeber
eines Lehrbuchs der pathologischen Anatomie in diesem der Untersuchungs-
technik einen so grossen Raum gönnt, sind mir wohl verständlich und
einer scheint mir sehr berechtigt: es ist der Wunsch, dem jungen Medi-
ziner, dessen Studium die Anschaffung einer Anzahl kostspieliger Werke
mit sich bringt, möglichst viel in einem Buche darzubieten, ihm eine
686 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
weitere Ausgabe zu ersparen. Und so mag diese Kombination, von der
ich gerne zugebe, dass sie manche BequemHchkeiten hat, besteben bleiben.
— obgleich sie mir ihrem Wesen nach nicht statthaft erscheinen will.
Das Studium der Infektionskrankheiten, — besser gestützt als bisher
durch den relativ leichten und doch sicheren Nachweis pathogener Organis-
men und ihrer Verbreitungswege im menschüchen und tierischen Körper,
— hat auch zu einer präciseren Fragestellung nach Krankheitsdispo-
sition und erblicher Übertragung (accidentelle Vererbung) geführt
Wir dürfen um so mehr hoffen, klare Antworten zu erhalten, als bereit*
das Tierexperiment mit Erfolg herangezogen worden ist und wertvolle,
wenn auch umstrittene Resultate geliefert hat. Es sei auf die Lehrbücher
von Klebs (3), Birch-Hirschfeld (1), Ziegler (13) und Thoma (11)
hingewiesen, sowie auf das Kapitel „Hauptgruppen disponierender Krank-
heitsursachen'* in Birch-Hirschfelds Grundriss (2).
Hieran mögen sich Bemerkungen schliessen, welche sich auf die Ka-
pitel Heilungsvorgänge bei den Infektionskrankheiten, Phagocy-
tose, Chemotropismus, Immunität beziehen.
Diese für den Forscher ebenso wie für den Praktiker hochinteressanten
Tagesfragen finden in allen Lehrbüchern und Grundrissen eine mehr oder
w^eniger eingehende Besprechung. Ausgenommen sind, so weit ich sehe,
nur diejenigen Bücher, deren Inhalt und Zweck eine Berücksichtigung dieser
Fragen von vornherein ausschloss — v. Recklingshausens Handbuch,
Orths Diagnostik — oder deren Erscheinen in eine Zeit fällt, in der sich
das lebhafte allgemeine Interesse diesen Fragen noch nicht zuwenden
konnte, weil die neuen Wege noch nicht eröffnet waren, die uns jetzt ihrer
Beantwortung und Klärung näher zu führen versprechen. So behandelt
Klebs (3), der schon „früher, als noch alles den Anschauungen von dem
Wesen der Infektionskrankheiten abgeneigt war, dieselben vertrat*', und
dessen „Anteil an dem Ausbau der neuen Lehre*' gewiss kein Pathologe
unterschätzen wird, — die Immunitätsfrage und die Abschwächungsfähig-
keit der Bakterien etc. nicht in einem gesonderten Kapitel, welches liier
angezogen werden könnte. In den anderen vorliegenden Werken seien
besonders hervorgehoben bei Ziegler (13) die Abschnitte: „Schutzkräfte
des Organismus gegen Infektion, bakterizide Eigenschaften des Blutes.
Heilkräfte des Organismus, Immunität u. fE.". Klarheit und Übersichtlich-
keit in der Anordnung des Stoffes ermöglichen hier auch demjenigen eine
gründliche und doch leichte Ori,entierung, der sich als Anfänger zum ersten-
male mit diesen Dingen zu beschäftigen hat. Dasselbe gilt von dem be-
treffenden Abschnitt bei Birch-Hirschfeld (1) und von dem Kapitel:
„Pflanzliche Organismen als Krankheitserreger" in dem Grundriss desselben
Autors (2), einem Buche, nach dem ich gern greife, und dem ich weiteste
Hand- und LehrbQcher der menschlichen Pathologie. (j87
Verbreitung unter den Studierenden und Ärzten wünsche, obwohl ihm, —
in meinen Augen keineswegs ein Fehler, — der Schmuck und das Hilfs-
mittel bildlicher Darstellungen abgeht Eine präcise und daneben sehr
gefällige Behandlung des in Rede stehenden Stoffes zeichnet auch die ein-
schlägigen Kapitel „Infektion und Parasiten'* beiThoma (11), sowie „Dis-
position-Immunität" bei Ne eisen (5) aus. Endlich liefert die kürzeste,
dabei aber eine der Aufgabe seines Grundrisses wohl entsprechende Dar-
stellung der Immunität und der mit ihr zusammenhängenden Theorieen
Schmaus (lOj.
Bei dem Kapitel „Cirkulationsstörungen*' sei an erster Stelle
das Handbuch der allgemeinen Pathologie des Kreislaufes und der Ernäh-
rung von von Recklinghausen (8) genannt; einer besonderen Hervor-
hebung bedarf es nicht; denn seit länger als einem Jahrzehnt wirkt es
belehrend und anregend in fachmännischen und ärztlichen Kreisen. Seine
klare, dabei jede einschlägige Beobachtung und jedes Detail berücksich-
tigende Behandlung des Stoffes in klassisch abgerundeter Form, sowie die
bis zur Zeit seines Erscheinens vollständigen Litteraturangaben sichern von
Recklinghausens Handbuch dauernd den Platz eines Quellen werkes
ersten Ranges.
Femer sei auf die originelle Behandlung hingewiesen, welche die
Cirkulationsstörungen durch Thoma (11) erfahren haben. Waren auch
die Resultate seiner wissenschaftlichen Arbeit „in die Mechanik des patho-
logischen Geschehens einzudringen" in Fachkreisen seit langem bekannt
und geschätzt, so wird es doch jeden freuen, ihnen nunmehr hier, in über-
sichtlicher Zusammenstellung und den Lernenden zugänglicher gemacht,
zu begegnen. Ich zweifle nicht, dass die von Thoma aufgestellten bis to-
mechanischenPrinzipien und die aus ihnen abzuleitenden weittragen-
den Sätze bald auch in andere Lehrbücher übergehen und, soweit dies
nicht bereits geschehen ist, die ihnen gebührende Berücksichtigung finden
werden. — Im übrigen bieten die Bearbeitungen, welche die allgemeinen
und lokalen Cirkulationsstörungen in den gebräuchUchen Lehrbüchern ge-
funden haben, nur wenige Abweichungen von einander dar.
BezügUch der Organisation des Thrombus scheint hinsichtlich der Rolle,
welche die zelligen Elemente der Gefässwand spielen, völlige Übereinstim-
mung zu bestehen; diese Frage darf zu den vorläufig erledigten gezählt
werden. Dagegen ist die Frage nach der Bedeutung der Blutplättchen für
das Zustandekommen der Blutgerinnung noch gänzlich unentschieden.
Neuerdings scheint die Auffassung Löwits, nach der es sich bei der Bil-
dung der Blutplättchen um eine Globulinausfällung handelt, mehr Anhänger
zu finden.
688 AUgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Soviel auch die Arbeiten der letzten Decenni'en unser Wissen von den
Einzelvorgängen bei der Entzündung erweitert und vertieft haben: alle
Versuche, eine präcise Definition dessen zu geben, was man unter Ent-
zündung zu verstehen habe, sind als erfolglos zu bezeichnen; eine Defi-
nition, welche wenigstens den pathologischen Anatomen befriedigte, giebt
es nicht. Die Klebssche Definition bezeichnet ihr Autor selbst „nur als
eine klinische oder symptomatische" und fügt dann hinzu, dass der Begriff
der „gesteigerten Reaktion'* eigentlich keine Erklärung, sondern nur eine
Umschreibung des Vorganges'* sei. Der jüngste Erklärungsversuch rührt
von Ziegler her; nach ihm ist die Entzündung „eine mit pathologischeu
Exsudationen aus den Blutgefässen verbundene örtliche GewebsdegeneratioD".
Ich kann den Einwänden, welche Thoma (S. 618 u. f.) gegen diese Defi-
nition vorbringt, nur beipflichten. Die örtliche Gewebsdegeneration ist über-
haupt etwas Inkonstantes bei der Entzündung ; sie ist aber inkonstant auch
insofern, als sie in dem einen Falle als Ursache, in einem andern als Folge-
zustand der Entzündung aufzufassen sein kann. Ein weiteres Eingehen
auf diese Frage scheint mir hier nicht am Platze; es gehört in den spe-
ziellen Teil der Ergebnisse.
Wenn man, wie ich es behufs Zusammenstellung dieses Berichtes
jüngst gethan habe, alles Vortreffliche an sich vorüberziehen lässt, was
Forschcreifer und Gelehrtenfleiss in den hier vorliegenden Büchern über
Entzündung gearbeitet und zusammengefügt haben, in dem Streben, das
Wesen des Prozesses zu ergründen, und man dieses Streben als ein ver-
gebUches, wenn auch kein fruchtloses — bezeichnen muss, so ist man
allerdings geneigt, den Vorschlag derer anzunehmen, welche die Einzel-
vorgänge, die in ihrer Gesamtheit den Entzündvmgsprozess bilden, unter
die Kreislaufstörungen bezw. unter die Regenerations- und Degenerations-
vorgänge gestellt zu sehen wünschen, man ist geneigt, den Entzündungs-
begriff als einen einheitlichen fallen zu lassen. Dem stehen nun aber doch
neben anderen äusseren Schwierigkeiten, die am Ende zu überwinden sein
würden, auch sachlich begründete Bedenken gegenüber; von Reckling-
hausen schliesst seine einleitenden Bemerkungen zu dem Kapitel „Ent-
zündung" mit den Worten : „ . . . so tragen doch, einmal eingetreten, die
weiteren Erscheinungen der Entzündung ein so typisches Gepräge, die
Art und Weise, wie diese Phänomene, obwohl wechselnd in Dauer und
Stärke, mit einander vergesellschaftet sind, giebt dem Vorgang der Ent-
zündung einen so besonderen Charakter, dass er sich auch in Zukunft wohl
das alte Bürgerrecht in der pathologischen Lehre bewahren wird." Diese
Worte haben meiner Ansicht nach auch heute noch, trotz der besseren
Einsicht, welche wir in die entzündlichen Vorgänge gewonnen haben, ilire
volle Geltung.
Hand- und LehrbOcher der mensohlichen Pathologie. 689
Die unablässigen Bemühungen, das Wesen dieses Prozesses zu er-
kennen und das Beständige in seinen wechselnden Erscheinungsformen
fest zu halten, bildeten die Veranlassung zu einer Fülle scharfsinniger
experimenteller Untersuchungen und Gegenuntersuchungen, und haben zu
einem lebhaften Meinungsaustausch der Beobachter unter einander geführt.
Dieser Umstand gestaltet die sichtende Bearbeitung des überreichen litte-
rarischen Materials, behufs übersichtlicher Darstellung in einem Lehrbuche,
zu einer der schwierigsten, aber zugleich auch lohnendsten Aufgaben.
Die oben angeführten Werke legen beredtes Zeugnis dafür ab, dass diese
Aufgabe in vorzügUcher Weise gelöst ist.
Rückblicke auf die Entwickelung der Entzündungslehre und Kritiken
der einzelnen Theorieen finden sich, mehr oder weniger eingehend, in
sämtlichen lunf angreicheren Hand- und Lehrbüchern. Auf die von Thoma
(11) gegebene, kurze aber gut orientierende Darstellung ist schon oben
Bezug genommen worden. Ich glaube es nicht unterlassen zu sollen, das
Kapitel „Entzündung'' in Birch-Hirschfelds (2) Grundriss, bezw. den
Abschnitt „Genese der einzelnen Teile des Entzündungsprozesses" hier
hervorzuheben, in welchem Verf. auch eine mich sehr ansprechende, ge-
drängte Darstellimg der chemotaktischen Erscheinungen in ihrer Beziehung
zur Entzündung giebt.
Zu dem Kapitel „Rückgängige Metamorphose, — örtlicher
Tod, Degeneration" mögen nur zwei kurze Bemerkungen hier Platz
finden.
Angesichts der grossen Mengen von Beobachtungen und Thatsachen,
welche die wissenschaftliche Arbeit vieler jährlich ans Licht bringt, ver-
dient das Bemühen, solche Einzelresultate unter gemeinsame Gesichtspunkte
zusammenzufassen und Verwandtes zu Verwandtem zu ordnen — beson-
deren Dank. Das gilt nach meinem Dafürhalten von Weigerts Hypo-
these, nach welcher, analog der Fibringerinnuug, unter besonderen Be-
dingungen das Protoplasma absterbender Zellen, bei gleichzeitig eintreten-
dem Keruschwund, gerinnen soll. Diese Hypothese von der Koagulations-
nekrose finde ich acceptiert und eingehend besprochen in den Werken
von Klebs (3), Birch-Hirschfeld (1), Ziegler (13) und Neelsen (5);
den Aufgaben ihrer „Grundrisse" entsprechend, kurz erwähnt von Weichsel-
baum (12) und Schmaus (10), wälirend sie Thoma (11) mit Gründen,
denen ich nicht beizupflichten vermag, zurückweist. Langerhans (4) er-
wähnt sie nicht.
Durch seine Untersuchungen über das Hyalin hat von Reckling-
liausen einen neuen Anstoss gegeben zur Prüfung der physikalisch-chemi-
schen und morphologischen Eigenschaften der Degenerationsprodukte des
Zellprotoplasmas. Eine Reihe dieser Arbeiten wird in dem speziellen Teile
Lubarsch-Ostertag, Ergobuisse Abteil. U. 44
690 AUgem. pathol. Morphologie und Pathologie.
dieses Werkes ihren Platz finden. Die hyaline Entartung selbst ist als eine
besondere Degenerationsfonn von sämtlichen Autoren anerkannt und
wird als solche besprochen.
Unsere Kenntnisse von den progressiven Gewebsmetamor-
phosen ruhen noch alle auf den grundlegenden Arbeiten R. Virchow's;
sie haben aber in den letzten zwanzig Jahren eine bedeutsame Bereicherung
erfahren durch die genauere Erforschung der Zell- und Kemteilungsvor-
gänge. Die Tragweite der auf diesem Gebiete bereits gewonnenen Resul-
tate ist eine sehr grosse, in ihren Grenzen vorläufig nicht zu bestimmende.
So wenig geklärt die Ursachen der Zellneubildung — der normalen, wie
der pathologischen — sind: die Frage nach den Vorgängen bei diesem
Prozess ist zum Teil beantwortet, zum Teil ihrer Beantwortung um vieles
näher gertickt. Im konkreten Falle gestattet der Nachweis charakteristiseher
Kern- und Zellteilungsfiguren schon jetzt sicher verwertbare Schlussfolge-
rungen. Alle Autoren tragen dieser Thatsache Rechnung durch teilweise
sehr eingehende Besprechung und durch Beigabe instruktiver Abbildungen.
Einem solchen Forschimgsergebnis gegenüber mutet mich die jüngst
von Grawitz aufgestellte Schlummerzellentheorie wie ein Aufgeben
sicheren Besitztums an und ich bezweifle gleich Anderen die Richtigkeit
in der Deutung seiner Beobachtungsobjekte. Die Schlummerzellen finde
ich erwähnt bei Schmaus (10), nicht aber, wie ein Recensent seine?
Grundrisses behauptet : „hier zum erstenmale bedingungslos ang^nonomen".
Thoma (11) und Ziegler (13) weisen die Grawitzsche Lehre zurück.
Dass die Resultate, welche die Entwickelungsgeschichte in den letzten
Jahren zu verzeichnen gehabt hat, von den Pathologen gewürdigt worden
sind, und dass sie in ausgiebiger Weise zur Erklärung pathologischer Bil- 1
düngen herangezogen werden, bedarf wohl kaum einer besonderen Er- 1
wähnung. Sehr gute, instruktive Abbildungen haben neben solchen älteren I
Autoren aus den bekannten Arbeiten von His, Hertwig, von Reck-I
linghausen, Ahlfeld u. a. wohl verdiente Aufnahme in den Lelir- 1
büchern gefunden und zwar sowohl in dem Kapitel „Missbildungen",!
als auch bei der Besprechung der Missbildungen einzelner Organe. Speziell
sei hingewiesen auf die Bearbeitung dieses Abschnittes in Thoma 's (11)
Lehrbuch. Die kurzen Bemerkungen über die experimentelle Erzeugungeu
von Doppelmissbildungen u. s. w., sein Eingehen auf die Bedeutung der
placentaren Anastomosen und deren Beziehungen zu den CSrkulationsstö-
rungen beim Fötus und Erwachsenen haben mich besonders angesprochen.
Hier imd nicht unter dem Abschnitt „Ätiologie*' sei noch der Erblichkeit
und Vererbung gedacht. Neben den vielumstrittenen, aber von der
Mehrzahl der Forscher als bedeutsam anerkannten Theorieen Darwins, die
seit Decennien unsere Anschauung mächtig beeinflussen, wendet sich ia
Hand- und Lehrbücher der menschlichen Pathologie. 691
neuerer Zeit denjenigen Forschungsresultaten ein lebhaftes Literesse zu,
welche sich auf den Kopulationsvorgang selbst, auf den Furchungskern
und die Geschlechtskeme beziehen. Eine sehr eingehende, diese Fragen
erwägende Besprechung giebt Ziegler (13); gleichzeitig sei auf die betr.
Kapitel in Birch-Hirschfeld's Lehrbuch (1) und Grundriss (2) verwiesen.
Was mir als ein Ergebnis bei dem Durchblättern der Kapitel „Neu-
bildungen'* in den oben genannten Werken aufgefallen ist, besteht in
der Thatsache, dass zwar die von R. Virchow eingeführten oder von
ihm aus früheren Autoren übernommenen Namen der Geschwülste bei-
behalten worden, dass aber die Virchowschen Bezeichnungen der
einzelnen Geschwulstgruppen nur mit gewissen Einschränkungen gebraucht
werden, oder dass sogar unter einer Virchowschen Bezeichnung ganz
andere Tumoren zusammengefasst sind, als der Autor bei der Wahl der
Bezeichnung unter ihr zusammengefasst sehen wollte. — So führt z. B.
Birch-Hirschf eld (1 u. 2) als organoide Geschwülste, welche dem
epithelialen Typus angehören, die folgenden auf: Clavus, Schwiele, Comu-
eutaneum, Epithelioma papilläre, Adenom und die verschiedenen Carcinome;
während Thoma(ll) Virchow s histioide Geschwülste — mit alleinigem
Ausschluss des Sarkoms, das er zu den cellulären autonomen Neubildungen
»Iftllt — als organoid bezeichnet; er will dem Anteil Rechnung tragen,
welchen das gefässhaltige Bindegewebe am Aufbau auch dieser Geschwülste
regelmässig nimmt. Organoid sind also nach Thoma: Fibrom, Lipom,
Myxom, Chonckom, Osteom, Gliom, Angiom, Myom, Neurom, Papillom,
Adenom und Kystwaa. Also nur Papillom und Adenom bezeichnet sowohl
Birch-Hirschfeld als Thoma als organoide Geschwülste und beide
Autoren stimmen auch dann überein, dass die Teratome ihrer Mehrzahl
nach zu den Missbildungen zu rechnen, oder doch am passendsten mit
diesen zu besprechen seien. — aber bezüglich der systematischen Stellung
aller andern Proliferationsgeschwülste weichen beide von einander ab.
Um derer willen, die lernen sollen, und für die eine Einteilung des
Stoffes nicht nur zum Verständnis, sondern auch zum Festhalten des
Gelernten fast unentbehrlich erscheint, ist es zu bedauern, dass in zwe
vielbenutzten Lehrbüchern, wie es die der genannten Autoren sind, ein
und dieselbe Bezeichnung so differente Dinge umfasst. Das muss den
Anfänger verwirren oder ihn zu der Annahme drängen, dass eine syste-
matische Einteilung der Geschwülste etwas Gleichgültiges, ja Überflüssiges
sei. Nach meinem Dafürhalten wäre es richtiger gewesen, wenn Birch
Hirschfeld, der als Grundlage für die Einteilung der Geschwülste die
aus der Histogenese abgeleitete „Beziehung auf den entsprechenden
physiologischen Gewebstypus" betrachtet wissen will, — die Bezeichnungen
histioid und organoid ganz fallen gelassen und nur die typischen
44*
ß92 Alldem, patbol. Morphologie und Physiologie.
und atypischen Geschwülste der Bindesubstanzen, des Epitliels und der
durch Kombination mehrerer Geschwulstformen entstehenden nebeneinander
gestellt hätte. Ebenso hätte Thoma den Ausdruck „organoid'^ der
nun einmal von Virchow im Gegensatz zu histioid und teratoid eingeführt
und Jahrzehnte lang angewendet worden ist, nicht dem „cellulär" gegen-
über stellen sollen, sondern hätte für seine organoiden Geschwülste besser
einen ganz anderen Namen gewählt.
So erwähnt zwar Ziegler (13) die Virchowsche Nomenklatur,
teilt aber die Geschwülste ebenso wie Rindfleisch (9) nur in zwei
grosse Gruppen: die Bindesubstanzgeschwülste und die epithelialen. Klebs
(3) bedient sich „der von His erdachten Bezeichnungen" und spricht
von Parablastomen, Arcliiblastomen und Teratoblastomen.
Auch Weichselbaum (12) unterscheidet nur Bindesubstanzge-
schwülste und epitheUalo; er nähert sich aber insofern der Birch-
Hirschfeldschen Einteilung, als er in der ersten Gruppe solche mit
vollkommener Gewebsreifung denen mit unvollkommener gegenüberstellt;
die letzteren sind die Sarkome. Schmaus' (10) unterscheidet homologv
und heterologe Geschwülste, und diese decken sich inlialtlich mit Thomas
organoiden und cellulären Tumoren.
Ne eisen (5) erklärt ausdrückUch: „man kann mit Virchow vou
histioiden und organoiden Neubildungen sprechen" und behält auch
diese Einteilung bei; nur scheidet er die Infektionsgeschwülste aus und
bespricht dann in einem Anhang die lymphatischen Geschwülste (Lym-
phom, malignes Lymphom, Leukämie, Lymphosarkom) und das Melanom.
