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Full text of "Ergebnisse der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie"

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ERGEBNISSE 


DER 


ALLGEMEINEN  PATHOLOGIE 


UND 


DES 


MENSCHEN  UND  DER  TIERE. 


UNTER  MITWIRKUNG  VON  FACHGENOSSEN 

HERAUSGEGEBEN  VON 

O.  LUBARSCH  und  R.  OSTERTAG 

A.   O.   PROFESSOR  DBR  PATHOL.  ANATOBnB  PROFESSOR  AN  DER  TIERARZTLICHRN 

AN  DER  UNIVERSITÄT  ROSTOCK  HOCHSCHULE  IN  BERLIN. 


ZWEITE  ABTEILUNG. 


HIT  TEXTABBILDUNGEN. 


WIESBADEN. 

VERLAG    VON    J.    P.    BERGMANN. 

1895. 


ERGEBNISSE        ^■^:^^^,, 


DER 


ALLGEMEINEN  PATHOLOGISCHEN 

MORPHOLOGIE  und  PHYSIOLOGIE 


D£8 


MENSCHEN  und  der  TIERE. 


BEARBEITET  VON 

KALBRECHT,  mükchkn;  L.  ASCHOFF,  oöttinoen;  K.  BENDA,  bbrlin;  C.  J.  EBERTH 
halle;  G.  HONIG  mann,  Wiesbaden;  FR.  KRAUS,  graz;  0.  LÜBARSCH,  Rostock;  E. 
MARCKWALD,  halle;  F.  MARTIUS,  Rostock;  R.  OSTERTAG,  bkrlin;  R.  PALTAUF, 
niEN;  S.  SAMUEL,  Königsberg;  C.  SCHIMMELBUSCH,  bkrlin;  H.  SCHMAUS,  München; 
M.  B.  SCHMIDT,  strassburg;  A.  THIERFELDER,  Rostock. 


HERAUSGEGEBEN  VON 


O.  LÜBARSCH  und  K  OSTERTAG 

ROSTOCK.  BSBUN. 


MIT  TEXTABBILDUNGEN. 


•^C  r  >r  ^'-  '^  /         N/  ^ 


WIESBADEN. 

VERLAG    VON     ^F.    BERGMANN. 


Alle   Rechte   vorbehalten. 


Druck  der  kgl.  UniTersitfttadmckerei  von  H.  Stflrti  in  'Wfirsborg. 


Vorwort. 


Das  Unternehmen,  welches  hiermit  zum  erstenmale  an  die  Öffent- 
lichkeit tritt,  ist  in  seiner  vorliegenden  Form  mit  hervorgerufen  durch  die 
von  Fr.  Merkel  und  R.  Bonn  et  begründeten  „Ergebnisse  der  Anatomie 
und  Entwickelungsgeschichte''.  Aber  diese  Anlehnung,  welche  sachlich  be- 
gründet iflt  in  der  Trefflichkeit  und  Zweckmässigkeit  der  von  Merkel 
und  Bonnet  gewählten  Form  der  Jahresberichte,  ist  nicht  die  innere 
Ursache  unseres  Unternehmens.  Schon  lange  hatten  wir  es  als  ein  Be- 
dürfnis empfunden,  einerseits  das,  was  auf  dem  Gebiete  unserer  Wissen- 
schaften geleistet  und  in  vielen  einzelnen  Zeit-  und  Wochenschriften  nieder- 
gelegt ist,  übersichtlich  und  kritisch  gesichtet  zusammenzufassen,  anderseits 
eine  innigere  Verknüpfung  zwischen  der  menschlichen  und  tierischen  Patho- 
logie anzubahnen.  Das  Bedürfnis  schien  uns  in  jeder  Beziehung  vorzuliegen, 
überall  wird  in  der  medizinischen  Wissenschaft  über  Spezialisierung  und 
Zersplitterung  lebhafte  Klage  geführt;  aber  nirgends  erscheint  die  Klage  so 
berechtigt,  nirgends  sind  die  Folgen  so  fühlbar,  wie  in  der  allgemeinen 
Pathologie  und  pathologischen  Anatomie.  Denn  gerade  hier  fehlt  jede  auch 
nur  äusserliche  Centralisierung.  W^as  in  der  Anatomie  und  Physiologie 
wenigstens  einigermassen  durch  Spezial- Jahresberichte,  was  in  diesen 
Zweigen  der  Wissenschaft  und  den  praktischen  Fächern  der  Medizin  durch 
Spezialkongresse  an  CentraHsierung  und  Zusammenfassung  des  Arbeitsstoffes 
gewonnen  werden  konnte,  war  bezüglich  der  allgemeinen  Pathologie,  wo  der- 
gleichen Einrichtungen  fehlen,  nicht  zu  erreichen.  Und  das  muss  um  so 
störender  empfunden  werden,  als  das  Gebiet  gerade  dieses  Wissenzweiges 
ein  ungemein  ausgedehntes,  überall  mit  den  theoretischen  und  praktischen 
Fächern,  sowie  den  Hilfswissenschaften  der  Medizin  in  Berührung  tretendes 
ist;  bildet  die  allgemeine  Pathologie  doch  geradezu  die  Theorie  der  ge- 
samten Lehre  von  den  krankhaften  Lebenserscheinungen.  —  Hierdurch 
ist  es  auch  begründet,  dass  nicht  nur  eine  äusserliche,  sondern  auch  inner- 


VI  Vorwort. 

liehe  Centralisation  fehlt.  Überall,  wo  sich  eine  medizinische  Arbeit  über 
das  Niveau  blosser  Kasuistik  erhebt  und  nicht  rein  therapeutischen  Zwecken 
zustrebt,  tritt  sie  in  Beziehungen  zur  allgemeinen  Pathologie,  und  hierin  ist 
es  innerlich  begründet,  dass  eine  nicht  geringe  Reihe  wichtiger  allgemein 
pathologischer  Arbeiten  auch  in  den  verschiedensten,  in  erster  Linie  der 
praktischen  Medizin  gewidmeten  Fachschriften  zerstreut  ist.  Nicht  nur 
die  offiziellen  Vertreter  der  allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen 
Anatomie  arbeiten  an  dem  Lehrgebäude  der  Wissenschaft,  sondern  von 
allen  Seiten  werden  überreichlich  Bausteine  herangetragen,  ja  einzelne  Teile 
drohen  immermehr  ganz  in  die  Hände  der  Spezialisten  zu  fallen.  So  sehr 
es  anerkannt  werden  muss,  dass  die  Wissenschaft  selbst  dadurch  erheblich 
gefördert  werden  kann  —  wir  verweisen  nur  auf  die  Gehimpathologie,  welche 
in  der  neuesten  Zeit  fast  ausschliesslich  von  Psychiatern  und  Neurologen  ge- 
fördert worden  ist  —  so  sehr  wird  es  doch  gerade  hierdurch  erschwert,  den 
Gesamtüberblick  über  das  grosse,  stets  wachsende  Wissenschaftsgebiet  zu  be- 
halten. Hierzu  kommt,  dass  die  Ausbildung  der  wissenschaftlichen  Methodik 
eine  Höhe  erreicht  hat,  welche  erstlich  die  Mitarbeiterschaft  auf  unserem  Ge- 
biete wesentlich  erleichtert  und  somit  eine  viel  grössere  Anzahl  von  Arbeits- 
kräften heranzieht,  zweitens  aber  auch  zur  Detailforschung  geradezu  ver- 
führt. Zu  den  bisherigen  Hilfsmitteln  der  Pathologie,  der  mikroskopischen, 
experimentellen  und  chemischen  Untersuchungsmethode,  deren  allgemeine 
Benutzung  wesentlich  den  Bemühungen  Rudolf  Virchows  zu  verdanken 
ist,  ist  in  der  neueren  Zeit  die  bakteriologische  Forschung  getreten,  w^elche 
zur  Voraussetzung  eingehende  Kenntnis  der  Pflanzenphysiologie  verlangt, 
und  schon  sehen  wir  uns  gezwungen,  in  dem  Streben,  neue  Krankheits- 
erreger zu  finden,  uns  in  eines  der  schwierigsten  Kapitel  der  Zoologie  zu 
vertiefen,  wenn  nicht  schlimmer  Dilettantismus  die  Oberhand  gewinnen 
soll.  Die  alten  Methoden  haben  zugleich  unsere  Einzelkenntnisse  derartig 
erweitert  und  vertieft,  dass  Spezialforschung  und  Speziallitteratur  ein  kaum 
noch  zu  übersehendes  Gebiet  darstellen.  Schon  beginnt  auch  in  der  Patho- 
logie eine  eifrige  Erforschung  der  Bestandtteile  der  Zelle  und  des  Kerns, 
welche  zunächst  nur  unsere  Einzelkenntnisse  zu  vermehren  geeignet  ist, 
und  die  experimentelle,  chemische  und  bakteriologische  Forschung  hat  bereits 
ungeheuerliche  Dimensionen  angenommen.  Besonders  ist  auf  letzterem 
Gebiete  die  Kasuistik  zu  einer  Höhe  angeschwollen,  dass  es  wohl  kaum 
noch  möglich  ist,  in  das  Chaos  „neuer"'  Bacillen,  Kokken  und  Spirillen 
Klarheit  zu  bringen,  während  gerade  die  auf  allgemeine  Erkenntnis  ge- 
richteten Forschungen  darniederliegen  oder  sich  in  etwas  bedenklicher 
Richtung  bewegen. 

Bei  diesem  Stand  der  Dinge  könnte  es  unnötig  erscheinen,  für  unser 
Unternehmen  noch  eine  weitere  Begründung  zu  geben;  um  so  mehr,   als 


Vorwort.  VII 

es  bis  jetzt  keine  Fachzeitschriften  giebt,  in  denen  in  ähnlicher  Weise,  wie 
es  hier  versucht  werden  soll,  das  Gesamtgebiet  und  die  Gesamtergebnisse 
der  pathologischen  Forschung  zusanjmengefasst  werden.  Denn  wenn  auch 
einzelne  vorwiegend  referierende  Zeitschriften  von  Zeit  zu  Zeit  zusammen- 
fassende Referate  veröffentlichen,  so  erstreckt  sich  das  doch  meistens 
nur  auf  Fragen,  die  gerade  unmittelbar  im  Vordergrund  des  Interesses 
stehen.  Aber  man  könnte  wohl  fragen,  ob  der  Zeltpunkt  ein  geeigneter, 
und  ob  nicht  gerade  viele  Fragen  noch  derartig  in  Fluss  sind,  dass  von 
„Ergebnissen"  kaum  die  Rede  sein  kann.  Wenn  dem  selbst  so  wäre,  so 
würde  das  die  Zwecke  unserer  „Ergebnisse  der  allgemeinen  Pathologie" 
keineswegs  beeinträchtigen.  Denn  durch  die  zusammenfassenden  kritischen 
Essays  über  sämtliche  Fragen  der  allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen 
Anatomie  wird  auch  eine  Mitarbeiterschaft  an  der  Lösung  der  Fragen 
geleistet,  und  somit  würde  selbst  dort,  wo  die  Ergebnisse  bis  jetzt  gering- 
fügig oder  unklar  sind,  durch  die  kritische  Darstellung  des  bisher  Er- 
reichten ein  Fortechritt  angebahnt  werden.  —  Aber  es  will  uns  dünken, 
als  ob  der  gegenwärtige  Moment  besonders  geeignet  ist;  denn  die  Krisis, 
in  welche  die  allgemein  pathologische  Forschung  durch  den  Aufschwung 
der  bakteriologischen  Untersuchungen  geriet,  erscheint  trotz  des  Einflusses 
der  herrschenden  bakteriologischen  Schule  überwunden.  Der  Traum  un- 
klarer Köpfe,  dass  sich  die  schwierigsten  Fragen  der  Pathologie  durch 
den  Nachweis  der  Bakterien  geradezu  spielend  lösen  lassen  würden,  ist 
ausgeträumt  und  wenn  selbst  noch  in  neuester  Zeit  in  unwissenschaft- 
licher Weise  der  Versuch  gemacht  worden  ist,  einen  humoralpathologischen 
Trumpf  gegen  die  Lehre  von  der  Cellularpathologie  auszuspielen,  so  haben 
gerade  diese  Arbeiten  unfreiwilligerweise  den  überzeugendsten  Beweis 
geführt,  dass  wir  ohne  die  Zellenlehre  nicht  auskommen  können.  Und 
wenn  auch  den  Herausgebern  nichte  femer  liegt,  als  die  Mitarbeiter  be- 
einflussen oder  nach  ihrer  Stellung  zur  Cellularpathologie  aussuchen  zu 
wollen,  so  sind  wir  doch  der  festen  Überzeugung,  dass  die  sachlichen  Er- 
gebnisse unserer  Wissenschaft  die  Wichtigkeit  und  Unentbehrlichkeit  der 
cellularpathologischen  Lehre  von  neuem  in  glänzendstem  Lichte  erscheinen 
las-sen  werden.  Freilich  glauben  wir  auch  nicht,  dass  die  Cellularpathologie 
ein  für  alle  Zeiten  unveränderliches  Fundament  darstellen  wird,  aber 
bis  jetzt  bilden  die  von  den  Begründern  der  Zellentheorie  geschaffenen 
und  später  vervollkommneten  Lehren  die  einzig  sicheren  Grundlagen  jeder 
morphologischen  und  biologischen  Wissenschaft.  — 

Was  die  Behandlung  des  gesamten  Stoffes  anbetrifft,  so  war  es  unser 
Bestreben,  ein  sachlich  möglichst  vollständiges  Bild  vom  jetzigen  Stande 
unserer  Wissenschaft  zu  geben,  und  es  musste  deswegen  vielfach  auch  auf 
frühere  Jahrgänge  zurückgegriffen  werden.     Sollte  unser  Zweck,  im  ersten 


Vni  Vorwort. 

Jahrgang  ein  Werk  zu  schaffen,  das  in  gewisser  Beziehung  ein  Handbuch 
der  Pathologie  ersetzen  kann,  erreicht  werden,  so  durfte  nicht  mehr  väe 
unbedingt  nötig  der  Ausdehnung  der  einzelnen  Aufsätze  Zwang  angethau 
werden,  und  es  ergab  sich  hieraus  die  Notwendigkeit,  den  ersten  Jahrgang 
in  einzehien  Abteilungen  erscheinen  zu  lassen. 

Es  ist  die  Einteilung  in  der  Weise  vorgenommen  worden,  dass  in  der 
ersten  Abteilung  die  allgemeine  Ätiologie,  in  der  zweiten  die 
allgemeine  pathologische  Morphologie  und  Physiologie, 
und  in  der  dritten  die  spezielle  pathologische  Anatomie  uud 
Physiologie  behandelt  wird;  wo  im  emzelnen  von  den  gebräuch- 
Uchen  Einteilungen  abgewichen  ist,  findet  sich  eine  besondere  Be- 
gründung im  Text  vor.  Wir  hegen  aber  keinen  Zweifel,  dass  der 
Umfang  des  Werkes  bereits  im  zweiten  Jahrgang  erhebUch  vermindert 
werden  kann,  so  dass  das  Erscheinen  in  einem  Bande  ermöglicht  wird; 
freiUch  werden  einzelne  Kapitel,  deren  Bearbeitung  bereits  für  den  ersten 
Jahrgang  beabsichtigt  war,  erst  im  nächsten  Jahre  aufgenommen  werden 
können.  Denn  unser  Bestreben,  schon  im  ersten  Jahrgang  in  annähernder 
Vollständigkeit  sämtliche  Fragen  unserer  Wissenschaft  zu  behandeln,  ist  aus 
verschiedenen  Gründen  nicht  ganz  durchführbar  gewesen.  So  müssen  wir 
namentlich  um  Entschuldigung  bitten,  dass  das  Kapitel  über  die  Biologie 
der  pathogenen  Spaltpilze  ganz  ausgefallen  ist,  da  Herr  Prof.  Hueppe  in- 
folge schwerer  Erkrankung  an  der  Abfassung  verhindert  wurde,  und  das- 
jenige über  die  Biologie  der  nichtpathogenen  Spaltpilze,  welches  Herr  Privat- 
dozent Dr.  Behrens  in  Karlsruhe  erst  sehr  spät  mit  grosser  Bereitwillig- 
keit übernahm,  in  mancher  Beziehung  noch  unvollständig  bleiben  musste. 
Das  Fehlen  einiger  anderer  Kapitel  möge  dadurch  entschuldigt  werden, 
dass  einige  der  Herren  Mitarbeiter  noch  in  letzter  Zeit  —  zum  Teil  durch 
Krankheit  —  verhindert  wurden,  ihre  Berichte  in  diesem  Jahre  einzusenden 
und  sie  bis  zum  nächsten  Jahrgang  zurückstellten.  — 

Da  die  Form  der  kritischen  Berichte  es  mit  sich  bringt,  dass  sachUche 
Angriffe  gegen  manche  Autoren  gerichtet  werden,  muss  selbstverständlich 
den  Angegriffenen  die  Möglichkeit  der  Erwiderung  gegeben  werden.  Es 
scheint  uns  dies  am  besten  in  der  Weise  einzurichten  zu  sein,  dass  etwaige 
Erwiderungen  in  jedem  folgenden  Jahrgang  bei  dem  betreffenden  Kapitel 
zur  Aufnahme  gelangen. 

Wir  geben  uns  der  Hoffnung  hin,  dass  die  innere  Berechtigung  unseres 
Unternehmens  in  weiteren  Kreisen  Anerkennung  finden  und  uns  noch 
mehr  Mitarbeiter,  wie  bisher,  zuführen  wird.  — 

Otto  Lubarsch.    Robert  Ostertag. 


Inhalts-Verzeichnis. 


MtB 

I.  Teohnik. 

Technik.    Von  Dr.  0.  Labarsch,  Professor  an  der  Universität  Rostock     ....        3 

IL  Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs, 

A.  Allgemeine  Kreislaufstörungen. 

AU^emeine  Kreislanfstönuigen.    Von  Dr.  F.  Martins,   Professor  an  der  Uni- 
versität Rostock 38 

B.  Spezielle  Kreislaufstörungen. 

1.  Entzündung.    Von  Dr.  S.  Samuel,  Professor  an  der  Universität  Königsberg  64 

2.  Hämorrhagie  und  Pigmentbildang.     Von  M.  B.  Schmidt,  Privatdozent  an 

der  Universität  Strassburg  i.  E 93 

I.  Hämorrhagie 93 

II.  Pigmentbildung 100 

3.  Thrombose  und  Embolie.    VonC.  J.  Eberth,  Professor  an  der  Universität  Halle  118 

4.  Metastase.    Von  0.  Lubarsch,  Professor  an  der  Universität  Rostock    ....  128 

III.  Allgemeine  Pathologie  der  Ernährung. 
A.  Regressive  Ernährungsstörungen. 

1.  Nekrose  und  Nekrobiose.     Von  Dr.  H.  Schmaus,   Privatdozent  an  der  Uni- 
versität München  und  E.  Alb  recht,  cand.  med.  in  München 137 

t,  Atrophie.    Von  Dr.  H.  Schmaus  und  E.  Albrecht,  cand.  med.  in  München  .     149 
3.  Degenerationen.     Von  Dr.  H.   Schmaus  und   E.  Albrecht,  cand.  med.  in 
München  u.  0.  Lubarsch,  Professor  an  der  Universität  Rostock 151 

A.  Vakuoläre  —  fettige  Degenerationen.    Von  Dr.  H.  Schmaus  und 

E.  Albrecht,  München 151 

B.  Physiologische   Degenerationen.     Von   Dr.  H.  Schmaus  und   E. 
Albrecht,  München 161 

G.  Degeneration  von  Mitosen.   Von  Dr.  H.  Schmaus  undE.  Albrecht, 
München       163 


X  Inhalt  8- Verzeichnis. 

Seite 

D.  Glykogendegeneration.     Von   Dr.   0.    Lnbarsch,   Professor   an  der 
Universität  Rostock 166 

E.  Die  albaminOsen  Degenerationen.   Von  Dr.  0.  Lübars ch,  Professor 

an  der  Universität  Rostock 180 

a)  Die  Rnsselsohen  Fuchsinkörperchen  und  die  Corpora  amylacea  180 

^)  Die  hyaline  und  amyloide  Degeneration 200 

B.  Progressive  Ernährungsstörungen. 

1.  Regeneration  und  Hypertrophie.    Von  Dr.  L.  Asch  off,   Privatdozent  an  der 

Universität  Göttingen 225 

Ä.  Epithelien 238 

B.  Bindegewebe 242 

C.  Quergestreifte  Muskulatur 246 

D.  Nervensystem       251 

£.  Transplantation 253 

2.  Entzündliche  Nenbildnng.    Von  Dr.  R.  Paltauf,  Professor  an  der  Universität 

Wien 261 

3.  Cysten.    Von  Dr.  E.  Marckwald,  1.  Assistent  am  pathol.  Institut  der  Univ.  Halle  286 

4.  Hyperplasie  nnd  Geschwülste.    Von  Dr.  0.  Lubarsch,  Professor  an  der  Uni- 

versität Rostock 289 

Begriff,  Einteilung  und  Entstehung  der  Neoplasmen 289 

A.  Bindesubstanzneubildungen 305 

1.  Fibrome 305 

2.  Lipome  und  Xanthome 310 

3.  Myxome 822 

4.  £n Chondrome 325 

5.  Osteome 328 

6.  Myome 330 

a)  Rhabdomyome 330 

b)  Leiomyome       331 

7.  Gliome  und  Neurome 338 

8.  Hämangiom  und  Lymphangiom 342 

9.  Sarkome 348 

a)  Bau,  Entwickelung  und  feinere  Anatomie  der  Sarkome  348 

b)  Die  speziellen  Formen  der  Sarkome 364 

1.  Die  Riesenzellensarkome 364 

2.  Angiosarkome   (Myxosarkome,   Gylindrome,    Endotheliome, 
Psammome) 366 

3.  Die  Melanosarkome 374 

4.  Mischgeschwfilste 380 

c)  Einfluss   und   Bedeutung   der  Sarkome   für   dcu   Gesamt- 
organismus         383 

d)  Ätiologie  der  Sarkome 386 

B.  Epitheliale  Neubildungen. 

1.  Epitheliome  und  Papillome 398 

2.  Adenome  und  Carcinome 413 

a)  Adenome 413 

b)  Carcinome 421 


Inhalis-Verzeichnis.  XI 

Seite 

1.  Anatomie  und  Physiologie  der  Carcinome 421 

2.  Histogenese  des  Carcinoma 438 

3.  Ätiologie  des  Garcinoms 449 

0)  Die  Bedentnng  embryonal  versprengter   Keime    fttr 

die  Garcinombildung 449 

ß)  Altersdisposition,  erbliche  Anlage  etc 451 

1)  Die  Reiztheorie 457 

7)  Parasitare  Ätiologie 468 

T])  Allgemeine  und  lokale  Disposition 494 

0)  Umwandlung  gutartiger  Neubildungen  in  Carcinome  497 

4.  Metastasen  und  Recidive 501 

5.  Verhalten  der  Nachbarschaft 509 

6.  Bedeutung  des  Carcinoms  fOr  den  Gesamtorganismus  511 

7.  Wesen  der  Neubildung 519 

C.  Zur  Ätiologie  der  Geschwülste  vom  klinischen  Standpunkt.    Von  Dr. 

C.  Schimmelbusch,  weil.  Privat^lozent  an  der  Universität  Berlin   .    .    .  527 

D.  Teratologie.    Von  Dr.  C.  Benda,   Privatdozent  an  der  Universitftt  Berlin  541 

I.  Entwickelungsmechanische  Experimente 544 

IL  Ergebnisse  der  entwickelungsmechanischen  Experimente 

für  die  Teratologie 547 

IIL  Allgemeine  Folgerungen  der  entwickelungsmechanischen 

Experimente 551 

A.  Selbstthätigkeit    der    Entwickelung    oder    Einwirkung 
von  Korrelation  und  Aussenwelt 555 

B.  Auf  welchem  Wegeerfolgtdie  DifferenzierungderGewebe?  562 

IV.  Allgemeine  Pathologie  des  Stoffwechsels. 

I.Pathologie  der  AntoiBtoxikationen.    Von  Dr.  Fr.  Kraus,   Professor  an  der 

Universität  Graz  und  Dr.  Gg.  Honigmann,  prakt.  Arzt  in  Wiesbaden  ....  571 
A— H.  von  Dr.  Fr.   Kraus,  Professor  an  der  Universität  Graz. 
J.  von  Dr.  G.  Honigmann  in  Wiesbaden. 

A.  Ursachen  der  Autointoxikation 571 

1.  Einige^  Hauptzüge  der  Entwickelung  unserer  heutigen  Vor- 
stellungen über  Autointoxikation 575 

2.  Die  Akte   des  Stoffwechsels,   welche    zur    Autointo:cikation 
Veranlassung  geben  können 576 

B.  Die  Autointoxikationen  des  intermediären  Stoffwechsels       .     .  577 

Der  Säurestoffwechsel 579 

C.  Säareintoxikationen 580 

1.  Physiologische  Bedeutung  der  Alkalien 581 

a)  Ghemism  US  der  experimentellen  Sä  urevergiftung       .     .     .  583 

b)  Symptomenbild    und    Pathologie   der    akuten    experimen- 
tellen Säureintoxikationen 586 

c)  Klinische  Diagnose  des  Vorhandenseins   und  Beurteilung 
des  Grades  von  Säureautointoxikationen 588 

d)  Reaktionsverhältnisse  des  Blutes 590 

e)  Die  Säuren  CnHnaOs  im  Chemismus  der  Säureintoxikation    .  591 
B.  Die  Krankheitsformen  des  Menschen,    in  deren  Verlauf  Säure- 
autointoxikation  infolge   von    Anhäufung  der   ß-Oxybutter- 
sfture  und  der  ihr  verwandten  Verbindungen  eintritt  609 


XII 


Inhalts- Verzeichnis. 


Seite 

a)  Diabetes  mellitus  und  Säureintoxikation 611 

b)  Die  Säureauto  Intoxikation  sui  generis %    .  617 

Die  Folgen  der  Eckschen  Fistel  zwischen  der   unteren  Hohl- 

veno  und  der  Pfortader  fOr  den  tierischen  Organismus  .     .  622 

c)  Der  .tozigene'^  Eiweisszerfall       625 

£.  Die  Harnsäurediathese 626 

F.  Die  Alkaptonurie 633 

6.  Die  „interne'  Sekretion  und  die  Autointoxikation    .!....  635 

H.  Die  Gachexia  thyroldiana 636 

J.  Die  Urämie.    Von  Dr.  6.  Honigmann,  prakt.  Arzt  in  Wiesbaden    ...  639 

8.  Fieber.    Von  Dr.  Fr.  Kraus,  Professor  an  der  Universität  Graz 659 

Einleitung 659 

a)  Die  ätiologische  Richtung  in  4er  Fieberlehre 664 

b)  Die  vasomotorischen  Phänomene  im  Fieber 669 

c)  Der  Stoffwechel  im  Fieber  (Gesamtstoffwechsel) 676 

d)  Der  Wärmehaushalt  im  Fieber 678 

V.  Hand-  und  Lehrbüeher,  Grundrisse,  Kompendien, 

Atlanten  ete. 

].  Lehrbücher  der  menschlichen  Pathologie.    Von  Dr.  Albert  Thierfelder, 

Professor  an  der  Universität  Rostock 6>^2 

II.  Lehrbücher  der  Tierpathologie.    Von  Dr.  R.  Oster  tag,  Professor  an    der 

tierärztlichen  Hochschule  in  Berlin 699 

Autorenregister 703 

Sachregister 715 


Druckfehlerverzeiclmis  zu  Abteil.  IL 


Seite     17 

2eile  15  tod 

oben 

lies 

Chromsiüzen 

sUtt  Chromsalse. 

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12 

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„      268 

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Sherrington 

„    «Bohexrington 

„      267 

20 

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„      268 

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,, 

BchleiiTarth 

,,     Sehleiffarth 

„      280 

4 

V. 

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M      298 

10 

V. 

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n      299 

16 

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18 

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„     807 

19 

0. 

„     wie  den 

M      318 

6 

CirkalationsstOrongen 

„      Cirknlaüonsstrtagen 

»      826 

11 

Q. 

cartilaginose 

„      oartali^inOse 
„     Veraaforichtang 

n      333 

7 

,, 

0. 

Verlaafsricbtang 

M      344 

19 

,^ 

ganxer 
Oefässwand 

11     Oewlsswand 

„      854 

7 

.,      366 

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n. 

eine  Umbüdang 

„     ein  ümbildang 

,       869 

8 

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0. 

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,,     entworfen 

„      871 

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„      409 

6 

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hatten 

„     hatte 

M      *19 

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n. 

Coccidien 

„     Ooccidloffl 

,      42b 

18 

des  Ulcus 

;;     der  Ulcns 

.,      441 

17 

^ 

Drflsensohiaaohen 

„     Drflsensohläaohe 

.,      461 
,.      453 

14 
3 

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0. 

a. 

Epithelverirrong 
40.-65.  Lebensjahr 

„      Epithelyerwiirang 
„     40.-4Ö.  LebensjSir 

„      461 

19 

Narbenkrebsen 

,,      Iiarbenkrebse 

,      478 

27 

,j 

Coooidiom  saroolytam 

„      Gocddiam  saooolytas 

».      645 

5 

n 

0. 

Dareste's 

;;     Darast's 

Die  Nammeriemng  der  Seiten  265 

-270  mnu  am  2  verschoben  werden  and  2S7-  272  heil 

ALLGEMEINE 


PATHOLOGISCHE  MORPHOLOGIE 


UND 


PHYSIOLOGIE. 


Lubarsc-h-Ostertag,  ErgebniMe  Abteil.  II. 


TECHNIK. 

Von 
O.  Lubaxsch,    Rostock. 


Die  folgende  Übersicht  über  die  pathologisch -anatomische  und  histo- 
logische Technik  kann  und  soll  selbstverständlich   keinen  Anspruch  auf 
VoUstÄndigkeit  machen.    Da  sie,  wie  es  dem  Zweck  der  „Ergebnisse"  ent- 
spricht,  kritisch  sein  soll,   so  ist  es  notwendige  Vorbedingung,   dass  der 
Referent  die  Methoden   entweder  selbst   ausprobiert  hat  oder  wenigstens 
durch  eigene  Anschauung  der  Präparate  ein  selbständiges  Urteil  über  den 
Wert  der  Methoden  erlangen  konnte.    Denn   es  ist  nur  ganz  ausnahms- 
weise möglich  an   der  Hand  der  technischen  Angaben  selbst  ein  Urteil 
über   den   Wert   der   Methode  zu   gewinnen.     Zur  Übersichtlichkeit   des 
Ganzen  erschien  es  dem  Referenten  zweckmässig,  das  Gebiet  in  zwei  Teile 
zu  teilen,  deren  erster  die  Sektions-  und  Konservierungstechnik,  sowie  die 
Entkalkiings-,  Fixierungs-  und  Einbettungsmethoden  umfasst,  während  der 
2.  Teil  sich  ausschliesslich  mit  der  Färbetechnik  beschäftigt. 

Teil  I. 

Litteratur. 

1.  PrausDitz»  Zur  Sectionstechnik  des  Herzens.  Arbeiten  aus  dem  pathologischen  Institut 
za  Mfinchen,  herausgegeben  Ton  Bollinger  1886. 

2.  Pick,  Zur  Technik  der  Rückenmarkssektion.  Gtbl.  f.  allgem.  Pathologie  ü.  pathol. 
AnAt.  Bd.  IV.  8.  178. 

3.  Petrone,  Beitrag  zur  Technik  der  Sektion  des  Herzens  in  situ.  Yerhandl.  des  XT.  inter- 
nationalen med.  Kongresses  in  Rom.  Sektion  f.  allgem.  Pathol.  Ctbl.  f.  pathol.  Anat. 
Bd-  V.  S.  439. 

1* 


4  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

4.  SiemerÜDg,  Die  zweckmässigste  Art  der  Gehirnsektion.  Jahressitzang  des  Vereios 
deutscher  Irrenftrzte  zu  Frankfurt  a.  M.  25.  u.  26.  Mai  1893.  Bericht  von  A.  Gramer 
im  Ctbl.  f.  pathol.  Anat.  Bd.  IV.  S.  590  und  Arch.  für  Psychiatrie.  Bd.  XXV.  S.  53u. 

4a.  H.  Chiari,  Pathologiscb-anatom.  Sektionstechnik.    Berlin  1894. 

5.  Grawitz,  Demonstration  von  pathologisch-anatomischen  Präparaten,  die  mit  Erhaltung 
ihrer  Farbe  konserviert  sind.  Tagebl.  der  59.  Versammlung  deutscher  Naturf.  u.  Aerzte. 
Berlin  1886.   S.  378. 

6.  Thoma,  Anatomische  Sammlungspr&parate  mit  Erhaltung  der  natOrlicheu  Färbung. 
Ctbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  IL  S.  401. 

7.  J.  Blum,  Formol  als  Konservierungsfl&ssigkeit.    Zoolog.  Anzeiger  1893. 

8.  F.  Blum,  Notiz  über  die  Anwendung  des  Formaldehyds  als  Härtungs-  und  Konser- 
vierungsmittel.   Anatom.  Anzeiger  Bd.  IX. 

9.  Derselbe,  Das  Formaldehyd  als  Härtungsmittel.  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Mikro- 
skopie. Bd.  X.  S.  314. 

10.  Hermann,  Notiz  über  die  Anwendung  des  Formalins  (Formaldehyds)  als  Härtungs- 
und Konservierungsmittel.    Anatom.  Anz.  Bd.  IX. 

11.  Born,  Demonstration  einer  Anzahl  in  Formol   gehärteter  menschl.  Gehirne.    Schles. 
Gesellschaft  f.  vaterländ.  Kultur  2.  März  1894. 

12.  E.  K  rück  mann,  Eine  Methode   zur  Herstellung  bakteriologischer  Museen  und  Kon- 
servierung von  Bakterien.    Ctbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  XV.  S.  851. 

13.  Derselbe,  Eine  Methode  zur  Konservierung  von  Augen  mit  Erhaltung  der  Durch- 
sichtigkeit der  brechenden  Medien.    Klin.  Monatshefte  f.  Augenheilkunde,  Juni  1894. 

13a.  Rei  mar ,  Über  das  Formol  als  Fixierungsmittel.  Fortschr.  d.  Med.   Bd.  XII.  Nr.  20  u  21. 

14.  K.  Zenker,  Chromkali-Sublimat-Eisessig  als  Fixierungsmittel.    Münch.  med.  Wochen- 
schrift 1894.  Nr.  27. 

15.  Hermann,   Arch.  f.  mikrosk.  Anatomie  Bd.  34.    Beiträge  zur  Histologie  des  Hodeos. 

16.  AI  t mann,  Die  Elementarorganismen  und  ihre  Beziehungen  zu  den  Zellen.  Leipzig  1890. 

17.  J.  An  de  er,  Das  Resorcinderivat  Phloroglucin.  Ctbl  f.  d.  med.  Wissensch.  1884.  S.  193 
und  579  u.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie  Bd.  IL 

18.  Hang,  Die  gebräuchlichsten  Entkalkungsmethoden.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie 
Bd.  Vm.  1891. 

19.  Derselbe,  Über  eine  neue  Modifikation  der  Phloroglucinentkalkungsmethode.  Ctbl. 
f.  pathol.  Anat.  Bd.  IL  S.  193. 

20.  Thoma,  Eine  neue  Entkalkungsmethode.  Zeitschr.  für  wissenschaftL  Mikroskopie 
Bd.  VIII.  Heft  2. 

21.  Partsch,  Entkalkung  von  Knochen  und  Zahnpräparaten  mit  Trichloressigsäure.  Ctbl. 
f.  allgem.  Pathol.  Bd.  V.  S.  861. 

22.  Suchannek,  Technische  Notiz  über  die  Verwendung  des  Anilinöls  in  der  Mikroskopie, 
sowie  einige  Bemerkungen  zur  Paraffinmethode.    Ztschr.  f.  wiss.  Mikroskopie  Bd.  VII. 

23.  Ciaglinski,  Ein  Beitrag  zur  mikroskop.  Technik  bei  der  Untersuchung  des  Rücken- 
marks und  der  peripheren  Nerven.    Ebenda  Bd.  VIII. 

24.  H.  Fiel d  u.  J.Martin,  Mikrotechnische  Mitteilungen.  L  Ein  neues Paraffin-Celloidin- 
Einbettungsverfahren.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie  Bd.  XL  1894.  S.  6. 

25.  Elschnig,  Zur  Technik  der  Celloidineinbettung.    Ebenda  Bd.  X.  S.  443. 

26.  Busse,  Nachträgliche  Notiz  zur  Celloidineinbettung.  Ztschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie 
Bd.  IX.  S.  49. 

27.  Apathy,  Methode  zur  Verfertigung  längerer  Schnittserien  mit  Celloidin.  Mitteil,  aus 
der  zooL  Station  Neapel.  Bd.  VII.  1887.  S.  742. 

2i.    Derselbe,  Nachträge  zur  Celloidintechnik.    Zeitschr.  f.  Mikroskopie.  Bd.  V.  S.  45. 

29.  Krysinski,  Beitrag  zur  histolog.  Technik.    Virchows  Archiv  Bd.  108. 

30.  Kultschizky,  Zur  histolog.  Technik.  IL  Celloidin-Paraffineinbettung.  Zeitschr.  für 
wissensch.  Mikroskopie  Bd.  IV.  S.  48. 


Technik.  5 

31.   Weigert,  Über  Schnittserien  von  Celloidinpräparaten  des  Centralnervensystems  zum 

Zwecke  der  Markscheidenf&rbung.    Zeitschr.  f  Mikroskopie  Bd.  II.  S.  490. 
82.   P.  Mayer,  Zeitschr.  f.  Wissenschaft] .  Mikroskopie  Bd.  IL 
33.   M.  Heidenhain,  Über  Kern   und   Protoplasma.    Sonderabdruck  aus  der  Festschrift 

zum  50jfihr.  Doktorjubilftam  t.  KöUikers.  S.  114. 
S4.  F.  Reinke,   Die  japanische  Methode  zum  Aufkleben  von  Paraffinschnitten.    Zeitschr. 

f.  wissenschaftl.  Mikroskopie.  Bd.  XII.  Heft  1. 
35.   Kametaro  Tojama,    On  the  spermatogenesis  of  the   Silk-worm.    Bulettin  of  the 

agriculture  College;  Imperial  üniversity,  Tokyo.  Vol.  IL  Nr.  3. 


Imgrossen  und  ganzen  ist  namentlich  in  Deutschland  die  Virchow- 
sche  Sektionsteehnik  in  unveränderter  Weise  in  Gebrauch.  Nur  in  Bezug 
auf  zwei  Organe  sind  verschiedene  Versuche  gemacht  worden,  die  Virchow- 
sche  Technik  durch  neue  Methoden  zu  ersetzen,  das  sind  Herz  und  Gehirn. 
Bei  dem  Herzen  erwies  sich  namentUch  die  Prüfung  der  Durehgängigkeit 
der  Mitral-  und  Trikuspidalklappen  durch  Einführung  von  Fingern  störend, 
weil  dadurch  feine  Auflagerungen  von  den  Klappen  abgestreift  werden 
können  und  Köster')  hatte  deswegen  schon  empfohlen,  diese  Prüfung  zu 
unterlassen  oder  wenigstens  erst  vorzunehmen,  nachdem  man  die  Ostien 
vom  Vorhof  aus  besichtigt  hat.  Prausnitz  (1)  hat  eine  Sektionsmethode 
angegeben,  welche  diese  Gefahren  völlig  vermeiden  soll.  Zunächst  entfernt 
er  nach  Eröffnung  des  Herzbeutels  die  Lungen,  um  zu  vermeiden,  dass 
der  Inhalt  der  Herzhöhlen  in  die  Pleurahöhlen  hineingelangt ;  die  Füllung 
der  einzelnen  Herzabschnitte  wird  durch  Besichtigung  des  Umfanges  und 
Befühlen  festgestellt.  Nach  Herausnahme  des  Herzens  werden  zunächst 
rechts  und  links  neben  dem  Septum  und  parallel  zu  diesem  Schnitte  von 
der  Basis  bis  zur  Herzspitze  geführt,  die  natürlich  nicht  zu  tief  gehen 
dürfen,  damit  die  Papillarrauskeln  nicht  verletzt  werden.  Hieran  schliessen 
sich  zwei  Schnitte,  die  am  äusseren  Rande  jedes  Ventrikels  an  der  Basis  be- 
ginnen und  sich  an  der  Spitze  mit  dem  ersten  Schnitte  vereinigen.  Man 
kann  somit  die  Vorderwand,  die  an  der  Basis  noch  befestigt  ist,  in  die 
Höhe  klappen  und  erhält  dann  einen  vollkommenen  Einblick  in  die  Herz- 
böhlen.  Nim  wird  die  Schlussfähigkeit  der  Semilunarklappen  geprüft  mid 
durch  Verlängerung  der  ersten  neben  dem  Septum  gemachten  Schnitte 
nach  oben  die  Aorta  und  Pulmonalklappen  eröffnet;  hierauf  schneidet  man 
m  Koronararterien  mit  einer  geknöpften  Schere  auf;  die  Eröffnung  der 
Vorhöfe  geschieht  mit  einer  Schere  durch  Verlängerung  der  Ventrikel- 
randschnitte.  Eine  zweite  von  Prausnitz  vorgeschlagene  Methode  ge- 
stattet ausschhesslich  die  Schere  anzuwenden.  Man  beginnt  mit  der  Er- 
öffnung des  rechten  Herzens,   indem  durch   einen  Schnitt  von  der  Vena 


1)  Köster,  Die  embolische  Endokarditis.    Virchows  Archiv  Bd.  72. 


6  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

cavasuperior  bis  in  die  inferior  der  Vorhof  eröffnet  wird;  durch  einen  zweite 
besonderen  Schnitt  macht  man  sich  das  Herzohr  sichtbar.  Sodann  führt 
man  die  geknöpfte  Scherenbranche  durch  das  venöse  Ostium  am  äusseren 
Rande  des  rechten  Ventrikels  entlang  bis  an  die  Spitze  desselben,  prüft 
die  Pulmonalklappen  auf  ihre  Schlussfähigkeit  und  beendet  durch  einen 
am  Septum  entlang  führenden  bis  in  die  Pulmonalis  gehenden  Schnitt  die 
Eröffnung  des  rechten  Ventrikels.  Am  linken  Herzen  werden  die  Schnitte 
in  gleicherweise  vorgenommen,  nur  mehr  bei  dem  am  Septum  entlang 
gehenden  Schnitt  besonders  achtgegeben,  dass  man  die  Koronararterie  nicht 
durchschneidet.  Beide  Methoden  haben  zwar  gewisse  Vorzüge,  sind  aber 
entschieden  komplizierter  als  die  Virchowsche  Methode;  namentlich  die 
erste  Methode  wird  von  den  Studierenden  viel  schwerer  erlernt.  Vor  allem 
aber  ist  die  Methode  deswegen  kein  Bedürfnis,  weil  die  geringen  Nach- 
teile der  alten  Methode  bei  Befolgung  de^  Koste rschen  Rates  fortfallen. 
Die  Methode  vonPetrone  (3)  nimmt  besonders  Rücksicht  auf  den  Füllungs- 
zustand des  Herzens.  Um  eine  Entleerung  der  einzelnen  Herzhöhlen  zu 
vermeiden,  präpariert  er  zunächst  alle  im  Brustraum  und  dem  Halse  vor- 
handenen Organe  ab,  so  dass  das  Herz  seine  Beziehungen  zu  den  Nachbar- 
organen oder  seine  natürliche  Stellung  nicht  ändert,  unterbindet  dann  die 
Vena  cava  inferior  innerhalb  des  Herzbeutels  und  eröffnet  nun  das  Herz 
in  situ.  In  Fällen,  wo  auf  die  Quantität  des  Herzinhalts  etwas  ankommt, 
mag  die  Methode  zweckmässig  sein. 

Die  Virchowsche  Methode  der  Gehirnsektion,  die  zweifellos  für  die 
nachherige  Demonstration  des  Organs  ganz  vorzügliches  bietet,  ist  speziell 
von  den  Psychiatern  und  Neurologen  deswegen  verlassen  worden,  weil  sie 
eine  spätere  Orientierung  —  besonders  ein  Studium  des  Faserverlaufs  — 
erheblich  erschwert.  Bei  der  kritischen  Beleuchtung  der  neueren  Methoden 
der  Gehirnsektion,  welche  Siemerling  (4)  gab,  kam  er  zu  dem  Schluss  und 
fand  damit  allgemeine  Zustimmung,  dass  es  unmöglich  sei,  eine  für  alle 
Fälle  brauchbare  Sektionsmethode  aufzustellen.  Er  selbst  empfiehlt,  sich 
bei  inneren  Läsionen  das  Gehirn  durch  grosse  Schnitte  zu  zerlegen;  wird 
die  Läsion  in  der  hinteren  Schädelgrube  vermutet,  so  soll  man  das  Gross- 
hirn allein  herausnehmen  und  erst  dann  das  Tentorium  cerebelli  durch- 
schneiden; in  anderen  Fällen  erscheinen  Frontalschnitte  von  der  Basis 
aus  zweckmässig,  woran  noch  Horizontal-  und  Sagitalschnitte  angefügt 
werden  können.  In  der  Diskussion  empfahl  Weigert  eine  Methode,  die 
ein  Mittelding  zwischen  der  Virchowschen  und  Meynertschen  bildet. 
Er  eröffnet  zunächst  die  Seitenventrikel  und  geht  dann  längs  des  Fomix 
ins  Unterhorn,  worauf  die  grossen  Ganglien  um-  und  ausgeschnitten  werden, 
so  dass  man  Himstamm  und  Mantel  getrennt  erhält;  darauf  werden  die 
grossen  Hemisphären  von   aussen  her  in   ihrem  Vorderteile   bis  zu  den 


Technik.  7 

Centralwindimgen  durch  Frontalschnitte  zerlegt.  Von  den  Centralwindungen 
ab  gelangen  Horizontalschnitte,  welche  auch  den  Hinterhauptslappen  zer- 
trennen, zur  Anwendung.  Von  Fürstner  und  Moeli  wurden  dagegen 
Frontalschnitte  empfohlen,  denn  auch  bei  der  Weigertschen  Methode 
wäre  die  spätere  Orientierung  erschwert.  Der  Korreferent  E  ding  er  machte 
noch  darauf  aufmerksam,  dass  unter  keinen  Umständen  die  Pia  abgezogen 
werden  dürfe,  weil  dadurch  eine  mikroskopische  Untersuchung  der  Gehirn- 
rinde unmöglich  gemacht  würde.  Chiari  (4a)  trennt  zunächst  Kleinhirn 
mit  Pons  und  Medulla  oblongata  durch  einen  Schnitt,  welcher  die  Gehim- 
schenkel  an  ihren  vorderen  Enden  quer  trifft,  vom  Gehimmantel  ab; 
worauf  die  beiden  Himhemisphären  durch  einen  streng  medianen  Schnitt 
von  einander  getrennt  werden.  Die  weitere  Sektion  geschieht  dann  nach 
der  Methode  von  Pitres,  indem  zur  Centralf urche  parallele  Schnitte  an- 
gelegt werden. 

Man  wird  durchaus  zustimmen  müssen,  dass   eine  Universalmethode 
für  die  Gehimsektion  nicht  aufzustellen  ist.    Besonders  schwierig  erscheint 
es,  die  Fordenmgen  des  pathologisch-anatomischen  Demonstrationskursus 
mit  denen  der  feineren  Gehimanatomie  zu  vereinigen.    Für  die  Zwecke 
des  Demonstrationskursus,  d.  h.   der  grobanatomischen  Klarlegung  aller 
Verhältnisse    bei   Wahrung   des   Zusammenhanges    aller   Teile   übertrifft 
zweifellos  die  Virchowsche    Methode    alle  anderen;   diejenige  Methode, 
die  noch  am  besten  beiden  Forderungen  gerecht  wird,  scheint   mir  die 
Anlegung   grosser  Frontalschnitte   durch  das  Gehirn   von  der  Konvexität 
nach  der  Basis  zu  sein,  wobei  zwar  der  Zusammenhang  der  Teile  nicht 
gew^ahrt   ist,    aber  doch  durch  Aneinanderlegung  der  einzelnen  Schnitte 
jederzeit  wiederhergestellt  werden  kann.  —  Für  die  Klarlegung  aller  Ver- 
hältnisse scheint  aber  auch  die  Weigertsche  Methode  sehr  gutes  zu  leisten. 
—  Pick  (2)  empfand  es  als  einen  Misstand,  dass  bei  der  für  gewöhnlich 
üblichen  Methode    der  Gehimherausnahme   das  oberste  Halsmark  schräg 
durchschnitten  wird  und  somit  keilförmige  Schnittenden  an  der  Oblongata 
und  dem  Rückenmarke  zurückbleiben,  die  eine  nachträgliche  mikroskopische 
Intersuchung  unmögüch  machen.     Zur  Vermeidung  dieser  Übelstände  em- 
pfiehlt er  ein  Messer  mit  rechtwinkelig  gestellter  kurzer  Schneide   (Mye- 
lotom).    Nachdem  man  mit  dem  Hirnmesser  beider  Arteriae  vertebr.  durch- 
schnitten hat,  wird  das  Myelotom  mit  der  Schneide   nach  abwärts  an  die 
Vorderfläche  des  Rückenmarkes  gebracht  und  dieses  durch  einen  leichten 
Ruck  von  vorn  nach  hinten  durch  trennt.     Man  erhält   auf  diese  .Weise 
ganz  vertikale    Schnittflächen    und   kann  so    ohne    die    geringste    Beein- 
trächtigung Serienschnittuntersuchungen  vornehmen. 

Unter  den  Konservierungsmitteln  seien  zunächst  diejenigen  er- 
wähnt, die  grob-anatomischen  Zwecken  dienen  und  das  Bestreben  haben, 


8  Allgem.  patho].  Morphologie  und  Physiologie. 

die  natürliche  Farbe  der  Präparate  zu  erhalten.  Es  liegt  auf  der  Hand, 
von  wie  ausserordentlicher  Wichtigkeit  derartige  Methoden  gerade  für  den 
pathologischen  Anatomen  sind,  da  selbst  bei  grossem  Sektionsmaterial 
nicht  stets  frische  Präparate  zur  Hand  sind,  wenn  sie  gerade  im  Kolleg 
gebraucht  werden.  Grawitz(5)  hat  zuerst  Versuche  nach  dieser  Richtung 
angestellt  und  folgende  Konservierungsflüssigkeit  empfohlen.  150  g  Kalk, 
40  g  Zucker,  20  g  Salpeter  auf  1  Liter  Wasser;  Ansäuerung  der  Lake 
durch  3®/o  Borsäure;  nach  Einlegung  der  Organe  wird  die  Lake  mit  Wasser 
verdünnt,  bis  die  Präparate  untersinken.  Sie  bleiben  darin  4—8  Wochen, 
um  alsdann  nochmals  in  klare  Lake  von  gleicher  Konzentration  gelegt  zu 
werden.  Es  erhält  sich  Grösse,  Gestalt  und  Konsistenz  der  Organe;  alle 
Parenchymsorten,  die  meistenPigmente  und  Konkremente  bleiben  unverändert ; 
das  Blutrot  wird  durch  Umwandlung  in  Hämatin  in  Bräunlichrot  über- 
geführt. Für  mikroskopische  Zwecke  ist  die  Konservierung  wenig  geeignet, 
da  die  Kerne  rasch  zugrundegehen,  aber  auch  für  die  Demonstrations- 
zwecke habe  ich  durchaus  nicht  immer  die  gleich  günstigen  Resultate 
gehabt  wie  Grawitz,  namentlich  dann,  wenn  die  Organe  von  nicht  ganz 
frischen  Leichen  stammten ;  es  scheint,  dass  die  Fäulnisorganismen  in  der 
Lake  nicht  rasch  genug  zugrundegehen.  Entschieden  besseres  leitet 
nach  dieser  Richtung  die  Methode  von  Thoma  (6).  Die  Organe,  die  schon 
bei  der  Sektion  möglichst  sparsam  mit  Wasser  behandelt  sind,  werden  in 
eine  Lösung  gebracht,  die  folgende  Zusammensetzung  hat. 


Lösung  A. 

Lösung  B. 

Krystallisiertes  schwefelsaures  Natron 

100  Gramm 

60  Gramm 

Kochsalz 

100       „ 

100       „ 

Chlorkalium 

100       „ 

30       „ 

Kalisalpeter 

10       „ 

10       „ 

Wasser,    soviel   erforderlich    zur   Er- 

zeugung von 

1  1  Flüssigkeit 

1  1  Flüssigkei 

Welche  von  beiden  Lösungen  vorzuziehen  ist,  kann  nicht  allgemein 
entschieden  werden;  in  eine  dieser  Flüssigkeiten  werden  die  Organe,  die 
nicht  zu  gross  sein  dürfen,  frei  aufgehängt;  nach  18 — 24  Stunden  gelangen  sie 
in  reinen  96  ^/o  Spiritus,  nachdem  man  eventuell  anhängende  Blutbestand- 
teile mit  einem  feinen  Pinsel  abgestreift  hat.  Es  ist  gut  den  Spiritus 
häufiger  zu  wechseln.  Man  erhält  auf  diese  Weise  Präparate,  die  meistens 
monatelang  völlig  frischen  Organen  zum  Verwechseln  ähnlich  sehen; 
später  allerdings  schlägt  öfter  die  rote  Hämoglobinfarbe  in  das  Braunrot 
des  Methämoglobins  um.  Doch  hat  Thoma  noch  nach  4  Jahren  sehr 
gute  Demonstrationspräparate  erhalten,  die,  wenn  auch  nicht  die  natürliche 
Farbe,  so  doch  die  natürliche  Organzeichnung  bewahrt  hatten.    Die  besten 


Technik.  U 

Resultate  scheint  man  an  etwas  festeren  Organen  zu  erhalten  (Amyloidmilz, 
chron.    Stauungsinduration    der   Milz,    grosse    weisse    Amyloidniere   etc.). 
Bei  Lungen,  namentlich  Pneumonieen  habe  ich  keine  sehr  guten  Resultate 
erhalten,  wohl  aber  an  Milzen  und  Nieren.     Ein  grosser  Vorzug  besteht 
auch  in  der  guten  Konservierung  für  mikroskopische  Zwecke;  besonders 
rote  Blutkörperchen  sind  sehr  gut  erhalten,     Allerdings  werden  Kerntei- 
lungsfiguren nicht  erhalten,  auch  nicht,  wenn  man  kleinere  Stücke  in  den 
verdünnteren,  als  Lösung  C  undDvonThoma  angegebenen  Flüssigkeiten 
fixiert.     Ebenso   ist    die    Färbung   auf   Bakterien,    wenigstens    nach    der 
Weigertschen    Methode   etwas   erschwert.      Eine    sehr   empfehlenswerte, 
weil   äusserst   einfache  Methode   ist  die  von  Blum   empfohlene  Konser- 
vieruiig  in  Formol.     Schon  Blum  sen.  (7)  hatte  das  Mittel  sehr  empfohlen, 
(ia  es  ausserordentlich    rasch,    ohne    eine  Schrumpfung   hervorzubringen 
durch  einen  eigentümlichen  chemischen    Prozess  die   Gewebe  härtet;    er 
hatte  es  hauptsächlich  an  zoologischen  und  botanischen  Objekten  geprüft 
und  hier  bereits  die  Erfahrung  gemacht,  dass  sowohl  die  Farben,  wie  die 
Durchsichtigkeit  der  Gewebe  viel  besser  erhalten  bleibt,  als  bei  Anwendung 
anderer  Konservierungsmethoden.  Hermann  (10)  hat  diese  Erfahrungen  zu- 
nächst unabhängig  von  Blum  bestätigt  und  zugleich  darauf  hingewiesen, 
dass  die  Durchsichtigkeit  des    lebenden  Gewebes   erhalten  bleibt;    schon 
bei  Anwendung  l^/o  Lösungen  bleiben  die  durchsichtigen  Medien  des  Auges 
so  vollständig  erhalten,  dass  man  noch  fette  Druckschrift  dadurch  lesen 
kann.  Blum  jun.  (8, 9) hat  im  Gegensatz  zu  Hermann  hervorgehoben,  dass 
auch  der  Blutfarbstoff  nicht  wesentlich  verändert  wird;  wenigstens  tritt  in 
Organen,  die  nach  Konservierung  in  10  ^/o  Form.ollösung  in  Alkohol  gebracht 
werden,  der  Blutfarbstoff  wieder  sehr  deutlich  hervor.    Krückmann  (12, 13) 
hat  besonders  die  Fähigkeit  des  Formols,  die  Durchsichtigkeit  der  Gewebe 
zu  erhalten   an   Augen   studiert.     Er    empfiehlt   folgende   Methode:     Die 
Augen  werden  zunächst  2 — 4  Tage  im  Exsiccator  Formalindämpfen  aus- 
gesetzt, worauf  sie  nach  Anlegung  eines  kleinen  Hornhaut-  und  Skleral- 
schnittes,  in  flüssige  Gelatine  kommen,  welche  V» — ^  Stunden  bei  Körper- 
temperatur einwirken  muss.     Nach   dem   Erkalten  werden   die  Präparate 
in  Glycerin  gelegt,  dem  einige  Tropfen  Formalin  zugesetzt  ist  oder  besser 
noch  in  eine  30 — 50®/o  Chloralhydratlösung  gebracht.     Die  Präparate  sind 
in  der  That  ausgezeichnet  und  lassen  auch  alle  Einzelheiten  bei  patholo- 
gischen Prozessen  gut  erkennen.    In  wieweit  sich  die  Formalinkonservierung 
auch  für  die  Zwecke    der   pathologisch -anatomischen  Sammlung   eignet, 
muss  erst  noch   die  Zukunft  lehren.     Die  von  mir  angestellten  Versuche 
scheinen  mir  allerdings  sehr  ermutigend.     Bringt  man  Präparate  auf  ca. 
5—8  Tage  in  genügende   Mengen  Formalin  (für  die   ganze  Niere   eines 
Erwachsenen  genügt  etwa  V*  Liter)  und  überträgt  sie  darauf  in  95°/oigeu 


10  Allgem.  pathol.  Morphologie  u.  Physiologie. 

Alkohol,  80  bleiben  alle  Einzelheiten  vorzüglich  erhalten,  ja  es  tritt  auch 
die  Farbe  des  Blutes,  wenn  auch  etwas  abgeschwächt,  wieder  hervor.  So 
erhält  man  besonders  schöne  Bilder  von  eiteriger  Meningitis,  Miliartuberkulose 
der  Lungen  und  Nieren,  Stauungsmagen  etc.  Aber  bei  dieser  Anwendung 
macht  man  nach  ca.  6 — 8  Wochen  die  betrübende  Erfahrung,  dass  doch 
allmählich  im  Alkohol  die  Präparate  schrumpfen  und  der  Blutfarbstoff 
immer  mehr  abblasst.  Mir  scheint  daher  folgendes  Verfahren  besser  zu 
sein,  das  ich  aber  noch  nicht  genügend  lange  ausprobiert  habe.  Man  kon- 
serviert einfach  die  Präparate  in  der  10°/o  Formalinlösung  und  bringt  sie 
erst,  je  nach  der  Grösse,  6 — 24  Stunden  vor  der  Demonstration  in  95  ^/o 
Alkohol;  nach  der  Demonstration  werden  sie  sofort  wieder  in  Fonnalin  zu- 
rückgebracht. Man  erreicht  auf  diese  Weise,  dass  die  in  Formalin  schmutzig- 
grau aussehenden  Organe,  wieder  in  Alkohol  annähernd  ihren  natürlichen 
Farbenton  annehmen  und  man  vermeidet  die  Schrumpfung  und  Auflösung 
des  Blutfarbstoffes.  Wie  lange  man  freilich  diese  Prozeduren  vornehmen 
kann,  ohne  die  Präparate  zu  schädigen,  bedarf  noch  weiterer  Prüfung. 
Jedenfalls  erreicht  man  bereits  auf  diese  Weise  in  sehr  einfacher  Weise 
mehr,  als  mit  den  gewöhnlichen  Fixierungsmethoden. 

Mit  der  Erwähnung  des  Formalins  sind  wir  bereits  auf  die  Fixierungs- 
mittel  für  mikroskopische  Zwecke  übergegangen.  Das  Formaün 
ist  dazu  von  Blum,  Hermann,  Born  (11),  Krückmann,  Weigert^) 
und  Reimar(13a)  empfohlen  worden.  Blumjun.  benutzt  dazu  lOWoLösungen, 
welche  in  kürzester  Zeit  selbst  grosse  Gewebsstücke  härten ;  dabei  erhalten  sich 
bereits  makroskopisch  die  Gewebsstrukturen  besser  wie  in  Alkohol,  ohne 
dass  eine  wesentliche  Schrumpfung  stattfindet.  Als  besonderer  Vorzug  wird 
hervorgehoben,  die  gute  Erhaltung  der  roten  Blutkörperchen,  Weigert 
erwähnt,  dass  das  Formol  dem  Centralnervensystem  gegenüber  sich  ähn- 
lich verhält,  wie  Chromsäure  und  ihre  Salze;  ja  es  gelang  sogar  an  noch 
nachträgUch  mit  Chromsalzen  gebeizten  Präparaten  die  Golgi  sehen  Im- 
prägnationen auszuführen.  Ich  selbst  kann  auf  Grund  ausgedehnter  Er- 
fahrungen das  Formol  als  Fixierungsmittel  sehr  empfehlen  und  mich  im 
Grossen  und  Ganzen  den  Ausführungen  Reimars  anschüessen,  der  sehr 
eingehende  vergleichende  Untersuchungen  über  die  Wirkung  des  Formols, 
Alkohols,  Sublimats  und  der  Hermann  sehen  Lösung  vornahm.  Gerade  für 
die  Zwecke  des  patholog.  Histologen  scheint  sie  mir  ausgezeichnet  zu  sein, 
weil  sie  nicht  nur  alle  besonderen  Gewebsstrukturen  (Kernteilungen,  Pig- 
mente, schleimige  und  hyaline  Substanzen  etc.)  erhält,  sondern  auch  alle 
Färbungsmethoden  —  selbst  die  kompliziertesten  —  gestattet.  Sie  ist  in- 
sofern   eine   förmliche  Universalmethode,    die   nach   meinen   Erfahrungen 


i    Artikel  „Technik**   in  Merkel-Bonnets  Ergebnisse  der  Anatomie    Bd.  III.  S.  6. 


Technik.  11 

nur  Nachteile  hat,  1.  für  den  ülykogennachweis,  2.  für  den  Nachweis 
feinster  Protoplasmastrukturen,  3.  durch  die  allerdings  nicht  unbedeuten- 
den Schrumpfungen,  die  das  Formoi  namenthch  an  Leichenmaterial 
hervorbringt.  Doch  teilt  sie  diesen  Nachteil  mit  fast  allen  übrigen 
Methoden,  die  dafür  ausserdem  noch  andere  Nachteile  besitzen.  Eine 
Konservierung  in  5**/o — 8°/o  Lösung  scheint  mir  übrigens  noch  besser 
geeignet,  als  in  10®/o  Lösung,  da  hierbei  die  roten  Blutkörperchen 
öfter  einen  dunkelbraunen  Farbenton  annehmen,  der  auch  in  Alkohol 
nicht  wieder  schwindet  (wenigstens  bei  dem  Sehe  ring  sehen  Präparat). 
Auch  das  ist  für  Leichenmaterial  ein  grosser  Vorzug  der  Methode, 
dass  sie  schon  in  ziemlich  dünnen  Lösungen  (5®/o)  Mikroorganismen 
rasch  vernichtet,  also  einer  beginnenden  Fäulnis  sofort  Einhalt  thut.  — 
Aus  diesem  Grunde  besitzt  auch  die  Sublimathärtungsmethode  einen  grossen 
^'orteil,  der  allerdings  etwas  beeinträchtigt  wird  dadurch,  dass  man  nur 
kleine  und  vor  allem  sehr  dünne  Stücke  verwenden  kann.  In  dieser  Be- 
ziehung ist  schon  die  Härtung  in  erwärmter  Sublimatkochsalzlösung  oder 
auch  in  Sublimateisessig  (konz.  wässerige  Sublimatlösung  150  ccm,  Aq. 
dest.  150  ccm,  Eisessig  3—4  ccm)  vorzuziehen,  noch  bessere  Resultate 
liefert  aber  die  Zenkersche  (14)  Chromkali -SubUmat- Eisessigmethode. 
Die  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  ist 

Aq.  dest.  100,0 

Sublimat  5,0 

Doppeltchroms.  KaU       2,5 

Schwefels.  Natron  1,0 

Die  Vorteile  bestehen;  1.  in  der  guten  Fixierung  der  Kernteilungen 
und  der  meisten  Protoplasmastnikturen,  2.  darin,  dass  man  grössere  Stücke 
härten  kann,  3.  darin,  dass  die  Entfernung  von  Sublimatkrystallen  wesent- 
lich erleichtert  ist  und  rascher  vor  sich  geht,  4.  darin,  dass  auch  die 
Schneidbarkeit  nach  der  Paraffineinbettung  eine  wesentlich  bessere  ist, 
als  nach  Alkohol-  oder  einfacher  Sublimathärtung.  Die  Härtung  ist  selbst 
l)ei  grösseren  (wallnusgrossen)  Stücken  in  48  Stunden  vollendet  und  dauert 
bei  kleineren  Stücken  höchstens  24  Stunden,  eine  Schrumpfung  der  Objekte 
tritt  kaum  ein.  Als  einzigen  Nachteil  der  Methode  kann  ich  nur  anführen, 
dass  die  Färbung  der  Präparate  ein  wenig  erschwert  ist  und  dass  mit- 
unter die  Kemfärbung  keine  ganz  reine  ist,  aber  auch  das  gilt  nur  für 
Sohnellfärbungen.  Ich  halte  die  Methode  an  und  für  sich  für  eine 
Bereicherung,  wenn  ihre  Anwendung  auch  jetzt  durch  die  Einführung 
des  Formaüns  etwas  beschränkter  sein  wird.  —  Von  weiteren  Fixie- 
nmgsmitteln  möchte  ich  aus  der  grossen  Zahl  nur  noch  zwei  hervor- 
heben, weil  sie  auch  für  die  pathologische  Histologie  von  grosser  Wichtig 
keit  sind.    Die  Her  mann  sehe  Lösung  (15),  welche  allerdings  auch  nur  an 


Nach  Lösung  in  der  Wärme 
und  wiedererkaltem  Zufügen 
von  5,0  Eisessig. 


12  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

kleinen  Objekten  verwendbar  ist,  besitzt  vor  der  Flemmingschen  den 
Vorzug,  dass  sie  auch  die  Protoplasmastruktureu  besser  veranschaulicht. 
Die  Flüssigkeit  besteht  aus: 

Osmiumsäure   2-4®/o      2  Teile 
Platinchlorid  IWo     15     „ 

Eisessig  1     „ 

Man  lässt  kleine  Stückchen  1—4  Tage  in  der  Flüssigkeit,  wäscht 
gründlich  aus  und  härtet  in  Alkohol  von  steigender  Konzentration  nach.  — 
Endlich  noch  die  Alt  mannsche  Methode  zur  Darstellung  der  Zellgranula  (16), 
von  welcher  für  die  pathologische  Histologie  hauptsächüch  die  Kalium- 
bichromat-Osmiumsäurelösung  in  Betracht  kommt.  Die  Lösung  besteht  aus: 

Kali  bichromicum  5°/o  1  ,  .  ,       ^  ., 

^      .  ^n,    ?  zu  gleichen  Teilen. 

Osnuumsäure  2*^/0  J        ^ 

Fixieren  24  Stunden,  gründliches  Auswaschen,  Nachhärten  in  Alkohol 
von  75— 99**/o.  Die  Methode  ist  auch  bei  Leichenmaterial  anwendbar  und 
kann  auch  für  nicht  wenige  Fragen  der  pathologischen  Histologie  von 
Bedeutung  sein. 

Die  neueren  Entkalkungsmethoden  haben  einerseits  das  Bestreben 
die  liintkalkung  möglichst  rasch  vorzunehmen,  andrerseits  die  Gewebsstruktur 
so  wenig  zu  schädigen,  dass  möglichst  auch  die  komplizierteren  Färbungs- 
methoden angewendet  werden  können.  Das  Verlangen  der  raschen  Ent- 
kalkung wird  zweifellos  durch  die  Phloroglucinmethode  von  A  n  d  e  e  r  (17)  und 
Hang  (18,  19)  erfüllt.  Das  Phloroglucin  spielt  dabei  nur  die  Rolle,  dass  es  die 
Gewebe  rasch  konserviert  und  somit  die  Anwendung  stärkerer  Säuregrade 
gestattet.  Nach  Haug  ist  die  Anwendung  folgendermassen :  1  com  Phloro- 
glucin wird  in  10  ccm  reiner,  nicht  rauchender  Salpetersäure  (oder  auch 
Salzsäure,  die  aber  nicht  so  gut  ist)  gelöst.  Die  rubinrote  salpetersaure 
Phloroglucinverbindung  wird  nun  mit  50  ccm  Aq.  dest.  verdünnt,  so  dass 
man  eine  20°/o  Salpetersäurelösung  behält.  Nach  sorgfältiger  Wässerung 
der  Präparate  kann  es  nun  beliebig  nachgehärtet,  eingebettet  und  geschnitten 
werden.  Die  Entkalkung  tritt  ausserordentlich  rapide  ein,  so  dass  sie  bei 
kleineren  Knochenstücken  in  einer  halben  Stunde  vollendet  ist  und  nur  sehr 
selten  mehr  wie  ca.  12  Stunden  in  Anspruch  nimmt.  Die  Entkaikung  ist 
schonend  und  gestattet  noch  die  meisten  Färbungen  (Färbung  auf  Tuberkel- 
bacillen  ist  mir  allerdings  nie  gelungen),  nur  das  Blut  wird  stark  verändert. 
Auch  bringt  die  Schnelligkeit  der  Entkalkung  noch  andere  Nachteile, 
namentlich  wenn  Herde  weicher  Substanzen  (erweichte  Tuberkel,  Geschwülste) 
in  das  Knochengewebe  eingestreut  sind ;  hier  findet  oft  eine  fast  vollkommene 
Lockerung  des  Zusammenhangs  statt,  die  auf  keine  Weise  wieder  herzu- 
stellen ist.    Auch  empfiehlt  sich  die  Methode  nicht  besonders,  wenn  man 


Technik.  13 

die  auf  dem  Knochen  liegenden  Gewebe  im  Zusammenhang  mit  demselben 
untersuchen  will;  die  Weichteile  werden  durch  sie  stark  verändert.  —  Bessere 
Resultate  gestattet  nach  dieser  Richtung  die  Methode  von  Thoma(20),  die 
allerdings  nicht  so  rasch  wirkt.  Th  oma  entkalkt  in  einer  Lösung  von  5  Teilen 
%^io  Alkohols  und  1  Vol.  reiner  Salpetersäure,  indem  er  sie  unter  öfterem 
Wechsel  auf  die  Kjiochen  einwirken  lässt.    Selbst  grössere  Knochenstücke 
sind  in  2— 3  Wochen  völlig  entkalkt.  Zur  vollständigen  Entsäuerung  kommen 
die  Präparate  in  96®/o  Alkohol,    dem   bis   zum  t^berschuss    präcipitierter 
kohlensaurer  Kalk  beigefügt  ist;    bei  öfterem  Wechsel  der  Flüssigkeit  ist 
die  Entsäuerung  in  8  —  14  Tagen  erreicht.     Freilich  bleiben  feine  Krümel 
des  Kalkpulvers  an  den  Präparaten  hängen,  wenn  man  nicht  vor  der  Ent- 
säuerung die  Präparate  in  Filtrierpapier  einwickelt,  um  so  das  Haftenbleiben 
des  Pulvers    zu  vermeiden.     Übrigens  sind  auch  die  Krümel   nicht  sehr 
störend.     Die  Methode  vermeidet  mit   Sicherheit  die  Fehler   der  vorigen, 
da  zugleich  mit  der  Entkalkung  eine  völlige  Härtung  der  Gewebe  eintritt. 
Die  von  Partsch  (21)  empfohlene  Methode  besteht  in  einer  Entkalkung  in 
0^/0  Lösung  von  Trichloressigsäure,  worin  die  Präparate  schon  in  2 — 3  Tagen 
sc^lmittfähig  werden.  Nachhärtung  in  Alkohol  oder  Chromsalzen.    Als  Vorzug 
wird  der  Methode  nachgerühmt,    dass    die    feineren    Strukturverhältnisse 
gut  erhalten  bleiben  und   die  verschiedensten  histologischen  und  bakterio- 
logischen Färbungsmethoden  ausführbar  sind.    Ich  habe  die  Methode  noch 
nicht  probieren  können,  die  von  Partsch  auf  der  Wiener  Naturforscherver- 
sammlung  demonstrierten  Präparate  waren  aber  in  der  That  ausgezeichnet. 
Die  von  Chiari  in  der  Diskussion  erwähnte  Methode  der  Entkalkung  in 
5°/o  Salpetersäure  ist  ebenfalls  |sehr   empfehlenswert;   nur  kann  sie  aus- 
schliesslich an  Präparaten  vorgenommen  werden,  die  vorher  gut  in  Alkohol 
gehärtet  waren. 

Unter  den  Einbettungsmethoden  nehmen  nach  wie  vor,  auch 
in  der  pathologischen  Histologie,  die  Paraffin-  und  Celloidinmethoden  die 
erste  Stelle  ein.  Erstere  hat  den  Vorzug,  dass  sie  äusserst  feine  Schnitte 
erlaubt  imd  für  Anlegung  von  Schnittserien  sehr  bequem  ist.  Als  Nach- 
teile werden  angegeben  1.  eine  gewisse  Umständhchkeit  und  lange  Dauer 
der  Einbettung ;  2.  der  Umstand,  dass  solche  Gew^ebe,  die  an  und  für  sich 
spröde  sind  (derbe  Bindegewebsfasern,  Knorpel,  Gehirn)  schwer  schneidbar 
werden  und  dass  bei  Organen,  die  aus  ungleich  festen  Geweben  bestehen, 
die  Schnitte  leicht  ungleichmässig  werden.  Die  Celloidineinbettung  hat 
den  grossen  Vorteil,  dass  das  Celloidin  gut  durchsichtig  ist,  und  durch 
seine  Elastizität  und  Biegsamkeit  selbst  rücksichtslose  Manipulationen  ver- 
trägt; vor  allem  nehmen  die  geschnittenen  Teile  nach  Durchziehen  des 
Messers  die  normale  Lage  wieder  an  und  selbst  sehr  spröde  Gewebe  und 
ungleichmässig    feste    Organe    gestatten    die    Gewinnung    gleichmässiger 


14  AI] gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Schnitte.  Als  Nachteile  kommen  in  Betracht:  1.  die  geringere  Feinheit 
der  Celloidinschnitte,  2.  die  grössere  Schwierigkeit  Serienschnitte  anzulegen, 
3.  die  Umständlichkeit  der  ganzen  Methode.  Wir  werden  daher  kurz  auf 
die  Versuche,  diese  Mängel  zu  überwinden,  eingehen  müssen.  Suchannek(22) 
glaubt  zur  völligen  Entwässerung  der  Präparate,  die  für  die  Paraffinein- 
bettung  eine  unerlässliche  Vorbedingung  ist,  die  Anwendung  des  Anilinöls 
empfehlen  zu  dürfen.  Die  Präparate  sollen  aus  96®/o  Alkohol,  je  nach 
ihrem  Umfang,  auf  1 — 12—24  Stunden  in  reines  wasserfreies  Anilinöl  ge- 
bracht werden  und  von  dort  in  Toluol  gelangen ,  von  wo  aus  sie  weiter 
zur  Paraffineinbettung  verwendet  werden.  Hermann^)  hat  diese  Methode 
als  ein  die  Einbettung  verlangsamendes  umständliches  und  unnötiges 
Verfahren  verworfen;  allein  wenn  sie  allerdings  auch  in  der  von  Suchan- 
nek  angegebenen  Weise  keine  Vorteile  zu  bieten  scheint,  so  möchte  ich 
doch  die  Anwendung  des  Anilinöls  bei  der  Paraffineinbettung  dringend 
empfehlen.  Schon  C  i  a  g  1  i  n  s  k  i  (23)  hat  bei  Behandlung  von  in  M  ü  1 1  e  r  scher 
Flüssigkeit  gehärteten  Stücken  des  Centralnervensystemes  empfohlen,  die 
Alkoholbehandlung  völlig  zu  vermeiden  und  die  Präparate  nach  leichtem 
Abtrocknen  mit  Filtrierpapier  direkt  in  Anilinöl  zu  übertragen.  Nach  3—5 
Tagen  sind  die  gehärteten  Stücke  vollständig  durchsichtig  imd  können  nun 
nach  Übertragung  in  Xylol  in  Paraffin  eingebettet  werden.  Die  Methode 
ist  für  kleinere  Stücke  gut  anwendbar,  besonders  dann,  wenn  man  kon- 
sequent Alkohol  vermeiden  will,  was  allerdings  nach  meiner  Meinung 
kaum  jemals  nötig  ist.  Ich  bediene  mich  seit  Jahren  des  Anilinöls  zur 
Sehn  eil  härtung  und  Sehn  eil  einbettung.  Die  Gewebsstücke  werden  zu- 
nächst in  weiten  Reagensgläsern,  die  bis  zu  einem  Viertel  der  Höhe  eine  Watte- 
lage enthalten,  ca.  V*— '/*  Stunden  in  absolutem  Alkohol  unvollständig  gehärtet, 
wobei  mehrfaches  Wechseln  des  Alkohols  nötig  ist ;  hierauf  kommen  sie  in 
ein  gut  verschliessbares  Schälchen,  das  gewöhnhches  Anilinöl  enthält,  und 
werden  in  demselben  im  Paraffinofen  ca.  V2— 1  Stunde  einer  Temperatur 
von  50—55®  ausgesetzt,  worin  sie  vollkommen  gehärtet  und  durchsichtig  wer- 
den. Hierauf  Übertragen  in  Xylol,  worin  sie  ebenfalls  in  oder  auf  dem  Paraffin- 
ofen bei  mehrfachem  Wechseln  der  Flüssigkeit  V«  Stunde  verbleiben,  bis  das 
Xylol  oder  Toluol  nicht  mehr  gelb  wird;  danach  direkte  Übertragung  in  Pa- 
raffin, wo  die  Einbettung  meist  in  ®/4— 2  Stunden  vollendet  ist.  Auf  diese  Weise 
geUngt  es,  selbst  Stücke  von  1 — VI2  cm  Durchmesser  innerhalb  2—5  Stmi- 
den  nach  dem  Empfang  fix  und  fertig  zur  Untersuchung  zu  haben  und 
zwar  in  einer  Weise,  wie  es  keine  andere  Methode  auch  nur  annähernd 
vollendet  erlaubt.  Freilich  sind  die  auf  diese  Weise  gewonnenen  Präparate 
nicht  gerade  zum  Studium  der  Grössenverhältnisse  und  der  feinsten  Struk- 


1)  Kapitel  „Technik"  in  Ergebnisse  der  Anatomie  Bd.  I.  S.  12. 


Technik.  15 

turen  der  Zellen  geeignet,   weil  bei  dieser   energischen  Wasserentziehung 
eine  Schrumpfung  nicht  zu  vermeiden  ist ,  auch  führt  sie ,    wenn  es  sich 
um  älteres  Leichenmaterial,  das  schon  in  Zersetzung  begriffen  ist,  handelt, 
nicht  ganz  so  rasch,  aber  doch  immerhin  in  mindestens  20—24  Stunden 
zum  Ziele,  aber  der  Zweck  der  Methode  ist  es  ja  auch  nur,  in  möglichst 
kurzer  Zeit  Präparate  zu  gewinnen,  die  in  diagnostischer  Beziehung  völlige 
Klarheit  und  Anwendung  aller  Methoden  gestatten.    Gerade  für  den  patho- 
logischen Anatomen  ist  diese  Methode  nach  meiner  Meinung  von  hervor- 
ragendem Werte,  weil  man  mit  ihr  nach  ganz  kurzer  Zeit  absolut  tadel- 
lose Präparate  erhält.     Wo  es  sich  darum  handelt,  an  ausgekratzten  oder 
ausgeschnittenen  Partikeln  eine  Diagnose  zu  stellen  und  wo  es  eventuell 
dem  Praktiker  auf  eine  rasche  und  sichere  Beantwortung  seiner  Fragen 
ankommt,  kann  sie  durch  nichts  anderes  ersetzt  werden.   Denn  die  Schnitte 
sind  dünn  (7,5 — 15  fi),  alle  Färbungsmethoden  sind  anwendbar  und  so  leistet 
die  Methode  zur  sicheren  Diagnostik  genau  so  viel,  wie  die  langsamere  Härtung 
und  Einbettung.    Auch  ist  sie  im  ganzen  sparsam,  da  sowohl  das  Anilinöl,  wie 
das  Xylol  oder  Toluol  zunächst  nach  Filtration  nochmals  benutzt  werden 
kann.    Auch   bei  langsamerer  Härtung  ist  gewöhnliches  Anilinöl   —    das 
noch  ca.  4 — 5®/o  Wasser  aufnimmt  —  deswegen  empfehlenswert,  weil  man 
in  der  Durchsichtigkeit  der  Stücke    einen  Index   für   ihre   Wasserfreiheit 
besitzt.  —  Die  Nachteile  der  Paraffin-  und  Celloidineinbettung  sollen   die- 
jenigen Methoden  gleichzeitig  vermeiden,  welche  eine  Kombination  beider 
darstellen.    Kultschizky  (30)  verfuhr  in  der  Weise,  dass  er  Celloidinblöcke 
auf  einige  Zeit  in  Origanumöl  brachte  und  dann  weiter   in  gewöhnhcher 
Weise  in  Paraffin  einbettete.    F  i  e  1  d  und  Martin  (24)  gehen  dagegen  so  vor, 
dass  sie  gleichzeitig  das  Paraffin  mit  dem  Celloidin  einwirken  lassen. 
Sie  bringen  1.  das  gut  entwässerte  Objekt  in  eine  Mischung  von  absolutem 
Alkohol  und  Toluol    zu  gleichen   Teilen.      Nachdem  es  dort  in  einigen 
Stunden  durchtränkt  ist,  werden  die  Objekte  2.  in  ein  Gemisch  von  Paraffin 
^d  Celloidin  gebracht.     Man  stellt  es  in  folgender  Weise  her.     Nachdem 
man  Alkohol  und  Toluol  zu  gleichen  Teilen  gemischt  hat,  löst  man  darin 
Celloidinstücke  derartig,  dass  die  Lösung  die  Konsistenz  von  Nelkenöl  oder 
b^ser  eine  noch  etwas  zähere  Konsistenz  angenommen  hat.    Zu   dieser 
L<>sung  fügt  man  nun  kleine  Stücke  Paraffin,  so  dass  sie  bei  einer  Zimmer- 
temperatur von  20 — 25^  eine  gesättigte  Paraffinlösung  darstellt.    Nachdem 
Dian  hierin  die  Präparate  einige  Stunden  belassen  hat ,   kommen   sie  ent- 
weder in  mit  Paraffin  gesättigtes  Chloroform,  von  wo  aus  sie  dann  in  ge- 
wöhnlicher Weise  in  Paraffin  eingebettet  werden  oder  man   fügt   zu   der 
Celloidin-Paraffinmischung  unter  massigem  Erwärmen  so  lange  Paraffin  zu, 
bis  der  hihalt  nahezu  aus  reinem  Paraffin   besteht ;    danach  Behandlung 
wie  bei  gewöhnhchen  Paraffinpräparaten.     Die   Methode   ist   zwar   etwas 


16  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

umständlich  und  gelingt  nach  meiner  Erfahrung  durchaus  nicht  immer, 
giebt  aber  sehr  gute  Resultate.  Die  Verbesserer  der  Celloidineinbettung 
richten  ihr  Augenmerk  1.  darauf,  ebenfalls  sehr  dünne  Schnitte  zu  erzieleu, 
2.  auf  die  Ermöglichung  von  Serienschnitten.  Der  erste  Zweck  wird,  wenn 
auch  nicht  vollkommen,  so  doch  teilweise  erreicht  durch  den  Vorschlag  von 
Busse  (26),  die  Celloidinpräparate  nicht  in  70®/o,  sondern  in  85 ®/o  Alkohol 
erstarren  zu  lassen.  Thatsächlich  erhält  man  auf  diese  Weise  eine  bedeuteud 
bessere  Schnittfähigkeit  und  Durchsichtigkeit  der  Celloidinblöcke.  A  p  a t  h  y  (27), 
der  ein  geradezu  begeisterter  Verfechter  des  Celloidineinbettungsverfahreiis 
ist,  verfährt  folgendermassen.  Er  bereitet  sich  möglichst  wasserfreies  Gel- 
loidin  in  der  Weise,  dass  er  zunächst  die  Celloidintafeln  in  kleine  Würfel 
zerschneidet,  lufttrocken  werden  lässt  und  dann  die  steinharten  Partikel 
im  Mörser  zerstampft.  Hieraus  werden  dann  durch  Aufgiessen  gleicher 
Teile  absoluten  Alkohols  und  Schwefeläthers  drei  Lösungen  bereitet;  eine 
konzentrierte  von  der  Konsistenz  dicken  Syrups  (Lösung  1),  eine  zweite, 
die  durch  Verdünnen  der  ersten  mit  Äther  auf  das  doppelte  Volumen 
gewonnen  wird  (Lösung  2),  endUch  Lösung  3  durch  Verdünnung  der 
zweiten  Lösung  in  gleicher  Weise  erhalten.  Die  möglichst  wasserfreien 
Präparate  kommen  erst  in  Lösung  3,  dann  in  2  und  endüch  in  1.  In  der 
That  gelingt  es  bei  Anwendung  dieses  Verfahrens,  bei  nicht  zu  dicken 
Objekten,  Schnitte  von  10—7,5  /i  Dicke  zu  erhalten. 

Zur  Anfertigung  von  Schnittserien  der  Celloidinpräparate  kommen 
hauptsächlich  zwei  Methoden  in  Betracht.  Die  eine  von  Weigert  (31)  für 
seine  Centralnervensystemmethode  angegebene  beruht  darauf,  dass  man 
die  auf  dem  Messer  liegenden  Schnitte  mit  Klosetpapier  von  der  KHnge 
abzieht  und  so  auf  den  Papierstreifen  die  Schnitte  nach  und  nach  an 
einander  reiht;  diese  Streifen  legt  man  dann  auf  vorher  mit  Kollodium 
übergossene  und  wieder  getrocknete  Objektträger  und  zieht  sie  vorsichtig 
ab,  darauf  giesst  man  rasch  eine  dünne  und  gleichmässige  Schicht  von 
Kollodium  über  die  Schnitte  hinweg  und  stellt  die  Platte  auf  die  Kante; 
sobald  die  Kollodium  schiebt  getrocknet  ist,  kann  man  die  Färbung  vor- 
nehmen; in  Hämatoxylin  löst  sich  die  Kollodiumschicht  samt  den  Schnitten 
von  der  Unterlage  ab  und  man  behandelt  nun  die  ganzen  Kollodium- 
streifen, wie  sonst  die  Schnitte  allein.  Apathy,  dessen  Methode  nur  dann 
anwendbar  ist,  wenn  man  die  Präparate  vorher  im  Stück  gefärbt  hat, 
überträgt  die  Schnitte  auf  einen  mit  Bergamottöl  befeuchteten  Streifen 
Pauspapier;  nach  Abfliessen  des  Öles  und  Umdrehen  des  Papiers  glättet 
man  den  Streifen,  legt  die  Seite  mit  den  Schnitten  auf  einen  gut  abge- 
trockneten Objektträger  und  trocknet  den  Streifen  mit  Löschpapier.  Nun 
löst  man  den  Pauspapierstreifen  ab,  drückt  die  Schnitte  nochmals  an 
und  bettet  in  Kanadabalsam   ein.     Beide  Methoden  sind  durchaus  zweck- 


Technik.  17 

eutsprechend  und  sicher,  aber  wie  bereits  aus  den  Angaben  hervorgeht, 
nur  für  eine  bestimmte  Anzahl  von  Fällen  brauchbar.  Für  die  Schnitt- 
serieu  bleibt,  wenn  es  sich  nicht  gerade  um  Centralnervensystem  handelt, 
immer  die  Paraffinmethode  vorzuziehen. 

Hieran  seien  noch  einige  Bemerkungen  geknüpft  über  die  Methoden 
zur  Aufklebung  von  Paraffinschnitten.  Unter  den  verschiedenen 
Mitteln  erfreuen  sich  dergrössten  Beliebtheit  1.  die  von  Paul  Mayer  (32)  an- 
gegebene Methode  des  Aufklebens  mit  Eiweissglycerin  und  2.  die  schon 
von  Altmann,  Gulland  empfohlene,  von  M.  Heidenhain  (33)  näher  ge- 
prüfte Methode  des  Aufklebens  durch  Wasserverdunstung.  Die  erstere 
Methode  besitzt  die  Vorzüge,  dass  sie  sehr  einfach  ist  und  sehr  schnell 
geht;  die  Präparate  kleben  sehr  fest,  das  Eiweiss  färbt  sich,  wenn  man 
es  genügend  fein  verstrichen  hat,  nicht  mit;  aber  es  ist  notwendig  die 
Sclinitte  zu  glätten  und  auch  dann  können  Faltelungen,  namentlich  wenn 
es  sich  um  Präparate  handelt,  die  in  Chromsalze  gehärtet  waren,  nicht 
immer  vermieden  werden.  Diesen  Übelstand  vermeidet  die  Wasserver- 
'lunstungsmethode  bei  Alkohol-  und  Sublimatpräparaten  mit  Sicherheit; 
wahrend  sie  allerdings  bei  Chromsäurepräparaten  ebenfalls  oft  versagt.  Hier 
leistet  nun  alles ,  was  man  verlangen  kann ,  eine  Kombination  beider  Me- 
thoden, wie  sie  neuerdings  von  S.  Ikeda  und  Kametar  o  Toy  ama  (32)  em- 
pfohlen worden  ist.  Dieselben  verreiben  zunächst  geringe  Mengen  der 
Mayerschen  Eiweissglycerinlösung  äusserst  fein  auf  dem  Objektträger, 
briügen  dann  etwas  destilliertes  Wasser  darauf  und  legen  hierauf  die 
Schnitte;  darauf  wird  das  überschüssige  Wasser  abgesaugt  und  dann,  wie 
bei  Heidenhain  weiter  behandelt.  Reinke  (34)  empfiehlt  die  japanische 
Methode  nach  eigener  Ausprobierung  an  reichlichem,  in  verschiedenster 
Weise  fixiertem  Material.  Er  nimmt  äusserst  wenig  Eiweiss,  viel  Wasser 
und  lässt  das  Eiweiss  erst  bei  70^  gerinnen,  bevor  er  das  Wasser  und  die 
'^hnitte  darauf  thut.  Osmium  und  Chromsäurepräparate  haften  mit  grosser 
"Sicherheit.  Auch  ich  kann  die  Methode  sehr  empfehlen;  besonders  bei 
der  Altmann  sehen  Methode  ist  sie  unentbehrlich,  weil  hier  die  anderen 
Methoden  zu  leicht  Faltungen  oder  sogar  Ablösung  der  Schnitte  bewirken. 


Teil  IL 

Litteratur. 

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44.  Römer,  Die  ehem.  Reizbarkeit  tierischer  Zellen.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  128. 

45.  H.  F.  Mftller,  Die  Methoden  der  Blutuntersuchung.  Ctbl.  f.  allg.  Path.  Bd.  lU.  S.  801. 

46.  C.  Weigert,  Fortschr.  d.  Med.  Bd.  IL  S.  190.  Bd.  III.  236. 

47.  Päl,  Ein  Beitrag  zur  Nerven-Färbetechnik.  Wien.  med.  JahrbOcher  1886  und  Zeitschr. 
f.  Mikroskopie  Bd.  IV. 

48.  Eoltschitzky,  Über  die  Färbung  der  markhaltigen  Nervenfasern  in  den  Schnitten 
des  Centralnervensystems  mit  Hämatozilin  und  Karmin.   Anatom.  Anz.  Bd.  V.  8.  519. 

49.  Wolters,  Drei  neue  Methoden  zur  Mark-  und  Achsencylinderfärbung  mittelst  Häma- 
toxylin.    Ztschr.  f.  Mikroskopie  Bd.  7.  S.  466. 

hO.  Kaiser,  Schnellverfahren  der  Weigert  sehen  Hämatoxylinfärbung.  Zeitschrift  für 
Mikroskopie  Bd.  IX. 

)1.  R.  Nissl,  über  die  Untersuchungsmethoden  der  Grosshirnrinde.  Tagebl.  d.  Natur- 
forscherversamml.  in  Strassb.  1885. 

■J2.  Derselbe,  Mitteilungen  zur  Anatomie  der  Nervenzelle.  Allg.  Zeitschr.  f.  Psychiatrie 
Bd.  50.  S.  170. 

•j3.  Derselbe,  Über  eine  neue Untersuchungsmetbode  der Centralorgane,  speziell  zur  Fest- 
stellung der  Lokalisation  der  Nervenzellen.     Ctbl.  f.  Psychiatrie  Bd.  XVII. 

^  Marchi  und  Algeri,  Sülle  degenerazioni  discendenti  consecutivi  a  lesioni  della 
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^>-  Sänger  und  Mfinzer,  Abhandl.  der  Wiener  Akademie  Bd.  57.  S.  569. 

■A  Redlich,  Zur  Verwendung  der  Marc hi sehen  Färbung  bei  pathologischen  Präparaten 
des  Nervensystems.    Ctbl.  f.  Nervenheilk.  Bd.  XV.  S.  111. 

•'"'.  Sahli,  Über  eine  neue  Doppelfärbung  des  Centralnervensystems.  Zeitschr.  f.  wissensch. 
Mikroskopie  Bd.  II.  1885. 

>'  Ciaglinski,  Ein  Beitrag  zur  mikroskop.  Technik  der  Untersuchung  des  Rückenmarkes 
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59.  Ströbe,  Zur  Technik  der  Achsencylinderfärbung  im  centralen  und  peripheren  Nerven- 
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^i<).  Mallory.  Anat  Anzeiger  Bd.  VI.  S.  375.     Zeitsch.   f.  wissensch.  Mikrosk.  Bd.  VIII 

^Jl-  Schmaus,  Technische  Notizen  zur  Färbung  der  Achsencylinder  im  RQckenmark. 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikrosk.  Bd.  VIII.  S.  230  u.  Münch.  med.  TVochenschr.  1891. 
8.  147. 

62.  Ströbe,  Zur  Entstehung  der  Gehimgliome.    Ctbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  V.  S.  K55. 

63.  von  Lenhossök,  Der  feinere  Bau  des  Nervensystems  im  Lichte  neuester  Forsch- 
ungen.   2.  Aufl.  Berlin  1895.  S.  151. 


20  Allgero.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

So  sehr  sich  auch  in  den  letzten  Jahren  die  Färbetechnik  entwickelt 
hat,  so  dass  sie  ein  kaum  noch  völlig  zu  beherrschendes  Gebiet  bildet,  so 
wenig  sind  wir  doch  bis  jetzt  imstande  eine  eigentliche  Theorie  der  Färbung 
zu  geben.  Weigert  (6)  hat  besonders  in  seinem  Artikel  Technik  in  den 
Merkel -Bonn  et  sehen  Ergebnissen  betont,  dass  wir  selbst  bei  den  ein- 
fachsten Färbungen  nicht  genau  wissen,  um  welche  chemische  Vorgänge 
es  sich  handelt,  ja  dass  wir  überhaupt  nicht  im  speziellen  Falle  entscheiden 
können,  ob  die  Färbung  auf  einem  echt  chemischen  oder  einem  mehr 
physikalischen  Vorgang  beruht.  Trotzdem  glaubt  er,  dass  die  Färbungen 
in  gewissem  Sinne  den  Wert  mikrochemischer  Reaktionen  besitzen,  inso- 
fern man  mit  Sicherheit  wird  sagen  können,  dass  histologische  Elemente, 
die  sich  konstant  einem  und  demselben  Farbstoff  gegenüber  verschieden 
verhalten,  auch  chemisch  von  einander  verschieden  sind.  Freilich  gilt,  wie 
ich  glaube,  auch  dieser  Satz  nicht  für  alle  Fälle,  wenn  man  sich  auch  auf 
die  Beurteilung  feinerer  Farbennuancen  einlässt,  namentlich  bei  Anwendung 
von  Farbstoffgemischen.  Wennz.  B.beider  von  Gieson  sehen,  von  Ern8t(ll) 
für  das  Hyalin  angewandten  Färbung  hyaline  Su])stanzen  an  verschiedenen 
Stellen  verschiedene  Farbennuancen  zeigen,  so  beweist  das  keineswegs  eine 
verschieden  chemische  Beschaffenheit  der  betreffenden  Substanzen,  sondern 
beruht  wahrscheinlich  lediglich  auf  Dichtigkeitsunterschieden.  Auch  bei 
Anwendung  der  Ehrlichschen  und  Biondischen  Farbstoffgemische  darf 
den  Farbenunterschieden  nur  insofern  ein  Wert  beigelegt  werden,  als  es 
sich  um  das  Hervortreten  der  Eigenfarbe  der  einzelnen  Bestandteile  des 
Geraisches  handelt;  Zeil-Granula,  die  intensiv  rot,  durch  Säurefuchsui  ge- 
färbt sind  und  solche,  die  eine  mehr  gelbrote  Färbung  aufweisen,  brauchen 
durchaus  noch  nicht  chemisch  different  zu  sein;  sondern  auch  hier  mag 
die  verschiedene  Nuancirung  auf  Unterschieden  der  Dichtigkeit  beruhen. 
Natürlich  weisen  dagegen  konstante  und  scharfe  Gegensätze  der  Färbung 
auf  chemische  Verschiedenheiten  hin ;  wenn  also  bei  Benutzung  der  basischen 
und  sauren  Farblösungen  ein  Teil  der  Zellgranula  durch  die  sauren,  ein 
anderer  Teil  durch  die  basischen  Farbstoffe  gefärbt  wird,  so  kann  es  sich 
nur  um  chemische  Unterschiede  handeln,  ebenso  wie  wir  bei  der  Gieson- 
schen  Färbung  (Säurefuchsin  und  Pikrinsäure)  die  sich  rein  gelb  färbenden 
von  den  rotfärbenden  Substanzen  als  chemisch  different  ansehen  dürfen. 
Aber,  wie  gesagt,  gilt  dies  nur  nach  der  negativen  Seite.  Niemals  dürfen 
wir,  wie  das  ebenfalls  Weigert  hervorgehoben  hat,  aus  dem  gleichartigen 
tinktoriellen  Verhalten  auf  den  gleichen  chemischen  Charakter  schliessen. 
Das  ist,  wie  ich  noch  betonen  möchte,  selbst  dann  nicht  erlaubt,  wenn  die 
Übereinstimmung  sich  nicht  nur  auf  eine,  sondern  auf  mehrere  Färbungs- 
methoden bezieht.  Weigert  hat  selbst  seine  Fibrinmethode  als  Beispiel 
angeführt,  nach  welcher  nicht  nur  Fibrin,  sondern  auch  Zellkerne,  Bakterien, 


Technik.  21 

me  ich  femer  nachgewiesen  habe,  auch  Schleim,  Kolloid,  Glykogen,  Lecithin 
tingiert  werden  kann.  Ich  möchte  hier  noch  bemerken,  dass  auch  die 
Resultate  der  Versuche  von  K  o  s  s  e  1  (8)  und  Lilienfeld  (7),  die  Beziehungen 
der  Farbstoffe  zu  chemisch  gut  gekannten  Bestandteilen  des  Organismus 
zu  ergründen,  doch  noch  mit  grosser  Vorsicht  benutzt  werden  müssen. 
Wenn  Lilienfeld  gefunden  hat,  dass  die  Nukleinsäure  zu  basischen 
Anilinfarbstoffen  eine  grosse  Verwandtschaft  besitzt,  das  Nukleoalbumin 
dagegen  zu  den  neutralen,  das  Zelleiweiss  dagegen  acidophil  ist  und  wenn 
Posner  (9)  deswegen  meint,  man  könne  bei  Anwendung  derartiger  Farbstoff- 
gemische aus  dem  elektiven  Verhalten  der  einzelnen  Gewebs-  und  Zeil- 
Substanzen  einen  Schluss  auf  die  chemische  Beschaffenheit  ziehen,  so  geht 
das  auch  zu  weit.  Denn  es  können  sich  auch  andere  Substanzen  und 
zwar  solche,  welche  ebenfalls  sehr  häufig  in  den  Zellen  vorhanden  sind, 
gleichartig  verhalten.  So  habe  ich  z.  B.  gefunden,  dass  das  rein  dargestellte 
Lecithin  ebenfalls  acidophil  ist,  dass  ferner  das  aus  Pflanzen  hergestellte 
Nukle'in  keineswegs  völlig  gleichmässig  reagiert.  Alle  diese  Gesichtspunkte 
kommen  besonders  dann  in  Betracht,  wenn  man  versucht,  die  einzelnen 
Gewebsbestandteile  different  zu  färben.  Es  würde  das  selbstverständlich 
leicht  zu  erreichen  sein,  wenn  man  die  chemischen  Affinitäten  der  einzelnen 
Gewebsbestandteile  genau  kennen  würde.  Die  einfachsten  Doppelfärbungen 
mit  basischen  und  sauren  Anilinfarbstoffen  (z.  B.  Methylenblau -Eosin) 
beruhen  ja  thatsächlich  darauf,  dass  der  Zellinhalt  acido-,  der  Zellkern 
basophil  ist.  Wenn  aber  die  verschiedensten  normalen  und  pathologischen 
Produkte  distinkt  hervorgehoben  werden  sollen,  so  ist  das  meist  nicht 
durch  eine  Methode  allein  und  nicht  nur  mit  Berücksichtigung  der  Färbung 
zu  erreichen.  Weigert  hat  daher  das  Postulat  gestellt,  dass  die  Färbung 
nur  in  so  weit  differenzieren  soll,  dass  sie  Verwechslungen  verhütet.  Es 
dürfen  also  vor  allem  nicht  solche  Elemente  gleichartig  gefärbt  sein,  die 
morphologisch  mit  einander  verwechselt  werden  können;  während  es 
gleicbgiltig  ist,  wenn  z.  B.  bei  einer  Methode,  die  zur  Darstellung  von 
Fasern  dienen  soll,  die  Zellkerne  gleichartig  gefärbt  sind.  Aber  selbst  bei 
dieser  Beschränkung  besitzen  wir  nur  wenige  Methoden ,  welche  das  auf- 
gestellte Postulat  erfüllen;  hierzu  gehört  vor  allem  die  Ünna-Tänzer- 
sche  Färbung  der  elastischen  Fasern,  die  We  ige  rt  sehe  Markscheidenfärbung 
und  die  Weigertsche  Neurogliafärbung.  Freilich  zeigen  auch  gerade  wieder 
diese  Methoden,  dass  die  differentesten  Dinge  gleichartig  gefärbt  werden, 
bei  der  Markscheidenfärbimg  ausser  den  Markscheiden  rote  Blutkörperchen 
bier  und  da  auch  elastische  Fasern,  bei  der  Neurogliafärbung  auch  Fibrin- 
fäden. Bei  den  meisten  anderen  Methoden,  die  zu  differentiellen  Zwecken 
dienen  sollen,  können  wir  aber  ohne  Berücksichtigung  der  morpho- 
logischen und  eventuell  lokalen  V^erhältnisse  nicht  auskommen; 


22  All  gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

oft  genug  wird  es  auch  notwendig,  mehrere  differenteFärbuugs- 
methoden  oder  sogar  mikrochemische  Reaktionen  zu  Hilfe  zu 
nehmen.  Das  gilt  sowohl  für  die  einfachsten,  nur  vorübergehend  haftendeu, 
wie  für  die  kompliziertesten  Färbungen.  Sehen  wir  z.  B.,  dass  glänzende 
hyaline  Substanzen  bei  Jodzusatz  mahagonibraun  werden,  so  können  vnx 
bei  Berücksichtigung  der  Form-  und  Lagerungsverhältnisse  meist  ohne 
weiteres  feststellen,  ob  es  sich  lun  amyloide  oder  glykogene  Substanzen 
bezw.  die  Stoffe  der  Corpora  amylacea  handelt;  in  manchen  Fällen  —  wenn 
z.  B.  Glykogen  ausserhalb  der  Zellen  in  grösseren  Strängen  auftritt  — 
kann  es  aber  notwendig  werden,  die  Differentialdiagnose  durch  Anwendung 
einer  mikrochemischen  Reaktion  (Verhalten  zu  Wasser,  Säuren,  Speichel  etc.) 
zu  stellen.  Ebenso  können  wir  meistens  bei  Anwendung  der  Weigertschen 
Fibrinmethode  Fibrin  von  allen  übrigen  sich  gleich  färbenden  Substanzen 
durch  die  Form  unterscheiden :  aber  es  giebt  Fälle  —  die  Verbindungsfasoru 
von  Epithelien  (Herxheimersche  Spiralen),  feine  Bindegewebsfasern,  vor 
allem  fädiger  Schleim  —  wo  die  eine  Methode  nicht  ausreicht  und  wo  wir 
zu  den  bekannten  mikrochemischen  Reaktionen  greifen  müssen.  Besonders 
an  den  Wänden  entzündeter  Ovarialcysten  kann  es  geradezu  unmöglich 
sein  Schleim  und  Fibrin  zu  unterscheiden,  wenn  man  nicht  zum  Vergleich 
eine  andere  Methode  heranzieht,  z.  B.  die  BiondischeFärbung,  wobei  Fibrin 
rot,  Schleim  grün  gefärbt  wird.  Und  diese  Beispiele  Hessen  sich  wolil 
häufen.  —  Wenn  wir  nach  diesen  allgemeinen  Bemerkungen,  die  zur  Er- 
läuterung und  Einschränkung  der  folgenden  Scliilderung  notwendig  er- 
schienen, die  wesentlichsten  Punkte  herausgreifen  wollen,  in  denen  für  die 
pathologische  Histologie  Fortschritte  erreicht  oder  angebahnt  sind,  so  können 
wir  zwei  grosse  Gruppen  unterscheiden.  1.  Methoden  zur  besonderen 
Färbung  pathologischer  Produkte.  2.  Methoden  zurFärbuugbe- 
sonderer  Zell-  und  Gewebsbestandteile.  Ein  grosser  Teil  der  hier 
in  Betracht  kommenden  Methoden  hat  selbstverständlich  auch  für  die 
normale  Histologie  grosse  Bedeutung ;  aber  die  absolut  sicheren  Methoden 
sind  deswegen  für  die  pathologische  Gewebslehre  von  noch  grösserer  Be- 
deutung, da  sie  in  viel  sicherer  Weise  als  bisher  möglich  ein  Urteil  auch 
über  die  feineren  Veränderungen  der  einzelnen  Gewebsbestandteile  ermög- 
lichen. — 

ad  1.  Von  den  pathologischen  Produkten  kommen  hier  die  ent- 
zündlichen und  die  degenerativen  in  Betracht.  —  Bei  Entzündungen  i?t 
es  von  grösstem  Interesse,  die  Ausdehnung  der  exudativen  Veränderungen 
klar  zu  stellen.  Hier  kommt  alles  auf  den  Nachweis  auch  geringer  Mengen 
von  F  i  b  r  i  n  an.  Hierfür  leistet  die  W  e  i  g  e  r  t  sehe  Fibrinfärbungsmethode  (3) 
ganz  Hervorragendes.  Sie  wird  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  die  Präparate 
zunächst  in   sehr  konzentrierter  Anilinwassergentianaviolettlösung  gefärbt 


Technik,  23 

werden,  nach  Abspülung  mit  0,5^/o  Kochsalzlösung  oder  Wasser  in  eine 
Jodjodkalilösung  (1:2:300)  gelangen  und  dann  nach  gründlicher  Abtrock- 
nung  mittelst  FHess-,  Kloset-  oder  Seidenpapier  mit  einer  Lösung  von 
Anilinöl  2:1  Xylol  entfärbt  werden.  Die  Dauer  der  einzelnen  Manipulationen 
hängt  von  der  Dicke  der  Schnitte  und  der  Art  der  Einbettung  ab;  am 
elegantesten  gelingt  die  Methode  an  Paraffinpräparaten,  die  nach  der  japani- 
j?chen  Methode  auf  Objektträger  aufgeklebt  sind ;  im  allgemeinen  genügen 
öllinuten  Färben  und  ebensolange  Einwirkung  der  Jodjodkalilosung,  Zum 
gleichen  Zwecke  kann  auch  die  Alt  mann  sehe  Methode  der  Zellgranula- 
darstellung  —  Färbung  mit  20®/o  Anilinwassersäurefuchsinlösung  und 
Differenzierung  mit  Pikrinsäurelösung  (1  Vol.  konzentrierter  alkohol.  Pikrin- 
säurelösung auf  2  Vol.  Wasser)  —  und  unter  Umständen  zu  differential- 
diagnostischen Zwecken  die  Biondische  oder  Bergonzinische  Methode 
empfohlen  werden.  -  Die  Weigert  sehe  Methode  hat  bereits  wichtige  Auf- 
schlüsse für  die  pathologische  Histologie  gebracht,  von  denen  hier  erwähnt 
seien:  1.  Der  Aufbau  der  Thromben  (Weigert,  Aschoff);  2.  der  Bau 
der  Tuberkel  (Schuchardt,  Lubarsch,  Falk);  3.  Verhältnis  fädigen 
Fibrins  zum  Hyalin  (Weigert).  — 

Von  den  bei  degenerativen  Prozessen  vorkommenden  Stoffen  spielen 
eine  besondere  Rolle  die  durch  ihre  Zähigkeit,  Durchsichtigkeit  und  (Hanz 
ausgezeichneten  Substanzen,  die  z.  T.  morphologisch  gar  nicht  und  auch 
ehemisch  schwer  unterscheidbar  sind,  so  dass  eine  tinktorielle  Differenzie- 
rung von  der  grössten  Wichtigkeit  sein  würde.  Die  neueren  Färbungs- 
methoden für  diese  Substanzen  gehen  einmal  darauf  hinaus,  die  betreffenden 
Stoffe  bereits  in  mögüchst  geringer  Quantität  nachzuweisen ,  andererseits 
sie  durch  differentielle  Färbungen  von  einander  zu  trennen.  Beide  Zwecke 
erfüllt  fast  vollkommen  die  H  o  y  e  r  sehe  Thioninfärbung  (25)  für  das  M  u  c  i  n. 
Wenn  irgendwo  in  grösseren  Mengen  Mucin  in  Gewebszellen  oder  Fasern 
vorhanden  ist,  so  ist  der  Nachweis  mit  Böh morschem  oder  Delafield- 
schem  Hämatoxylin,  mit  basischen  Anilinfarbstoffen  (bei  Methylviolett  und 
Methylgrün)  leicht  zu  führen;  die  bei  diesen  Methoden  eintretende  Meta- 
ehromasie  ist  aber  nicht  so  intensiv,  dass  nicht  geringe  Mengen  übersehen 
werden  könnten.  Das  Thionin  leistet  nun  gerade  dadurch  so  vorzügHches, 
dass  es  die  Gewebe  (ZelUnhalt,  Kerne,  Fasern)  blau,  das  Mucin  dagegen 
intensiv  rot  bis  rotviolett  färbt.  Die  Anwendung  geschieht  in  folgender 
Weise,  Färbung  in  Alkohol  oder  besser  auch  in  Sublimat  gehärteter  Prä- 
parate in  einer  Lösung  von 

Thionin  (gesättigte  wässerige  Lösung)  2  Tropfen 
Aq.  dest.  5  ccni 

5—15  Minuten  lang.    Abspülen  mit  Wasser.     Andere  hyaline  Substanzen 
werden  bläuUch,  bis  leicht  rötlich    gefärbt;    auch  Fibrin    bleibt   bläulich. 


24  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  [^hy Biologie. 

Lediglich  die  elastischen  Fasern  verhalten  sich  ganz  so  wie  Mucin,  hier 
gestattet  aber  die  morphologische  Betrachtung  eine  Unterscheidung.  Ob 
die  gleiche  Färbung  namenthch  junger  und  ödematöser  Bindegewebsfasern 
durch  den  Gehalt  an  Mucin  bewirkt  ist,  ist  noch  näher  festzustellen,  ist 
aber  sehr  wahrscheinlich,  da  nachgewiesnermassen  in  den  Bindegewebs- 
fasern Mucin  vorkommt.  Zur  Färbung  des  Kolloids  —  jener  in  der 
Schilddrüse  und  den  EierstooksfoUikeln  vorkommenden  Substanz  —  wird 
von  Ernst(10)dievanGieson  sehe  Methode  (Säurefuchsin-Pikrinsäure)  em- 
pfohlen; hier  soll  sogar  eine  Differenzierung  gegenüber  dem  eigentlichen 
Hyalin  möglich  sein ;  Hyalin  soll  rot,  Kolloid  bräunlich  oder  gelbrot  (orange) 
gefärbt  werden.  Ich  kann  trotz  der  Zustimmung  von  Kahldens  (12)  diej*e 
Angabe  nur  in  soweit  bestätigen,  als  allerdings  das  bindegewebige  Hyalin 
sich  oft  durch  seine  deutUche  ßotfärbung  von  dem  Kolloid  unterscheiden 
lässt;  dass  aber  viele  andere  —  ebenfalls  als  Hyalin  bezeichnete  Substanzen  — 
sich  ähnlich  verhalten,  wie  das  Schilddrüsenkolloid.  Man  ist  also  nicht  im 
Stande  auf  Grund  des  verschiedenen  tinktoriellen  Verhaltens  eine  Unter- 
scheidung in  „echtes"  Hyalin  und  Kolloid  vorzunehmen,  um  so  weniger 
als,  wie  auch  v.  Kahlden  angiebt,  auch  das  Kolloid  mitunter  leuchtend 
rot  und  das  Hyalin  braunrot  wird.  Zum  Nachweis  des  Glykogens  be- 
diente man  sich  bisher  nach  Ehrlich  der  Jodgummimethode,  wobei  es 
auch  gelingt  Dauerpräparate  anzufertigen.  Wenn  die  Präparate  auch  mehr 
leisten,  wie  die  Jodglycerinpräparate  nach  der  Barfurthschen  Methode 
so  ist  doch  die  Aufhellung  selbst  dünnere  Schnitte  eine  nicht  sehr  voll- 
kommene, so  dass  gerade  die  feineren  Strukturverhältnisse  der  Zellen  und 
ihre  Beziehungen  zum  Glykogen  wenig  hervortreten.  Nach  dieser  Rich- 
tung leistet  die  Langh aussehen  Methode  entschieden  bedeutend  mehr. 
Langhans  (13)  behandelt  die  Schnitte  mit  verdünnter  Jodjodkalilösung,  ent- 
wässert dann  mit  einem  Gemisch  von  vier  Teilen  absolutem  Alkohol  auf 
einen  Teil  offizineller  Jodtinktur  und  hellt  in  Origanumöl  auf,  der  zugleich 
als  Konservirungsmittel  dient.  Die  Methode  giebt  sehr  klare  Bilder  beson- 
ders auch  dann,  weim  man  nach  meinem  Vorschlage  zunächst  die  Schnitte 
mit  salzsaurem  alkoholischen  Karmin  vorfärbt.  Um  die  Verdunstung  des 
Origanumöls  zu  verhindern,  habe  ich  es  als  gut  erprobt,  einen  Rahmen 
von  Paraffin  und  Siegellack  um  das  Deckgläschen  zu  ziehen.  Die  Prä- 
parate halten  sich  auf  diese  Weise  wohl  sechs  Monate  und  länger.  Diejenige 
Methode,  welche  in  vielen  Fällen  die  elegantesten  und  dauerhaftesten  Prä- 
parate liefert,  ist  die  zufällig  von  mir  gefundene  Anwendung  der  Weigert- 
sehen  Fibrinmethode,  die  ich  dann  unwesentlich  modifiziert  habe  (14, 15).  Man 
färbt  kurze  Zeit,  etwa  2—4  Minuten  mit  der  Weigert  sehen  Anilin  wasser 
gentianaviolettlösung,  spült  dann  nur  ganz  rasch,  durchschnittlich  15  Sekun- 
den mit  der  Jodkalilösung  ab,  trocknet  den  Schnitt  mit  Klosetpapier  und 


Technik.  25 

und  entfärbt  mit  Anilinöl.  Zur  Vorfärbung  verwende  ich  ebenfalls  das 
salzsaure  alkoholische  Karmin  J.  Mayers.  Die  Präparate  werden  dann 
nach  Entfernung  des  Anilinöls  mit  Xylol  in  Kanadabalsam  eingeschlossen 
und  halten  sich  sehr  lange.  Das  Glykogen  erscheint  nun  tief  dunkelblau,  die 
Kerne  rot.  Manche  Präparate  haben  sich  seit  über  zwei  Jahren  unverän- 
dert erhalten  (z.  B.  Froschleber),  andere  büssen  schon  nach  drei  Monaten 
an  Intensität  der  Färbung  ein.  Worauf  die  verschiedene  Haltbarkeit  beruht, 
habe  ich  noch  nicht  ergründen  können.  Dass  es  sich  aber  bei  dieser 
Färbung  nicht  um  eine  chemische  Verbindung,  sondern  nur  um  ein 
mechanisches  Haften  des  Farbstoffes  handelt,  geht  aus  der  Thatsache 
hervor,  dass  bei  den  Präparaten,  die  sich  mit  der  Zeit  entfärbt  haben,  durch 
Wiederholung  der  Färbung  dasselbe  Resultat  erzielt  wird,  wie  bei  der  ersten 
Färbung.  Auch  kann  in  zweifelhaften  Fällen  die  Blaufärbung  hyaUner 
Kugeln  nicht  die  Glykogennatiur  beweisen,  um  so  weniger  als  Lecithin  sich 
gleich  verhält.  Hier  muss  der  Vergleich  mit  der  Jodmethode  und  die 
Loslichkeit  des  Glykogens  in  Speichel  die  Entscheidung  bringen.  Eine 
zweite  Methode  von  mir  giebt  ebenfalls  sehr  befriedigende  Resultate.  Die 
Schnitte  werden  zunächst  fünf  Minuten  gefärbt  in  einer  Lösung  von 
Delafieldsche  (möglichst  alte)  Stamm-  Das  Ganze  zu  filtrieren 

Hämatoxylinlösung  10,    ccm      und  vor  dem  Sonnen- 

Gram  sehe  Jod- Jodkalilösung  10,    ccm      licht  geschützt  auf  zu- 

Aq.  dest.  5,0  ccm  bewahren. 

Darauf  spüle  man  noch  1 — 2  mal  die  auf  dem  Objektträger  aufge- 
klebten Schnitte  mit  absolutem  Alkohol  ab,  trockne  gründlich  mit  Seiden- 
oder Klosetpapier  ab  und  schliesse  in  Kauadabalsam  ein.  Die  Kerne  treten 
deutlich  graublau  bis  blauviolett  hervor,  während  das  Glykogen  sich  ausser- 
ordentlich scharf  mahogonibraun  bis  braungelb  abhebt.  Die  Methode  be- 
sitzt jedoch  Nachteile:  1.  gelingt  die  Doppelfärbung  auf  einmal  nicht  immer 
und  nicht  gleichmässig;  oft  ist  es  nötig  nach  der  Färbung  mit  Hämato- 
xylin  noch  für  kurze  Zeit  die  Gram  sehe  Lösung  auf  die  Schnitte  ein- 
wirken zu  lassen,  2.  bleibt  die  Form,  in  welcher  das  Glykogen  in  den 
Zellen  vorhanden  ist,  um  so  weniger  gut  erhalten,  je  leichter  löslich  es  in 
Wasser  imd  je  lockerer  es  an  den  Glykogenträger  gebunden  ist;  die  Braun- 
färbung wird  dann  diflEns.  Für  solche  Fälle  benutze  ich  zum  Färben  eine 
I^ung  folgender  Zusammensetzung: 

konzentrierte  alkoholische  Jodlösung  7    ccm 
Delafieldsche  Stammlösung  4       „ 

Aq.  dest.  3,0    „ 

Im  übrigen  ist  die  Behandlung,  wie  bei  der  wässerigen  Jodhämatoxylin- 
lösung;  da  die  alkohoHsche  Lösung  die  Kerne  wenig  scharf  färbt,  ist  eine 


26  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

Vorfärbung  mit  May  erschein  Karmin  ebenfalls  zu  empfehlen.  —  Die  beiden 
letzten  Methoden  eignen  sich  nur  für  Paraffinschnitte,  die  auf  dem  Objektr 
träger  festgeklebt  sind.  Die  Vorzüge  der  Methoden  bestehen  1.  in  ihrer 
relativen  Dauerhaftigkeit,  2.  in  der  grossen  Klarheit  der  Bilder,  wodurch 
es  gestattet  wird  auch  genau  die  Zellstrukturen  zu  verfolgen.  —  Die  Nach- 
teile der  Methode  sind  bereits  angedeutet;  sie  liegen  z.  T.  darin,  dass  die 
eine  oder  andere  derselben  hier  und  da  ohne  erkennbaren  Grund  versagt 
oder  wenigstens  nicht  tadellos  ausfällt.  Nach  dieser  Richtung  sind  sie 
sicherlich  verbesserungsbedürftig.  —  Der  Begriff  der  „hyalinen"  Substanzen 
ist  ein  wenig  scharf  abgegrenzter  und  es  ist  daher  ein  besonderes  Bestreben 
gewesen,  durch  chemische  Reaktionen  und  Färbungen  einzelne  Gruppen 
abzugrenzen.  Als  allgemeines  Färbungsmittel  des  Hyalins  sind  schon  von 
V.  Recklinghausen  die  sauren  Anilinfarbstoffe  angegeben  worden  und  auch 
die  weiteren  Versuche  bewegen  sich  in  dieser  Richtung.  Hier  ist  in  erster 
Linie  zu  erwähnen  die  von  Ernst  empfohlene  von  Giesonsche  Methode  (11). 
Nach  Ernst  verfährt  man  in  der  Weise,  dass  man  zunächst  die  Schnitte 
mit  Hämatoxylin  überfärbt,  und  dann  3 — 5  Minuten  in  einer  Lösung  von 
Säurefuchsin  und  wässeriger  Pikrinsäure  färbt.  Letztere  Mischung  wird  in 
der  Weise  hergestellt,  dass  in  die  Pikrinsäurelösung  eine  konzentrierte 
wässeriger  Säurefuchinlösung  eingeträufelt  wird,  bis  eine  granatrote  Farbe 
vorhanden  ist.  Nach  der  Färbung  Abspülen  mit  Wasser  und  nacliher  Ent- 
wässern in  Alkohol.  Kantorowicz(16)  hat  diese  etwas  ungenaue  Angabe 
dahin  präzisiert,  dass  man  zu  150  ccm  der  Pikrinsäurelösung  3  ccm  der 
Säurefuchsinlösung  zufügt;  nach  den  Angaben  von  Ernst  kann  man  durch 
diese  Methode  2  grosse  Gruppen  von  hyalinen  Stubstanzen  unterscheiden; 
die  eine,  die  regelmässig  von  epithelialen  Zellen  abgeleitet  werden  kann 
und  bei  der  Färbung  mehr  oder  weniger  ausgeprägt  einen  orangeroten 
Farbenton  annimmt;  dahin  gehören  die  eigentlich  kolloiden  Substanzen, 
das  Kolloid  der  Schilddrüse,  der  Eierstöcke  und  manche  Nierency linder: 
die  andere  Gruppe  umfasst  das  eigentliche  Hyalin  bindegewebiger  Abkunft 
und  zeigt  in  grösserer  oder  geringerer  Deutlichkeit  eine  intensiv  rote 
Färbung.  Ernst  schliesst  daraus  und  auch  v.  Kahlden  und  Kantoro- 
wicz  stimmen  im  wesentlichen  bei,  dass  durch  dieses  verschiedene  Ver- 
halten zu  einer  und  derselben  Färbung  eine  chemische  Differenz  der  be- 
treffenden Substanzen  erwiesen  sei.  Dem  kann  nur  insofern  beigestimmt 
werden,  als  in  der  That  solche  Substanzen,  die  die  eine  oder  andere  Fär- 
bung mit  Regelmässigkeit  annehmen,  dadurch  charakterisiert  werden 
können.  Nicht  aber  ist  z.  B.  der  umgekehrte  Schluss  erlaubt,  dass  etwa 
alle  glasigen  Substanzen,  welche  bei  Anwendung  der  Methode  deutlich  rot 
gefärbt  werden,  konjunktivaJes  Hyalin,  und  diejenigen,  die  orangerot  bis 
gelb  erscheinen,   epitheliales  Kolloid   sind.    Dass  dies  nicht  der  Fall  ist, 


Technik.  27 

beweist  die  Rotfärbung  einzelner  koUioder  Klumpen  der  Schilddrüse  und  die 
Gelbfärbung  mancher  Nierencylinder;  auch  die  aus  hyalinem  Bindegewebe 
bestehenden  Corpora  fibrosa  des  Ovairen  färben  sich  durchaus  nicht  immer 
rot,  während  wiederum  andere  Substanzen,  die  sicher  nichts  mit  dem 
echten  Hyalin  zu  thun  haben,  wie  manche  Russe  Ische  Fuchsinkörperchen 
durch  Säurefuchsin  rot  gefärbt  werden.  —  Auch  giebt  Unna  (22, 23)  an,  dass  in 
der  Haut  die  Hyaünkörper  der  Epithelzellen  sich  ebenso  färben,  wie  das 
Hyalin  des  Bindegewebes.  Wenn  man  unter  diesen  Kautelen  die  Methode 
anwendet,  muss  sie  wegen  ihrer  schönen  und  klaren  Bilder,  sowie  beson- 
ders wegen  der  ausserordentlichen  Schärfe,  mit  welcher  das  Bindegewebe 
hervorgehoben  wird,  als  eine  Bereicherung  unserer  Methodik  angesehen 
werden.  —  Besondere  Färbungen  sind  noch  angegeben  für  die  sogenannten 
Russeischen  Fuchsinkörperchen,  auf  deren  nähere  Natur  hier  nicht  näher 
eingegangen  werden  soll.  Rüssel  (19)  färbt  zunächst  10  Minuten  in  einer 
konzentrierten  Lösung  von  Füchsin  in  2^Iq  Karbol wasser,  spült  einige 
Minuten  in  Wasser  ab,  differenziert  Va  Minute  in  Alcohol  absolut,  und 
färbt  5  Minuten  nach  mit  einer  P/o  Ixisung  von  Jodgrün  in  5®/o  Karbol- 
säure. Kerne  erscheinen  grünlich,  die  Körperchen  rot.  Die  Methode  ist 
nicht  ganz  sicher  und  muss  stets  unter  dem  Mikroskop  kontroliert  werden. 
Zu  gleichen  Zwecken  wird  auch  die  Weigertsche  Fibrin-  und  die 
Biondische  Methode  empfohlen.  —  Auch  die  Methoden  der  Amyloidfärbung 
haben  einige  Bereicherung  erfahren.  Was  zunächst  die  Jodmethoden  an- 
betrifft, so  kann  die  Langhans  sehe  Glykogenmethode,  die  auch  für  die 
.\myloiddegeneration  anwendbar  ist,  als  eine  Bereicherung  angesehen  werden, 
da  die  Präparate  sich  einige  Zeit  halten.  Galeotti  (17)  bringt  die  Schnitte 
auf  S'i — V«  Std.  in  eine  5*^/oige  Jodkaliumlösung,  wäscht  sie  rasch  in 
destilliertem  Wasser  aus  und  überträgt  sie  dann  in  Chlorwasser  (über  die 
Hälfte  mit  Wasser  verdünnt).  Nach  einigen  Minuten  wird  gut  in  Wasser 
ausgewaschen  und  in  Glycerin  aufbewahrt.  Das  Gewebe  ist  dann  fast 
völlig  entfärbt,  während  die  amyloiden  Partieen  braunrot  werden.  —  Die 
übrigen  Methoden  beziehen  sich  auf  die  Färbung  des  Amyloids  mit  Anilin- 
farbstoffen. Birch-Hirschfeld  (20)  empfiehlt  als  Kontrastfärbung  die  An- 
wendung des  Bismarckbraun ;  zunächst  w^erden  die  Schnitte  in  einer  2®/o 
Alkohol-Lösung  von  Bismarckbraun  5  Minuten  lang  gefärbt,  in  absolutem 
Alkohol  abgespült,  10  Minuten  in  destilliertem  Wasser  abgespült  und  dann 
in  2^/o  Gentianaviolettlösung  5 — 10  Minuten  gefärbt;  darauf  Auswaschen 
in  mit  Essigsäure  angesäuertem  Wasser;  Einschluss  in  Lävulose.  Die  Prä- 
parate geben  in  der  That  sehr  klare  Bilder.  Stillin  g  (21)  empfiehlt  24  stün- 
diges Färben  in  einer  Lösung  von  Jodgrün  0,5,  Aq.  dest.  150,0;  darauf 
Auswaschen  und  Einlegen  in  Glycerin.  Die  Methode  soll  sicherer  sein  wie 
die  Methylviolettmethode,  die  auch  nicht  amyloide  Substanzen,  z.  B.  Schleim, 