Ohne jegUche Einschränkung beibehalten finde ich die Virchowsche
Einteilung nur bei Langerhans (4). Er rechnet auch die leukämischen
Tumoren, die typhösen, skrofulösen und hyperplastischen Lymphome und
die Tuberkel zu den histioiden Geschwülsten und sein Kompendium ist
das einzige unter den oben verzeichneten Büchern, in welchem man das
Wort „Adenom'' vergeblich sucht. Das Kapitel „Carcinom" ist von Langer-
hans selbst bearbeitet; — er lässt die „zwiebelschalenartig zu Epidermis-
kugeLn angeordneten Zollen des Cholesteatoms, gerade so wie die gleichen
Perlen des Kankroids, heteroplastisch aus Bindegewebe entstehen —
und beim Carcinoma gelatinosum ist „die Gallertmasse als eine Art Schleim-
gewebe aufzufassen, das ziu: Wand der Alveolen, zum Stroma gehört.'*
Das Buch enthält viel Unrichtiges. Doch ich will hier auf Einzelheiten
nicht weiter eingehen.
Die in thunhchster Kürze gegebene Übersicht über die Einteilimg
der Geschwülste lehrt die mannigfachen Abweichungen der Autoren unter-
einander. Die Mehrzahl sucht den seit Virchow 's bahnbrechenden Unter-
suchungen gewonnenen Forschungsresultaten Rechnung zu tragen. Die
Hand- und Lehrbücher der menschlichen Pathologie. 693
Auffassung, dass das Bindegewebe als die gemeinsame Matrix der die
Proliferationsgeschwülste konstituierenden zelligen Elemente anzusehen sei,
erscheint nicht mehr haltbar gegenüber der Erkenntnis, dass jede Zelle,
wean sie einen gewissen Grad ihrer Ausbildung erreicht hat, nur Zellen
ihrer Art produzieren könne, und dass alle Abkömmlinge einer Zelle den
Typus derselben festhalten, sowohl in ihrem Chemismus als in ihren wesent-
lichen morphologischen Eigentümlichkeiten und zwar in dem Masse mehr,
als sie ihrer definitiven Ausbildung nahe kommen. Ein Gewebe also, es
proliferiere zum Zwecke des Wiederersatzes oder autonom (Virchow), liefert
nur Zellen, die ihm nach seiner Zugehörigkeit zu emem bestimmten Keim-
blatte zukommen; es bewahrt seine Spezifizität in allen seinen Descendenten.
Nachdem dies als ein gesetzmässiges Geschehen erkannt worden war, musste
es auch bei der Einteilung der Geschwülste berücksichtigt werden — und
das Bestreben, dies zu thun, ist als ein Ergebnis zu bezeichnen, auch wenn
es bisher noch nicht zu einer allseitig angenommenen Klassifizierung der
Geschwülste geführt hat.
Ein näheres Eingehen auf die Bearbeitung einzelner Abschnitte in
den der speziellen pathologischen Anatomie gewidmeten Lehr-
büchern erscheint mir bei der hier gestellten Aufgabe um so weniger
nötig, als die Forschungsresultate in den besonderen Abschnitten dieses
Werkes Berücksichtigung finden.
Ich bedauere, dass das gross angelegte Lehrbuch von Orth (6) noch
nicht vollendet ist, trotz der Mitarbeiter, die er herangezogen hat, — ich
freue mich aber, dass er den Schatz an Abbildungen, den es birgt, einem
grösseren Kreise dadurch zugänglich gemacht hat, dass er sie in seine
Diagnostik (7) aufgenommen hat. Schon ein flüchtiger Blick in sein Kom-
pendium der Diagnostik vom Jahre 1876 und in den stattlichen Band, den
dessen vorliegende 5. Auflage bildet, lässt die bedeutenden Verbesserungen,
die Ausarbeitung und Vertiefung erkennen, die das Werk erfahren hat und
diese rechtfertigen die Anerkennung, deren es sich bei den Studierenden
erfreut.
In noch höherem Masse, den weiter gesteckten Zielen ihrer Lehr-
bücher entsprechend, gilt das eben Gesagte von den Werken Birch-
Hirschfeld's (1) und Ziegler's (13). Sie gereichen in ihrer gegenwärtigen
Form unserer Fachlitteratur zu hoher Zierde und kommen durch sorg-
fältige Litteraturangaben auch dem Bedürfnis des Fachmanns in trefflicher
Weise entgegen.
Ich bin kein Freund von Kompendien und Grundrissen : sie werden
häufig von jüngeren Gelehrten geschrieben mehr zur eigenen Empfehlung
und Belehrung, als zur Ausfüllung einer fühlbaren Lücke in unserem
Lehrmittelschatz, und dann werden sie meist — wenn auch gegen den
694 Allgem. patbol. Morphologie und Physiologie.
Wunsch ihrer Autoren — nicht neben, sondern anstatt eines ausführlichen
Lehrbuchs vom Studierenden benutzt und bilden wohl gelegentlich die
einzige Quelle seines Wissens.*) Beides findet selbstverständlich auf Birch-
Hirschfelds (2) Grundriss keine Anwendung ; ich brauche dem oben über
dieses Buch Gesagten wohl nichts hinzuzufügen. Aber auch von Schmaus (10)
Grundriss soll es nicht gelten. Das Buch empfiehlt zwar seinen Autor;
aber ich werde es auch gern den Studenten empfehlen, denn es wird,
richtig benutzt, nur Gutes wirken.
Es sei an dieser Stelle noch der Abbildungen gedacht, die schwarz
und farbig, in z. T. verschwenderischer Fülle die meisten der oben ange-
führten Lehrbücher zieren und deren Wert als Unterrichtsmittel um ein
Beträchtliches erhöhen. Alle gebräuchlichen Arten der Vervielfältigung,
wie Holzschnitte, Zinkographie, Lithographie, Photographie, Photographie-
druck u. s. w. finden Verwendung, und es ist in allen sehr Anerkennens-
wertes, stellenweise das überhaupt Erreichbare geleistet.
Ich würde es bedauern, wenn die Zinkographie, wegen des geringeren
Kostenaufwandes, den ihre Herstellung erfordert, den Holzschnitt aus un-
seren Lehrbüchern mehr und mehr verdrängen sollte. Wo beide in dem-
selben Lehrbuch angewendet werden, wie bei Neelsen (5), Thoma (11),
Weichselbaum (12) u. A. ist der Unterschied z. T. sehr auffallend. Bei
grösster Klarheit und Schärfe ist der gute Holzschnitt immer weich; auch
die beste Zinkographie hat etwas Hartes und dabei Verschwommenes.
Trotzdem eignet sie sich für die Darstellung gröberer Objekte oder ein-
facher Schemata; bei der Wiedergabe feiner Strukturbilder sollte sie keine
Verwendung finden. Auf den farbigen Druck und die Photographie
komme ich weiter unten zu sprechen.
Ihrem Inhalt nach können die Abbildungen reine Schemata sein;
wie z. B. die Bollinger sehen in Schmaus (10) Grundriss, welche den
Wirtswechsel der Tänien mit sehr einfachen Mitteln in instruktivster Weise
zur Anschauung bringen ; sie können halbschematische sein, wie solche
von Ziegler (13) in Fig. 10—12, von Thoma (11) in Fig. 225 benutzt
sind, um das Charakteristische des langsam oder beschleunigt fliessenden
Bhitstromes zu veranschaulichen ; — oder sie versuchen das Histologische,
bezw. das mit blossem Auge wahrnehmbare Bild eines Präparates mög-
hchst naturgetreu zu reproduzieren. Die Abbildungen der letzten Art
überwiegen und meist wohl nicht zum Nachteil des Lernenden. Stellen-
weise jedoch könnte das Schema imd die halbschematische Zeichnung
1) Von einer Besprechung der Grundrisse von Fütter er und von Ger des wurde des-
wegen abgesehen, weil sie selbst diesen bescheidenen Anforderungen kaum genflgen.
Hand- und Lehrbücher der menschlichen Pathologie. g95
noch mehr Verwendung finden. Es kommt dem Lehrer häufig nicht so-
wohl darauf an, die Erscheinungsform eines bestimmten Prozesses in einem
konkreten Fall zu demonstrieren, als vielmehr den Prozess als solchen, wie
er jedesmal nach tausendfältiger Erfahrung verschiedenster Beobachter in
seinem Ablauf und seiner Ausbreitung sich darstellt. Die gute schema-
tiscbe Wandtafelzeichnung einer kroupös entzündeten Lungenalveole giebt
dem Schüler ein besseres, weil viel leichter verständUcheres Bild des
fibiinös-zelUgen Exsudats als die natiurgetreueste Abbildung oder die voll-
endete Photographie eines natürlichen Präparats. Man" vergleiche doch
einmal die Bilder, welche die Lehrbücher von der kroupöseu Pneumonie
bringen mit Fig. 2, Taf. VUI im Karg -Schmor Ischen AÜas (14); das
treueste ist das letztgenannte, aber es leistet dem Lernenden nicht mehr
als die übrigen. Freilich kann eine schematische oder halbschematische
Figur auch eine unrichtige Vorstellung von einem Naturobjekt erwecken;
das gut nach meiner Meinung von der Langerhansschen (4) Abbildung
des Penicillium glaucmn, Fig. 1. S. 179. Hier hätte mit der Aufwendung
geringerer Mittel und mit weniger Strichen Besseres gegeben werden
können.
Diejenigen Abbildungen, bei denen neben schwarzem Druck nur
eine oder höchstens zwei Farben benutzt sind — bei Weichselbaum (12)
die Figg. 111, 146 und 185; bei Ziegler (13) die Figg. 76, 90, 193; bei
Birch-Hirschf eld (1) IL Bd. die Figg. 55 und 108 — ziehe ich im allge-
meinen den ganz farbig gedruckten vor, namentlich wenn zur Herstellung
der letzteren im wesenüichen nur eine Farbe benutzt wurde. So könnten
im 2. Teile des Kl ebs sehen (3) Handbuches die Figg. 56 und 63 anstatt
braun bezw. rot, ebenso gut schwarz gedruckt sein. Dasselbe gilt von
einigen seiner lithographischen Tafeln, z. B. Taf. 49. Hier bietet die
Farbe, so weit ich sehe, gar keinen Vorteil. Wie anschauUch und die
Tinktionsfärbimg des Präparates treu wiedergebend einzelne bunte Ab-
bildungen sein können, lehren die Figg. 23 und 340 im 1. Band von
Zieglers Lehrbuch (13).
Der Photographie und den verschiedenen auf ihre Mitwirkung ange-
wiesenen Methoden der Reproduktion wird meist nachgerühmt, dass sie
die Objekte ganz getreu, d. h. unabhängig und befreit von der subjektiven
Auffassung und dem manuellen Geschick des Darstellers, wieder gäben.
Ich glaube nicht, dass dies zutreffend ist und glaube, dass, wenn es zu-
trifft, hierin keineswegs ein so bedeutender Gewinn erblickt werden darf.
Subjektiv bleibt die Wahl des Objekts und subjektiv die Wahl der Ebene
für die Einstellung. Das zweite Moment fällt dann etwas weniger ins
Gewicht, wenn es sich um sehr dünne Mikrotomschnitte oder etwa um
einzelne pflanzliche und tierische Zellen handelt; aber bedeutungslos ist
696 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
es nicht. Die Wahl des Objekts dagegen wird stets die subjektive Auf-
fassung des Sachverständigen zum Ausdruck bringen ; weil eine Abbildung
um so instruktiver ist, je weniger verschiedene Deutungen sie zulässt, so
wird er immer diejenige Stelle im Präparat auswählen, die seine Auffassung
von dem Prozess oder der Veränderung am klarsten zu beweisen scheint,
die er für eindeutig hält. Ich weiss eine ganz naturgetreue Abbildimg
sehr wohl zu schätzen. Wenn es sich darum handelt, etwas Neues, bis
daliin noch von keinem Anderen Beobachtetes zur Anschauung zu bringen,
wie seiner Zeit die Geiselfäden an gewissen Bakterien, die Malaria-Plas-
modien in den Blutkörperchen, oder wenn es gilt, ganz genaue Grössen-
verhältnisse zu bestimmen: da kann die Photographie ein untrügliches
und bequemes Beweismittel für die gemachte Beobachtung werden und
die photographische Vervielfältigung eines solchen Objekts sehr er\vünscht
sein. Derartige Beobachtungen und Abbildungen gehören aber zunächst
in unsere fachwissenschaftlichen Zeitschriften imd Archive; für die Lehr-
bücher sind später, wenn die Beobachtung anerkannt ist, möghchst ein-
fache und korrekte Zeichnungen vollständig ausreichend. Denn die Abbil-
dungen in einem Lehrbuche sollen die Auffassung des Autors vor allem zum
Ausdruck bringen ; sie sollen seinen Worten nicht etwa zum Beweis dienen,
sondern sollen deren Verständnis erleichtern. Die Abbildungen sind um
des Textes willen beigegeben, nicht umgekehrt. Und deshalb genügt, nach
meiner Meinung, ein gutes Schema oder die schematisierte Wiedergabe
eines instruktiven Präparats; eine solche ist frei von dem zufälligen Bei-
werk, das jedem natürüchen Objekt und jeder treuen photographischen
Wiedergabe anhängt und das die Aufmerksamkeit des Lernenden eher ab-
lenkt, als es seinem Verständnis förderlich ist.
Wie verhält sich dies nun bei einem Atlas? Im Atlas ist freilich die
Abbildung die Hauptsache, und der meist kurze Text, so notwendig er auch
zum Verständnis ist, bildet die Beigabe. Insofern es sich aber um die Dar-
stellung von mikroskopischen Strukturbildern auf photographischem Wege
handelt, und der Herausgeber eines solchen Atlas' die Absicht hat, an erster
Stelle ein Lehrmittel zu schaffen, gilt das oben Gesagte auch von seinem
Werke. Die absolute Naturtreue braucht bei sorgfältiger Auswahl der Ob-
jekte nichts Störendes zu haben, sie ist aber nicht erforderiich und erhöht
die Brauchbarkeit des Werkes nicht in dem Masse, als es Mühe und Kosten
verursachte, sie zu erreichen.
Die Naturwahrheit der Abbildungen in dem Atlas der pathologischen
Gewebelehre von Karg und Schmorl (14) ist thatsächUch eine über-
raschende, und wer die dargestellten Objekte kennt, wird in gleicher Weise
der technischen Vollendung der mikroskopischen Präparate, wie ihrer sehr
sorgfältigen Auswahl seine volle Anerkennung nicht versagen. Freilich in
Hand- und Ijehrbttcher der inenachHchen Pathologie. 697
(las Lob eines Recensenten, „dass die Tafeln geeignet seien, die besten
Präparate zu ersetzen", kann ich trotz alledem nicht einstimmen;
wenigstens könnte ich dem Atlas dann keine Verbreitung unter unsem
Studierenden wünschen. In dem Präparat, im Naturobjekt selbst müssen
sie sich zurecht finden lernen, und jede Abbildung, sei sie schlecht oder
vollkommen, hat nur den Zweck, diese Orientierung zu vermitteln oder zu
erleichtem. Trotz der treuen photographischen Wiedergabe der Objekte in
dem vorliegenden Werke, scheinen die Bilder mir teilweise doch recht
schwer verständlich, besonders für den weniger Geübten. Jedenfalls ist
z. B. das auf Taf. VI in Fig. 1 dargestellte Präparat: Hyaline Thromben
in den Glomerulusschlingen bei Eklampsia parturientium im Original be-
deutend klarer und bei Fig. 4 derselben Tafel „Blasser Niereninfarkt''
wünscht man unwillkürlich, auch einmal die stärkere Vergrosserung an-
wenden zu können. Und endlich vermisse ich hier bei solcher Naturwahr-
heit mehr als in einer halbschematischen Zeichnung: die Farbe. Auch die
schönste Photographie eines farbigen Objektes ist immer nur ein Schatten;
Gedächtnis und Einbildungskraft des Beschauers müssen ihr Farbe und
Inhalt geben ; das gilt von der Photographie einer Person ebenso, wie von
der eines mikroskopischen Präparats, das wir in solcher Deutlichkeit nur
farbig zu sehen gewohnt sind. Man wird hofEentlich in diesen Bemerkungen
weder eine ungerechte, thörichte Forderung finden, noch die kleinliche
Bemängelung eines technisch vollendeten und vorzüglich ausgestatteten
Werkes: ich habe mich nur über den Wert der Naturtreue von histologi-
schen Abbildungen,, die dem Lehi7;wecke dienen sollen, ausgesprochen.
In dem Atlas der pathologischen Gewerbelehre von Grawitz (15)
haben die Abbildungen die Bedeutung eines Beweismaterials für die oben
berührten Anschauungen des Autors über die Beteiligung der Bindegewebs-
grundsubstanz an der entzündlichen Zellneubildung; sie sollen die Rück-
bildung dieser Substanz „von dem ^hromatinfreien , fibrillären Zustand in
den färbbaren Kernzustand'* demonstrieren. Bei dieser Absicht des Verf.
ist die Wahl der photographischen Vervielfältigung ganz am Platze. Die
Wahl des Titels scheint mir nicht gerechtfertigt; der Atlas umfasst nur
einen sehr kleinen Teil der pathologischen Geweblehre; er ist eine Mono-
graphie über die Schlummerzellen mit vielen Abbildungen.
Ein bedeutendes, gross angelegtes und prachtvoll ausgestattetes
Lieferungswerk liegt uns in den von Käst und Kumpel (16) heraus-
gegebenen pathologisch-anatomischen Tafeln aus den Hamburger Staats-
krankenhäusern vor. Ich wüsste ausser Cruveilhiers klassischem
Atlas keinen zu nennen, der dem Käst- Kumpel sehen an die Seite zu
stellen wäre. Die bisher erschienenen 12 Lieferungen sind mustergültig
in Wahl und Wiedergabe der Präparate. Sie werden jedem akademischen
698 Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Lehrer als Aushilfsmittel bei etwa eingetretenem Mangel eines frischen
Präparates oder auch neben einem solchen zm* Unterstützung seiner Demon-
stration hoch willkommen sein. Aber — leider! wohl auch nur dem aka-
demischen Lehrer. Denn trotz des ungemein billigen Preises sind doch nur
recht wenige Ärzte und noch weniger Studenten in der Lage, neben einem
Lehrbuche, dessen sie an erster Stelle bedürfen, ein derartiges Werk
sich anzuschaffen. Dozenten, Institute und allenfalls BibUotheken bilden
wenigstens in Deutschland ausschliesslich den Kreis seiner Abnehmer;
das gilt in gleicher Weise wohl für den Karg- Schmorischen Atlas.
Erwähnt sei endlich noch Rieders (17) Atlas der klinischen Mikroskopie
des Blutes. Er ist gleich ausgezeichnet durch die sorgfältige Auswahl der
Präparate, wie durch ihre vortrefiEliche farbige Wiedergabe imd die ge-
samte, sehr geschmackvolle Ausstattung.
LedigUch Anleitung zur Ausführung pathologisch-anatomischer, bezw.
gerichthcher Sektionen und zur Abfassung der Obduktionsprotokolle geben
die technischen Lehrbücher von Virchow (21), Chiari (18) und Xau-
werck (20). Eine willkommene Beigabe bilden Musterprotokolle und bei
Letztgenanntem verdient die eingehende Berücksichtigimg dankend erwähnt
zu werden, die er den gcrichtsärztlichen Vorschriften, Regulativen und
Instruktionen zu teil werden lässt, welche in den verschiedenen deutscheu
Staaten Geltung haben. Ne eisen (19) widmet neben der Sektionstechnik
den pathologisch-histologischen Untersuchungsmethoden (Grundriss 2. Teil)
eingehende Besprechung und nähert sich in dieser Beziehung der Orth-
schen Diagnostik (7), welche an die Anleitung zur Vornahme von Obduk-
tionen, diejenige zur weiteren Untersuchung der gewonnenen Präparate
anschliesst. — Die genannten Werke, mit Ausnahme des von Neelsen,
enthalten gute Abbildungen, von denen hier nur diejenigen hervorgehoben
sein sollen, welche die verschiedenen Handstellungen des Sezierenden oder
die Schnittführung und Schnittrichtung bei der Untersuchung und Eröff-
nung einzelner Organe in sehr instruktiver Weise anschaulich machen.
Besonders reich an solchen Abbildungen sind die Bücher von Chiari (18)
und Nauwerck (20).
IL
Lehrbücher der Tierpathologie.
Von
R. Ostertag, Berlin.
Pathologische Anatomie der Hanstiere.
Die tierärztliche Litteratur ist arm an Lehrbüchern der pathologischen
Anatomie. Zum ersten Male finden wir die pathologische Anatomie der
Haustiere berücksichtigt in dem „Handbuch der pathologischen Anatomie
des Menschen und der Tiere'' von Otto*), sowie in dem gleichnamigen
Lehrbuche*) desselben Autors. Ferner hat Schwab einen Anlauf genom-
men, in seinen „Materialien zur pathologischen Anatomie der Haustiere"^)
Grundsteine zu einer pathologischen Anatomie der Haustiere zusammen-
zutragen. Die erste systematische Bearbeitung erfuhr unsere Disziplin aber
erst durch Gurlt.
Das „Lehrbuch der pathologischen Anatomie der Haussäugetiere'' von
Gurlt*) hat sich s. Zt. ausgezeichnet durch die sorgfältige Sammlung der
in der Litteratur zerstreut liegenden pathologisch -anatomischen Notizen,
femer durch die zusammenfassende Behandlung der bei den Haustieren
vorkommenden Zooparasiten und insbesondere durch die im zweiten Teile
enthaltene Bearbeitung der tierischen Missbildungen. Dieser Teil des Gurlt-
schen Werkes ist auch heute noch von Wert. Eine zweite Auflage erfuhr
das vorzügliche Werk nicht, weil die erste „im Verhältnis zu gross" ge-
macht worden ist. Um sein Buch auf der Höhe zu erhalten, gab Gurlt
im Jahre 1849 „Nachträge zum ersten Teil der pathologischen Anatomie
der Haussäugetiere" heraus.
1) Brealaa 1814.
2) Berlin 1830.
8) München 1815.
4) Berlin 1831.
700 Allgem. paihol. Morphologie und Physiologie.
Ein ähnliches Schicksal erlebten die beiden später erschienenen vete-
rinär-pathologischen Werke, die „Pathologische Anatomie der Haussäuge-
tiere" vonFuchs^) und das „Lehrbuch der pathologischen Zootomie'' von
Bruckmüller*).