28  Ailgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

in  charakteristischerweise  färbt.  Eine  von  E.  Burehardt  (18)  angegebene 
Färbung  dürfte  höchstens  für  Personen  mit  nicht  normalem  Farbensinn  Wert 
haben.  Burehardt  färbt  in  einer  „mittelstarken"  Anilinwasser-Gentiana- 
violettlösung  1—3  Minuten  lang,  entfärbt  dann  in  dünner  Salzsäurelösung  (1 T. 
konz.  Salzs.  auf  10  ccm.  Wasser)  10  Minuten  lang,  spült  mit  Wasser  ab 
und  schliesst  in  Liq.  kali  acetici  ein ;  das  Amyloid  erscheint  rotbraun,  das 
übrige  Gewebe  ist  entfärbt;  nur  das  Kolloid  der  Schilddrüse  verhält  sich 
ähnlich.  Da  auch  die  Kerne  entfärbt  werden,  dürfte  die  Meinung  des 
Autors,  „dass  keine  der  bis  jetzt  angewandten  Färbungen  in  Schnitten  ein 
so  übersichtliches  Bild  von  Menge  und  Lagerung  des  Amyloids  giebt"  kaum 
gerechtfertigt  erscheinen.  —  Kantorowicz  (26)endlich  hat  in  Bestätigung  der 
schon  von  Hoyer  gemachten  Bemerkung  über  die  Färbung  des  Amyloids 
durch  Thionin  eine  besondere  Methode  nach  dieser  Richtung  hin  ausge- 
arbeitet. Die  Schnitte  werden  3 — 5  Minuten  mit  der  Thioninlösung  gefärbt 
und  dann  in  Wasser  abgespült;  Kerne  ifbd  Protoplasma  erscheinen  mm 
bläulich  bis  violett,  das  Amyloid  hellblau  bis  lila.  Will  man  die  Präparate 
konservieren,  so  darf  man  nicht  Alkohol  anwenden,  sondern  muss  die  Schnitte 
auf  dem  Objektträger  mit  FUesspapier  abtrocknen  und  mit  Anilinöl-Xylol 
(2:1)  oder  Karbol-Xylol  (1 :3)  entwässern,  darauf  nach  Abspülen  mit  reinem 
Xylol  Einlegen  in  Damarlack.  —  Die  Präparate  liefern  recht  deutliche,  wenn 
auch  nicht  so  grelle  Bilder,  wie  bei  der  Gentianaviolettmethode.  Doch 
eignen  sie  sich  wegen  der  starken  Aufhellung  und  Einfachheit  der  Konser- 
vierung gut  zu  Dauerpräparaten.  —  Endlich  sei  noch  eine  Methode  zur  Fest- 
stellung des  Kalkes  erwähnt.  Kalk  kann  bekanntlich  mit  allen  alaunhaltigen 
Farbstoffen  gefärbt  werden;  besonders  eignet  sich  Alaunhämatoxylin  dazu. 
Neuerdings  empfiehlt  Leutert  (24)  folgende  Methode,  die  auch  die  geringsten 
Kalkmeugen  sichtbar  machen  soll.  Färbung  der  (nicht  in  Paraffin  eingebette- 
ten) Schnitte  V*  Std.  in  konzentrierter  alkohol.  Hämateiulösung,  Auswaschen 
in  Leitungswasser  ^/^  Stunde ;  Nachfärben  5—  8  Sekunden  in  VIq  wässeriger 
Safraninlösung,  Abspülen  mit  Wasser,  DifEerenzieren  und  Entwässern  in 
Alkohol;  Einlegen  in  Balsam.  Die  Kenie  sind  leuchtend  rot,  der  Kalk 
tiefstahlblau.  Nach  Präparaten,  die  ich  selbst  gesehen,  und  den  beige- 
gebenen Abbildungen  zu  urteilen,  leistet  die  Methode  in  der  That  sehr 
gute  Dienste.  Doch  soll  die  Dauerhaftigkeit  der  Präparate  vorläufig  noch 
zu  wünschen  übrig  lassen.  — 

ad  2.  Hier  müssen  zunächst  die  Bestrebungen  erwähnt  werden,  die 
sowohl  von  normal-  wie  pathologisch-histologischer  Seite  ausgehen,  die 
Struktur  des  Zellkerns  und  des  ZeUinhalts  zu  erforschen.  Besondere  Me- 
thoden sind  freilich  dazu  nur  in  geringem  Umfange  augegeben;  vielfach 
hat  man  sich  damit  begnügt  zu  anderen  Zwecken  angegebene  Methoden 
dem  speziellen  Zwecke   dienstbar  zu  machen.     So  kann  man  namentlich 


Technik.  29 

zur  besonderen  Färbung  der  Kemkörperchen  fast  alle  (iemische  von  basi- 
schen und  sauren  AnilinfarbstofEen,  sowie  auch  kompliziertere  Doppelfär- 
bungen (W  eigertsche  Fibrinfärbung  und  Vorfärbung  mit  Karmin)  benutzen. 
Die  Methoden  zur  besonderen  Darstellung  der  feinsten  Kernstrukturen  (des 
Linin- und Lantaningerüstes Heidenhains,  desÖdematins  Reinkes)  haben 
für  die  pathologische  Histologie  vorläufig  noch  wenig  Zweck.  Einmal  wissen 
m  noch  zu  wenig  von  der  Morphologie  dieser  feineren  Strukturen,  femer 
ist  die  von  M.  Heidenhain  (27)  angegebene  Modifikation  der  Biondischen 
Färbung,  die  zu  diesem  Zwecke  dienen  soll,  zu  schwierig,  um  allgemeine 
Anwendung  zu  finden.  Der  zu  der  besonderen  Leistung  nötige  Säuregrad 
ist  nach  der  Vorschrift  Heidenhains  nur  schwer  zn  erreichen,  und  das 
neben  Orange  und  Methylgrün  in  dem  Farbengemisch  enthaltene  Rubin  von 
zu  grosser  Empfindlichkeit.  Einfacher  ist  die  Methode  von  Reinke(28)  — 
Anwendung  einer  6®/o  Lysollösung  —  sie  ist  aber  nur  anwendbar  bei  ganz 
frischen  Präparaten,  könnte  also  nur  eventuell  bei  Untersuchung  von  Ge- 
i^chwulstmaterial  oder  hei  Tierexperimenten  angewendet  werden.  —  Unter 
den  zum  Studium  der  Kernteilungen  angewandten  Methoden  sei  hier  nur 
aufFlemmings  (29)  Safranin-Gentiana- Orangefärbung  hingewiesen,  die  zur 
Differenzierung  der  Chromatinfäden,  der  Spindeln  und  Chromosomen  Vor- 
zügliches leistet;  ferner  auf  M.  Heidenhains  EisenhämatoxyUnfärbung, 
welche  nicht  nur  in  der  That  eine  besonders  klare  Darstellung  der  Cen- 
trosomen und  der  übrigen  Kemstruktm^en  erlaubt,  sondern  für  den  patho- 
logischen Histologen  noch  den  grossen  Vorzug  besitzt,  dass  zur  Härtung 
nicht  die  Chromosmiumgemische,  sondern  Sublimat  verwendet  wird.  Frei- 
lich ist  auch  diese  Methode  (Beizung  V2~2  Std.  in  Eisenoxydammoniak, 
flüchtiges  Abspülen  mit  Wasser,  Färbung  ^ju  —  lS  Std.  in  ^2^/0  wässeriger 
Hämatoxylinlösung;  Abspülen  in  Wasser,  Differenzierung  in  der  Eisen- 
ammoniaklösung) nur  an  ganz  frischen  Präparaten  anwendbar,  wenigstens 
"0  weit  meine  Erfahrungen  reichen.  —  Zum  Studium  der  Protoplasma- 
Strukturen  dienen  seit  längerer  Zeit  in  erster  Linie  die  sauren  Anilinfarb- 
stoffe.  Aber  man  muss  offen  gestehen,  dass  bei  diesen  Nachfärbungen 
niit  Eosin,  Säurefuchsin  etc.  nicht  viel  mehr  erreicht  wurde,  wie  ohne 
Färbungen.  Nur  in  einzelnen  Fällen  wurden  durch  Anwendung  der  Anilin- 
farbstoffe besondere  Teile  des  Protoplasmas  deutlich  gemacht,  vor  allem 
l'ci  den  Mastzellen  des  Bindegewebes  und  gewissen  Leukocyten,  wo  teils 
<iurch  basische  Anilinfarben,  teils  durch  Gemische  saurer  und  basischer 
Farbstoffe  gute  Erfolge  erzielt  wurden.  Unna  (22,  23)  hat  sich  dann  weiter  be- 
''ondere  Mühe  gegeben  durch  verschiedenartige  Färbungen,  unter  denen 
•las  polychrome  Methylenblau  eine  grosse  Rolle  spielt,  das  Protoplasma  zu 
färben  und  diese  Versuche  haben  in  der  That  insofern  zu  interessanten 
Ergebnissen  geführt,  als  sie  wenigstens  teilweise  neben  den  körnigen  Sub- 


30  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

stanzen  des  Zellinhalts  diffus  färbbare  (flüssige  ?)  Massen  nachgewiesen  haben 
oder  auch  eine  feine  spongiöse  Struktur  (Mastzellen  mit  Hüllplatten)  auf- 
deckten. Die  wichtigste  Methode  zum  Nachweis  der  Protoplasmastrukturen, 
die  auch  für  pathologische  Prozesse  von  Wichtigkeit  ist,  bleibt  aber  jeden- 
falls die  Altmann  sehe  Methode  (30),  mit  der  es  geHngt,  im  Inhalt  der  meisten 
Zellen  mehr  oder  weniger  regelmässig  angeordnete  Körner  und  Fasern 
nachzuweisen.  Die  Methode  ist  dabei  einfach  und  kann  auch  noch  bei 
einigermassen  frischem  Leichenmaterial  angewendet  werden.  Die  Schnitte 
der  im  Altmannschen  Gemisch  fixierten  Organe  werden  mit  20 ®/o  Anilin- 
wassersäurefuchsin gefärbt  und  dann  kurz  mit  Pikrinsäurelösung  (1  Teil 
konzentrierte  alkoholische  Lösung  auf  2  Teile  Wasser)  differenziert,  —  Im 
besonderen  hat  man  sich  dann  neuerdings  bemüht  die  Fasern  des  Platten- 
epithels der  Haut  gut  zu  färben.  Ausser  der  A 1 1  m  an  n  sehen  Methode  dienen 
hierzu  die  von  Kromayer  (31)  und  Bene  k  e  (32)  angegebenen  Modifikationen 
der  Weigertschen  Fibrinfärbung.  Die  Kromayer  sehe  Modifikation  be- 
steht in  eineih  teilweisen  Verdunstenlassen  des  Wassers  vor  Anwendung 
der  Entfärbung  mit  Anilinöl-Xylol,  B  eneke  färbt  mit  Anilin wassergentiana- 
violett  (10  Teile  Anilinöl  mit  100  Teile  Wasser  gemischt  und  filtriert,  zum 
Filtrat  5 — 10  Teile  konzentrierte  wässerige  Gentianalösung),  lässt  dann  ver- 
dünnte Lugo Ische  Lösung  1  Minute  einwirken  und  entfärbt  nach  sorg- 
fältigem Abtrocknen  mit  Anilinxylol  (2  Teile  Anilinöl  zu  3  Xylol).  Die 
Einwirkung  der  letzteren  Säure  lässt  sich  nicht  allgemein  bestimmen. 
Beide  Methoden  färben  in  ausgezeichneter  Weise  die  Epithelfasern,  die 
letzte  Methode  kann  man  aber  fast  als  eine  allgemeine  Methode  zur  Fär- 
bung von  Fasern  bezeichnen,  da  sie  ausser  den  Epithelfasern  Bindegewebs- 
und elastische  Fasern,  Knochenfibrillen  und  Sharp ey sehe  Fasern,  Glia 
fasern  und  Stützfasern  in  der  Milz  färbt.  Die  Resultate  sind  freilich,  wie 
mir  scheint  und  wie  auch  Beneke  selbst  zugiebt,  sehr  verschieden;  am 
besten  bei  den  Epithel  fasern,  für  elastische  und  für  Gliafasern  scheint  sie 
mir  noch  recht  unsicher  zu  sein,  muss  aber  freilich  namentlich  für  Gliii- 
gewebe,  so  lange  wir  eine  bessere  Methode  nicht  besitzen,  als  ein  will- 
kommenes Färbungsmittel  angesehen  werden.  — 

Wir  sind  mit  dieser  Methode  bereits  zu  denjenigen  übergegangen, 
die  zur  Färbung  von  Fasern  angegeben  sind.  Hier  hat  besonders  Unna 
für  die  Haut  eine  Reihe  von  Methoden  ausgearbeitet,  die  es  gestatten  sollen 
die  verschiedenartigsten,  morphologisch  von  einander  schwer  unterscheid- 
baren Fasern  zu  unterscheiden.  Er  konnte  zunächst  durch  saures  Orcein 
die  elastischen  Fasern  besonders  färben,  eine  Methode,  die  nach  der  Modi- 
fikation von  Tänzer  noch  weiter  unten  näher  geschildert  werden  soll. 
Dann  gelang  es  ihm  durch  Doppelfärbungen  (Methylenblau,  neutrales  Orcein 
oder  Wasserblau,  Karbolfuchsin)  noch  eine  besondere  Art  von  elastischen 


Technik.  31 

Fasern  deutlich  zu  machen,  die  sich  immer  nur  mit  dem  basischen  Farb- 
stoff färben  und  von  Unna  als  basophile  Fasern  oderElacin  bezeichnet 
\ver(ien.  Färbte  er  femer  mit  Methylenblau  und  einer  Mischung  von  Säure- 
fuchsin und  Tannin,  so  erhielt  er  innerhalb  des  koUagenen  Gewebes  einzelne 
Schollen  und  Körner  blaugefärbt,  wie  das  Elacin ;  er  betrachtet  diese  Massen 
als  durch  eine  Einwirkung  des  Elacins  ausgeprägte  kollagene  Fasern  und 
bezeichnet  sie  alsKollacin.  Während  diese  Methoden  noch  des  näheren 
erprobt  werden  müssen,  können  wir  dieUnna-Tänzer  sehe  Methode  (34)  zur 
Färbung  der  elastischen  Fasern  entschieden  als  die  sicherste  der  bisher 
zu  diesem  Zwecke  angegebenen  Methoden  empfehlen.  Freilich  ist  sie  keine 
universale  Methode,  da  sie  die  elastischen  Fasern  in  der  Lunge  nicht  zu 
färben  vermag  und  insofern  bietet  die  Benekescbe  Methode  entschieden 
mehr;  aber  für  die  Haut  ist  sie  durch  die  Klarheit  der  Bilder  und  die 
Sicherheit,  mit  der  sie  eintritt,  entschieden  äusserst  empfehlenswert.  Man 
färbt  zunächst  Schnitte  von  Paraffinpräparaten  3 — 5  Tage  in  einer  Lösung  von 

Orcein  0,1  g 

Alkohol  1950/0     20     g 
Aq.  dest.  5     g. 

Darauf  entfärben  in 

Acid.  muriat.  conc.  0,1  g 

Alkohol  (950/0)  20  g 

Aq.  dest.  5  g. 

Die  Entfärbung  muss  unter  dem  Mikroskop  kontrolliert  werden ;  Entwässern 
in  Alkohol,  kurzes  Einlegen  in  Nelkenöl;  Einschliessen  in  Kanadabalsam. 
Die  vielen  anderen  z.  T.  älteren  Verfahren  (z.  B.  von  Herxheimer, 
Mi  belli,  Wolters,  Mauchot)  können  hier  übergangen  werden,  weil 
sie  meistens  viel  unsicherer  sind  wie  die  Tänzer  sehe  Methode  oder  doch 
wenigstens  nicht  so  prägnante  Bilder  geben. 

Eine  kurze  besondere  Berücksichtigung  verlangen  nun  noch  die  speziellen 
Methoden  zur  Färbung  des  Blutes  und  des  Centralnervensystems. 
Die  ersteren  sind  bekanntermassen  grösstenteils  durch  Ehrlich  (35 — 37) 
geschaffen  worden,  welcher  durch  seine  Methoden  zuerst  die  Zellgranula 
darzustellen  lehrte.  Er  unterscheidet  unter  den  Leukocyten  neutrophile, 
basophile,  acidophile  (und  amphophyle).  Zur  Darstellung  der  neutrophilen 
benutzt  er  eine  Mischung  von 

gesättigter  wässeriger  Säurefuchsini.     5  Teile 
konzentrierter  Methylenblaul.  1       „ 

Aq.  dest.  5      „ 

Hierbei  werden  die  acidophilen  Zellgewebe  rot,  die  neutrophilen  violett. 
Zur  Darstellung  der  basophilen  Zellen  können  sämtliche  basische  Anilin- 


32  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

farbstoffe  gebraucht  werden;  besonders  empfiehlt  Ehrlich  eine  gesättigte 
Lösung  von  Dahlia  in  absolut.  Alkohol  55  ccm,  Eisessig  10—12  ccm, 
Aq.  dest.  100  ccm.  Zur  Färbung  der  acidophilen  Zellen  werden  besonders 
die  Triacidlösungen  benutzt,  welche  neuerdings  in  verschiedener  Weise 
modifiziert  worden  sind.  Legt  man,  wie  das  ja  vielfach  nötig  ist,  grösseren 
Wert  auf  die  Verhältnisse  der  Kerne  (Mitosen),  so  ist  die  von  Ehrlich 
empfohlene  Färbung  mit  HämatoxyUn-Eosin  anzuwenden.  Die  Ehrlich- 
schen  Methoden,  welche  ja  zunächst  ausschliesslich  für  Deckglastrocken- 
präparate angegeben  sind,  haben  besonders  nach  der  Richtung  eine  Er- 
weiterung gefunden,  dass  man  die  Fixation  nicht  durch  Antrocknung, 
sondern  durch  chemische  Agentien  zu  erreichen  suchte.  Zu  diesem  Zwecke 
haben  Biondi  (38),  Sproncku.  a.  einige  Blutstropf  en  direkt  in  Osmiumsäure 
oder  Fl em min gsches  Gemisch  einträufeln  lassen  und  dann  das  Sediment 
weiter  zur  Härtung  und  Einbettung  benutzt,  um  Schnitte  des  fixierten  Blutes 
vorzunehmen.  Andere,  wie  Nikikoroff  (41),  Löwit  (43),  H.  F.  M  ü  1 1  e r  (45), 
Römer  (44),  Gaule,  lassen  die  Fixierungsflüssigkeiten  (Flemmingsche 
Mischung,  Osmiumsäure,  Sublimat,  H  er  man  usches  Gemisch),  auf  das  frische, 
auf  Deckgläser  ausgestrichene  oder  getrocknete  Blut  einwirken.  Die  Färbungen, 
namentUch  der  Kerne  und  Kernteilungen,  ergeben  sehr  gute  Resultate, 
bei  Osmiumsäurehärtung  werden  auch  die  Blutplättchen  besonderst  gu 
fixiert.  Zur  Färbung  dienen  die  verschiedensten  AniUnfarbstoffe  und  Far- 
bengemische. Zur  Färbung  von  Schnitten  und  Nachweis  der  Granulationen 
in  den  in  den  Schnitten  enthaltenen  Leukocyten  und  Bindegewebszellen 
haben  Biondi  (39)  undBergonzini  (40)  Modifikationen  der  Ehrlich  sehen 
Triacidlösung  angegeben,  welche  sehr  gute  Dienste  leisten.  Biondi  benutzt 
gesättigte  wässerige  Lösungen  von  Orange,  Säurefuchsin  und  Methylgrün 
in  einer  Mischung  von  100  Orange  auf  20  Fuchsin  und  50  Methylgrün; 
zur  Färbung  der  Schnitte  (keine  Chrompräparate)  verdünnt  man  einen  Teil 
der  gesättigten  Lösung  mit  60 — 100  Teile  Wasser.  Färbung  24  Stunden. 
Die  Methode  von  Bergonzini  hat  den  grossen  Vorzug  einfacherer  Berei- 
tung und  rascher  Färbung.  Er  benutzt  Goldorange,  Säurefuchsin  und 
Methylgrün,  löst  je  20  g  davon  in  100  ccm  destilliertem  Wasser  und  mischt 
dann  je  zwei  Teile  der  Orange-  und  Methylgrünlösung  mit  einem  Theil 
der  Fuchsinlösung.  Die  schwarzbraune  Flüssigkeit  hält  sich  lange  Zeit 
und  färbt  bereits  in  2—3  Minuten.  Für  Schnitte  sehr,  für  Deckglastrocken- 
präparate weniger  zu  empfehlen  1 

Bei  der  Methode  zur  Färbung  des  Centralnervensystems  macht  sich 
der  unterschied  zwischen  den  Anforderungen  der  normalen  und  pathologischen 
Histologie  am  schärfsten  bemerkbar.  Diejenigen  Methoden,  die  so  grosse 
Fortschritte  in  der  Erkenntnis  der  normalen  Histologie  des  Nervensystems 
hervorgebracht  haben,   die  G  olgische  und  die  verbesserte  Ehrlich  sehe 


Technik.  33 

Methylenblaufärbung  sind  für  den  Pathologen  nicht  anwendbar,  teils  des- 
halb, weil  sie,  wie  die  G olgische,  launenhaft  ist  und,  wie  Weigert  betont 
bat,  durchaus  nicht  aUe  Nervenfasern  sichtbar  macht,  teils  weil  beide 
Methoden  nur  an  ganz  frisch  konserviertem  Material  angewendet  werden 
können.  Trotz  dieser  Beschränkung,  die  der  pathologischen  Histologie 
hierdurch  gesetzt  ist,  besitzen  wir  doch  eine  ganze  Reihe  von  wertvollen 
und  wichtigen  Methoden,  die  hier  in  folgender  Reihenfolge  besprochen 
werden  sollen:  1.  Markscheidenfärbung,  2.  Achsencylinderfärbung,  3.  Gang- 
lienzellfenfärbung,  4.  Neurogliafaserfärbung. 

1.  ad.  1.  Die  Weigertsche  Markscheidenfärbung  (46)  mit  Hämatoxylin 
hat  speziell  für  das  Studium  der  degenerativen  Vorgänge  am  Nervensystem 
ganz  ausgezeichnete  Dienste  geleistet.  Von  verschiedener  Seite  ist  aber 
noch  der  Versuch  gemacht  worden,  die  Methode  zu  „verbessern",  einmal 
um  das  Verfahren  zu  beschleunigen,  2.  um  eine  vollständigere  Entfärbung 
der  übrigen  Teile  zu  erzielen  und  damit  eine  Nachfärbung  zu  ermöglichen. 
Diesem  Zwecke  sollen  die  Methode  von  Päl  (47),  Wolters  (49),  Kult- 
schitzky  (48),  Kaiser  (50)  u.  a.  dienen.  Päl  vermeidet  die  itupferung  der 
Präparate,  färbt  dann  in  der  Weigertschen  Hämatoxylinlösung  1 — 2  Tage 
(oder  eine  Stunde  bei  Brutofentemperatm:),  wäscht  in  Wasser  aus,  dem  1 — 3 
lithioncarbonicumlösung  zugesetzt  ist,  differenziert  kurze  Zeit  (^/a — 5  Min.)  in 
einer  V^prozentigen  Lösung  von  Kali  hypermanganicum,  und  entfärbt  die 
graue  Substanz  völlig  durch  Einbringen  in  eine  Lösung  von  Kali,  sulfurosum 
P/o  und  P/o  Oxalsäurelösung,  Abwaschen  mit  Wasser,  Nachfärben  mit  Kar- 
min. Kultschitzky  vermeidet  ebenfalls  die  Kupferung,  färbt  in  einer 
Lösung  von  1  g  Hämatoxylin, 

2^/0  Essigsäure  100  g, 
entfärbt  in  einer  Lösung  von  Lithion.  carbon.  gesättigt.  Lösung  100  ccm 

l^/o  Lösung  von  Feriimicyankali  10  ccm. 
Hauptvorteil  soll  darin  hegen,  dass  man  die  Präparate  nach  der 
Müllerhärtung  lange  auswaschen  kann  und  so  Chromsalzniederschläge  ver- 
kleidet. Wolters  verfährt  ähnlich  wie  Kultschitzky,  taucht  nm:  noch  nach 
der  Färbung  die  Schnitte  in  Müllersche  Flüssigkeit,  entfärbt  dann  nach 
PäL  Kaiser  (50)  erreicht  durch  Färbmig  in  heisser  Weigert  scher  Häma- 
toxylinlösimg  die  Färbung  der  Präparate  in  25  Minuten.  —  Ich  selbst  habe 
nüch  nicht  davon  überzeugen  können,  dass  den  eben  genannten  Methoden 
wesentliche  Vorteile  zukommen.  Die  Fälsche  Methode  der  Entfärbung 
ist  erheblich  umständlicher,  wie  die  Weigertsche  und  sie  ist  vor  allem 
Dach  meinen  Erfahrungen  für  Grosshimschnitte  lange  nicht  so  sicher  wie 
die  Weigertsche,  d.  h.  sie  färbt  entschieden  weniger  Nervenfasern;  als 
Vorteil  kann  ich  nur  die  Erleichterung  der  Nachfärbung  imd  die  grössere 
Eleganz  und  Schönheit   der  Färbung  anerkennen.  —  Auch  die  übrigen 

Ubarsch-OsUrtag,  ErgebnisBe  Abteil.  H.  3 


34  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Methoden  sind  nach  meiner  Meinung  durch  die  Annahme  des  Fäls- 
chen Entfärbungsverfahrens  komplizierter,  wie  die  Weigertsche  und 
auch  teilweise,  wie  die  von  Wolters  und  Kultschitzky,  für  das 
Grosshirn  nicht  vollkommen  sicher.  Hat  man  wirkUch  das  Bedürfnis  die 
ganze  Prozedur  zu  beschleunigen,  so  empfiehlt  es  sich,  die  Kupferung  nicht 
im  Stück,  sondern  an  den  Schnitten  selbst  vorzunehmen.  Das  ist  oft  sogar 
auch  aus  inneren  Gründen  vorzuziehen,  weil  man  dann  abwechselnd 
Schnitte  nach  der  einen  und  dann  nach  einer  anderen  Methode  behandeln 
kann.  Freilich  ist  es  nicht  ganz  leicht,  sich  die  Maximal-  und  Minimalzeit 
der  Kupferung  hierbei  auszuprobieren,  aber  für  gewöhnlich  ist  nach  meinen 
Erfahrungen  die  Kupferung  von  Schnitten  bis  zu  30  fi  in  10  Minuten  voll- 
endet, wenn  man  sie  im  Parafönofen  (50—55°  C.)  vornimmt;  darauf  färbt 
man  Rückenmarksschnitte  in  der  Kälte  in  15  Minuten,  bei  Paraffinofen- 
temperatur in  5 — 7  Minuten;  für  Gehimschnitte  sind  allerdings  auch  im 
Paraffinofen  mindestens  3 — 6  Stunden  nötig.  Auf  diese  Weise  werden  in 
der  That  36 — 48  Stunden  oder  mehr  gespart  und  das  ganze  Verfahren  ist 
sicherer  und  schneller  wie  alle  anderen  Verbesserungsmethoden.  —  Übrigens 
kann  man  auch  die  für  die  Weigertsche  Färbung  bestimmten  Gehim- 
und  Rückenmarkschnitte  nach  längerer  Härtung  in  Müller  scher  Flüssigkeit 
ruhig  einige  Stunden  in  fliessendem  Wasser  wässern,  wenn  man  nur  nach- 
trägUch  die  Härtung  in  Alkohol  im  Dunkeln  vornimmt.  Wir  besitzen  nur 
noch  eine  Methode,  die  zur  Darstellung  degenerierter  Fasern  die  Weigert- 
sche an  Sicherheit  übertrifft,  das  ist  die  von  Mar chi  und  Algeri(54)  einge- 
führte Methode.  Man  härtet  zunächst  8  Tage  bis  3  Monate  in  Müller- 
scher Flüssigkeit,  bringt  dann  möglichst  kleine  Stücke  für  5—12  Tage  in 
ein  Gemisch  von  2  Teilen  Müll  er  sehe  Flüssigkeit  und  1  Teil  Osmium- 
säure, darauf  Einbettung  und  Schneiden.  —  Die  normalen  Fasern  er  scheinen 
gelb  bis  bläulich,  die  entarteten  schwarz.  Nach  Singer  und  Münz  er  (55), 
sowie  Redlich  (56)  beruht  diese  differente  Färbung  darauf,  dass  das 
normale  Myehn  mit  dem  chromsauren  Kali  eine  Verbindung  eingeht,  welche 
die  Schwärzung  durch  Osmiumsäure  nicht  gestattet,  während  die  Zerfalls- 
produkte des  Nervenmarks  dieser  Verbindung  nicht  zugänglich  sind.  Die 
Methode  ist  in  der  That  ein  äusserst  feines  Reagens,  hat  aber  für  den 
pathologischen  Histologen  eine  Grenze  in  der  Kleinheit  der  zur  Unter- 
suchung nötigen  Stücke,  so  dass  sie  eigentlich  nur  bei  experimentellen 
Arbeiten  oder  in  solchen  Fällen  Anwendung  finden  kann,  wo  die  Degeue- 
rationsherde  schon  grob  anatomisch  hervortreten. 

ad  2.  Die  Methoden  zur  Färbung  der  Achsencylinder,  die  in 
neuerer  Zeit  angegeben  sind,  gestatten  zwar  keine  isoUerte  Färbung,  aber 
doch  gute  Sichtbarmachung.  Schon  lange  pflegte  man  dazu  Anilinfarbstofife 
und  von  diesen  besonders  das  Nigrosin  zu  benutzen.  Auch  bei  den  neueren 


Technik.  ^  35 

Methoden  spielen  die  Anilinfarbstoffe  die  grösste  Rolle.     Sahli  (57)  empfahl 
eine  Färbung  der  in  Müllerscher  Flüssigkeit  gehärteten  Objekte  erst  in 
Methylenblau,  dann  in  konzentrierter  wässriger  Säurefuchsinlösung  5  Minuten 
lang,  DifEerenzierung  in  durch  l®/o  Ätzkali  alkalisch  gemachten  Alkohol 
absolutus.    Die  Färbung  soll  nach  Stroebe  namentlich  dann  gute  Resultate 
geben,  wenn  man  die  Vorfärbung  mit  Methylenblau fortlässt.    Stroebe  f59) 
selbst  hat  eine  Methode  angegeben,  die  nach  den  Abbildungen  zu  urteilen 
und  auch  nach  dem,  was  ich  an  eigenen  Präparaten  gesehen  habe,  gute 
Resultate  giebt.    Die  Methode  schliesst  sich  an  eine  von  Ciaglinski  (58)  an- 
gegebene eng  an.    Derselbe  benutzte  nach  Vorfärbung  mit  Safranin  eine 
halbkonzentrierte  wässerige  Lösung  von  Anilinblau.  Stroebe  färbt  dünne 
Schnitte  in  einer  gesättigten  wässerigen  Anilinblaulösung  10  Minuten  bis 
1  Stunde,  spült  mit  Wasser  ab  und  differenziert  mit  Alkohol,  dem  20  bis 
30  Tropfen  einer  1  **/o  ÄtzkahalkohoUösung  zugefügt  sind,   bis  die  Schnitte 
durchsichtig    und  hellbraunrot  erscheinen.    Hierauf  Übertragen  in  grössere 
Mengen  destillierten  Wassers,  wo  die  Schnitte  nach  5  Minuten  langem  Ver- 
weilen eine  blaue  Farbe  annehmen;  nun  erfolgt  die  Nachfärbung  mit  zur 
Hälfte  durch  Wasser  verdünnter  konzentrierter  wässeriger  Safraninlösung 
Vi—'/«  Stunde.    Die  Achsencylinder  und    die  Neuroglia  erscheinen  blau, 
Markscheide  und  Zellkerne  rot     Die  Methode  leistet  namentlich  für  das 
periphere  Nervensystem  mehr,   wie  andere,    auch  zeichnet  sie  sich   da- 
durch aus,    dass  auch  degenerierte  Achsencylinder  noch  tingiert  werden. 
Die  Methoden  von  Schmaus  (61)  (Anwendung  von  Urankarmin  und  black 
blue)von  Wolters  (Vanadium  Hämatoxylin)  und  Alt  (Kongofärbung)  habe 
ich  selbst  nicht  prüfen  können,  sie  sollen  nach  Stroebe  zur  Darstellung 
der  feinsten  Fasern  nicht  ausreichen.     Das  Gleiche  würde  dann  auch  für 
Mallorys  (60)  Phosphormolybdänsäurehämatoxylinfärbung  gelten,  welche 
nach  Schieff  erdecker  (Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie  Bd.  VIII)  weniger 
scharfe  Bilder  geben  soll  als  die  Wolter  sehe  Methode. 

ad  3.  Zur  Färbung  der  Ganglienzellen  wurden  früher  nur  solche 
Methoden  benutzt,  welche  als  Kernfärbungsmittel  gelten,  da  es  eben  nur 
darauf  ankam,  die  Kerne  sichtbar  zu  machen.  Erst  Ni  ssl  (51 — 53)  verdanken 
wir  eine  Reihe  von  Methoden,  die  gerade  für  die  Kenntnis  des  Baues  der 
Ganglienzellen  von  grösster  Wichtigkeit  sind.  Zur  Härtung  benutzt  er 
Alkohol  (96— 98®/o);  besser  noch  scheint  nachv.  Lenhossek  lOWoFormaliu- 
lösung  zu  sein,  worin  die  Stücke  2  Tage  verweilen,  noch  auf  ca.  2  Tage 
in  Alkohol  gelangen  und  dann  eingebettet  werden.  Die  Färbung  geschieht 
1.  mit  Magentarot.  In  einer  konzentrierten  erhitzten  wässerigen  Magenta- 
rotlösung,  die  vor  dem  Gebrauche  zu  filtrieren  ist,  bleiben  die  Schnitte 
einige  Minuten,  werden  dann  nach  Erkalten  der  Lösung  abgespült  und  in 
Aleohol.  absolut,  einige  Minuten  entwässert.     Aufhellen  in  Nelkenöl  und 


36  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Einbetten  in  Kanadaablsam.    Komplizirter  ist  die  Färbung  mit  Methylen- 
blau.   Als  Färbungsfiüssigkeit  dient: 

Methylenblau  3,75 

ventian.  Seife  1,75 

Aq.  dest.  100,0 
Erwärmen  der  Schnitte  in  der  Farblösung,  bis  Bläschen  platzen. 
Auswaschen  in  einer  Mischung  von  1  Teil  Anilinöl  auf  10  Alcohol.  absol. 
Abtrocknen  der  Schnitte,  worauf  man  Origanumöl  auftropten  fässt  und 
dieses  wieder  mit  Benzin  entfernt,  darauf  Einlegen  in  Benzinkolophonium.  — 
vonLenhossök  (63)  empfiehlt  5  Minuten  lange  Färbung  in  konzentrierter 
Thioninlösung ,  Abspülen  in  Wasser,  Differenzierung  in  96®/o  Alkohol  9, 
Anilinöl  1  Teil,  Abtrocknung,  Aufhellung  in  Oleum  cajeputi.  Entfernen 
desselben  mit  Benzin,  Einlegen  in  Benzinkolophonium.  —  Bei  diesen  Me- 
thoden erscheinen  die  Kerne  der  normalen  Zellen  nur  bbws  gefärbt,  die 
Kemkörperchen  deutlich;  im  Protoplasma  sieht  man  iii  ungefärbter  Grund- 
masse eingebettet  derbe  stark  chromophile  Schollen  und  Kömer,  die 
in  Bezug  auf  Grösse  und  Dichtigkeit  sowohl  nach  der  Tierart,  wie  auch 
nach  dem  physiologischen  Zustand  der  Zelle  Schwankungen  unterworfen 
sind.  Auch  bei  Anwendung  anderer  Anilinfarbstoffe  —  ich  kann  Sahlis 
Boraxmethylenblaulösung  besonders  dazu  empfehlen  —  sind  diese  Proto- 
plasmastrukturen wahrzunehmen.  Der  eminente  Vorteil  der  Nissischen 
Färbung  soll  darin  bestehen,  dass  nur  bei  völliger  Intaktheit  der  Zelle 
die  beschriebene  Art  der  Färbung  eintritt.  Sowohl  an  den  Körnern  wie 
an  dem  Zellinhalt  sind  allein  schon  durch  Abweichung  vom  tinktoriellen 
Verhalten  pathologische  Erscheinimgen  nachweisbar;  besonders  aber  können 
auch  Änderungen  in  der  scholligen  und  spindeligen  Struktur  des  färbbaren 
Anteils  des  Ganglienzellenplasmas,  vor  allem  kömiger  Zerfall,  wesentlich 
erst  mit  dieser  Methode  erkannt  werden.  —  (Vgl.  Nissl,  Ctbl.  f.  Nerven- 
heilkunde.   Jan.  1895.) 

ad  4.  Zur  Färbung  der  Neuroglia  eignen  sich  zwar  auch  Anilin- 
farbstoffe, aber  ohne  dass  es  gelingt  scharfe  Bilder  zu  erreichen  imd  vor 
allem  ohne  dass  eine  Darstellung  der  feinsten  Fasern  erreicht  würde.  Das 
Ideal  einer  Gliafärbung  würde  natürlich  eine  solche  sein,  welche  eben  nur 
das  Gliagewebe  färbt.  Das  ist  nicht  erreicht  bei  Anwendung  der  Golgi- 
sehen  Methode  und  der  von  Stroebe  jüngst  mitgeteilten  modifizierten 
Mallory  sehen  Phosphormolybdänsäure-HämatoxyUnf ärbung  *) ,  welche  ja 
oft  ganz  schöne  Bilder  darbietet,  bei  den  feinsten  Fasern  aber  eine  Ver- 
wechslung mit  Achsencylindem  nicht  sicher  vermeiden  lässt*).    Demideal 


1)  Gentralbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  Y.  S.  855. 

8)  Wenn  natürlich,  wie  in  dem  von  Stroebe  demonstrierten  Gliom  Achsencylinder 
gar  nicht  daneben  vorhanden  sind,  giebt  die  Methode  sehr  gute  Bilder. 


Technik.  37 

nähern  sich  bis  jetzt  uur  die  Benekesche  Faserfärbangsmethode ,  die 
wenigstens  im  Gehim  und  Rückenmark  von  faserigen  Substanzen  nur  die 
Gliafasem  färbt,  und  vor  allem  die  Weigert  sehe,  leider  noch  nicht  ge- 
nauer mitgeteilten  Methode.  Nach  den  mir  bekannten  Präparaten  Weigerts 
wird  mit  seiner  Methode  (Beizung  mit  Metallsalzen,  die  eine  organische 
Säure  enthalten;  Färbimg  nach  dem  Prinzip  der  Weigert  sehen  Fibrin- 
färbung) doch  noch  viel  mehr  erreicht,  als  mit  der  Benek eschen  Methode, 
die  mir  selbst  wenigstens  nur  ungleichmässige  Präparate  geUefert  hat, 
namentlich  passierte  es  öfter,  dass  in  den  centraleren  Partieen  der  Schnitte 
nur  die  gröberen  Fasern  gefärbt  waren,  während  allerdings  in  den  peri- 
pheren Teilen  ausgezeichnete  Bilder  erzielt  wurden.  Auch  möchte  ich  das 
Prinzip  der  Benek  eschen'  Modifikation,  wobei  zuerst  überfärbt  und  dann 
unvollkommen  entfärbt  wird,  für  wenig  geeignet  halten,  eine  sichere 
Methode  zu  gewährleisten.  tJbrigens  beeinträchtigten  diese  Mängel  nicht 
die  Anwendbarkeit  der  Benek  eschen  Methode,  so  lange  wir  nicht  im 
Besitze  der  besseren  und  sicheren  Weigert  sehen  sind.  Allerdings  muss 
man,  wenn  es  sich  um  die  Beurteilung  von  Schwund  der  GUafasem  handelt, 
dann  sehr  vorsichtig  sein.  Hoffen  wir,  dass  sich  Weigert  bald  entschliesst, 
seine  so  vorzügliche  Methode  zu  veröffentUchen. 


n. 
ALLGEMEINE 

PATHOLOGIE  DES  KREISLAUFS. 


A. 

Allgemeine  Kreislaufstörungen. 


Von 
F.  Maxtius,  Rostock. 


Die  grossen,  prinzipiellen  Gegensätze,  die  die  medizinische  Wissen- 
schaft unserer  Tage  durchziehen,  kommen  auch  in  der  Lehre  von  der 
Pathologie  des  Kreislaufs  zum  scharfen  und  prägnanten  Ausdruck.  Für 
ein  eingehendes  Studium  der  treibenden  Kräfte,  die  auf  diesem  Gebiete 
der  Forschung  um  die  Herrschaft  ringen,  trifft  es  sich  günstig,  dass  die 
Hauptgegensätze,  um  die  es  sich  gegenwärtig  handelt,  in  zwei  bekannten 
Forschern  eine  gewissermassen  persönliche  Ausprägung  erhalten  haben. 
Unter  diesem  Gesichtspunkte  gewinnt  der  zwischen  S.  von  Basch  und 
0.  Rosenbach  kürzlich  durchgeführte  Streit  über  „Die  Grundlagen  der 
Lehre  vom  Kreislaufe"  [Rosenbach  (2.  b.)]  eine  Bedeutung,  die  weit 
über  das  Persönliche,  weit  über  die  Frage  hinausreicht,  wer  im  einzelnen 
Recht  hat  oder  wer  der  geistreichere  imd  elegantere  Fechter  ist.  Predigt 
doch  der  eine  (0.  Rosenbach)  mit  nicht  geringer  agitatorischer  Kraft 
nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  die  völUge  Umkehr  von  dem  bisher 
allein  seligmachendem  Wege  des  streng  exakten  pathologisch-anatomischen 
und  experimentellen  Empirismus,  der  schon  solange  —  zu  ihrem  Schaden  — 
die  klinische  Medizin  beherrscht  habe,  zur  unbefangenen  imd  durch  die 
Erfahrungen  des  Tierexperimentes  nicht  getrübten  Krankenbeobachtung. 
Kein  Wunder,  dass  der  andere  (S,  v.  Basch),  dem   das  Experiment  an 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  39 

Modell  und  Tier,  das  A  und  O  aller  Wissenschaft  vom  Kreislauf  ist,  nicht 
genug  vor  dem  reissenden  Strudel  der  Rhetorik  seines  Gegners  zu  warnen 
weiss,  der  —  alle  exakten  Schranken  durchbrechend  —  die  Medizin  wieder 
in  nebelhafte  Spekulationen  aufzulösen  im  BegrifE  stehe. 

Es  kann  unmöglich  Aufgabe  eines  kurzen  Referates  sein,  diesen  Ge- 
gensatz kritisch  bis  ins  einzelne  zu  verfolgen.  Nur  soviel  mag  angedeutet 
werden,  dass  keiner  der  beiden  Forscher,  grade  weil  sich  jeder  auf  das 
extremste  Ende  seines  Standpunktes  stellt,  von  Übertreibungen  und  Ein- 
seitigkeiten ganz  frei  sein  dürfte.  Die  klassische,  dem  modernen  Standpunkt 
entsprechende  Pathologie  des  Kreislaufs  ist  eben  noch  nicht  geschrieben. 
Nur  das  ist  sicher,  wer  sie  schreiben  will,  der  muss  beider  Werke,  die 
uüchtem-exakte  Darstellung  der  Kreislaufsexperimente  von  Baschs  (1) 
sowohl,  wie  das  ideenreiche,  überall  den  denkenden  Leser  anregende,  über- 
all den  feinen  klinischen  Beobachter  zeigende,  aber  oft  nicht  ganz  klare, 
wenigstens  in  einer  etwas  dunklen  Sprache  geschriebene  Lehrbuch  Rosen- 
bachs —  er  muss  sie  beide  genau  gelesen  und  gründlich  studiert  haben. 

Etwas  genauer  besprochen  und  kritisch  beleuchtet  soll  im  folgenden 
zunächst  ein  Punkt  werden,  der  ebenfalls  zwischen  den  genannten  beiden, 
t)T)ischen  Gegnern  kontrovers  ist,  dessen  Klarstellung  aber  im  allgemeinsten 
medizinischen  Interesse  liegt.  Es  ist  das  die  Lehre  von  der  Kompen- 
sation und  den  Kompensationsstörungen.  Es  droht,  in  diese 
Lehre  eine  heillose  Begriffsverwirrung  einzureissen,  der  im  Interesse  klaren, 
klinischen  Denkens  nicht  energisch  genug  entgegengetreten  werden  kann  *). 

In  diesem  Falle  ist  es  von  Basch,  von  dem  der  Angriff  auf  die 
klinisch  allgemein  angenommene  Kompensationslehre  ausgeht.  Rosen- 
bach steht  hier  mehr  auf  dem  Verteidigungsstandpunkte.  Auch  er  legt 
dieser  Lehre  eine  grosse  Wichtigkeit  bei  imd  meint,  dass  sie  der  Kampf- 
platz sei,  auf  dem  die  beiden  gegensätzlichen  Anschauungen  über  die 
Kreislaufsprinzipien,  die  er  die  statisch -mechanische  und  die  dynamische 
nennen  möchte,  ihre  Entscheidungsschlacht  schlagen  müssten. 

Im  Gegensatze  dazu  will  es  dem  Referenten  jedoch  scheinen,  als  ob 
hinsichtlich  gerade  der  Kompensationslehre  es  sich  weniger  um  tiefergehende 
sacliliche  Differenzen,  als  vielmehr  um  unklare  Begriffsbestimmungen  und 
unsichere  Begriffsumgrenzungen  handele. 

Um  das  klar  zu  stellen,  ist  es  unerlässUch,  etwas  weiter  auszuholen 
und  die  verwandten  Begriffe   der  Reservekraft,    der  Accommoda- 


^)  Dabei  dürfte  die  Besprechung  gerade  der  KompenBationslehrean  dieser  Stelle  um 
so  mehr  gerechtfertigt  erscheinen,  als  die  wichtigsten  der  weiterhin  zu  besprechenden 
oeuesten  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  Herzpathologie  (Romberg,  Krehl,  Rieder, 
^äck,Radasew8ky  etc.)  unmittelbare  Beziehung  zu  diesem  Gegenstande  haben  und  m eh r 
oder  weniger  denselben  Standpunkt  der  Beurteilung  erfordern. 


40  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

tions-  und  Regulationsvorrichtungen  genau  zu  definieren  und  von 
dem  der  Kompensationsvorgänge  abzugrenzen.  Es  wird  sich  dann 
zeigen,  wie  weit  von  Basch  im  Recht  ist,  wenn  er  sich  von  vornherein 
gegen  den  Vorwurf  verwahrt,  dass  er  blosse  Wortfechterei  treibe,  indem 
er  ledighch  statt  des  geläufigen  Ausdruckes  Kompensation  den  minder 
geläufigen  Ausdruck  Accommodation  einführe. 

Wir  gehen  bei  unserer  Betrachtung  zweckmässigerweise  von  einer 
Thatsache  aus,  die  unbestritten  ist,  weil  sie  tägUch  und  stündUch  durch 
die  Erfahrung  bewiesen  wird,  von  der  Thatsache,  dass  unsere 
Körperorgane  nur  selten  und  ausnahmsweise  die  maximalen 
Leistungen  vollführen,  deren  sie  —  wenn  auch  nur  auf  kürzere 
Zeit  —  fähig  sind.  Das  gilt  von  der  gestreiften  Körpermuskulatur 
ebenso,  wie  von  der  glatten  Organmuskulatur,  ebenso  von  dem  secemieren- 
den  Drüsenepithel,  wie  von  dem  absorbierenden  Epithel  der  Verdauungs- 
wege. Der  normale  Magen  eines  gesunden  Menschen,  der  längere  Zeit 
bei  karger  Kost  nur  geringe  Leistung  vollführte,  ist,  wenn  es  sein  muss, 
plötzhch  einer  gewaltigen  Mahlzeit  gewachsen:  Seine  Drüsen  sondern  —  man 
möchte  sagen  ohne  Besinnen  ~-  die  kolossale  Salzsäuremenge  ab,  die  zur 
Absättigung  der  gebotenen  Eiweissaffinitäten  nötig  ist  und  seine  motorische 
Kraft  erweist  sich  der  plötzlich  gesteigerten  Aufgabe  gegenüber  als  sufficient. 
Die  ausnahmsweise  stattfindende  Zufuhr  einer  enormen  Flüssigkeitsmenge 

—  sagen  wir  von  fünf  oder  mehr  Liter  Bier  —  setzt  weder  den  absorbie- 
renden Darm,  noch  die  secernierenden  Nieren  in  Verlegenheit.  Sie  be- 
wältigen die  Mehraufgabe  in  kürzester  Frist.  Während  unsere  gewöhnliche 
Atemgrösse  500  ccm  Luft  beträgt,  besitzen  wir  eine  vitale  Kapazität  von 
3000,  d.  h.  wir  können  mit  jedem  Atemzuge,  wenn  es  darauf  ankommt, 
das  Sechsfache  der  Luftmenge  bewegen ,  die  einen  gewöhnlichen  Atemzug 
in  der  Ruhe  ausmacht.  Wenn  all  unsere  Organe,  wenn  unser  ganzer 
Organismus  fortwährend  und  dauernd  mit  Volldampf  arbeiteten ,  dann 
ständen  wir  täglich  imd  stündlich  an  der  Grenze  unserer  Leistungsfähigkeit. 
Nur  eine  kleine  Steigerung  der  Ansprüche  und  der  Kessel  würde  platzen! 
Es  steht  nun  offenbar  nichts  im  Wege,  wenn  wir  die  unter  den  Ver- 
hältnissen des  normalen  Geschehens  nicht  in  Anspruch  ge- 
nommene,   aber   jederzeit    disponibele   Kraft    eines   Organs 

—  ganz  allgemein  —  als  seine  Reservekraft  bezeichnen. 

Auch  der  Cirkulationsapparat  verfügt  selbstverständlich  über 
eine  derartige  Reservekraft.  Freilich  ist  damit  über  die  Art  dieser 
Kraft  noch  nichts  ausgesagt.  Es  handelt  sich  zunächst  um  nichts  anderes, 
als  um  einen  sehr  bequemen  Ausdruck  zur  Bezeichnung  der  Thatsache, 
dass  unser  Cirkulationsapparat  weit  grösseren  Anforderungen  gewachsen  ist, 
als  für  gewöhnlich  —  während  körperlicher  Ruhe  oder  massiger,  in  keiner 


Allgemeine  Pathologie  dea  Kreislaufs.  41 

Weise  anstrengender  Bewegung  —  an  denselben  gestellt  werden.  Dieser 
Tenninas  technicus  erweist  sich  auch  als  sehr  bequem,  um  den  Effekt 
der  Gewöhnung  an  grössere  Leistung,  z.  B.  des  Trainings,  zu  bezeichnen. 
Wer  ioa  Gebirge  zu  steigen  beginnt,  ist  mit  seiner  Reservekraft  bald  zu 
Ende.  Durch  den  Training  steigert  er  allmählich  die  Leistungsfähigkeit 
des  Cirkulations-  und  ßespirationsapparates  —  er  gewinnt  an  Reservekraft. 
Zu  Ende  des  Trainings  braucht  er  in  der  Ruhe  nicht  mehr  Kraft  als  vor- 
her, aber  die  für  aussergewöhnliche  Leistungen  disponible  Leistungsfälüg- 
keit  seiner  Organe  ist  gewaltig  gewachsen. 

Gehen  wir  nun  diesem  Prozess  etwas  näher  auf  den  Grund,  so  erhebt 
sieh  die  Frage,  worin  denn  eigentlich  die  Reservekraft  besteht.  Ersich^ 
licherweise  ist  dieselbe  nicht  für  alle  Organe  die  gleiche.  Die  Reserve- 
kraft des  Herzens  kann  quahtativ  nicht  dieselbe  sein,  wie  die  der  Nieren. 
Offenbar  handelt  es  sich  also  in  erster  Linie  um  die  für  jedes  Organ 
spezifische  Leistung.  Hier  Kontraktion  der  Muskelfaser,  da  Sekretion 
der  Drüsenzelle.  Jedes  einzelne  spezifische  Element  eines  Organs  ist  eben 
je  nach  den  gestellten  Anforderungen,  einer  grösseren  oder  geringeren 
Leistung  —  sei  sie  Zusammenziehung  oder  Absonderung  —  fähig.  Die 
Summe  aller  Einzelleistungen  ist  die  Gesamtarbeit  des  Organs.  Das  Herz 
beispielsweise  muss  im  Stande  sein,  um  plötzlich  einsetzende  grössere  Wider- 
stände zu  überwinden,  sich  mit  grösserer  Kraft  zu  kontrahieren,  als  vor- 
her. Das  Herz  passt  die  Kraft,  mit  der  es  sich  zusammenzieht, 
den  zu  überwindenden  Widerständen  oder,  mit  anderen  Worten, 
der  zu  leistenden  Arbeit  an.  Es  ist  das  grosse  Verdienst  Rosen- 
baclis,  experimentell  zuerst  bewiesen  zu  haben,  dass  dem  wirkUch  so  ist. 
(cfr.  2  a  S.  Die  betreffenden  Versuche  werden  als  bekannt  vorausgesetzt). 
Bei  dieser  Gelegenheit  hat  Rosenbach  zuerst  den  Begriff  der  Reserve- 
kraft geschaffen.  Der  letztere  bedeutet  also  in  diesem  speziellen  Falle  nichts 
anderes,  als  —  im  Sinne  unserer  allgemeinen  Definition  —  die  kurze  undpräg- 
i^ante  Bezeichnung  der  Thatsache,  dass  dem  Herzmuskel  plötzlich  ein- 
tretenden grösseren  Anforderungen  gegenüber  Energieen  zu  Gebote  stehen, 
die  vorher  nicht  ausgenutzt  wurden,  die  itm  aber  im  gegebenen  Moment 
befähigen,  sich  mit  seiner  Kontraktionsgrösse  der  neuen  Arbeitsgrösse  an- 
zupassen. Die  Reservekraft  befähigt  also  das  Herz,  sich  wachsen- 
den Arbeitsansprüchen  zu  „accommodieren". 

Wie  man  sieht,  sind  das  Ausdrücke,  die  einen  thatsächlichen  Vor- 
gang lediglich  auf  die  einfachste  Weise  beschreiben.  Wie  diese  Anpas- 
sung, diese  „Accommodation"  zu  Stande  kommt,  darüber  ist  noch  nichts 
präjndiziert.  Es  ist  an  sich  möglich,  dass  der  Herzmuskel  immittelbar  auf 
den  grösseren  Reiz  mit  einer  stärkeren  Zusammenziehung  antwortet,   es 


42  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ist  aber  an  sich  ebenso  möglich,  dass  sich  ein  nervöser  Übertragungs- 
apparat  einschiebt^).  Der  letztere  würde  aber  immer  nur  als  Auslösungs- 
apparat für  die  Aktivierung  der  Reservekraft  dienen.  Es  ist  nicht  un- 
nütz, das  besonders  hervorzuheben,  v.  Basch  sagt  nämUch,  um  den  Begriff 
der  Reservekraft  ad  absurdum  zu  führen,  folgendes: 

„Sehr  häufig  sieht  man  nach  Zerreissung  der  Aortenklappen  den 
artisriellen  Blutdruck  nicht,  wie  zu  erwarten  ist,  sinken,  sondern  sich  gleich 
bleiben  und  sogar  steigern.  (Es  ist  das  der  eben  erwähnte  Rosenbach- 
sehe  Versuch.  Ref.)  Das  hat  zur  Aufstellung  einer  besonderen  Theorie 
Veranlassung  gegeben,  der  Theorie  der  sogenannten  Reservekraft  des 
Herzens.  Diese  Reservekraft  sollte  bei  Klappenfehlem  den  Verlust  aus- 
gleichen, den  derselbe  mit  Bezug  auf  die  GefässfüUimg  hervorruft.  Diese 
Reservekraft,  die  den  Aortendruck  bei  InsufEicienz  der  Aortenklappen  ini 
Tierversuch  nicht  absinken  lässt,  die  selbst  noch  ein  Übriges  zu  tliun 
vermag,  d.  h.  ihn  in  die  Höhe  treibt,  ist  aber  nichts  anderes,  als  die 
Wirkung  der  früher  erwähnten  Reizung  der  sensiblen  Nerveu 
des  Herzens".  Das  Missverständnis  liegt  klar  auf  der  Hand.  Die  Rei- 
zung der  sensiblen  Nerven  leistet  doch  nicht  die  mechanische  Mehrarbeit. 
Sie  löst  dieselbe  höchstens  aus.  Und  wenn  v.  Basch  fortfährt:  „Wenn 
man  den  Versuch  nur  vorsichtig  genug  anstellt,  so  dass  diese  Reizung 
möglichst  vermieden  wird,  dann  stimmt  er  auch  vollständig,  wie  die  früheren 
mit  dem  Modellversuch,  d.  i.  es  sinkt,  allerdings  nicht  in  hohem  Grad,  der 
Druck  sowohl  in  der  Arterien  als  in  den  Venen*'  —  so  spricht  doch  das 
erst  recht  für  die  Auffassung  Rosenbachs.  Die  Reservekraft  des  Herz- 
muskels ist  eben  da  und  nur  von  der  Grösse  des  Reizes  hängt  es  ab,  ob 
sie  vollständig  oder  unvollständig  in  Aktion  tritt.  Nebenbei  beweist  dieses 
Beispiel  recht  eklatant,  wohin  es  führt,  wenn  man  am  Tierversuch  ledig- 
lich „erwartet**,  was  der  Modellversuch  zeigt.  Ein  so  überaus  scharfsinniger 
Mann,  wie  Herr  von  Basch,  hätte  sonst  wohl  kaum  den  Funken,  der 
das  Pulver  zum  Explodieren  bringt  mit  der  lebendigen  Kraft  des  Geschos- 
ses verwechseln  können. 

Nach  dem  bisher  Erörterten  ist  die  —  gleichviel  auf  welchem  Wege 


1)  Die  letztere  Annahme  (reflektorische  Vermittlung  durch  einen  nervösen  Apparat) 
erfreute  sich  bis  vor  Kurzem  allgemeinster  Anerkennung.  Neuerdings  ist  die  von  physio- 
logischer  Seite  schon  längst  aufgestellte  Hypothese  von  der  Automatie  des  Herzmuskels  durch 
Krehl  und  Rom  her  g  auch  in  die  klinische  Medizin  hineingetragen  worden.  Folgender 
Passus,  der  sich  bei  diesen  Autoren  findet  (4.  S.  92)  mag  hier  Platz  finden.  Der  Herz- 
muskel ,ist  nicht  nur  der  automatische  Motor  des  Kreislaufs.  Er  vermag  sich  auch  ver- 
schiedenen Ansprüchen  an  seine  Kraft  selbstthätig  in  vollendeter  Weise  anzupassen.  Die 
Überwindung  gesteigerter  Widerstände,  die  Austreibung  vermehrter  Füllungen,  also  z.  B. 
auch  die  Kompensation  von  Klappenfehlem  beruht  auf  der  Mehrarbeit,  welche  der  Herz- 
muskel verrichtet,  ohne  durch  nervöse  Einflüsse  dazu  angeregt  zu  sein.*" 


Allgemeine  Pathologie  des  Ereislanfs.  43 

erfolgende  —  Aktivierung  der  Reservekraft  des  Herzens  ein  Aecommo- 
dations  vor  gang.  Dem  wird  sich,  ohne  der  Sprache  Gewalt  anzuthun, 
kaum  widersprechen  lassen.  Die  Anpassung  (Accommodation)  des  Herz- 
muskels an  wachsende  Arbeitsanforderungen  kann  besten  Falls  genau  so- 
weit gehen,  als  seine  Reservekraft  reicht.  Ein  trainiertes,  d.  h.  durch  Übung 
mit  einem  grösseren  Mass  von  Reservekraft  ausgestattetes  Herz  vermag 
sich  höheren  Anforderungen  zu  accommodiren  als  ein  im  trainiertes  Herz  u.  s.  w. 

Aber  damit  ist  die  Sache,  soweit  es  sich  um  physiologische  Verhält- 
nisse handelt,  und  nur  von  solchen  war  bisher  die  Rede,  noch  keineswegs 
erledigt.  Bei  wechselnden  Ansprüchen  an  das  Cirkulationssystem  kommt 
nicht  bloss  das  Herz  in  Betracht,  auch  das  Verhalten  der  Gefässe,  ja  selbst 
das  des  Atmungsapparates  ist  für  die  Erhaltung  des  Blutkreislaufes  von 
Wichtigkeit.  Wenn  der  Druck  in  einem  Gefässgebiet  steigt,  kann  er  auf 
reflektorischem  Wege,  in  einem  anderen  entsprechend  sinken,  um  dem 
Herzen  seine  Arbeit  zu  erleichtern,  Einrichtungen  derart  bezeichnet  man 
wohl  am  besten  als  Regulationsmechanismen  des  Organismus. 

Ried  er  (9,  S.  48)  sagt  in  seiner  eben  erschienenen,  wichtigen 
Arbeit:  Zur  Kenntnis  der  Dilatation  und  Hypertrophie  des  Herzens  etc.: 
„Die  Regulierung  des  Blutdruckes,  welcher  abhängig  ist  einerseits  von 
der  Blutmenge ,  die  der  Unke  Ventrikel  in  die  Aorta  wirft ,  und  anderer- 
seits von  dem  Widerstände,  den  das  Blut  im  Aortensystem  findet,  geht 
rasch  von  statten  infolge  der  innigen  Beziehungen,  die  unter  den  Nerven- 
eentren  in  Medulla,  Rückenmark  und  Gefässen  bestehen.  Die  erregende 
und  erschlafEende  Wirkung  auf  die  Gefässmuskeln  und  somit  auf  die  Weite 
der  Gefässe  behufs  Erhaltung  des  Blutdrucks  auf  der  vitalen  Höhe  vollzieht 
ach  m  der  promptesten  Weise."  (Kurz  vorher  bezeichnet  Ried  er  freilich 
—  wohl  von  Basch  folgend  —  denselben  Vorgang  als  Kompensation. 
Dass  und  warum  das  sprachlich  imglücklich  ist,  wird  weiter  unten  erörtert 
werden.)  Über  derartige  Regulationsmechanismen  verfügt  nun  der 
Organismus  in  recht  ausgiebiger  Weise.  Erinnert  sei  noch  an  die  bekannte 
Tliatsache,  dass  und  wie  die  Atmung  die  Herzarbeit  günstig  beeinflusst 
^d  umgekehrt.  Es  entspricht  durchaus  dem  natürlichen  Sprachgefühl, 
wenn  man  sagt,  dass  Respiration  imd  Cirkulation  sich  gegenseitig  „regulieren*'. 

Pathologische  Störungen  dieser  regulatorischen  Vorrichtungen 
können  die  schwersten  Schädigungen  der  Gesundtheit,  ja  den  plötzlichen 
Tod  herbeiführen.     [Das  Nähere  bei  Rieder  (9,    S.  48)]. 

Es  wird  sich  kaum  leugnen  lassen,  dass  die  Ausdrücke  Reserve- 
kraft, Accommodation,  Regulation  in  dem  erörterten  Sinne  inhalt- 
lich klar  und  dabei  fest  umgrenzt  sind.  Bezieht  man  den  Ausdruck  Re- 
servekraft auf  den  ganzen  Cirkulationsapparat,  so  versteht  man 
darunter  ganz  allgemein  die  Summe  der  verschiedenen,   latenten  (für  ge- 


44  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

wönlich  nicht  in  Anspruch  genommenen)  Kräfte,  die  dem  Organismus  einer- 
seits zur  liCistung  aussergewöhnlicher  Aufgaben,  andererseits  zum  Ausgleich 
eintretender  Störungen  zu  Gebote  stehen.  Die  Accommodationsfähigkeit  des 
Herzmuskels  an  höhere  Aufgaben  (Überwindung  grösserer  Widerstände), 
gehört  also  ebenso  hierher,  wie  das  Spielenlassen  der  mancherlei  Regu- 
lationsmechanismen, über  die  der  Kreislaufsapparat  durch  Vermittlung 
des  Nervensystems  verfügt.  Spricht  man  dagegen  im  engeren  Sinne  von 
der  Reservekraft  des  Herzens,  so  kann  damit  nur  die  Fähigkeit  des 
Herzmuskels  gemeint  sein,  sich  direkt  oder  reflektorisch  durch  Ver- 
mehrung der  Zahl  oder  der  Energie  der  Zusammenziehungen,  grösseren 
Arbeitsanforderungen  anzupassen.  In  diesem  letzteren  Sinne  ist  die  Re- 
servekraft des  Herzmuskels  genau  so  gross  wie  seine  Accommodations- 
fähigkeit an  die  Überwindung  grösserer  Widerstände.  Die  Reservekraft 
des  Cirkulationsapparates  überhaupt  ist  grösser.  Es  kommen  noch  die 
Kräfte  hinzu,  die  durch  die  Regulationsvorrichtungen  mobil  gemacht  werden. 

Was  bedeutet  nun  demgegenüber  der  Ausdruck  Kompensation? 
Compensare  heisst;  „mit  einem  anderen  gleichsam  aufwägen  =  aus- 
gleichen, gegeneinander  aufrechnen,  es  ersetzen".  (Georges,  Schul- 
wörterbuch.) Der  Ersatz  aber  ist  die  Gegenleistimg  für  etwas  Verlorenes 
oder  für  eine  Beschädigung.  Es  ist  daher  durchaus  sprachlich  korrekt, 
wenn  Iclinisch  der  Ausdruck  Kompensation  ausschliesslich  für  den  Aus- 
gleich pathologischer  Störungen  gebraucht  wird.  Ein  gesunder  Orga- 
nismus accommodirt  sich  den  wechselnden  Anforderungen  des  Lebens. 
Er  gebietet  über  Regulationsmechanismen,  die  es  gestatten,  den  vor- 
handenen Kraftvorrat  zur  richtigen  Zeit  an  der  richtigen  Stelle  zu  ver- 
werten. Das  sind  physiologische  Vorgänge.  Dieselben  reichen  aber. nicht 
aus,  sobald  ein  dauernder  Schaden  angerichtet,  etwa  ein  Ventil  defekt  ge- 
worden ist.  Dann  muss  der  Schaden  repariert  oder  für  Ersatz,  für 
Kompensation  gesorgt  werden.  Die  klinische  Medizin  sieht  diesen 
dauernden  Ausgleich  des  Schadens,  den  ein  Klappenfehler  des  Herzens 
anrichtet,  bekanntlich  im  wesentlichen  in  der  Hypertrophie  des  Herzmuskels. 
Kompensatorische  Hypertrophie  des  Herzmuskels  bei  Klappen- 
fehlern ist  also  der  sprachlich  vollkommen  richtige  und  sehr  verständliche 
Ausdruck  für  die  Erfahrungsthatsache,  dass  der  Ausfall  an  Leistungsfähig- 
keit, den  der  Klappenfehler  mit  sich  bringt,  durch  die  Hypertrophie  und 
damit  durch  die  dauernde  Kxaftzunahme  des  Muskels  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  ersetzt  wird. 