Auch diese Bücher, von welchen namentlich das zuletzt genannte
durch die Fülle eigener, vom Verfasser an dem reichen Material des Tierarznei-
Instituts zu Wien gemachten Erfahrungen ausgezeichnet ist, wurden nur
einmal aufgelegt und waren dementsprechend bald veraltet.
In den 70er und 80er Jahren fehlten zeitgemässe tierärztliche Werke
über pathologische Anatomie völlig. Dieser Mangel ist umso verwunder-
licher, als für den Tierarzt die pathologische Anatomie in unmittelbar prak-
tischer Hinsicht eine viel bedeutendere Rolle spielt, als für den Arzt Jeder
Tierarzt, nicht nur der beamtete, sondern auch der praktische Tierarzt,
kommt tagtäglich in die Lage, Sektionen vorzunehmen, um Seuchen fest-
zustellen oder über Währschaftsansprüche bei frisch gekauften Haustiereu
zu entscheiden. Kitt bezeichnet die Sachlage richtig, wenn er in der Vor-
rede zu seiner Diagnostik (s. u.) sagt: Der Tierarzt, welcher so viel und
notwendig anatomisch die Krankheiten der Haustiere zu bestimmen hat,
war gezwungen, sich einerseits die pathologisch-anatomischen Kapitel auf-
zusuchen, andererseits sich an die Werke der Menschenheilkunde zu halten,
welche die gemeinsame Basis abgeben, aber nur sparsam und ausnahms-
weise Notizen über Tierpathologisches enthalten; der Student war vorzugs-
weise auf Kollegienskripten und auf das, was ihm von Demonstrationen
her im Gedächtnis blieb, angewiesen.
Der Mangel eines Lehrbuchs der pathologischen Anatomie der Haus-
tiere wurde dadurch in etwas ausgeglichen, dass die tierärztlichen Werke
über Pathologie und Therapie in die Darstellung der einzelnen Kapitel
genauere Sektionsbefunde einfügten. Besonders erwähnt sei in dieser Hin-
sicht das „Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere"
von Friedberger und Fröhner^). Auch in dem neuerdings erschienenen
„Handbuch der Fleischbeschau'' von Ostertag*) ist die pathologische
Anatomie der sclilachtbaren Haustiere auf Grund der Erfahrungen in den
Schlachthäusern vom diagnostischen Standpunkte aus gewürdigt worden.
Für die Fleischbeschau ist die pathologische Anatomie die wissenschaftliche
Grundlage. Denn die Fleischbeschau ist nach Bollingers zutreffender
Bezeichnung nichts anderes als angewandte pathologische Anatomie.
1) Leipzig 1859.
2) Wien 1869.
3) 3. Aufl. Stuttgart 1892.
4) 2. Aufl. Stuttgart 1895.
LehrbOober der Tierpatbologie. 701
Diese beiläufige Behandlung der pathologischen Anatomie in anderen
Büchern genügt aber dem Bedürfnisse nur als Notbehelf. Aus diesem
Grunde wurde es mit Freuden begrüsst, als Johne in dem „Lehrbuch
der pathologischen Anatomie'' von Birch-Hirschf eld^), die allgemeine
pathologische Anatomie der Haustiere vergleichend bearbeitete. Es wurde
auf diese Weise ein Werk geschaffen, welches zur vergleichenden Forschung
anregt und dem Studierenden der Medizin wie demjenigen der Veterinär-
medizin in gleicher Weise als Lehrbuch dienen kann. Leider hat sich
aber die Mitarbeit John es auf die allgemeine pathologische Anatomie be-
schränkt. Der spezielle Teil des Lehrbuchs von Birch-Hirschfeld ist
— aus Rücksicht auf den Umfang — ohne tierpathologische Beiträge er-
schienen.
Das erste selbständige Werk über pathologische Anatomie der Haus-
tiere seit der Edition des Bruckmüllerschen Lehrbuchs — nach 25jäliriger
Litteraturpause — verdanken wir Kitt. Das „Lehrbuch der pathologisch-
anatomischen Diagnostik für Tierärzte und Studierende der Tiermedizin*' ^)
von Kitt ist „eine zusammenfassende Übersicht der speziellen patholo-
gischen Anatomie der Haustiere für die Lernzwecke des Studierenden und
eine Anleitung für den praktischen Tierarzt zur Bestimmung krankhafter
Organbefunde bei Sektionen." Die wichtigsten Abschnitte der allge-
meinen Veterinär-pathologischen Anatomie hatte Kitt bereits in seiner
„Bakterienkunde und pathologischen Mikroskopie" 2) in ähnUcher Weise
bearbeitet.
Von dem Kittschen Lehrbuche der pathologisch-anatomischen Dia-
gnostik ist der 1. Teil erschienen. Derselbe umfasst folgende Kapitel:
Sektionstechnik bei den verschiedenen Haustieren,
Pathologisch-anatomische Beschreibung,
Missbildungen,
Anomalien der Haut,
„ des Hufes und der Klauen,
„ der Milchdrüse,
„ „ Muskeln,
„ „ Schleimbeutel, Sehnenscheiden und Sehnen,
„ „ Knochen und Gelenke,
„ „ Zähne,
„ . „ Maulschleimhaut, Zunge und Rachenhohle,
„ „ Speicheldrüsen,
1) 4. Aufl. Leipzig 1889.
2) 1. Bd. Stuttgart 1894.
3) Wien 1893.
702
Allgem. pathol. Morphologie und Physiologie.
Anomalien der Luftsäcke des Pferdes,
des Schlundes,
der Vormägen,
des Magens,
der Leber und Gallenwege,
„ Bauchspeicheldrüse.
Kitt hat die einzelnen Kapitel des ersten Bandes auf Grund seiner
reichen Erfahrung und unter elektiver Verwertung der Litteratur über-
sichtlich und für das gesteckte Ziel erschöpfend behandelt. In Bezug auf
Systematik weist das Buch Lücken auf. Es sollte aber nach der aus-
gesprochenen Absicht des Verfassers weniger systematisch, als hinsichtlich
der praktischen Bedürfnisse des Tierarztes vollkommen sein. Zahlreiche
gut ausgeführte Abbildungen pathologisch-anatomischer Veniuderungen bei
Haustieren erhöhen den Wert des schönen Buches.
Autorenregister.
(Die feit^edraekten Ziffern beziehen sich aof die LitteratunrerzeichnisBe.)
A.
Abel, J. 874, 376, 625.
Abel, L. 600, 510.
Abeles 631.
Abesser 494, 495.
Ackermann, Th. 302, 353, 354,
368, 421, 436.
Acri 170.
Adamkiewicz 429, 468, 478,
479, 482, 484, 512.
Aeby 112.
Ahlfeld 690.
Albarran 468.
Albertoni 617.
Alberts 467, 464, 468, 474.
Albrecht, E. 187, 188, 149,
151, 356, 361, 487, 488.
Alba 689, 650, 651.
Aldibert 886, 388.
Alexander 111, 888, 384.
Algen 19, 34.
Aisberg 810, 312, 313, 317.
Alt 35.
Altmann, S. 4, 12, 17, 18, 23,
30, 147, 148, 158, 159, 160,
188, 552.
Alvarez 186, 190.
Andeer 4, 12.
Andral 69.
Angelucci 225, 280.
Antony 810, 317.
Apathy 4, 16.
Appert 77.
Aoyama 420, 436.
Araki 594, 595, 599, 601, 602.
Armandet 451, 468, 474.
Amaud 881, 333, 334.
Amheim 143, 144.
Arnold, J. 64, 78, 89, 102,
116, 128, 129, 130, 131, 135,
225, 242, 244, 262, 268, 265,
266, 267, 284, 308, 316, 331,
361, 864, 366, 421, 426, 428.
Amstein 106.
Aronsohn 669.
d'Arsonval 689, 651, 653, 678.
Aschoff, L. 286, 288.
Askanazy 174, 178, 179, 225,
389.
Astaschewski 689, 643.
Aubert 650.
Auchö 511, 518, 519.
d' Audibert Caille du Bourguet
805.
Auerbach 160.
d'Aulnay 898, 408.
Bab^s 306.
Baginsky 533, 618, 621.
Balfour 564.
Ballance 225, 282, 268, 267,
452, 456, 457, 458, 466, 468,
471, 472, 474, 495.
Balzer 320, 887, 391.
Banti 689, C57.
Bannwarth 225.
Barbacci 842, 348.
Bard 225, 234, 260, 262, 266,
289, 295, 424, 488, 439, 440,
541, 552.
B(u-denheuer 225, 242, 497,
500.
Barfurth 24, 225, 233, 234,
239, 246, 247, 248, 249, 262,
541, 547, 552.
Bariä 689, 657.
Barlow 418, 416, 417.
Bartels 656.
Barth 225, 241, 254, 887, 390.
Bartsch 469, 484.
Basch, S. V. 36, 39, 40, 42,
43, 47, 48, 52, 62, 673.
Battaglia 866, 369, 370, 371.
Bauby 534, 535.
Baumann 634, 685.
Baumgarten 64, 226, 243, 245,
261, 268, 264, 267, 269, 275,
276, 279, 280, 283, 304, 374,
421, 435, 482, 506, 539, 560.
Bayer 842, 347.
Bayha 457, 465.
Beck, C. 187, 151, 152, 153,
155, 156.
V. d. Becke-Callenfels 86.
Becker 898, 412.
Beco, M. 689, 657.
Behring 575.
Beltzow 226.
704
Autorenregiater.
Benario 146, 157, 158, 160.
Benda, C. ^1.
Benecke, F. W. 494, 496, 515.
Benecke, R. 18, 30, 31, 37,
64, 81, 200, 206, ±26, 244,
342, dia, 344. 347, d48, 349,
350, 351. 352, 354, 355, 880,
381, 389, 412, 421, 423, 424,
427, 449, 450, 451, 453, 455,
457, 464, 465, 466, 482, 491,
494, 497, 518, 519, 520, 521,
523, 524, 525, 526, 529.
. Berdez 115, 874, 375, 376,
377.
Berent 220.
.Beresowski 226, 241, 254.
Bergkammer 226.
V. Bergmann 226, 473.
Bergonzini 19, 23, 32, 182,
203.
Berliner 805, 306, 307.
Bernard, Cl 606, 607, 635, 671.
B^rnauer 128, 133.
Berthenson 822, 324.
Bertelsmann 245.
Bessel-Hagen 392.
Bidault 457, 465, 538.
Biedermann 399, 446.
Biemer 117.
Billroth 226, 244, 472, 499, 665.
Binet 689, 650.
Binz 64, 77.
Biondi 19, 20, 22, 23, 27, 29,
32, 182, 266, 278.
Birch-Hirschfeld 18, 27, 107,
185, 200, 212,214,215,210,
221, 224, 226, 284, 290, 292,
293, 295, 299, 888, 341. 381,
382, 887, 3b8, 389, 390, 391,
392, 421, 436, 688, 685, 686,
689, 691, 692,693, 694,095,
701.
Bizozzero 226, 288, 236, 237,
240, 259, 200, 368, 372.
Blanc 689, 649.
Blaschko 810, 316, 317, 318.
Bleibtreu, M. u. L. 691, 627,
633, 675.
Blum, F. 4, 9.
Blum, J. 4, 9, 10.
Blumberg 527, 532, 533.
Bockendahl 226, 239.
Bödecker 034, 685.
Böhmer 23.
Börner, P. 601, 505.
Böttcher 333.
Boice 468.
Boinct 688, 689, 650.
Bollinger 48, 50, 68, 401, 405,
694, 700.
Bonde 461, 453, 456.
Bonnet, R. 225.
Bonnet, Frz. 457, 466.
Bonome 128, 134, 135, 226,
251.
Bonorden 898, 412.
Borchard 887, 388.
Borchers 451, 453, 467, 461,
501, 503.
Bomaud 888, 341.
Bordet 65, 78.
Born 4, 10, 541, 546, 547, 548,
551, 552.
Bomemann 898, 409, 410.
Borrel 264, 276,279,468,481.
Borrisow 264, 267.
Bosc 640, 643.
Boström 105, 106.
Bouchard 95, 576, 578, 579,
629, 689, 642, 643, 648, 649,
651, 664. 669, 672.
BoQchardat 613, 617.
Boveri 165, 546.
Brandl 374, 376.
Braem 541.
Braithwaite 519, 523.
Brault 359.
Braun 367, 368, 371, 457, 460.
Braunschweig 867, 369.
Bret 502, 504.
Breus 881, 335.
Brieger 650.
Bright 575, 642, 656.
Brigidi 805, 309.
Brown 87, 887, 393, 471.
Brown-Söquard 635, 689, 651,
652, 653.
BruckmüUer 700, 701.
Bruner 374.
V. Brunn 108, 288.
Bruns 805, 307, 308, 309, 310,
450.
Bruylants 688.
Bubnoff 77.
Buchanan 215, 221.
Bücher 449, 945.
Buchholz 888, 339.
Bachner 64, 78, 79. 6W, GC7.
Bucquoy 810, 317.
V. Bünau 810, 319.
V. BQngner 228, 251.
BQtschli 176, 408, 486.
Büttner 801, 332.
Bunge 64, 584.
Burchardt 18, 28, 468, V.u,
488.
Burmeister, Th. 137, 148, Ij\K
189, 203.
Busachi 226, 245.
Busse 4, 16, 394.
Butlin 451, 455, 456, 457.
Butterkirch 529.
Cahen 467, 466.
I Camerer 683.
I Campell, A. W. 118.
) Carbone 106, 109.
Cario 514.
Carmalt 429.
Carter 867. 369, 370, 371.
Caspary 418, 417, 419.
Castellino 511, 517.
Cattani 64.
Cattle 468.
Cavallero 676, 677.
Cavazzani 187, 152, 154, 639.
642.
Cazin 887, 394, 469. 4dl.
Celli 106.
Centanni 664, 067.
Ceresoie 612.
Chabry 641, 546, 547, 55u,
551.
Chambrelent 610, 641. 640.
Charcot 95.
Charles 267.
Charram 533.
Charrin 224, 664, 665, 069,
672, 673.
Chauffard 320.
Chauveau 673.
Chenantais 421, 437.
Chetchovski 888, 386.
Chevalier 99, 688.
Autorenregister.
705
Chiari 4, 7, 13. 291. 828, 411,
431, 437, 688, 698.
Chocbamoyicz 457, 460.
Choappe
Christ 296, 240.
Chriatiani 226. 254^
Chan 541, 546, 547, 551.
Cbvostek 511, 513, 588, 587,
588. 602.
Ciaglinsky 4, 14, 19, 35.
Ciaessen 469.
Clarke 887, 393, 476.
Clement 421, 433, 458, 467,
527, 537, 539.
Coats 469, 481.
CoSn 226, 251.
Cohn, F. 451, 453, 498.
Cohn 887, 390.
Cohnheim 64, 69, 77. 81, 96,
97, 135, 136, 158. 220, 226,
265, 296, 299, 300, 308, 328,
388, 420, 449, 450, 689, 646.
Cofanstein 599.
CondoreUi 140, 200, 224.
Courdoux 689.
Coarmont 664.
Coranda 588.
Cordua 200, 215, 221, 421, 435.
Cornil 186, 190, 284, 421, 426,
428, 432, 469, 473, 481.
Cozzolino 458, 464.
Cremer 608.
Crone 458, 466.
Crooke 488, 441.
Cruveilhier 98, 697.
Czapek 822, 324.
Czermak
Czemy 166, 168, 169, 177. 178,
179, 200, 214, 220, 223, 224.
Dache 64.
Dardufi 226, 259.
Dareste 541, 545, 550.
Darier 484.
Dartigolles 810, 317.
Darwin 690.
Dehio 55, 60, 61, 68, 511.
Dekhuyzen 150, 226, 242.
Delafield 25.
D^Iepine, Sheridan 469, 481.
Demme 503.
Deneke 421.
Denny 639, 649.
Le Dentu 536.
Derbe 226.
Desnos 810, 317.
Dittrich 106, 451, 453, 454, 456.
Djatacbenko 226, 253.
Doederlein 887, 388, 389.
Dolore 535.
V. Dombrowski 825, 327.
Donath 664.
Dor 810, 315.
Doran 887.
Dontrelepont 458, 464.
Drechsel 625.
Dressler 115.
Drews 226.
Dreyfuss 413, 415, 416.
Driesch 227, 234, 239, 541,
546, 550, 551, 552, 565.
Driessen 166, 173, 174, 178,
867, 370, 389.
Drouin 591, 622.
Dnbler 65.
Duckworth 688.
Dnclert 65.
Danin 689, 657.
Dunschmann 421, 433.
Duplay 887, 394.
Durand 501, 503, 451, 456,
458, 461.
Dürr 421, 423.
Dutrochet 77.
Duval 240.
Earling 463.
Eberth 65, 78, 81, 118, 121,
141. 212, 222, 227, 242, 243,
268, 267, 268, 469, 489.
Ebstein 888, 385, 627, 629, 630,
632, 688.
Eck 622, 624.
Eckardt, C. 867, 509, 510.
Eckardt, P. 541, 550.
Edelberg 664.
Edinger 7.
Ebrendorfer 497, 498
Ehrlich, P. 18, 19, 20, 24, 31,
32, 90, 166, 167, 168, 169,
170. 174, 175, 179. 182, 268,
277. 517, 631.
I'abarsch-Ostertag, Ergebnisse Abteil, n.
Ehrlich, W. 488, 441.
Ehnnann 112, 811, 315.
Einhorn 511, 517.
Eichhorst 485.
Eisenhart 451, 453.
Eisenlobr 888, 341.
y. Eiseisberg 227, 254, 293,
887, 394, 418, 420, 421, 424,
687.
Eiselt 115.
Eisenreiter 842.
Eliscber 509, 510.
Elscbnig 4.
Embden 685.
Enimery 558, 559.
Enderlen 227, 244.
Endres 542, 547, 550.
V. Engel 617.
Engelmann 58, 65, 78.
Engaet 118, 121.
Ephraim 617.
Eppinger 291, 419.
Erbkammer 227.
Erichsen 496.
Ernst, P. 18, 20, 24, 26, 65,
200, 202, 203, 206, 209, 867,
371.
Eschle 187, 142.
Eschweiler 451, 453.
V. Esmarch 887, 393, 452, 456,
458, 464, 465, 495.
d'Espine 689, 648.
Etart 603.
Ewald, C. A. 511, 640, 651.
Ewetzky 218.
Eylandt 587.
F.
Fahre 534.
Faisans 99.
Falk 23, 206, 210, 264, 275.
Favre 159.
Felix 227, 250.
Feltz 640, 643, 644, 648.
Ferö 689, 649.
Ferrari 470.
Ferr^ol 610, 642.
Feurer 418, 420, 507.
Feulard 811, 320, 321.
Fiedler 542, 546, 547.
Field 4, 15.
Fiessinger 469, 474, 496.
45
7()6
Autorenregister.
Fink 348.
Finkler 671.
Fi8chei:4e9.
Fischer, A. 425.
Fischer 227, 640, 657.
Flaischlen 199, 372, 421, 436.
V. Fleische! 516.
Fleischer «40, 642, 646, 654.
Flemming 12, 18, 29, 32, 145,
162, 164,;;227, 236. 240, 242,
245, 314, 320, 358, 488.
Floyd 110.
Foa 409, 476, 477, 483, 487.
Foerster 584.
Formanek 688.
Forster, L. 227, 250.
Le Fort^627, 532.
Fox 180, 181.
Fraenkel, A. 80, 264, 275, 867,
372,? 374, 610.
Fraenkel, B. 407, 498.
Fraenkel-Breslaa, £. 600, 510.
Fraenkel £. 286, 288.
Fraisse 227.
Francotte.888, 339, 511, 518.
Fran^ois Frank 677.
Franke 867, 369, 411, 472, 407,
627, 533, 472.
Frankenhäuser 485.
y. Franquö 227.
Freire 472, 512.
Frenzel 227. I
Freudberg 688, 601. I
Freund, E.611, 515, 516, 630, j
688. I
Freund, H. 602, 506. '
V. Frey 107. '
Frericha 219, 222, 615, 617,
640, 642, 644.
Frick 887, 390, 453, 456, 462,
602, 503.
Friedberger 700. |
V. Friedländer 468, 461, 527, j
536. '
Friedländer, K. 435, 442, 468, '
462. '
Friedmann 147, 155, 156, 227.
Friedreich 194, 450.
Fröhner 700.
Frohmann 602, 507, 509. '
V. FroBchauer 421, 426.
Fuchs 700.
Fürbriuger 218, 222.
Farstner 7.
Fütterer 694.
G.
Gabritschewsky 66, 78, 166,
167, 168, 174, 179.
Gaethgens 688.
Gärtig 611, 513, 515, 622.
Galeotti 18, 27, 187, 161, 163,
164, 227, 229, 249.
Galloway 469, 476.
Garoia 227, 239.
Garel 898, 409.
Garnier 686.
Garr^ 227, 253, 286, 287, 806,
308, 309, 310. 341, 627, 532,
533.
Garrod 631, 632.
Gaskell 58.
Gaspard 665.
Gaule 32, 145.
Gautier 577, 603, 688.
Gebhard 488, 442.
Geigel 640, 646, 669, 674.
Geissler 488, 443, 469, 484.
Genzmer 669.
Geppert 621.
Gerdes 694.
Gerhardt 62, 68, 612, 618,621.
Gerlach, L. 642, 545, 551.
Geuther 612.
van Gieson 18, 20, 24, 26, 182,
202, 203.
Giles 468.
Giovanni 227, 239.
Girodes 880. 331.
Glax 678.
Gläser 412.
Gley 687.
Gluck 254.
Goebel 98, 103, 104, 105.
Goldberger 251.
Goldenberg 227.
Goldflam 640, 951.
Goldmann 144, 180, 182, 183,
185, 227, 245, 253, 266, 284,
806, 308, 309, 309. 888, 341.
Goldscheider 664.
Golgi 10, 32, 86, 106, 367.
GottUeb 669, 675.
Gottsacker 342.
Gottschalk 881, 332, 333, 334,
335, 337, 338.
Graf 462, 456, 469. 474.
Gram 26, 182.
Grangolphe 664.