Diese  Definition,  die  die  Bedeutung  des  Begriffes  kompensatorische 
Hypertrophie  gewissermassen  nur  in  seinen  gröbsten  Umrissen  wiedergiebt, 
genügt  jedoch  noch  nicht,  um  das  Wesen  des  Vorganges,  um  den  es  sich 
handelt,  ganz  zu  verstehen.    Wir  wollen  es  versuchen,  den  letzteren  durch 


Allgemeine  Pathologie  des  Ereislaufs. 


45 


eine  einfache  graphische  Darstellung  bildUch  wiederzugeben.  Eine  auf- 
merksame Betrachtung  dieser  Diagramme  wird,  wie  wir  hoffen,  das  Prinzip, 
um  das  es  sich  handelt,  leichter  und  schneller  verständlich  machen,  als 
noch  so  viele  Worte.  Wenn  es  sich  dabei  zeigt,  dass  Wort  und  Sache 
gut  sich  decken,  dass  also  die  kUnisch  üblichen  Ausdrücke  sprachlich 
richtig  gewählt  sind,  um  thatsächhch  zu  beobachtende  Vorgänge  auf  die 
einfachste  und  verständhchste  Weise  zu  beschreiben,  dann  wird  man 
eine  derartige  Terminologie  trotz  des  Widerspruches  eines  hervorragenden 
Forschers  auch  in  Zukunft  weiter  gebrauchen. 


ßeseirekraft    = 
Accommodatioiis* 
yermögen. 


Reservekraft   =: 

AccommodatioiiB- 

Yermögen. 


TCi 


"I-y 


Arbeitsgrösse 
in  der  Rohe 


b, 


Arbeitagr^tose 
in  der  Ruhe 


Überhaupt  dispo- 
nible Kraft  <C  Ar- 
beitsgrOsae  in  der 
Ruhe.  Insuffizienz 
des  Herzens. 


I.  Normales  Herz. 


n.  Elappenfehlerherz  im 
Stadium  der  Kompen- 
sation. 


in.  Klappenfehlerherz  im 

Stadium  der  Kompensations- 

stOmng. 


hl  den  vorstehenden  Diagrammen  bedeuten  die  Ordinatenwerte  Arbeits- 
grossen  des  Herzmuskels.  Während  dem  Muskel  des  gesunden  Herzens 
(S'  Diagramm  I)  die  maximale  Kraft  a  c  zu  Gebote  steht ,  arbeitet  es  ge- 
wöhnlich (in  der  Ruhe)  nur  mit  der  Kraft  a  b.  Die  Kraft  b  c  ist  die 
Reservekraft,  die  das  Herz  befähigt,  sich  auch  grösseren  Arbeitsleistungen 
anzupassen. 

Wird  nun  ein  grosser  Klappendefekt  gesetzt,  so  wächst  (s.  Diagramm  II) 
die  Ärbeitsgrösse  in  der  Ruhe  plötzhch  um  den  Wert  x  b,.  Trotz  dieser 
enormen  Mehrforderung  an  Arbeitskraft  wird  der  Muskel  nicht  insufficient. 
Denn  die  neue  Ärbeitsgrösse  Hegt  noch  innerhalb  des  Bereichs  seiner 
^naximalen  Leistungsfähigkeit  (a^  bi  <^  a  c).  Der  Muskel  acconunodiert  sich 
dem  neuen  Zustande  durch  Mobilmachung  seiner  Reservekraft  (Rosen- 
bach scher  Versuch).    Aber  das  wäre,   wenn  weiter  nichts  geschähe,   ein 


46  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

auf  die  Dauer  nicht  haltbarer  Zustand.  Lediglich  der  geringe  Wert  y  bj 
bliebe  für  Steigerung  der  Leistung  übrig.  Das  Herz  würde  auch  in  der 
Ruhe  dauernd  mit  nahezu  maximaler  Kraft  arbeiten.  Jede  den  geringen 
Wert  y  bj  überschreitende  Mehrleistung  (Gehen,  Treppensteigen)  bringt  das 
Herz  an  die  Grenze  seiner  Leistungsfähigkeit;  es  tritt  Herzklopfen,  Atem- 
not (Anstrengungsdyspnoe)  u.  s.  w.  auf.  Aber  das  dauert  nicht  lange. 
Allmählich  wächst  die  Leistungsfähigkeit.  Die  Anstrengungen,  die  noch 
vertragen  werden,  ohne  Dyspnoe  auszulösen,  werden  immer  grösser:  das 
Herz  hypertrophiert.  Schliesslich  wird  ein  neuer  dauernder  Zustand 
erreicht.  Das  hypertrophierte  Herz  besitzt  nunmehr  die  maximale  Kraft  a,  Cy 
Entsprechend  der  Volumzunahme  seiner  Muskulatur  ist  es  also  absolut 
genommen  um  die  Grösse  y  Cj  stärker  geworden,  als  zuvor.  Gleichwohl 
ist  es  relativ  leistungsunfähiger,  denn  seine  Reservekraft  ist  viel  geringer 
als  die  des  gesunden  Herzens.  Seine  Anpassungsfähigkeit  an  äussere 
Arbeitsanforderungen  ist  dauernd  gesunken^). 

Für  den  geschilderten  Vorgang,  der  das  klappendefekte  und  anfänglich 
insufficiente  Herz  allmählich  befähigt,  sich  wieder  in  grösserer  Breite  den 
wechselnden  Anforderungen  des  Lebens  anzupassen,  für  diesen  Vorgang  be- 
dürfen wir  einer  besonderen,  kurzen  Bezeichnung.  Mannennt  ihn  Kompen- 
sation (Ersatz  der  verloren  gegangenen  oder  besser:  schon  für  die  Ruhe  in 
Anspruch  genommenen  Reservekraft)  und  erreicht  wird  dieser  Ersatz  im 
wesentlichen  durch  Hypertrophie  der  Muskulatur.  Man  sieht,  wie  ausser- 
ordentlich prägnant  die  klinisch  längst  eingebürgerten  Bezeichnungen  auf 
die  thatsächlichen  Verhältnisse  passen.  Ein  Herz  mit  gut  kompensiertem 
Klappenfehler  verhält  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  wie  ein  normales  Herz. 
Es  besitzt  ein  gewisses  Mass  an  Reservekraft,  die  es  befähigen,  sich  den  den 
gewöhnlichen  Anforderungen  des  Lebens  entsprechenden,  über  die  Ruhe 
hinausgehenden,  Mehrleistungen  zu  accommodieren.  Und  doch  ist  es 
wesentlich  schlechter  daran,  als  das  gesunde.  Die  Grenzen  seiner  Leistungs- 
fähigeit  sind  viel  enger  gezogen.  Den  Strapazen  eines  Feldzuges  ist  es 
nicht  gewachsen.  Trotz  der  Hypertrophie  und  der  durch  dieselbe  bedingten 
Vergrösserung  seiner  absoluten  Kraft,  ist  seine  Accommodationsbreite  wesent- 
lich verringert,  weil  die  für  die  blosse  Erhaltung  des  Kreislaufes  an  sich 
nötige  Kraft  (die  Arbeitsgrösse  in  der  Ruhe)  durch  den  Klappenfehler  so 
enorm  gewachsen  ist. 

So  klar  die  Verhältnisse  sachlich  hegen  —  auch  Rosenbach  ver- 
greift  sich  ihnen    gegenüber  wenigstens  im  Ausdruck.     Er  unterscheidet 


i)  Wie  ersichtlich,  ist  von  denRegalationsmechanismen,  die  dem  ganzen  Cir 
kulationsapparate  zu  Gebote  stehen,  in  diesen  Diagrammen  völlig  abgesehen.  Ka  handeli 
sich  lediglich  um  die  Reservekraft  des  Herzens  im  engeren  Sinne,  die  nach  der  obigei 
Definition  mit  seiner  Anpassungsfähigkeit  an  gesteigerte  Arbeitsleistungen  identisch  ist. 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  47 

(2  a  S.  16)  genau  in  dem  bi8her  erörterten  Sinne  zwischen  Leistungs- 
erhöhung durch  Verstärkung  der  Schwingung  jedes  einzelnen  Elementes 
aus  den  Vorräten  (latente  Reservekraft),  d.  h.  also  durch  Aktivierung 
von  Reserveelementen  und  zwischen  Leistungserhöhung  durch  Anhäufung 
grösserer  Vorräte  von  Spannkraftmaterial  (Hypertrophie)  und  durch  ver- 
stärkte Bildung  von  parater  Energie.  „Den  ersten  Vorgang  nennen  wir 
Kompensation  (temporäre  Anpassimg),  den  zweiten  Accommodation 
d.  h.  dauernde  Anpassimg  an  vermehrte  (oder  verminderte)  Leistung". 
Es  braucht  nicht  noch  einmal  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  Sache 
sich  gerade  umgekehrt  verhält.  Bis  jetzt  hat  noch  jeder  Kliniker  (nur  mit 
Ausnahme  von  Baschs,  den  Rosenbach  eben  bekämpfen  will)  die 
dauernde  Anpassung  an  die  geforderte  Mehrleistung  durch  Anhäufung  ^ 
grösserer  Vorräte  von  Spannkraftmaterial  (Hypertrophie)  als  Kompensation  \ 
bezeichnet. 

Und  nun  zum  Begriff  der  Kompensationsstörung.  Jedes  Herz, 
das  normale  wie  das  klappenkranke,  kann  insufficient  werden.  Es  wird  in- 
sufiieient,  wenn  jeweils  die  Anforderungen  die  maximale  Leistungsfähig- 
keit überschreiten.  Dieser  Zustand  muss  um  so  leichter  eintreten,  je 
geringer  die  dem  Herzen  zu  Gebote  stehende  Accommodationsbreite  ist. 
Ein  Blick  auf  unser  Diagramm  lässt  erkennen,  dass  und  warum  das  kom- 
pensierte Klappenfehlerherz  leichter  und  früher  insufficient  wird,  wie  das 
klappengesunde  Herz.  Die  Reservekraft  des  klappenkranken  Herzens  ist  eben 
trotz  der  Hypertrophie  eine  so  geringe,  dass  —  bei  den  wechselnden  An- 
forderungen des  Lebens  —  schliesslich  immer  ein  Moment  kommt,  wo  sie 
versagt.  Jeder  längere  Zeit  maximal,  oder  nahezu  maximal  arbeitende  Herz- 
muskel erschöpft  sich.  Das  passiert  dem  Klappenfehlerherzen  yiel  leichter 
und  schneller,  als  dem  normalen,  weil  es  —  eben  wegen  seiner  stark  ver- 
ringerten Accommodationsbreite  —  viel  öfter  maximal  oder  nahezu  maxi- 
mal zu  arbeiten  gezwungen  ist.  Dann  sinkt  die  Herzkraft  bis  auf  das 
oder  gar  bis  unter  das  zur  blossen  Erhaltung  des  Kreislaufs  in  der  Ruhe 
ßöthige  Mass.  Graphisch  dargestellt  (s.  Diagramm  Nr.  IH),  ist  die  durch 
den  Kompensationsvorgang  gewonnene  Reservekraft  wieder  verloren  ge- 
gangen. Ist  dieser  Zustand  —  wie  so  häufig  —  ein  nur  vorübergehender 
(der  erschöpfte  Herzmuskel  erholt  sich  wieder),  so  nennt  man  ihn  Kom- 
pensations Störung.  Bleibt  er  dauernd,  bezügl.  endet  er  mit  dem  völ- 
ligen Versagen  der  Herzthätigkeit,  so  heisst  er  zweckmässigerweise  Kom- 
pensationsverlust. 

Auch  diese  Bezeichnungen  erweisen  sich  bei  näherem  Zusehen  als 
durchaus  zweckentsprechend  und  sachgemäss.  Wenn  ein  klappen-  und 
öiuakelgesundes  Herz  durch  akute  Überanstrengung  oder  infolge  einer 
schweren,  fieberhaften  Erkrankung  (Typhus,  Pneumonie)  versagt,  so  spricht 


48  Allgem.  pathol.  Morphologie  anH  Physiologie. 

kein  Mensch  von  Kompensationsstörung,  sondern  nur  von  Insufficienz 
schlechthin.  Wenn  dagegen  ein  Kranker  mit  einer  Aorteninsufficienz, 
die  ihn  bisher  in  keiner  Weise  beruflich  gehindert  hat,  hochgradige  Atem- 
not schon  in  der  Ruhe,  Ödeme,  Pulsarythmien  etc.  bekommt,  so  be- 
zeichnen wir  diese  ätiologisch  besondere  und  scharf  gekennzeichnete  Form 
der  Herzinsufficienz  als  Kompensationsstörung.  Wir  bringen  mit  dieser 
Bezeichnung  kurz  und  klar  die  Thatsache  zum  Ausdruck,  dass  es  sich 
eben  um  ein  Herz  im  Sinne  des  Diagramms  Nr.  n  handelt,  um  ein  Herz, 
das  trotz  seiner  Hypertrophie  (also  trotz  seiner  absolut  ge- 
nommenen übernormalen  Energiemenge)  leichter  versagt, 
wie  ein  normales  Herz,  weil  seine  Accommodationsbreite 
eine  wesentlich  verringerte  ist. 

Mit  dieser  Fassung  ist  —  wie  ich  glaube  zum  ersten  Mal  —  eine 
Schwierigkeit  aus  dem  Weg  geräumt,  die  immer  wieder  auftaucht  und  die 
vielleicht  v.  Basch  die  Veranlassung  zu  seiner  ganzen  Opposition  gegen 
die  Kompensationslehre  im  klinischen  Sinne  gegeben  hat.  Es  ist  das  die 
Thatsache,  dass  ein  hypertrophierter  Herzmuskel  leichter  ermüdet,  ver- 
sagt, insufficient  wird,  kurz  widerstandsunfähiger  ist,  wie  ein  normaler 
Herzmuskel.  Dieser  Satz  gilt  wohl  ganz  allgemein,  gleichgültig,  welche 
Ursache  die  Hypertrophie  hat,  gleichgültig  also,  ob  es  sich  um  ein  Klappen- 
fehlerherz, oder  um  das  grosse  Herz  der  Arteriosklerotiker,  Emphyse- 
matiker,  Brigthiker,  oder  endlich  um  die  sogenannte  idiopathische  Hen- 
hypertrophie  der  Biertrinker  oder  der  körperhch  übermässig  schwer  Arbei- 
tenden handelt.  Die  klinische  Erfahrung  stellt  ihnen  allen  eine  schlechte 
Prognose,  warnt  vor  körperlichen  Anstrengungen  jeglicher  Art  und  weiss 
wie  gefährdet  solche  Kranke  akuten  Infektionskrankheiten,  z.  B.  der  In- 
fluenza, gegenüber  sind.  Über  ihnen  allen  hängt  das  Damoklesschwert 
des  plötzlichen  Herztodes.  Das  Herz  solcher  Kranken  versagt  bei  Ge- 
legenheiten, die  ein  normales  Herz  spielend  überwindet.  Wie  ist  das  zu 
verstehen?  Das  nächstliegende  wäre  wohl  die  Auffassung  Bollingers, 
der  Rieder  (9,  S.  44)  sich  rückhaltlos  anschliesst,  „die  einseitige  Hyper- 
trophie des  Herzens  sei  ein  pathologisches  Produkt  und  führe  nach  einiger 
Zeit  (an  sich)  zur  Herzschwäche."  Diese  Auffassung  widerspricht  aber 
unseren  sonstigen  Anschauungen  durchaus. 

„Die  Hypertrophie  als  solche",  sagt  Krehl  (6,  S.  418),  „kann  un- 
möglich die  Ursache  (der  späteren  Insufficienz)  sein;  sie  führt  ja  an  dem 
Herzen  einfach  einen  neuen  Zustand  herbei,  in  welchem  mit  vergrösserter 
Triebkraft  mehr  Arbeit  geleistet  wird."  Mit  anderen  Worten:  die  Hyper- 
trophie ist  ein  physiologischer  Akt  der  Muskelerstarkung,  von  dem  gar 
nicht  einzusehen  ist,  warum  und  wieso  er  schon  den  Keim  der  Schwäche  in 


ADgemeioe  Pathologie  des  Kreislaufs.  49 

sich  trägt  0.  Und  doch  ist  es  thatsächlich  mit  der  Hypertrophie  des 
Biceps  eine  andere  Sache.  „Den  starken  Biceps  eines  Turners  hält  gewiss 
niemand  für  bedenklich;  welcher  erfahrene  Arzt  wagt  aber  ein  hyper- 
trophisches Herz,  mag  es  augenbhcklich  noch  so  leistungsfähig  sein,  für 
gesund  zu  erklären?"  (Krehl  6,  S.  417.)  Das  thue  keiner  und  in  der 
That  gehe  auch  der  grösste  Teil  derartiger  Kranker  an  Insufficienz  des 
Organs  zu  Grunde!    Wie  ist  dieser  Widerspruch  zu  erklären? 

Auch  E.  Bomb  er  g  (5,  b,  S.  163)  beschäftigt  sich  mit  diesem 
Problem:  „Vielfach  wird  die  Ansicht  vertreten,  dass  der  infolge  eines 
Klappenfehlers  hypertrophische  Herzmuskel  nach  und  nach  ermüde,  dass 
er  gesteigerte  Ansprüche  an  seine  Kraft  schlechter  als  der  normale  zu 
überwinden  vermöge.  Ein  zwingender  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser 
Annahme  ist  meines  Wissens  nicht  erbracht.  Wir  wissen  zwar  nicht  mit 
der  wünschenswerten  Sicherheit,  ob  der  hypertrophische  Herzmuskel  neben 
der  Kompensation  des  Klappenfehlers  noch  anderweitig  gesteigerte  Arbeit 
in  demselben  Masse  wie  der  normale  zu  leisten  vermag.  Es  fehlen  expe- 
rimentelle  Untersuchungen  darüber.  KUnische  und  anatomische  Beobach- 
tungen geben  allerdings  keinen  völlig  sicheren  Anhalt  zur  Beiu*teilung  der 
Frage,  sprechen  aber  eher  für  die  aimähemd  gleiche  Leistungsfähigkeit  des 
normalen  und  hypertropjiischen  Herzmuskels.  Das  können  wir  aber  mit 
Sicherheit  sagen,  dass  die  Hypertrophie  des  Herzmuskels  als 
solche  nicht  den  Keim  zur  Entstehung  von  Störungen  der 
Herzthätigkeit  in  sich  trägt.  Wenn  die  durch  den  Klappenfehler 
erwachsenden  Ansprüche  an  die  Herzkraft  sich  innerhalb  gewisser  Grenzen 
halten,  bleibt  der  Herzfehler  kompensiert,  so  lange  die  Thätigkeit  des 
hypertrophischen  Herzmuskels  nicht  anderweitig  gestört  wird.  Es  liegt 
vorderhand  keinGrund  vor,  hinsichtlich  der  Leistungsfähigkeit  zwischen 
dem  normalen  und  dem  hypertrophischen  Herzmuskel  einen  prinzipiellen 
Unterschied  zu  machen''.  Etwas  schärfer  gefasst  heisst  das:  Thatsäch- 
lich versagt  der  hypertrophische  Herzmuskel  (nach  Kompensation  eines 
Klappenfehlers)  öfter,  leichter,  schneller,  d.  h.  schon  geringeren  Mehran- 
forderungen gegenüber,  wie  der  normale  Muskel.  Woran  liegt  das?  Trägt, 
wie  es  scheinen  könnte,  die  Hypertrophie  den  Keim  der  Schwäche  in  sich? 
Das  ist  ein  innerer  Widerspruch.  Weisen  wir  ihn  aber  mit  Romberg 
ab,  lassen  wir  einen  prinzipiellen  Unterschied  zwischen  dem  normalen  und 
dem  hypertrophierten  Herzmuskel  nicht  zu,  so  bleibt  die  Frage  bestehen, 
warum  versagt  dieser  thatsächlich  leichter,  wie  jener?    Also  das  alte  Pro- 


^)  Ebenso  Hampeln  (17):  «Doch  zeichnet  diese  (die  Überanstrengungshypertrophie) 
^  Wert  physiologisch-anatomischer  Anspannung  des  Organs  an  erhöhte  Beanspruchung 
icioer  Leistung  aus,  womit  die  Vorstellung  einer  Erkrankung  im  eigentlichen 
Sinne  des  Wortes  nicht  verbunden  werden  sollte." 

LiVtr  teil.  Otter  tag,  Ergebnisse  Abteil.  U.  4 


50  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

blem.  Krehl  und  Romberg  sind  geneigt,  die  Lösung  des  Rätsels  in 
dem  von  ihnen  geführten  anatomischen  Nachweis  zu  erblicken,  dass  in 
den  meisten  derartigen  Herzen  Spuren  älterer  oder  jüngerer  entzündlicher 
oder  degenerativer  Vorgänge  zu  finden  sind,  die  das  Versagen  der  Herz- 
kraft in  genügender  Weise  erklären.  Wir  werden  diesen  Punkt  weiter  unten 
noch  ausführlicher  erörtern.  Hier  genügt  es,  mit  Ried  er  (9,  S.  35)  zu 
fragen:  „Aber  könnten  sich  denn  nicht  einzelne  solcher  Veränderungen, 
wie  sie  Krehl  an  den  von  ihm  untersuchten  pathologischen  Herzen  ge- 
funden, auch  an  scheinbar  gesunden  Herzen  finden?  DiesbezügUche  Kon- 
trolluntersuchungen sind  meines  Wissens  nicht  ausgeführt  worden T. 
Wenn  Ried  er  weiterhin  sagt:  „Der  durch  Bollinger  und  seine  Schüler 
durch  vielfache  Untersuchungen  des  Herzmuskels  gelieferte  Nachweis,  dass 
derselbe  (bei  der  sog.  idiopathischen  Herzhypertrophie)  mikroskopisch  in 
der  Regel  keine  gröbere  pathologische  Veränderung  zeigt,  ist  meines  Er- 
achtens  bis  jetzt  nicht  durch  anderweitige  Untersuchungsergebnisse  zu 
Fall  gebracht  worden",  so  lässt  sich  hinzufügen,  dass  auch  Krehl  und 
Romberg  derartige  Veränderungen  keineswegs  immer  gefunden  haben. 
Das  aber  genügt,  um  wieder  die  Frage  aufzuwerfen,  warum  wird  der 
hypertrophierte,  sonst  gesunde  Herzmuskel,  leichter  insufficient,  wie  der 
nicht  hypertrophierte?  , 

Ich  glaube,  dass  die  Antwort  in  den  oben  gegebenen  Erörterungen 
schon  enthalten  ist  und  durch  einen  Blick  auf  unsere  Diagramme  ohne 
weiteres  verständlich  wird.  Sie  lautet  kurz  imd  bündig:  Das  hypertrophi- 
sche Herz  des  Kranken  mit  kompensiertem  Klappenfehler  versagt  des- 
halb leichter,  weil  es  höheren  Ansprüchen  gegenüber  weniger  an  Reserve- 
kraft zuzusetzen  hat  und  es  besitzt  trotz  seiner  Hypertrophie  weniger  Re- 
servekraft, weil  die  durch  den  Klappenfehler  dauernd  für  die  blosse  Unter- 
haltung des  Kreislaufs  in  Anspruch  genommene  Energiemenge 
grösser  ist  als  der  Zuwachs  an  Kraft  durch  die  Hypertrophie. 
Man  wird  sagen:  das  ist  Hypothese  1  Ich  sage,  das  ist  die  einfachste  Be- 
schreibung der  thatsächlich  vorliegenden  Erfahrungen !  Und  gerade  darin  er- 
weist sich  unsere  Terminologie  als  so  durchaus  zutreffend,  dass  sie  diese 
etwas  kompHzierten  Verhältnisse  ohne  weiteres  verständlich  zu  machen 
gestattet.  Sachliche  Voraussetzung  ist  dabei  nicht,  dass  der  hypertrophi- 
sche Muskel  eben  wegen  seiner  Hypertrophie  minderwertig  werde  —  was 
unverständlich  ist  — ,  sondern  lediglich  die  Annahme,  dass  ein  Muskel 
um  so  schneller  versagt,  je  häufiger  und  länger  er  maximal 
oder  nahezu  maximal  angestrengt  wird  —  was  durchaus   der  Er 


1)  In  betreff  dieses  Punktes  vergleiche  weiter    unten  die  Besprechung  der  Disser- 
tation von  Sack  (16). 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  51 

fahning  entspricht.  —  Wir  gingen  bei  dieser  Darstellung  vom  Klappen- 
fehlerherzen aus.  Es  liess  sich  aber  nicht  vermeiden,  auch  die  ohne 
Klappenfehler  sekundär  oder  primär  vergrösserten  Herzen  gleich  mit  in 
die  Betrachtung  einzubeziehen.  Die  gegebene  Erklärung  ist  nun  ohne 
weiteres  verständüch  für  all'  die  Fälle,  bei  denen  das  Cirkulationshinder- 
nis,  das  zur  Hypertrophie  führte,  dauernd  bestehen  bleibt  (Klappen- 
fehler, Arteriosklerose,  Emphysem,  Brihgtismus  etc.).  Fraglich  dagegen 
könnte  sie  sein  bei  der  sog.  idiopathischen  Herzhypertrophie.  Auf 
diesen  Punkt  soll  hier  zimächst  nicht  weiter  eingegangen,  sondern  nur  be- 
merkt werden,  dass  es  „idiopathische"  Herzhypertrophieen  nach  Ansicht 
des  Ref.  nicht  giebt.  Auch  die  sogenannten  idiopathischen  Herzhjrpertrophien 
sind  sekundär  infolge  länger  dauernder,  über  die  Norm  erhöhter  Ar- 
beitsansprüche. Fallen  die  letzteren  wieder  fort,  so  kann  die  Herzver- 
grösserung,  wie  beispielsweise  der  von  Rieder  mittgeteilte  Fall  I  (9, 
S.  13)  beweist,  zurückgehen.  Und  damit  fällt  das  geäusserte  Bedenken 
g^en  unsere  Auffassung  fort.  Bleibt  dagegen  das  ursächliche  Moment 
(Potus,  Überanstrengung  etc.)  bestehen,  so  liegt  die  Sache,  wie  in  jenen  Fällen, 
wo  die  dauernde  Mehrbelastung  durch  ein  Cirkulationshindemis  augenfällig 
ist.  Schliesslich  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  bei  den  Vergrösserungen 
des  Herzens  durch  Überanstrengung  oder  Potus  gemeinhin  die  Über- 
dehnung (Dilatation)  von  vornherein  eine  grössere  Rolle  spielt  als  die 
Hypertrophie.  — 

Kehren  wir  zum  Ausgangspunkt,  dem  Klappenfehlerherzen  zurück. 
Hier  liegt  die  Sache  also  folgendermassen.    Durch  den  Klappenfehler  ist 
ein  Girkulationshindernis  gesetzt,  das  dem  Herzmuskel  dauernd  eine  sehr 
erhebliche  Mehrarbeit  aufbürdet.   Diese  Mehrarbeit  leistet  das  Herz  anfäng- 
lich (bei  Entstehung  des  Klappenfehlers)  durch  Heranziehung  der  Reserve- 
kraft.   Es  arbeitet  also  einige  Zeit  fast  maximal.    Das  erträgt  kein  Mus- 
kel längere  Zeit  ohne  zu  versagen.    Er  würde  also  schon  jetzt  insufficient 
werden,  wenn  nicht  eben  durch  die  gesteigerte  Arbeit — nach  allgemein  biologi- 
schem Gesetz  —  Hypertrophie  eintrete.    Diese  ist  nichts  anderes,  als  die 
Schaffung  eines  neuen  Vorrates  an  Reservekraft.    Nun  arbeitet  also  das 
Herz  in   der  Ruhe   trotz  des   weiterbestehenden   Cirkulationshindemisses 
wieder  untermaximal.    Es  ermüdet  nicht  und  ist  von  neuem  der  Anpas- 
sung an  plötzliche  Arbeitssteigerungen  fähig.    Die  Schaffung  dieses  neuen 
Zostandes  heisst  Kompensation.  Da  nun  aber  —  und  diese  Annahme  muss 
gemacht  werden,   um  das  weitere  zu  erklären  —   der  neue  Vorrat    an 
Reservekraft  weit  hinter  der  Kraftmenge  zurückbleibt,  die  das  Cirkulations- 
hindemis dauernd,  tägUch  und  stündUch,  Tag  und  Nacht  in  Anspruch 
iiinunt,  so  ist — trotz  der  Hypertrophie  —  die  Accommodationsbreite 
an  ausserwesentliche    Arbeit    dauernd   herabgesetzt     Häutiger 

4* 


I 


52  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  PhjBiologie. 

also,  da  das  Leben  seine  Anforderungen  stellt,  und  schon  geringeren  An- 
sprüchen gegenüber  muss  ein  solches  Herz,  trotz  der  absoluten  Zunahme 
seiner  Kraft,  maximal  arbeiten.  Hierin  und  hierin  allein  liegt  der  Keim 
seiner  schliesslichen  Erschöpfung.  Es  verhält  sich  wie  ein  gesundes  durch 
ganz  aussergewöhnliche  Leistungen  überangestrengtes  Herz  schon  den  ge- 
wöhnlichen Anforderungen  des  Lebens  gegenüber.  Das  ist  das  Prinzip 
der  Kompensationsstörung.  —  Die  Übertragung  auf  die  grossen  nicht 
klappenkranken  Herzen  ergiebt  sich  von  selbst.  — 

Man  wird   nicht  leugnen  wollen,  dass   so  gefasst  die  uns,  beschäf- 
tigenden Begriffe  einen  scharf  umrissenen,   die  Sache   deckenden   Inhalt 
haben.    Nur  muss  noch  hervorgehoben  werden,  dass    es  sich  dabei  zu- 
nächst um  schematische  Vorstellungen   einfachster  Art  handelt,  lediglich 
um  eine  Unnisszeichnung,  in  die  die  feineren  Details  erst  noch  einzuzeichnen 
sind.   Aber  um  das  zu  können,  muss  erst  die  grobe  Umrisszeichnung  fest 
stehen.    Es  muss  selbstverständUch  schiefe  und  inkongruente  Bilder  geben, 
wenn  zwei  verschiedene  Autoren  dieselben  Details  auf  verschiedene  Grund- 
pläne  eintragen.     Darum  wirkt   es    im    einzelnen  so  verwirrend,    wenn 
von  Basch  plötzUch  und,  wie  unsere  Erörterung  hoffentUch  ergeben  haben 
wird,  ganz  ohne  zwingenden  Grund  den  allgemein  acceptierten  Grundplan 
willkürlich  ändert.  Das  wäre  eben  nur  dann  gestattet,  wenn,  um  im  Bilde 
zu  bleiben,  das  Fundament  sich  als  morsch  erwiesen  hätte.    Aber  davon  ist  ja 
keine  Rede.    Gerade  sprachlich  decken  sich  die  Begriffe  im  althergebrachten 
Sinne  mit  den  Thatsachen  aufs  beste.     Hält  man  nun  an  diesem  Grund- 
plan  fest,    so  ist  es  nicht  schwer,   auch  über  die  feineren  Vorgänge,    die 
Beobachtimg    oder   Experiment   erschUessen,    sich    zu  verständigen.      So 
ist  beispielsweise  bei  dem  Vorgang,  den  wir  Kompensation  im  klinischen 
Sinne  nennen,  der  scharfen  Begriffsbestimmung  wegen  zunächst  und  aus- 
schliessUch  an  den  Kraftzuwachs  durch  Hypertrophie  der  Muskulatur  ge- 
dacht.   Sicher  spielt  dieser  auch  die  Hauptrolle.  Damit  soll  denn  aber  nicht 
die  Möglichkeit  geleugnet  sein,  dass,  um  die  schädhchen  Folgen  des  lOappen- 
fehlers  auszugleichen,  nicht  auch  noch  andere  Dinge  mitspielen  können, 
so   beispielsweise  die  Inanspruchnahme   von  Regulationsvorrichtungen   in 
dem  oben  definierten  Sinne.    So  können  sich  etwa  die  G^fässe  durch  ver- 
änderte Spannung  den  neuen  Arbeitsverhältnissen  bis  zu  einem  gewissen  Gra.de 
anpassen  und  dadurch  dem  Herzen  seine  Mehrarbeit  erleichtem  u.  dgl.  m. 
Aber  solche  Regulationsvorgänge  müssen  im  einzelnen  erst  nachgewiesen 
werden,  ehe  sie  gewissermassen  als  Korrelate  zu  dem  bereits  feststehenden 
durch  Muskelhypertrophie  bedingten  Kompensationsvorgang  sensu  strictiori 
anerkannt  werden  dürfen. 

Ein  weiterer  in  neuester  Zeit  viel  diskutierter  und  oben  bereits  be- 
rührter Punkt  schliesst  sich  hier  ungezwungen  an.    Die  bisherige  Darstel- 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  53 

Iimg  ging  von  der  stillschweigenden  Voraussetzung  aus,  dass  die  Muskulatur 
des  klappenkranken  Herzens  gesund  sei  und  bleibe.    Die  schliessliehe  In- 
sufGcienz  ist  dann  eine  rein  funktionelle,  d.  h.  es  liegt  ihr  keine  anatomisch 
erkennbare  Gewebsveränderung  zu  Grunde.    Dass  es   eine  derartige  rein 
funktionelle  Erschöpfung  eines  an  sich  völlig  gesunden  Herzmuskels  geben 
könne,  wird,  wie  schon  hervorgehoben  wurde,  von  keiner  Seite  bestritten. 
Aber  es  ist  einleuchtend,  dass  imter  denselben  Arbeitsbedingungen  diese 
funktionelle  Erschöpfung  um  so  leichter  eintreten  wird,  wenn  es  sich  um 
einen  schon  irgendwie  anatomisch  geschädigten  Herzmuskel  handelt.  Der- 
artige Schädigungen  sind  nun  durchaus  nicht  so  selten.   Der  pathologische 
Anatom  ist  gewohnt,  in  dem  Herzen  vieler  älterer  und  zwar  nicht  an  Herz- 
insuffidenz  verstorbener,  Personen  mehr,  weniger  alte  Bindegewebsschwielen 
u.  dgl.  zu  finden.     Dieselben  sind  entweder  Reste  akuter  Entzündungen 
oder  —  bei  älteren  Leuten  —  die  Folge  ischämischer  Erweichimgen  infolge 
sklerotischen  Arterienverschlusses.     Jede  überstandene  Infektionskrankheit 
kann  solche  Herzschwielen  zurücklassen.  Die  Myokarditis  ist  geheilt,  aber  mit 
Defekt  Dadinrch  ist  ein  solcher  Herzmuskel  dauernd  leistungsunfähiger  ge- 
worden.  Einer  plötzhchen  Anstrengung  gegenüber,  der  er  zuvor  gewachsen 
gewesen  wäre,  versagt  er,  weil  seine  Reservekraft  dauernd  vermindert  ist 
Dieselbe  Betrachtung  greift  Platz,  wenn  es  sich  um  parenchymatöse  Ver- 
^derungen  leichteren  Grades  (Verfettungen,  Kemveränderungen,  vakuoläre 
Degeneration  etc.)  handelt.    Alle  diese  Dinge  drücken  den  Schwellenwert 
der  Leistungsfähigkeit  herab,  sind  aber  an  sich  nicht  alleinige  und  zu- 
reichende Ursache  der  schliesslichen  Insufficienz.  Ea  ist  nötig,  das  zu  betonen, 
weil  von  der  Leipziger  EUinik  ausdiese  anatomischenHerzmuskelerkrankungen 
in  jüngster  Zeit  etwas  zu  einseitig  betont  worden  sind.  Krehl  und  Rom- 
berg (4)  haben  das  unstreitige  Verdienst,  durch  sehr  sorgfältige  anatomische 
Untersuchungen  (Zerlegung  ganzer  Herzen  in  Serienschnitte)  den  Nachweis 
erbracht  zu  haben,  dass  derartige  Veränderungen  beispielsweise  bei  Klappen- 
fehlerherzen selten  ganz  fehlen.   Das  ist  sicher  sehr  wichtig.  Nur  kommen 
die  genannten  Autoren  auf  Grund  dieser  Befunde  dazu,  einen  sich  gewisser- 
massen  gegenseitig  ausschliessenden  Gegensatz  zwischen  funktioneller  In- 
snffidenz  und  Myokarderkrankung  zu  konstruieren.     Da,  wo  überhaupt 
Gewebsveränderungen  im  Myokard  nachweisbar  sind,  verliert  in  ihren  Augen 
der  Begriff  der  funktionellen  Störung  seine  Berechtigung.    „Überblicken  wir 
von  diesen  Gesichtspunkten  aus  die  anatomischen  Befimde  in  den  Fällen  von 
Krehl  und  mir  {Romberg  6,  1,  S.  174),  welche  an  den  Folgen  der  gestörten 
Herzthäügkeit,  wirklichen  Kompensationsstörungen  zu  Grunde  gegangen  sind, 
münden  wir  bei  der  Mehrzahl  anatomische  Veränderungen  von 
einer  Ausdehnungoder  einer  Beschaffenheit,  dass  das  Versagen 
des  Herzmuskels  hinreichend  erklärt  erscheint."    „Wir  würden  aber 


54  All  gem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

ZU  weit  gehen,  wenn  wir  in  jedem  Falle  Abweichungen  von  der  normalen  Herz- 
thätigkeit  auf  eine  Erkrankung  des  Myokards  beziehen  wollten.  Zweifellos 
spielen  auch  funktionelle  Störungen  eine  Rolle.  Krehl  und  ich  haben 
schon  früher  auseinandergesetzt,  wann  wir  dieselben  annehmen  dürfen." 
In  der  bezeichneten  Stelle  (4,  S.  157)  heisst  es,  nachdem  vorübergehende 
Zustände  von  Ermüdung  und  die  akute  Überdehnung  als  funktionell  an- 
erkannt sind:  „In  allen  anderen  Fällen  sollte  man  funktionelle  Störungen 
zur  Erklärung  einer  pathologischen  Verminderung  der  Herzkraft  nur  dann 
heranziehen,  wenn  man  sich  durch  eingehende  anatomische  Untersuchung 
überzeugt  hat,  dass  nicht  Erkrankungen  des  Myokards  verantwortlich  zu 
machen  sind^\  Ich  muss  gestehen,  dass  mir  diese  sich  ausschliessende 
Gegensätzlichkeit  —  Ursache  der  Insufficienz  in  dem  einen  Falle  nur 
funktionelles  Erlahmen,  in  dem  anderen  nur  Myokarderkrankxmg  nicht 
verständlich  ist. 

Nehmen  wir  ein  bestimmtes  Beispiel.   An  einem  Klappenfehlerherzen, 
dessen  Eigentümer  unter   den  Erscheinungen   der  Kompensationsstörung 
zu  Grunde  ging,  finden  sich  Herzschwielen  als  Reste  einer  Myocarditis, 
die  gleichzeitig  mit  der   den  Klappenfehler  verursachenden  Endocarditis 
sich  entwickelte  und  abheilte.    Wenn  man  diese  Schwielen  allein  für  die 
den  Tod  herbeiführende  Kompensationsstörung  verantwortlich  machen  will, 
so  fragt  es  sich  doch,  warum  sie  ihre   üblen  Eigenschaften  nicht  gleich 
nach  ihrer  Entstehung  entfaltet  haben,  warum  erst  nach  6  oder  10  Jahren? 
Und  andererseits:  Wenn  es  fest  steht,  dass  ein  ganz  gesunder,  d.  h.  in 
diesem  Falle  schwielenloser  Herzmuskel  rein  funktionell  sich  erschöpfen 
kann,  soll  dann  ein  schwieUger  Muskel  gewissermassen  gegen  die  Erschöpfung 
immun  werden?    Dann  brächte  ihm  ja  der  Defekt  Nutzen I     Nein  beide, 
das  schwieUge  und  das  schwielenlose  Herz  verhalten  sich  in  ihrem  mus- 
kulösen Teil  dem  Klappenfehler   gegenüber  völlig  gleich.    Beide   ziehen 
zunächst  ihre  Reservekraft  heran,   beide   hypertrophieren   dann   bis   zur 
völligen  Kompensation.    Der  Unterschied  ist  nur  der,  dass  der  völlig  ge- 
sunde Muskel  gleichen  Anforderungen  gegenüber  länger  aushält,   als    der 
schwielige.    Der  letztere  hat  eben  wegen  des  bleibenden  Defektes  lediglich 
eine  Chance  weniger.  Wenn  der  Besitzer  des  schwielenlosen  Klappenfehler- 
herzens sich  den  Strapazen  eines  Feldzugs  unterzieht,  während  der  des 
schwieligen  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  des  Klappenfehlers  zu  Hause 
bleibt  und  sich  schont,  so  wird  der  erstere  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
zu  einer  Zeit  zu  Grunde  gehen,  wo  der  andere  noch  schönster  Kompen- 
sation sich  erfreut.    Das  klingt  beinahe  schon  trivial.    Und  doch  musste 
es  gesagt  werden.    Es  ist  nicht  richtig,   dass   der  Befund   abgelaufener, 
pathologischer  Veränderungen  das  schliessliche  Versagen  eines  Klappen- 
fehlerherzens „erklärt",  und  dass  nur  ohne  solche  das  Rätsel  der  funktio- 


Allgemeine  Pathologie  des  Ereislanfs.  55 

neuen  Erschöpfung  besteht.  Auch  bei  dem  ersteren  bleibt  die  Frage, 
warum  der  noch  vorhandene,  bis  zur  Katastrophe  normal  funktionierende, 
Anteil  des  Herzmuskels  schliesslich  erlahmt,  genau  ebenso  bestehen,  wie 
bei  dem  Muskel  ohne  Befund.  Nur  das  verstehen  wir  ohne  weiteres,  dass 
der  durch  abgelaufene  Prozesse  in  seinem  Bestände  geschädigte  Muskel 
gleichen  Anforderungen  gegenüber  schlechter  dran  ist,  wie  der  nicht  ge- 
schädigte. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  kritischen  Bemerkungen  den  hohen 
wissenschaftlichen  Wert  der  mühevollen,  anatomischen  Untersuchungen 
von  Kr  eh  1  und  Romberg  in  keiner  Weise  herabsetzen  oder  auch  nur 
antasten  sollen.  Der  streng  exakte  pathologisch-anatomische  Nachweis,  dass 
und  wie  häufig  die  Muskeln  von  Klappenfehlerherzen  bereits  geschädigt 
in  die  Kompensation  eintreten,  ist  sicher  von  grossem  Interesse.  Die  vor- 
gebrachten Bedenken  beziehen  sich  nur  auf  die  Verwertung  derselben  nach 
der  Richtimg  hin,  als  ob  die  Frage,  warum  ein  hypertrophierter  Klappen- 
fehleraiuskel  (s.  v.  v.)  schliesslich  versagt,  durch  den  Nachweis  alter  längst 
abgelaufener  Entzündungsprozesse  ziu-eichend  erklärt  sei.  Dass  die  Sache 
bei  akuten  My  okarditiden  anders  liegt,  braucht  nicht  erst  gesagt  zu  wer- 
den. Hier  kann  der  Entzündungsprozess  selbst  direkt  die  völlige  Insuf- 
ficienz  herbeiführen  (Herztod  eines  Typhösen  etc.).  Thut  er  das  aber  nicht, 
dann  kommt  es  schliesslich  zur  Heilung  und  zwar  mit  mehr  weniger 
grosser  Defektbildung.  Nun  haben  wir  die  Verhältnisse  wieder  vor  uns, 
die  wir  bisher  besprochen  haben.  Die  gesund  gebliebene  oder  (soweit  etwa 
parenchymetöse  Prozesse  mit  ins  Spiel  konamen,  von  denen  wir  jedoch 
noch  nicht  viel  wissen)  die  wieder  gesund  gewordene  Muskulatur  verhält 
sich  fernerhin,  wie  die  des  überhaupt  gesunden  Herzens.  Sie  passt  sich 
erhöhten  Arbeitsleistungen  an;  sie  hypertrophiert,  wenn  nötig;  sie  erlahmt 
(erschöpft  sich),  wenn  die  Anforderungen  zu  gross  werden.  Nur  die 
Schwelle  der  maximalen  Leistungsfähigkeit  des  Herzens  im  ganzen  ist 
tiefer  gerückt. 

Diese  Betrachtimgen  finden  eine  wichtige  Unterstützung  durch  zwei 
schöne  Arbeiten,  die  aus  Dehios  Klinik  in  Dorpat  stammen.  Beide  sind 
direkt  durch  die  eben  besprochenen  Arbeiten  der  Leipziger  Schule  angeregt 
worden.  Die  erste  rührt  von  Radasewsky  (18)  her.  Dieser  Autor  hat 
sechs  kranke  menschliche  Herzen  nach  der  Methode  von  Krehl  genau 
anatomisch  untersucht  und  zwar  nicht  nur  —  wie  bisher  meist  geschah  — 
die  Ventrikel,  sondern  mit  besonderer  Sorgfalt  die  Vorhöfe.  Er  fand 
üebeu  und  ausser  der  bekannten  in  Form  von  Schwielen  und  disseminierten 
Herden  auftretenden  Muskelerkrankung  noch  eine  andere,  bisher  wenig 
beachtete,  bezw.  ganz  imbekannte  Art  der  Erkrankung,  die  er  als 
diffuse  fibröse  Degeneration  des  Myokardium  bezeichnet.     Es 


56  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

handelt  sich  dabei  um  eine  allgemeine  Vermehrung  des  normal  präformier- 
ten Bindegewebes  der  Herzwandungen.  In  ausgesprochenen  Fällen  sind 
die  Muskelbündel,  die  im  normalen  Herzen  dicht  bei  einander  liegen,  durch 
neugebildetes  Bindegewebe,  so  auseinander  gedrängt,  dass  der  Quermesser 
der  Bindegewebezüge  in  Schnittpräparaten  den  Radius  der  in  das  Binde- 
gewebe eingebetteten  Muskelbalken  oft  um  das  Vielfache  übertrifft.  Diese 
diffuse  fibröse  Degeneration  des  Herzfleisches  ist  —  imd  darauf  legt  Rad a- 
sewsky  besonders  Gewicht  —  in  der  Wand  der  Vorhöfe  häufig 
viel  stärker  ausgeprägt  als  in  den  Ventrikelwandungen. 

In  der  klinischen  Verwertung  dieses  Befundes  ist  Radasewsky  bei 
der  Kleinheit  seines  Materials  noch  sehr  vorsichtig.  Lediglich  den  Schluss 
glaubt  er  ziehen  zu  dürfen,  dass  die  bei  chronischer  Myokarditis  so  häufig 
zu  beobachtende  hochgradige  Irregularität  der  Herzthätigkeit  nicht,  wie 
bisher  meist  geschah,  aus  den  Veränderungen  der  Ventrikel  (Schwielen- 
bildung) zu  erklären  sei,  sondern  ihre  Ursache  in  der  diffusen,  fibri^en 
Degeneration  der  Vorhöfe  habe. 

Auf  diesem  von  Radasewsky  angebahnten  Wege  schreitet  Sack  (16) 
in  der  zweiten  Arbeit  rüstig  fort. 

Dieser  Autor  hat  nach  der  Kr  eh  Ischen  Methode  nicht  nur  Her- 
zen von  herzkranken  Individuen,  sondern  auch  Herzen  von  Indi- 
viduen verschiedenen  Alters,  die  keine  klinischen  Symptome 
einer  Herzerkrankung  erkennen  Hessen,  untersucht.  Unter  den 
letzteren  findet  sich  folgender  Fall  (VI,  S.  51).  52jähriger  Mann  mit  Neph- 
ritis parenchymatosa  chronica,  Arteriosklerose.  Klinisch  von  Seiten  des 
Herzens  nichts  Abnormes.  Puls  bleibt  (während  einer  sechs  Wochen  langen 
Beobachtung  im  Krankenhause)  stets  regelmässig  und  rhythmisch.  Tod 
unter  hochgradiger,  allgemeiner  Schwäche.  Es  findet  sich  ausser  der  ehren, 
parenchymatösen  Nephritis  schwielige  Myokarditis  des  linken  Ventrikels: 
„Die  Wandung  des  linken  Ventrikels  1,5  cm  dick,  von  zäher  Konsistenz,  von 
reichlicher  Bindegewebsmasse  durchsetzt  (makroskopisch!),  seine 
Höhle  massig  diktiert".  Vom  genaueren  Befund  (der  nachgelesen  werden 
möge,  S.  55.)  nur  soviel:  Myokard  an  der  Basis  der  Ventrikel  recht  gut 
erhalten,  nur  ist  auch  hier  schon  eine  mittelstarke,  interfascikuläre  Binde- 
gewebsvermehrung  zu  finden.  —  Der  mittlere  Abschnitt  des  linken  Ven- 
trikels bis  auf  3  schon  makroskopisch  sichtbare  Schwielen,  fast  normal.  — 
Unterer  Abschnitt  der  Ventrikel  wird  von  makroskopischen  Schwielen 
durchsetzt.  „Diese  sind  cirkumskript,  bestehen  aus  derbem  Bindegewebe 
und  sind  an  vielen  der  angefertigten  Präparate  so  zahlreich,  dass  man  von 
normaler  Muskulatur  nur  wenig  zu  sehen  bekommt." 

In  der  Epikrise  sagt  der  Verfasser  wörtlich:  „Offenbar  haben  wir  es 
liier  mit  einem  schon  lange  abgelaufenen,   myomalacischen  Prozesse  zu 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  57 

thiiD,  dessen  wirkliche  Folgen  das  Herz  durch  kompensatorische  Hyper< 
trophie  der  noch  erhaltenen  Muskelmasse  Oberwunden  hatte.  Klinisch 
war  jedenfalls  eine  schwerere  Herzaffektion  nicht  zu  erkennen  gewesen;  der 
Puls  war  stets  rhythmisch  und  regelmässig".  Entsprechend  dem  bis  zu- 
letzt funktionstüchtigen  Zustande  der  hypertophierten  Muskulatur  sei  Patient 
auch  nicht  einem  Herzleiden,  sondern  der  Nierenaffektion  erlegen.  Es  braucht 
nicht  erst  angeführt  zu  werden,  dass  dieser  Fall  eine  gradezu  klassische 
Illustration  der  oben  ausgeführten  Anschauungen  darstellt.  — 

Für  den  Verf.  (Sack)  ist  dieser  Befund  jedoch  ein  mehr  nebensäch- 
licher. Das  Schwergewicht  seiner  Arbeit  liegt  in  dem  genaueren  Stadium 
der  von  Radasewsky  zuerst  beschriebenen  diffusen,  fibrösen  De- 
generation des  Herzfleisches. 

Es  handelt  sich  nach  der  Schilderung  Sacks  um  eine  Wucherung 
des  intramuskulären,  normal  präformierten  Bindegewebes,  mag  dieses  zwischen 
denMuskelbündeln  (interfascikulär),  oder  zwischen  den  einzelnen  Muskel- 
fasern (interstitiell)  liegen.  Dieser  hyperplastische  Prozess  ist  stets  diffus, 
und  von  der  eirkumskripten,  herdweise  auftretenden,  Herzschwielen  bilden- 
den Myokarditis  anatomisch  und  ätiologisch  wohl  zu  unterscheiden.  Ebenso 
sicher  sei  es,  dass  dieser  Bindegewebswucherung  nicht  etwa  myomalacische 
Prozesse  vorausgingen.  Das  Primäre  sei  vielmehr  die  Wucherung  des  Binde- 
gewebes selbst,  welche  sekundär  die  Muskulatur  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  zum  Schwund  bringen  könne.  Diese  diffuse  fibröse  Degeneration 
des  Herzfleisches  ist  eine  sehr  häufige  Erkrankung,  die  bei  den  verschieden- 
artigsten Herzaffektiemen  vorkommen  kann.  Am  häufigsten  und  inten- 
sivsten befällt  sie  die  Vorhofswandungen,  also  diejenigen  Herzab- 
schnitte, die  lange  Zeit  am  stärksten  einer  Überbürdung  ausgesetzt  und 
dadurch  diktiert  gewesen  sind. 

Das  führt  den  Verf.  zu  dem  interessanten  Schluss,  dass  es  sich  um 
einen  kompensatorischen  Vorgang  handele,  durch  welchen  die  be- 
sonders überlasteten  und  der  Gefahr  der  Überdehnung  ausgesetzten  Herz- 
abschnitte (besonders  die  Vorhöfe)  widerstandsfähiger  gegen  den  erhöhten 
ßinnendruck  werden.  (Analogie:  kompensatorische  Verstärkung  der  Ge- 
fässwand  bei  Arteriosklerose  infolge  dauernd  erhöhten  Blutdrucks). 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  diese  Auffassung  (deren  ausführ- 
liche Begründung  in  der  Originalarbeit  nachgelesen  werden  möge)  sehr 
viel  Bestechendes  hat.  Jedenfalls  erscheint  die  Dorpater  Arbeit  als  sehr 
geeignet,  in  wirksamster  Weise  der  oben  zur  Genüge  charakterisierten  Ein- 
seitigkeit der  Leipziger  Schule  in  der  Verwertung  anatomischer  Befunde 
Zur  „Erklärung"  des  Herzinsufficienz  entgegen  zutreten. 

Die  grosse  Bedeutung  des  Herzmuskels,  der  in  der  That  gegenüber 
dem  Klappenapparat  des  Herzens  in  der  klinischen  Betrachtung  lange 


58  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Zeit  zu  sehr  zurückgetreten  ist,  wird  von  His  jun.,  Krehl  und  Rom- 
berg (4)  auch  noch  nach  einer  andern  Richtung  hin  prinzipiell  hervor 
gehoben.  Nachdem  schon  von  physiologischer  Seite,  namentlich  durch 
Gaskell,  Engelmann  und  andere  der  Sitz  der  Herzautomatie  von  den 
Herzganglien  fort  und  in  die  Muskulatur  selbst  verlegt  wurde,  haben  die 
genannten  Autoren  dieser  Lehre  auf  Grund  eigener  Untersuchimgen  auch 
in  die  klinische  Medizin  Eingang  zu  verschaffen  versucht.  Es  ist  hier 
nicht  der  Ort,  diese  schwerwiegende  für  die  Auffassung  jeder  Art  von 
Herzarythmie  grundlegende  Frage  ausführlich  zu  diskutieren.  Die  Ent- 
scheidung für  oder  wider  kann  wohl  weder  durch  entwickelungsgeschicht- 
liche  Analogieeu,  noch  durch  klinische  Beobachtungen  allein  erbracht 
werden.  Sie  erwächst  auf  dem  Boden  des  physiologischen  bezw.  physio- 
pathologischen  Experiments. 

Ohne  selbst  Stellung  zu  nehmen  begnüge  ich  mich  damit,  die  neusten 
Äusserungen  hervorragender  Autore  über  diese  den  Kliniker  ebenso,  wie 
den  Physiologen  interessierende  Frage  wiederzugeben.  Zunächst  äussert 
sich  kein  Geringerer,  wie  Altmeister  von  Kölliker  (14)  in  einem  wichtigen, 
auf  der  Naturforscherversammlung  in  Wien  gehaltenen  Vortrage,  der  neuen 
Lehre  gegenüber  durchaus  ablehnend.    Er  sagt: 

„Alles  zusammengenonunen,  stelle  ich  den  Satz  auf,  dass  alle  auto- 
matisch und  rhythmisch  sich  bewegenden  Apparate,  die  Atemmuskeln,  das 
Blutherz  und  die  Lymphherzen,  beim  erwachsenen  Geschöpfe  in  erster 
Linie  imter  dem  Einflüsse  des  Nervensystems  stehen  und  im  Leben  wesent- 
lich von  demselben  abhängen,  mit  welchem  Satze  selbstverständlich  keine 
Andeutung  über  die  letzten  Ursachen  der  Leistungen  der  betreffenden  ner- 
vösen Apparate  gegeben  ist.  Den  Herzganglien  schreibe  ich  die 
Fähigkeit  zu,  sowohl  die  Vorkammern,  als  auch  die  Kam 
mern  zu  automatischer  und  rhythmischer  Thätigkeit  zu  ver- 
anlassen. Inwieweit  bei  der  Herzthätigkeit  selbständige,  nicht  von  den 
Nerven  angeregte  Leistungen  der  Muskelfasern  eine  Rolle  mitspielen,  ist 
eine  Frage,  die  nach  den  Ergebnissen  der  neuesten  Untersuchungen  auf- 
geworfen werden  kann,  aber  vorläufig  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  beant- 
worten ist." 

His  (11)  erwiedert  in  einem  Aufsatz:  „Herzmuskeln  und  Herzganglien*', 
in  dem  er  auf  seine  früheren  Beobachtungen  zurückgreift  vmd  seinen  be- 
kannten Standpunkt  von  neuem  präzisiert. 

Eine  in  gewissem  Sinne  vermittelnde  Ansicht  vertritt  Langendorff(19), 
der  sich  neuerdings  folgendermassen  äussert:  An  der  Hand  einer  geschicht- 
lichen Betrachtung  der  bisherigen  Untersuchungsergebnisse  lässt  sich  dar- 
thun,  dass  kein  Grund  vorliegt,  die  Ansicht  von  der  neurogenen  Natur 
der  Herzbewegimg  aufzugeben,  dass  vielmehr  die  gegen  dieAutomatie 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  59 

der  Herzganglien  angeführten  Gründe  (Pulsieren  der  ganglienfreien 
Herzspitze  unter  gewissen  künstlichen  Bedingungen,  Thätigkeit  des  gangUen- 
zellenlosen  Herzens  im  Embryo  und  bei  wirbellosen  Tieren,  angebliche 
Abkunft  der  Nervenzellen  des  Herzens  von  sensiblen  Embryonalelementen) 
nicht  stichhaltig  sind.  Erscheint  nun  aber  auch  die  Annahme  berechtigt, 
dass  die  Nervenzellen  des  Herzens  den  Angriffspunkt  für  die  autochthonen 
Herzreize  bilden,  so  liegt  andererseits  die  Ursache  der  Rhythmik  viel- 
leicht im  Herzmuskel  selbst." 

An  dieser  Stelle  mag  es  dem  Referenten  gestattet  sein,  einer  künischen 
Studie  von  ihm  (Martins)  über  „Tachykardie*' (7a)  Erwähnung  zu  thun,  die 
Yor  kurzem  die  Presse  verlassen  hat.  Es  ist  in  dieser  Arbeit  der  Nachweis  ver- 
sucht, dass  die  lange  Zeit  übliche,  mechanische  Uebertragung  des  physio- 
logischen Innervationsschemas  des  Herzens  auf  die  pathologischen  Vorgänge 
und  zwar  speziell  auf  die  verschiedenen  Arten  von  Tachykardien  eine  vor- 
eilige gewesen  ist  und  keineswegs  die  letzteren  sämtlich  in  genügender 
Weise  „erklärt".  Die  veränderte  Auffassung  trifft  besonders  die  sogenannte 
paroxysmale,  essentielle  Tachykardie.  Martins  sieht  bei  dieser  Krank- 
heit die  Tachykardie  nicht  als  das  WesentUcho  (EssentieUe)  des  Vorganges, 
soudem  nur  als  ein  sekundäres  Symptom  an.  Das  Primäre  sieht  er 
in  einer  anfallsweise  auftretenden,  akuten  Herzerweiterung. 

Da  sich  andere  Autoren  über  die  Richtigkeit  dieser  neuen  Auffassung 
noch  nicht  geäussert  haben,  müssen  wir  uns  darauf  beschränken,  hier 
lediglich  die  Schlusssätze  zum  Abdruck  zu  bringen. 

1.  Es  giebt  keine  Krankheit  „Tachykardie".  Auffällige  Erhöhung 
der  Pulsfrequenz  über  die  Norm  ist  immer  und  unter  allen  Umständen 
lediglich  Symptom,  d.  h.  Begleiterscheinung  bezügUch  Folge  eines  anderen 
primären  krankhaften  Vorganges  oder  Zustandes. 

2.  Am  längsten  bekannt  ist  die  Tachykardie  im  Fieber,  also  die  Puls- 
beschleunigung, die  die  Folge  ist  einer  Temperaturerhöhung  des  Blutes, 
und  die  Tachykardie  bei  organischen  Erkrankungen  des  Herzens  (Klappen- 
fehler, Überdehnungen  etc.). 

3.  Gut  charakterisiert  und  von  allen  anderen  „Tachykardieen"  streng 
zu  sondern  ist  die  Erhöhung  der  Pulszahl  nach  Aufhebung  des  Vagus- 
einflusses auf  das  Herz  durch  materielle  Läsion  (Leitungsunterbrechung 
eines  oder  beider  Vagi,  Zerstörung  des  Vaguskerns  in  der  Med.  oblongata). 
Die  Tachykardie  als  echtes  Vagussymptom  zeigt  klinisch  gute  Überein- 
stimmung mit  den  durch  das  physiologische  Experiment  bekannten  Folgen 
der  Vagusdurchschneidung.  Die  Pulssteigerung  hält  sich  in  mittleren 
Grenzen  (bis  etwa  zu  150  Schlägen  in  der  Minute),  ist  dauernd.  Eine  Di- 
latation des  Herzens  tritt  als  blosse  Folge  der  Aufhebung  des  Vagusein- 
flusses auf  dasselbe  nicht  hervor. 


60  Allgem.  patbol.  Morphologie  and  Physiologie. 

4.  Beweise  für  die  Entstehung  eines  tachykardischen  Anfalls  infolge 
eines  rein  funktionellen  primären  (nicht  reflektorisch  bedingten)  Aus- 
falles der  hemmenden  Vaguswirkung  auf  das  Herz  sind  bislang  in  keiner 
Weise  erbracht. 

5.  Dagegen  steht  es  fest,  dass  auf  reflektorischem  Wege  Änderungen 
des  Herzrhythmus  (besonders  Beschleunigungen  und  Unregelmässigkeiten) 
nicht  selten  beobachtet  werden.  Die  auf  diesem  Wege,  am  häufigsten  bei 
dazu  disponierten  Personen  (Neurasthenikem)  auftretenden  tachykardischen 
Anfälle  zeigen  im  wesentUchen  dieselben  klinischen  Charaktere,  wie  die 
Pulsbeschleunigungen  nach  Vagusläsionen.  Die  Pulsfrequenz  hält  sich  in 
mittleren  Grenzen  vmd  zur  Ausbildung  von  Dilatationen  kommt  es  (wenn 
nicht  andere  Ursachen  eingreifen)  nicht. 

6.  Die  höchsten  Grade  von  Pulsbeschleunigung  wurden  beobachtet 
als  konstantes  und  sekundäres  Symptom  der  anfallsweise  auftretenden 
akuten  Herzerweiterung.  Die  bisher  für  diese  Anfälle  übliche  Bezeichnung: 
paroxysmale  essentielle  Tachykardie  ist  unzutreffend,  weil  sie  das  Symptom 
zur  Krankheit  macht.  Die  Pathogenese  des  Anfalls  selbst  ist  noch  ebenso 
dunkel,  wie  die  Entstehung  der  denselben  begleitenden  excessiven  Tachy- 
kardie. 

7.  Ausser  bei  den  genannten  krankhaften  Zuständen  und  Vorgängen 
ist  vorübergehende  oder  dauernde  Tachykardie  eine  häufige  Begleiterschei- 
nung neurasthenischer  und  hysterischer  Zustände,  der  Basedowschen 
Krankheit,  gewisser  Vergiftungen,  allgemeiner  Schwächezustände  etc. 