V. Graser 227, 242.
Grawitz, £. 611, 516.
Grawitz, P. 4, 8, 66, 81, 140.
206, 216, 217, 227, 228, 242,
243, 244, 249, 262, dB4, 2&o.
313, 323, 389, 432,688, r/«',
697.
Green 874, 379.
Griffini 228, 288, 240.
Griffith 828, 329, 610, 650.
Grosch 811, 313, 314, 315. 528.
Gross 494, 531.
Grflnwald 488, 442.
Grunert 633.
GueiUot 462, 469, 474, 535.
Gnörin 650.
GuUand 17, 228.
Gumlich 688, 640, 643.
Gunning 605.
Gurlt 699.
Gussenbauer 114, ü», 450.
Gutermann 669.
Guttmann, P. 342, 346.
H.
Haab 404.
I üaasler 228.
Habermann 533.
! Haeberlin 384, 453, 454, 455,
456, 496, 611, 516.
Häckel, £. 440, 552.
Uäckei, H. 811, 316.
Hacker 187. 165, 565.
Haferkom 811, 317, 318.
Hahn, K. 473.
Hahn, M. 622.
Haig 628, 688.
Halban 228, 250.
Haie 669.
HaUervorden688, 699, 612. 617.
Hallopeau 811, 317, 320, 321.
' Hamburger 874, 376, 377.
Hammer 888, 384, 385.
Hammerschlag 637, 664, 675.
Hampeln 68.
Hanau 200, 208, 266, 283, 289.
300, 302, 826, 326, 880, 331,
352, 391, 394, 416, 421, 423,
, 431, 488, 449 468, 4G3, 469,
473, 609, 519, 520, 521, b2?u
Autorenregister.
707
Hanns 188, 252.
Hansemann 165, 106, 132, 135,
165, aOO, 212, 217, 218, 222,
228, 234, 235, 237, 240, 242,
245, 255, 260, 261, 262, 289,
292. 294, 295, 303, 848, 349,
350, 351, 352; 356, 360, 361,
980, 381, 390, 898, 401, 421,
423, 426, 427, 429, 431, 432,
488, 439, 440, 448, 469, 506,
SM, 519, 520, 521, 526, 642,
552, 556, 563, 565, 506, 567,
568, 571.
HanseD, 228, 244.
Harris 876, 377, 378.
Hasse 116.
Haag 4, 12, 842, 346.
Häuser 66, 101, 276, 882, 335,
336, 337, 887, 390, 421, 423,
425, 427, 430, 431, 432, 438,
441, 444, 445, 446, 448, 449,
450, 468, 461, 462, 469, 482,
494, 495, 496, 497, 500, 501,
602, 503, 504, 506, 509, 619,
520, 521, 522, 524, 525, 526.
Haassmann 415.
Hayem 98. 384.
Heidemann, £. 264.
Heidemann, W. 264, 268,421,
431, 432, 433, 449.
Heidenhain, L. 602, 508.
Heidenhain, M. 6. 17, 18, 29,
65, 88, 162, 163, 182, 351.
Heidenhain, R. 669, 671, 673.
Heitzmann 81.
Helferich 601, 505.
Hendley 496.
Henle 167, 170, 660.
Hennig 874, 380.
Henningsen 811, 316, 317, 318.
Herbert 552, 558.
Herczel 305, 308, 309.
V Herff 640, 647.
Hermann 4, 9, 10, 14, 32,
160, 162,
Hartwig, 0. 228, 234, 235, 255.
521, 522, 542, 546, 549, 550,
551, 552, 554, 555, 557, 558,
559, 561, 662, 563, 565, 567,
568, 569, 571, 690.
Uertwig, R. 542, 546.
Herxheimer 22, 31.
Herz, M. 669, 662, 663, 678,
680, 681.
Hess 882, 333, 335.
Heahner 60, 61, 62, 68.
y. Heakelomm 849, 352, 355,
357, 360, 361, 488, 441, 468,
464.
Heoss 699.
Heydemann 280.
Heymann 328.
Hüdebrand 174, 228, 842, 346,
390, 452, 453, 664.
Hindenlang 102.
Hinterstoisser 452, 453, 455.
Hintze 93, 104, 105.
V. Hippel 867, 368, 602, 507.
Hirsohberg 109, 228, 537.
Hirschfeld 613, 617, 688, 654.
His, W. 294, 642, 556, 690, 692.
His Jan. 58, 68.
Hitzig 418, 416.
Hjelmann 200, 215, 2|6.
Hläva 469, 640, 657.
Hoohhaas 62, 68, 888, 339.
Hodge 187, 149, 150, 152.
Hodgkin 215.
Hoffmann, A. 688.
Hoffmann, E. 551.
Hoffmann, J. 888, 340, 441,
468, 463.
Hoffmann, K. B. 640, 643.
Hofmann, F. 187, 153.
Hofmann 688.
Hofineister 625.
Holschewnikoff 200, 206.
Holz 89.
I Honigmann 573.
I Hoppe 640, 643.
Hoppe-Seyler 511, 514, 593,
595, 699, 618, 621.
Horbaczewski 514, 626, 627,
628, 631, 688, 640, 643,
664.
Horsley 636, 687.
Hoyer 18, 23, 28.
Habner 515.
Hüter 80.
Hufschmied 418, 417, 418.
Hugouneng 615.
Hulke 537.
Huppert 634, 686.
Hutchinson 811, 322, 458,
4G2.
I.
Ikeda, S. 17.
Irisawa 595, 699.
Israel, J. 887, 388.
Israel, 0. 66, 187, 139, 142,
143, 147, 148, 159, 209, 232,
398, 400, 401, 403, 489, 441,
447, 449, 474.
Izqnierdo 393.
J.
Jacobson 611.
Jacobsohn 640, 651.
Jacquet 590, 691.
Jadassohn 264, 276, 277, 279.
882, 333. 334, 335, 433.
Jaennicke 617.
Jahn 888, 386.
V. Jaksch 611, 513, 516, 517,
574, 675, 691,699,601, 612,
613, 615, 617, 618,621,622,
631, 688, 640, 655.
Janowski 66.
Jarisch 112, 113.
Jaworski 462, 453.
Jeanseime 811, 317.
Jenker 188.
Johne 701.
Johnston 811, 321.
Joes 115.
Jordan 805, 308, 309, 310.
Joes 98.
Jürgens 806, 307, 822, 324,
393.
Juffinger 266, 281, 617, 621.
Jungengel 228, 253.
Jurka 489, 441.
K.
Kahane 469, 479, 484, 485, 486,
517.
V. Kahlden 18, 24, 26. 98, 110,
111, 117, 203,228,240,251,
j 252, 286, 288, 887, 395, 418,
I 418.
{ Kahler 618.
Kaiser 19, 33.
I Kaltenbach 494, 496.
Kalustow 391.
! Kamocki 200, 202.
45*
rog
Autorenregister.
Kantorowicz 18, 26, 28. 502,
504.
Kaposi 110, 111, 347, 400.
Karewski 828.
Karg 112, 113, 228, 253, 254,
421, 429, 409,481, 491,688,
695, 696, 698.
Käst 825, 326, 888, 385, 697.
Kaufinann 65, 534.
Kaulich 603, 612, 621.
Kazowski 188, 152, 154, 156.
Kelsch 106.
Keresztszeghy 188, 156, 157,
228, 252.
Keroer 77.
Kickhefel 822, 323.
Kiener 65.
Kinscherf 469, 484.
Kirby 228. 246. 248, 249.
Kirk 685.
Kitt 700. 701, 702.
Klaussner 542.
Klelm, E. 94, 128, 135, 139,
140, 141. 143, 144, 151, 166,
178, 180, 193, 195, 196, 197,
198, 200, 202, 206, 207, 208,
210, 219, 220, 222, 228, 289,
290, 291, 293, 294, 297, 298,
299, 306, 310, 811, 314, 849,
350, 352, 353, 355, 357, 359,
360, 362, 366, 867, 368, 370,
880, 381, 399, 401, 418. 417,
421, 429, 430, 437, 489, 441,
450, 452, 456, 469, 474, 485,
497, 517, 519, 526, 682, 684,
685, 686, 688, 689, 692.
Klebs, G. 196.
Klemensiewicz 65, 228, 242,
268, 267, 268.
Klemperer 511, 512, 513, 514,
516, 622.
Klien 180, 182, 183, 184. 185,
186, 187, 188, 189, 190, 191.
Klingel 418, 417.
Kloster 228.
Knaak 289, 293, 296, 297.
Knauff 116.
Knauss 811, 319, 320, 321.
Kobert 128, 130, 574, 575, 640,
643.
Kobler 511, 519.
Kocher 171, 458, 463.
Kockel 118, 122,
y. Köllikcr 58, 68, 112, 250.
Köster 5, 6, 212, 822, 323, 373,
435, 489.
Köttnitz 811, 317, 527. 528,
529.
V. Kogerer 97, 98
Kolaczek 367.
Kolisko 331, 887, 390.
Kollmann 542, 546, 549, 550.
Kopfstein 484.
Kornblum 654.
Korotneff 469. 478, 490, 491.
Koscynski 452, 453.
Kossei A. 18,21, 65,493,603.
Kossinsky 469.
Kostenitsch 276, 279.
Kostjurin 200, 213.
Kottlar 118.
Koubasoff 472.
Krafft 228, 245.
Kraske 228, 246.
Kraus 143, 144, 145.
Kraus F. 511, 513. 579, 578,
591, 617, 622, 669, 676.
Krawkow 224.
Krehl 48, 49, 50, 53, 54, 55.
56, 58, 68, 519, 664, 666,
667, 668.
Kretschky 97.
Kretz 291, 418, 415, 419.
Kriege 200, 206, 207, 310.
Kriscfae 128, 135.
Krösing 229, 244, 249.
Kromayer 18, 30, 113, 898,
400, 401, 405.
Kronachei- 65, 80.
Kronthal 888, 339.
Kruckenberg 449, 450.
Krückmann 4, 9, 10, 218, 220,
265, 283, 284, 864, 365, 421,
433, 467.
Krüdner 200, 216, 221.
Krüger 628, 688.
Kruse, A. 264, 268, 842, 348,
898, 412.
Kruse 640, 644.
Krynski 65.
Krysinski 4, 842, 346, 347.
Kühn 449. 450.
Külz 117, 166, 603, 613, 614.
Künne 811, 318.
Kürsteiner 898, 410, 411, 418,
418, 420, 470, 481, 488.
Kulenkampf 109.
Knltschitzky 4, 15, 19, 33. 34.
Kummer 534.
Kunze 882, 333, 334.
Kurloff 470, 478, 490.
Kurz 588.
Kyrieleis 310.
Labougle 532, 533.
Lacroix 888, 341.
La6nnec 116.
Lahmann 310.
Laker 511, 515.
Lanceranz 99.
Landau 509, 510.
Landemann 898. 409.
Landerer 470, 473.
Landois 610, 643. 644, 646.
647, 648, 656.
Landsteiner 583.
Landwehr 177, 376.
Lang 458, 464, 538.
Lange 898. 409.
Langendorff 58, 68.
Langer 811, 314, 315, 317.
Langerhans 688, 689,692,695.
Langhans 18, 24, 27, 101, 102.
114, 166, 167, 168,169,171,
172, 173, 174, 175, 178, 181.
193, 194, 208, 209, 283, 284.
375, 377. 379, 418, 415. 420.
436, 481, 507.
Lanz 374, 380.
Lassar 588.
Laudenheimer 511, 515.
Laulannniä 610, 649.
Lautenbach 89.
Laver an 106.
Lavoisier 678.
Lebedeff 542.
Lebensbaum 502, 508.
Leber 65, 78, 79, 83. 106, 216,
Ledere 418. 420.
Ledderhose 286, 287.
Legal 605.
Legrain 805.
Lehmann 875.
Leichtenstern 452, 456. oll.
516.
Lehzen 811, 319, 320, 321.
Lemiäre 65.
Aaio reo regia ter.
709
Leloir 111.
Lemke 523.
V. Lenboss^k 19, 35, 36.
Leopold 135, 229, 240, 299.
Lepine 502, 504,615,617,640,
648. 650, 651, 664.
Lerch 612.
LerebouUet 542, 544, 550.
Lesser 216.
V Lesser 842, 848, 346, 347.
Letulle 65.
Leutert 18, 28.
Lenzinger 502, 505.
Leven 229, 248.
Levin, A. 65.
Levison 688.
Levy 65, 227. 229, 249.
Lewin 98.
Lie 265, 281.
Liebe 458, 462, 463.
Lieben 605.
Lieberkühn 237, 240, 284.
Liebermann 640, 653.
Liebermeister 659, 671.
V. Liebig 588.
Lieblein 630, 688.
Liebmann 880, 382.
Lilienfeld 18, 21, 493.
V. Limbeck 65, 888, 384. 511,
516. 517, 518, 591,640,644,
653, 655, 656.
Lister 80.
Litten 142, 153, 200, 219, 220,
222, 618, 621,
Loeb, A. 458, 466.
Loeb, J. 542, 545.
Loehlein 494, 496.
Löwenthal 162, 887. 392, 458,
459, 528, 529, 530, 531, 532.
Löwit 19, 32, 65, 632, 687.
Löwy. A. 591, 669, 676.
Loos 65.
Lorenz 618, 621.
Lothrop 229. 242.
Lovän 65, 36.
Lubarsch 3, 18, 23, 98, 104,
105, 111, 118, 124, 125, 128,
131, 148, 166, 173, 180, 182,
183. 200, 201, 212, 257, 264,
275, 283. 286, 288, 289, 291,
849, 867, 369, 370, 372, 880,
.381, 389, 390 392. 418. 416,
421, 423, 424, 435, 436, 489,
441, 444, 445, 452, 453, 458,
466, 497, 500, 502, 506, 522,
537, 538. 657.
Ludwig 213, 631.
Lücke 848, 344, 421, 437.
Lücken 867.
Lfideking 229, 678.
Luff 640, 650.
Lukjanow 146, 158, 160.
Lunin 584.
Lustig 605, 606.
Lys 118.
I Maas U. 136.
I Maass 103, 108.
Maassen 622.
I Macallum 898, 401, 408.
I Madelung 811, 314, 315, 391.
I Mafucci 472.
I Mairet 640, 643.
I Maksutoff 265, 280.
iMalassez 411, 412, 418, 450.
Malkolm 887, 388.
Malherbe 422, 437.
Mall 65, 88.
Mallory 19, 35, 36, 339.
Malvoz 64.
Maly 591.
Manasse 98, 108, 201, 206,
207, 208, 265, 283, 284.
Manchot 31, 98, 99.
Mandelstamm 216.
Mandry 496.
Mangeri 200, 224.
Mann 654.
Manz 864, 366.
Manzini 641, 652.
Maragliano 511,517,669,
674.
Marc 98, 111.
Marchand 118, 122, 123,
171, 199, 229, 242, 243.
264. 266, 268, 283, 284,
324, 325, 331, 867, 369,
372, 422, 436, 458, 460,
Marchiafava 106.
Mares 633
Marey 671, 673.
Marchi 19, 34.
Markownikow 605.
Markwald 286, 848, 344, 411.
673,
167,
,370.
.542.
Marotte 598.
V. Marschalko 264, 276, 277,
278, 279, 281, 362, 363, 422,
433.
Marschall, J. 422. 422, 489,
440, 452, 458, 466, 519, 523,
524.
Martens 887, 392, 528, 536,
537.
Martin 4, 15.
Martinotti 229, 242.
Martius 88, 59, 62. 68.
Massart 65. 66, 78.
Masselin 188, 152, 157.
Massin 898, 412.
Matrai 511, 516.
Matthes 229, 240, 664.
Matteucci 678.
Maurel 452, 453.
May 181, 182, 183, 187, 188,
189, 676, 677.
Mayer. P. 5, 17, 25, 26.
Mayer, S. 163, 229, 249.
Mays 109.
Mayzel 229, 238.
Meckel 106.
Meibom 242.
Meier, J. 229.
V. Meister 229, 241.
Meltzer 504.
M^nötrier 519, 523.
V. Mering 606, 608.
Merkel, Fr. 20, 225, 229, 233,
524.
Merkel 116.
Meslay 118.
Metschnikoff 66. 67, 268, 265,
266,. 267, 280, 284, 470. 476.
Meyer, C. 66. 265, 283, 284.
Meyer, £. 640, 652.
Meyer, H. 591.
Meyer, P. 96.
Meyer 229, 244.
Meynert 6.
MibeUi 31.
Middeldorpf 392, 418, 420.
Mikulicz 281.
Mingazzini 898, 404, 405.
Minkowski 107, 166, 170. 596,
597, 598, 699, 604. 608. 609,
613, 614, 615, 617, 621, 626.
Miqu(^l 587.
Mischaikoff 828, 329.
710
Auturenregister.
Miara 888, 339, 340. 864, 366.
Moebius 229, 688.
Moeli 7.
Moericke 229, 240.
MSrner 115, 876, 376.
Mohr 826, 327.
Monod 811, 313, 317.
Morgan 512, 546.
Morpargo 259.
Moscaielli 699.
Mosen 669.
Moses 895, 309.
Mosso, U. 689, 671, 673.
V. Mosetig 664.
M&Uer, Fr. 511, 513, 514, 515,
517, 625, 626, 688.
Müller, H. F. 19, 32, 33, 34,
35, 229, 242.
MfiUer, J. 660.
Moller, K. 66.
Müller, M. 128, 135.
Müller, V. 849, 359, 361, 421,
428, 470.
Müller, P. 811, 315« 619, 654.
MüDser 19, 34, 599, 617.
Munk, J. 688.
Murri 659, 670.
Morset 140.
Moirhead 626.
Muscatello 343.
Muskatblüth 229.
Musser 458, 460.
N.
Nägeli 552, 557, 567,
Nakel 828.
Nassari 470.
Naunyn 107, 576, 612, 614,
659.
Nauwerck 229, 246, 247, 248.
249, 418, 417, 418,688,692.
Nebelthau 678.
Neelsen 225, 229, 280, 238,
867, 372, 373, 374, 682, 688,
687, 689, 692, 694, 698.
Neese 280, 238.
Neisser 80, 279, 898, 400,
401, 402, 403, 404, 405, 406,
407, 408, 470, 481.
V. Nencki 115, 874, 375, 376,
377, -576, 622, 626, 634.
Nerlich 151, 153.
Nengebaner 422, 436.
Neumann, E. 66, 67, 90, 91,
101, 102, 104, 106, 108, 135,
171, 280, 242, 246, 247, 420.
Neusser 631, 032, 688.
Newport 542, 544.
Niehus 181. 182, 183, 184, 185,
187, 190.
Nielsen 468, 465.
Nikikoroff 19, 32, 66, 152, 280,
242, 268.
Nissl 19. 35, 36, 149, 152,
155, 156.
Nithak 468, 465.
le Nobel 605, 617.
Nöggerath 470, 481.
y. Noorden, C. 511, 513, 514,
515, 516, 517,591,617,626,
632, 688, 640, 654, 676.
V. Noorden, W. 422, 437.
Nothnagel 112, 280, 242, 256.
257, 620.
Notthaft 280, 252.
Nussbanm 280, 542, 548, 564.
O.
Obolonsky 160.
Obrzat 201, 222, 409.
Ochotine 66, 85, 280.
Oddi 606.
Oellacber 542, 544, 546, 550.
Ogata 145.
Ogden 685.
V. Oblen 867, 370.
Ohlmacher 470.
Ohloff 489, 442.
Obren 452, 453, 455, 456.
üllivier 97.
Olshausen 506.
Opencbowski 189.
Oppenheim 511, 512, 514, 519.
Oppenbeimer 875, 379.
Oppler 640, 643.
Oroni 598.
Orth 135, 201, 212, 213, 280,
245, 822, 323, 325, 372, 382,
437, 682, 693, 698.
Ortner 264, 275.
Osterspey 512, 517, 518.
Ostertag 699, 700.
Ott 669.
, Otto 699.
Paget 452, 455, 456, 472, 484,
494,
Päl 19, 33, 34, 683.
Paladino 162.
Paltauf 264, 867, 369.
Pandi 188, 147, 155.
Pannel 452, 455, 456.
Panse 533.
Panom 542, 545.
de Paoli 66, 85, 174,201,215,
867, 370.
Partech 4 13.
Paschkin 688.
Passarge 280, 244.
Paulsen 280.
Pawinski, 617, 621.
Pawlow 280, 622, 625.
Pawlowsky 190, 264, 265, 276,
280, 281, 282, 887, 393, 470,
492.
Pearson 116.
Pecirka 898, 410.
Pecqueur 151.
P^e 512. 518.
Peiper 599, 605, 606,640,655
Peipers 280, 241.
Pel 888, 385.
Penzo 280, 259.
Peremeschko 242.
Perls 101, 109, 377, 443, 682.
Perry 118.
Peters 280, 238.
Petersen 898, 401, 406, 407.
Petrone 8, 6, 280, 242.
Pettors 575, 576, 603, 612, 616.
621.
Pfalzgraf 502, 505.
Pfannenstiel 302, 303, 372,
422, 436, 494, 495, 497, 4!)6,
499, 502, 506, 508.
Pfeffer 66, 78.
Pfeiffer, E. 629, 632, 633.
Pfeiffer, L. 288, 404,405,422,
429, 470, 474, 478, 479, 4ö2,
484, 509, 510, 512.
Pfeiffer 874, 376.
Pfeiffer, Tb. 675, 678, 681.
Pfitzner 143, 162, 164, 280,
282, 245, 355, 356, 486, 487.
Pflfiger 91, 548, 545, 546, 548,
552, 627.
Atttorenregister.
711
Philippson 265, 280.
Pic 502, 504.
Pick, R. 188, 148, 889, 404, 625.
Pick, L. 201, 887, 388, 396.
Pick 8, 7.
Piering 489, 442.
PiUiet 188, 149, 280, 888, 342,
399, 410, 470, 512.
Pisenti 170, 286, 288.
Pitres 7.
Plettner 314.
Plimmer 470, 477, 483.
Pluschkoff 113.
Podroazek 494, 495.
Podwyssozki 154, 280, 236,
241, 242, 470, 476, 477, 488,
489, 490, 491, 492,
Poehl 578, 579.
Poggi 281.
Pommer 128, 135.
Pomorski 497, 499.