Die  Arbeit  bringt  auch  ein  möglichst  vollständiges  Verzeichnis  der 
Tachykardie-Litteratur.  —  Von  weiteren  Arbeiten,  die  sich  mit  pathologi- 
schen Störungen  der  Schlagfolge  des  Herzens  beschäftigen,  schUessen  sich 
hier  die  von  Dehio  (12  a.  u.  b.)  und  Heubner  (13)  an.  (Die  schon  aus 
dem  Jahre  1890  stammende  zusammenfassende  Bearbeitung  der  Bradykardie 
von  Riegel  muss  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.)  Dehio  (12.  a)  be- 
schäftigt sich  in  seiner  ersten  Arbeit  im  besonderen  mit  der  Bradykardie 
der  Rekonvalescenten.  An  die  Spitze  einer  jeden  Diskussion  über  Brady- 
kardie stellt  Dehio  die  Unterscheidung  zwischen  kardialer  und  extra- 
kardialer Verlangsamung  der  Schlagfolge,  d.  h.  die  Entscheidung  der 
Frage,  „ob  die  Verlangsamung  der  Herzthätigkeit  durch  eine  Schädigung 
des  motorischen  Apparates  des  Herzens  selbst  bewirkt  ist,  oder  durch  eine 
vom  centralen  Nervensystem  ausgehende  Reizung  im  Gebiete  der  herzver- 
langsamenden Vagusfasem,  resp.  eine  Lähmung  der  herzbeschleunigenden 
sympathischen  Nervenfasern  verursacht  wird.  Die  Entscheidung  trifft  er 
im  einzelnen  Falle  durch  den  „Atropin- Versuch",  „Da  bekanntlich  das 
Atropin  die  Endigungen  der  Vagusfasern  im  Herzen  lähmt,  so  ist  diese 
Frage  durch  eine  subkutane   Injektion  dieses  Alkaloids   leicht  zu  lösen. 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  61 

Wenn  die  Atropininjektion  eine  Beschleunigung  der  Schlagfolge  des  Herzens 
bewirkt,  so  handelt  es  sich  um  eine  extrakardiale  Bradykardie ;  wenn  dieser 
Erfolg  der  Einspritzung  ausbleibt,  so  haben  wir  es  mit  einer  kardialen 
Bradykardie  zu  thun*\ 

Da  nun  (mit  einer  Ausnahme)  die  Herzthätigkeit  der  während  der 
Bradykardie  mit  Atropin  behandelten  Rekonvalescenten  sich  als  refraktär 
gegen  dieses  Mittel  erwies  (die  beim  Gesunden  zu  beobachtende  konstante 
Steigerang  der  Pulsfrequenz  blieb  aus),  so  schUesst  Dehio,  dass  die  frag- 
liehe Bradykardie  eine  kardiale  sei.  „Da  uns  die  letzten  Ursachen,  welche 
die  permanente,  rhythmisch-automatische  Herzthätigkeit  unterhalten,  unbe- 
kannt sind,  so  können  wir  nur  sagen:  Das  Herz  hat  die  Fähigkeit  ver- 
loren, in  normaler  Frequenz  zu  pulsieren.  Und  da  die  klinische  Beobach- 
tung ans  lehrt,  dass  die  einzelnen  Herzrevolutionen  jedenfalls  keine  grösseren 
Blutquanta  in  die  arterielle  Bahn  werfen,  als  in  der  Norm,  da  vielmehr 
der  elende  Puls  und  die  mangelhafte  Qrkulation  das  Gegenteil  beweisen, 
so  folgt  daraus,  dass  die  mechanische  Arbeitsleistung  während  der  Brady- 
kardie unter  das  gewöhnliche  Mass  gesunken  ist.  Die  Bradykardie  der 
Rekonvalescenten  ist  also  ein  Ausdruck  der  Herzschwäche  und 
als  solche  zu  beurteilen." 

hl  einer  zweiten,  eng  mit  der  vorigen  zusammenhängenden  Arbeit 
(12.  b)  untersucht  Dehio  unter  denselben  Gesichtspunkten  den  Einfluss 
der  Atropininjektion  auf  dieHerzarythmie.  Er  beobachtete,  dass  in  aus- 
geprägten Fällen  von  arythmischer  Herzthätigkeit  die  Frequenz  der  Herz- 
schläge durch  Atropin  ebenso  wenig  gesteigert  wurde,  wie  bei  der  kardialen 
Bradykardie.  Deshalb  müssen  wir  die  letzten  Ursachen  der 
Arythmie  im  automatischen  Apparat  des  Herzens  selbst  und  nicht 
in  den  der  Herrschaft  des  Vagus  unterworfenen  Hemmungsvorrichtungen 
desselben  suchen. 

Schliesslich  betont  Dehio  auf  Grund  des  gleichen  Verhaltens  gegen- 
über dem  Atropin  die  innere  Verwandtschaft  beider  Affektionen  (der  Brady- 
kardie und  der  Arythmie).  [Wenn  der  Verfasser  im  Schlusssatze  dieser 
Arbeit  sagt:  „Böi  beiden  Störungen  (der  Arythmie  und  der  Bradykardie) 
bat  also  der  Vagus  seinen  reguUerenden  Einfluss  auf  die  Schlagfolge  des 
Herzens  teilweise  oder  ganz  verloren" ,  so  ist  das  in  dieser  Fassung  wohl 
schwerlich  haltbar.  Wenn  lediglich  der  Vagus  seinen  regulierenden  Einfluss 
verliert,  so  entsteht  —  Tachykardie,  nicht  Bradykardie!] 

Heubner  (13)  widerlegt  in  seiner  praktisch  wichtigen  Arbeit  die 
veitverbreiteten  Vorurteile,  dass  1.  das  Vorkommen  irregulärer  Herzaktion 
im  Kindesalter  etwas  Seltenes  sei  und  dass  2.  weim  unregelmässiger  Puls 
bei  Kindern  vorkommen,  das  Auftreten  desselben  immer  auf  das  Vorhanden- 
sein eines  Himleidens,  insbesondere  der  tuberkulösen  Meningitis  oder  aber 


62  Ällgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

allenfalls  eines  Herzleidens  sich  zurückführen  lasse.  Heubner  beobachtete 
kindliche  Herzarythmieen  bei  Vergiftungen  (Stechapfelsamen,  Digitalis, 
Opium),  bei  Digestionsstörungen,  im  Verlaufe  von  Infektionskrankheiten 
(Scharlach !),  bei  schwächlichen,  rhachitischen  blassen  Kindern  ohne  weitere 
besondere  Ursache,  infolge  von  Darmparasiten  etc.  Die  Pathogenese  ist  in 
den  meisten  dieser  Fälle  noch  dunkel. 

Eine  grössere  Reihe  von  Arbeiten  der  letzten  Jahre  beschäftigt  sich  — 
wesentlich  auf  die  durch  den  Ref.  gegebene  Anregung  hin  —  mit  der 
Deutung  des  Kardiogrammes.  Da  die  Angelegenheit  noch  im  Fluss 
sich  befindet,  wird  für  jetzt  von  einer  kritischen  Besprechung  abgesehen. 
Ref.  behält  sich  eine  solche  für  einen  der  nächsten  Jahrgänge  der  „Ergeb- 
nisse" ausdrücklich  vor. 

Für  dieselbe  Gelegenheit  sollen  auch  die  sonstigen,  das  CSrkulations- 
system  betreffenden  graphischen  Arbeiten  [D.  Gerhard  (10.  6)]  etc.  auf- 
gehoben w^erden. 

Dagegen  muss  erwähnt  werden,  dass  Ref.  (Martius  7,  b)  die  von 
ihm  ursprünglich  in  Anlehnung  an  seine  Kardiogrammarbeiten  entwickelte 
neue  Lehre  vom  Herzstoss  („Der  Herzstoss  ist  im  wesentlichen 
eine  Funktion  der  Verschlusszeit'')  neuerdings  ganz  unabhängig 
von  jeder  Kardiograramdeutung  lediglich  an  den  klinischen  Erfahrungs- 
thatsachen  gemessen  und  durch  die  unmittelbare  Beobachtung  der  Herzthätig- 
keit  des  gesunden  und  kranken  Menschen  zu  beweisen  gesucht  hat.  Auch 
diese  Arbeit  hani;  noch  der  Kritik.  Vielleicht  ist  es  bereits  im  nächsten 
Jahre  angängig,  auch  auf  diese  wichtige  Frage  im  Zusammenhange  zm^ück- 
zukommen.  Für  dieses  Mal  soll  nur  die  Arbeit  von  Hochhaus  und 
Quincke:  „Über  frustane  Herzkontraktionen*'  (8)  noch  kurz  hervorge- 
hoben werden.  Die  Verfasser  bezeichnen  mit  diesem  Ausdruck  das  vom 
Ref.  mehrfach  als  „Gegensatz  zwischen  starkem  Stoss  und  schwachem 
Puls"  besprochene  Phänomen,  das  als  sicheres  Zeichen  der  Schwäche  (un- 
vollkommenen Entleerung)  eines  stark  vergrösserten  (erweitertem  und  ev. 
auch  wandverdickten)  Herzeus  anzusehen  ist.  Für  die  Auffassung  der 
Herzstossgenese  sind  solche  Fälle  von  besonderer  Wichtigkeit. 

Litteratur. 

1.  von  Basch,  Allgemeine   Physiologie   und  Pathologie   des  Kreialaafs.     Wien  1892. 

186  S. 
2. a)  Rosenbach,  Die  Krankheiten  des  Herzens  und  ihre  Behandlung.    Wien,  ürban 
und  Schwarzenberg. 
b)  Die  Grundlagen  der  Lehre  vom  Ereislaufe.    Wiener  med.  Wochenschrift  1894. 
3.   Arbeiten  aus  der  med.  Klinik  in  Leipzig.   Leipzig,  F.  C.  Vogel,  1893.    (Die  auf  den  Kreis- 
lauf bezüglichen,  in  der  folgenden  Darstellung  herangezogenen  Arbeiten  dieses  Sammel- 
werkes sind  nach  ihrem  ersten  Erscheinungsorte  (Deutsches  Arch.  f.  kl.  Med.)  besonders 
citiert. 


Allgemeine  Pathologie  des  Kreislaufs.  63 

4.  Krehl  und  Romberg,  über  die  Bedentang  des  Herzmuskels  und  der  Herzganglien 
für  die  Herzthfttigkeit  des  Säugetieres.  Arch.  für  ezper.  Pathol.  u.  Pharm.  Bd.  XXX. 
S.  49-92  und  S.  157  u.  158. 

o.a)  Romberg,  Über  die  Erkrankungen  des  Herzmuskels  bei  Typhus  abdominalis, 
Scharlach  und  Diphtherie.  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  48.  S.  369--413  und  Bd.  49 
S.  413—441. 
b)  Über  die  Bedeutung  des  Herzmuskels  für  die  Symptome  und  den  Verlauf  der  akuten 
Endokarditis  und  der  chronischen  Klappenfehler.  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  53. 
S.  141—188. 
6.  Krehl,   Beitrag  zur  Kenntnis  der  idiopathischen   Herzmuskelerkrankung.     D.  Arch. 

f.  kl.  Med.  Bd.  48.  S.  414-431. 
7. a)  Martins,  F.,  Tachykardie.    Eine  klinische  Studie.    Stuttgart.  F.  Enke.  1895.  96  S. 
b)  Der  Herzstoss  des  gesunden  und  kranken  Menschen.    Samml.  klin.  Vorträge.  Neue 
Folge.  Nr.  113.  1894. 

5.  Hochhaus,  H.  und  Quincke,  H.,  Über  frustrane  Herzkontraktionen.  Deutsches 
Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  53.  S.  414-432. 

9.  Rieder,  H.,  Zur  Kenntnis  der  Dilatation  und  Hypertrophie  des  Herzens  infolge 
von  Überanstrengung  und  der  idiopathischen  Herzerkranktmgen  überhaupt.  D.  Arch. 
f.  klin.  Med.  Bd.  55.  S.  8-60. 

10. a)  Gerhardt,  D.,  Klinische  Untersuchungen  über  Venenpulsationen.    S.  A. 

b)  Über  einige  pathologische  Formen  des  Spitzenstosses  nebst  Bemerkungen  über  Ent 
Btehung  des  gespaltenen  ersten  Herztones.     Arch.   f.  exper.  Pathol.  und  Pharmak, 
Bd.  34.  S.  359—366. 
11.  Bis,  Herzmuskel  und  Herzganglien.    Wiener  med.  Blätter.  1894.  Nr.  44. 
12.a)Dehio,  K. ,  über  die  Bradykardie  der  Rekonvalescenten.    D.  Arch.  f.   klin.  Med. 
Bd.  52.  S.  74-96. 

b)  Über  den  Einfluss  des  Atropin  auf  die  arythmische  Herzthätigkeit.    D.  Arch.  f.  klin, 
Med.  Bd.  52.  S.  97—102. 

13.  Henbner,  0.,  Über  Herzarythmie  im  Kindesalter.  Zeitschrift  f.  klin.  Med.  Bd.  26, 
S.  493—513.  1895. 

14.  T.  Kölliker,  A.,  Über  die  feinere  Anatomie  und  die  physiologische  Bedeutung  des 
sympathischen  Nervensystems.  Verhandl.  der  Greselisch.  d.  Naturf.  u.  Aerzte.  66.  Ver- 
sammlung zu  Wien.    Erster  Theil.  1894.  Leipzig.  F.  C.  W.  Vogel.  S.  97—120. 

10.  6o Hinge r,  0.,  Über  idiopathische  Herzvergrösserung.  Festschrift  u.  s.w.  München 
1893. 

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18.  Radasewsky,  M.,  über  die  Muskelerkrankungen  der  Vorhöfe  des  Herzens.  Zeit- 
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19.  Langend orff.  Pflügers  Archiv.  Bd.  57  und  Verhandl.  der  naturforschenden  Ge- 
Mllflchaft  in  Rostock.  1895. 


B. 

SpeziöUe  Kreislaufstörungen. 


Entzündung. 

Von 

S.  Samuel,  Königsberg  i.  Pr. 


Litteratur. 

Die  reichbaltige  Litteratnr  ist  fttr  die  Berichtsperiode  1890—94  möglichst  YoUstAndig 
gesammelt  und  alphabetisch  geordnet  worden.  Des  VerstAndnisses  wegen  waren  Rfick- 
griffe  auf  einzelne  frQhere  Arbeiten  unerlftsslich.  Bei  der  Fttlle  des  Materials  konnten 
detaillierte  Besprechung  nnr  die  fflr  die  allgemeine  Entzflndnngslehre  wichtigeren  Arbeiten 
Platz  finden,  znmal  ein  Teil  noch  bei  der  speziellen  pathologischen  Anatomie  Erwähntmg 
finden  muss.    Nachträge  bleiben  vorbehalten. 

1.  Arnold,  Julius,  Altes  und  Neues  Aber  Wanderzellen,  insbesondere  fliber  deren  Her- 
kunft und  Umwandlungen.    Virchows  Arch.  Bd.  182.  1898.  S.  502. 

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4.  Binz,  Über  den  Anteil  des  Sauerstoffs  an  der  Eiterbildung.    Virchows  Arch.  Bd.  73. 
1878. 

5.  Binz,  Zur  Salicylsfture  und  Chinin  Wirkung.    Arch.  f.  vergl.  Pathologie.  VII.  1877. 

6.  Buchner,  Die  chemische  Reizbarkeit  der  Leukocy ten.    MOnch.  med.  Wochenschr.  1890. 

7.  Buchner,  Über  pyogene  Stoffe  in  der  Bakterienzelle.   Berliner  klin.  Wochenschr.  1890. 

8.  Buchner,  Die  Bakterienproteine  und  deren  Beziehung  zur  Entztlndong  nnd  Eiterung. 
Gentralbl.  f.  Chirurgie.  1890. 

9.  Bunge,  Zur  Ätiologie  der  Gasphlegmonen.    Fortschritte  der  Medizin.  XII.  1894. 

10.  Cattani,    Über  die  Reaktion  der  Gewebe  auf  spezifische  Reize.    Zieglers  Beitr&ge. 
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11.  Cohnheim,  Vorlesungen  Aber  Allg.  Pathologie.    2.  Aufl.  I.  1882.  S.  258,  806. 

12.  Ibidem.  S.  287. 

18.   Dache  et  Malvoz,    Nouveaux  faits  concemant  le  rdle  du  syst.  nerv,  dans  l'infect 
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Entzündung.  g5 

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16.  Engelmann,  Verhalten  des  Blutgef&ssendothels  bei  der  Auswanderung  farbloser 
Blutkörperchen.    Ziegler s  Beiträge.  Bd.  XIII.  1893. 

17.  Ernst,  Über  das  Vorkommen  von  Fibrin  in  Nierenoylindem.  Zieglers  Beitaräge. 
XII.  1898. 

18.  Gabritschewsky ,  Sur  les  propriöMs  chimiotactiqnes  des  leucocytes.  Annales  de 
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19.  Grawitz,  Ober  die  Bedeutung  des  KadaTerins  für  das  Entstehen  von  Eiterung. 
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20.  Ders.,  Zur  Theorie. der  Eiterung.  Bd.  116. 

21.  Ders.,  Die  histologischen  Veränderungen  bei  der  eitrigen  Entzündung.  Bd.  118. 

22.  Ders.,  Über  die  schlummernden  Zellen  des  Bindegewebes  und  ihr  Verhalten  bei  pro- 
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23.  Ders.,  Über  die  Struktur  des  Bindegewebes  und  deren  Bedeutung  für  die  Histologie  der 
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25.  Hans  er,  Beitrag  zur  Lehre  von  der  pathol.  Fibringerinnung.  Deutsches  Arch.  f.  klin. 
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27.  Heidenhain,  Versuche  und  Fragen  zur  Lehre  von  der  Lymphbildung.  Pflügers 
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^5.  Krynski,    Über  die  Ursachen  akut-eitriger  Entzündungen.    Centralbl.  f.  Allg.  Path. 

L  1890. 
36.  Leber,  Die  Entstehung  der  Entzündung  und  die  Wirkung  der  Entzündung  erregenden 

Schädlichkeiten.  1891. 
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'^.  Letnlle,  L^inflammation.    Paris  1893. 
^  Levin,  Alexander,  Zur  Histologie  der  akuten  bakteriellen  Entzündung.    Arbeiten 

ans  Banmgartens  Institut.  I.  1891. 
^l  Levy,  Die  Mikroorganismen  der  Eiterung.    Arch.  f.  ezp.  Pathol.  Bd.  29.  1891. 
^1-  V.  Limb  eck.   Klinisches   und  Experimentelles  über  die  entzündliche   Leukocytose. 

Zeitschrift  fftr  Heilkunde.  X.  8.  392. 
^  Loo8,  Atrophie  des  Schwanzes  der  Froscblarven.    FürstL  Jablonowskische  Preis- 

Bchriffc.  Nr.  10.  Leipzig  1889.  Biol.  Centralbl.  IX. 
I  ^^.  Lovän,  Verhandlungen  der  Egl.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaft  zu  Leipzig. 
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Annales  de  l'Instit.  Pasteur.  V.  p.  417. 

LBbarBch-Ostertag,  £rg9l>&issd  Abteü.  II.  5 


66  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

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58.  Ribbert,  Über  die  Betheiligung  der  Leukocyten  an  der  Neubildung  des  Bindegewebes. 
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61.  Roger,   Influence  des  paralysies  vasomotrices  sur  T^volution  de  Terysip^le   experi- 
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63.  Samuel,  Vi rch.  Arch.  Bd.  43.  S.  558.  Bd.  51.  S.  182. 

64.  Ders.,  Der  Entzündungsprozess  1873. 

65.  Ders.,  Entzündungsherd  und  Entzündungshof.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  121.  1890. 

66.  Ders.,  über  anämische,  hyperämische  und  neurotische  Entzündung.   Ib.  Bd.  121.   ISi'O. 

67.  Ders.,  Die  Selbstheilung  der  Entzündung  und  ihre  Grenzen.    Ib.  Bd.  126.  1891. 

68.  Ders.,  Über  eine  Art  von  Immunität  nach  überstandener  Erotonentzündung.    Ib.  Bd.  127. 
1892. 

69.  Seh  klare  wski,   Zur  Extravasation  der  weissen  Blutkörperchen.    Pflügers  Arch. 
I.  1869. 

70.  Schumacher,  Pharmak.   Studien  über  die  Auswanderung  der  farblosen  Blutkörper- 
chen.   Arb.  aus  d.  pharmakol.  Institut  zu  Dorpat.  X.  1894. 

71.  Schrakamp,  Wo  steckt  das  erste  Glied  bei  der  Entzündung.  Vir  eh.  Arch.   Bd.  131. ' 
S.  379.  j 

72.  Scheurlen,   Entstehung  und  Erzeugung   der  Eiterung  durch    chemische  Reizmittel. 
Arch.  f.  klinische  Chirurgie.  Bd.  32.  1885. 

73.  Steinhaus,  Die  Ätiologie  der  akuten  Eiterungen.  1889.  i 

74.  Stöhr,  Über  Mandeln  und  Talgdrüsen.    Vi  rch.  Arch.  Bd.  97.  1884. 

75.  Ders.,  Die  Entwickelung  des  adenoiden  Gewebes.    Anat.  Anzeiger.  VI.  1891. 

76.  Stricker,  Vorlesungen  über  allg.  u.  exp.  Pathologie.  1883. 

77.  Ders.,  Wiener  medizinische  Jahrbücher.  1871—83. 

78.  Thoma,  über  die  Entzündung.     Berl.  klinische  Wochenschrift.  1886. 

79.  Ders.,  Über  entzündliche  Störungen   des  Eapillarkreislaufs  bei  Warmblütern.    Vir  eh. 
Arch.  Bd.  74.  1878. 

80.  Ders.,  Lehrbuch  der  pathol.  Anatomie.  1894. 

81.  Virchow,  Handbuch  der  spez.  Pathologie.  I.  1854. 

82.  Waller,  Philosoph,  magaz.  1846.  Bd.  XXIX.  S.  271,  398. 

83.  Wasilieff-Kleinmann,   Resorption   kömiger   Substanzen   von    Seiten  der  Danm 
follikel.    Arch.  f.  exp.  Path.  Bd.  27.  1890. 

84.  Weiss,  Beiträge  zur  Entzündungslehre.    Wien  1892. 

85.  Weigert,  Entzündung.    Eulenburgs  Encykl.  2.  Aufl.  VI.  S.  325. 


Entzandung.  67 

h6.  Ders.,  Die  Virchowscfae  Entzündungstheorie  und  die  Eiterangslehre.  ForUchr.  d. 
Medizin.  VII.  1889. 

87.  Ders.,  Die  vermeintlichen  Schlummerzellen.  Deutsche  med.  Wochenschrift  1892.  Nr.  29— 31. 

^i  WlasBow,  über  die  histol.  Vorgänge  bei  der  Gerinnung  und  Thrombose.  Zieglers 
Beiträge.  XV.  1894. 

89.  Ziegler,  Über  die  Ursachen  der  path.  Gewebsneubildung.  Internat.  Beiträge.  Fest- 
schrift für  Virchow.  Bd.  II.  1891. 

du.  Ders.,  Historisches  und  Kritisches  zur  Lehre  von  der  Entzündung.    Freiburg  1892. 

91.  Ders.,  Lehrbuch  der  allg.  Pathol.  8.  Aufl.  1895. 


Die  gegebene  Grundlage  jeder  Darstellung  des  Entzündungsprozesses 
muss  stets  das  Bild  der  akuten  Entzündung  bleiben,  wie  es  die  Beobach- 
tung am  lebenden  Menschen  seit  Jahrtausenden  festgestellt  und  immer 
wieder  bestätigt  hat.  Dieser  überaus  häufige  Krankheitsprozess  bleibt  trotz 
aller  Kompliziertheit  sehr  gleichartig  und  nimmt  in  sich  einen  so  regel- 
mässigen Verlauf  und  Ablauf,  dass  man  schon  vorgeschlagen  hat,  die 
Entzündung  geradezu  den  physiologischen  Begriffen  der  Verdauung,  At- 
mung und  Zeugung  anzureihen  (E.  Neumann).  Wie  kompUziert  die 
akute  Entzündung  auch  ist,  von  der  Cirkulationsstörung  hat  die 
Entzündung  ihren  Namen,  sie  tritt  in  den  Vordergrund,  sie  charakteri- 
siert den  ganzen  Prozess,  sie  bestimmt  seinen  Verlauf, 

Diesem  alten  fundamentalen  Entzündungsbegriffe  hat  Metschni- 
koff  (49)  in  seiner  Pathologie  compar^e  de  Tinflammation  etwas  ganz  anderes 
zu  substituieren  versucht,  „die  Ansammlung  von  Fresszellen,  vonPhago- 
cMen  um  einen  Reizkörper".  Sowohl  bei  Wirbeltieren  (Kaninchen,  Frö- 
schen, Tritouen),  als  auch  bei  Wirbellosen  (Spongien,  Mollusken,  Daph- 
nien und  Regenwürmern)  fand  er,  dass  die  Einführung  kleiner  Partikel- 
eben  von  Kanninpulver,  wie  auch  von  Bakterien  u.  dergl.  in  den  Körper 
des  Versuchstieres  eine  Anhäufung  von  Mesodermzellen ,  von  Leukocyten 
zur  Folge  hat  und  dass  diese  Zellen  jene  Fremdkörper  mindestens  um- 
%em,  zum  Teil  aber  in  ihren  eigenen  Leib  aufnehmen  und  in  sich  zer- 
stören. Die  Entzündung  sollte  dadurch  als  eine  allgemeine  Naturer- 
^lieinung,  als  ein  überall  anzutreffender  Kampf  von  Phagocyten  gegen 
Krankheitserreger,  als  ein  Wehrmittel  der  Organismen  erscheinen. 
Diese  Verallgemeinermig  des  Entzündungsbegriffes  und  ihre  Identifi- 
zierung mit  der  Phagocytose  ist  unstatthaft.  Nicht  bei  allen  Ent- 
zündungen erfolgt  überhaupt  Leukocytenaustritt,  viele  bleiben  lange  Zeit, 
manche  stets  auf  dem  Standpunkt  flüssiger  Exsudation  allein,  bei  manchen 
wie  bei  den  hämorrhagischen  und  degenerativen  Entzündungsformen  sj)ielt 
der  Leukocytenaustritt  und  die  Phagocytose  eine  ganz  verschwindende 
Rolle.  Andererseits  sind  Leukocyten-Emigration  und  auch  Phagocytose 
gar  nicht  an  Entzündung  gebunden,  sie  kommen  ganz  ausserhalb  dieses 


gg  Allgem.  pathoJ.  Morphologie  und  Physiologie. 

Prozesses  vor  und  spielen  eine  früher  ungeahnte  Rolle  (74)  bei  der  Ver- 
dauung,  bei  dem  normalen  Abbruch  und  der  Auflösung  der  Gewebe  (74),  bei 
der  Histolyse  überhaupt.  Auf  die  Stellung  der  Phagocytose  innerhalb 
des  Entzündungsprozesses  wird  später  zurückzukommen  sein,  hier  galt  es 
nur  die  Identifizierung  beider  Vorgänge,  einer  pars  höchstens  pro  toto 
zurückzuweisen.  Vergleichungen  von  Entzündungsprozessen  bei  Tieren 
mit  denen  des  Menschen  können  nur  von  denjenigen  Tieren  hergeleitet  werden, 
die  vollständig  analogen  Entzündungsprozessen  unterliegen,  also  besonders 
von  Säugetieren,  andere  AnaJogieen  klären  nicht,  sondern  erschweren  die 
Lösung. 

Der  akute  Entzündungsprozess  ist  es  allein,  der  alle  charakteristischen 
Merkmale  aufzuweisen  hat,  der  chronische  kann  nur  in  seinem  Zusammen- 
hang mit  dem  akuten  und  in  seinen  Modifikationen  gegenüber  dem  akuten 
studiert  werden.  Der  akute  bildet  den  Grundprozess.  Sichtlich  sind 
beim  akuten  Entzündungsprozess  intravaskuläre  und  extravaskuläre  Ver- 
änderungen nachweisbar,  Rubor  und  Calor  einerseits,  Tumor  und  Dolor 
andererseits.  Daran  ist  vielfach  die  Frage  geknüpft  worden,  wo  steckt  das 
erste  GUed  der  Entzündung?  Die  Blutgefässe  sind  in  den  Geweben  ein- 
gebettet. Aus  dieser  räumlichen  Anordnung  folgt,  dass  jede  Entzündungs- 
ursache, die  sich  leicht  verbreitet  oder  an  sich  nicht  ganz  unbedeutenden 
Umfang  hat,  fast  gleichzeitig  oder  unmittelbar  nach  einander  primöre 
Veränderungen,  Läsionen  in  den  Geweben  sowohl,  wie  in  den  kleineren 
Blutgefässen  notwendig  hervorbringen  muss.  Nur  an  wenigen  Körperstellen 
können  Entzündungsursachen  primär  das  Gewebe  isoUert  treffen  und  auch 
die  Gefässe  isoliert  treffen.  Gefässlose  Gew^ebe  können  prifaär  von  Ent- 
zündungsursachen affiziert  werden,  doch  lässt  sich  nicht  von  allen  gefäss- 
losen  Geweben  aus  ein  Entzündungsprozess  hervorrufen,  nicht  von  Haaren, 
Nägeln,  Federn  aus,  von  deren  Matrices  abgesehen.  Hingegen  lässt  sich  von 
der  gefässlosen  Kornea  aus  durchgängig,  von  der  Epidermis  aus,  sobald  die 
Entzündungsursache  irgend  wie  die  tieferen  Schichten  affiziert,  durch  primäre 
isolierte  Läsion  des  Gewebes  Entzündung  hervorrufen.  Ebenso  ist  es  anderer- 
seits mögUch,  besonders  durch  septische  Emboli  primär  allein,  die  Innen- 
fläche  grösserer  Gefässwände  zu  affizieren.  Die  Frage  wo  das  erste  GUed  der 
Entzündimg  steckt  (71),  ist,  wenn  man  die  primäre  Läsion  als  erstes  Entzün- 
dungsglied betrachten  will,  auf  Grund  offenkundiger  Thatsachen  also  zu  beant- 
worten: Die  primäre  Läsion  trifft  bei  den  Entzündungsursachen  seitens 
einzelner  und  an  bestimmten  Stellen  zunächst  nur  die  Gewebe  allein,  seitens 
anderer  nur  die  Gefässe  allein,  seitens  der  meisten  Gewebe  und  Gefässe 
bald  nach  einander.  Immer  aber  spielt  auch  die  primäre  Gewebsläsion  und 
deren  Art  —  ob  durch  mechanische,  chemische,  physikalische,  parasitäre 
Faktoren  hervorgerufen  —  eine  ganz  entscheidende  Rolle  für  Form  und 


Entzündung.  69 

Art  des  EutzünduDgsprozesses.  Trotz  dieser  Anerkennung  der  Wichtigkeit 
der  primären  Gewebsveränderung  ist  die  Fragestellung  nach  dem  zeitlich 
ersten  Gliede  der  Entzündung  eine  irrelevante,  denn  die  primäre  Gewebs- 
läsion  bildet  an  sich  noch  gar  keinen  charakteristischen  Entzündungsvor- 
gang. Bleibt  es  bei  dieser  primären  Gewebsläsion,  z.  B.  bei  gleichzeitiger 
Anämie,  so  geht  das  afBzierte  Gewebe  ohne  jede  Spur  von  Entzündung  zu 
Grunde,  alle  Entzündungserscheinungen  bleiben  aus.  Erst  wenn  von  dieser 
primären  Gewebsläsion  aus,  also  z.  B.  von  einer  Läsion  der  Mitte  der  Kornea 
aus,  der  rückkehrende  Stoffwechselstrom  die  Randgefässe  affiziert  und  diese 
zudem  entzündlichen  Rubor  und  Calor  mit  den  Konsequenzen  von  Tumor  und 
Dolor  veranlasst,  erst  dann  ist  die  Entzündung  da.  Nicht  also  das  erste 
Glied  der  Entzündvmg  können  vnr  als  das  entscheidende  betrachten,  son- 
dern stets  erst  den  Eintritt  der  charakteristischen  Cirkulationsstörung. 
Bleibt  diese  aus,  so  haben  wir  gar  keine  Entzündung,  tritt  sie  ein,  auch 
ohne  dass  eine  primäre  Gewebsveränderung  eingetreten,  so  haben  wir  die 
Entzündung  anzuerkennen.  Die  primäre  Gewerbsläsion  rangiert  nur  als 
Anlasszum  Eintritt  der  Cirkulationsstörung,  erst  mit  der  eigentümlichen 
Cirkulationsstörung  ist  die  Entzündung  da,  wenn  auch  für  die  Ent- 
zündungsform, wie  ausdrücklich  wiederholt  werden  mag,  die  Art  der  primären 
<  Gewebsläsion  von  grossem  Einflüsse  ist.  Von  den  beiden  Entzüudungs- 
Komponenten,  der  Gefäss-  und  Gewebsaffektion  ist  die  Gefässaffektion  die 
für  den  Entzündungsprozess  entscheidende,  die  primäre  Gewebsläsion  ist 
hubordiniert,  die  sekundären  und  tertiären  Gewerbsveränderimgen  sind 
trsst  konsekutiv. 

Hat  denn  nun  aber  die  Cirkulationsstörung  im  Entzündungsprozess 
ül»erhaupt  etwas  charakteristisches?  Wäre  es  nicht  richtiger,  mit  Thoma  (78) 
und  A ndral  diesen  Begriff  ganz  fallen  zu  lassen?  Thoma  (80)  kommt  neuer- 
dings auf  diesen  seinen  Vorschlag  zurück,  weil  „der  Begriff  der  Entzün- 
dung unter  allen  Umständen  ein  so  allgemeiner  und  unbestimmter  ist, 
flass  er  nahezu  mit  dem  Begriffe  der  lokalen  Erkrankung  zusammenfällt 
und  daher  in  der  Kegel  einer  sachlichen  Bedeutung  entbehrt."  Rechnet  man 
Wüzu,  dass  die  meisten  Cirkulationsstörungen  bei  längerer  Dauer  eine 
Alteraüon  der  Kapillarwand,  im  Sinne  Cohnheims  also  eine  Vermehrung 
derDurchlässigkeit  der  Kapillarwand  zur  Folge  haben,  so  erscheint  die  Ent- 
zündungslehre  vonCohnheim,  die  Auswanderung  der  meisten  Blutkörper- 
chen infolge  Alteration  der  Kapillarwand  unhaltbar.*'  Dagegen  ist  jedoch 
bervorzuheben,  dass  Thoma  Cohnheim  durchaus  miss versteht,  wenn  er 
glaubt,  dass  dieser  die  Alteration  der  Gefässwände  mit  der  Leukocyten- Aus- 
wanderung identifiziert  habe.  Cohnheim  erkennt  vielmehr  in  seiner  allge- 
meinen Pathologie  an  den  verschiedensten  Stellen  (11,  12)  durchaus  Entzün- 
dungen mit  lediglich  seröser  Exsudation  an  mid  zwar  nicht  bloss  in  den  An- 


70  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

fangsstadien  und  in  der  Peripherie,  sondern  auch  „dauernd  bei  Entzündungen 
schwachen  Grades,  bei  denen  die  Gefässwandveränderung  eben  nur  stark  genug 
geworden  ist,  um  eine  gesteigerte  Flüssigkeitstranssudation,  nicht  aber  auch 
eine  reichliche  Extravasation  körperiicher  Elemente  zu  gestatten."    Auch  auf 
die  relative  Häufigkeit  der  serösen  Entzündungen  hat  er  ausdrücklich  die 
Aufmerksamkeit  gewendet,  wenn  er  auch  dabei  die  Diarrhoe  als  Hypersekre- 
tion  von  Darmsaft  anzusehen  geneigt  war.    Samuel  aber,  von  dem  die  Be- 
zeichnung Alteration  der  Gefässwände  im  Entzündimgsprozesse  überhaupt 
herrührt   (63),  hat  diesen  Begriff  von  vornherein  weit  allgemeiner  gefasst. 
Jede   erheblichere  Nutritipnstsörung   der  Wände  eines  Gefässnetzes  re?p. 
der  Vasa  vasorum  muss  zur  Störung  der  Funktionen  dieser  als  Strombett 
des  Blutes  organisierten  Gefässwände  führen.  Die  ganze  Gefässwand  leidet, 
sowohl  in  ihrer  inneren  Epithelialfläche,  als  in  ihrer  Durchlässigkeit;  nicht 
minder  leidet  ihre  Kontraktilität  und  Elastizität.    Da  diese  geringe  Nutritions- 
störung  der  Gefässwände  in  toto  nur  selten  den  Ausgang  in  Gefässuntergaiig 
nimmt,  so  tritt  auch  später  nicht  bloss  eine  Restitution,  sondern  auch  eine 
Proliferation  des  Gefässnetzes  von  den  proliferationsfähigen  Gefässen  durch 
Abnahme  der  Wachstumswiderstände  wieder  ein.   Der  Ausdruck  „Alteration** 
sollte  zunächst  mit  einem  treffenden  Worte  sowohl  gegen  die  spasmodische  wie 
gegen  die  paralytische  Entzündungstheorie  Stellung  nehmen  und  sagen: 
bei  der  Entzündung  handelt  es  sich  nicht  bloss  um  KaUberveränderungen 
der  Gefässe,  Erweiterung,  Verengung  derselben,  sondern  um  Ernährungs- 
störungen und  um  Ernährungsstörungen  der  Gefässwand  in  toto.    Auch 
zum  Ausschluss  der  alten  Attraktions-  wie  der  cellularen  Eduktionstheorie 
hielt   Samuel  das   Wort  Gefässwandalteration   für    das    geeignetste  (64). 
Es  ist  auch  gar  nicht  die  Rede  davon,  dass  die  meisten  Cirkulationsstörungen 
bei  längerer  Dauer  eine  Alteration  der  Gefässwände  in  diesem  Sinne  her- 
vorrufen könnten,    nicht  einmal  die   erhöhte  Durchlässigkeit  der  Gefäss- 
wände  noch  die  gesamte    Nutritionsstörung  derselben.    Weder  die  Sym- 
pathikuslähmung vermag  dies,  noch   die  Reizung  der  Diktatoren,  nocli 
die  arterielle  Anämie.    Nur  die  venöse  Stauung,  kombiniert  mit  arterielkT 
Kongestion,   vermag   ein  ähnliches  Bild  zu  erzeugen;  doch  unterscheidet 
sich  auch  dieses  durch  das  bei  der  Stauung  weit  eiweisärmere  Transsudat, 
den  grösseren  Reichtum  an  roten,  den  weit  geringeren  an  weissen  Blut- 
körperchen von  dem  Entzündungsexsudat.    Vollständig  fehlt  die  entzünd- 
liche Ernährungsstörung  der  Gewebe   und   die  Gefässproliferation.     Gan;^ 
anders  gestaltet  sich  endlich  der  Verlauf  der  beiden  Prozesse.  So  ist  denn 
gar  nicht  abzusehen,   wie  der  Begriff  der  Entzündung  ein  so   allgemeinei 
und  unbestimmter  sein  könnte,  dass  er  mit  dem  Begriffe  der  lokalen  Er- 
krankung zusammenfallen  könnte. 

Sagten  wir  vorher,   dass  unter  den   beiden  Komponenten   des  Ent 


Entzündung.  71 

zündungsprozesses,  der  Gefäss-  und  der  Gewebsaffektion,  die  Gefässaffektion 
die  charakteristische  bildet,  so  müssen  wir  jetzt  die  Gefässaffektion  als  die 
durch  eine  Alteration  der  Gefässwände  sieh  ausdrückende  Strukturverände- 
rung derselben  anerkennen.  Durch  das  Eingreifen  der  Alteration  und  ihrer 
Folgen  in  den  Lokalkreislauf  ergeben  sich  die  weiteren  Folgen. 

Das  Studium  des  Lokalkreislaufs  unter  der  Alteration  der  Gefässwände 
i<t  bisher  entweder  an  ganz  undurchsichtigen  Stellen  oder  an  mikroskopisch 
durchsichtigen  Stellen  getrieben  worden.  Die  letzteren  wie  Schwimm-  und 
Flughäute,  Mesenterien  sind  unersetzlich  für  das  Studium  der  Anfangs- 
süidien  der  entzündüchen  Cirkulation  und  Exsudation  in  allen  Details.  In 
den  mikroskopisch  durchsichtigen  Membranen  führt  aber  die  durch  die 
Eutzündimg  herbeigeführte  Cirkulationsstörung  sehr  bald  zur  vollen  Stase 
und  damit,  mit  dem  Stillstand  jeder  Blutcirkulation,  zum  Brande.  Die  Rück- 
bildung, die  restitutio  in  integrum  wird  dadurch  gehemmt,  ein  jäher  Abbruch 
der  Entzündung  veranlasst.  Zum  Studium  des  Gesamtverlaufes,  des  normalen 
Ablaufes  des  Entzündungsprozesses  eignen  sich  daher  dünne  durclisichtige 
Stellen  nicht.  Zur  Ausfüllung  dieser  empfindlichen  Lücke  dienen  auf  das 
Beste  Versuche  am  Kaninchenohre.  Das  imversehrte  Kaninchenohr  gestattet 
mikroskopische  Beobachtung  nicht.  An  albinotischen  kleinen  Ohren  kann 
man  sich  allerdings  durch  ganz  leichte  Verbrühung  und  Abziehung  der 
vorderen  und  hinteren  Epidermisfläche  Fenster  von  beliebigem  Umfange 
bilden,  die  ein  mikroskopisch  ganz  klares  Bild  geben.  Doch  auch  von  der 
Entzündung  auf  dieser  dünnen  Fläche  gilt,  was  von  anderen  dünnen 
Flächen  gilt,  die  Entzündung  geht  leicht  in  Stase  über,  diese  Wahlstelle 
hat  wegen  ihrer  Kleinheit  nur  Nachteile,  keine  Vorzüge  vor  andern  mikro- 
skopischen Wahlstellen.  Als  makroskopisches  Beobachtungsobjekt  für  den 
Entzündungsprozess  hat  aber  das  Kaninchenohr  Vorzüge  wie  gar  kein 
anderes  Objekt.  Bei  hellen  Ohren  ist  die  Durchsichtigkeit  so  klar,  dass 
auch  der  schwächste  Entzündungsfleck,  die  kleinste  Geschwulst  der  Auf- 
merksamkeit nicht  zu  entgehen  vermag.  Damit  verbindet  sich  der  Vorteil, 
dass  in  situ  vöUig  ungestört  der  ganze  Verlauf  des  Prozesses  von  Beginn 
an  bis  zum  Ablauf  und  dem  Schwund  eines  jeden  Restes  dem  Beobachter 
völlig  klar  vor  Augen  liegt.  Alle  Modifikationen  des  vielgestaltigen  Pro- 
zesses unterhegen  dem  systematischen  pathologischen  und  therapeutischen 
Experiment.  Samuel  (65)  hat  zur  Herstellung  möglichst  isolierter  Ent- 
zündungsherde das  obere  Drittel  des  Ohres  allein  in  Entzündung  versetzt 
und  zwar  durch  Verbrühung  auf  drei  Minuten  mit  Wasser  von  54^  C. 
Da  man  das  Wasser  so  vollständig  durch  senkrechte  Haltung  der  Ohrspitze 
abtropfen  lassen  kann,  dass  auch  nicht  ein  Tröpfchen  abzufliessen  vermag, 
so  bleibt  die  Entzündungsursache  streng  auf  die  Ohrspitze  lokalisiert.  Man 
kann  nun  am  Ohre  nicht  bloss  das  Schicksal  des  Entzündungsherdes  verfolgen, 


72  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

sondern  kontrolliert,  wie  an  gar  keiner  andern  Körperstelle,  einerseits  die  Be- 
schaffenheit des  das  Blut  in  den  Entzündungsherd  einführenden  Arterienstam- 
mes und  seiner  Äste  und  Zweige,  andererseits  die  Füllung  und  Beschaffenheit 
der  das  Blut  aus  dem  Entzündungsherde  abführenden  Venen,  endlich  die  Ver- 
änderung des  ganzen  benachbarten  Parenchyms.  Die  Verändenmgen  und 
deren  allmählicher  Wandel,  alles  bleibt  sichtbar.  Betreffs  der  nötigen  Kautelen 
muss  auf  das  Original  verwiesen  werden,  hier  haben  wir  uns  nur  mit  den 
Resultaten  zu  beschäftigen.  Brüht  man  auch  nur  drei  Minuten  hindurch 
mit  54°  C,  so  zeigt  sich  sofort  auf  der  gebrühten  Stelle  und  allein  auf 
sie  begrenzt,  eine  akute  Entzündimg,  unmittelbar  bei  der  Herausnahme 
und  immer  mehr  sich  steigernd.  Der  Entzündimgsrubor  ist  ein  eigentüm- 
licher, nur  der  Entzündung  zugehöriger,  der  Entzündungsherd  zeigt  eine 
ganz  allgemeine  gleichmässige  Röte.  Der  Arterienstamm  mit  seinem  sicht- 
baren Doppelbogen  ist  dauernd  erweitert,  stark  injiziert.  Die  Erweiterung 
geht  in  diesen  Fällen  meist  sofort  über  die  der  Sympathikuslähmung  hin- 
aus. Die  rhythmischen  Dilatationen  und  Kontraktionen  der  Arterie  haben 
im  Bereiche  des  Entzündungsherdes  völlig  aufgehört.  Auch  die  grossen 
Venenstämme  bis  zu  den  kleinsten  Venulae  herab  sind  sichtlich  dilatiert. 
Die  kleinen  Venulae  sind  jedoch  weit  schwerer,  als  nach  Sympathikuslähmung 
distinkt  und  deutiich  zu  erkennen,  weil  eine  allgemeine  diffuse  Kapillar- 
hyperämie in  bisher  völlig  imsichtbaren  Kapillaren  eingetreten  ist.  Normal 
sind  die  Kapillaren  des  Kaninchenohres  so  wenig  mit  Blut  gefüllt,  dass 
das  Ohr  blass  aussieht  Auch  bei  der  rhythmischen  Gefässdilatation  und 
nach  Sympathikuslähmung  ist  eine  deutliche  starke  Rötung  der  Arteriolae 
sowohl  wie  der  Venulae  bis  zu  den  Stämmen  hinauf  nachweisbar,  doch 
bleiben  die  blassen  Zwischenräume  deutlich  zu  erkennen.  Auch  die  Kombi- 
nation von  Sympathicuslähmung  und  venöser  Stauung  reicht  nicht  aus, 
um  das  Bild  der  gleichmässigen  Röte  hervorzubringen,  das  wir  an  einem  ver- 
brühten Ohre,  wie  auch  an  jedem  stark  entzündeten  Auge  erblicken.  Das  blasse 
Parenchym  hat  einer  ganz  dichten  Röte  Platz  gemacht.  In  engster  Pres- 
sung und  vollster  Ausspritzung  mit  Blut  steht  Kapillar  an  Kapillar.  Diese 
gleichmässige  Kapillarinjektion,  die  auf  voller  direkter  KapiUaratonie  be- 
ruht, ist  ein  charakteristisches  Merkmal  des  Entzündungsrubors.  Die 
arterielle  Kongestion  vermag  weder  allein,  noch  selbst  mit  der  venösen 
Stauung  vereint,  eine  solche  Erweiterung  der  Kapillaren  zu  erzielen ;  diese 
Erweiterung  ist  auf  eine  direkte  Elastizitätsverminderung  der  KapUlar- 
wände  zurückzuführen.  Bei  jeder  entzündeten  Konjunktiva  sieht  man  das- 
selbe Bild,  nur  dass  hier  die  Arterien-  und  Venenstämme  tiefer  hegen  und 
daher  der  Beurteilung  unzugänglich  sind.  Auch  der  Blutfluss  lässt  sich 
überall  am  Ohre  prüfen.  Sticht  man  Arterien  und  Venen  eines  bloss 
kongestionierten  Ohres  an,  so  fliesst  reichlich  Blut.     Sticht  man,  zwischen 


EntzünduDg.  73 

den  sichtbaren  Gefässen  das  blasse  kapillarhaltige  Parenchym  an,  so  kann 
man  dasselbe  an  den  verschiedensten  Stellen  durchlöchern,  ohne  dass  auch 
nur  ein  Blutstropfen  kommt.  Aus  dem  frisch  entzündeten  Ohre  jedoch 
kommt  nicht  bloss  beim  Anstich  von  Arterien  und  Venen  ein  reichUcher 
Blutaustritt,  sondern  auch  ein  nicht  imerheblicher  aus  den  perforierten 
Kapillaren.  Auch  der  Entzündungstumor,  die  gleichmässige  entzündliche 
Schwellung  zeigt  sich  bei  der  Verbrühung  sofort.  Von  einer  solchen  ist 
nach  Sympathikuslähmung  gar  keine  Rede.  Sticht  man  nach  Sympathikus- 
lähmung das  Parenchym  an  der  Basis  an,  wo  die  Lymphe  konfluieren 
muss,  so  quillt  unmittelbar  kein  Tropfen  Lymphe  hervor,  so  wenig  wie  aus 
einem  gesunden  Ohre.  Eine  erhöhte  Transsudation  nach  Sympathikus- 
lähmung ist  also  auch  auf  diesem  Wege  nicht  nachweisbar.  Ganz  anders 
am  Entzündungsherd.  Nach  der  Verbrühung  ist  der  Entzündungsherd 
sofort  geschwollen,  geschwollen  dadurch,  dass  nicht  bloss  die  Blutgefässe, 
die  Kapillaren  inkl.,  strotzend  mit  Blut  erfüllt  sind,  sondern  auch  dadurch 
dass  das  ganze  Parenchym  überdies  mit  Flüssigkeit  erfüllt  ist.  Während 
<ler  Durchstich  durch  die  Kapillaren  senkrecht  durch  das  Ohr  hindurch 
Blutstropfen  austreten  lässt,  ergiebt  der  flache  Horizontalstich  unter  die 
Haut  des  Entzündungsherdes  überall  Ödem.  Höchst  auffallend  ist  der 
Schmerz  bei  der  akuten  Entzündung.  Streicht  man  mit  einem  stumpfen 
Haken  das  Sympathikusohr,  so  schmerzt  es  nicht  mehr,  als  ein  gesundes. 
I>as  akut  entzündete  Ohr  schmerzt  aber  sehr  lebhaft,  lebhafter  auch  als  bei 
Kombination  von  venöser  Stauung  mit  Sympathikushyperämie,  auch  leb- 
hafter als  nach  subkutaner  Wasserinjektion  ins  Ohr.  Durch  die  Gleich- 
mässigkeit  xmd  helle  Röte  des  Rubor  unterscheidet  sich  der  Entzündungs- 
herd schon  makroskopisch  von  der  Kombination,  die  den  ähnlichsten 
äusseren  Effekt  hervorruft,  der  Kombination  von  Sympathikuslähmung 
nnd  venöser  Stauung.  Der  Entzündungsherd  geht  genau  so  weit  wie  die 
Verbrühung,  er  schliesst  strikt  mit  der  Verbrühungslinie  bei  dieser  Ver- 
brülmng  geringen  Grades  ab.  Der  ganze  Rest  des  Ohres  bis  zur  Ohrwurzel 
it  anfangs  völlig  klar,  ganz  blass  ohne  jede  Schwellung  und  Trübung  in 
Völler  Integrität,  mit  Ausnahme  des  Arterienstammes  und  der  grossen 
Venen.  Der  Arterienstamm,  während  der  Verbrühung  erweitert,  zieht  sich 
später  infolge  der  Verdampfung  zusammen.  Doch  schwindet  diese  Ver- 
<lunstungskontraktion  bald  wieder  und  macht,  je  wärmer  die  Umgebung, 
«iesio  rascher  einer  dauernden  Erweiterung  der  Arteria  auricularis  bis  zur 
^Vurzel  Platz,  eine  Erweiterung,  die  meist  über  die  Sympathikuslähmung 
Mnausgeht.  Sie  dauert  viele  Stunden  an  und  bewirkt  starke  Rötung  und 
Erhitzung  des  ganzen  Ohres  und  entschiedene  Zunahme  der  Exsudation 
am  Entzündungsherde.  Auch  schwellen  die  grossen  Randvenen,  die  das 
Blut  aus  dem  Entzündungsherde   wegführen,  nicht  aber  die  Mittel-   und 


74  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

kleinen  Venen,  das  Parenchym  bleibt  blass,  die  Kapillaren  so  schwach 
injiziert,  wie  in  der  Norm.  In  der  ganzen  Nachbarschaft  des  Entzündungs- 
herdes, im  Entzündungshofe,  ist  anfänglich  keine  Spur  von  Trübung,  von 
Ödem  zu  entdecken.  Dies  dauert  mindestens  Va— 1  Stunde,  bei  schwacher 
arterieller  Kongestion  auch  2 — 3  Stunden  an,  bis  dann  ziemlich  plötzlich  im 
Entzündungshofe  ein  neues  Schauspiel  sich  entwickelt.  Vom  Entzündungs- 
herde ausgehend  beginnt  eine  trübe  Schwellung  im  Entzündungshofe  in 
der  Mitte,  zuerst  in  den  perivaskulären  Räumen  der  grossen  Gefässe,  der 
Arteria  auricularis  und  der  Mittelvene.  Während  diese  Trübung  mit  deut- 
Uch  fühlbarer,  allmählich  wachsender  Schwellung  an  den  Gefässen  herunter- 
kriecht, breitet  sie  sich  auch  nach  allen  anderen  Richtungen  aus,  so  dass 
nach  etwa  4 — 5  Stunden  das  ganze  Ohr  bis  zur  Ohrwm'zel  eine  gleich- 
massige  trübe  Schwellung  darbietet,  die  ganze  Fläche  von  4 — 5  cm  Länge 
und  mehreren  Centimetern  Breite  ist  vöUig  überschwemmt.  Dabei  fehlt 
jede  Spur  eines  entzündlichen  Rubors  im  ganzen  Entzündungshofe.  Dass 
dies  Entzündungsödem  im  Hofe  ausschliesslich  aus  dem  Entzündungsherde 
stammt,  vom  Herde  aus  sich  ausbreitet,  lehrt  der  Augenschein.  Sticht 
man  getrübte  Stellen  an,  so  perlt  ein  Tropfen  hervor,  man  muss  schon 
ziemlich  kräftig  drücken,  ehe  man  eine  grössere  Ödemmenge  aus  den 
Maschen  des  Bindegewebes  hervorpressen  kann.  Wie  die  Untersuchung 
ergiebt,  findet  sich  in  der  eiweisshaltigen  Flüssigkeit  ein  ganz  geringer 
Gehalt  von  Leukocyten,  doch  fehlen  sie  durchaus  nicht.  Nunmehr  ist  das 
Ohr,  trotzdem  nur  die  Spitze  verbrüht  worden  war,  von  der  Spitze  bis 
zur  Wurzel  ganz  gleichmässig  stark  geschwollen,  schwer  und  fällt  seines 
Gewichtes  wegen  herab.  Das  ganze  scheint  jetzt  ein  Entzündungsgebiet 
zu  sein.  Deutlich  zeigt  jedoch  die  obere  Hälfte  eine  stärker  rote,  die  untere 
eine  blasse  Farbe,  doch  ähnelt  sich  das  Kolorit,  indem  die  Rötung  der 
oberen  Hälfte  durch  das  Exsudat  gedämpft  wird  und  andererseits  durch 
Ansammlung  von  Exsudat  auch  auf  die  Gefässe  des  Entzündungshofes  ein 
schwacher  Reiz  ausgeübt  wird,  wie  dies  auch  bei  subkutanen  Wasserin- 
jektionen ins  Ohr  nachweisbar  ist.  Vom  Augenbhcke  der  Verbrühung  an 
gerechnet,  pflegen  alle  diese  Erscheinungen  ihren  Höhepunkt  in  18—24 
Stunden  zu  erreichen,  auf  demselben  mehrere  Stunden  zu  bleiben.  Ln 
Stadium  der  Entzündungshöhe  stehen  nun  alle  Erscheinungen  in  voll- 
ster Blüte.  Am  Entzündungsherde  haben  sich  nun  zu  allen  früheren 
Erscheinungen  mehr  oder  weniger  grosse  Blasen  hinzugesellt.  Auch  hier 
ergiebt  die  mikroskopische  Untersuchung  anfangs  eine  fast  wasserklare 
Flüssigkeit,  in  der  nur  noch  wenig  Leukocyten  aufzufinden  sind.  Die 
Arterie  übertrifft  den  Umfange  nach  blosser  Sympathikuslähmung,  um  die 
Hälfte  und  mehr,  die  Temperatur  bleibt  erhöht,  geht  aber  nicht  über  die 
der  Sympatliikuslähmung  hinaus.    Durchsticht  man  den  Entzündungsherd 


EDtzQnduDg.  75 

an  den  verschiedensten  Stellen,  so  quillt  überall,  auch  aus  den  erweiterten 
Kapillaren,  Blut  hervor.  Auch  der  Dolor  ist  jetzt  am  heftigsten.  Bei 
Streichung  des  Herdes  mit  einem  stumpfen  Instrument  fährt  jetzt  das  Tier 
zusammen,  als  wenn  es  von  elektrischen  Schlägen  getroffen  würde.  Dieser 
Dolor  endigt  genau  mit  der  Grenze  des  Entzündungsherdes.  Der  Entzündungs- 
hof, der  jetzt  durchaus  nicht  weniger  infiltriert  und  geschwollen  ist,  als  der 
Entzündungsherd,  zeigt  keine  Spur  von  Blasenbildung.  Die  Infiltration  er- 
streckt sich  jetzt  nicht  bloss  bis  zur  Ohrwurzel,  sondern  auch  bis  zur  Kopfhaut. 
Die  x\rterie  ist  im  Hofe  kongestioniert,  die  Venen  sind  mächtig  geschwollen, 
von  einer  gleichmässigen  Kapillaratonie  ist  aber  keine  Spur.  Der  Ent- 
zündungshof sieht  schwachrosa,  der  Entzündungsherd  dunkelrot  aus.  Die 
Entzündungshöhe  bringt  die  höchste  Fieberhöhe,  Temperatureteigerung 
von  38,6  auf  39,6.  Nach  36—48  Stunden,  von  Beginn  der  Verbrühung  an 
gerechnet,  pflegt  die  Höhe  völlig  überwunden  zu  sein,  Kongestion,  Hitze  und 
Exsudation  nehmen  nun  ab.  Das'  Schicksal  von  Herd  und  Hof,  das  auf 
der  Höhe  der  Entzündung  einander  parallel  ging,  gestaltet  sich  nunmehr 
überaus  verschieden,  im  Hof  rascher  Schwund  des  Ödems,  so  dass  das- 
selbe meist  nach  2—3  Tagen  gänzlich  beseitigt  ist,  im  Herde  hingegen 
noch  Fortbildung  und  Reifung  einzelner  Erscheinungen  und  ein  so  schlep- 
I)ender  Rückgang  der  totalen  Cirkulations-  und  Ernährungsstörung,  das 
14  Tage  und  mehr  zu  völliger  Wiederherstellung  vergehen.  Zunächst 
nimmt  das  Entzündungsödem  im  Hofe  ab.  Diese  Abnahme  gestattet 
einen  klaren  Einblick  in  die  Beschaffenheit  der  Arteria  auricularis.  Die 
Kontraktionen  derselben,  die  auf  der  Höhe  der  Entzündung  sehr  selten 
waren,  nehmen  jetzt  an  Häufigkeit,  Dauer  und  Stärke  zu,  die  Dilatationen 
werden  seltener  und  unausgiebiger,  in  Summa:  die  Kongestion  und  Hitzre 
nimmt  immer  mehr  ab.  Dabei  bleiben  die  grossen  Venen  nach  wie  vor 
«lick  im  Entzündungshofe  geschwollen,  nehmen  an  der  arteriellen  Kontraktion 
auch  nicht  den  geringsten  Teil.  Bald  w^erden  die  Arterienkontraktionen 
auch  rhythmisch,  das  Ödem  schwindet  im  Hofe  gänzlich,  während  es  im 
Entzündungsherde  nur  abnimmt.  Nach  Ablaut  des  dritten  Tages  pflegt 
der  Hof  ganz  klar  zu  sein,  die  Arterie  in  ihm  verengt.  Jetzt  beginnt  auch 
der  Abschnitt  der  Arterie  im  Entzündungsherde  sich  zu  kontrahieren, 
während  hier  alle  Venen  und  das  ganze  Kapillametz  sich  unverändert 
gerötet  zeigen  und  mit  Blut  vollgepfropft  sind.  Ruber  und  Calor  gehen 
jetzt  im  Entzündungsherde  ganz  auseinander.  Die  Injektion  dauert  fort, 
die  (iefässe  sind  mit  teilweise  stagnirendem  Blut  erfüllt ,  doch  der  frische 
Blutzufluss  von  der  Arterie  her  ist  sehr  gering.  Die  Temperatur  der  Ohr- 
spitze sinkt  bis  auf  5°  gegenüber  der  Spitze  eines  Sympathikusohres.  Die 
erhebliche  Verminderung  des  Blutzuflusses  geht  auch  daraus  hervor,  dass 
man  in  diesem  Stadium   den  nicht  mehr   hell-   sondern   dunkelblauroten 


76  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  PhyBiologie. 

Entzündungsherd  durch  und  durch  stechen  kann,  ohne  dass  an  den  meisten 
Stellen,  von  wenigen  abgesehen,  ein  Blutstropfen  hervorquillt.  Überall 
sonst  treten  nur  Exsudattropfen  auf.  Diesem  sehr  beschränkten  Blutzufluss 
entspricht  es,  dass  die  Blutsäule  in  den  Gefässen  schwer  oder  gar  nicht  ver- 
schiebbar ist,  schwer  kehrt  auch  das  verdrängte  Blut  wieder  zurück.  Strychnin- 
krämpfe,  welche  die  Arterie  zur  engsten  Kontraktion  bringen,  ändern  an 
der  Füllung  der  Kapillaren  und  Venen  nicht  das  geringste.  Auch  im  Tode 
nimmt  diese  Röte  nicht  ab.  Doch  verfallen  diese  Partieen  mit  ganz  be- 
schränkter Blutcirkulation  durchaus  nicht  dem  Brande,  sondern  sind  der 
Wiederherstellung  fähig  ohne  alle  grösseren  Substanzverluste.  Am  Ent- 
zündungsherde ist  erst  am  neunten  Tage  ein  völUger  Rückgang  der  Schwel- 
lung zu  verzeichnen.  Der  längst  eitrig  gewordene  Blaseninhalt  verschorft, 
fällt  ab.  Zahlreiche  violette  Entzündungsflecke,  von  Gefässektasieen  her- 
rührend, bleiben  zurück,  bis  allmählich  zum  14.  Tage  der  Herd  völlig  ge- 
heilt sein  kann  unter  Abstossung  von  grösseren  oder  kleineren  Schorfen 
und  Regeneration  der  Haut.  Am  Entzündungshofe  bleibt  weder  Abschup- 
pung noch  Haarausfall,  noch  irgend  eine  Ernährungsstörung  zurück.  In 
diesem  Gesamtbild  der  akuten  Entzündung  ist  es  deuüich  die  arterielle 
Kongestion,  welche  in  die  alterierten  Gefäss wände  die  grössere  Blutmenge 
hineinführt,  dadurch  in  den  Gefässen  den  Rubor  und  Calor  veranlasst 
und  durch  die  reichliche  Beschaffung  des  Exsudationsmaterials  Tumor  und 
Dolor  verursacht.  Die  Wendung  zur  Heilung  tritt  dadurch  ein,  dass  die 
Arterie  innerhalb  des  ganzen  affizierten  Gefässnetzes  sich  zuerst  erholt, 
durch  Beschränkung  der  Blutcirkulation  und  Exsudation  den  Prozess  zum 
Stillstand  bringt.  Die  Abhängigkeit  des  Entzündungsödems  von  der 
Stärke  der  arteriellen  Kongestion  ist  aufs  deutlichste  dargethan.  Damit  ist 
nachgewiesen  in  wie  hohem  Grade  der  Tumor  und  die  Fimctio  laesa.  durch 
die  arterielle  Kongestion  bedingt  sind.  Die  arterielle  Kongestion  ihrerseits 
ist  zum  Teil  Effekt  der  Alteration  der  Arterienwand,  also  Koefifekt  der 
lokalen  Alteration  der  Gefässwände,  ziun  Theil  aber  nachweisbar  Effekt 
der  Reflexparalyse  der  Gefässnerven,  hervorgerufen  durch  die  Reizung  der 
sensiblen  Nerven,  wie  bei  dem  Einflüsse  der  Blutcirkulation  und  Inner- 
vation auf  den  Entzündungsprozess  noch  näher  auszuführen  sein  wird. 
Zur  Herstellung  des  Charakters  der  akuten  Entzündung  haben  also  in 
einander  zu  greifen,  die  Alteration  der  Gefässwände  des  ganzen  lokalen 
Gefässnetzes,  die  Fortdauer  der  Blutcirkulation,  die  Verstärkung  des  Blut- 
zuflusses durch  eine  bis  zur  maximalen  gehenden  arteriellen  Kongestion. 
Die  letztere  bedingt  nicht  den  Entzündungsprozess  an  sich,  dieser  kann 
auch  z.  B.  beim  Emplastrum  cantharidum,  bei  schwacher  arterieller  Kon- 
gestion, nie  aber  allerdings  ohne  allen  arteriellen  Zufluss,  eintreten.  Doch 
ist  es  die  arterielle  Kongestion,  die  den  kongestiven  akuten  Charakter  des 


Kntzflndung.  77 

Vorganges,  die  Massenhaftigkeit  des  Exsudats,  das  Entzündungsödera  be- 
dingt, deren  Nachlass  auch  die  Rückbildung  des  Entzündungsprozesses  ein- 
leitet, natürlich  Sublata  causa,  wenn  durch  das  Weiterwirken  der  Ursache 
die  Rückbildung  nicht  unmögKch  gemacht  ist. 

Die  Details  der  CSrkulationstörung  sind  erst  durch  Cohnheim  (12)  zur 
allgemeinen  Anerkennung  gelangt;  wenn  auch  Dutrochet  und  Waller 
(82)  ÄhnUches  gesehen  haben,  so  scheinen  sie  sich  der  Bedeutung  ihrer 
Beobachtung  wenig  bewusst  gewesen  zu  sein.  Über  die  Triebfedern  der 
einzelnen  Vorgänge  wird  noch  viel  debattiert-  Die  Wandstellung  der  Leu- 
kocyten  in  den  Venen  wird  nach  älteren  Versuchen  von  Schklarewski  (69) 
als  ein  rein  physikalisches  Phänomen  gedeutet.  Von  fein  pulverisierten 
Substanzen,  welche  in  Flüssigkeiten  suspendiert  in  Röhren  strömen, 
sollen  bei  Verlangsamung  des  Stromes  die  spezifisch  leichteren,  dann  auch 
die  schwereren  in  die  Randzone  übertreten.  Viel  ist  über  die  Auswande- 
rung der  Leukocyten  gestritten  worden.  Es  handelt  sich  dabei,  wie  man 
jetzt  weiss,  um  durchaus  nichts  absolut  Pathologisches,  vielmehr  finden 
sie  sich  normal  in  manchen  Geweben  und  wandern  nicht  bloss  in  Lymph- 
gefässe,  sondern  auch  in  Blutgefässe  ein  (Bubnoff,  Ranvier,  Senft- 
leben).  Über  dem  Lymphadenoiden-Gewebe  in  der  Schleimhaut  sind  sie 
stets  in  reichlicher  Menge  und  wandern  durch  die  Epithelzellen,  sie  durch- 
•Iringend,  an  die  Oberfläche  (Stöhr  74).  Auch  in  den  Lungenalveolen 
sollen  sie  vereinzelt  an  die  Oberfläche  kommen  (Sie bei).  Bei  den  Ent- 
zündungen handelt  es  sich  also  nur  um  ein  bedeutendes  Plus  von  Leuko- 
cyten. Emigriert  dieses  Plus  oder  wird  es  exsudiert?  Exsudation  findet  jeden- 
falls statt  aus  den  in  der  Entzündung  durchlässigeren  Gefässen  mit  Hilfe 
des  Blutdruckes,  denn  in  serösen  Entzündungen  werden  fast  gar  keine 
Leukocyten,  sondern  nur  Blutserum  exsudiert  und  in  hämorrhagischen  rote 
Blutkörperchen,  die  jeder  Eigenbewegimg  ermangeln.  Dieselben  Momente 
müssen  auch  für  die  Leukocyten  wirksam  sein.  Ist  der  Blutdruck  stark 
herabgesetzt,  wie  durch  Unterbindung  der  zuführenden  Arterie,  so  tritt 
auch  Exsudation,  auch  Eiterung  erst  mit  der  Entwickelung  des  KoUateral- 
kreislaufs  ein.  Nichtsdestoweniger  wird  man,  da  den  Leukocyten  einmal 
die  amöboide  Bewegungsfähigkeit  zukommt,  derselben  einen  Anteil  an  der 
oft  sehr  starken  Leukocyten-Emigration  zuschreiben  müssen.  Die  Leukocyten 
haften  besser  an  der  Wand  an,  schicken  ihre  feinen  Ausläufer  leichter 
durch  die  Gefässwände  durch,  ziehen  und  dehnen  sich  nach  Bedürfnis^ 
wandern  auch  an  der  Aussenwand  leichter  fort  als  die  Erythrocyten.  Neben 
der  grösseren  Durchlässigkeit  der  Gefässwand  und  dem  Blutdruck  wird  also 
auch  der  Mobilität  der  Leukocyten  ein  Anteil  zuzuerkennen  sein.  Ihre  Lebens- 
energie wird  nach  Thoma  (79)  durch  Kochsalzlösung  von  1,5  ®/o,  nach 
Binz  (5),    Appert,   Kerner  durch  Chinin    und  Jodoform  herabgesetzt. 


78  Allgem.  patbol.  Moi*phologie  und  Physiologie. 

Während  Eberth  einen  derartigen  Einfluss  des  Chinins  nicht  feststeilen 
konnte.  Als  die  vorzüglichsten  Durch  wanderungssteilen  sehen  Arnold  (1), 
Thoma  (79),  Engelmann  (16)  die  sogenannte  Stomata  an,  eine  weiche 
Kittsubstanz  zwischen  den  Rändern  der  Endothelzellen,  welche  bei  deu 
mit  Zellenemigration  verbundenen  Cirkulationstörungen  eine  Änderung 
erleidet,  indem  zahlreiche  umschriebene  Erweiterungen  sichtbar  werden. 
Infolge  des  Durchwandems  von  Leukocyten  in  grösserer  Menge  an  diesen 
Stellen  wird  dann  die  Kittsubstanz  noch  durchlässiger  und  es  können  als- 
dann an  diesen  Stellen  auch  rote  Blutkörperchen  rasch  hinter  einander 
durchtreten. 

Es  ist  neuerdings  der  Versuch  gemacht  worden,  die  ganze  Auswan- 
derung der  Leukocyten  auf  Chemotaxis  zurückzuführen,  ja  eine  chemotaktische 
Entzündungstheorie  aufzustellen.     Die  Chemotaxis,  die  von  Pfeffer  {5<5) 
1883  zuerst  erkannte  Anlockung  und  Abstossung  beweglicher  Pflanzen-  und 
Tierzellen  durch  chemische  Wirkungen,  so  von  Myxomyceten,   Bakterien, 
Infusorien,  Schwarmsporen  und  Samenfäden,  ist  von  Leber  (39),  Buch- 
ner (7),  Massart  (47),  Bordet  (46),   Gabritschewsky  (18)  auch   auf 
die  Leukocyten  angewandt  worden.      Leber  (36)  sagt  in  seinem  Werke: 
Über  Entstehung  der  Entzündung,  1891  S.  465  folgendes:  „Die  Frage  er- 
scheint wohl   berechtigt,   ob   dieselbe  Ursache,   welche   die  Richtung  der 
Wanderung  der  Leukocyten  ausserhalb  der  Gefässe  beherrscht,  nicht  auch 
an  der  Auswanderung  derselben  aus  den  Gefässen  beteiligt  ist  und  viel- 
leicht den  wesentlichsten  Faktor    dabei   abgiebt.    Eine  Mitwirkung   kann 
nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden,  da  die  StofEe,  welche  die  Wande- 
rung der  Leukocyten  beeinflussen  bei  ihrer  Weiterverbreitung  durch  Diffu- 
sion sicher  auch  in  die  Blutgefässe  gelangen  und  da  kein  Grund  abzusehen 
ist,  warum  sie  auf  die  im  Innern  der  Gefässe  enthaltenen  Leukocyten,  zu- 
mal wenn  sich  diese  schon  zu   der  ruhenden  Schicht  an  die  Gefässwand 
angelagert  haben,  nicht  in  gleicher  Weise  wirken  sollten  wie  auf  diejenigen, 
welche  schon  das  Gefässinnere  verlassen  haben.    Er  kommt  zu  dem  Resul- 
tate S.  475:   Was  aber  die  Auswanderung  der  meisten  Blutkörper  betrifft, 
so  dürften  sowohl  Blutdruck  als  vermehrte  Diu-chlässigkeit  der  Gefässwände 
nur  Umstände  sein,  welche  das  Durchtreten  der  Leukocyten  begünstigen 
und  für  die  oft  so  grosse  Massenhaftigkeit  und  Geschwindigkeit  der  Aus- 
wanderung keine  Rechenschaft  geben.    Die  eigentliche  Ursache  muss  wohl 
in  den  Umständen  gesucht  werden,  welche  die  latente  Bewegungsfähigkeit 
der  Leukocyten  anregen  und  die  nach  aussen  gehende  Richtung  derselben 
bestimmen."     Und  S.  437 :  „Die  Gruppierung  der  Leukocyten  an  der  Ent- 
zündungsstelle drängt  zu  der  Annalime,  dass   die  entzündungserregenden 
Substanzen,    nachdem  sie  durch  Diffusion  zu  den  Gefässen  gelangt   sind, 
nicht  nur  die  Auswanderung  der  Leukocyten  veranlassen,  sondern  aucli 


EntzfiDdung.  79 

die  Auswanderung  beherrschen.  Ist  die  Wirkung  der  toxischen  Substanzen 
gering,  so  können  die  Leukocyten  bis  an  den  Ort  des  Reizes  gelangen,  ehe 
sie  die  Hemmung  erfahren/'  Seite  530  heisst  es ;  „Die  Entzündung  stellt 
sieh  als  eine  Reihe  von  Vorgängen  dar,  welche  sämtlich  durch  die  Ein- 
wirhing  der  Schädüchkeit  hervorgerufen,  dem  Zwecke,  diese  zu  bekämpfen, 
dienstbar  sind."  S.  531:  „übi  Stimulus,  ibi  affluxus  bezieht  sich  ebenso 
wohl  auf  die  Eiterbildung,  als  auf  die  entzündliche  Hyperämie  und  üefäss- 
neubildung  und  findet  jetzt  in  der  chemotaktischen  Wirkung  der  Entzün- 
duDgsreize  seine  tiefere  Begründung.*'  S.  631 :  „Der  Nutzen  der  eitrigen 
Entzündung  beruht  auf  dem  Vorgang  der  Histolyse  und  der  durch  Enzym 
vermittelten  Lösung  des  Fibrins,  welches  aus  den  Blutgefässen  infolge  der 
Schädigung  ihrer  Wandungen  austritt  und  gerinnt.*'  So  Leber.  —  Prüft 
man  die  Theorie  im  ganzen,  so  muss  man  sagen,  dass  die  chemotaktische 
Theorie  zur  Erklärung  des  ganzen  Entzündungsprozesses  durchaus  unzu- 
reichend ist.  Die  Chemotaxis  wirkt  auf  kleine  Entfernungen  und  mit 
geringer  Kraft.  Dass  sie  bedeutende  Widerstände  zu  überwinden  vermag, 
i?t  in  exakten  botanischen  Versuchen  durchaus  nicht  'dargethan.  Bei  der 
Entzündung  müsste  sie  aber  veranlassen,  dass  von  der  Mitte  der  Kornea 
aus  eine  Attraktion  ausgeübt  wird  auf  die  in  den  Randgefässen  der  Kornea 
cirkulierenden  Leukocyten,  eine  Anziehung,  welche  mächtig  genug  wäre, 
den  Widerstand  der  Gefässwände  und  der  peripheren  Korneazellen  bis  zur 
Mitte  zu  überwinden.  Ferner  werden  Entzündung  und  Eiterung  durch  die 
allerverschiedensten  festen  Fremdkörper  veranlasst,  auch  durch  solche,  welche 
wegen  ihrer  Festigkeit  und  Unlösbarkeit  gar  keine  chemotaktischen  Einflüsse 
zu  üben  vermögen.  Eiterung  stellt  sich  auch  bei  blosser  Verbrühung  ein  und 
W  Anämie  von  8— 10-stündiger  Dauer,  wo  von  Chemotaxis  gar  keine  Rede 
sein  kann.  Die  Entzündungen  aus  mechanischen  und  physikalischen  Ur- 
sachen verlaufen  aber  denen  aus  chemischen  Ursachen  so  analog,  dass  völlig 
verschiedene  Erklärungsprinzipien  unstatthaft  und  unausreichend  wären.  So 
w^enig  wie  alle  phlogogenen  Ursachen  chemotaktische  sind,  so  wenig  sind  auch 
alle  chemotaktische  Ursachen  phlogogene.  Geraddie  allerersten  Umwandlungs- 
l-rodukte  von  Eiweisskörpem  aus  Muskeln,  Leber  sind  nach  Buchner  aus- 
gezeichnete chemische  Lockmittel,  es  wäre  aber  sehr  gefährlich  für  unsem 
Korper,  insbesondere  für  Magen  und  Darmkanal,  aber  auch  anderwärts, 
wenn  dieselben  auch  Entzündungsursachen  wären.  Die  Selbstentzündungen 
in  unserem  Organismus  würden  gar  nicht  aufhören.  Gänzlich  bedeutungslos 
wäre  die  Chemotaxis  für  die  Eintreibung  der  Wenn  auch  geringen  Menge 
Leukocyten  mit  dem  Entzündungsödem  in  den  Entzündungshof.  Wenn 
sich  nach  der  Verbrühung  der  Ohrspitze  Leukocyten  bis  zur  Ohrwurzel 
taden,  so  können  sie  nicht  durch  Chemotaxis  bis  in  die  Ohrwurzel  getrieben 
^in,  sondern  sie   sind   unter  wesentlicher  Beihilfe  der  grösseren  Durch- 


gO  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

lässigkeit  der  Gefässwände,  durch  den  Exsudationsdruck  getrieben.  Mit 
dem  Nachlass  der  starken  arteriellen  Kongestion  hört  dann  auch  der 
Exsudationsdruck  auf,  das  Odem  wird  resorbiert.  Diesen  Exsudationsslrom 
beherrschen  also  ganz  andere  Kräfte.  Nur  als  untergeordnetes  Moment 
für  die  Ansammlung  und  Festhaltung  der  Leukocyten  an  der  Läsionsstelle 
an  der  bedrohten  Stelle  könnten  Kräfte  von  so  geringer  Femwirkung  wie 
Chemotaxis  und  taktile  Reizbarkeit  in  Betracht  kommen.  Nicht  die 
Wanderung  der  Leukocyten,  sondern  nur  ihre  Ansammlung,  ihr  dauerndes 
Verbleiben  an  einzelnen  Stellen  könnte  dadurch  vielleicht  erklärt  werden. 
Unter  dem  frischen  Eindruck  der  unerwartet  grossartigen  Erfolge  der 
Lister  sehen  Antiseptik  wurde  die  bakterielle  Infektion  vielfach  als  das 
alleinige  ätiologische  Moment  angesehen  und  insbesondere  war  es  Hüter, 
der  nur  eine  Ursache  der  Entzündungen,  zumal  der  eitrigen,  anerkennen 
wollte,  die  Spaltpilze.  Wer  früher  bereits  —  Experimenti  causa  —  mit 
den  verschiedenartigsten  Entzündungsursachen  zu  thun  hatte,  der  wusste 
aber,  dass  es  trotz  der  Allgemeinverbreitung  der  Bakterien  gar  nicht  leicht 
ist,  eine  grössere  Eiterung  zu  erzielen,  dass  es  von  den  chemischen 
Stoffen  fast  nur  in  grösserem  Umfange  mittelst  Terpentinöl  und  besonders 
mittelst  Petroleums  gelingt.  Indess  hat  es  der  experimentellen  Arbeit  bis 
in  unsem  Berichtszeitraum  (Kr  onac  her  (34)  1890)  bedurft,  mn neben  der  beim 
Menschen  am  häufigsten  bakteriellen  Eiterung  auch  die  vollständig  keimfreie, 
rein  chemische  Eiterung  über  jeden  Zweifel  sicher  zu  stellen.  Der  Ruf  „keine 
Eiterung  ohne  Mikroorganismen"  ist  denn  auch  verhallt.  Als  häufigste  Eiter- 
bakterien sind  jetzt  allgemein  anerkannt  der  Staphylococcus  pyogenes  aureus, 
dieser  in  80^/o  aller  Fälle,  der  ihm  nahe  verwandte  Staphylococcus  pyogenes 
albus  und  der  Streptococcus  pyogenes.  Dies  sind  die  häufigsten  Ursachen 
unsrer  vulgären  Eiterungen.  Seltner  kommen  vor  der  Bacillus  pyocyaneus 
der  Micrococcus  pyogenes  tenuis,  der  Bacillus  pyogenes  foetidus  und  der 
Staphylococcus  cereus  albus  imd  flavus.  Eine  besondere  spezifische  Bedeutung 
hat  der  N  ei  SS  er  sehe  Gonococcus  und  der  Fränkelsche  Pneumoniecoccus. 
Aber  neben  diesen  und  andern  pyogenen  Bakterien  giebt  es  nach  den  sehr  sorg- 
fältigen und  einwandsfreien  Untersuchungen  von  Grawitz  und  de  Barry, 
Scheurlen  (72),  Rosenbach,  Kronacher  (34)  und  zahlreichen  andern  eine 
ganze  Anzahl  völlig  keimfrei  gehaltener  Substanzen,  wie  Terpentinöl,  Petro- 
leum, Argentum  nitricum,  Liquor  ammonii  caustici  u.  a.,  die  in  der  Sub- 
kutis  akute  und  starke  Eiterung  zu  setzen  vermögen.  Aber  auch  die 
sterilisierten  Kulturen  verschiedener  Mikroorganismen  wirken  in  gleicher 
Weise  wie  Kadaverin  (19),  Tuberkulin,  Penthamethylendyamin ,  ja  die 
Leichen  der  verschiedensten  Bacillen,  insbesondere  der  Tuberkelbacillen 
gehören  geradezu  zu  den  stärksten  pyogenen  Substanzen.  Daraus  geht 
aber  hervor,  dass  auch  das   in  den  Bakterien  wirksame  Prinzip  ebenfalls 


Entzfindung.  gl 

ein  chemisches  ist,  wodurch  nun  die  Eitererzeugung  durch  Bakterien 
eine  ganz  andere  Physiognomie  erhält.  Die  Entzündungslehre  wird 
dadurch  wieder  erheblich  vereinfacht.  Wenn  wir  als  sicheren  Gewinn  der 
Bakteriologie  für  die  Entzündungslehre  den  Satz  festhalten  dürfen,  dass 
die  Eiterung  unter  den  gewöhnüchen  Verhältnissen  beim  Menschen  zumal 
durch  die  Anwesenheit  von  Mikroorganismen  entsteht,  so  dürfen  wir  nun- 
mehr hinzusetzen,  dass  die  Art  ihrer  Wirksamkeit  in  einer  durch  Gifte 
hervorgerufenen  Alteration  der  Gefässwände  und  Gewebe  besteht.  Also 
nicht  alle  Entzündungen  sind  infektiösen  Ursprunges  und  die  infektiösen 
Ursachen  selbst  wirken  grösstenteils  durch  chemische  Läsion,  selten  durch 
Gefässverstopfung  und  mechanische  Läsionen  allein. 

Seit  Cohnheim  ist  die  Exsudation  der  Leukocyten  aus  den  Blut- 
gefässen unbestritten,  gleichviel  ob  durch  Emigration  oder  Chemotaxis,  auf 
chenaische  oder  bakterielle  Anlässe.  Neben  dieser  Herkunft  aus  den  Blut- 
gefässen wurde  schon  früher  von  Stricker  (76,  77)  und  Heitzman, 
neuerdings  vonGrawitz  (22,  24)  und  seinen  Schülern  eine  Entstehung  von 
Eiterkörperchen  aus  Schlummerzellen  des  Bindegewebes  behauptet.  Die 
hichlummerzellen  des  Bindegewebes  sollten  erwachen,  mobil  werden  und 
eine  reichliche  sogenannte  kleinzellige  Infiltration  Uefem,  ehe  nur  eine 
einzige  farblose  Blutzelle  eingewandert  oder  eine  einzige  fixe  Zelle  in  Mitose 
übergegangen  ist.  Die  eitrige  Schmelzung  beruht  nicht  auf  einer  auf- 
lösenden Wirkung  des  Eitergiftes  auf  Bindegewebe,  sondern  auf  aktive  Um- 
wandlung der  Intercellularsubstanz  zu  Zellen.  Nach  Grawitz  ist  es  eine 
«iurchgehendes  Gesetz  für  Bindesubstanzen,  für  Muskeln  und  peripheres 
Xen-engewebe,  dass  sie  sich  alle  aus  ursprünglich  indifferenten  embryonalen 
Zellen  aufbauen,  dass  sie  alle  eventuell  nach  Verlust  ihrer  charakteristischen 
Bestandteile  (Intercellularsubstanz,  Fett,  Myosin,  Myelin)  in  denselben 
ztUigen  Zustand  zurückkehren  und  endlich  wieder  durch  Übergang  der 
Zellen  in  den  Schlummerzustand  zu  faserigem  Bindegewebe  oder  Schleim- 
gewebe umgewandelt  werden  können.  Allenthalben  sollen  in  den  Geweben 
Jiese  verborgenen,  unseren  kemfärbenden  Farben  nicht  zugänglichen  und 
Jäher  nicht  erkennbaren  Schlummerzellen  liegen ,  die  dann  bei  der  Ent- 
zündung erwachen,  sich  vergrössern,  durch  Kernfarben  färbbar  und  da- 
flurch  erkennbar  werden.  95^/o  aller  vorhandenen  Zellen  sollen  geradezu 
^eh  im  Schlummerzustand  befinden.  —  Über  diese  sogenannte  Schlummer- 
zellentheorie ist  eine  ganze  Litteratur  entstanden,  welche  von  Beneke  (3) 
»ehr  eingehend  dargestellt  worden  ist.  Fast  alle  namhaften  Autoren,  wie 
Weigert  (87),.Eberth  (15) erklären  sich  gegen  diese „Intercellularpathologie''. 
Aus  den  lang  bekannten  Bildern  entzündeter  und  neugebildeter  Gewebe 
i?t  der  Nachweis  einer  Entstehung  von  Zellen  aus  Zwischensubstanz  nicht 
g^föhrt.    Nicht  die  Bilder  werden  geleugnet,  sondern  die  Beweiskraft  der 

Lsbarsch-Os tortag,  Ergebnisse  Abteil.  H.  6 


32  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Schlüsse.  Ziegler  (91)  resümiert  den  von  den  meisten  Pathologen  ange- 
nommenen Standpunkt  gegenwärtig  dahin  (S.  342) :  Die  bei  den  akuten 
Entzündungen  in  den  ersten  Stunden  und  Tagen  sich  in  den  Geweben 
anhäufenden  Zellen  sind  aus  dem  Blute  ausgetretene  Leukocyten  und  es 
gilt  dies  insbesondere  für  alle  Zellen,  welche  den  Charakter  poly-  und 
mononucleärer  Leukocyten  tragen.  Eine  Gewebswucherung  stellt  sich  zwar 
im  Laufe  der  Entzündung  fast  immer  ein,  allein  sie  vermag  erst  im  Laufe 
einiger  Tage  eine  grössere  Menge  von  Zellen  zu  produzieren  und  die  Zellen 
tragen  nicht  den  Charakter  von  Lymphocyten.  Ein  Zweifel  über  die  Herkunft 
der  Zellen  besteht  nur  bei  einem  Teile  der  mononukleären  Formen,  indem 
das  wuchernde  Gewebe  Zellen  produzieren  kann,  welche  den  grösseren 
Formen  der  mononukleären  Leukocyten  sehr  ähnlich  sind  und  thatsächlich  bis 
jetzt  nicht  von  denselben  unterschieden  werden  können.  —  Abgesehen  da- 
von, dass  die  Leukocyten  sich  noch  ausserhalb  der  Gefässwände  teilen 
können,  wird  bei  Katarrhen  noch  eine  ganze  Summe  von  Eiterkörperchen 
den  jungen  unfertigen  Epithelialzellen  zugeschrieben.  Manchmal  geht  ihre 
Herkunft  aus  sichern  Merkmalen  hervor,  aus  der  Flimmerkrone,  aus  der 
Epithelzellenform  und  Gestalt.  In  andern  Fällen  zeichnen  sie  sich  noch 
durch  ihren  grossen  Kern  vor  den  Leukocyten  aus.  Auch  dass  andere 
junge  unfertige  neugebildete  Zellen  sich  im  Eiter  der  Masse  der  Leukocyten 
zumischen,  sei  zugegeben. 

Alle  mobilen  Zellen,  —  und  die  Leukocyten  gehören  ja  zu  ihnen, 
überdies  aber  auch  alle  proliferierenden  jungen  Zellen  eignen  sich  zur  Phago- 
cytose.  Wir  haben  dieselbe  flüchtig  zu  Eingang  erwähnt,  um  die  allein 
darauf  basierte  vergleichende  Entzündung  zurückzuweisen.  Hier  haben 
wir  ihrer  als  einer  unter  andern  Entzündungserscheinungen  zu  gedenken. 
Phagocyten  können  in  sich  kleine  Fremdkörper,  abgestorbene  Gewebs- 
bestandteile  und  Gewebstrümmer  aufnehmen,  also  Reste  von  roten  Blut- 
körperchen, Pigment  und  Fett  ebenso  gut,  wie  Bakterien,  Russ  und  Farb- 
stoffe. Die  mobilen  Zellen  umfliessen  die  Fremdkörper  mit  ihrem  Proto- 
plasma und  ziehen  dieselben  in  ihren  Leib  hinein.  Diese  Fremdkörper 
werden  in  den  Phagocyten  zum  Teil  aufgelöst  und  zerstört,  verdaut,  zum 
Teil  erhalten  sie  sich,  zum  Teil  wachsen  sie  auf  Kosten  ihres  Wirtes. 
Teilweise  kommen  die  Phagocyten  auch  ins  Wandern,  geraten  in  dieLymph- 
und  Blutbahn,  und  werden  vorzugsweise  alsdami  in  Milz,  Knochenmark 
und  Leber  abgelagert.  Ob  die  Phagocyten  über  die  in  sie  eindringenden 
Parasiten  mächtig  werden,  oder  letztere  über  erstere  oder  ob  beide  mit 
einander  eine  Symbiose  eingehen,  gestaltet  sich  ungemein  verschieden,  ver- 
schieden nach  der  Krankheit,  der  Individualität,  der  Gesamtheit  der  chemi- 
schen Verhältnisse.  Oft  gehen  die  Bakterien  in  den  Leukocyten  unter,  bei 
Lepra  und  Tuberkulose  vermehren  sie  sich  sogar  und  können  verschleppt 


Kntzandung.  83 

werden,  zu  Metastasen  Anlass  geben.  Die  „Fresszellen**  fressen  also  nicht 
immer  auf,  was  sie  der  Theorie  nach  auffressen  sollen  und  verbreiten  sogar 
mitunter  ein  Übel,  das  sie  heilen  sollen. 

Unter  Ansammlung  von  Leukocyteu  kommt  es  bisweilen  zur  eitrigen 
Schmelzung,  zur  Vereiterung,  zur  Abseessbildung,  zur  Suppuration.  Für 
diesen  Zustand  der  Vereiterung  wäre  es  aber  höchst  unzweckmässig, 
wie  Leber  (36)  S.  508  seines  oft  citierten  Werkes  vorschlägt,  den  Aus- 
druck Histolyse  zu  brauchen.  Für  diese  wohlbekannte  und  recht  sicht- 
bare eitrige  Schmelzung  existiert  ein  Bedürfnis  nach  neuen  Ausdrücken 
ganz  und  gar  nicht,  wünschenswert  bleibt  vielmehr  der  Ausdruck  Histolyse 
für  die  spurlose,  unbemerkbare  Auflösung  von  Zellen  und  ganzen  Gewebs- 
partieen,  ohne  restierende  Zellleichen  und  ohne  \'erjauchung,  Vereiterung. 
In  dieser  Weise  gehen  spur-  und  geräuschlos  rote  und  weisse  Blutkörperchen 
unter,  Osteoklasten,  Sarkolyten,  Nervenfasern,  die  Schwänze  der  Frosch- 
larven, ganze  embryonale  Organe  beim  Menschen  mid  die  Thymusdrüse 
beim  Erwachsenen.  Die  Thatsachen  der  Zellenauflösung,  die,  sobald  Er- 
satz ausbleibt,  bis  zur  Gewebsauflösung  fortschreitet,  diese  Thatsachen 
unter  einer  einheitlichen  Bezeichnung  zu  sammeln,  dazu  liegt  allerdings  ein 
täglich  steigendes  Bedürfnis  vor.  Bleiben  wir  für  die  hier  vorliegende  Frage 
beider  Bezeichnung  „Vereiterung'*  so  machte  in  Bezug  auf  die  angeblich  ver- 
eiternde Eigenschaft  der  Leukocyten  Leber  einen  Versuch  geltend,  wonach 
rine  in  die  vordere  Augenkammer  gebrachte,  entzündungserregende  Sub- 
stanz bei  sicher  nachgewiesener  Abwesenheit  von  Mikrobien  eine  von  innen 
her  beginnende  Erweichung  der  Hornhaut  und  Sklera  hervorruft.  Dahin  rech- 
ü«  t  er  die  Wirkung  der  Injektion  gekochter  Aufschwemmungen  von  Staphylo- 
Cöccus  aureus  in  die  vordere  Kammer,  die  eitrige  Infiltration  der  tiefsten  Hom- 
hautschichten  und  ülceration  nach  Einführung  von  Röhrchen  mit  sterilen 
Kokkenextrakten  oder  mit  Krotonöl,  endlich  die  gleiche  Veränderung  nach 
Einspritzung  von  Quecksilber  oder  Einführung  von  Kupferhydrat  in  die 
vordere  Augenkammer,  wobei  die  eitrige  Erweichung  sogar  zur  Ausstossung 
d«^  Fremdkörpers  führen  kann.  Er  hat  Versuche  gemacht,  in  denen  das 
Oewebsstück  vor  der  Einführung  in  den  Körper  unter  antiseptischen  Kau- 
telen  mit  einer  sterilen  entzündungserregenden  Substanz  imprägniert  wurde; 
nach  Einführung  in  die  vordere  Augenkammer  wird  dasselbe  von  einer 
dichten  Leukocyteninfiltration  eingenommen,  vollkommen  erweicht  und  zur 
Vereiterung  gebracht.'*  —  Dem  gegenüber  muss  daran  festgehalten  werden, 
da«s  so  wenig  in,  wie  ausserhalb  der  Entzündung  den  Leukocyten  an  sich 
^ine  schmelzende,  gewebslösende  Eigenschaft  zukommt.  Der  schlagendj<te 
Beweis  dafür  ist  wohl,  dass  bei  der  Petroleiterung  Eiterhaufen  wie  sonst  nirgends 
produziert  werden,  die  wie  grosse  Knoten  hervorragen,  aber  allmählich 
der  Verfettung  und  Resorption  anheimfallen,  ohne  trotz  ihrer  Massenhaftig- 

6* 


84  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

keit  den  geringsten  deletären  Einfluss  auf  die  Nachbarschaft  auszuüben. 
Die  Leukocyten .  können  es  also  nicht  sein,  welche  allein  für  sich  Gewebs- 
schmelze  erzeugen.  Wohl  kommt  aber  die  direkte  primäre  Gewebsläsion 
zur  Geltung,  welche  in  vielen  Fällen  von  vornherein  und  gleichzeitig  mit 
der  Gefässwandalteration  die  Gewebe  lädiert  und  sie  allmähUch  zum  Ab- 
sterben bringt.  Bei  den  Bakterien  kommt  noch  die  Wucherung  und  Gift- 
produktion hinzu,  welche  die  Gewebe  je  länger  desto  mehr  schädigt.  Oft 
handelt  es  sich  auch  noch  um  Störungen  der  Blutcirkulation  und  sekun- 
däre Gewebsschmelzung. 

Über  den  Einfluss  der  Blutcirkulation  und  Innervation  sind  neuere 
Versuche  von  Samuel  mitgeteilt  (66).  Die  älteren  Versuche  über  den 
Einfluss  der  Sympathikus-Lähmung  gingen  immer  von  dem  Standpunkt 
aus,  als  Vergleichsobjekt  gegenüber  der  Entzündung  des  Sympathikus- 
Ohres  die  Entzündung  des  andern  intakt  gelassenen  Ohres  zu  gebrauchen. 
An  demselben  Tiere  schien  dadurch  die  passendste  und  exakteste  Gegen- 
probe hergestellt  zu  sein.  Samuel  weist  zunächst  das  IrrtümUche  dieser 
Gegenprobe  nach.  Wird  der  Sympathikus  einerseits  gelähmt,  so  bleibt 
das  andere  Ohr,  wenn  auch  vöUig  unberührt,  doch  deshalb  nicht  unverän- 
dert. Die  grössere  Blutraenge,  die  nach  Lähmung  des  Sympathikus  in 
die  Gefässe  der  korrespondierenden  Seite  fliesst,  rührt  von  den  Gefässen 
der  andern  Seite  her,  diese  letztere  wird  also  um  so  viel  blutärmer  an- 
ämischer oder  doch  ischämischer.  Uno  actu  bekommen  wir  also  auf  der 
einen  Seite  eine  hyperämische,  auf  der  andern  eine  ischämische  Entzündung, 
beiderseits  aber  nicht  eine  Entzündung  normalen  Verlaufes.  Zur  Kontrolle 
müssen  wir  uns  also  der  Entzündung,  der  ganz  gleich  graduierten  Entzün- 
dung, eines  bis  dahin  ganz  gesunden  Ohres  bedienen.  Mit  diesem  Mass- 
stabe gemessen,  geben  die  früheren  Versuche  keine  stichhaltigen  Resultate. 
W^ird  die  Ohrspitze  mit  Wasser  von  54  ®  C.  3  Minuten  hindurch  gebrüht  bei  einem 
Ohre  mit  frischer  Sympathikuslähmung  und  dem  gegenüber  bei  dem  Ohre 
eines  ganz  gesunden  Tieres,  so  erhalten  wir  bei  dem  Sympathikustiere 
eine  kongestive  Entzündungsform,  die  kongestiven  und  exsudativen  Ent- 
zündungserscheinungen sind  vermehrt  und  verstärkt.  Trotzdem  verlaufen 
die  Fälle  günstig,  doch  ist  durchaus  nicht  zu  konstatieren,  dass  sie  etwa 
günstiger,  wie  die  gewöhnlichen  Entzündungsfälle  ohne  Sympathikusläh- 
mung verlaufen.  Im  Gegenteil  verlaufen  diese  letzteren  rascher  und 
minder  heftig.  Die  Arterienkontraktion,  welche  bei  der  Entzündung  über- 
all den  Wendepunkt  zur  Rückbildung  einleitet,  tritt  bei  gleichzeitiger  Sym- 
pathikuslähmung hier  mindestens  24  Stunden,  meist  noch  später  ein  und 
wird  nie  in  gleichem  Grade  vollständig  wie  in  gewöhnlichen  Entzündungs- 
fällen. Immerhin  hat  die  Arterie  die  Tendenz  sich  zurückzubilden,  wenn 
auch  diese  Tendenz  durch  die  vorhandene   Vasomotorenlähmung  bis  zu 


EntzOndung.  g5 

einem  gewissen  Grade  paralysiert  wird.  Ebenso  fanden  de  Paoli  (55), 
Roger  (61),  und  Ochotine  (54),  dass  nach  Sympathikuslähmung  alle 
EutzüDdungen,  sowohl  die  durch  Verbrühung  entstandenen,  als  auch  die 
parasitären,  durch  Streptokokken  verursachten,  einen  kongestiven  stärkeren 
Verlauf  nehmen. 

Über  den  Einfluss  der  Anämie  auf  den  Entzündungsprozess  waren 
von  Samuel  schon  früher  (63,  64)  zahlreiche  schlagende  Versuche  am 
Kaninchenohre  mitgeteilt  worden.  Zum  Verständnis  der  später  auszu- 
führenden Beobachtungen  seien  die  Versuchsresultate  betreffs  der  Anämie 
kurz  rekapituliert.  Ohren,  die  durch  einseitige  Karotisunterbindung  oder 
durch  volle  Durchreissung  und  Loslösung  der  Arteria  auricularis  an  der 
Ohrwurzel  anämisch  geworden,  zeigen,  solange  sie  übrigens  imgestört 
bleiben,  auch  nicht  die  geringste  Ernährungsstörung;  sie  sind  blass,  kühl, 
sonst  normal  und  bleiben  normal.  Aber  auf  Entzündungsursachen  reagieren 
anämische  Teile  anormal,  da  infolge  der  Anämie  eine  Kongestion  in 
ihnen  nicht  sofort  einzutreten  vermag.  Bei  Ausbleiben  der  Kongestion 
zeigt  sich  alsdann  in  den  alterierten  Venen  eine  itio  in  partes,  d.  h.  eine 
Souderung  weisser  Blutkörperchen,  die  sich  in  Form  von  hellen,  bläschen- 
ahnlichen  Klümpchen  im  Gefässlumen  vorzugsweise  an  den  Teilungsstellen 
zusanunenballen.  Tritt  später  die  arterielle  Kongestion  ein,  so  lösen  sich 
durch  den  Blutstrom  die  Klümpchen  wieder,  die  Tendenz  zur  Adhäsion 
der  Leukocyten  an  der  Gefässwand  bleibt  aber  in  Form  der  Wandstel- 
lung zurück.  Mit  der  Kongestion  tritt  jedenfalls  immer  erst  ßubor, 
Calor,  Exsudation  und  Trübung  ein.  Bleibt  die  Kongestion  von  der  Ar- 
terie her  völlig  aus  oder  tritt  sie  bei  hoher  Luftwärme  spät  ein,  so  wan- 
delt sich  die  itio  in  partes,  je  wärmer  die  Aussenluft,  desto  früher,  in  vol- 
len Blutstillstand,  in  Stase  um,  mit  schliessüch  völUgem  Untergang  der 
Ijtiroffenen  Stelle.  So  Verlauf  und  Ausgang  nach  den  verschiedensten 
Eiitzündungsursachen,  insbesondere  nach  der  Verbrühung  und  Krotoni- 
sierung.  —  Bei  einer  derartigen  Anstellung  der  Anämieversuche  würde 
ohne  Entzündtmgsursachen  die  Blutcirkulation  zwar  schwach,  aber  vollstän- 
dig ungehindert  und  für  die  Ernährung  ausreichend  bleiben.  Desto  schla- 
gender geht  aus  diesen  Versuchen  hervor,  welch  wichtige  unentbehrliche 
Komponente  des  Entzündungsprozesses  die  Kongestion  bildet.  —  Je  schneller 
Dach  der  eben  gedachten  Anämie  der  KoUateralkreislauf  sich  einstellt, 
desto  rascher  wird  auch  die  Reaktion  gegen  Entzündungsursachen  wieder 
^ine  ganz  normale.  Auf  die  Vollendung  des  KoUateralkreislaufes  üben  die 
Nerven  einen  hochgradigen  Einfluss  aus  in  der  Art,  dass  nach  Durch- 
Klmeidung  der  sensiblen  Nerven  sich  der  KoUateralkreislauf  verzögert, 
iiaoh  Durchneidung  des  Sympathikus  er  sich  beschleunigt.  Werden  sensible 
Qiid  vasomotorische  Nerven  zusammen  gelähmt,  so  kommt  der  Kollateral- 


gg  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

kreislauf  so  rasch  zu  stände,  wie  nach  Lähmung  der  vasomotorischen 
Nerven  allein.  Wenn  also  nach  Samuel  nach  Durchschneidung  der  sen- 
siblen Nerven  allein  der  KoUateralkreislauf  bei  Unterbindung  der  Karotis 
um  das  doppelte  und  dreifache  der  sonstigen  Zeit  verzögert  wird,  so  trägt 
der  alsdann  ausbleibende  Reflex  der  sensiblen  Nerven  auf  die  Gefässnerven 
daran  Schuld. 

Über  diesen  für  die  Kongestion  und  dadurch  für  den  Entzündungs- 
prozess  so  wichtigen  Reflex  zwischen  sensiblen  Nerven  und  Vasomotoren 
haben  van  der  Becke-Callenf  eis  undLovän  im  Ludwigs-Laboratorium 
schon  1864  sehr  wichtige  Versuche  gemacht.  Durch  centrale  Reizung  der 
sensiblen  Nerven  wird  zunächst  eine  kurze  Verengerung,  dann  eine  länger 
dauernde  Erweiterung  der  Ohrarterie  und  konsekutiv  des  ganzen  Gefäss- 
netzes  herbeigeführt.  Die  Erweiterung  ist  grösser  als  die  nach  Lälimung 
der  Gefässnerven  zu  beobachtende,  bringt  aber  auch  niemals  eine  diffuse 
Kapillarhyperämie  zu  Wege.  Auf  diese  Erweiterung  folgt  wieder,  entweder 
noch  während  der  Reizung  oder  bald  nach  derselben,  eine  Gefässverengeruug, 
die  beträchtlicher  sein  kann,  als  sie  vor  der  Reizung  gewesen.  Bei  einer 
analogen  Reizung  des  N.  dorsalis  pedis  zeigt  es  sich  ganz  klar,  dass  die  ge- 
schilderten Veränderungen  der  Arterie  allein  dem  von  dem  Reflex  betroffenen 
Hauptaste  zukommen,  nicht  aber  oder  nur  äusserst  wenig  auf  den  Hauptstamm 
der  iVrterie  übergreifen.  Während  im  Aste  die  Pulsationen  gewaltig  auf- 
traten, waren  sie  im  grossen  Arterienstanmae  sehr  unbedeutend  und  wurden 
bei  der  Reizung  gar  nicht  verstärkt.  Der  Ast  wurde  also  weiter  wie  der 
Stamm.  Der  Reflex  zeigt  sich  zwar  meist  allein,  jedenfalls  am  stärksten 
auf  derselben  Seite,  bisweilen  aber  auch,  wenn  auch  stets  weit  schwächer, 
auf  der  korrespondierenden  Stelle  der  anderen  Seite.  Samuel  fiel  bei  An- 
stellung dieser  Versuche  mittels  häufig  wiederholter  Quetschung  der  Ohr- 
spitze  auf,  wie  ausserordentlich  rasch  nach  Aufhebung  der  Aurikular- 
reizung  die  Arterienkontraktion  wieder  wie  auf  Kommando  eintritt,  so 
dass  jeder  Gedanke  an  die  vorherige  Übermüdung  der  Wandmuskulatur 
ausgeschlossen  ist.  Der  ganze  überaus  exakte  Vorgang  macht  durchaus 
den  Eindruck,  dass  durch  die  centrale  Reizung  der  sensiblen  Nerven  eine 
plötzliche  und  bis  in  die  äusserste  Peripherie  gehende  komplete  Hemmung 
der  Vasomotoren  eintritt,  eine  Hemmung,  deren  Aufhebung  unmittelbar 
wieder  zur  Wiederaufnahme  der  Thätigkeit  der  Gefässnerven,  d.  h.  zu  so- 
fortiger Gefässenge  führt.  Weiter  gelang  es  durch  alternierende  Quetschung 
nur  zweier  Stellen  diese  ausserordentlich  heftige  reflektorische  Kongestion 
stundenlang  zu  unterhalten. 

Durch  diese  Fundamentalversuche  über  den  Einfluss  der  Hyperämie 
und  der  Anämie  auf  die  Entzündungskongestion  und  über  die  Wirkung  des 
Reflexes  der  sensiblen  Nerven  auf  die  vasomotorischen  werden  nun  nach- 


EDtzQndang.  g7 

folgende  Versuche  Samuels  (66)  über  den  Nerveneinfluss  auf  den  Entzün- 
dungsprozess  verständlich.  Wkd  links  der  Sympathikus  gelähmt,  rechts  der 
Auricularis  major  und  minor  und  beide  Ohren  a  tempo  in  Wasser  von 
r)4*^  3  Minuten  gesteckt,  a  tempo  herausgezogen,  so  ist  der  Entzündungs- 
verlauf auf  beiden  Ohren  ein  vollständig  verschiedeüer.  Links  entsteht 
eine  kongestive  Entzündung  mit  ihren  lebhaften  Erscheinungen  und  zögern- 
dem Verlauf,  rechts  treten  keine  Entzündungserscheinungen  ein,  son- 
dern fast  nur  Gerinnungsphänomene  in  den  Blutgefässen,  mit  vollem  Un- 
tergang der  ganzen  Partie.  Der  Unterschied  kann  nicht  grösser  sein  als 
er  ist,  links  nach  einigem  Zögern  volle  Restauration,  rechts  gänzliche  Ne- 
krose der  verbrühten  Partie.  Der  Unterschied  ist  scharf,  aber  völlig  er- 
klärbar, die  arterielle  Kongestion  blieb  rechts  aus,  einmal,  weil  die  Sym- 
pathikushyperämie links  das  Blut  ablenkte,  alsdann,  weil  durch  die  An- 
ästhesie auch  die  Möglichkeit  der  reflektorischen  Kongestion  rechts  ausge- 
schlossen war.  Es  blieb  also  rechts  bei  der  Anämie,  daher  kam  es  unter 
dem  Einfluss  der  Entzündungsursache  zu  Stase  und  Brand.  Daraus  geht 
hervor,  dass  rein  durch  Nerveneinflüsse  ohne  jede  direkte  Verlegung  der 
arteriellen  Bahn  eine  starke  indirekte  arterielle  Anämie  erzeugt  werden 
kann  und  damit  eine  Unfähigkeit  zur  Kongestion,  welche  den  verhängnis- 
vollsten Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Entzündungen  ausübt. 

Kapillaren  werden  in  der  Regel  als  passive  Anhängsel  der  Arterien 
angesehen,  die  denmach  ohne  weiteres  das  Schicksal  der  Arterie  in  Blut- 
fülle und  Armut  zu  teilen  haben.  Offenbar  mit  Unrecht.  Das  Lumen 
der  Kapillaren  wird,  nach  Roy  und  Brown,  obwohl  sehr  variabel,  doch 
durch  äusseren  Druck  auffallend  wenig  beeinflusst,  was  auf  eine  aktive 
Kontraktilität  der  Kapillarwand  deutet.  Eine  solche  Kontraktilität  hat 
Stricker  schon  immer  auf  Grund  direkter  Beobachtungen  behauptet, 
^iauerstoff  des  Blutes  verengt,  Kohlensäure  erweitert  sie.  Wie  selbständig 
die  Kapillarwand  ist,  geht  aber  vor  allem  daraus  hervor,  dass  sie  bei  ar- 
terieller Hyperämie  und  bei  venöser  Stauung  sich  sehr  wenig  erweitert 
und  der  Blutfülle  einen  erfolgreichen  Widerstand  entgegensetzt.  Nur  wenn 
'lie  Kapillaren  selbst  direkt  atonisch  werden,  wie  beim  Entzündungspro- 
zesso,  dann  dehnen  sie  sich  zu  einer  Weite  aus,  die  sonst  nirgends  erreicht 
wird.  Über  die  Innervation  der  Kapillaren  ist  bisher  noch  nichts  Sicheres 
Wkannt. 

Auch  die  Venen  sind  wir  nicht  gewohnt,  als  selbständige  Gebilde  zu 
brachten,  obschon  sie  nachweisbar  eine  starke  Muskulatur  besitzen,  wenn 
auch  eme  geringere,  als  die  kleinen  Arterien.  An  der  Flughaut  der  Fle- 
dermäuse pulsieren  die  Venen  aktiv,  ebenso  bei  allen  Säugetieren  die 
Endstücke  der  Hohlvenen  und  Lungenvenen  und  zwar  synchron isch  mit 
den  Ventrikeln.     Diese  Pulsation  hört  bei  den  Fledermäusen  nicht  auf, 


88  Allgem.  pathol.  Morphologie  u.  Physiologie. 

bei  Durchschneiduug  der  von  aussen  zutretenden  Nerven,  muss  also  auf 
innerer  gangliöaer  Innervation  beruhen.  Neuerdings  ist  es  nun  Mall  (45)  ge- 
lungen, motorische  Nerven  in  der  Pfortader  nachzuweisen.  Nach  Unter- 
bindung der  Aorta  dicht  unterhalb  der  Art.  subcl.  sinistra  konnte  er  durch 
Reizung  der  N.  splanchnici  die  Vena  portae  bis  zum  Verschwinden  ihres 
Niveaus  verengen.  Da,  was  von  der  Pfortader  gilt,  nicht  minder  auch  bei 
anderen  Venen  Geltung  haben  wird,  so  eröfEnet  sich  dadurch  der  Ausblick, 
dass  auch  die  Venen  dem  direkten  Nerveneinfluss  unterUegen,  einem  Ner- 
veneinfluss,  der  auch  für  den  Entzündungsprozess  Einfluss  und  Geltung 
beanspruchen  kann. 

Unsere  Kenntnis  der  Säf tecirkulation  im  Entzündungsprozess  ist  höchst 
lückenhaft,  so  lange  wir  die  Lymphcirkulation  nur  unvoUständig  über- 
sehen. Wir  haben  leider  nur  wenige  zuverlässige  Zahlen.  In  3  Stunden 
fUessen  aus  einer  gesunden  Hundepfote  nur  4  ccm  Lymphe  mit  4 — 5^;o 
festem  Rückstand.  Bei  der  venösen  Stauung  steigt  die  Lymphmeuge 
in  derselben  Zeit  auf  28,5  ccm,  aber  doch  nur  mit  2— 3®/o  Rückstand,  in 
der  Entzündung  aber  auf  28,5  ccm  mit  7®/o  festem  Rückstand.  Dies  gilt 
natürlich  nur  von  Entzündungen  mit  kongestivem  Charakter  bis  zur  Höhe 
der  Kongestion.  Hier  reichen  aber  sogar  diese  Zahlen  für  die  Lymphabschei- 
dung  nicht  aus,  da  die  Masse  des  Entzündungsödems  hinzugerechnet  werden 
muss.  Wird  das  Entzündungsödem  zum  Teil  ausgedrückt,  so  ersetzt  es 
sich  nicht  rasch  wieder,  es  dauert  einige  Zeit,  bis  der  alte  Umfang  nieder 
hergestellt  ist.  Ist  die  Kongestion  schwach,  versagt  die  Blutcirkulation 
durch  Stase  mehr  oder  minder,  so  nimmt  auch  natürUch  die  Lymphmenge 
ab.  Hervorzuheben  ist  der  normalen  Lymphe  gegenüber  der  Eiweiss- 
reichtum  der  Entzündungslymphe  und  die  Eiweissarmut  der  Stauungs- 
lymphe, während  der  Salzreichtum  der  Lymphe  unverändert  bleibt.  Die 
Stauungslymphe  gerinnt  spät  und  nur  in  zarten  Flöckchen,  die  Entzün- 
dungslymphe  bald  zu  einer  festen  Gallerte  wegen  ihres  Gehaltes  an  Leu- 
kocyten.  Die  Rolle  der  Lymphe  für  die  Resorption  des  Entzündungsödems 
und  der  Exsudate,  ihre  Weiterführung  in  die  Lymphdrüsen  braucht  nur  ge- 
streift zu  werden.  Hingegen  muss  auf  die  Lymphbildung  nach  den  Unter- 
suchungen Hei  den  hains,  aufmerksam  gemacht  werden,  in  denen  derselbe 
durch  scharfsinnige  Experimente  und  sorgfältigen  Überlegungen  zu  dem 
Schlüsse  kam,  dass  schon  die  normale  Lymphbildung  nicht  durch  Fil- 
tration, sondern  durch  eiue  Art  Sekretion  erfolgt  und  dass  die  Triebkraft 
der  Sekretion  in  der  Kapillarwand  selbst  liegt  (27).  „Sind  aber  die  Kapillarzellen 
nicht  Filter,  sondern  sekretorischer  Thätigkeiten  fähig,  so  werden  sie  für 
die  Zufuhr  chemischer  Materialien  sorgen  können,  auch  ohne  grosse 
Wassermengen  in  Bewegung  zu  setzen.  Da  chemische  Reizung  der  Kapillaren 
erwiesen  ist,   so  können    die    Stoff  Wechselprodukte  der  verschiedeneu  Or- 


fintzündung.  89 

als  Reize  auf  die  Kapillarzellen  wirken,  derart,  dass  sie  in  jedem  Or- 
gane die  Absonderung  der  Substanzen  veranlassen,  welche  deren  Bedarfs- 
konto  entsprechen  z.  B.  in  der  Leber  der  Kohlenhydrate  für  die  Glykogen- 
ablagerang,  in  der  Milchdrüse  der  Eiweiskörper*'.  Vollständig  unbekannt 
ist  der  Einfluss  der  Nerven  auf  diese  Lyinphsekretion,  wenn  man  nicht 
ältere  Versuche  von  Lautenbach  und  von  Holz  hierher  beziehen  will ,  nach 
denen  eine  mangelhafte  Resorption  von  Kochsalzlösung  nach  Zerstörung 
des  Gehirns  und  Rückenmarks  erfolgt  ist.  Will  man  für  die  entzündliche 
Exsudation  einen  pathologischen  Zustand  des  Endothels  der  Gefässwände 
geltend  machen,  so  sieht  man,  mit  wie  komplizierten  Faktoren  bei  der  patho- 
logischen Lymphe  und  beim  Exsudat  zu  rechnen  ist. 

Über  die  entzündliche  Neubildung  ist  insoferne  eine  nahezu  allge- 
meine Einigung  erreicht,  als  der  früher  von  Ziegler  (89)  ventilierte  Gedanke, 
einer  BeteiHgung  der  Leukocyten  an  der  Neubildung  von  ihm  selbst  auf- 
gegeheu  worden  ist.  Die  Leukocyten  gehen  unter.  Auch  hier  wachsen 
die  Gewebe  in  der  Kontinuität  der  Generationen  unter  Metaplasie  nah 
verwandter  Gewebe.  Betreffs  der  Ursache  der  Proüferation  unterliegt  es 
keinem  Zweifel,  dass  in  den  meisten  Geweben  die  Abnahme  der  Wachs- 
tumswiderstände genügt,  um  die  Wachstumskraft  zu  entfesseln,  die  nur  ge- 
bändigt, nicht  aufgehoben  ist.  Die  Abnahme  der  Wachstumswiderstände 
genügt,  also  Nachlass  des  Druckes,  Aufhebung  des  Gleichgewichtes,  Ver- 
minderung der  Spannung  zur  Entfaltung  der  nur  schlummernden,  nicht 
aufgehobenen  histogenetischen  Energie.  Dieser  Modus  ist  sichergestellt, 
er  ist  am  eklatantesten  von  Samuel  beim  Federwachstum  nachgewiesen. 
Ob  nun  in  proliferationsfähigen  Geweben  auch  die  Zunahme  des  Linen- 
<lrucks  durch  Eindringen  geeigneter  Ernährungsflüssigkeit,  ob  Eindringen 
von  Parasiten,  Reizstoffen  und  Fremdkörpern  genügt,  inn  die  Karyokinese 
anzuregen,  dies  ist  der  vieldiskutierte  Punkt.  Der  Bezeichnung  derartiger 
Fremdkörper  als  Wachstumsreize  steht  der  Umstand  entgegen,  dass  es  sich 
meist  um  deletäre  Stoffe  handelt,  die  eher  geeignet  sind,  Zellen  zu  zer- 
stören, als  sie  zu  einer  so  komplizierten  Thätigkeit  anzuregen,  wie 
Wachstum  imd  Zellteilung  sind. 

Auch  im  Granulationsgewebe  will  Jul ins  Amol  d (1)  nur  den  Wander- 
zeHeu  die  Fähigkeit  zuschreiben,  provisorische  und  transitorische  Be- 
standteile desselben  abzugeben.  Die  Wanderzellen  vermögen  sich  wohl 
sehr  lange  als  epithelioide,  spindelförmige  und  verästelte  Formen  zu  erhalten, 
werden  aber  doch  später  durch  kontinuierlich  herein  wachsende ,  jedenfalls 
bleibende  Fibroblasten  ersetzt. 

Unter  dem  Titel  „Über  eine  Art  von  Immunität  nach  überstandener 
Krotonentzündung"  schildert  Samuel  (68),  dass  ein  Kaninchenohr  nach 
eben   überstandener    Krotonentzündung    gegen    alsbald    erneute   Kroton- 


90  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ölapplikation  wesentlich  anders,  weit  milder,  als  ein  gesundes  Ohr  reagiert. 
Es  geschieht  dies  auch,  wenn  das  Ohr  regelmässig  und  systematisch  kro- 
tonisiert  wird  acht  Tage  hindurch  und  länger,  überlässt  man  aber  eine 
von  der  Krotonentzünduug  geheilte  Fläche  ganz  ungestört  sich  selbst,  so 
stellt  sich  unter  voller  Regeneration  der  Epidermis  und  rascher  Wieder- 
behaarung spätestens  in  4 — 6  Wochen  auch  die  frühere  normale  Entzün- 
dungsfähigkeit  wieder  her.  Diese  Art  von  Immunität  stellt  sich  nur  auf 
dem  früher  entzündeten  Ohre  ein. 

Viel  weiter  gehend  und  nicht  bloss  auf  örtlicher  Abstumpfung  be- 
ruhend ist  die  Immunisierung,  welche  Ehrlich  nach  Abrin  und  Ricin 
genau  wie  nach  Bakterien  und  Bakterientoxinen  konstatiert  hat.  Durch 
systematische  Ricinapplikationen  von  minimalen  unschuldigen  Dosen  an 
immer  steigend,  lassen  sich  schliesslich  fünffache  Mengen  der  tödlichen 
Dosis  vertragen.  Die  Ricinimmunität  zeichnet  sich  durch  Schnelligkeit 
der  Entwickelung ,  kritisches  Einsetzen  am  sechsten  Tage  aus,  und  nicht 
bloss  in  den  Organen,  auf  welche  die  Applikation  stattgefunden  hatte, 
sondern  im  ganzen  Körper,  bei  subkutaner  Injektion  z.  ß.  und  bei  Appli- 
kation aufs  Auge.  Dadurch,  dass  das  Blutserum  eines  derartig  ricin-  und 
abrinfest  gemachten  Tieres  sich  auf  ein  ganz  gesundes  Tier  übertragen 
lässt  mit  dem  Erfolge,  dass  nun  auch  dieses  Tier  ricinfest  wird,  sieht 
man  sich  zu  dem  Schlüsse  gezwungen,  dass  im  Blute  des  erst  immunisierten 
Tieres  eine  Antitoxinbildung  stattfinden  müsse  und  dass  dieses  Antitoxin 
übertragbar  sei. 

Die  Entwnckelung  von  Geschwulstbildung  aus  chronischen  Entzün- 
dungen ist  durch  neuere  Untersuchungen  nicht  weiter  gefördert  worden. 
Man  weiss,  dass  die  Entzündungs-  und  Geschwulstbildung  dabei  sowohl 
durch  infektiöse,  wie  durch  nichtinfektiöse  Ursachen  hervorgerufen  sein 
kann.  Bekannt  sind  die  Paraffinkrebse,  die  sich  an  Stellen  alter  chroni- 
scher Entzündungen  bilden.  In  Gallenblasen,  die  Steine  enthalten,  bilden 
sich  öfter  Gallenblasenkrebse,  Magenkrebse  leicht  am  Rande  oder  in  der 
Narbe  eines  Magengeschwüres.  Im  Kehlkopf  finden  sich  Krebse  auf  der 
Basis  oder  auf  Narben  von  tuberkulöser  oder  auch  syphilitischer  Granulations- 
wucherungen (91). 

In  der  Meinung,  dass  es  unmöglich  ist,  einen  bestimmten  patliologi- 
schen  Vorgang  als  gemeinsames  Kriterium  der  Entzündung  aufzustellen, 
hat  E.  Neumann  (52)  in  einem  Aufsatz  „Über  den  Entzündungsbegriff* 
vorgeschlagen,  überhaupt  das  Zweckmässigkeitsprinzip  zur  Basis  des  Ent- 
zündungsbegriffes zu  machen.  „Wenn  wirklich  die  Vorgänge  bei  derselben 
einem  bestimmten  Ziele  zustreben ,  so  lässt  sich  erwarten ,  dass  der  Orga- 
nismus je  nach  der  Art  und  Weise  des  stattgefundenen  schädlichen  Ehi- 
griffes  verschiedene  Wege  zur  Erreichung  dieses  Zieles  einzuschlagen  ge- 


Entzündung.  91 

nötigt  und  bei  der  Reichhaltigkeit  der  ihm  zu  Gebote  stehenden  Mittel 
auch  dazu  befähigt  sem  wird."  „Die  Entzündung  würde  sich  nach  dieser 
Auffassung,  sagt  E.  Neumann  weiter,  anreihen  an  die  physiologischen 
Begriffe  der  Verdauung,  der  Atmung,  der  Zeugung  und  an  den  patholo- 
gischen Begriff  der  Regeneration,  denn  auch  hier  handelt  es  sich  um  eine 
Kombination  von  Vorgängen  sehr  verschiedener  Art,  die  nur  das  Gemein- 
same haben,  dass  sie  sämtlich  einem  bestimmten  Zwecke  dienen.  Wäre 
uns  dieser  unbekannt,  so  müsste  ims  trotz  der  genauesten  Kenntnis  der 
einzelnen  Vorgänge  ihre  Zusammengehörigkeit  zweifelhaft  bleiben  und  die 
Aufstellung  jener  Begriffe  wäre  immögUch  gewesen.  Unter  Entzündung 
ist  diejenige  Reihe  von  Erscheinungen  zusammenzufassen,  welche  sie  nach 
primären  Gewebsläsionen  (laesio  continui  oder  Nekrose)  lokal  entwickeln 
und  die  Heilung  dieser  Läsionen  bezwecken."  Diese  Neumann  sehe  Auf- 
fassung ist  eine  spezielle  Anwendung  des  Pflüger  sehen  teleologischen 
Kausalgesetzes  und  lautet  mit  Pflügers  Worten:  „Die  Ursache  eines  je- 
den Bedürfnisses  eines  lebendigen  Wesens  ist  zugleich  die  Ursache  der 
Befriedigung  des  Bedürfnisses  oder  in  anderer  Fassung  mit  spezieller  An- 
wendung auf  pathologische  Störungen:  jede  durch  eine  Krankheitsursache 
hervorgerufene  Voränderung  des  Körpers  hat  das  Eintreten  anderer  Ver- 
änderungen in  ihrem  Gefolge,  welche  den  schädlichen  Einfluss  der  ersteren 
aufzuheben  geeignet  sind/* 

Dem  gegenüber  hat  Samuel  (67)  in  einem  speziellen  Aufsatz  „Die 
Selbstheilung  der  Entzündung  und  ihre  Grenzen"  (67)  festzustellen  versucht, 
wie  weit  überhaupt  die  Natur  die  Überwindung  der  Entzündungsursachen 
durch  den  Entzündungsprozess  und  wie  sie  alsdann  die  Rückbildung  des 
letzteren  herbeizuführen  im  stände  ist.  Gewiss  thut  auch  hier  unser  Or- 
ganismus das  Beste,  was  er  thun  kann.  Aber  während  er  für  physiologi- 
sche Aufgaben  gut  accommodiert  ist,  ist  seine  Accommodation  für  patholo- 
gische Aufgaben  doch  eine  sehr  beschränkte.  Der  Entzündungsprozess  ist 
wohl  günstiger,  als  diejenige  lokale  Ernähnmgsstörung,  die  zumeist  eintreten 
müsste,  als  der  Brand,  der  aber  allerdings  nur  an  der  unmittelbar  affizierten 
>telle  auftreten  würde.  Doch  ist  die  Entzündung,  wenn  auch  ein  relativ  gerin- 
geres Übel,  als  ein  ganz  lokalisierter  Brand,  doch  oft  ^in  schweres  Übel.  Er 
entspricht  wenig  einer  bestimmten  Korrelation  zwischen  Ursache  und  Wir- 
kung. Feste  Fremdkörper,  die  zu  ihrer  Lockerung  einer  grösseren  Flüssig- 
keitsmenge bedürfen,  erfahren  diese  Lockerung  erst  in  sehr  langer  Zeit. 
Flüssigkeiten  und  Parasiten  treten  meist  ihren  Gang  durch  den  Körper 
ganz  ungehindert  an.  Dabei  veranlassen  manche  phlogogene  Flüssigkeiten 
sehr  intensive  örtUche  Entzündungen,  obschon  sie  durch  Verteilung  und 
Resorption  ihre  Regulation  und  definitive  Ausscheidung  aus  dem  Organis- 
mus leicht  erfahren  können.     Wo  also  zur  Regulation  eine  starke  örthche 


92  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Entzündung  eintreten  sollte,  da  ist  sie  schwach  und  träge,  wo  eine  inten- 
sive Entzündung  eintritt,  ist  sie  zur  örtlichen  Regulation  gar  nicht  nötig. 
Wo  bei  Eindringen  von  Bakterien  starke  örtliche  Entzündungen  not- 
wendig wären  zur  Demarkierung  und  Exfoliierung  der  Keime,  da  sehen 
wir  alle  diese  teleologischen  Entzündungsaufgaben  nur  selten  und  in  geringem 
Masse  erfüllt.  Von  den  Gesetzen  der  DifEussion  und  Resorption  und  sehr 
wenig  vom  Regulationsbedürfnis  sehen  wir  die  Stärke  der  Entzündungs- 
erscheinungen abhängen.  Rasch  diffusible  Stoffe  bewirken  Gefässalteration 
auf  weite  Strecken  und  somit  starke  Kongestion  und  Exsudation,  wenig 
oder  gar  nicht  difEusionsfähige  hingegen  eine  minimale  Kongestion,  obschon 
es  zur  Zielstrebigkeit  umgekehrt  der  Fall  sein  müsste.  Dazu  kommt,  dass 
der  Entzündungsprozess  sich  durchaus  nicht  auf  die  Läsionsstelle  beschränkt, 
welche  allein  der  Reparatur  bedarf,  sondern  weit  darüber  hinausflutet. 
Oft  kommt  eher  eine  Panophthalmie  zu  stände,  ehe  nur  eine  ausreichende 
Lockerung  eines  Metallsplitters  in  der  Hornhaut  des  Auges  erfolgt.  Wie 
gross  ist  oft  der  durch  den  Entzündungsprozess  veranlasste  Substanzver- 
lust, wie  schädUch  die  Ansammlung  des  Exsudats  im  Entzündungsherde, 
wie  stark  die  funktionelle  Störung  durch  das  Entzündungsödem  im  Ent- 
zündungshof. Unter  dem  Gesichtspunkte  der  Überwindung  der  Entzün- 
dungsursache und  des  Prozesses  müssen  vielmehr  die  Entzündungen  gerade- 
zu in  drei  verschiedene  Gruppen  geteilt  werden,  in  sufficiente,  insufficiente 
und  excessive  Endzündungen.  Nur  die  sufficienten  sind  es,  die  notdürftig 
den  teleologischen  Ansprüchen  etwa  entsprechen,  die  excessiven  gehen 
durch  Umfang  und  Stärke  weit  über  das  Regulationsbedürfnis  hinaus, 
schädigen  das  Leben  des  Teiles,  ja  des  Individuums,  die  insufficienten 
chronischen  Entzündungen  bleiben  hingegen  unter  diesem  Bedürfnis  zurück, 
werden  mit  der  Krankheit  spät  oder  gar  nicht  fertig.  So  unvollkommen 
ist  die  Teleologie  der  Entzündungsprozesse. 