Ponfick 281, 241, 242, 256,
258, 291, 412.
Pooley 805, 306, 309.
Popoff 188, 152.
PosDer 18, 21, 181, 195, 196,
197, 198, 199, 493.
Post 93, 113, 114.
Potain 810, 317, 318.
Pott 811, 316.
Poucbet 640, 650.
Poalet 532, 533.
PoweU 118.
Power 470.
Prausnitz 8, 5.
Prior 654.
Prochownik 882, 337.
Pnritz 888, 385.
Purkinje 150.
PuteUi 825, 327.
Qaänu 311, 31G.
Quinke 62, 94, 101, 102.
Rabe 659.
Radasewsky 55, 56, 57, 68.
Raehlmann 201, 206, 216, 222.
Ranvier 77, 97, 281, 244, 284.
Rapook 452, 453. 456, 458,
462, 466, 497.
vom Rath 281, 236, 239.
Raaber 548, 544, 551.
Ranm 181, 182, 470.
Ravolgi 899, 406.
Raymond 458, 465, 482.
RebasteUo 689, 642.
V. ReckUnghauaen 26, 68, 94,
95, 96, 97, 98, 101, 102, 104,
105, 107, 108,117,128,129,
131, 133, 134, 135, 181, 187,
189, 191, 201, 202, 206, 207,
208, 213, 215, 216, 220, 221,
281, 233, 236, 240, 242,
246, 253, 260, 261, 307, 309,
310, 316, 825, 326, 882, 335,
371, 443, 446, 502, 505, 682,
686, 687, 688, 689. 690.
Reclus 419.
Redlicb 19, 34, 187, 192, 193,
195, 196.
Reich 882, 334.
Reicbmann 669.
Reimar 4, 10.
Reinbach 384, 512, 518.
Reinecke 828, 329.
Reinke 5, 17, 18,29,281,242,
268, 267, 358, 522.
Ränaut 641, 657.
de Renzi 598, 641, 655.
Retterer 451.
Reuggli 348.
Reverdin 281, 254, 532.
Reynolds 605.
Ribbert 66, 118, 126, 127, 281,
242. 243, 245, 261, 268, 267,
289, 308, 281, 301, 302, 303,
304, 316, 825, 327, 828, 329,
880, 331, 336, 337, 348, 387,
389, 399, 421, 429, 430, 433,
434, 489, 443, 444, 445, 446,
447, 448, 449, 458, 467, 468,
470, 481, 491, 497, 502, 508,
519, 522, 524, 528, 537, 538,
539, 540.
Riebet 669.
Richter 548, 546, 458, 465.
Rieder 43, 48, 50, 51. 68.380,
331, 512, 514, 518,683,698.
Riederer 387.
Riegel 60, 641. 656.
Riehl 109, 110, 112.
Ricas 610.
Rindfleisch 132, 158, 281, 291,
375, 377, 378, 688, 692.
Ritschi 281, 245.
Ritter, A. 608, 640, 643, 644,
648, 654.
Rivolta 401. 405.
Robert 281.
Roberts 632, 683.
Robin 822, 324.
Rocci, Riva 676, 677.
Roemer 19, 32, 66.
Rösger 882, 333.
Roger 66, 85.
Rogowitsch 216.
Rohland 688.
RoUet 458, 463.
RokiUnsky 458, 466, 537, 617.
Romberg 49, 50. 53, 55, 58,
63.
Ronmelaire 641, 644.
Rosenbach 38, 39, 41, 42, 45,
j 46, 47, 62, 80, 151.
I Rosenfeld 608.
I Rosenheim 458, 464, 509, 510.
I Rosenstein 641, 645, 646, 656,
I 673.
Rosenthal 669, 671, 674, 675,
678.
Roth 153, 383, 384.
Rothmann 138, 641, 656.
Ronquäs 664.
Ronssy 664.
Roux 231, 234, 235, 255, 289.
299, 308, 309, 548, 545, 546,
547, 648, 550, 551, 552, 553,
554, 555, 557, 560, 561, 562,
563, 564, 565, 571.
Roy 87.
Royer 664.
Rubin stein 828.
Rubner 678, 679, 680.
Ruffer470, 477, 483, 664,665.
Rüge 162, 298, 335.
Rumpel 683, 697.
Rumpf 512, 516. 591,615,617,
641, 655.
Rumschevitsch 201, 216, 221.
I Rüssel 18, 27, 177, 181, 182,
! 183, 184, 185, 186, 188, 190,
; 192, 199, 202, 433, 472, 487.
712
H.
Sacage 041, 650.
Sachs, H., 458, 462.
Sachs 181, 182, 183, 184, 185,
187, 6Ö9.
Sack 57, 68.
SaeDger 19.
Sahli 19, 35, 36, 118, 121.
Salkowski 588.
Salomon 688.
Salomoni 887, 388.
Saltzmann 867, 369.
Salzer 822, 867, 369.
Samter 848, 346, 347.
Samuel 64, 66, 71, 84, 85, 86,
87, 89. 91.
Sanarelli 281. 251.
Sandmeyer 166, 170.
Sandu-Mideaco 468, 466.
Sarbo 156, 157.
Sasse 508, 505.
Sauerhering 188, 149.
Saveliew 118, 123.
Sawtschenko 471, 476, 477,
488, 492.
Schäflfer, W. 153, 209, 509,
510.
Schaffer, K. 188, 155, 157,
163, 281, 250.
Scbafstein 497, 498, 502, 505.
Schaper 128, 136, 512, 518.
Schede! 282.
Schering 11.
Scherl 109.
Scheuerien 66, 80, 472.
Scheven 118, 124, 125, 128,
131, 134, 135.
Schiefferdecker 35.
Schiele 167, 171, 175.
Schiffer 641, 650.
Schilling 118, 188, 148, 158,
159, 160.
Schimmelbusch 121, 208, 392,
418, 416, 417,419,494,495,
527.
Schklarewski 66, 77.
Schleiffarth 264, 268.
Schleich 289, 206, 297.
Schlesinger 687.
Schmaus 19, 35, 187, 188, 149,
151, 268, 356,361, 487,488,
688, 687, 689, 690, 692, 694
Autorenregister.
I Schmidt, O. B. 811. 316, 888,
384, 418, 418, 516.
Schmidt, H. 264.
Schmidt, M. B. 98, 101, 115,
261, 811, 316, 875, 377, 422,
435, 436.
Schmidt 452, 453.
Schmiedeberg 575, 576, 577,
579, 588
Schmitt, A. 282.
Schmitz 282.
Schmorl 112, 688, 695, 696,
698.
Schneider, Aim^ 479.
Schneider, G. 512, 517, 518.
Schönstedt 418, 417.
Schottin 641, 643.
Schottländer 162, 882, 335,
336.
Sohottmttller 811, 315.
Schrack 618, 621.
Schrader 452, 453, 455, 512,
518.
Schrakamp 66.
Schröder, C. 335, 503.
V. Schroeder 576.
Schrohe 548, 545.
Scbnchardt 23, 458, 459, 463.
Schatz 805, 306. 307, 422, 427,
428, 429, 471.
£. Schatz 599.
Schultbess 452, 454, 456.
Schultze, K. 627, 688.
Schnitze, 0. 282, 548, 545,
548, 549, 552.
Schnitzen 634.
Schumacher 66.
Schurz, U. 688.
Schuster 201, 213, 215, 222.
Schwab 699.
Schwalbe 113, 239.
Schwann 252.
Schwarz 471, 481.
Schweizer 418, 419.
Schweninger 534.
Schweppe 502, 503, 512, 519.
Schwimmer 111.
Seegen 607.
Seeger 497, 499.
Seelig 502, 504.
Seifert 181, 182, 183, 184, 185,
187, 188.
Seitor 811, 312. 313, 317.
Semen 497, 498.
Senator 512, 514, 618. 669,
I 671, €f72, 673.
I Senftleben 77.
! Seslavin 422, 427, 432.
I Severeau 535.
Shattock 452, 456, 457, ^\
466, 471, 472, 474, 495.
Shernngton 282, 268, 267.
Sick 811, 315.
Siebel 77.
Sieber 109.
Siegel 489, 442.
Siegert 181, 192, 193, 194.
195, 196, 197, 198, 199, 8B7.
373, 374, 899, 409, 410, 439,
441, 458, 460.
Siegrist 452, 456. I
Siemerling 4, 6, 512, 519. ']
Sieveking 282, 245.
de Sinöty 282, 240. j
Singer 34. i
Sippel 528, 535. 536. i
Sjöbring471, 475, 476, 477,
488, 489, 490, 492.
Slosse 625.
Smimow 280.
Smith 118, 321.
Solger 188. 150, 162.
Somya 282, 238.
Sorel 471, 474.
Soudakewitsch 471, 475, 476,
477, 479, 488. 489, 490.
Spencer 544, 552, 558, 559.
Spiegier 664.
Spronck 19, 32, 242, 388, 386,
471.
Stadelmann 588, 599, 613, 614,
617.
Stadthagen 641, 650.
Stange 118.
Statkewitsch 188, 145, 152,
154, 155, 157, 160. 161.
Steiner 825, 327. 452. 456,
458, 462, 496.
Steinhaus 66, 145, 849, 471,
481.
Steinhauser 528, 537, 538.
Steinheil 811, 315, 316. 318.
{ Steinmetz 887, 390, 409.
I Stern 391, 669.
' Steudel 282, 825, 326.
Steudner 193.
Au torenregister.
713
Steven 887, 393, 471.
Stick er 515.
Stieda 282, 239.
Stüling 18, 27, 188, 150. 194,
195, 196, 197,301,212, 217,
218, 222, 280, 282, 245.
Stöhr 86. 77, 282, 245.
Stoll 811, 314, 316, 317, 318.
Stolnikow 145.
Stout 811, 320.
Strahl 282, 240.
Strasser 617.
Stratz 218, 418, 416.
Strauer 485, 512, 517.
Strauss 99.
V. d. Stricht 282.
Stricker 66, 81, 87, 282, 665.
Stroebe, 19, 35, 36, 188, 152,
153. 282, 251, 252, 254, 296,
298, 888, 339, 340, 341, 848,
355, 356, 359, 360, 361, 362,
864, 365, 366, 422, 426, 427,
428, 429, 432,433,471,481,
487, 522.
StrümpeH 170.
Stumpf 618, 621.
Stnrzenegger 502.
Suchanneck 4, 14, 805. 306.
Sadeck 389.
Szbanbock 641, 648.
T.
Taenzer 18, 21, 30, 31.
Talko 875, 380.
Tangl 282.
Tarnier 898, 409, 641, 649.
Tepljaschin 282, 253.
Thibierge 111, 811, 320, 821.
Thierfelder, A. 372, 451, 682.
Thiersch 282, 244, 488, 441,
442, 449, 519, 524, 525.
Thoinot, 188, 152, 157.
Thoma 4, 8, 9, 13, 66, 77, 78,
282, 244, 268, 286, 289, 290,
291, 293, 300, 311, 313, 822,
338, 341, 342, 818, 344, 345,
346, 349, 864,365,371,880,
415, 471, 475, 688, 685, 686,
687. 688, 689, 690. 691, 692,
694.
Thomayer 640, 657.
Thorn 502, 508, 528, 535, 536. I
Thost 497, 498.
Thudichum 641, 643. j
Tietze 288. |
Tilger 286, 287, 380, 382, 395. 1
Tilimanns 102, 471, 474. i
Töpfer 512, 630, 688. |
Török 184, 811, 319, 320, 321, j
322, 899, 401,471,481,487,1
491.
Toldt 314. 611.
Tollens 612.
Tommasoli 184, 899, 401.
Touton 181, 182, ISIJ, 185,
186, 187, 188, 189, 811, 319,
320, 899, 402, 403, 404, 406,
407, 408.
Toyama 5, 17.
Trachtenberg 588.
Trambusti 166, 168, 169, 170,
201.
Traube 116, 641, 645, 671.
Trinkler 512, 515, 516.
Troisier 502, 504.
Troje 288, 264, 275.
Tross 502, 508.
Tschennak 201, 213, 224.
Tschetweruschin 160.
Tuczek 621.
U.
Ughetti 659.
U lasse 534.
Unna 18, 21, 27, 30, 31, 184,
264, 265, 269, 270, 271, 272,
273, 274, 276, 277, 278, 279,
281, 282, 283,805,300,307,
309, 310. 811, 314, 318, 319,
320, 322, 327, 849, 362, 363.
875, 379. 899, 401, 422, 425,
432, 4:53, 471, 481, 487, 489.
Uschinsky 188, 141, 667.
Uskow 98.
Uter 882, 330.
Veit 452.
Verhoef 887, 388.
Verneuil 509, 511, 534.
Veraon 288.
Vidal 404.
Viering 288, 244, 264.
Vigues 452, 471, 474.
Vincent 265, 283, 471.
Virchow 6, 7, 66, 98, 101, 105,
106, 115, 116, 129, 136, 138,
139, 143, 157, 158, 198, 212,
219, 257, 260, 268, 290, 293,
295, 302, 304, 306, 811, 312,
313, 314, 315, 318, 825, 326,
828, 329, 342, 343, 349, 401,
422, 429, 430, 437, 489, 440,
442, 471, 472, 473, 494, 504,
538, 665, 688, 690, 691, 692,
693, 698.
Voelker 119.
Vogel 128.
Vogues 664.
Voisin 689, 649.
V. Voit 576,588,641, 642,644,
650.
V. Volkmann 188, 141, 153,
288, 246, 247, 248, 249, 251,
254, 452, 453, 455, 458, 462,
463, 497, 502. 503, 532.
Volkmann 650, 668.
Vorenhecke 184.
Vossius 201, 206, 216, 221,
377.
de Vries 288, 234, 552, 567,
568.
Vulpian 671.
W,
V.
' Valentin 545.
Vanni 641, 652.
Vas 188, 147, 149, 152, 150.
Vassale 226, 228, 288, 236, 240.
Vedeler 882, 338, 387, 393.
! Wagemann 119, 899, 411.
Wagner 115, 372, 494, 037, 656.
Waldeyer 247, 277, 351, 429,
489, 441, 442, 443, 449.
Waldstein 106.
Walker 470, 477.
Wallach 875, 376.
Waller 66, 77.
Walter, F. 587, 588.
Walter 875, 377.
Wasilieff-Kleinmann 66.
Weber 246, 665.
Wehr 394, 473.
714
Autorenregister.
Weichselbaum 201, 688, 685, j
689, 692, 694, 695.
Weigert 5, 6, 7, 9, 10, 16, 17,
18, 19, 20, 21, 22, 23, 24,
27, 29, 30, 33, 34, 37, 66,
67, 81, 96, 128, 130, 131,
142, 143, 144, 175,. 181, 182,
190, 199, aOl, 202, 203, 206,
207, 208,209,210, 219, 220,
257, 264, 268, 275, 284. 299,
331, 338, 340, 429, 689.
Weil 602, 508.
Weintraud 128, 131, 485, 486, i
512, 517, 603, 604, 617.
Weiss 66.
Weissmann 288, 234, 235, 544,
552, 553, 562.
Welti 201.
Westphalen 310, 395.
Wheeler 450, 464.
Wichmann 181, 196, 197. 198, '
199. 201, 212, 214, 218,
219, 221.
Wiedemann 678.
Wieger 206.
Wiesner 552. I
Wild, G. 531. i
Wild, K. 201, 206, 216, 217.
Wilk 215,
Williams, 887, 396, 418, 416,
418, 452, 453, 500.
Wilson 544, 551.
Winiwater 452, 456.
Winkel, 390.
Winter 502, 508.
Winternitz 591, 671.
Wintersteiner 888, 341.
Wittkowski 622.
Wlassow 67, 119, 120, 121.
Woerner 452, 453, 455.
Wolfensberger 880, 331, 352,
391.
Wolflf 288, 239. 673.
Wolkow 276, 279, 634, 685.
Wolpe 617.
Wolters 19, 31, 33, 34, 35,
882, 333, 335.
Woodhead 472, 519, 524.
Wunderlich 659.
Wyder 288, 240.
Y.
Yamagiva 188, 141, 146, ^88,
244.
Zabarrowski 288.
Zahn 129, 133, 134, 135, 136,
196, 197, 216, 268, 267, 299,
489, 441.
Zanda 828, 329.
Zehnder, 129, 132.
Zeller 288.
Zeiss 494, 496.
Zenker, H. 489, 442, 459, 460,
461.
Zenker, K. 4, 11, 116, 129, 134,
880, 422, 435, 495, 466.
Zemer 688.
Zeroni 302, 825, 326.
Ziegler, E. 67, 82, 89, 1»,
161, 166,201,206,216,217,
220, 288. 239, 242, 243, 257,
258, 268, 266, 267, 268, 284,
286, 289, 292, 294, 299, 30ö,
888, 342, 848, 344, 345, 36.%
369, 899, 402, 412, 422, 436,
437, 688, 685, 686, 688, 6S0,
690, 691, 692. 693,694,610.
Ziegler, H. 544.
Zilleseu 595.
Zimmermann 889, 411.
Sach-Register.
Abbildnngen, photographische 694.
— schematische 695.
Accommodation des Herzens 40.
— histologische 560, 561.
Acetessigsäare 517.
Aceton 585, 599, 600.
Acetoniirie 602, 605, 606, 608, 617.
— bei Eklampsie 618.
— bei Magendarmkrankheiten 618.
— nach Exstirpation des Plexus coeliacus 605.
— transitorische 606.
Acetylessigsäure 517.
Achrooamyloid 222.
Achrooglykogen 177.
Achsencylinder, Färbung ders. 34, 35.
— Verhalten bei der Nervenregeneration 252.
Actinomykome, Histogenese ders. 280.
— Plasmazellen in dens. 273.
— Struktur 282.
Adenom, Ätiologie, parasitäre dess. 420.
— Beziehung zur knotigen Hyperplasie 415.
— Definition dess. 414.
— Entstehung, kongenitale 418.
— — durch Traumen und Entzündung 419.
— — durch Goccidium oviforme 419.
— Funktion dess. 417.
— malignes (destruierendes) 420.
— Metastasenbild nng bei dems. 420.
— polypöses des Darms 416.
— Struktur 415, 416.
Alkalien, physiol. Bedeutung ders. 581.
Alkaptonurie 633, 634.
Alloxurkörper 627.
Altruismus der Zellen 556, 565 ff.
Alv eolärsarkom 350.
Amoeba kachexica 478.
Amoebidium parasiticum 478.
Amputationsneurom 342.
Amyloid, Färbung dess. 27, 28.
Anämie bei Krebskranken 516.
— bei Säurevergiftung 610.
— Einfluss ders. auf die Entzündung 85, 86.
Anaplasie der Carcinomzellen 521, 523.
Augiom s. Häm* und Lymphangiom.
Angiosarkom, Einteilung dess. 368.
— Entstehung dess. 369. Siehe auch Gylin-
drome, Myxosarkome.
Anthrakose 116.
Arachnoidea, Osteome ders. 329.
Argyrie 116, 117.
Asthma acetonicum 617.
Atherom 411.
Atrophie 149.
— des Hodens 150, 151.
— braune, des Herzens bei Garcinomat. 518.
Auge, Gliom dess. 341.
Autointoxikation, Bedeutung d. Hydroxy-
fettsäuren bei ders. 592.
— kryptogenetische 617.
— und innere Sekretion 635.
— Ursachen ders. 573.
— Verhältnis zur Infektion 574.
Autotoxikosen des intermediären Stoff-
wechsels 577.
716
Sacb-Kegister.
Bindegewebe, Regeneration doss. 242.
— ödematöses, Verhältnis zum Scbleimge- '
webe 323. '
Blastome 293, 294. |
Bl astomyceten in epithelialen Neubil- j
düngen 472.
Blut, Chemie dess. bei Urämie 655.
~ Giftigkeit dess. bei Krebskranken 512.
— phy sikal. Beschaffenheit dess. im Fieber 675.
— Reaktionsverhältnisse dess. 590.
— Verhalten dess. bei Carcinomatösen 515 ff.
Blutgefässe, Regeneration ders. 244.
Blutkörperchen, rote, Veränderungen ders,
bei Krebskranken 517, 518.
— weisse s. Leukocyten.
Blutplättchen, Entstehung ders 119.
Blutpräparate, Färbung ders. 32.
Blutung, kapilläre 95.
— neuro
Cache xie bei Krebskranken 515.
Cachexia strumipriva 637, 651.
— thyreoidiana 686.
Carcinom, Ätiologie dess. 449 ff.
— Altersstatistik bei dems. 453, 454.
— Anatomie dess. 422.
— branchiogenes 450. |
— Bedeutung v. Ernährung u. Klima für dass. '
496, 497, 534, 535.
— Beziehungen zum Lupus 465, 537, 538.
— — zur Syphilis 464.
— — zur Tuberkulose 466, 467, 537, 538.
— Diagnose dess. 526.
— Disposition far dass 494, 495.
— Einteilung dess 437, 438.
— Entartung, hyaline dess. 435, 436'
— — tuberkulöse dess. 435.
— Einfluss dess. auf den Gesamtorganiamus
511 ff.
— — auf die Verdauungsorgane 514.
— Entstehung aus versprengten Keimen 450.
— — durch einmalige Reize 460.
— — durch chron. Reize 460- -468.
Carcinom, Entwickelung dess. auf Narben
461, 462.
dess. in Fistelgängen 461, 536.
— — dess. bei Briquettarbeitern 468.
— — dess. bei Tabakrauchern 462.
Carcinom, Entwickelung dess. bei Theer-,
Paraffinarbeitem und Scbomsteinfegero 1
462—464. '
— Geschlechtsdisposition für dass. 455. i
— Heredität dess. 456, 457.
— Histogenese 439.
— Leukocyteneinwanderung in dass. 429, 430.
— Metamorphosen dess. 434.
— Metastasenbildung dess. 503 ff.
Häufigkeit der 503. 505.
durch Implantation 506.
im Knochen 505.
Ursachen ders. 507.
— Multiplizität dess. 496, 501, 538.
— Recidive dess. 508.
— Spaltpilze in ihnen 472, 511.
— Sprosspilze in ihnen 472.
— Theorieen Über dasselbe.
Kösters 439.
Ribberts 443.
I Thiersch-Waldeyers 440, 441.
' Virchows 440, 442.
parasitäre 472.
' — Übertragbarkeit dess. u. Übertragunjjjsver-
suche 473, 535, 536.
I — Umwandlung gutartiger Neubildung in dieä.
I 498.
— Vorkommen dess., endemisches 474, 5o4.
' von Psammomkugeln in dens. 436.
i von Riesenzellen in dens. 428, 433, 536.
. — Verhalten der Nachbarschaft 509, 510.
— Zelleinschlttsse in dens. 475.
Carcinomprotozoen, Deutung ders. als
Zell- u. Kemdegenerationen 487 ff.
— Entwickelung ders. 476, 477, 478,
— Metachromasie ders. 475, 476, 492, 493.
— Vermehrung ders. im Kaninchengehim 479.
— Vorkommen ders. 475.
ders. im Blute 480, 481.
— Kritik der Angaben 481 ff.
Carcinomzellen, Anaplasie ders. 521, 52:1
— Bewegungserscheinungen an dens. 429.
— Funktion ders. 424.
— Hinfälligkeit ders. 426.
— Mitosen ders. 427.
— Protoplasmastruktur ders. 423, 425.
Celloidineinbettung, Kombination mit
Paraffineinbettung 15.
— Nachteile ders. 14.
— Schnittserien dabei 16.
— Verbesserung ders. 16.
Chemotaxis 78, 79, 363, 430.
Chloromc 101, 106.
Saeb -Register.
717
Cholesteatom 412.
Chondro endo theliom der Haut 327.
Chorionzotten, Myxom ders. 324.
Chromatinschwund 144.
Chromatolyse 145, 162.
Chromatotexis 282.
Chylangiom, des Darms 348.
Cirkulationsstörung 687.
~ Wesen ders. bei d. EntzQndimg 69, 70.
Coagnlationsnekrose 689.
Coccidien, Paraglykogen in dens. 177, 408.
— Vorkommen ders. in Carcinomen 476, 478.
— in Ureterencysten 288.
Coccidiam oviforme, in Gallengaugsade-
nomen 419.
— sarkolytum 479.
Coma diabeticam 615.
— bedingt durch Sftureintoxikation 616.
Coenobiose 296.
Coenome 293, 296.
Corpora amylacea 192, 193.
— Bildung der konzentr. Schichtung u. radiäre
Streifung in ihnen 197, 198.
— Einteilung ders. 183, 194.
— Entstehung 196, 197.
— Reaktionen ders. 193, 199, 200.
— Vorkommen ders. 195, 196.
Corpora flava s. corpora amyl.
Corpora versicolorata s. corp. amyl.
Corpora lutea 288.
Cylindrom 369, 370, 371.
Cysten, Begriff 286.
-- Einteilung 287.
— traumat. Entstehung 287, 411.
Cystoadenom, multiples d. Gallengänge 507.
— papilläres der Ovarien 416.
Darm, polypös. Adenora dess. 416.
~ Cliylangiom des 348.
D^bris paradentaires 411, 412.
— Beziehung dess. zum Carcinom 455.
Degeneration, amyloide, Begriff ders. 212.
Beziehungen ders. z. Fibrin 222.
zmn Glykogen 177, 178, 223, 224.
zum Hyalin 216, 217, 218.
zum Schleim 218.
— — experimentelle Erzeugung ders. 224.
— -- Reaktionen, chemische 213.
tinktorielle 212.
Resorbierbarkeit 219, 220.
Degeneration, amyloide, Sitz, Entsteh-
ung und Vorkommen ders. 213, 214,' 2i5
in Sarkomen 371.
Theorie ders. 220-224.
— albaminöse 180.
— fettige 161, 610.
— karyokinet. Prozesse dabei 161.
— hyaline der Kerne 164.
des Protoplasmas 200, 689.
Begriff ders. 201.
— Einteilung ders. 204, 205.
— Entstehung ders. 207—211.
— Verhältnis zum Amyloid 216, 217, 218.
zur Fibringerinnung 209, 210.
zu den Fuchsinkörperchen 187, 188,
189, 208.
— Vorkommen ders 205, 206.
in Sarkomen 370, 371.
in Carcinomen 435, 436.
tinktorielles Verhalten 202, 203, 204.
— von Mitosen 163.
— — an Carcinomzellen 164.
— physiologische 161, 162.
— protoplasmatische 148, 150.
— vakuoläre 151, 152, 153, 154.
Dermoidcyste, Umwandlung von in Carcinom
450, 499.
Diabetes mellitus 606, 607, 608, 611.
— und Säurevergiftung 611 ff.
Diaceturie 618.
Diapedese 94.
Diathese, hämorrhagische 97, 98.
— uratische 626.
Drüsen, Begriff ders. 414.
— Regeneration ders. 240, 241.
— LieberkQhnsche 237, 240.
£.
Ecchondrosis physalifora 327.
Ecchymosen 94, 97.
— nach Kapillarembolie 96.
Einbettungs^ethoden 13.
Einheit, urotoxische 648.
Eiterung, Mikroorganismen der 80.
— chemische Auffassung ders. 81.
Eiweisszerfall, toxigener 625.
Ei Weisszersetzung bei Krebskranken 513.
Elephantiasis, Beziehung z. d. Fibromen 308.
£ m b 0 1 i e , gekreuzte 123.
— atypische 125.
718
Sacb-Register.
Enchondrom, Beziehungen zur Rachitis
325, 326.
— — zu Cirkulationsstörungen 326.
— der Haut 327.
— des Hodens 327.
— des Kehlkopfs 327.
Endotheliom 367, 368.
Endothelkrebs 372, 373.
Entkalkungsmethoden 12, 13.
Entzündung 67 ff., 688.
— Begriff ders. 67, 68.
— Beziehung zur Geschwulstbildung 90.
— Chemotaxis bei ders. 78—79.
— Einfiuss der Anämie u. HyperAmie auf
dieselbe 85, 86, 87.
— — der Blutcirkuiation und Innervation
84, 85.
— Immunität nach ders. 89, 90.
— Leukocytenauswanderung bei ders. 77, 78,
80, 81.
— Phagocythose dabei 81, 82, 83.
— Säftecirkulation in ders. 88.
— Selbstheilung ders. 91, 92.
— teleologische Auffassung ders. 91.
Entzündungsherd 73, 75, 76.
Entzündungshof 74, 75, 76.
Entzündungsröte 72, 73.
Entwickelung, Selbstthätigkeit ders. 555 ff.
— Einfiuss der Aussenwelt auf dies 555 ff.
Entwickelungsmechanik 544 ff.
— Bedeutung ders. für die Teratologie 547.
— — für die Pathologie 551 ff.
Epidermoide 533.
Epilepsia acetonica 617.
Epithel ien, Verhalten ders. bei der Men-
struation 240.
— — bei der Regeneration 238, 239.
Epithelcysten, traumatische 287, 411, 532,
533.
Epithelioma contagiosum 899.
— Histiogenese u. Struktur 400, 401.
— MoUuskumkörperchen in ihnen 402.
— — Deutung als Sporozoen 403, 404.
— — Deutung als Zelldegeneration 405, 406.
Epithelioma folliculare cutis 400.
Epitheliom, verkalkendes 410, 437.
Ernährungszustand, Krebskranker 513.
Erweichungscysten 287.
Erregbarkeitsstufe, eklamptische 646.
Evolutionstheorie 553.
Exostosen, der Arachnoidea 329.
— Kombination mit Riesenzellensarkom 328.
-- Heredität ders. 829.
I Exostosen, multiple 328.
— der Trachealschleimhaut 329.
Extraktivstoffe 642.
Färbemethoden, Prinzipien n. BeurteiluDs:
ders. 20, 21, 22.
Färbung der Achsencylinder 34, 35.
~ von Amyloid 27, 28.
— von Blutpräparaten 32.
— elastischer Fasern 31.
— von Fibrin 28.
— Ganglienzellen 35. 36.
— Gliafasern 36, 37.
— Glykogen 24, 25.
— Hyalin 26, 27.
— feinerer Kern- und ZelJstrukturen 29, H«i.
— von Kalk 28.
— — Kolloid 24.
— — Markscheiden 33.
— — Mucin 23.
Fasern, koUagene Färbung ders. 81.
— elastische, Färbung ders. 31.
— — Regeneration ders. 244, 245.
— Sharpeysche 30.
Fettembolie 126, 127.
Fettmetastase 611.
Fibrin, Färbung 28.
— Vorkommen in Tuberkeln 275.
Fibrom, kongenitale Anlage 307, 808.
— Beziehung zur Elephantiasis 308.
— Entstehung ders. durch Traumen 806.
— der Haut u. Nerven 308. 309.
— des Herzens 307.
— Multiplizität ders. 309.
— der Niere 306.
Fibromatose, diffuse angiogene 808.
— der Nerven 308.
Fibrosarkom 350.
Fieber, Begriff dess. 660.
— bei Carcinomat5sen 519.
— Einfiuss des Nervensystems dabei 670.
— vasomotor. Phänomen dabei 669.
— bei Sarkomatösen 385.
— Stoffwechsel in dems. 676.
— Verhältnis zur Hyperthermie 660.
— - Infektion 661, 664 ff.
— — Intoxikation 662.
— Wärmehaushalt in dems. 678.
— Wärmeretention in dems. 661.
— der Zelle 662.
— Zusammensetzung des Blutes in dems. 675
Sacb'Regisier.
719
Fleischbeschau, Handbuch den. 700. {
Fleischmilchsäure, 592, 59^, 596, 598. I
Formalin, als Konservierungsmittel 9, 10. {
Forschung, bakteriologische 685. ,
FrenndkOrper, bei der Bildung von Granu- |
lationsgewebe 283. |
Fremdkörperriesenzellen s. Riesenzellen. {
Fremdkörpertuberkulose, 467, 539. 1
FrostgangrAn, 141. {
Fuchsinkörperchen, Russeische 181 if. !
— — ehem. Konstitotion 191. )
— Färbung ders. 182.
— Form ders. 183, 184,
>- Geschichte ders. 181, 182.
— Grösse ders. 182.
— Natur ders. 186—190.
— Verhältnis zu d. Altmannschen Granula
188, 189, 190. •
— — Glykogen 192.
— — Hyalin 187—189.
— — Lecithin 192.
— — d. Mastzellen 190, 191.
— — Paraglykogen 187.
— Verhalten, optisches 182.
— Vorkommen 184—186.
G.
Ganglienzellen, Färbung ders. 35, 36.
— senile Metamorphose 149, 150.
— Regeneration 251.
Gefässwandalteration bei d. Entzündung
70, 71.
Gehirnsektion 6, 7.
Gerüsthyperchromatose 144.
Geschlechtszellen. Verlust ders., biolog.
Bedeutung davon 567.
Geschwülste, Bedeutung der Leukocyten
in dens. 298.
— Begriif ders. 291, 292, 305.
— Einteilung ders. 294-296, 305. H
— Entstehung ders. 296, 298, 299, 301—303, H
530, 531.
— histioide 691, 692.
— organoide 691, 692.
— Verhältnis der einfachen zu d. Mischge- H
schwulst 297. I H
— Verhalten, funktioneUes 292, 293. I H
Geschwulstmetastase s. Metastase. 1 H
Gewebe, Differenzierung ders. 562. I H
— Spezifizität ders. 563. [ -
Gicht 630, 632. | -
Glia fasern s. Neuroglia. { —
Gliom des Auges 341.
— kongenitales 341.
— Histologie 339, 341.
— mit epithelführenden Hohlräumen 340.
— Verhältnis zur diffusen Gliomatose u. Syrin-
gomyelie 339, 340.
Glykogen, Beziehungen dess. z. Amyloid
177, 178, 223, 224.
— — z. d. Fuchsinkörperchen 177, 192.
— — zum Paraglykogen 177.
— Eigenschaften, optische u. morphologische
167, 168.
— Färbung dess. 24, 25, 175.
— Löslichkeit dess. 175, 176.
— Vorkommen unter physiol. Bedingungen
167.
— — patholog. Bedingungen 168.
— — im Blute 168, 169.
— — in Eiterzellen 169.
— — nach Ezstirpation d. Plexus coeliacus
170.
— — in Leukocyten 169.
— — in Neoplasmen 171—174.
— — in Nierenepithelien 170.
— - in Rhabdomyomen 331.
— — in Sarkomen 359.
Granula, Altmannsche Verhältnis zu den
Fuchsinkörperchen 188—190
— — Verhalten bei der anäm. Nekrose d.
Nierenepithelien 147.
— < bei d. trüben Schwellung 158—160.
— — Vorkomen in Carcinomen 424.
— — Vorkommen in Sarkomen 358.
Granula, Neussersche 632.
Gre gar inen, in Carcinomen 478.
Gregarinenkörner 403,408.
Grundgesetz, biogenetisches 440.
H.
aar, Regeneration dess. 239.
ämangiom, kavernöses 344.
- Einteilung ders. 345, 346.
- der Highmorshöhle, ossifizierendes 344.
- der Muskulatur 344.
ämatoidin 101.
ämochromatose 101, 102, 104, 105.
ämofuscin 102, 103, 104, 105.
ämophilie 97, 98.
ftmorrhagie, arterielle 95.
- per diapedesin 94.
- infektiöse 96.
- bei Hysterie 99.
720
Sach-Register.
— bei Leukaeroie 97.
— menstruale 99.
— bei Morphinismus 100.
— per rhexin 94, 95.
— bei Tabes 99.
— toxische 96, 97.
Hämosiderin 101, 102, 103, 104, 105.
Harn, Aschenbestandteile dess. 648, 644.
— Giftigkeit dess. 648, 650.
— Verhalten dess. bei Garcinomatose 514.
Harnsäure, Bildung durch Leukocyten 627.
— und Gicht 630.
— Toxizität ders. 629.
Harnsäurediathese 626.
Harnstoff, Bedeutung dess. b. d. Urämie 642.
Haustiere, Lehrb. d. pathol. Anatomie der
700.
Haut, Ghondroendotheliom ders. 327.
— Enchondrom ders. 327.
— Fibrome ders. 308, 809.
— Myome ders. 333, 334.
Herz, Accommodationsbreite dess. 51.
— Arrhythmie 61.
— Fibrom dess. 807.
— Kompensationsstörungen dess. 39, 47, 52.
— Kompensation dess. 39, 44, 46.
— Myxom dess. 324.
- Rhabdomyom 331.
— Reservekraft 40, 41, 44.
— Sektionsmethode 6.
Herzerweiterung, akute 59.
Herz fleisch, diffuse fibröse Degeneration
dess. 55, 57.
Herzganglien 58, 59.
Herzhypertrophie 46, 48, 49.
Herzstoss 62.
Hirnanämie, akute bei Urämie 645.
Hoden, Atrophie dess. 150.
— Enchondrom dess. 327.
Holoblastose 297, 350.
Homogentisinsäure 634
Hyalin 26, 27, 489.
Hydro xyfett säuren, im Chemismus der
Säurevergiftung 591.
Hyperämie, Einfluss auf die Entzündung
85, 86, 87.
Hyper ehr omatose der Kerne 144.
— in Sarkomzellen 355, 356.
Hyperplasie 241, 242, 525.
— Verhältnis zu den Geschwülsten 290, 291.
— — zur Zellfunktion 525.
— knotige und Adenom 291.
Hyperthermie der Zelle 662.
Hylperthermie, Verhältnis zum Fieber 660.
Hypertoxie 649.
Hypertrophie des Herzens 46, 48, 49,
— kompensatorische 241, 256, 565.
— Verhältnis zur Regeneration 241, 242, 260.
Hypotoxie 649.
I
Idioplasma 520.
Idioplassonten 558.
Ikterus, hämatogener 108.
— hepatogener 107.
I Infektion 182, 685.
I — Verhältnis zur Selbstvergiftung 574.
1 — — zum Fieber 661, 664,
Infektionserreger, py retogene Eigeoschaf-
! ten ders. 665 ff.
I Infektionsfieber 661.
Intoxikation, Beziehung zum Fieber 662.
Isoplassonten 558.
Kalk, Färbung dess. 28.
Kalorimetrie 675.
Karbamin säure, Beziehung zur Urämie
622, 624.
Kardiogramm 62.
Karyolyse 140, 144, 148.
— in Krebsen 488, 489.
Karyorhexis 141, 144, 148, 151, 155.
— Bedeutung ders. 145, 146.
— in Carcinomen 488, 490.
— in Sarkomen 861.
Kehlkopf, Enchondrom dess. 327.
— gutartige Neubildungen dess., Umwand-
lung in Krebs 495.
Kern, homogene Schwellung dess. 156.
— hyaline Degeneration dess. 164.
— Pyknose dess. 146, 161.
i — Sklerose dess. 147.
— Vakuolisation 154, 155.
— Zerklüftung 146.
Kernfragmentierung in Sarkomen 359,361.
Kernschwund 148, 144, 147.
Kernwanddegeneration 161.
Kernwandhyperchromatose 144.
Kernteilung, atypische 860.
— Spezifizität ders. 520, 563, 568; s. auch
Mitose.
Kiefercyste 412.
Knochen, primärer Krebs dera. 443.
Sach'Register.
721
Knochen, Transplantation dess. 254.
Knocbenmark8rie8enzeilenemboliel25.
Knorpel, Regeneration dess. 245.
Koeffizient, urotoxischer 648.
Kolloid, Fftrbong dess. 24.
Konservierung von Organen 9, 10.
Konserviernngsflfissigkeit nach Gra-
witz 8; nach Thoma 8, 9.
Konservierungsmethoden 7.
Krankheit, Basedowsche 637.
— GravesRche 638.
Krankheitsdisposition 686.
Kreatin und Kreatinin, Bedentang hei
der Urämie 643.
Krebsstroma 430.
— Bildung dess. 431.
— Mitosen in dems. 432.
— Vorkommen von Leukocyten in dems. 433.
~ — von Plasmazellen 433.
— — von Rasseischen Körpern 433.
Krümelzellen 277.
— Abstammung ders. von Leukocyten 278.
Larynx, Papillom dess. 409.
Leberadenom, metastasierendes 507, 509.
Leber, Aasschaltung ders. bei Vögeln 595.
— Folgen der Ausschaltung 596, 597.
— Rekreation ders. 242.
Lebercirrhose, Beziehung zum Leberkrebs
464.
Leberzellenembolie bei Eklampsie 124.
— Folgen der 125.
Lecithalbumin 653.
Leiomyome, Ätiologie ders. 334, 335, 337,
338.
— Bau und Entstehung 332, 333.
— der Haut 333, 334.
— des Magendarrotraktus 334, 337.
— Mastzellen in dens. 334.
— Metastasenbildung ders. 135.
— des Uterus 333.
— Vorkommen epithelführender Hohlräume
in dens. 335, 336.
Lepraknoten, Histogenese 280, 281.
— Plasmazellen in dens. 273.
Leukocyten, Bedeutung ders. in Geschwüls-
ten 298.
-- Beteiligung a. d. Bindegewebsneubildung
243, 244.
— — Gewebsneubildung 266.
— als Bildner der Harnsäure 627.
LabarBoh-OBtertag, EiKobnisBe Abtoil. n.
Leukocyten in Carcinomen 429, 430, 433,
517, 518.
— Glykogen in dens. 169.
— in Sarkomen 362, 363, 364.
Leukocytose bei Carcinoraatose 518.
— bei Sarkomatose 384.
Leukoplasie 536.
Lieberkfihnsche Krypten, aberrierte;
Beziehung zur Krebsbildung 451.
Lipom, Altersdisposition 318.
— kongenitale Anlage 316.
— Entstehung 312.
— Einfluss des Nervensystems auf die Ent-
stehung ders. 317, 529.
— von Traumen 315.
— Heredität 316, 317.
— Multiplizität ders. 317.
>- der Niere 312.
— mit Ölcysten 319.
— symmetrische 317, 528, 529.
— Verhalten zur Polysarcie 314, 315.
Lithiasis uratica 632.
Lösung, Altmannsche 12.
— Hermannsche 12.
— Zenkersche 11.
Luftröhre, Papillome ders. 409.
— multiple Papillome ders. 410.
Lupus, Plasmazellen dabei 270, 274.
— carcinom 465, 537, 538.
Lymphangiom, kongenitale Anlage 346.
— cystisches 346.
— der Milz 348.
— Verhalten zur Makroglossie 346.
Lymphangioma tuberosum multiplex
347.
Lymphocyten, Regeneration ders. 245.
Lymphosarkom 349.
M.
Madurafuss (Mycetoma) 283.
Magendarmtraktus, Leiomyome dess.
334,337.
— Erkrankungen dess., Zusammentreffen mit
Säureintoxikation 620.
Malaria, Parasiten ders. 106.
Mamma, Adenom ders. 415.
— Verhalten der Membrana propria dabei 415.
Markscheiden, Färbung ders. 33.
— Verhalten bei Nervenregeneration 252.
I Mastzellen in Leiomyomen 334.
I — in Neurofibromen 310.
I — Verhältniss zu den Fuohsinkörpem 190.
46
722
Sach-Register.
Melanämie 106.
Melanin 109.
Melanosarkome 875.
— Beschaffenheit des Farbstoffes in dens.
376, 377.
— Beziehung zu den Naevis 380.
— Struktur 379.
— experimentelle Übertragung 380.
— Vorkommen 378, 879.
Metachromasie der Carcinoroprotozoen 475,
476, 492, 493.
Metamorphose senile der Blntgeftss-
drüsen 149.
— — der Ganglienzellen 149, 150.
— — des Knorpels 150.
Metaplasie 261, 262. 331.
Metastase 129.
— von Adenomen 420.
— von Garcinomen 503 ff.
— durch paradoxe Embolie 133.
— durch venöse, retrograde Embolie 184.
— durch Kapillarembolie 183, 184.
— von Kohlenstaub 130, 131, 132.
— durch retrograden Lymphtransport 135.
— von Metallstaub 129, 180.
— von Myomen 185.
— von Sarkomen 883, 386.
— Ursache ders. 507, 508.
Methode, zur Erhaltung der Zellgranula 12.
Mikroorganismen, gewebsbildende Eigen-
schaften ders. 560.
Mikrosporidien 475.
Milz, Cysten ders. 848.
— Lymphangiome 848.
MineralsAuren, Wirkung verdünnter auf
den Magen 584 ff.
Mischgeschwfllste, Entstehung und Vor-
kommen 381, 888.