2. 

Hämorrhagie  und  Pigmentbildung. 

Von 

M.  B.  Schmidt»  Strassburg. 


Litteratur  des  Jahres  1894. 

I.  Hämorrhagie. 

Manch ot,  Hämorrhagische  Diathese  bei  einem  Morphinisten  während  der  Entziehungskur. 
Deutsche  med.  Wochenschr.  Nr.  20.  Vereins  Beilage.  S.  20. 

II.  Pigmentbildmig. 

1.  Goebel,  Über  Pigmentablagerung  in  der  Darmmuskulatur.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  186. 

2.  Hintze,  Über  Hämochromatose.    Virch.  Arch.  Bd.  189.  S.  459.  1895. 

3.  Jooss  ,  Über  den  Ursprung  des  Pigments  in  melanotischen  Tumoren.    Dissert.  München. 

4.  y.  Kahlden,  Über  die  Ablagerung  des  Silbers  in  den  Nieren.    Zieglers  Beiträge. 
Bd.  XV. 

5.  Lubarsch,  Beiträge  zur  Histologie  der  von  Nebennierenkeimen  ausgehenden  Nieren- 
geschwülste.   Virch.  Arch.  Bd.  185. 

6.  Lubarsch,   Über  Hämorchr omatose.     Sitzungsberichte  der   naturforschenden   Gesell- 
schaft in  Rostock.  1894. 

T.  M anasse,  Über  die  Beziehungen  der  Nebennieren  zu  den  Venen  und  dem  venösen 

Kreislauf.  Virch.  Arch.  Bd.  185. 
^.  Marc,  Beiträge  zur  Pathogenese  der  Vitiligo  und  zur  Histogenese  der  Hautpigmen- 

tienmgen.  Virch.  Arch.  Bd.  186. 
9.  Post,  Über  normale  und  pathologische  Pigmentierung  der  Oberhautgebilde.    Virch. 

Arch.  Bd.  135. 

I.  Hämorrhagie. 

Die  beiden  Formen  der  Hämorrhagie,  welche  nach  den  feineren  ana- 
tomischen Vorgängen  unterschieden  werden,  die  per  rhexin  und  die  per 
^liapedesin,  haben  bezüglich  ihres  Vorkommens  noch  keine  scharfe  gegen- 
^itige  Abgrenzung  erfahren.  Sicher  ist,  dass  die  Diapedese,  die  Durch- 
wanderung roter  Blutkörperchen  durch  die  Wand  der  Kapillaren  und  kleinen 


94  Allgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

Venen  entsprechend  den  Stomata  der  Kittsubstanz  zwischen  den  Endothelien 
nur  kleine  Extravaaste  zu  liefern  vermag :  Im  Gewebe  stellen  sich  dieselben 
als  Ecchymosen,  Petecliieen  dar,  und  wenn  sie  in  freie  Räume,  besondere 
seröse  Höhlen  erfolgen,  mischen  sie  sich  dem  meist  unter  denselben  Be- 
dingungen entstandenen  Transsudat  bei.  Alle  grösseren  und  rasch  auftre- 
tenden Blutergüsse  sind  auf  Rhexis  zu  beziehen,  indessen  müssen  auch 
gewisse  kleinere  Blutungen,  besonders  wenn  sie  um  kleine  Arterien  herum- 
liegen —  z.  B.  die  Hämatome  der  Gefässscheiden  im  Gehirn,  die  soge- 
nannten dissecierenden  Aneurysmen  —  auf  echte  Zerreissung  kleiner  Äste 
zurückgeführt  werden. 

Als  Bedingungen  der  Diapedese  sind  diu'ch  direkte  Beobachtung  unter 
dem  Mikroskop  sichergestellt  worden  1.  Entzündung  und  vor  allem  2.  ve- 
nöse Stauung;  und  als  die  wesentlichen  Momente,  welche  die  KitÜeisten 
durchgängig  machen,  müssen  danach  erhöhter  Druck  im  Innern  und  ver- 
mehrte Wandspannung  angesehen  werden.  Unter  diesen  Verhältnissen 
kombiniert  sich  die  Auswanderung  der  roten  Blutkörperchen  in  der  Regel 
mit  Vermehrmig  des  Transsudatstromes  aus  den  Gefässen,  und  so  erlauben 
gewisse  Hämorrhagieen  durch  diese  Kombination  einen  Rückschluss  auf 
ihre  Genese  per  diapedesin:  Vor  allem  die  blutigen  Ödeme  bei  Stauung, 
die  blutigen  Transsudationen  in  die  serösen  Höhlen  bei  Tuberkulose  und 
Carcinomatose  der  serösen  Membranen(v.  Recklinghausen),  ferner  im  Ge- 
webe die  verstreute  Einlagerung  roter  Blutkörperchen  ohne  scharfe  Abgren- 
zung; und  vielleicht  sind  auch  die  ringfönnigen  kleinen  Hämorrhagieen, 
z.  B.  der  kapillären  Retinablutungen  bei  pemiciöser  Anämie  Quincke.^ 
als  Ausdruck  der  Diapedese  aufzufassen,  wenn  man  Klebs  Erklärung 
beistimmt,  dass  zuerst  die  Hämorrhagie  das  Gefäss  gleichmässig  dicht  um- 
giebt,  und  dann,  wenn  das  letztere  nicht  von  der  Cirkulation  ausgeschlossen 
wird,  wie  nach  der  Zerreissung,  eine  Resorption  der  dem  Gefäss  benach- 
barten Schichten  erfolgt. 

Für  die  nicht  traumatischen  Rhexis-Blutungen  sind  zwei  Momente 
als  bedeutungsvoll  bekannt:  Erhöhung  des  Blutdruckes  und  Veränderung 
mit  Widerstandsabnahme  der  Gefässwand.  Für  viele  Hämorrhagieen  reichen 
diese  beiden  Bedingungen  zur  befriedigenden  Erklärung  aus;  ob  sie  bei 
allen  Blutergüssen  die  in  letzter  Linie  bedingenden  Faktoren  darstellen, 
mag  noch  unentschieden  sein,  z.  B.  für  die  neuropathischen  Blutungen. 
Bei  der  Vermehrung  des  Blutdruckes  kann  es  sich  um  eine  relative  Steige- 
rung handeln,  die  dadurch  hervorgerufen  wird,  dass  der  Druck  der  Atmo- 
sphäre abnimmt,  wie  es  unter  dem  Einfluss  der  Schröpfköpfe  geschieht, 
obwohl  hier  ausserdem  noch  Stauungen  im  Schröpfkopfhals  im  Spiele  sind: 
Einathmungsbewegungen  bei  behindertem  Luftzutritt  wirken  ähnlich  den 
Schröpfköpfen  und  führen  zu  den  besonders  vom  Neugeborenen  bekannten 


H&morrhagie  und  Pigmentbildung.  95 

eubpleuralen  und  subperikardialen  Ecchymosen.  Die  relative  Blutdruck- 
erhöbung,  welche  bei  Tunnelarbeitem,  Tauchern  etc.  nach  dem  Übergang 
aus  komprimierter  Luft  in  die  gewöhnliche  Atmosphäre  auftritt,  ist  wohl 
nicht  direkt  als  Ursache  der  unter  diesen  Verhältnissen  beobachteten 
Blutungen  anzusehen;  vielmehr  werden  die  letzteren  auf  embolische  Gefäss- 
Verstopfungen  durch  die  im  Blute  freiwerdenden  Blasen  der  unter  dem 
hohen  Druck  absorbierten  Gase,  speziell  des  Stickstoffs  zurückgeführt; 
treten  sie  doch  besonders  gern  an  dem  vom  äusseren  Atmosphärendruck 
relativ  am  wenigsten,  nur  durch  die  Lymphgefässverbindungen  abhän- 
gigen Rückenmarke  auf. 

hn  allgemeinen  darf  angenommen  werden,  dass  bei  gesunder  Gefäss- 
wand  eine  Erhöhung  des  Blutdruckes  nur  an  venösen  Gefässen  zur  Ruptur 
fülirt ;  daher  rühren  die  zahlreichen  Stauungsblutungen  per  rhexin  —  neben 
denen  durch  Diapedese  —  bei  allgemeiner  besonders  aber  lokaler  Druck- 
steigerung im  Venensystem  (Hirnblutungen  bei  Sinusthrombose  u.  ähnl.); 
normale  Arterien  ertragen,  wenigstens  in  der  Regel,  auch  extreme  Druck- 
steigerungen ohne  zu  zerreissen,  und  bei  arteriellen  Kongestionen,  z.  B.  im  Ver- 
laufe von  Entzündungen,  kommt  es  im  normalen  Gefässystem  nur  zu 
kapillären  Blutungen.  Für  notorisch  arterielle  Hämorrhagieen  muss  eine 
Erkrankung  der  Wand  vorausgesetzt  werden:  Beim  Platzen  der  gröberen 
Aneurysmen  ist  dieselbe  gegeben  1.  in  der  Existenz  der  Mediadefekte, 
welche  der  Aneurysmenbildung  selbst  zu  Grunde  liegen,  2.  in  der  durch 
die  allmähUche  lokale  Dehnung  entstehenden  Verdünnung,  3.  der  sekun- 
dären Bindegewebsneubildung  entzündlicher  Natur  in  der  Wand.  Für  die 
dissecierenden  Aneurysmen  der  Aorta  und  ihrer  Äste  liess  sich  freilich  ein 
vorher  bestehender  pathologischer  Zustand  der  Wandung  bisher  nicht 
nachweisen  und  deshalb  wird  vielfach  eine  traumatische  Entstehung  der 
Intima-  und  Mediazerreissung  angenommen.  Für  die  spontanen  arteriellen 
Hirnblutungen  sind  als  Wandveränderungen  von  Charcot  und  Bouchard 
die  miliaren  Aneurysmen  bezeichnet  und  regelmässig  gefunden  worden, 
während  nach  anderen  (v.  Recklingshausen)  die  Konstanz  keine  so 
absolute  ist.  Für  diese  übrig  bleibenden  Fälle  muss  zunächst  die  Druck- 
erhöhung allein  verantwortüch  gemacht  werden. 

Als  massgebender  Faktor  wirkt  die  lokale  Drucksteigerung  ferner  bei 
den  kapillären  Blutungen  durch  Gefässverstopfung ;  nur  muss  man  dann 
für  die  Mehrzahl  dieser  Fälle  eine  momentan  vorübergehende  Erhöhung 
zum  Sprengen  der  Kapillarwand  als  hinreichend  betrachten,  da  ja  schon 
nach  Sperrung  grösserer  Arterien  die  öiÜiche  Steigerung  des  Blutdruckes 
binnen  kürzester  Zeit  durch  Kollateralen  wieder  ausgeghchen  wird,  und 
nach  Verlegung  einzelner  Kapillaren  die  Ablenkung  des  Blutes  in  Nachbar- 
bezirke noch  leichter  von  Statten  geht.     Hierher  gehören  wenigstens  die- 


96  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

jenigen  multiplen  Ecchymosen,  welche  sich  an  gutartige  KapiUar-Embolieen 
und  Thrombosen  ^nschliessen :  Fettembolien,  Pigmentpfröpfe  bei  Malaria, 
Blutplättchenthromben  nach  Verbrühungen  u.  a.;  femer  die  hyalinen 
Kapillarthromben  bei  hämorrhagischen  Infarkten  (v.  Recklinghausen), 
die  während  der  Sistierung  des  Blutstroms  sich  bilden  und  nach  Wieder- 
herstellung der  Cirkulation  für  letztere  ein  Hemmnis  bilden.  Dagegen  spielt 
bei  den  mykotisch  embolischen  Blutungen  im  Verlauf  septischer  Erkran- 
kungen auch  die  Schädigung  der  Gefäaswand  durch  die  verstopfenden 
Mikroorganismen  eine  ursächliche  Rolle.  Wohl  muss  dieser  Hämorrhagie 
bei  septischer  Infektion  die  hämorrhagische  Diathese  an  die  Seite  gestellt 
werden ,  welche  infolge  mancher  Infektionskrankheiten  beobachtet 
wird,  zweifellos  die  bei  ulcerösen  Endokarditis,  die  Blutungen  der  Haut 
und  inneren  Organe  bei  hämorrhagischen  Pocken  (Weigert);  doch  werden 
in  anderen  Fällen,  z.  B.  bei  Typhus  abdominalis  (v.  Recklinghausen 
und  P.  Meyer),  Petechialtjrphus  u.  a.  in  den  Ecchymosen  Kapillarthromben 
vermisst,  sodass  der  Gedanke  nahe  hegt,  dass  chemische  Veränderungen 
des  Blutes  die  Kohäsion  der  Gefässwände  stören  und  so  die  Blutung  her- 
beiführen. Auch  für  den  ausgesprochen  hämorrhagischen  Cliarakter  der 
bei  den  letzten  Influenzaepidemien  beobachteten  Entzündungen,  vor  allem 
das  relativ  häufige  Auftreten  hämorrhagischer  Encephalitis ,  ist  noch  keine 
genügende  Aufklärung  gegeben;  nur  für  die  hämorrhagische  Beschaffen- 
heit der  Influenza  pneumonieen  hat  v.  Recklinghausen  in  den  hyalinen 
Kapillarthromben  eine  erklärendes  Moment  gefunden. 

In  Fällen  von  verbreiteten  Blutungen  im  Verlauf  von  Icterus  gravi«, 
akuter  gelber  Leberatrophie  und  akuter  Phosphorvergiftung  bleibt  die  Ge- 
nese der  Blutungen  ebenfalls  noch  unentschieden,  denn  von  Verstopfungen 
der  Gefässe  in  den  hämorrhagischen  Partieen  konnte  bisher  nichts  nach- 
gewiesen werden ;  ob  aber  der  besonders  bei  Phosphorvergiftung  meist  nicht 
seltene  Befund  von  Gefässverfettung  zur  Zerreissung  disponiert,  mag  mit 
Rücksicht  auf  das  überaus  häufige  Vorkommen  dieser  Veränderung  ohne 
jede  Blutung  zweifelhaft  erscheinen;  überhaupt  ist  der  Beweis  dafür  noch, 
nicht  erbracht,  dass  diese  Hämorrhagieen  wirklich  auf  Zerreissung  berulieu 
Der  Phosphorintoxikation  reihen  sich  noch  andere  Vergiftungen  an, 
welche  mit  Blutungen  einhergehen  können,  die  mit  Platin,  Antimon  und 
besonders  mit  Quecksilber:  Mit  Vorliebe  erscheinen  hier  die  Hämorrha- 
gieen im  Darmkanal,  jedoch  auch  an  anderen  Stellen  (Harnblase,  Herz, 
Lungen  etc.),  ohne  dass  sich  aber  an  den  Gefässen  eine  anatomisch  nach- 
weisbare Ursache  dafür  hätte  eruieren  lassen.  Von  Cohnheim  wurde 
für  die  Blutungen  bei  den  hochgradigen  und  andauernden  Anämieen  und 
bei  der  Leukämie  die  Verschlechterung  der  Blutbeschaffenheit,  vor  allem 
der  Mangel  an  funktionsfähigen  roten  Blutkörperchen  als  ein  Moment  be- 


Hämorrhagie  und  Pigmentbildang.  97 

zeichnet,  welches  eine  Läsion  der  Gefässwandungen  nach  sieh  zieht  und 
so  die  Blutungen  veranlasst.  Allerdings  fehlt  es  nicht  an  Mitteilungen 
über  den  Befund  von  Gefässveränderungen  und  besonders  Verstopfungen 
bei  Erkrankungen  der  erwähnten  Art,  nur  können  dieselben  noch  nicht 
als  beweiskräftig  bezeichnet,  mindestens  nicht  verallgemeinert  werden.  Von 
Ulli  vier  und  Ran  vier  s  Leukocytenthromben  in  den  Kapillaren  bei 
Leukämie  ist  es  noch  nicht  bewiesen,  dass  sie  nicht  erst  nach  derEcchy- 
mosierung  zu  stände  gekommen  sind  (v.  Recklinghausen);  Kretschys 
Beobachtung  von  gelben,  fast  nur  aus  Leukocyten  und  Fibrin  zusammen- 
gesetzten Pröpfen  in  den  kleinen  Arterien  in  einem  Falle  von  Leukämie 
bedarf  ebenfalls  noch  einer  ausgedehnteren  Bestätigung,  ehe  man  diese 
Thromben  als  Ursache  der  Extravasate  auffassen  darf.  v.  Kogerer 
hat  die  unter  dem  Bilde  der  Purpura  sich  darstellenden  Hauthämor- 
rhagieen,  welche  bei  tuberkulösen,  carcinomatösen,  senilen  Kachexieen  sich 
einstellen  können,  mikroskopisch  untersucht  und  regelmässig  Thromben  in 
den  kleinen  Venenstämmchen,  jedoch  auch  den  kleinen  Arterien,  gefunden,  oft 
allerdings  nur  in  spärUcher  Zahl,  in  einzelnen  Fällen  auch  Gefässwandverdick- 
uügen;  indessen  ist  auch  hierbei  noch  keineswegs  entschieden,  dass  diese 
Zustände  wirkUch  die  Ursache  der  Blutungen  bilden  und  nicht  nur  eine 
lieben  anderen,  dieselbe  veranlassenden,  einhergehende  Veränderung  dar- 
«ellen. 

Die  hämorrhagische  Diathese  kann  als  selbständiges  Leiden  von 
akutem  und  chronischem  Verlauf  auftreten  imd  zu  verschiedenenartigen 
Krankheitsbildem  führen:  Skorbut,  Purpura  hämorrhagica  und  Morbus 
ijiacuiosus  Werlhofii  und  der  in  den  Familien  so  exquisit  vererblichen 
Hämophilie.  Für  diese  spontan  sich  entwickelnden  Blutkrankheiten  ist 
nach  einer  Veränderung  der  Blutzusammensetzung  mit  besonderem  Eifer 
gesucht  und  als  Ausdruck  derselben  Verdünnung  des  Blutes,  Verminde- 
ruDg  des  Fibrins,  Verringerung  der  Zahl  roter  Blutkörperchen  angesehen 
worden,  ohne  dass  aber  diese  Mitteilungen  irgend  welche  Übereinstim- 
mung erkennen  lassen  und  ohne  dass  die  notwendigen  Folgezustände  der 
Blutverluste  für  die  BlutbeschafEenheit  genügend  davon  getrennt  worden 
^aren.  Nach  den  äusseren  Verhältnissen,  in  denen  die  skorbutischen  In- 
«üviduen  gewöhnlich  leben,  ist  der  Änderung  des  Salzgehaltes  der  Nah- 
rung eine  besondere  Bedeutung  zugeschrieben,  aber  von  den  Einen 
«lie  Verminderung,  von  anderen  die  Erhöhung  desselben  geltend  gemaclit 
worden.  Auch  angenommen,  dass  die  Blutzusammensetzung  der  wirksame 
Faktor  ist,  so  hat  sich  doch  noch  keine  einheitliche  Auffassung  darüber 
gewinnen  lassen,  in  welcher  Weise  dieselbe  den  Anlass  zur  Hämorrhagie 
abgeben  soll:  teils  ist  die  dadurch  bedingte  schlechte  Ernährung  und 
Brüchigkeit   der   Gefäjsswände   herangezogen  worden   (Cohnheim),  teils 

LQ^arsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  7 


98  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

eine  hypothetische  Fähigkeit  des  Blutes,  Niederschläge  zu  bilden,  die 
kapilläre  Embolieen  veranlassen  (Lew in),  in  der  Art,  wie  Hayem  bei 
Hunden  nach  Einführung  von  Rinderblutserura  in  die  Cirkulation  sich 
kleine  Körnchen  und  durch  diese  Gefässverstopfungen  und  hämorrhagische 
Infarkte  bilden  sah.  Von  anderen  ist,  gleichgültig,  ob  eine  Blutverände- 
rung  die  letzte  Ursache  abgiebt  oder  nicht,  als  der  die  Hämorrhagie  ver- 
anlassende Faktor  eine  histologisch  nachweisbare  Gefässerkrankung  be- 
zeichnet und  so  den  Blutungen  ein  „vaskulärer"  Ursprung  zugeschrieben 
worden:  Uskow  hat  in  Arterien  und  Kapillaren  des  Zahnfleisches  und 
Periosts  bei  Skorbut,  Schwellung  der  Endothelien  und  Anhäufung  von 
roten  und  weissen  Blutkörperchen  gefunden,  und  Hayem  beschreibt 
wenigstens  für  einen  Teil  der  Fälle  von  Purpura  haemorrhagica  eine 
disseminierte  Arteriitis  als  diejenige  Veränderung,  welcher  die  Extra- 
vasationen  nach  Art  der  Infarkte  folgen;  damit  ist  auf  die  alte  Anschau- 
ung Cruveilhiers  zurückgegriffen,  welcher  diese  hämorrhagischen  Prozesse 
auf  Kapillarphlebitis  zurückführte,  v.  Kogerer  fand  bei  Skorbut  und 
Morbus  Werlhofii  zwar  Gefässthromben  in  den  hämorrhagischen  Partieen 
der  Haut  ohne  dieselben  jedoch  mit  der  Blutung  in  ursächlichen  Zu- 
sammenhang zu  bringen. 

Für  die  Hämophilie  muss  angesichts  der  ausgesprochenen  Erblichkeit 
und  der  Thatsache,  dass  ausser  der  Disposition  gewisser  Lokalitäten,  besonders 
der  Nasenschleimhaut,  zu  spontanen  Blutungen,  alle  Gefässbezirke  schon 
nach  leichten  Traumen  zu  grossartigen  Ergüssen  Gelegenheit  geben,  eine 
lokale   erworbene    Gefässerkrankung   als   Ursache   von  vornherein  ausge- 
schlossen und  höchstens  eine  angeborene  allgemeine  Missbildung  des  Gefäss- 
Systems  in  Betracht  gezogen  werden.    Als  solche  ist  von  Virchow  in  einem 
Falle  die  evidente  Enge   und   Dünnwandigkeit  der.  Aorta  bei  gut  ausge- 
bildetem Kapillarsystem  bezeichnet  worden.     Für  den  Gedanken,  dass  die 
auffallend   geringe  Neigung   dieser  Blutungen,    zum  Stehen    zu    kommen, 
auf  einer  herabgesetzten  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes  beruhe,  sind  durch 
die   bezüglichen   Untersuchungen   keine   belegenden  Thatsachen  zu  Tage 
gefördert  worden.      v.   Reckling hausen  verlegt  die  Neigung  zu  den 
spontanen  Blutungen  bei  Hämophilie  in  die  Gefässnerven  und  stellt  damit 
das  Leiden  der  Gruppe  von  Hämorrhagieen  nahe,  welche  als  neuropathisehe 
bezeichnet  werden.    An  erster  Stelle  dieser  Art  von  Hämorrhagieen  steht 
die  Menstruationsblutung,   welche  als  ein  durch  die  Ovulation  angeregter 
reflektorischer  Vorgang  aufzufassen  ist,  der  sich  gelegentlich  auch  an  an- 
deren Schleimhäuten  als  der  des  Uterus,   vor  allem  der  des  Magens  und 
der  Nase  abspielt;  da  diese  Blutungen  an  abnormen  Stellen  hauptsächlich 
dann  auftreten,  wenn  der  Erguss  im  Uterus  nur  gering  ist,  sind  sie  als 
vikariierende  oder  supplementäre  bezeichnet  worden.     Ob  Diapedese   oder 


Hämorrhagie  und  Pigmentbilduog.  99 

Gefässzerreissung  diesen  menstrualen  Hämorrhagieen  zu  Grunde  liegt,  ist 
noch  nicht  aufgeklärt.  Eine  weitere  Gruppe  neuropathischer  Blutungen 
knüpft  sieh  an  das  Bestehen  funktioneller  Nervenleiden  vor  allem  der 
Hysterie,  und  tritt  meist  nach  besonderen  Affekten  zu  Tage,  hauptsächlich 
an  der  Haut,  dann  auch  an  verschiedenen  Schleimhäuten,  (der  Nase,  des 
Uterus  etc.);  dabei  können  die  Hauthämorrhagieen  mit  den  nervösen  Stö- 
rungen eine  ausgesprochene  Übereinstimmung  in  der  Lokalisation  zeigen: 
So  sah  Lanceraux  bei  einer  Hysterica  Hemiaftiästhesie  und  halbseitigen 
Purpurazustand  der  Haut  auf  derselben  Körperhälfte.  Noch  deutlicher 
tritt  diese  Abhängigkeit  von  nervösen  Störungen  hervor,  wenn  organische 
Nervenkrankheiten  vorliegen  und  die  Blutungen  in  der  dem  erkrankten 
Nervenbezirk  entsprechenden  Haut  lokalisiert  sind:  Faisans  sah  zwei  Fälle 
alkoholischer  Neuritis  der  Unterextremitäten,  in  denen  die  Ecchymosen 
10—11  Tage  nach  dem  Beginn  der  neuralgischen  Schmerzen  erschienen 
und  entsprechend  der  Ausbreitung  des  entzündeten  Nerven,  und  zwar 
deutlichst  an  die  schmerzhaftesten  Punkte  gebunden,  lagen;  ähnlich  war 
ein  Fall  doppelseitiger  Ischias  mit  symmetrischer  Purpura.  Hautblutungen 
bei  Rückenmarksläsionen  sind  selten  beobachtet  und  mit  Vorsicht  zu  be- 
urteilen. Indessen  wird  die  Vermutung  eines  nervösen  Ursprungs  der 
Purpura  nahegelegt  in  dem  Falle  von  Chevallier,  in  welchem  bei  einem 
mit  multipler  Sklerose  behafteten  Individuum,  dessen  motorische  und  sen- 
sible Störungen  fast  ganz  auf  die  rechte  Seite  beschränkt  waren,  Pocken 
auftraten  und  ausschliesslich  an  der  rechten  Körperhälfte  hämorrhagischen 
Charakter  trugen;  ferner  bei  der  Beobachtung  von  Strauss  über  Haut- 
hämorrhagieen bei  Tabes:  dieselben  sassen  fast  immer  an  dem  Glied  und 
»lemjenigen  Teile  des  Gliedes,  wo  die  hauptsächlichsten  Schmerzen  vor- 
handen waren,  aber  regelmässig  etwas  proximal  von  der  dem  Schmerz- 
raaximum  entsprechenden  Stelle,  und  erschienen  mit  dem  Höhepunkt  der 
Schmerzen.  Über  das  Zustandekommen  dieser  neuropathischen  Blutungen 
sind  noch  keine  befriedigenden  Ansichten  gewonnen  worden.  Wohl  wird 
allgemein  eine  lokale  Kongestion  als  Folge  der  Störung  vasomotorischer 
Nervenfasern  angenommen;  ob  aber  diese  allein  ausreicht,  ob  nicht  etwa 
trophische  Veränderungen  der  Gefässwand  vorliegen,  ob  die  Kongestion 
wirklich  den  primären  Effekt  der  CJefässstörung  darstellt,  sind  noch  offene 
Fragen.  Dieselben  lassen  sich  zur  Zeit  umso  weniger  leicht  beantworten, 
als  es  experimentell  bisher  nicht  gelungen  ist,  in  der  Haut  Blutungen  von 
den  vasomotorischen  Nerven  aus  hervorzurufen,  und  die  durch  Eingriffe 
am  Nervensystem  erzeugten  Blutungen  innerer  Organe,  besonders  des 
Magens  und  der  Lunge,  noch  keine  sichere  Deutung  zulassen. 

Ein  eigentündiches   Auftreten  hämorrhagischer   Diathese   ist   neuer- 
dings von  Manchot  (1894)  mitgeteilt  worden:   Dieselbe  befiel  einen  Mor- 


100  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

phinisten,  der  keine  Zeichen  von  Kachexie  aufwies,  während  der  Ent- 
ziehungskur und  war  auf  diie  Haut  der  Beine  und  Unterarme  beschränkt. 
Da  sich  die  Blutungen  durch  Streichen  mit  stumpfen  Instrumenten  will- 
kürlich hervorrufen  liessen,  war  ein  genauerer  Einblick  in  das  Geschehen 
möglich:  zunächst  entstand  ein  Streifen  lokaler  Hyperämie,  nach  2  Stun- 
den eine  quaddelförmige  Erhebung  und  nach  4—6  Stunden  war  diese 
verschwunden  und  durch  dichtstehende  Hämorrhagieen  ersetzt. 

IL  Pigmentbildniig. 

Die  pathologischen  Pigmentierungen,  welche  durch  Bildung  des  Farb- 
stoffes im  Organismus  entstehen  können,  beruhen  1.  auf  diffuser  Durch- 
tränkung, 2.  auf  festen,  körnigen  oder  krystallinischen  Abscheidungeu. 
Im  allgemeinen  gilt  die  Auffassung,  dass  diffuse  Färbungen  der  zelligen 
Elemente  durch  einen  in  Blut  oder  Gewebssäften  gelösten  Stoff  nur  an 
abgestorbenen  oder  in  der  Lebensfähigkeit  herabgesetzten  Zellen  auftreten, 
dass  dagegen  lebenskräftiges  Protoplasma  das  gelöst  zugeführte  Material  ver- 
arbeitet, entweder  dasselbe  zerstört,  oder  in  Form  von  Körnern  fixiert.  An  der 
Zwischensubstanz  kann  eine  diffuse  Färbung  auch  bei  voller  Lebensenergie 
der  Gewebe  eintreten,  z.  B.  beim  Ikterus.  Als  sichere  Quellen  der  Pig- 
mentierungen sind  bekannt: 

1.  der  Blutfarbstoff, 

2.  die  Gallenfarbstoffe, 

unter  welch  letzteren  das  Bilirubin  das  Hauptpigment  bildet;  nach  der  herr- 
schenden Annahme  werden  auch  die  Gallenfarbstoffe  in  letzter  Linie  vom 
Hämoglobin  abgeleitet.  Das  Hämoglobin  vermag  als  solches  keine  dauernde 
pathologische  Pigmentierung  hervorzubringen,  sondern  erfährt,  aus  seinem 
normalen  Sitz  in  den  roten  Blutkörperchen  ausgetreten,  eine  zugleich  mit 
chemischen  Veränderungen  verbundene  Umwandlung  zu  körnigen  mid 
krystallinischen  Dauerformen,  selten  zu  diffus  färbenden  Lösungen,  da- 
gegen entstehen  die  abnormen  Pigmentierungen  durch  Gallenfarbstoffe  nur 
durch  übermässige  Anhäufung  des  physiologischen  Materials  in  den  ver- 
schiedenen Geweben  in  gelöster  Form,  höchstens  als  Schollen  und  Kömer, 
aber  ohne  chemische  Metamorphosen. 

Auf  dem  Boden  dieser  Thatsachen  bauen  sich  die  zahlreichen  noch 
nicht  abgeschlossenen  Untersuchungen  auf,  inwieweit  die  sogen,  melano- 
notischen  Pigmente  des  Körpers  in  ihrem  physiologischen  Vorkommen 
(Haut,  Haare,  Auge,  Pia  mater)  und  den  pathologischen  Steigerungen  des- 
selben, sowie  in  den  pathologischen  Neubildungen  dieser  Gewebe  auf  die 
präexistenten  Farbstoffe  nach  dem  bekannten  Umwandlungsmodus,  oder  auf 
eine  eigentümUche  und  metabolische  Thätigkeit  der  Zellen  zurückzuführen 


Hämorrhagie  und  Pigmentbildung.  101 

ßind,  in  welchem  Verhältnis  ferner  die  nicht  melanotischen  abnonnen  Pig- 
mentierangen,  z.  B.  bei  Hämochromatose,  Ochronose,  Chloromen,  zu  den 
physiologischen  gefärbten  Substanzen  des  Körpers  stehen. 

Der  Modus  der  lokalen  hämatogenen  Pigmentbildung,  wie  sie  nach 
Hämorrhagieen,  Entzündungen,  in  Thromben,  kurz  überall  da,  wo  rote  Blut- 
körperchen funktionsunfähig,  aus  der  Cirkulation  ausgeschaltet  werden,  sich 
abspielt,  ist  bis  auf  Fragen  sekundärer  Art  genau  studiert.  Sicher  ge- 
stellt erscheint,  dass  dabei  aus  dem  Hämoglobin  zweierlei  gefärbte  Körper 
eütstehen,  welche  chemisch  und  morphologisch  verschieden  sind,  obwohl 
nicht  immer  die  gleichen  chemischen  und  morphologischen  Eigenschaften 
zusammentreffen:  1.  Eisenfreies  Pigment,  Hämatoidin;  2.  eisenhaltiges 
Pigment  —  Hämosiderin  (Neumann  1888),  in  letzterem  der  Eisengehalt 
durch  Perls  BerUnerblau-  oder  Quinckes  Schwefelammonium -Reaktion 
nachweisbar.  Der  Regel  nach  stellt  sich  Hämatoidin  krystalUnisch ,  als 
feine  Nadeln  oder  schiefe  Rhomboeder  dar,  Hämosiderin  kömig  und 
schollig;  doch  kann  —  als  Ausnahme  —  auch  Hämatoidin  in  Körnerform 
auftreten;  jedoch  ist  eisenhaltiges  Pigment  nie  in  Krystallen  beobachtet 
worden.  Allerdings  ist  auch  für  das  Hämosiderin  der  mikrochemisch 
nachweisbare  Eisengehalt  eine,  wenn  schon  lange  dauernde,  doch  vorüber- 
gehende Eigenschaft:  Vor  der  vollen  Entwickelung  ist  dasselbe  trotz  mor- 
phologischer Vollendung  eisenfrei,  und  in  denselben  Zustand  kehrt  es  nach 
der  Periode  der  positiven  Eisenreaktion  zurück  (M.  B.  Schmidt  1889).  Da- 
nach kann  das  Ausbleiben  der  Eisenreaktion  nicht  als  Kriterium  gegen 
den  hämatogenen  Charakter  verwandt  werden.  Diese  beiden  chemisch-mor- 
phologisch differenten  Blutpigmente  gehen  auch  in  ihrer  Entwickelung  aus 
dem  Hämoglobin  getrennte  Wege  (Neumann  1888).  Hämatoidin  entsteht, 
wenn  das  Blut  in  lebensunfähiges,  Hämosiderin,  wenn  es  in  lebendes  Ge- 
webe extravasiert  war;  wenn  beide  nebeneinander  in  Hämorrhagieen  oder 
Thromben  auftreten,  liegt  das  Hämatoidin  vorwiegend  im  Blutgerinnsel 
selbst,  das  Hämosiderin  dagegen  in  dem  umgebenden  Gewebe,  und  in  einer 
intermediären  Zone  finden  sich  beide  nebeneinander.  Hämatoidinbildung 
diu-f  man  wohl  als  einen  von  vitaler  Gewebsthätigkeit  unabhängigen  Pro- 
zess  betrachten,  bei  dem  nach  Virchows  ziemlich  allgemein  gültiger,  von 
Langhans  (1870)  nicht  geteilter  Ansicht  Krystalle  und  Kömer  aus  dem 
gelösten  und  diffundierten  Blutfarbstoff  ausfallen.  Immerhin  ist  auch  die 
Hämatoidinbildung  kein  einfach  chemischer,  sondern  nach  v.  Reckling- 
hausens  (1883)  Annahme  von  gewissen,  komplizierten  fermentativen  Vor- 
gängen abhängiger  Prozess:  Denn  nur  im  überlebenden,  fäulnisfrei 
aufbewahrten  Blut  lassen  sich  künstlich  Hämatoidinkrystalle  hervorrufen 
(V.  Recklinghausen  1883,  Hauser  1886),  nicht  aber  durch  chemische 
Prozeduren.     Auch  das  körnige  Hämosiderin  kann  aus  gelöstem  Blutfarb- 


102  Allgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

Stoff  hervorgehen,  wie  Neumann  (1888)  durch  die  experimentellen  Ein- 
spritzungen von  in  Äther  gelöstem  Hämoglobin  nachwies.  Beim  Menschen 
ist  indessen  wohl  als  Regel  die  direkte  Umwandlung  der  roten  Blut- 
körperchen oder  ihrer  Toilstücke,  oder  auch  des  tropfenförmig  vom 
Stroma  getrennten  Hämoglobins  in  gelbe  und  braune  Körner  ohne  vor- 
herige Lösung  zu  betrachten.  Umstritten  ist  noch  die  Frage,  ob  dieser 
Prozess  notwendig  im  Innern  von  „blutkörperhaltigen"  Zellen  sich  abspielt, 
oder  ebensogut  extracellulär  ablaufen  kann;  die  Ausschliesslichkeit  des 
ersteren  Vorgangs  ist  von  Langhans  bei  seinen  grundlegenden  Ex- 
perimenten (1870)  angenommen  worden,  von  anderen  werden  beide  Mög- 
hchkeiten  anerkannt.  Physiologisch  kommt  Hämosiderinbildung  in  den 
blut-bildenden  und  zerstörenden  Organen,  Milz,  Leber,  Knochenmark,  vor 
und  wird  hier  durch  alle  den  Untergang  roter  Blutkörperchen  steigernden 
Vorgänge  oder  künstliche  Eingriffe  vermehrt  (Quinckes  Siderosis  bei 
pemiciöser  Anämie  und  künstlicher  Plethora  1880,  J.  Arnold  1885).  Die 
pseudomelanotischen  Färbungen  bei  Gangrän  und  Leichen  Fäulnis,  welche 
am  Kadaver  auf  gewisse  Organe  beschränkt  und  unabhängig  vom  Blut- 
gehalt derselben  auftritt,  ist  nach  v.  Recklinghausen  (1883)  und  Neu- 
mann (1888)  auf  eine  Kombination  vitaler  und  kadaveröser  Vorgänge 
zurückzuführen,  derart,  dass  Hämosiderin  vorhanden  sein  muss,  w^eleher 
unter  dem  Einfluss  fauliger  Zersetzimgsprodukte ,  wahrscheinlich  des 
Schwefelwasserstoffs,  in  schwarze  Körner  übergeführt  wird. 

Vom  Ort  erster  Bildung  kann  das  notorisch  aus  Hämorrhagieen  her- 
vorgegangene Pigment  eine  allgemeine  Verbreitung  erfahren :  Hämosiderin 
in  den  von  einem  Blutungsherd  abhängigen  Lymphgefässen  und  Lymph- 
drüsen ist  häufig  nachzuweisen,  ausserdem  auf  Leber,  Milz  und  Pankreas 
ausgedehnt  von  Tillmann  s  (1878)  nach  traumatischen  Gewebszerreissungen 
und  in  einem  Falle  von  Morbus  maculosus  Werlhofii  von  Hindenlaug 
(1880)  gefunden  und  von  letzterem  als  Resultat  einer  „Blutpigmentmetastase'' 
gedeutet  worden,  v.  Recklinghausen  (1889)  hat  eine  häufig  und  in 
weiter  und  typischer  Verbreitung  vorkommende  ähnliche  pathologische 
Färbung  der  Organe  als  „Hämochromatose"  beschrieben.  Dieselbe  ist  cha- 
rakterisiert durch  das  Nebeneinanderauftreten  zweier  Pigmentarten,  welche 
den  befallenen  Geweben  eine  makroskopisch  kenntliche  Braunfärbung  ver- 
leihen: 1.  des  ockerfarbenen  Hämosiderins  in  Leber  (Sekretions-  und  Stern- 
zellen), Lymphdrüsen,  serösen  Membranen,  Scheiden  grösserer  Gefässe  und 
Fettgewebe;  2.  eines  von  v.  Recklinghausen  Hämofuscin  genannten 
feinkörnigen,  gallenbraunen,  eisenfreien  Farbstoffs  in  den  glatten  Muskel- 
fasern der  Darm-  und  Magenwand,  der  Blut-  und  Lymphgefässe,  der  Harn- 
blase, Ureteren,  Vasa  deferentia,  ferner  in  den  an  Saftkanälen  reichen 
Bindegewebsscheiden  der  Blutgefässe  und  Drüsen,  immer  intracellulär  ge- 


Hämorrhagie  und  Pigmentbildnng.  103 

lagert,  endlich  in  den  Epithelien  der  Magen-  und  Darmdrüsen,  Speichel- 
und  Thränendrüsen ,  Schleim-  und  Schweissdrüsen.  Beide  Pigmentarten, 
das  eisenfreie  Hämofuscin  und  das  Hämosiderin,  sind  offenbar  von  der 
gleichen  Quelle  abzuleiten,  nämlich  von  kapillären  Blutungen  oder  Dia- 
pedesen  und  als  Ausdruck  hämorrhagischer  Diathese  zu  betrachten  (be- 
sonders bei  chronischen  hämorrhagischen  Entzündungen,  z.  B.  der  serösen 
Membranen  und  der  Leber  beobachtet);  das  Hämosiderin  entsteht  am  Ort 
der  Blutungen  direkt  aus  den  roten  Blutkörperchen,  das  Hämofuscin 
wahrscheinlich  so,  dass  es  den  betreffenden  Geweben  in  gelöster  Form 
zugeführt  und  in  den  glatten  Muskelzellen  u.  s.  w.  kömig  verdichtet  wird. 
Diese  Annahme  einer  gleichzeitigen,  nebeneinander  hergehenden 
Bildung  von  Hämofuscin  und  Hämosiderin  modifiziert  Göbel  (1894, 1)  auf 
Grund  seiner  Beobachtungen  über  die  Pigmentierung  der  Darmmuskulatur, 
hei  deren  höheren  Graden  andere  Organe  an  der  Färbung  teilnehmen. 
Die  rntersuchung  von  100  Därmen  der  verschiedensten  Lebensalter  liess 
feststellen,  dass  feine  gelbe  cisenfreie  Pigmentkömehen  (Hämofuscin)  beim 
Erwachsenen  fast  ausnahmslos  an  einzelnen  Zellen  der  Darmmuskulatur 
vorhanden  sind,  und  dass  ihre  Menge  proportional  dem  Alter  wächst,  wie 
es  von  Maas  (1889)  für  die  physiologischen  Pigmentierungen  des  Herzens, 
der  Leber,  Nieren,  Hoden  etc.,  konstatiert  worden  ist.  Kachexieen,  besonders 
carcmomatöse  und  tuberkulöse,  steigem  die  Ablagemng,  in  deren  höchsten 
Graden  die  Darmwand  rostbraun  gefärbt  erscheint.  Auffällig  ist  die  be- 
sondere Disposition  gewisser  Darmabschnitte;  am  stärksten  des  Jejunum, 
weniger  des  Ileum,  Cöcum  und  Colon;  überall  liegt  das  Pigment  allein 
oder  reichlicher  in  der  Längsmuskulatur  gegenüber  den  Ringmuskeln  und 
der  Muscul.  mucosae.  Mit  den  höheren  Graden  dieser  Darmpigmentierung 
verband  sich  regelmässig  eine  gleiche  Ablagerung  in  den  glatten  Muskel- 
fasern und  dem  Bindegewebe  anderer  Organe,  vor  allem  der  Gefässwände  des 
Darms,  der  Nieren,  Leber,  Lmigen,  der  Bronchialmuskulatur  u.  s.  w.,  in  dem 
iuWrstitiellen  Gewebe  der  Submaxillardrüse ,  der  Leber  etc.,  nie  aber  rief 
fliese  Pigmentierung  auffälhge  makroskopische  Färbung  der  Teile  hervor. 
Immer  erwies  sich  dieses  Pigment  als  Hämofuscin  mid  lag  nur  im  Innern 
von  Zellen,  die  nie  Atrophie,  vielmehr  fast  stets  Vergrösserung  („Pigment- 
spindeln'*) aufwiesen.  Wichtig  ist,  dass  das  gleichzeitig  vorhandene  Hämo- 
Hderin  in  den  Parenchymzellen  der  Leber,  Milz  und  Nieren  bezüglich  der 
Reicldichkeit  mit  der  Hämofuscinbildung  nur  in  einer  verschwindenden 
Zahl  der  Fälle  Hand  in  Hand  ging,  ferner  aber  auch  in  den  höheren 
Oraden  der  Färbung  fast  nie  eine  hämorrhagische  Diathese  oder  Anzeichen 
stattgehabter  Blutungen  existierten.  So  möchte  Göbel  die  einfache 
Vermehrung  des  Blutzerfalls  innerhalb  der  Blutbahn,  der  durch  das  Alter, 
Kachexieen  und  vielleicht  AlkohoUsmus  gefördert  wird,  als  Quelle  der  Färb- 


104  Ailgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Stoffbildung  ansehen;  den  Zusammenhang  der  zwei  Pigmentarten  Häino- 
siderin  und  Hämofuscin  denkt  er  sich  derart,  dass  das  hierbei  zunächst 
an  den  gewöhnlichen  Ablagerungsstätten,  Leber  und  Milz,  gebildete  Hämo- 
siderin  wieder  ausgelaugt  und  als  Hämofuscin  über  den  Körper  ver- 
breitet wird,  wahrscheinlich  in  gelöster  und  erst  in  den  Zellen  verdichteter 
Form,  sodass  Leber  und  Milz  wieder  pigmentfrei  werden.  Erst  nach  star- 
ker Überschwemmung  aller  Körperteile  mit  Hämofuscin,  wie  sie  in  den 
hohen  Graden  der  Hämochromatose  auftritt,  bleibt  das  direkt  aus  den 
roten  Blutkörperchen  in  Milz  und  Leber  gebildete  Hämosiderin  als  solches 
in  diesen  Organen  liegen;  oder  von  vornherein  entsteht  bei  gesteigertem 
Zerfall  der  Blutscheiben  in  der  Cirkulation,  falls  derselbe  langsam  er- 
folgt, Hämofuscin,  wenn  rascher,  Hämosiderin.  So  können  die  von 
Göbel  gesehenen  Fälle  mit  ausgedehnter  Hämosiderinbildung  als  ge- 
ringer Grad  der  Hämochromatose  aber  mit  ihr  identisch  aufgefasst  wer- 
den. Von  dieser  Auffassung  v.  Racklinghausens  und  G  ob  eis  weicht 
Hintze  (9)  in  einer  jüngst  (1895)  erschienenen  Arbeit  in  einigen  Punkten 
ab,  nämlich  sowohl  bezüglich  des  Ursprungs  der  Hämosiderinherde,  als 
bezügUch  der  Bildungsweise  des  Hämofuscin.  In  den  Ablagerungen  des 
eisenhaltigen  Pigments  sieht  er  nicht  nur  Residuen  von  Blutungen  an  den 
betreffenden  Stellen,  resp.  nach  Fortschaffung  des  Blutes  in  die  abhängigen 
Lymphdrüsen,  sondern  den  Ausdruck  eines  vermehrten  Blutzerfalls  inner- 
halb der  Cirkulation;  denn  nur  in  einigen  seiner  6  Fälle  waren  Hämor- 
rhagieen  vorhanden,  deren  Ausdehnung  mit  der  Menge  des  Hämosiderins 
im  Einklang  stand;  regelmässig  dagegen  betraf  die  Hämochromatose  Indi- 
viduen mit  allgemeinen  Kachexieen  (carcinomatösen,  tuberkulösen  etc.),  bei 
denen  reichliche  intravaskuläre  Zerstörung  der  roten  Blutkörperchen  zweifel- 
los stattfand.  Die  V^eraibeitung  der  so  zu  Grunde  gehenden  Blutkörpc^r- 
chen  zu  Hämosiderin  erfolgt  nach  Hintze  an  den  gewöhnliclien 
Stätten,  d.  h.  in  Milz.  Knochenmark,  Leber,  Lymphdrüsen.  Für  die 
ausgebreiteteren  Färbungen,  bei  denen  die  EpitheUeu  der  Speicheldrüsen, 
Thränendrüsen ,  Nieren  etc.  beteiligt  werden,  nimmt  Hintze  eine  andere 
Entstehungsweise  des  Hämosiderin  an,  nämlich  die  aus  gelöst  zugeführteni 
Blutfarbstoff,  welche  als  eine  Pigment-,, Ausscheidung"  durch  diese  secer- 
nierenden  Epithelien  aufgefasst  werden  kann.  Um  diese  Möglichkeit  der 
Eisenpigmentbildung  aus  gelöstem  Material,  welche  bisher  nur  experimentoll 
von  Neumann  (s.  0.)  erwiesen  ist,  annehmbar  zu  machen,  weist  Hintze 
auf  die  in  einem  Falle  beobachtete  Braunfärbung  der  Lymphdrüsen 
durch  diffundierten  Farbstoff  hin. 

Bezüglich  des  Hämofuscins  arbeitet  Hintze  die  von  Lubarsch 
(5)  ausgesprochene  Anschauung  weiter  aus:  dasselbe  soll  nicht  in  allen 
Geweben  und  Organen  ehie  einheitliche  Genese  besitzen,  sondern  zum  Teil 


Hämorrbagie  und  PigmentbilduDg.  105 

aus  Hämosiderin  durch  Verlust  der  Eisenreaktion  hervorgehen,  zum  Teil 
von  vornherein  eisenfrei  gebildet  werden.  Ersteres  gilt  für  das  Hämo- 
fuscin  der  Bindegewebs-  und  Epithelzellen;  und  zwar  gründet  sich  diese 
Hypothese  auf  den  Befund  von  Übergangsbildern  zwischen  eisenhaltigem 
und  eisenfreiem  Pigment,  welche  von  v.  Recklinghausen  vermisst  wur- 
den; an  jenen  Stellen  können  die  beiden  gegen  die  Eisenreaktion  sich  ver- 
schieden verhaltenden  Farbstoffe  weder  durch  Form  noch  Lagerung,  noch 
optisches  Verhalten  von  einander  unterschieden  werden,  liegen  sogar  oft 
nebeneinander  in  einer  und  derselben  Zelle.  Auch  im  Herzmusfcel  fand 
Hintze  wie  Göbel  bei  Hämochromatose  das  braune  Pigment  stets  ver- 
melirt,  femer  aber  neben  den  wie  im  normalen  Zustand  eisenfreien 
Körnern  auch  eisenhaltige;  mit  Recht  zieht  er  daraus  nur  mit  Reserve 
den  Schluss,  dass  der  eisenfreie  Teil  aus  dem  eisenhaltigen  entstanden 
und  demnach  als  Derivat  des  Blutfarbstoffs  aufzufassen  sei.  Auf  das 
Pigment  der  glatten  Muskelfasern  kann  die  entwickelte  Hypothese  nicht 
ausgedehnt  werden,  da  hier  niemals  neben  dem  Hämofuscin  eisenhaltige 
Körner  nachgewiesen  werden  können.  Die  Bildung  des  Hämofuscins 
als  solchen  durch  die  Muskelzellen  erkennt  Hintze  an,  nur  mit  dem 
Zusatz  zu  v.  Recklinghausens  Anschauung,  dass  eine  spezifische 
Thätigkeit  derselben  vorhanden  sein  muss,  durch  welche  sie  aus  dem  in 
gelöster  Form  zugeführten  Blutfarbstoff  unter  allen  Umständen  nur  eisen- 
freies Pigment  produzieren.  Ein  Beweis  für  diese  Fähigkeit  liegt  in  den 
Resultaten,  welche  Lubarsch  durch  Einspritzung  von  defibrinirtem  und 
mit  NaCl-Lösung  verdünntem  Blut  unter  die  Serosa  des  Kaninchenmagens 
erzielte;  Nach  4 — 6  Tagen  traten  in  den  Muskelfasern  kleine,  gelbe  eisen- 
freie Kömchen  auf;  fem  er  steht  damit  im  Einklang  die  von  Lubarsch 
angefügte  Beobachtung  eines  Falls  von  Lebercirrhose  mit  Blutungen  in 
<lie  Darmmusktdatur,  wo  trotz  der  lokalen  Entstehung  der  Pigmentierung 
üQ  diesen  Stellen  doch  nur  eisenfreier,  teils  diffuser,  teils  feinkörniger 
Farbstoff  in  den  Muskelfasern  zu  stände  gekommen  war. 

Als  Konsequenz  dieser  Untersuchungen  ergiebt  sich  für  die  Auffas- 
sung der  Hämochromatose,  dass  das  Hämosiderin  in  Epithel-  und  Binde- 
gewebszeÜQn  unter  denselben  Bedingungen  auftritt,  wie  das  Hämofuscin 
in  den  glatten  Muskelfasern,  und  die  Verschiedenheit  der  Endprodukte 
nur  auf  einer  eigentümlichen  Thätigkeit  der  Muskelzellen  beruht. 

Nicht  erwiesen,  aber  wahrscheinlich  ist  die  hämatogene  Natur  der 
Mgnientes  in  den  drei  bisher  bekannt  gewordenen  Fällen  von  Ochronose 
Virchow,  1886,  Boström  1891,  Hansemann  1892).  Die  Färbung  war 
lokalisiert  in  sämtlichen  Knorpeln,  die  wie  in  Tinte  getaucht  aussahen, 
^em  verdichteten  Bindegewebe  der  Sehnen  und  Bänder,  in  der  Aorten- 
intima  und  in  Lymphdrüsen,  und  zwar  fast  stets  an  pathologisch  verän- 


106  Allgem.  pathol   Morphologie  und  Physiologie. 

(lerten  Stellen  derselben  (KnoipelaufiEaserung,  Arteriosklerose);  in  Haiise- 
raanns  Falle  bestand  dazu  18  Jahre  hindurch  Ausscheidung  schwar- 
zen Urins.  Die  Färbung  haftete  an  der  Intercellularsubstanz  als  diffusse 
und  kömiges  Pigment  (beide  Arten  aber  nach  Hansemanns  Expe- 
rimenten identisch),  und  erweckte  den  Eindruck  eines  Imbibitionsphlino- 
mens.  War  auch  mikrochemische  Eisenreaktion  nicht  zu  erzielen  und  in 
Virchows  und  Böströms  Fall  Eisen  nur  spurenweise  aufzufinden, 
so  wird  doch  die  Abstammung  vom  Blutfarbstoff  als  wahrscheinlich  ange- 
nommep,  nach  Virchow  als  Steigerung  der  an  Knorpeln  und  Seimen 
alter  Leute  häufigen  Braunfärbung,  nach  Boström  dagegen  hervorgerufen 
durch  lokalisierte  hämorrhagische  Prozesse,  von  denen  aus,  ähnlich  wie  bei 
Ilämochromatose,  die  Verschleppung  des  gelösten  Farbstoffs  stattfindet. 

Wahrscheinlich  hämatogen  ist  ferner  der  Farbstoff  in  den  grünen 
Chloromen,  die  zum  Teil  echt  sarkomatöse  Tumoren,  zum  Teil  hyperpla- 
stische Wucherungen  lymphoider  Apparate  (Lymphdrüsen,  Knochenmark 
etc.)  darstellen,  immer  aber  zellenreiche,  bisweilen  verkäste  Knoten;  mikro- 
skopisch nicht  greifbar  als  gelöste,  diffus  imbibierende  Substanz,  vnrd  die 
Beziehung  dieses  Pigments  zum  Hämoglobin  dadurch  statuiert,  dass  die 
Chlorome  öfters  (Waldstein  1883,  Di t trieb  1846)  in  Fällen  hämoiTha- 
gischer  Allgemeinerkrankungen,  perniciöser  Anämie  und  Skorbut  beobach- 
tet wurden.  Im  Xanthelasma  haftet  das  Pigment  an  Fetttropfen  in  den 
Tumorzellen;  der  braune  Farbstoff  den  Leber  (1871)  daneben  gefunden 
hat,  ist  von  anderen  nicht  wahrgenommen  worden.- 

Zu  den  sicher  hämatogenen  Pigmenten  müssen  die  amorphen  Körn- 
chen gezählt  werden,  welche  bei  Intermittens  auftreten  und  durch  ihre 
dunkelbraune  bis  kohlschwarze,  selten  helle  Farbe  im  einzelnen,  den  rein 
schwarzen  Ton  in  ihren  Anhäufungen  die  Bezeichnung  der  Melanämie 
rechtfertigen.  Längst  bekannt  (Meckel  1847)  und  in  den  Blutbahnen,  be- 
sonders den  Kapillaren  der  Milz,  des  Gehirns,  nachgewiesen,  sind  sie 
ursprünglich  von  der  Milz  als  Ursprungsort  abgeleitet  worden,  und  erst 
später  zeigten  Arnstein  (1874)  und  Kelsch  (1875),  dass  sie  im  Blute 
entstehen  und  in  den  Organen  im  Innern  von  Zellen  abgelagert  werden. 
Der  Modus  ihrer  Bildung  ist  von  Laveran  (1881),  Marchiafava  und 
Celli  (1885),  Golgi  (188G)  erkannt  worden:  Die  eigentümlichen  Para- 
siten der  Malaria  dringen  in  die  roten  Blutkörperchen  ein  und  produzieren 
in  sich  unter  Abblassen  der  letzteren  und  aus  deren  Hämoglobin  das  Pig- 
ment. Diese  notorisch  hämatogenen  Körner  geben  keine  mikrochemische 
Eisenreaktion,  auch  nicht  in  ihren  jüngsten  Formen  (Neumann  1889); 
doch  hat  Carbon e  (1891)  aus  dem  extrahierten  Farbstoff  Eisenoxyd  ge- 
W'Onnen,  auch  durch  spektroskopiche  Untersuchungen  und  die  Erzeugung 
von  Häminkrystallen  seine  Identität  mit  Hämatin  festgestellt. 


Hftmorrhagie  and  PigmeDtbiidang.  107 

Die  abnormen  im  Leben  eintretenden  Pigmentierungen  durch  Gallen- 
farbstoffe, die  ikterischen  Färbungen,  beruhen  auf  Anwesenheit  unverän- 
derten Bilirubins  in  abnormer  Menge  oder  an  abnormer  Stelle,  und  zwar 
haftet  dasselbe  haui)tsäehlich  in  gelöster  Form  an  der  Grundsubstanz  des 
Gewebes,  während  Zellen  nur  bei  hohen  Graden  des  IkteiTis  an  der  Fär- 
bung teilnehmen  und  dann  in  der  Regel  in  Form  braungelber  und  grüner 
Kömer  (Biliverdin),  welche  letztere  wohl  als  Oxydationsprodukte  des  Bilirubins 
aufzufassen  sind.  In  den  gew^öhnlichen  Fällen  von  Ikterus  handelt  es  sich 
um  den  in  der  Leber  gebildeten  (N au nyn  und  Minkowski  (1886^  Farb- 
stoff der  Galle,  welche  wegen  Verlegung  der  Ausführungsgänge  retiniert 
und,  durch  Resorption  ins  Blut  gelangt,  den  Geweben  zugeführt  wird;  nach 
V.  Freys  (1892)  Untersuchungen  geht  die  Beförderung  der  retinirten  Galle 
durch  die  Lymphbahneu  der  Leber  in  den  Ductus  thoracicus  und  von  da  in 
die  Blutcirkulation;  denn  durch  Unterbindung  des  Ductus  thoracicus 
konnte  v.  Frey  den  Eintritt  des  Ikterus  nach  Gallengangsunterbindung 
verhindern. 

Das  Urteil,  ob  jeder  Ikterus  als  hepatogener,  Resorptions-Ikterus  zu 
deuten  ist,  auch  wenn  kein  Hindernis  für  den  Abfiuss  der  Galle  in  den 
Darm  besteht,  wird  erschwert  durch  die  kaum  noch  zu  bezweifelnde  Iden- 
tität des  Bilirubins  und  Hämatoidins.  Die  MögUchkeit  ist  denkbar,  dass 
unter  pathologischen  Bedingungen  durch  Zerstörung  roter  Blutkörperchen 
im  Blute  selbst  Hämatoidin  in  gelöster  Form  ohne  Mitwirkung  der  Leber 
erzeugt  und  den  Organen  zugeführt  wird;  so  sind  vor  allem  Fälle  von 
fJelbsucht  bei  septischen  Allgemeinerkrankungen  und  bei  Herzfehlem  mit 
Erhöhung  des  Druckes  im  Aortenkreislauf  gedeutet  worden  und  besonders 
der  Icterus  neonatonim,  obwohl  für  letzteren  von  manchen  Seiten  ein 
Hindernis  im  Gallenabfluss  —  Ödem  der  Glissonschen  Kapsel  (Birch- 
Hirschfeld)  —  angenommen  wird.  Für  solche  Fälle,  wo  die  Entleerung 
der  Galle  in  den  Darm  nicht  gestört  ist,  wird  von  den  Vertretern  des 
an-sohliesslich  hepatogenen  Ikterus  eine  Mitwirkung  der  Leber  in  der  Art 
angenommen,  dass  durch  erhöhten  Blutzerfall  Polycholie  entsteht  und  eine 
ße^rption  der  in  der  Leber  überreichlich  gebildeten  Galle  eintritt  (N  a  u  n  y  n). 
Die  Möglichkeit,  dass  unter  pathologischen  Verhältnissen,  d.  h.  bei  reich- 
licher Zerstörung  roter  Blutkörperchen  Gallenfarbstoff-Lösung  gebildet  und 
nicht  nur  durch  die  Leber,  sondern  auch  die  Nieren  ausgeschieden  wird 
IV.  Recklinghausen),  ist  nach  gewissen  Erfahrungen  nicht  zu  be- 
zweifeln, und  auf  Grund  derselben  wird  von  einigen  Autoren  der  häma- 
tcfgene  Ikterus  aufrecht  erhalten,  v.  Recklinghausen  (1883j  sah  am 
>trum  des  lebend  aufbewahrten  Froschblutes  ikterische  Färbung  sich  ein- 
stellen unter  Auflösung  und  Zersprengung  eines  Teils  der  roten  Blut- 
körperchen; femer  an  den  Eihäuten  des  Menschen  um  die  arteriellen  Ge- 


108  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

fasse  gallengrüne  Farbe,  die  zweifellos  aus  gelöstem  und  imbibiertem  Blut- 
farbstoff gebildet  war;  und  einmal  bei  einem  Knaben,  bei  dem  wegen 
hochgradiger  Anämie  Lammbluttransfusion  vorgenommen  wurde,  welcher 
nach  14  Stunden  (!)  der  Tod  folgte,  am  Blutserum  und  den  sonst  farb- 
losen Geweben  eine  ockerbraune  Farbe  und  in  allen  serösen  Membranen, 
Blut  und  Harn  dichte  Hämatoidinnadeln.  Allerdings  ist  diese  Hämatoidin- 
bildung  im  Blut  nicht  die  gewöhnhche  Folge  einer  Auflösung  der  cirku- 
lierenden  Blutkörperchen,  welche  sich  durch  Hämoglobinurie  bekundet; 
es  müssen  also  noch  für  das  Zustandekommen  besondere  Bedingungen, 
vielleicht  eine  Fermentation,  angenommen  werden  (v.  Recklinghausen). 
Indessen,  wenn  somit  die  Möglichkeit  dieser  Entstehung  nachgewiesen  ist, 
wird  vor  allem  die  Auffassung  des  Icterus  neonatorum  als  Blutikterus  da- 
durch begünstigt,  dass  bei  ihm  in  Blut,  Harn  und  Fettzellen,  sowie  als 
„BiUrubininfarkt"  in  den  Harnkanälchen  Hämatoidinnadeln  auftreten,  die 
sich  nach  dem  Tode  noch  vermehren  (Neumann  1867,  68,  76)  und  des- 
halb alle  als  postmortale  feste  Ausscheidung  des  im  Leben  gelösten  Farb- 
stoffs aufzufassen  sind. 

In  wieweit  die  spontan  im  Körper  auftretenden  Kgmentierungen  auf 
die  zwei  in  ihrem  Ablauf  bekannten  Vorgänge  oder  wenigstens  auf  diese 
Quellen,  Blut  und  Galle,  zurückgeführt  werden  dürfen,  ist  noch  nicht  end- 
gültig festgestellt  und  bis  in  die  neueste  Zeit  Gegenstand  zahlreicher  Unter- 
suchungen. Für  die  normalen,  nicht  zu  den  melanotischen  gehörenden  Farb- 
stoffen der  Nieren,  Nebennieren,  Hoden,  des  Herzens,  der  Leber  scheint  eine 
Bildung  in  den  betreffenden  Parenchymzellen  sichergestellt;  sie  sind  normale 
Produkte  des  Stoffwechsels,  welche  im  allgemeinen  mit  dem  Alter  an  Reich- 
Uchkeit  zunehmen  (Maas  1889);  ihre  Ableitung  vom  Blut  kann  auf  Grund 
der  positiven  Eisenreaktion  nur  für  das  Leberpigment  und  das  der  inter- 
stitiellen Hodenzellen  durchgeführt  werden;  für  das  Herzpigment  scheint 
nach  Maas  ein  fettartiger  Körper  die  Vorstufe  zu  bilden.  In  welcher  Be- 
ziehung der  Farbstoff,  welcher  bei  Behandlung  frischer  Nebennieren  mit 
Alkohol  denselben  braun  oder  rot  färbt,  zu  dem  normalen  Pigment  des 
Organs  steht,  ist  noch  unentschieden;  möglich  erscheint  es  auch,  dass  er 
herstammt  von  der  eigentümlichen,  ursprüngUch  ungefärbten,  nach 
Chromsäure  Verhärtung  aber  intensiv  braunen  Substanz,  welche  v.  Brunn 
(1872)  u.  a.  in  den  Markzellen  fanden  und  welche  Manasse  neuerdings 
(1894;  5)  als  hyaline  Ausfüllungsmasse  in  die  Venen  der  Marksubstanz 
übertreten  sah. 