— Verhältnis zu den einfachen Geschwülsten
291.
— — zu den Teratomen 382.
Missbildungen experiment.£rzeugung ders.
545, 546, 690.
Mitosen asymmetrische 360, 427, 520, 522.
— Degeneration ders. 168, 164.
— hypochromatische 360, 522.
— in glatter Muskulatur 245.
— Vorkommen in normalen Geweben 287,
288.
Molluscum contagiosum s. Epithelioma
contag.
Morbus Basedowi 688.
— maculosus Werlhoiii 97.
Mucin, Färbung dess. 23.
Mucinämie 687, 638.
Muskulatur, glatte, Regeneration ders.
245.
— quergestreifte, Hämangiom der». 344.
— — Regeneration ders. 246 — 250.
— — Schlummerzellen dabei 249.
— — Transplantation ders. 844.
— Verhalten ders. in der Umgebung ?on
Krebsen 510.
Myelotom 7.
Mykosis fungoides 274.
Myom s. Rhabdo- u. Leiomyom.
Myxoangiosarkom 369.
Myxödem 637, 638.
Myxosarkom 369.
Myxom der Chorionzotten 824.
— des Herzens 824.
— der Niere 824.
— Schlumroerzellen in dens. 323.
— Verhältnis zu ödemat Fibrom-Lipomen 323.
Myxosporidien 288.
BT.
Naevus, Beziehung zum Melanosarkom 38(1
Nebenkerne 489.
Nekrose 138, 139.
— Klassifizierung ders. 140, 141, 142.
Nekrobiose 188, 139.
Nephritis bei Krebskranken 518.
Nerven, Fibrome ders. 308, 809.
— Fibromatose ders. 808.
Nervensystem, Regeneration dess. 251.
— — Transplantation dess. 254.
Neuroblasten 252.
Neurofibrom, Struktur d. 810.
— Mastzellen in d. 810.
Neuroglia, Färbung ders. 36, 37.
Neuritis bei Krebs 518, 519.
— retrobulbäre 619.
Neuroglioma ganglionare 842.
Neurom, atypisches 842.
— plexiformes 341.
— Struktur u. Vorkommen 341, 342.
Niere, Fibrome ders. 306.
— Lipome ders. 312.
— Myxome ders. 324.
Nierenkranke, Stoffwechseluntersuchmigen
bei dens. 654.
Sach-Register.
723
o.
Ochronose 101, 105, 106.
Osteome s. Exostosen.
Ovarial Cysten, Entstehung aus corp. lut.
288.
S-Oxybattersänre 517, 592, 593, 599 ff.,
612, 613, 615.
— als Spaltungsprodukt der Eiweisskörper
603, 604.
— als Ursache von Sänrevergiftnng 609 ff.
Pankreasdiabetes 606, 608, 651.
Pankr easlAppchen aberrierte, Beziehung
zum Magenkrebs 451.
Papillom 399, 408, 409.
— der Konjunktiva 411.
— Ganese ders. 409, 410.
— d. Harnblase 409.
— d. Larynx 409.
— d. Luftröhre 409.
Paraffineinbettung, Anwendung d. Anilin-
öls dabei 14, 15.
— Kombination mit Celloidineinbettung 15.
— Mftngel ders. 13.
Paraffinschnitte, Aufkleben ders. 17.
Parenchymzellenembolie 124.
Paraglykogen in Ooccidien 177, 408.
— Verhältnis zu d. Fuchsinkörpem 192.
— — zum Glykogen 177.
Petechien 94.
Phagocytose 67, 81,82, 83, 429, 686.
Phloridzindiabetes 606, 607.
Phloroglucin zur Entkalkung 12.
Photographie, mikroskopischer Objekte 694.
Pigment, eisenfreies 101, 103.
— eisenhaltiges 101, 102.
— hämatogenes 101, 106.
Pigment, melanotisches 100, 108, 109.
— — in Tumoren 114, 115, 376, 377.
Pigmentierung, Abhängigkeit von ner-
vösen Einflüssen 110, 111.
— bei Morbus Addisonii 111.
— physiologische 103.
Pigmentverschleppung 112, 113.
Placentarzellenembolie 125.
Plasmarhexis 140.
Plasmazellen bei AcUnomykose 273.
— in Carcinomen 433.
— bei der Initialsklerose 272.
— im Lepraknoten 273.
— im Lupus 270.
Plasmazellenbei Mykosis fungoides 274.
— bei Rhinosklerom 278.
— bei Rotz 273.
— in Sarkomen 274, 863.
— Abstammung ders. von Leukocyten 278,
279.
Plasmolyse 144.
Plasmom 269, 272, 273, 274.
Plexus coeliacus, Exstirpation dess. und
Folgen davon 170, 605.
Polypen, multiple des Darms 416, 500.
— Umwandlung in Krebse 500, 501.
Postgeneration 284, 285, 547, 551.
Prinzipien, histomechanische 844, 687.
Prostatakrebs, Knochenmetastasen ders.
505.
Protozoen, Vorkommen in Myomen 888.
— • — in Sarkomen 898.
— — in Carcinomen 475 ff.
Psammogliom 841.
Pseudokerne 489.
Psammom 371.
Ptomaine in Harn 651.
Purpura, haemorhagica 97.
— symmetrische 99.
Pyknose von Kern u. Zellleib 146, 161, 162.
Pyloruskrebs, Verhalten der Magenschleim-
haut bei dems. 510.
Regeneration 234, 285, 286.
— physiologische 287.
— pathologische d. Bindegewebes 242.
— Beteiligung von Leukocyten u. Wander-
zellen dabai 243, 244.
— der Blutgefässe 244.
— d. secernierenden Drüsen 241.
— d. Epithels 238.
— elast. Fasern 244.
— d. Ganglienzellen 251.
^ d. Haare 239.
— d. Knorpels 245.
— d. Lymphocyten 245.
— d. glatten Muskulatur 245.
— d. quergestreiften Muskulatur 245.
— d. Nervensystems 251.
— d. Schleimhäute 240.
— d. Sehnengewebes 244.
— Einfluas d. Nervensystems auf dies. 259.
— Ursachen ders. 256, 257, 258.
— Verhalten zur Hypertrophie 241, 242, 260.
Rekreation der Leber 242.
Reserve kraft des Herzens 40, 41, 44, 45.
46*
724
Sach-Register.
Retentionacysten 287.
Retina, Gliom ders. 341.
Rhabdomyome, Entstehung 830.
— d. Herzens 881.
— d. Speiseröhre 830.
— d. Uterus 381.
Rhopalocephalus carcinomatodes478.
Riesenzellen, Entstehung ders. 284, 285.
— Vorkommen in Carcinomen 428, 483, 467.
— — im Granulationsgewebe 288, 284.
— in Xanthomen 820.
Riesenzellensarkom 865, 866.
— Entstehung ders. 866.
— kombiniert mit multiplen Exostosen 328.
— d. Aorta thoracica 366.
Rück fa 11 fi eher, chronisches bei Sarko-
matOsen 885.
— — bei Carcinomatösen 519.
Rückenmarkveränderungen bei Magen-
krebs 519.
Rundzelle 276.
Rundzellensarkom 863.
SAureautointoxikation 580.
Sänrestoffwechsel 579.
Säurevergiftung, Chemismus der experi-
mentellen 583.
— bei Carcinomatösen 622.
— bei Diabetes mellitus 611 ff.
— Diagnose ders. 588.
— febrile 621.
— bei intensiver Muskelarbeit 597.
— Pathologie ders. 586.
Salpetersäure zur Entkalkung 13.
Sarkoblasten 249.
Sarkolyten 249.
Sarkom s. auch Angio-, Fibro-, Lympho-,
Melano-, Myxo- und Riesenzellensarkom;
Cylindrom, Endotheliom, Psammom.
— Abgrenzung gegenüber d. Carcinom 351.
— — gegenüber d. Fibrom 352.
— Ätiologie 885, 387.
— Altersdisposition 388, 389.
— Beschaffenheit der Blutgefässe in dens.
352, 858.
— Bösartigkeit ders. 383.
— Entstehung, parasitäre 393.
— — traumatische 392.
— Histogenese 354.
— Überimpfbarkeit auf Tiere 394.
Sarkom, Umwandlung gutartiger Nenbil«
düngen in dass. 395, 896. 897.
— Verhalten des Blutes 884, 385.
— — von Parenchym und Stroma 349, 3o<J.
— Vorkommen von Protozoen in dens. 393.
Sarkomzellen, Struktur der Kerne 855, SoS.
— — d. Protoplasmas 857. 858, 859.
— Teilnngsmodus der 360, 861.
Schilddrüse, Transplantation ders. 254.
— metastasierendes Adenora ders. 420.
Schleimgewebe, Beziehung zum ödema-
tösen Bindegewebe 328.
Schleimhäute, Regeneration der 240.
Schlummerzellen 249, 262, 268,323, 449,
690, 697.
Schnelleinbettung 14.
Sohnellhärtung 14.
Schwellung, trübe 157, 158, 160, 161.
— Kemwanddegeneration und Pyknose dabei
161.
— Verhalten der Altmannschen Granula hei
der 158, 159, 160.
Sekretion, innere 577.
— und Atttointoxikation 635.
Sektionstechnik 5, 701.
— Leitfäden der 698.
Sehnenge webe, Regeneration des 244.
Sehnerv, plexiformes Sarkom des 369.
Skorbut 97.
Spaltpilze, Vorkommen in Carcinomen 472,
511.
— — in Sarkomen 898.
Speiseröhre, Rdabdomyom der 831.
Sphygmomanometer 678.
Sprosspilze, Vorkommen in Carcinomen 472.
Staubmetastaso 116.
Staubzellen 116.
Stoffwechsel, Akte dess., die zur Selbst-
vergiftung führen 577.
— intermediärer. Autoin toxikosen des 577.
— Retardation des 578.
Stoffwechseluntersuchungen bei
Nierenkranken 654.
Struma, metastasierende 420, 507, 509.
Stumpifneurom s. Amputationsnenrom.
Substanz, fieber erregen de; ehem. Natur
ders. 667.
Syphilis, Beziehung z. Carcinom 464.
— — z. Sarkom 398.
Sach-Register.
725
T.
Tachykardie 59, 60, 61.
Teratologie, experimentelle 545.
— Bedeatang der Entwickelungsmechanik
f&r d. 551.
Thrombose 120 if.
Thrombosenbildung, Beteiligung d. roten
BlntkOrper bei ders. 121, 122.
Trachealschleimbant, Osteome der 329.
Transplantation der Haut 253.
— der Knochen 254.
— der Muskeln 254.
— der Nerven 254.
— der Schilddrüse 254.
Transport, retrograder in den Lymphbahnen
126.
— in den Venen 126.
Tranbenmole 324.
TrichloreasigsAure zur Entkalknng 13.
Trioxyphenylsäure 634.
Tuberkel, Histogenese 280.
— Vorkommen von Fibrin in 275.
Tuberkulose, Beziehung zum Carcinom 466,
467, 537, 539.
U.
Urämie, 575, 622, 624.
— Chemie des Blutes dabei 655.
— Entstehung der 641 ff.
— — durch die Aschenbestandteile des Harns
643.
— — durch die Extraktivstoife des Harns
643.
— — durch den Harnstoff 642.
— — durch mangelhafte innere Nierensekre-
tion 651.
— Himanämie bei 645.
— pathologische Anatomie der Nieren bei der
657.
— Symptome der 656.
— mechanische Theorie 645.
üreteritis cystica 288.
— Goccidien dabei 288.
Uterus, Leiomyome des 333.
— Rhabdomyom des 331.
Uteruscar einem, Verhalten der Fundus-
schleimhaut dabei 510.
üterusmyom, Umwandlung in Sarkom 396.
W.
Wachstum, physiologisches 234, 235.
Wärmehaushalt im Fieber 678.
Wärmeregulation, Mechanismus der 670.
Wärmeretention im Fieber 677.
Wanderzellen, Beteiligung der bei der
Regeneration des Bindegewebes 243, 244.
— hämatogene 262.
Wasserplethysmograph 673.
Wasserretention im Fieber 681.
X.
Xanthinbasen 627, 629.
Xanthinbasendyskrasie 628.
Xanthom 319.
— Einteilung 320.
— Heredität 321.
— histologische Struktur 319, 320.
— Multiplizität 320.
— Riesenzellen in 320.
Xanthoma diabeticorum 322.
— generalisatum 319.
Xanthome juvenile et familial 320.
Z.
Zellen, blutkörperchenhaltige 102.
— Spezifizität derselben 235, 236, 440, 520.
— legitin^e Succession der 295.
— erbungleiche Teilung der 520, 567.
Zellnekrose, partielle 142.
Zerfall, körniger 1.56, 157.
Die Herren Professoren Dr Lubarsch (Rostock) und
Ostertag (Berlin) richten als Herausgeber der ^^Ergebnisse
der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie
des Menschen und der Thiere" an die Verfasser von Arbeiten
allgemein pathologischen, bacteriologischen und pathologisch-
anatomischen Inhalts die Bitte, das Unternehmen durch Ueber-
sendung von Separat-Abdrucken ihrer Arbeiten frdl. zu unter-
stützen.
Arbeiten thierpathologischen Inhalts bittet man an Herrn
Professor Dr. Ostertag in Berlin N.W., Thierärztliche Hoch-
schule, alle anderen an Herrn Professor Dr. Lubarsch in
Rostock i. M., Pathologisches Institut, zu senden.
Die Redaktion der „Ergebnisse der Anatomie und
Entwickelungsgeschichte^* richtet an die Herren Autoren
die freundliche Bitte, ihr schwer zugängliche, oder in weniger
verbreiteten Organen erschienene Arbeiten zuzusenden, um
eine Berücksichtigung derselben in den Referaten zu ermög-
lichen.
Fr. Merkel R. Bonnet
anatotn. Institut Götdngen anatotn. Institut GreifswalcL
Die Redaktion des von Prof. Dr. R. Frommel (Er-
langen) herausgegelDenen Jahresberichts richtet an die
Herren Fachgenossen und Forscher, welche zu dessen
Gebiete Gehöriges und Verwandtes publiziren, die ergebene
Bitte, sie durch rasche Uebersendung von Separat-Abdrucken
ihrer Veröffentlichungen sowie durch einschlagende Mittheilun-
gen baldigst und ausgiebigst unterstützen zu wollen.
Arbeiten gynäkologischen Inhalts bittet man Herrn
Prof. Dr. J. Veit, Berlin W. Königin-Augustastr. 12; Arbeiten
geburtshilflichen Inhalts Herrn Prof. Dr. E. Bumm in
Basel zuzusenden.
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Soeben enchien:
Ergebnisse
der
Allgemeinen Ätiologie,
Bearbeitet yon
M. Beck, Berlin; J. Behrens, Earlsnihe; H. Btrcher, Aarau; E. Büchner,
München; M. Casper. Höchst; F. Chvostbk, Wien; J. Csokor, Wien; WM.
P. Dunbar, Hamburg ; W. Ebeb, Berlin ; C, J. Eberth, Halle ; H. Eppinger,
Graz ; £. Finger, Wien ; H. Foth, Berlin; G. Frank, Wiesbaden; E. Fraenkel,
Hamburg; E. Hintze, Halle; J. Honl, Prag; £. Lang, Wien, 0. Lobarsch,
Rostock ; J. Mannabero, Wien ; £. Metsc^nikoff, Paris ; W. Migula, Karls-
ruhe; 0. Minkowski, Strassburg; A. Neisser, Breslau; G. Nobl, Wien;
H. Preisz, Budapest; J. G. Pusch, Dresden; St. von RAtz, Budapest;
G. Ricker, ZQricn; Fr. Roemer, Hamburg; J. Schaffer, Breslau; M. B.
Schmidt, Strassburg; W. Weintraüd, Berlin.
HeraovKeg^eben ron
O. Lubarsch, ^^ R. Ostertag,
Bottock. Berlin.
Inhalt:
I. Innere Krankheitsursaclien.
A. Beeinträchtigung und Fortfall von Organfunktionen als Krank-
heitsursache.
Seite
Vorbemerknnipen von Dr. 0. Lu bar seh, Professor an der Univer-
sität Rostock 3
1. Fortfall und Anderunjc der Schilddrüsenfunktion als Krank-
heitsiirsache. (Myxödem, Morbus Basedowii, Kretinismns.)
Von Dr. H. Bi roher, Direktor des kantonalen Krankenhauses
in Aaran 5
2. Störung der Pankreasfnnktion als Krankheitsursache. (Dia-
betes mellitus.) Von Dr. 0. Minkowski, Professor an der
Universität Strassburg 69
3. Störung der Nebennierenfnnktion als Krankheitsursache.
(Morbis Addissonii.) Von Dr. F. Chvostek, Dozent an der
Universität Wien 100
B. Autointoxikationen als Krankheitsursache.
Vorbemerkungen von Dr. 0. Lubarsch, Profebsor an der Universität
Rostock 109
1 . Durch Autointoxikationen bedingte Nerven- und Geisteskrank-
heiten. Von Dr. 0. Lubarsch, Professor an der Universität Rostock 111
2. Die Pnerperaleklampsie. Von Dr. 0. Lubarsch, Professor an
der Universität Rostock 113
3. Die Gicht. Von Dr. W. Weintraud, Privatdozent an der Uni-
versität Berlin 155
4. Autointoxikation bei Tieren. Von Dr. W. Eber, Professor
an der tierärztlichen Hochschule in Berlin 167
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
IL Äussere Krankheitsursaclien.
A. Allgemeine Mykopatholo^e.
Seite
1. Bakteriologische Teohnik. Von W. Miguia, Professor an der
technischen Hochschule in Karlsruhe 181
2. Morpholo/^ie und Biologie der nicht pathoii^enen Snaltpilze.
Von J. Behrens, Priyatdozent an der technischen Hoehschule
in Karlsruhe , . . 192
8. Infektionswege und Krankheitsdispositioii. Von Dr. 0.
Luharsch, Professor an der üniversit&t Rostock 217
4. Ausscheidung von Spaltpilzen ans dem Tierkörper. Von Dr.
K. H i n t z e y Assistenzarzt der medizinischen PoliKlinik an der
Universität Halle, und Dr. 0. Lubarsch, Professor an der Univer-
sität Rostock 285
5. Über die Immunität bei Infektionskrankheiten mit besonderer
BerUcksichtiicnng der Gellnlartheorie. Von Dr. £. Metsch-
nikoff, Professor am Institut Pasteur in Paris 298
6. Über Immunität bei Infektionskrankheiten mit besonderer
Berücksichtigung der humoralen und chemischen Theorien.
Von Dr. G. Frank, Abteilungsvorsteher am ehem. Laboratorium
in Wiesbaden 344
7. Immunität der Tiere. Von M. C asper, Tierarzt an der bakte-
riologischen Abteilung der Farbwerke in Höchst 401
8. Übertragung von Infektionskrankheiten von Ascendenten
auf Descendenten. Von Dr. 0. Lubarsch, Professor an der
Universität Rostock 427
9. Übertragung der Infektionskrankheiten von Ascendenten
auf Descendenten bei Tieren. Von Dr. J. Csokor, Professor
am K. K. Militär-Tierärztlichen Institut in Wien 456
B. Spezielle Mykopathologie.
1. Eiternnff nnd Eitererre/^er. Von Dr. H. Bu ebner, Professor
an der Universität München, und Dr. Fr. Roemer, Arzt am
Neuen Allgemeinen Krankenhause in Hamburg 463
2. Gonokokken. Von Dr. A. Neisser, Professor an der Universität,
und Dr. J. Schaff er, Assistenz- Arzt an der Klinik fttr Syphilis
und Hautkrankheiten in Breslau 477
3. Spaltpilze bei Erysipel und Gelenkrheumatismus. Von Dr. £.
Fr senk 6 1, Prosektor am Neuen Allgemeinen Krankenhause in
Hamburg 510
4. Brnstseuche. Von H. Foth, Tierarzt in Berlin 518
5. Wildseuche. Von H. Foth, Tierarzt in Berlin 586
6. Milzbrand bei Tieren. Von H. Foth, Tierarzt in Berlin . . 536
Anhang: Über den Milzbrand bei Ratten und Kaninehen. Von Dr.
G.Frank, Abteilungsvorsteher am chem . Laboratorium in Wiesbaden 567
7. Der Milzbrand beim Menschen. Von Dr. 0. Lubarsch, Prof.
an der Universität Rostock, und Dr. G. Frank, Abteilungsvor-
steher am chem. Laboratorium in Wiesbaden 588
8. Typhus. Von Prof. Wm. p. Dunbar, Direktor des Hygienischen
Instituts in Hamburg 605
9. Bacterium coli commune als KrankheitserreK^i* Von Dr.
M. B. Schmidt, Privatdozent an der Universität Strassburg . . 655
10. Spaltpilze bei Pneumonie. Von Dr. J. Honl, I. Assistent am
pathologiBchen Institut der Böhmischen Universität Prag .... 648
11. Iiepra. Von Dr. £. Finger, Professor an der Universität Wien 689
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
12. Venerisches Geschwür nnd Syphilis. Von Dr. E. Lang,
Professor an der Universitftt, and Dr. G. Nobl, Assistenz- Arzt an
der Klinik fttr Hautkrankheiten und Syphilis in Wien 696
18« Menschliche und tierische Psendotnberknlotie. Von Dr. C.
J. ETberth, Professor an der Universität Halle, und Dr. H. Preisz,
Professor an der Universität Budapest 732
14. Schweinerotlanf. Von Dr. H. Preisz, Professor an der Uni-
versität Budapest 738
15. Influenza. Von Dr. M. Beck, Assistenz- Arzt am Institut f&r
Infektionskrankheiten in Berlin 742
16. Tetanns. Von Dr. J. Honl, I. Assistent am pathol. Institut der
Böhmischen Universität Prag 770
17. Malii^nes ödem. Von Dr. J. HonI, I. Assistent am pathol. In-
stitut der Böhmischen Universität Prag 784
18. lIAmorrhaiBcische Infektion. Von Dr. J. Honl, I.Assistent am
pathol. Institut der Böhmischen Universität Prag 793
19. Cholera. Von Prof. Wm. Dun bar, Direktor des Hygienischen
Instituts in Hamburg 804
20. Gasabscesse nnd Gasphle^monen (Phlegmone emphysema-
tosa). Von Dr. J. Honl, I. Assistent am pathol. Institut der
Böhmischen Universität Prag 857
21. Febril» recurrens (Typhns recurrens, Rückfallfleber, Kück-
falltyphns). Von Dr. J. Honl, I. Assistent am pathol. Institut
der Böhmischen Universität Prag 865
22. Die durch Cladothricheen (Sireptothrlcheen etc.) hervorge-
rufenen Erkrankungen. Von Dr. H. Eppinger, Professor an
der Universität Graz 872
23. Spross- und Schimmelpilze beim Menschen. Von Dr. G. Ricker,
Assistent am pathologisch anatomischen Institut der Universität
Zürich 892
24. Schimmelpilze bei Tieren. Von Dr. J. G. Pusch, Professor
an der tierärztlichen Hochschule in Dresden 909
C. Tierische Parasiten.
1. Protozoen« Von Dr. J. Manna borg, Assistenz- Arzt an der
I. med. Klinik der Universität Wien 916
I. Maleria .916
II. Blattern 924
III. Masern, Scharlach 926
2. Tierische Parasiten als Krankheitserreger bei Tieren. Von
Dr. St. V. Ratz, Professor an der K. Ungar. Veterinär- Akademie
in Budapest 929
Die dritte Abteilimg der „Ergebnisse der Allge-
meinen Pathologie und pathologischen Anatomie
des Menschen und der Tiere befindet sich im Druck
und erscheint Anfang des Jahres 1896 unter dem
Titel Ergebnisse der speziellen pathologischen Ana-
tomie und Physiologie.
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Soeben erschien:
Vorlesungen
über
Patliologie nnd Tlierapie der Sypltilis.
Von
Prof. Dr. Eduard Lang,
k. 1c. Primararzt im allgemeinen Krankenhaaae in Wien, Mitglied der Kaieerl. Leopoldtnisch-
Caroliniachen Akademie, anawärtiges Mitglied der Soc. Franc, de Dermat. et de Sypniligr. etc.
Erste Abtheilnng.
Zweite umgearbeitete und erweiterte Auflage.
Mit 84 Abbildungen im Texte.
Preis ML 14.--,
Auszug aus dem Inlialtsverzeicliniss.
L Allgemeiner Tlieil.
A. Entwickelnng der Kenntnisse der venerischen Krankheiten.
I. Periode: Die venerischen ICrankheiten im Alterthum
und Mittelalter.
II. Periode: Contagienlehre der veneriechen Krankheiten
von der Neuzeit (Ende des XV. Sftculums bis
Philipp Ricord.
III. Periode: Contagienlehre der venerischen ICrankheiten
von Philipp Ricord bis auf unsere Tage.
Philipp Ricord. — Experimente. — Tripper wird von Syphilis
ausgeschlossen. — Primäre, sekundäre tertiäre Syphilis. — Dualitäts-
lehre der Franzosen. — Clerc*s ,, Chancroid ''. — Dnalitätslefare der
Deutschen etc. etc.
B. Gegenwärtige Vorstellung von den Contaglen der venerischen
Krankheiten.
C. lieber die durch das Syphiliscontaginm besetzten pathologischen
Veränderungen nnd über Syphilis-Infektion.
IL Spezieller Teil.
Pathologie der acquirirten Syphilis.
Die syphilitische Initialmanifestation nnd diesie beglei-
teudünLymphdrfisenanschwellungen.
Konstitutionelle Syphilis.
Verallgemeinerung des Syphiliscontagiums und das
syphilitische Fieber.
Die syphilitischen Erkrankungen der Haut und des
subkutanen Gewebes — Hautsyphilide.
Papulöses Syphilid; Syphilis papulosa; Knötohensyphilid.
Pustulöses Syphilid; Syphilis pustulosa; Pustelsy ph ilid.
Gummata der Haut und des Un ter hautaellgeweb es;
Syphilis gummosa cutanea et subcutanea; Knoten-
syphilid der Haut und des Unterhautzellgewebes.
Die syphilitischen Erkrankungen der Verdannngsorgane.
Syphilitische Erkrankungen des Athmiingsapparates.
Syphilitische Erkrankungen des Blutgefässsystems.
Veränderungen des Blutes im Verlaufe der Syphilis.
Syphilitische Erkrankungendes Lymphapparates, der Milc, Thymus,
Schilddrüse, Nebenniere nnd der Glandula pinealis.
Syphilitische Erkrankung der Urogenitalorgane.
Syphilitische Erkrankung der Knochen.
Syphilitische Erkrankung der Gelenke, Muskeln, Sehnen, Schleim-
beiitel nnd Fascien.
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Jahresbericht
ttber die
Fortschritte der Thier-Chemie
oder der
Physiologischen und pathologischen Chemie.
Begründet von weil. Prof. Dr. Rieh. Maly.
XXIV. BandTüe^be^Tdäs Jahr 1894.
floniugegebea und redigirt ron
Prof. Dr. M. v. Nencki ^^^ Prof. Rud. Andreasch
in St. Petenbnrg. in Wien.
Unter Mitwirkong tob
Dr. John J. Abel, Univ.-Prof. in Baltimore ; Dr. Hans Buchner, Univ.-Prof.
in München; Dr. Olof Hammar sten, Univ.-Prof. in Upsala; Dr. Erw.
Herter, Univ.-Docent in Berlin; Dr. J. Horbaczeweki, Univ.-Prof. iu Prag;
Dr. Leo Liebermann, Prof. in Budapest; Dr. O. Loew, Univ.-Prof. in Tokio;
Dr. J. Pruszy fiflki in Warschau; Dr. 6. Rosenfeld in Breslau; Dr. A. Samoj-
loff in Moskau; Dr. £. Wein, 1. Assistent an der kgl. bajer. landw. Central-
Versuchsstation in München ; Dr. H. Z ee h u i s eu , Militärarst 1. Kl. in Amsterdam.
Preis ca. Mark 22.—.
Inhalt: EiweigstofPe und verwandte Körper. — Fett, Fettbildan^
and Fettresorption. — Kohlehydrate. — Verschiedene Körper. — Blut.
— Milch. — Harn nnd Eiweiss. — Verdannng. — Leber und Galle. —
Knochen nnd Knorpel. — Mnskel und Nerven. — Verschiedene Organe.
— Niedere Thiere. — Oxydation, Respiration, Perspiration. — Ge-
sammtstofifwechsel. — Pathologische Chemie. — Enzyme, Fermentor-
ganismen, Fanlniss, Desinfektion. — Toxine, Toxalbnmie, Bakterien-
proteYne, Alexine, Antitoxine, Immnnisirnng, Heilnng. — Sachregister.
— Antorenregister.
Soeben erBdüen:
Weitere
Beiträge zur Blutlehre.
Von
Dr. Alezander Schmidt,
ProfMsor ord. der Physiologie tn der kaiserl. Universität Dorpat.
Nach des Verfassers Tode herausgegeben.
In halt:
I. Ueber den kolloidalen Faserstoff.
II. Ueber die Abspaltung des Thrombins von seiner unwirksamen Vorstufe
(Prothrombin) und die Beeinflussung dieses Vorganges durch die Neutral-
salze der Alkalien und Erdalkalien.
III. Ueber die angebliche spezifische BedemuQg der Kalksalze für die Faser-
stoffgerinnung.
IV. Ueber die Abhängigkeit der Mengen des Faserstoffes von gewissen äusseren
die Gerinnung beeinflussenden Einwirkungen.
V. Zur Kenntnis des Protoplasmas und seiner Derivate.
iVcM Mk 7.—.
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
fiesammelte Abhandlungen aus der medicinischen Klinik zu Dorpat.
lierauBgegebeu vou Prof. Dr, 11. Unterricht, ehemaligem Direktor der
Klinik, jetzigem Direotor des KrankenbauBes Magdebarg-Sudenburg. K. R.-
Staatsrath. Mit 7 Tafeln. M. 16.—
Inhalt: Kueik, Experimentelle Studien über die corticale Innerration
der Rumpfmuakulatur. — Wieting, Zur Physiologie der intracorticalen
Ganglien und über die Beziehungen derselben zum epileptischen Anfall.
— Tochtermann, Ueber die Circulationsstöniugen im epileptischen
Anfall. — Vierhuff, Ueber absteigende Degeneration nach einseitigen
Hirn- und Rückenmarksverletzungen. — Lunin, Zur Diagnostik der Trans-
und Exsudate mit Hilfe der Bestimmung des spec. Gewichts. — Spehl-
mann y Ein Beitrag zur Kenntniss der Lingua geographica. — Radomski,
Die llarncylinder im eiweissfreien Urin. — Bruttan, Ein Beitrag zur
Casuistik der centralen Gliose des Rückenmarks (Syringomjelie). — Gotard,
Ueber die Auslösung von Reflexen durch Summation elektrischer Hautreize.
— Szupak, Experimentelle Untersuchungen über die Resorption der
Pneumothoraxluft. — Krebs, Ueber die Atbmungsbewegungea bei den
verschiedenen Formen des Pneumothorax. — Orlowski, Ein experimen-
teller Beitrag zur Kenntniss der Einwirkung des Atropins auf die Respi-
ration. — Ost, Beiträge zur Bestimmung der Gapacität des Magens.
Zur Theorie der Harnsäurebildung im Säugethierorganismus. Von Dr.
J. Horbaczewski, Professor au der böhmischen Universität Prag.
M. —.80.
Die Verdauungsfermente beim Embryo und Neugeborenen. Von Dr.
med. Fr. Krüger, Privatdozeot an der Universität Dorpat. M. 3.60.
Die Zuckerharnruhr. Von Prof. Dr. W. Ebstein, Geh. Med.-Rath n. Director
der med. Klinik in Göttingen. M. 7.60.
Die acuten Lungenentzündungen als Infectionsicranicheiten. Nach eigenen
Untersuchungen bearbeitet von Prof. Dr. P i n k 1 e r , Leiter der medicin.
Universitäts-Puliklinik, dirigirender Arzt am Friedrich-Wilhelms^Hospital
zu Bonn. M. 13.60.
Beiträge zur Struktur und Entwickelung des Carcinoms. Von e.
Noeggerath, M. D. Prot. emer. d. New-York Med. College. Mit 108 Ab-
bildungen auf 3 Tafeln in Farbendruck. M. 15.~
Die PtomaTne oder Cadaver-Alkalo'fde. Von Dr. h. Oeffinger. Gross-
herzogt. Badischer Bezirksarzt. M. 1.60.
Beiträge zur Reinisolirung, quantitativen Trennung und chemischen
Charakteristik von Alkaloiden und glycosidartigen Körpern in
forensen Fällen, mit besonderer Rücksicht auf den Nachweis derselben in
verwesenden Cadavern. Von Dr. Karl Kippenberger, Privatdocenten
am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich. M. 1.60.
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Archiv für Augenheilkunde in dentscher und englischer Sprache. Heraus-
gegeben von Prof. Dr. H. Knapp in New- York und Geh. Med.-Rath Prof.
Dr. C. Schweigger in Berlin, für den Litteraturbericht Prof. Dr. C. Horst-
mann in Berlin. (Bis jetzt erschienen 31 Bände.) Preis pro Band yon
4 Heften M. 16.—
Jahresbericht über die Fortschritte der physiologischen und patho-
logischen Chemie. Begründet yon weil. Prof. R. Maly (Prag), fortgesetzt
von Prof. V. Nencki (Petersburg) und Prof. Andreasch (Wien). Jährlich
ein Band. (Bis jetzt erschienen 23 Bände.)
Therapeutische Leistungen. Ein Jahrbuch für praktische Aerzte. Heraus-
gegeben von Dr. Arnold Pollatschek in Karlsbad. Jährlich ein Band.
(Bis jetzt erschienen 6 Bände.)
Zeitschrift für analytische Chemie. Herausgegeben von Geh. Hofrath Prof.
Dr. C. B. Fresenius und Prof. Dr. H. Fresenius in Wiesbaden. (Bis jetzt er-
schienen 34 Hände.) Jährlich ein Band von 6 Heften. Preis pro Band M. 18. —
Zeitschrift für Ohrenheilkunde in deutscher und englischer Sprache. Heraus-
gegeben von Prof. Dr. H. Knapp in New- York und Prof. Dr. S. Moos in
Heidelberg. (Bis jetzt erschienen 27 Bände.) Preis pro Band von 4 Heften M. 16. —
Verhandlungen des Kongresses für Innere Medicin. Herausgegeben von
Geh. Rath Prof. Dr. E. Leyden in Berlin und San.-Hath Dr. Emil Pfeiffer
in Wiesbaden. XHI. Kongress, gehalten zu München vom 2.-5. April 1895.
M. 12.—
Arbeiten aus Anatomischen Instituten, unter Mitwirkung von Fachge-
nossen herausgegeben von Prof. Dr. Fr. Merkel in Göttingen und Prof. Dr.
R. Bonne t in Greifswald. (Anatomische Hefte erste Abtheilung.) Bis jetzt
erschienen 17 Hefte.
Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte. unter Mitwirk-
ung von Fachgenossen herausgegeben von Prof. Merkel in Göttingen und
Prof. B o n n e t in Greifswald. Anatomische Hefte zweite Abtheilung. Jährlich
erscheint ein Band. (Bis jetzt erschienen 4 Bände.)
Ungarisches Archiv für Medicin. Kedigirt von Dr. A.B6kai, Dr.F.Kiug,
Dr. O. Pertik, Professoren und Dr. W. Goldzieher, Privatdocent an der
Universität Budapest. Erscheint in zwanglosen Heften von 4 — 5 Bogen Stärke.
Vier Hefte bilden einen Band. Preis pro Band M. 16. —
Jahresbericht über die Fortschritte der Geburtshilfe und Gynäkologie.
Unter Mitwirkung von Fachgenossen und unter der Redaktion von Prof. Dr. E.
Bumm in Basel und Prof. Dr. J. Veit in Berlin. Herausgegeben von Prof.
Dr. Fromme 1 in Erlangen. Jährlich ein Band. (.Bis jetzt erschienen 7 Bände.)
Zeitschrift für vergleichende Augenheilkunde. Herausgegeben von Prof.
Dr. J o s. B a y e r in Wien, Prof. Dr. R. B e r 1 i n in Rostock, Prof. Dr. O. E v e r s-
busch in Erlangen und Prof. Dr. Schleich in Stuttgart. -(Bis jetzt er-
schienen 7 Bände ä 2 Hefte) ä Heft M. 2.—
Um den neu eintretenden Abonnenten die Anschaffung der früher
erschienenen Bände zu erleichtern, erklärt sich die Verlagsbuchhand-
lung bereit, bei Bezug einer grösseren Reihe von Bänden von obigen
Zeitschriften ganz besondere Vortheile zu gewähren.
Neuester Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Ergebnisse
der
Anatomie und Entwickelungsgeschichte.
Unter Mitwirkung von D. Barfurth, Dorpat; R. Bonnet, Giessen; 6. Born,
Breslau; A. von Brunn, RoBtock;* J. Disse, Halle; C. J. Eberth, Halle;
W. Flemming, Kiel; A. Froriep, Tübingen; F. Hoohstetter, Wien;
Fr. Merkel, Göttingen; Henry F. Osborn, New-York; J. Rücker i,
München; L. 6t ied a, Königsberg; C. Toldt, Wien; C. Weigert, Fraukfnrt,
herausgegeben
Ton
Fr. Merkel in Göttingen und R. Bonnet in Greifswald.
Dritter Band: 1893. Mai^ 20.
Inhalt:
I. Teil; Anatomie.
Technik von G. Weigert, Frankfurt. — Zelle, Morphologie der Zelle
und ihrer Teilungserscheinungen von W. F lern Dl in g, Kiel. — Regeneration
und Involution von D. Barfurth, Dorpat. — Allgemeine Anatomie tod
J. Disse, Halle. — Oirkulationsorgane, sogenannte BlutgeOlssdrüsen von
C. J. Eberth, Halle. — Verdauungsorgane von A. v. Brunn, Rostock.
— Bauchfell und Gekröse von C. Toldt, Wien. — Respirationsapparat
von Fr. Merkel, Göttingen. — Sinnesorgane von Fr. Merkel, Göttingen.
— Topographische Anatomie von Fr. Merkel, Göttingen. — Bericht fiber
die russische Litteratur (Anatomie, Histologie, Embryologie der letzten Jahre)
von L. Stieda, Königsberg.
II. Teil; Entwickelungsgeschichte.
Entwickelungsgeschichte des Kopfes von A. Froriep, Tübingen. —
Entwickelung des Venensysiems der Wirbeltiere von F. Hochstetter, Wien.
— Entwickelung der Ableitungswege des Urogenitalapparates und des Dammes
bei den Säugetieren von G. Born, Breslau. — Die Chromatinreduktiou bei
der Reifung der 8ezualzellen von J. Rücker t, München. — Alte und neue
Probleme der Phylogenese von Henry F. Osborn, New-York.
Früher erschienen:
Erster Band: i8gi. Preis M. 25.
Zweiter Band: i8ga. Preis M. 25.
Soeben ist erschienen:
Vorlesungen
über
allgemeine Embryologie
von
Dr. R. S. Bergh,
Dozent der Histologie nnd Embryologie an der ÜniversitAt Kopenhagen.
Mit 126 Figuren im Text,
Preis 7 Mk.
C. W. Kreidel's Verlag in Wiesbaden.
In Knrzein enebeint:
Naturwissenscliaftliclie
Einführung in die Bakteriologie.
Von
Dr. Ferdinand Hueppe,
Profetgor der Hygiene an der deattohen Uoivereitftt za Prag.
Mit 28 HoUwhnUUn im Texte, Preis ea, M, 5,—.
Mit diesem Werke bietet der VerfasBer als Erster eine zusammenfassende
Darstellung der Bakteriologie, die sich grundsätzlich und durchgreifend auf den
naturwissenschaftlichen Gesichtspunkt stützt, um die Lehre von den
Ursachen der Fftulniss, Gfthrungen und Seuchen und deren Verhütung und Be-
kämpfung frei von aller Ontologie zu entwickeln. Diese erste «treug mechanische
und monistische Darstellung der Bakteriologie wird als Ergänzung anderer Werke
willkommen sein und sich als zuverlässiger Führer für alle bewähren,
welche sich naturwissenschaftlich mit den Standpunkten und Fortschritten
der Bakteriologie vertraut machen wollen.
Die Methoden
der
Bakterien-Forschung.
Handbuch der gesammten Methoden der Mikrobiologie.
Von
Dr. Ferdinand Hueppe,
Professor der Hygiene an der Dentachen Universität sa Prag.
FQnfte verbesserte Auflage.
Mit 2 Tafeln in Farhendruck und 68 Holzschnitten.
Preis: M. 10.65, gebunden M, 12.—,
Die
Formen der Bakterien
und ihre Beziehungen
za den.
Gattungen und Arten.
Von
Dr. Ferdinand Hueppe,
ProfSessor der Hygiene an der Deatsohen Unirersitftt zq Prag.
Mü 24 Holzschnitten, Oehe/tet, Preis M, -/.— .
Neuester Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Soebeu erBcblen:
Handatlas
der
Sensiblen und Motorischen Gebiete
det
Hirn- und Rüekenmarksnerven.
Von
Prof. Dr. C. Hasse,
Geh. M«d.-Rath und Direktor der Kgl. Anatomie so Bretl&a.
Mit 36 Tafeln,
geb. M. 12.60.
I. Abteilnng;
Psyoho-sensible Gühirn-Territorien. Taf. I/II. — Seasible Territorien des
ICopfes. III/IV. — Sensible Territorien der Kopf- und Halsböhlen. V/VI.
— Sensible Territorien des äusseren und mittleren Ohres. VII /VI II. —
Sensible Territorien des Rumpfes. IX/X. — Sensible Territorien der oberen
Extrerait&t. XI. — Sensible Territorien der Beckenorgane. XII. — Sensible
Territorien der äusseren Geschlechtsteile. XIII. — Sensible Territorien der
unteren Extremität. XIV/XV. — Sensible Territorien der serösen Uöhlen.
XVI. — Sensible Territorien der Extremitäten-Gelenke. XVII/XVIII.
II. Abteilnng;
Psycho-motorische Gehirn-Territorien. Taf. XIX/XX. — Motorische Terri-
torien der Augenhöhle und des Mittelohrs. XXI. — Motorische Territorien
des Kopfes. XXII/XXIII. — Motorische Territorien des Gaumens, Rachens,
Kehlkopfes, Halses. XXIV/XXV. — Motorische Territorien des Rumpfes.
XXVI/XXIX. — Motorische Territorien der Brust- und Baucheingeweide.
XXX. — Motorische Territorien der männlichen und weiblichen Becken-
organe. XXXI. — Motorische Territorien des männlichen und weiblichen
Dammes. XXXII. — Motorische Territorien der unteren Extremität.
XXXIU/XXXIV. — Motorische Territorien der oberen Extremität. XXXV,
XXXVl.
Auf 36 farbigen Tafeln giebt der Verfasser, dessen Name für die
Genauigkeit der Darstellung volle Gewähr bietet, sehr übersichtliche und deut-
liche Bilder, welche die Ausbreitung der einzelnen sensiblen Nerven an der Haut-
Oberfläche und den inneren Theilen, sowie die Vertheilung der motorischen
Nerven in die eiuselnen Muskeln zur Anschauung bringen. Auch die Eintritts-
stelle der Nerven in die Haut resp. in die Muskeln ist durch besondere Zeichen
kenntlich gemacht. Besonders dankenswerth sind die Tafeln, welche die sensible
Innervation der Gelenkflächen verzeichnen. Mehrere Tafeln sind auch der
Vertheilung der motorischen und sensorischen Centren an der Gehimoberfläche
gewidmet.
Ref. zweifelt übrigens nicht, dass der Hasse *sche Atlas auch in
seiner jetzigen schönen und zweckmässigen Ausstattung sich bald bei den
Nervenärzten und in den Kliniken einbürgern und sich oft als werthvolles Hülfs-
mittel bei der Kraukenuntersuchung erweisen wird.
Strümpell in der Deutschen Zeüachrift für Nervenkcilkunde.
2 7I5 6 1 /n
S'
FOR REFERENCE
NOT TO BE TAKEN FROM THE ROOM
CAT. NO. 93 Oia