Für  die  melanotischen  Pigmente  in  Tumoren  und  die  übermässigen 
Anhäufungen  derselben  in  normalen  Geweben  fällt  die  Entstehungsfrage 
zusammen  mit  der  für  die  normalen  Pigmentierungen  der  Haut  und  Haare 
und  des  Auges;  denn  an  der  Identität  dieser  pathologischen  und  physio- 


Hämorrhagie  und  Pigmentbildung.  109 

logischen  Farbstoffe  muss  wohl  festgehalten  werden,  sowohl  nach  den 
übereiustiminenden  Eigenschaften  derselben  als  danach,  dass  der  primäre 
Ausgangspunkt  der  melanotischen  Geschwülste  in  der  Regel  in  einem  der 
physiologisch  pigmentierten  Gewebe  liegt.  Die  Bezeichnung  „Melanin*'  für 
diese  Pigmente  gründet  sich  nur  auf  das  im  allgemeinen  dunkle  Aussehen 
derselben,  besonders  wenn  sie  dicht  aufgehäuft  sind,  doch  fallen  unter  die 
Bezeichnung  auch  die  helleren  Nuancen  der  Färbung ;  der  Zusammenhang, 
in  welchem  sie  durch  die  Bezeichnung  mit  dem  Melanin  der  Malaria  ge- 
l'racht  werden,  ist  nur  ein  äusserUcher,  durch  die  Farbe  bedingter;  die 
Geuese  beider  Melanine  geht  offenbar  weit  auseinander,  und  durch  die 
Untersuchungen  von  Carbone  (s.  o.)  sind  kürzlich  auch  chemische  Dif- 
erenzen  der  beiden  Körper  festgestellt  worden. 

Wird  das  Melanin  autochthon  durch  metabolische  Thätigkeit  d.  h. 
aktive  Vorgänge  im  Protoplasma  der  pigmentierten  Zellen  bereitet,  oder 
stammt  es  aus  dem  Blutfarbstoff?  Die  gebräuchliche  Gegenüberstellmig 
von  „autochthonen"  und  „hämatogenen"  Pigmenten  ist  keine  glückliche,  so 
lange  die  Begriffe  sowohl  den  Ort  der  Entstehung  inner-  oder  ausserhalb 
der  Zellen  als  die  Quelle  des  Farbstoffs  umfassen.  Geboten  erscheint  es,  in 
diesem  Gegensatze  unter  „autochthonen''  Farbstoffen  die  unabhängig  vom 
Hämoglobin  durch  Umsetzung  des  Protoplasmas  der  Pigmcntzellen  ge- 
bildeten zu  verstehen,  imter  „hämatogenen*'  diejenigen,  welche  vom  Hämo- 
globin stammen  und  für  welche  eine  Umwandlung  der  gelöst  zugeführten 
wid  aufgenommenen  Blutfarbstoffe  in  Körner  im  Innern  von  Zellen  eben- 
>ogut  denkbar  ist  als  eine  reine  Intussusception  der  in  fertigeraZustand  zuge- 
führten Körner.  Dann  würde  zu  den  beiden  gestellten  Fragen  nach  der 
Quelle  des  Farbstoffs  noch  als  dritte  die  anzureihen  sein,  ob  aus  den 
histologischen  Bildern  und  vielleicht  auch  aus  klinischen  Beobachtungen 
Anzeichen  für  einen  Transport  des  Pigments  zu  entnehmen  sind?  Am 
wenigsten  untersucht  ist  der  Modus  der  Pigmentbildung  im  Auge.  Die 
chemischen  Analysen  haben  noch  kein  übereinstimmendes  Resultat  er- 
geben insofern,  als  manche  Autoren  Eisen,  wenn  auch  in  geringer  Menge 
Jarin  aufgefunden  haben  (Hirschberg  1870,  Mays  1878  u.  93),  während 
'ieu  meisten  Untersuchern  der  mikrochemische  und  chemisch-analytische 
Eisennachweis  missglückte  (Perl s,  Kulenkampf,  Sieber,  Scherl  1893). 
1d  «ler  Chorioidea  scheint  nachRiehl  (1891)  das  Pigment  in  sternförmigen 
fixen  Bindegewebszellen  gebildet  zu  werden;  dafür,  dass  der  Farbstoff  aus 
dem  Blut  entnommen  wird,  kann  angeführt  werden,  dass  nach  Scherl 
ilBl»3)  sein  erstes  Auftreten  im  embryonalen  Auge  mit  der  Gefässent- 
K'ickelung  in  direktem  Zusammenhang  steht:  Denn  bei  allen  Tieren  mit 
feinem  sogenannten  inneren  Gefässsystem  im  Glaskörperraum  tritt  das  Pig- 
ment zuerst  an  der  Innenfläche  der  proximalen  Glaskörperlamelle  nach 


110  Allgeni.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

der  Gefässentwickelung  an  dieser  Stelle  auf,  bei  den  Vögeln  mit  nur  äus- 
serem Gefässsystem  zuerst  an  der  Aussenfläche  der  proximalen  Lamelle. 
Doch  muss  es  noch  dahingestellt  bleiben,  ob  das  Material  für 
das  Augenpigment  durch  das  Hämoglobin  oder  eine  ungefärbte,  gelöst 
dem  Saftstrom  zugemischte  Substanz  repräsentiert  wird. 

Dass  der  einfachste  Modus  häraatogener  Pigmentbildung,  d,  h.  die 
lokale  Entstehung  aus  Extravasaten,  für  die  normale  Haut  ebensowenit,' 
wie  für  das  Auge  annehmbar  ist,  erscheint  selbstverständlich;  doch  aucli 
für  die  pathologischen  Pigmentanhäufungen  hat  sich  diese  Auffassung  nicht 
durchführen  lassen:  Hämorrhagische  pigmentierte  Tumoren  werden  von 
den  melanotischen  streng  getrennt  und  auch  die  Hämorrhagieen  in  der 
Kutis  bei  Morbus  Addisonii,  welche  Riehl  (1886)  in  dreien  seiner  vier  Fälle 
antraf,  in  der  Nachbarschaft  von  arteriitischen  Gefässveränderungen  ud«1 
Thrombosen,  und  für  die  Quelle  des  Epithelpigments  erklärt,  sind  von  an- 
deren Untersuchern  (v.  Kahl  den  1888)  trotz  eifrigen  Suchens  nicht  auf- 
gefunden worden. 

Aus  den  bisherigen  chemischen  Untersuchungen  des  Haut-  und 
Haarfarbstoffs  ergeben  sich  keine  zwingenden  Gründe  für  die  Ableitung 
desselben  vom  Hämoglobin;  denn  mit  vereinzelten  Ausnahmen  (Floyd 
1877)  wurde  er  von  den  Autoren  als  eisenfrei  befunden.  Doch  ist  dieser 
Zusammenhang  mit  dem  Blutfarbstoff  vielfach  aus  anderen  Thatsachen 
geschlossen  worden,  vor  allem  aus  den  Einflüssen,  diu-ch  welche  die  Pig- 
mentierung der  Haut  in  den  physiologischen  Grenzen  oder  in  pathologischer 
Weise  gesteigert  wird:  Alle  solchen  Prozesse,  welche  mit  Hyperämie  und 
Entzündung  und  „vaskularisierter  Neoplasie"  einhergeheu,  haben  auchPig- 
mentose  oder  Hyperpigmentose  im  Gefolge  (Kaposi  1890),  besonders  alle 
Erytheme  und  diese  Hyperämie  darf  vielleicht  auch  als  das  Mittelglied 
aufgcfasst  werden  bei  dem  zweifellosen  Effekt,  den  die  Belichtung  der 
Haut  für  ihre  Färbung  hat.  Im  allgemeinen  nimmt  das  Kolorit  des 
Menschen  nach  dem  Äquator  hin  zu,  und  die  unbedeckten,  der  Sonne  ex- 
ponierten Körperteile  erscheinen  dunkler  als  die  bedeckten ;  dass  dabei  das 
Blut  eine  erhebliche  Rolle  spielt,  wird  ferner  aus  dem  Umstände  abgeleitet, 
dass  chlorotische  Individuen  mit  herabgesetztem  Hämoglobingehalt  trotz  der 
Hyperämie  günstigsten  Bedingungen  (Insolation  etc.)  sich  nicht  bräunen 
(Kaposi).  Eine  Abhängigkeit  der  Hautpigmentierung  von  nervösen  Ur- 
sachen ist  hauptsächlich  auf  Grund  gewisser  Pigmentdefekte  angenommen 
worden.  Wohl  kann  die  gelegentliche  symmetrische  Anordnung  des  par- 
tiellen Nigrismus  in  diesem  Sinne  gedeutet  werden;  doch  liegen  für  die 
Entfärbungen  neben  dem  ebenfalls  bisweilen  symmetrischen  Auftreten 
sprechendere  Argumente  vor :  So  die  weissen,  allmählich  sich  ausbreitenden 
Flecken  an  der  kranken  Gesichtsseite  bei  Hemiatrophia  facialis  progressiva, 


Hämorrhagie  und  Pigmentbildung.  111 

das  nach  Schwimmer,  Thibierge  (1891)  u.  a.  häufige  Zusammentreffen 
von  Vitiligo  mit  Erkrankungen  des  Nervensystems  (Tabes  dorsalis,  pro- 
jjressive  Muskelatrophie),  ferner  Leloirs  Befund  (1882)  von  Atrophie  der 
Xervenfasem  innerhalb  leukodermischer  Flecke,  halbseitiges  Ergrauen  der 
Haare  bei  Hemiplegie  u.  a.  m.;  wohl  lässt  sich  aus  diesen  Beobachtungen 
der  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Pigmentierung  erschliessen ,  jedoch  nicht 
ohne  weiteres  direkt  auf  vasomotorische  Veränderungen  zurückführen, 
sondern  ebensowohl  eine  trophische  Störung  pigmentbereitender  Zellen  als 
Zwischenglied  denken.  Allerdings  war  eine  mit  dem  Pigmentmangel  ein- 
hergehende Hautatrophie  bei  Vitiligo  bisher  nur  von  Leloir  beschrieben, 
von  anderen  (z.  B.  Kaposi)  dagegen  nicht  beobachtet  worden.  Wohl 
aber  wird  in  einer  neuesten  Arbeit  von  Marc  (1894;  6),  der  von  einem 
mit  Vitiligo  migreus  ohne  nachweisbare  nervöse  Erkrankung  behafteten 
Soldaten  Hautstückchen  excidierte  und  histologisch  studierte,  betont,  dass 
die  Vitiligo  nicht  nur  eine  Pigmentatrophie  darstellt,  sondern  eine  Atro- 
phie aller  Hautbestandteile:  Die  Malpighische  Schicht  war  verdünnt,  die 
Papillen  abgeflacht  und  gefässarm,  reich  an  Mastzellen,  ihre  Kapillaren 
verengt;  die  Atrophie  der  markhaltigen  Nerven  erscheint  freilich  zweifel- 
haft, da  nur  der  Achsencylinder  geschädigt,  die  Markscheide  aber  intakt 
war;  endlich  fehlten  die  Chromatophoren.  Für  den  Morbus  Addisonii  ist 
der  aus  der  häufigen  Koincidenz  von  Nebennieren-Erkrankung  mit  Haut- 
pigraentierung  geschlossene  ursächliche  Zusammenhang  beider  Affektionen 
in  letzter  Zeit  von  verschiedenen  Seiten  geleugnet  worden  zu  Gunsten  der 
Hypothese,  dass  eine  Erkrankung  des  Sympathikus  und  des  den  Neben- 
nieren benachbarten  Ganglion  semilunare  ohne  notwendige  Beteiligung  der 
Nebennieren  selbst  die  dunkle  Hautfärbung  ebenso  wie  die  nervösen 
Symptome  der  Krankheit  hervorrufe.  Doch  ist  dieselbe  auch  nach  den 
hijfherigen  Zusammenstellungen  (v.  Kahl  den  1888)  über  die  Häufigkeit 
^ies  Zusammentreffens  von  Sympathikusschädigung  und  Bronzekrankheit 
teineswegs  fester  begründet  worden.  Wohl  aber  hat  man  in  neuerer  Zeit 
<ien  Versuch  gemacht,  Störungen  des  Centralnervensystems ,  welche  aller- 
dings noch  keinen  durchgehends  greifbaren  Ausdruck  gefunden  haben,  für 
'lie  ganze  Erkrankung  verantwortlich  zu  machen  (Alexander  1892).  Im 
Gegensatz  dazu  greift  Lubarsch  (1894;  4)  wieder  auf  die  Nebennieren 
zurück.  Auf  Grund  des  Nachweises  der  glykogenbildenden  Thätigkeit  der- 
selben nimmt  er  an,  dass  diesem  Organ  die  Funktion  zukommt,  aus  dem 
mit  Blut  und  Saftstrom  zugeführten  Material  eine  eigentümliche,  in  der 
Glykogenbildung  ihren  Höhepunkt  erreichende  Modifikation  das  Eiweiss 
herzustellen,  welches  an  anderen  Stellen  (Haut,  Schleimhäute)  zur  Pigment- 
bereitung benutzt  werden  könnte. 

Bezüglich  der   Haut  im   normalen,    wie   pathologisch  pigmentierten 


112  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Zustand,  d.  h.  in  der  gebräunten  Linea  alba  der  Schwangeren,  bei  phthisi- 
schen und  carcinomatösen  Kachexieen  und  bei  Morbus  Addisonii  ist  auf 
Anregung  Ehrmanns  (1885,  86,  91,  92)  darauf  Wert  gelegt  worden,  dass 
sich  überaus  häufig  an  der  gleichen  Stelle  im  Korium  und  im  überziehen- 
den Epithel  Pigment  findet,  ebenso  wie  im  Haar  und  in  seiner  Pa- 
pille. Diese  beiden  Pigmentstätten  sind  dann  in  verschiedene  Beziehung 
zu  einander  gesetzt  worden,  im  allgemeinen  derart,  dass  das  Koriumpig- 
ment  die  Quelle  desjenigen  des  Epithels  sei,  und  ein  stetiger  Abfluss 
desselben  nach  der  Oberfläche  zu  erfolge,  die  Körner  in  den  Saftspalten 
zwischen  die  EpitheUen  und  schliesslich  in  letztere  selbst  eindringen.  Ein 
DifEerenzpunkt  lag  in  dem  Modus  dieses  Transports:  In  der  Kutis  erscheint 
der  FarbstofE  gebunden  an  weitverästigte,  sternförmige  Zellen,  die  Chromate- 
phoren,  deren  Ausläufer  zwischen  die  Epidermiszellen  hineinreichen,  indeüi 
sie  sich  den  Spalträumen  anpassen.  Von  der  Haut  der  Amphibien  und 
Fische  wie  des  Menschen  schon  länger  gekannt,  sind  sie  in  ihrer  Bezieh- 
ung zum  Epithel  zunächst  von  Riehl  (1884)  beschrieben  und  in  der  nor- 
malen und  pathologischen  Haut  von  Aeby  (1885),  Ehrmann  (1885), 
Nothnagel  (1885),  v.  KöUiker  (1887),  Karg  (1888)  u.  a.  bestätigt 
worden.  Nach  Ehr  mann  bildeten  dieselben  ein  unbewegUches  Netz, 
innerhalb  dessen  das  Pigment  strömt,  nach  Anderen  (Aeby,  Karg)  wan- 
dern sie  selbst  vom  Bindegewebe  ins  Epithel,  sei  es  aktiv  oder  passiv. 
Jedenfalls  galten  sie  für  Zellen  bindegewebiger  Natur.  Dass  der  Vorgang 
der  Pigmentwanderung  auch  in  umgekehrter  Richtung  aus  dem  Epithel 
ins  Bindegewebe  erfolgen  kann,  konnte  Karg  bei  der  Untersuchung  der 
auf  weisse  Individuen  transplan tierten  Negerhaut  beobachten;  dieselbe  gebt 
vor  sich  vermittels  der  gleichen  mit  Fortsätzen  versehenen  Chromatophoren; 
und  wahrscheinlich  darf  dieser  Modus  der  Pigmentresorption  auch  auf 
anderweite  Prozesse  Anwendung  finden.  Riehl s  Annahme  desselben  bei 
der  Ausbildung  des  Leucoderma  syphihticum  wird  allerdings  von  Ehr- 
mann nicht  geteilt,  welcher  vielmehr  dafür  einen  mangelhaften  Nach- 
schub von  Pigment  nach  normaler  Abstossung  der  gefärbten  Epithelzellen 
gelten  lässt.  Doch  fallen  Jarischs  (1890)  Befunde  bei  Pigmentatrophieen 
verschiedener  Art  für  diesen  rückwärtigen  Transport  ins  Gewischt.  Ferner 
hat  Schmorl  (1893)  für  den  Morbus  Addisonii  eine  Verschleppung  des  körni- 
gen Farbstoffs  aus  der  Haut  in  die  peripheren  Lymphdrüsen  regelmässig 
nachweisen  können,  weiterhin  aber  als  physiologischen  Vorgang  an  zwei 
Negern  und  zwei  Mulatten  aus  der  fleckigen  oder  diffusen  grauschwarzen 
Färbung  sämtlicher  von  der  Haut  abhängiger  Lymphdrüsen  wahrschein- 
lich gemacht.  Wurde  also  die  Entstehung  des  Farbstoffs  in  das  Korium 
verlegt,  so  schien  für  die  speziellere  Ableitung  desselben  ein  Fingerzeig 
gegeben  in  der  überaus  häufigen  Lagerung  der  Chromatophoren  um  die 


Hftmorrhagie  und  Pigmentbildung.  113 

Biu^efässe,  besonders  die  Kapillaren  der  Kutis,  und  dadurch  die  Abstam- 
mung vom  Hämoglobin  gesichert.  Nach  Karg  findet  in  der  Negerhaut 
eine  Dunkelfärbung  präexistenter  Granula  statt,  die,  mit  der  Blutzufuhr 
zwar  im  Zusammenhang,  doch  mit  dem  gewöhnlichen  Vorgang  der  häma- 
togenen  Pigmentbildung  nichts  gemein  hat.  Andere  halten  an  letzterem 
fest,  lassen  rote  Blutkörperchen  einzeln  und  stetig  durch  Diapedese  aus 
den  Kapillaren  auswandern  und  in  der  Kutis  die  Metamorphose  bis  zum 
vollendeten  Pigment  durchlaufen;  nur  zieht  Nothnagel  (1885)  auch  den 
alleinigen  Austritt  des  Blutfarbstoffs  aus  den  Gefässen  in  Betracht.  Aller- 
•lings  haftet  dieser  Annahme  einer  lokalen  Bildung  des  Pigments  aus  roten 
Blutkörperchen  das  Bedenken  an,  dass  es  nie  gelungen  ist,  auch  nur  an 
einem  Teile  der  Körner  in  der  Kutis  mikrochemisch  Eisen  nachzuweisen. 
In  neueren  Untersuchungen  ist  für  die  Haut  und  die  Haare  im 
normalen  und  erkrankten  Zustand  die  regelmässige  Existenz,  die  Herkunft 
und  die  Bedeutung  der  Chromatophoren  in  ein  anderes  Licht  gestellt  und 
die  Frage  nach  der  Bildungsweise  des  Pigmentes  mehr  zu  Gunsten 
einer  autochthonen  Entstehung  in  den  Zellen  unabhängig  vom  Blutfarbstoff 
beantwortet  worden.  Nach  J arisch  (1890)  u.  a.  enthält  im  Haar  auch 
bei  massenhafter  Existenz  von  Pigment  in  den  Matrixzellen  die  Papille 
nur  ausnahmsweise  Kömer;  dieselben  treten  nach  Pluschkoff  (1890) 
überhaupt  zuerst  in  den  Epithelien  auf  und  erst  nach  maximaler  Füllung 
derselben  auch  in  den  Zellen  des  subepitheHalen  Gewebes.  Noch  über- 
zeugendere Beweise  für  diese  Entstehung  des  Pigments  in  den  Epithelien 
tonnte  Schwalbe  (1893)  beibringen  durch  Beobachtung  des  Farben - 
Wechsels  winterweisser  Tiere,  speziell  des  Hermehns,  das  im  Sommer  braun 
gefärbt,  im  Winter  schneeweiss  wird  und  zwar  nicht  durch  Abblassen  resp. 
Gefärbtwerden  der  präexistenten  Haare,  sondern  durch  zweimalige  voll- 
ständige Neubildung  des  Haarkleides.  Dabei  war  das  neue  Pigment  zu- 
nächst nur  in  der  eigentlichen  Haarwurzel  der  jimgen  Haare,  zu  keiner 
Zeit  aber  in  der  Papille,  den  Wurzelscheiden  oder  der  Kutis  vorhanden, 
sodass  an  eine  Einschleppung  nicht  gedacht  werden  kann.  Femer  ist 
bereits  durch  Jarisch  (1891,  92),  bald  auch  Kromeyer  (1893)  die  binde- 
gewebige Natur  der  Chromatophoren  in  Abrede  gestellt  und  ihre  epithe- 
liale Abstammung  vertreten  worden.  Bei  dieser  immer  mehr  zur  Geltung 
gelangenden  Meinung  von  der  selbständigen  Bereitung  des  Pigments  durch 
die  Epithelzellen  wird  das  färbende  Prinzip  im  allgemeinen  noch  immer 
vom  Blut  und  stillschweigend  vom  Hämoglobin  abgeleitet,  und  nur  Schwalbe 
il893)  spricht  für  eine  Bildung  desselben  aus  einer  vom  Blut  stammenden 
farblosen  Flüssigkeit.  Post  (1894,  7)  erweitert  diese  Erfahrungen  über 
die  Beziehung  zwischen  dem  Farbstoff  im  Bindegewebe  und  im  Epitliel : 
ß^im  Haarwechsel  und  der  Regeneration  der  epilierten  Haare  und  Federn 

Lnba rs c h  - O 8 ter  ta g ,  Ergebnisse  Abteil.  II.  8 


114  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ist  das  Bindegewebe  vollkommen  frei  von  Farbstoff;  wo  aber  in  gefärbter 
Haut  in  Bindegewebe  und  Epithel  Pigment  liegt,  stimmen  die  einzelnen 
Elemente  dieser  beiden  Pigmentarten  nicht  überein,  sondern  die  des  Epi- 
thels erscheinen  stäbchenförmig,  die  des  Bindegewebes  in  rundlichen 
Körnern;  beide  entstehen  normalerweise  unabhängig  von  einander  und 
oft  isoliert  im  Epithel  oder  im  Bindegewebe;  nur  kann  aus  dem  Epithel 
ein  Transport  ins  Bindegewebe  erfolgen.  Wahrscheinhch  entspringen  nach 
Post  beide  einem  gemeinsamen  Stoff  Wechselprodukte  der  Haut,  welches 
zunächst  im  Epithel  verbraucht  und  erst  nach  Sättigung  desselben  auch 
im  Bindegewebe  umgewandelt  wird.  Die  Chromatophoreö  hält  auch  Post 
für  epitheliale  Gebilde,  die  mit  einer  besonders  energischen  Fähigkeit  der 
Pigmentbildung  begabt  sind,  und  von  denen  aus  der  Farbstoff  mit  dem 
Beginn  der  Verhornung  von  Haar  und  Feder  in  die  verhornenden  Zellen 
übergeführt  wird.  Für  die  pathologische  Färbung  in  Lentigines  und  bei 
Morbus  Addisonii  nimmt  Post  nur  eine  Steigerung  der  physiologischen 
Vorgänge  an,  für  die  Naevi  pigmentosi  denselben  Typus,  daneben  jedoch 
eine  entzündliche  Einwanderung  pigmentierter  und  pigmentloser  Zellen 
aus  dem  Bindegewebe  ins  Epithel,  ohne  dass  jedoch  diese  verschleppten 
Farbstoffkömer  in  die  Epithelzellen  aufgenommen  werden. 

Das  Pigment  der  melanotischen  Tumoren  ist  bezüglich  der  chemi- 
schen Eigenschaften  des  Melanins  noch  häufiger,  wegen  der  leichteren 
Gewinnung  in  grosser  Quantität,  verwertet  worden  in  der  allgemeinen 
Annahme,  dass  dasselbe  mit  dem  der  normalen  Haut  und  des  normalen 
Auges  identisch  ist.  Die  fast  regelmässige  Entstehung  der  primären  mela- 
notischen Geschwülste  aus  den  physiologisch  pigmentierten  Geweben  legt 
diesen  Zusammenhang  der  Pigmente  nahe.  Die  chemischen  Untersuchungen 
waren  in  erster  Linie  wieder  auf  die  Frage  gerichtet,  ob  der  Farbstoff 
hämatogen  sei  oder  nicht,  und  an  diese  hat  sich  als  zweite  aus  den  ana- 
tomisch-histologischen  Verhältnissen  abgeleitete  die  Frage  geschlossen,  ob 
es  lokal  im  Tumor  gebildet,  oder  demselben  im  fertigen,  höchstens  gelösten 
Zustand  zugeführt  wird,  um  in  seinen  Zellen  in  Körnerform  deponiert  zu 
werden.  Für  die  gewöhnlichen  Melanosarkome  darf  die  Annahme,  dass 
das  Pigment  aus  den  roten  Blutkörperchen  innerhalb  der  Tumoren  nach 
dem  gewöhnUchen  Typus  lokal  gebildet  wird,  von  der  Hand  gewiesen 
werden,  denn  die  Befunde  von  Gussenbauer  (1875),  welcher  Stagnation 
des  Blutes  in  den  Gefässen  mit  folgender  Auflösung  und  Diffusion  des 
Hämoglobins  und  schliessliche  körnige  Ausfällung  in  den  Zellen  annimmt, 
haben  ebensowenig  allgemeine  Anerkennung  gefunden,  wie  Langhans 
(1870)  Auffassung,  dass  im  Tumor  extravasierte  rote  Blutkörperchen  die 
direkte  Umwandlung  in  Pigment-Schollen  und  -Körner  erfahren.  Der  Um- 
stand, dass  in  fast  allen  Melanosarkomen  ein  geringer  Teil  des  Pigments 


Hämorrhagie  und  Pigmentbildang.  II5 

Eisenreaktion  giebt,  dass  ferner  der  Farbstoff,  ausser  in  den  Geschwulst- 
zellen, sehr  reichlich  in  den  gefässtragenden  Bindegewebssepten  liegt,  dass 
endlich  bisweilen  gleichzeitig  starke  Pigmentierung  anderer  ferngelegener 
normaler  Organe  beobachtet  wurde,  kann  den  Gedanken  nahelegen,  dass 
das  Melanin  der  Tumoren  nicht  in  denselben  entsteht,  sondern  an  anderen 
Orten  gebildet  und  nach  teilweiser  Einbusse  der  Eisenreaktion  ihnen  zu- 
geführt und  in  ihnen  deponiert  wird  (M.  B.  Schmidt,  1889).  Fälle  von 
reinen  Pigmentherden  ohne  Tumorentwickelung  in  Herz  und  Nieren  bei 
melanotischem  Krebs  der  Haut  mit  vielfachen  echten  Metastasen  (Wagner, 
1860),  die  dunkle  Färbung  der  Haut,  Schleimhäute,  serösen  Membranen, 
des  Fettgewebes  bei  Melanosarkom  der  Haut  (Oppenheimer,  1886)  und 
ähnliche  Beobachtungen  könnten  diese  Annahme  stützen,  ebenso  wie  der 
Umstand,  dass  bei  bestehendem  Melanosarkom  eine  Ausscheidung  von 
Farbstoff  im  Urin  stattfinden  kann  derart,  dass  der  Urin  gelb  gelassen, 
beim  Stehen  sich  braun  färbt.  Von  anderen  sind  die  eisenhaltigen  Kömer 
als  zufällige,  aus  Hämorrhagieen  stammende  Einlagerungen  und  im  Gegen- 
satz zu  ihnen  die  Farbe  und  Gestalt  der  eigentlichen  Melaninkörner  als 
Gegenbeweis  gegen  die  hämatogene  Bildung  angesehen  worden. 

Die  chemische  Analyse  der  Geschwulstmelanine  hat  bisher  sehr  in- 
konstante Resultate  zu  Tage  gefördert  und  ist  der  hauptsächUche  Anlass 
zur  Teilung  der  Ansichten  geworden,  je  nachdem  Eisen  gefunden  wurde 
(Eiselt,  1862,  Dressler,  1865,  Nencki-Oppenheimer,  1886,  Mörner, 
1S87  u.  a.)  und  eine  Ableitung  vom  Hämoglobin  nahelegte,  oder  das  Fehlen 
dtsselben  (Virchow,  1847,  Berdez  und  Nencki,  1886  u.  a.)  eher  auf 
eine  Bildung  des  Pigments  unabhängig  vom  Blutfarbstoff  schliessen  Hess. 
Als  auffallendes  Ergebnis  neuerer  Untersuchungen  tritt  ein  mehrfach  kon- 
statierter hoher  Schwefelgehalt  des  Melanins  hervor  (Berdez  und  Nencki, 
Mörner  u.  a.),  welcher  über  lO^/o  steigen  kann.  Auf  Grund  dieser  That- 
sachen  und  der  verschiedenen  Beurteilung  derselben  findet  jede  der  beiden 
Theorieen,  die  der  hämatogenen  Entstehung  und  die  der  autochthonen  Be- 
reitung ohne  Beihülfe  des  Hämoglobins  ihre  Verteidiger  und  Bekämpfer. 
Die  Frage  ist  noch  vollkommen  offen  und  wird  auch  nicht  durch  Jooss 
(1894,  2)  gelöst,  welcher  seiner  „Überzeugung"  Ausdruck  giebt,  dass  die 
Sarkomzellen  ihren  Farbstoff  aus  den  ungefärbten  Eiweisskörpern  des  Blut- 
plasma produzieren,  und  dass  in  diesem  letzteren  trotz  der  gegenteiligen 
Resultate  der  bisher  darauf  gerichteten  Untersuchungen  „Eisen  enthalten 
sein  muss"  und  so  den  häufig  konstatierten  Eisengehalt  der  Tumoren  er- 
tlare,  ohne  dass  das  Hämoglobin  für  denselben  verantwortlich  sein  müsse. 
Wohl  mag  der  angeführte  hohe  Schwefelgehalt  in  manchen  Fällen  als  ein 
Hinweis  darauf  aufgefasst  werden,  dass  sein  Eiweisskörper  bei  der  Pigment- 
bildung  beteiligt  sein  muss,  dass  also  das  Hämatin  allein  nicht  das  Material 


116  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

dafür   bilden   kann,   was  allerdings  auch  von  Niemand  bisher  behauptet 
worden  ist. 

Unter  den  von  aussen  in  den  Körper  eindringenden  Pigmenten  stein 
in  erster  Linie  dasjenige,  welches  zu  der  gewöhnlichen,  fast  physio- 
logischen Schwarzfärbung  der  Lunge,  der  Anthrakose,  führt.  Nachdem 
schon  früher  durch  Pearson  (1818)  und  Laönnec  (1819)  die  Luugen- 
melanose  auf  eingeatmete  Kohle  zurückgeführt  und  durch  Beobach- 
tungen von  besonders  intensiver  Färbung  bei  Kohlenarbeitem  diese  An- 
nahme gestützt  war,  hatte  der  Zweifel  Virchows  und  Hasses  (1841) 
an  der  Möglichkeit  des  Durchgangs  fester  Elemente  durch  die  Alveoleu- 
wand  die  Verbreitung  dieser  Theorie  verzögert,  bis  Traube  (1860) 
durch  mikroskopische  Untersuchungen  die  Identität  der  Pigmentkörper- 
chen  mit  Holzkohlenstaub  schlagend  bewies.  Seither  haben  zalilreiche 
Experimente  über  Russeinatmung  bei  Tieren  (Knauff  1867,  Arnold 
1885  u.  a.)  die  Bahnen  klargelegt,  welchen  der  inhalierte  Staub  folgt: 
Derselbe  wird  z.  T.  in  „Staubzellen"  epithelialer  imd  lymphoider  Natur 
in  den  Luftwegen  gefunden,  von  solchen  auch  in  die  Gewebe  hinein 
getragen,  ein  anderer  Teil  tritt  von  den  Alveolen  aus  frei  durch  die  Kitt- 
leisten zwischen  den  Epithelien  in  Saftbahnen  der  Alveolarwand  ein,  um 
hauptsächlich  in  inter-  und  periinfundibulären,  weiterhin  auch  den  perivas- 
kulären und  peribronchialen  und  endlich  den  pulmonalen,  subpleuraleu 
und  mediastinalen  Lymphknötchen  deponiert  zu  werden.  Ein  anderer  Teil 
wird  in  die  Bronchialdrüsen  abgeführt.  Für  die  Staubmetastase  des  Men- 
schen, die  hauptsächlich  mit  Lungenemphysem  zusammentreffende  Anthra- 
kose der  Milz,  Leber,  Nieren  u.  s.  w.,  wobei  die  Staubpartikel  hauptsäch- 
lich in  den  Bindegewebshüllen  der  Gefässe  deponiert  werden ,  koromt  nach 
Arnold  (1890)  ausser  einer  Verbindung  zwischen  Bronchialdrüsen  und 
Lungengefässen  noch  eine  direkte  Durchwanderung  vom  Lungengewebe 
durch  die  Gefässwandung  in  Betracht;  der  „albinistische"  Zustand  solcher 
cmphysematösen  Lungen  kann  z.  T.  auf  eine  vermehrte  Abfuhr  des  Staubs 
auf  diesen  Wegen  zurückgeführt  werden  und  braucht  nicht  allein  auf  der 
von  Virchow  (1888)  geltend  gemachten  verminderten  Ablagerung  in  den  cm- 
physematösen Partieen  zu  beruhen.  Bei  den  in  Blattgoldfabriken  beschäf- 
tigten Arbeiterinnen  haben  Zenker  (1867)  imd  Merkel  (1869  u.  1871) 
intensiv  ziegelrote  Färbung  des  ganzen  Lungenparenchyms  gefunden,  welche 
durch  Einatmung  und  Ablagerung  pulverisierten  Eisenoxyds  zustande 
gekommen  war.  Diese  „Siderosis  pulmonum"  stellt  die  zweite  Form  der  zu 
abnormen  Pigmentierungen  führenden  Pneumonokoniosen  dar. 

Der  Zustand  der  Argyrie,  der  Ablagerung  feinster  Silberkömehen 
in  verschiedenen  Organen  nach  länger  dauerndem  innerlichen  Gebrauch 
von  Argentum  nitricum  beruht  wahrscheinlich  auf  Resorption  des  gelösten 


Hämoirbagie  niid  Pigmentbildung.  117 

Silbers  im  Darmkanal  —  nicht  nach  Biemers  Ansicht  auf  der  Aufnahme 
ff^ler  Körnchen  in  die  Darmwand  —  und  nachfolgender  Abscheidung  in 
den  Geweben.  Hauptdepots  bilden  Nieren,  Haut,  Schleimhäute,  Bindege- 
webe der  Darmzotten  und  Plexus  choroides,  Dura  und  andere  seröse  Mem- 
branen, immer  vorwiegend  das  adenoide  Bindegewebe  (v.  Reckling- 
liausen  1883).  In  der  Niere  ist  die  Abscheidung  am  konstantesten  an 
den  Glomerulusschlingen  und  an  den  geraden  Harnkanälchen  des  Markes 
beschrieben  worden,  und  zwar  an  letzteren  in  der  Membrana  propria,  ohne 
dass  Schädigungen  des  Nierenparenchyms  durch  dieselbe  herbeigeführt 
worden  wäre.  v.  Kahldens  (1894;  3)  jüngst  mitgeteilter  Fall  zeigt  für 
die  Xiere  eine  von  diesem  gewöhnUchen  Bild  abweichende  LokaUsation 
insofern,  als  ausschliessUch  die  Marksubstanz  in  der  Gegend  der  Papillen 
schwarzgrau  gefärbt  waren,  während  in  der  Rinde,  speziell  den  Glomeruli, 
keine  Spur  von  Kömchen  sich  auffinden  liess;  eine  Besonderheit  bietet 
der  gleiche  Fall  dadurch,  dass  die  pigmentierten  Stellen  des  Markes  bei 
gesunder  Rindensubstanz  durch  chronische  Entzündung,  Wucherung  des 
Bindegewebes  und  Atrophie  und  Desquamation,  der  Epithehen  hochgradig 
verändert  waren,  offenbar  infolge  der  Silberablagerung;  durch  reichliche 
Silbergaben  per  os  erzielte  v.  Kahl  den  bei  einem  Kaninchen  die 
gleiche  Lokalisation  der  Silberabscheidung  ausschUessüch  in  der  Marksub- 
stanz ohne  Gewebsveränderung  und  konnte  nachweisen,  dass  im  Gegen- 
satz zu  der  herrschenden  Anschauung  die  Einlagerung  nicht  nur  in  der 
Grundsubstanz,  sondern  auch  im  Innern  von  Bindegewebszellen  um  den 
Kern  herum  erfolgt.  Nach  der  gewöhnhchen  und  dieser  abnormen  Lokali- 
sation zu  schliessen,  steht  die  Argyrie  der  Nieren  nicht  mit  der  ausschei- 
denden Funktion  des  Organs  im  Zusammenhang,  sondern  stellt  eine  ein- 
fache Ablagerung  dar. 


3. 

Thrombose  und  Embolie. 

Von 

C.  J.  Eberth  in  Halle. 


Litteratur. 

1.  Campbell,  A.  W.,  Gase  of  Thromboais  of  the  left  inferior  cerebellar  Artery  with 
Cord  Leaion.  Liverpool  medico-cliirurgical  Joamal  1894.  Vol.  XIV.  140—54.  With  1  Plate. 

2.  Eguet,  Jules,  Einflnsa  des  Blutegelinfases  anf  die  Thrombenbildong.  Mitteilungen 
aus  den  Kliniken  und  medizinischen  Instituten  der  Schweiz.  II.  Reihe.  Heft  4.  1894. 

8.  Eockel,  Rieh.,  Über  Thrombose  dea  Himsinua  bei  Chloroae.  Deutschea  Arch.  f. 
klinische  Medizin.  Bd.  52.  1894.  Heft  5/6.  8.  557—568. 

4.  Eotlar,  Über  Herzthromben-Tuberkuloae.    Prager  med.  Wochenschrift  1894.  Nr.  7— 8. 

5.  Lubarsch,  0.  Dr.,  Zur  Lehre  von  der  Parenchymzellenembolie.  Fortschritte  der 
Medizin.  Bd.  XI.  Nr.  20.  1893. 

6.  Lys,  H.  Grabham,  Pulmonary  Emboliam.  Britiah  med.  Jomal.  1894.  Nr.  1143. 
S.  1126. 

7.  Marchand,  Zur  Kenntnis  der  Embolie  und  Thrombose  der  Gehimarterien ,  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  primären  Herztumoren  und  der  gekreuzten  Embolie. 
Berliner  klinische  Wochenschrift  1894.  Nr.  1. 

8.  Meslay,  Thromboae  de  la  veine  axillaire  droite.  Bulletins  de  la  Soci^t^  anatomique 
de  Paris.    Annde  LXIX.  1894.  Sörie  V.  Tome  Vm.  Fase.  12.  S.  477. 

9.  Perry,  8.  H.,  A  case  of  Thrombosis  of  the  basilar  Artery.  Birmingham  medical 
Recorder.  1894.  Vol.  XXXV.  S.  161. 

10.  Powell,  T.  K.,  A  Case  of  Thrombosis.  Memphis  medical  Menth.  1894.  Vol.  XIV. 
S.  307-809. 

11.  Ribbert,  Über  Fettembolie.  Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Ärzte.  Jahrg.  XXFV.  1894. 

12.  Sahli,  Über  den  Einfluss  intravenös  injizierten  Blutegelextraktes  auf  die  Thromben- 
bildung. Vortrag  gehalten  auf  dem  XI.  Internat,  med.  Kongress  in  Rom.  Centralblatt 
für  innere  Medizin.    Jahrgang  XV.  1894.  Nr.  22.  S.  497—501. 

18.   Saveliew,  Dr.  Nicolas,  Gehimembolie.    Virchows  Arch.  Bd.  135.  1894. 

14.  Scheven,  Zur  Lehre  von  der  atypischen  Embolie.   Inaug.-Diasertation.  Rostock.  1894. 

15.  Schilling,   Embolie  der  Aorta  desc.    Münchener  med.  Wochenschrift.    Nr.  16.    1895. 

16.  Smith,  W.,  A  case  of  Thrombosis  of  the  portal  System.  Medical  Press  and  Circular, 
London  1894.  New  Series.  Vol.  LVII.  S.  35. 

17.  Stange,  Über  einen  Fall  von  Kugelthrombose  im  Vorhof  des  linken  Herzens.  Berlin 
1893.  8^  15  S.  Inaug.-Diss.  Göttingen. 


Thrombose  und  Kmbolie.  119 

18.  Yoelcker,  Thrombus  im  Herzen.  Verhandlungen  der  pathologischen  Gesellschaft  in 
London.  Centralblatt  fOr  allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie.  Bd.  V. 
1894.  S.  954.  . 

19.  Wagenmann,  A.,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  patholog.  Anatomie  der  Embolie  der 
Centralarterie.  Mit  5  Figuren.  Archiv  fflr  Ophthalmologie.  Bd.  40.  1894.  Abt.  S. 
S.  221-238. 

20.  Wlassow,  K.,  Untersuchungen  über  die  histologischen  Vorgänge  bei  der  Qerinnnng 
und  Thrombose  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Entstehung  der  Blntplfittchen. 
Ans  dem  pathologischen  Institut  zu  Freiburg  i.  B.  Zieglers  Beiträge  zur  patholog. 
Anatomie  und  allgem.  Pathologie.  Bd.  XV.  1894.  H.  3.  S.  543-580. 


Nach  Wlassow  (20)  bilden  bei  der  Gerinnung  des  Blutes  durch 
Schlagen  wie  bei  der  Thrombenbildung  nicht  die  Blutplättchen  das  erste 
Gerinnsel,  es  sind  vielmehr  die  roten  Blutkörper,  welche,  indem  sie  sich 
desorganisieren,  die  Blutplättchen  liefern.  Damit  beantwortet  Wlassow 
zugleich  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Blutplättchen. 

Von  der  Destruktion  der  roten  Blutkörper  unterscheidet  Wlassow 
drei  verschiedene  Formen,  worüber  Näheres  im  Original  nachzusehen  ist. 

Die  kernlose  Erythrocyten  der  Warmblüter  bestehen  nach  Wlassow 
1.  aus  dem  farblosen  Nukleoalbumin,  2.  dem  Protoplasma,  welches  Hämo- 
globin, eine  körnige  protoplasmatische  Substanz  und  homogene  Substanz 
(Schatten)  enhält. 

Die  Blutplättchen  sind  aus  den  kernlosen  Erythrocyten  ausgetretene 
nukleoalbumine  Bestandteile.  „Im  Centrum  des  roten  Blutkörperchens  spal- 
tete sich  der  farblose  Bestandteil  in  Form  eines  rundlichen  Gebildes  be- 
wegte sich  nach  dem  einen  Ende  der  Zelle  und  schied  sich  nach  aussen 
als  ein  kömiges,  stark  Uchtbrechendes,  kreisrundes  Scheibchen  in  der  Grösse 
von  einem  Viertel  des  normalen  roten  Blutkörperchens  aus,  ein  regel- 
mässiges scheibenförmiges  Blutplättchen  darstellend." 

Die  Bildung  des  Blutplättchens  im  ungemischten  Blut  ist  in  physika- 
lischen Verletzungen  zu  suchen,  welche  das  Blut  bei  Berührung  mit  einem 
fremden  (ungefetteten)  Körper,  resp.  beim  Vorhandensein  der  Adhäsion 
erleidet.  So  tritt  ebenfalls  bei  der  Berührung  der  Erythrocyten  mit  der 
mechanisch  verletzten  Oberfläche  eines  Gefässes  oder  mit  einem  durch 
das  Gefäss  gezogenen  Zwirnsfaden  die  Desorganisation  der  roten  Blut- 
törper  ein.  Man  findet  im  Thrombus  nukleoalbumine  Bestandteile  und 
degenerierte,  in  feinkörnige  Massen  zerfallene  Zellen. 

Die  Adhäsion  ist  als  ein  Trauma  zu  betrachten,  welches  den  Anstoss 
zur  Störung  der  chemischen  Beziehungen  zwischen  den  verletzten  Zellen 
und  dem  Plasma  giebt.  Das  Plasma,  welches  vorher  eine  nutritive  Flüssig- 
keit war,  wird  eine  zerstörende  für  mechanisch  veränderte  rote  Blutkörper- 
ehen.   Vor  allem  spaltet  und  löst  es  die  nukleoalbumine  Substanz;   dabei 


120  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

verlieren  die  degenerierten  Zellen  Hämoglobin  und  zerfallen  oder  sie  schei- 
den den  abgespaltenen  nukleoalbuminen  Bestandtheil  in  Form  korpusku- 
larer Gebilde  aus. 

Die  feste  Verbindung  der  Zerfallsprodukte  der  roten  Blutkörper  unter- 
einander und  mit  der  Gefässwand  ist  durch  eine  klebrige  Substanz  in  den 
roten  Blutkörpern  bedingt,  welche  in  deren  homogener  Umhüllung  sich 
findet,  von  der  ein  Teil  als  sog.  Schatten  nach  Zerstörung  der  Zellen 
zurückbleibt. 

Die  Blutplättchen  in  der  Randzone  des  Thrombus  entstehen  aus 
plättchenbildenden  Erythrocyten,  die  als  sehr  hinfällige  Elemente  bei  Be- 
rührung mit  dem  Thrombus  in  Blutplättchen  zerfallen.  Würde  durch 
mechanische  Bedingungen  die  Anlagerung  der  Blutplättchen  und  Leukocyten 
veranlasst  sein,  so  müsste  die  Thrombenbildung  bis  zum  Schlüsse  des  Ge- 
fässes  andauern.  Das  ist  jedoch  nicht  der  Fall  und  findet  seine  Erklärung 
in  dem  Umstände,  dass  die  Anhäufung  von  plättchenbildenden  Zellen 
und  Leukocyten  mit  dem  Ausfliessen  der  Gewebsflüssigkeit  oder  der  Dif- 
fusion chemischer  Stoffe  durch  die  thrombotische  Masse  in  strömendes  Blut 
im  Zusammenhang  steht. 

Die  Verzögerung  der  Gerinnung  in  eingefetteten  Glasgefässen  und 
die  Beschleunigung  derselben  durch  Schlagen  mit  einem  Fremdkörper  ist 
dadurch  begründet,  dass  bei  dem  ersten  Versuch  nur  die  Plättchen  bilden- 
den resp.  senilen  Erythroc}^en  eine  Piasmoschisis  erfahren,  bei  der  sie  zu 
Blutplättchen  werden,  während  durch  Schlagen  des  Blutes  auch  viele  an- 
dere rote  Blutkörper  zerstört  werden  und  dem  Plasma  ihren  nukleoalbuminen 
Bestandteil  abgeben. 

Die  Erythrolyse  und  Erythroschise  bedingen  aber  nicht  nur  die  Bildung 
der  Blutplättchen  und  des  Thrombus,  sondern  sie  sind  zugleich  die  Ur- 
sache der  intra-  wie  extravaskulären  Blutgerinnung.  In  dem  nukleoalbu- 
minen Bestandteil  der  roten  Blutkörper  scheint  auch  eine  Substanz  ent- 
halten zu  sein,  welche  nach  ihrer  Reaktion  auf  Farben  dem  Fibrin  ähnlich 
sich  verhält. 

Verf.  hat  seine  Untersuchungen  an  Schnitten  durch  Thromben  und 
am  extravaskulären  Blut  angestellt,  jedoch  die  Thrombenbildung  nicht  direkt 
am  strömenden  Gefäss  verfolgt.  Vielleicht  aus  diesem  Grund  unterlässt 
Wlassow  eine  Erklärung  für  die  so  rasche  Anhäufung  der  Blutplättchen  (als 
solcher),  wie  man  sie  oft  nach  geringfügigen  Läsionen  der  strömenden  Ge- 
fässe  beobachtet. 

Da  der  Thrombus  sich  aus  intakten,  durch  den  Blutstrom  zugeführten 
roten  Blutkörpern,  welche  plötzlich  in  loco  sich  zersetzen,  entsteht,  scheint 
es  Wlassow  fraglich,  ob  die  bei  Beobachtung  des  strömenden  Blutes  in 
Mesenterialgefässen  konstatierten  Anhäufungen  von  Blutplättchen  die  Be- 


Thrombose  und  £mbolie.  121 

Zeichnung  von  Thromben  verdienen.  (Darüber  Hesse  sich  doch  wohl 
streiten.  Ref.) 

Die  Stromverlangsamung  und  mechanische  Momente  (Rauhigkeiten), 
denen  Eberth  undSchimmelbusch  eine  wesentliche  Bedeutimg  für  die  Ent- 
stehung der  Thromben  zugeschrieben  haben,  sind  nach  Wlassow  also  nur 
Hülfsmomente,  welche  den  Ort  für  die  Anlagerung  bestimmen  können,  aber  sie 
sind  keineswegs  nötig.  Die  Hauptursache  der  Entstehung  des  weissen 
Thrombus  ist  die  Destruktion  der  Blutkörper  und  die  spaltende  und  zer- 
störende Kraft  des  strömenden  Plasmas.  Nach  Verletzung  der  Gefässwand 
tritt  der  Gewebssaft  aus  der  Wand  aus  und  verursacht  den  Zerfall  einer 
grossen  Zahl  roter  Blutkörper.  Es  entsteht  so  der  Kern  oder  die  Grund- 
masse des  weissen  Thrombus. 

Kann  man  für  die  Versuche  an  den  Mesenterialgefässen,  auch  wenn  sie 
mit  aller  Vorsicht  ausgeführt  werden,  Schädigungen  des  empfindlichen 
Säugetierblutes  auch  nicht  ganz  ausschliessen,  so  besteht  doch  für  den 
vorhin  erwähnten  Versuch  die  Annahme  zu  Recht,  das  die  Blutplättchen 
präexistierten.  Und  wenn  Wlassow  gerade  den  senilen  Ery throcyten  eine 
so  grosse  Neigung  zur  Destruktion  und  damit  zur  Bildung  von  Plättchen 
innerhalb  wie  ausserhalb  der  Gefässe  vindiziert,  so  können  wir  eine  derartige 
Veränderung  als  physiologisch  im  strömenden  Blut  nicht  von  der  Hand 
weisen.     Und  damit  wäre  ja  die  Präexistenz  der  Blutplättchen  zugegeben. 

Eguet  (2)  und  Sahli  (12)  benutzten  hauptsächlich  das  frische  Blut- 
egelinfus,  dessen  Wirkung  am  konstantesten  war  (1  Blutegelkopf  auf  5  ccm 
Infus).  5  Tropfen  Infus  machen  1  ccm  Kaninchenblut  für  eine  Zeit  lang 
gerinnungsunfähig  oder  5  ccm  Infus  (einem  Blutegel  entsprechend)  20 
ccm  Blut.) 

Xach  Einwirkung  des  Blutegelinfuses  senken  sich  die  roten  Blut- 
korper,  das  Plasma  bleibt  klar  und  flüssig.  Beim  Eintritt  der  Gerinnung 
bilden  sich  die  ersten  Spuren  des  Fibrin  in  der  roten  Schicht  als  Fibrin- 
fiiden,  die  später  auch  die  übrige  Flüssigkeit  einnehmen. 

Das  Blutegelinfus  alteriert  die  weissen  und  roten  Blutkörper  nicht, 
seine  Wirkung  beruht  aber  nicht  auf  einer  Konservierung  der  Blutplättchen, 
welche  vielmehr  ebenso  wie  sonst  die  viscöse  Metamorphose  durchmachen, 
sondern  auf  einer  Zerstörung  des  Fibrinfermentes. 

Nachdem  in  die  Vena  jugularis  ext.  des  Kaninchens  eine  Schweinsborste, 
um  einen  Fremdkörperthrombus  zu  erhalten,  eingeführt  war,  wurde  eine 
gegebene  Menge  BlutegeUnfus  in  die  Blutbahn  injiziert  und  hierauf  noch 
in  die  Vena  jug.  der  anderen  Seite  eine  Schweinsborste  gebracht. 

Während  sich  um  die  vor  der  Injektion  eingeführten  Borste  ein 
Thrombus  gebildet  hatte,  fehlte  ein  solcher  an  der  anderen  Vene.  Weiter 
^"urde  festgestellt,  dass  für  eine  Zeitdauer  von  40  Minuten  das  Infus  eines 


122  AUgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

Blutegels  genügt  um   ca.    55—60  ecm  Kaninchenblut  vor  Fremdkörper- 
thrombenbildung  zu  schützen. 

Das  Blut  des  Kaninchens  bleibt  unter  dem  Einflüsse  des  injizierten 
Egelinfuses  so  lange  flüssig,  als  dieses  noch  nicht  durch  die  Nieren  aus- 
geschieden ist. 

Kockel  (3)  teilt  drei  Fälle  von  Thromhose  der  Extremitätenvene ,  zwei  Fälle  von 
Himsinnsthrombose  bei  Ghlorotischen  mit. 

In  dem  einen  Fall  war  die  Thrombose  von  dem  Sinns  transvera.  ausgegangen  and 
hatte  sich  auf  die  Vena  magna  Galeni  fortgesetzt,  in  dem  anderen  Falle  handelte  es  sich 
um  eine  frische  Thrombose  der  Vena  mag.  Galeni.  In  beiden  Fällen  fand  sich  Hydrocephalus 
int.  und  im  zweiten  ausserdem  rote  Erweichimg  der  die  Seitenventrikel  begrenzenden 
Himsubstanz. 

Voelcker  (18)  fand  ohne  jede  Klappenerkrankung  unterhalb  des  offenen  Foramen 
oval,  am  Vorhofseptnm  1.  einen  grossen  geschichteten  wandständigen  Thrombus.  An  seiner 
Basis  war  er  von  zahlreichen  embryonalen  Gefässen  durchzogen  und  seine  Hauptmasse 
von  gelatinösem  Aussehen,  so  dass  man  an  eine  myzomatöse  Neubildung  denken  konnte. 
Eine  den  Thrombus  Aberziehende  Epithelschicht  Hess  sich  nicht  nachweisen. 

Schilling  (15):  Die  55jährige  Patientin  war  wiederholt  an  Gelenkrheumatismus  er- 
krankt, zu  dem  sich  ein  Herzleiden  gesellt  hatte.  Beim  Versuche  nachts  aufzustehen,  fiel  sie  plötz- 
lich unter  heftigen  Schmerzen  in  den  Beinen  um.  Die  Extremitäten  waren  qnoad  motum 
et  sensum  ganz  gelähmt,  schwach  livid,  Reflexe  aufgehoben,  beide  Schenkelarterien  palslos. 
Nach  10  Stunden  zeigen  sich  zahlreiche  grosse  blaue  Flecke  an  den  kalten  unteren  Ex- 
tremitäten. Tod  nach  33  Stunden  unter  den  Erscheinungen  der  Herzparalyse.  Die 
Sektion  ergab  Verfettung  des  Herzmuskels,  Dilatation  beider  Ventrikel,  Stenose  und  Insufficienz 
der  Mitralklappe,  welche  nur  die  Spitze  des  Zeigefingers  aufnimmt.  Im  linken  Vorhof, 
bezw.  im  linken  Herzohr,  zwei  kleinfingerdicke,  wandständige,  geschichtete,  brUchige  braune 
Thromben.  Die  enge  Aorta  ohne  Atherom.  6  cm  über  der  Teilungsstelle  der  Aorta  in  die 
Iliacae  findet  sich  ein  die  Aorta  vollkommen  obturierender,  frischer  Thrombus,  der  mit 
einem  4  cm  langen  auf  der  Teilungsstelle  der  Arteriae  iliacae  reitenden,  braunen,  brüchigen 
Embolus  von  der  Farbe,  Brüchigkeit  wie  die  im  linken  Herzen  gefundenen  Thromben  zu- 
sammenhängt. Jenseits  des  Embolus  ist  das  Stromgebiet  der  beiden  Arteriae  iliacae  voll- 
kommen thrombosiert. 

Marchand  (7)  beschreibt  einen  Fall  von  polypösem  Myxom  der  linken  Vorhofscheiden- 
wand  mit  Verdickung  der  linken  Arteria  fossae  Sylvii  infolge  von  älterer  Embolie,  mehr- 
facher Geschwulstembolie  anderer  Arterien,  frischer  Embolie  des  Stammes  der  rechten 
Arteria  fossae  Sylvii  und  kleinem  embolischen  Aneurysma  eines  Astes  der  rechten  Art. 
foss.  Sylv.  Die  aneurysmatische  Erweiterung  eines  Astes  der  Art.  foss.  Sylvii  war  durch 
Wucherung  der  angeschwemmten  Geschwulstmasse  erzeugt  Auf  die  Geschwulstembolie 
ist  zweifelsohne  auch  die  Verdickung  und  Verknöcherung  der  Arterienwand  zurückzuführen. 

Zur  Beseitigung  eines  Kankroidrecidivs  der  rechten  Schläfengegend 
wurde  die  Carotis  comm.  dicht  unter  der  Teilungsstelle  und  ausserdem 
noch  die  Carotis  ext.  und  int.  dicht  oberhalb  derselben  unterbunden. 
28  Stunden  post  operationem  linksseitige  Lähmung  der  Extremitäten,  Tod 
24  Stunden  nach  Eintritt  der  Lähmung. 

Die  Carotis  int.  dextra  war  an  der  Eintrittsstelle  in  die  Schädelhöhle 
von  einer  teils  dunkeln,  teils  braunroten  Thrombenmasse  ganz  ausgefüllt, 
die  sich  auch  in  die  Art.  foss.  Sylv.,  Art.  cerebri  ant.,  nicht  aber  in  die 
Art.  comm.  ant.  und  post.  und  Art.  ophth.  fortsetzt. 


Thrombose  und  £mboIie.  123 

Die  rechte  Hemisphäre  ist  stark  durchfeuchtet  und  vergrössert,  es 
sind  aber  nicht  die  Lymphscheiden  der  Gefässe  stärker  gefüllt,  das  Ödem 
findet  sich  vielmehr  in  derNeuroglia  und  hemmt  den  Abfluss  des  Venen- 
blutes. Die  angeschwollene  Hemisphäre  verlegt  durch  Verdrängung  der 
Nachbarschaft  den  Abfluss  der  Cerebrospinalflüssigkeit  nach  abwärts, 
während  ein  anderer  Teil  seinen  Weg  durch  Nervenscheiden  und  pacchio- 
iiische  Granulationen  sucht. 

Verf.  erörtert  dann  das  Zustandekommen  des  apoplektischen  Insults. 
Die  plötzliche  Absperrung  der  arteriellen  Zufuhr  von  einem  umfangreichen 
Teil  des  Gehirns  ist  die  nächste  Ursache  der  Bewusstseinstörung.  Das 
abwinden  kurz  dauernder  Herdsymptome  findet  seine  Erklärung  in  der 
unvollkommenen  Ausschaltung  derselben  von  der  Cirkulation.  Die  Nekrose 
entspricht  ja  nicht  immer  der  ganzen  Ausdehnung  des  von  der  Embolie 
betrofEenen  Gebietes. 

Die  graue  Substanz  und  die  grossen  Ganglien  sind  nach  Unterbrech- 
ung der  arteriellen  Zufuhr  viel  früher  verloren  als  die  weisse  Substanz 
und  die  Granglienzellen  der  Hirnrinde  scheinen  selbst  eine  minutenlange 
Absperrung  der  Blutgefässe  nicht  zu  vertragen. 

Marchand  (7)  beschreibt  weiter  einen  Fall  von  einem  kleinen  Throm- 
bus in  einer  Vene  des  rechten  Unterschenkels  mit  Embolie  der  1.  Carotis  int. 
und  beginnender  Erweichung  der  1.  Hemisphäre,  der  seine  Erklärung  in 
einer  kleinen  Öfibiung  des  Foramen  ovale  finden  dürfte,  durch  welche  sich 
ein  kleiner  Pfropf  gedrängt,  der  sich  auf  der  linken  Seite  der  Scheidewand 
vergrösserte  und  zur  EmboUe  führte,  wenn  man  nicht  annehmen  will,  dass 
anderswo  sich  ein  Thrombus  gebildet,  der  total  abgelöst  worden  war. 

Wenn  bei  obigem  Fall  die  gekreuzte  Embolie  zweifelhaft  blieb,  so 
stellt  der  folgende  ein  charakteristisches  Beispiel  einer  solchen  dar. 

Ein  69jähriger  Mann  mit  schwerer  Syphilis  maligna  starb  plötzlich 
Wi  der  Untersuchung.  Beide  Äste  der  Pulmonalarterie  waren  durch 
Thrombusmassen  verschlossen,  in  der  Milz  fanden  sich  mnfangreiche  keil- 
förmig derbe  Infarkte,  im  1.  Kleinhirn  ein  älterer  Erweiehungsherd,  ein 
lockerer  bräunlich  roter  Pfropf  sass  in  der  1.  Koronararterie,  die  Venen 
Wider  Oberschenkel  waren  frei  von  Thromben,  dagegen  fand  sich  der 
rechte  Unterschenkel  bis  zum  oberen  Dritteil  ausgedehnt  thrombosiert.  Im 
Herzen  und  den  Arterien  weder  Thromben  noch  Rauhigkeiten.  Das  Foramen 
oval,  war  noch  für  die  Spitze  des  kleinen  Fingers  durchgängig. 

Xach  Saveliew  (13)  finden  sich  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von 
<Jehimembolie  Herzfehler,  bei  mehr  als  89  Prozent. 

Die  erste  Erscheinung  nach  Embolie  ist  Anämie  der  embolisierten 
Bezirke.  Nicht  so  selten  kommt  ausser  der  arteriellen  Anämie  venöse 
Stauung  vor,  wässerige  Exsudation  und  Hämorrhagie. 


124  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Die  frühesten  makroskopischen  Zeichen  der  Encephalomalacie  fanden 
sich  10  und  23  Stunden  nach  experimentell  erzeugter  Himembolie. 

Bei  der  Symptomatologie  wird  hervorgehoben,  dass  nur  selten  die 
Embolie  keinen  Verlust  des  Bewusstseins  veranlasst.  Konvulsionen  sind 
nicht  konstant.  Reitbahnbewegungen  finden  sich  besonders  bei  Embolien 
des  vorderen  Teils  der  Sehhügel.  Bezüglich  der  Sensibilitätsstörung  Hess 
sich  keine  Regel  aufstellen,  Reflexe  können  erhöht  oder  aufgehoben  sein. 
Auch  in  der  psychischen  Sphäre  finden  sich  Störungen. 

Aphasie  findet  sich  nur  bei  Embolie  der  1.  Art.  foss.  Sylv.  oder  der 
rechten  Arterie.  Die  linkshändigen  Modilitätsstörungen  sind  nicht  notwendige 
Begleiterscheinungen  der  Embolie. 

Lubarsch  (7)  giebt  eine  zusammenfassende  Darstellung  unserer  Kennt- 
nisse von  der  Parenchymzellenembolie,  von  der  er  1.  die  Embolie 
mit  Leberzellen,  2.  die  mit  Placentarzellen  und  3.  die  mit  Knochenmarks- 
riesenzellen unterscheidet. 

Die  Leberzellcnembolie  ist  entweder  eine  traumatische  oder 
findet  sich  bei  Intoxikations-  und  Infektionskrankheiten.  Die  traumatische 
Leberzellcnembolie  steht  mit  der  Ausdehung  der  Verletzung  keineswegs  in 
einem  bestimmten  Verhältnis.  Die  verschleppten  Leberzellen  fiinden  sich 
ausser  in  den  Lebervenen ,  im  Herzen,  in  Lungenarterien ,  Aesten  der 
Leber  und  Nierenarterien,  In  diesen  Fällen  handelt  es  sich  um  einen 
Transport  diurch  das  offne  Foramen  ovale. 

Die  Leberzellcnembolie  bei  Intoxikations-  und  Infektionskrankheiten  findet 
sich  sehr  häufig  bei  Eklampsie  in  der  Lunge,  in  Gehirn-  und  Nierenvenen, 
in  Leberarterien- und  Pfortaderästen  (bei  offenem  Foramen  ovale),  bei  Chorea. 

Bei  Scharlachangina  mit  ausgesprochener  Leukocytose  in  den  Kapillaren 
und  Venen  der  Leber,  kleinen  Lymphomen  und  Blutungen  fanden  sieh 
Leberzellen enil)olien  in  Lebervenen,  Nierenarterie,  in  der  Kranzarterie  des 
Herzens  (bei  offenem  Foramen  ovale)  ^),  Ferner  fanden  sich  innerhalb  der  Leber 
Leberzellenembolieen  bei  Nekrosen  und  Blutungen  mit  Erweichungsherden  bei 
Leberabscess,  bei  vereitertem  Lebergumma,  bei  Lebertuberkulose  mit  Eiterung. 
Das  gemeinsame  Moment  für  Leberzellcnembolie  sindBlutungen  und  Nekrosen 
der  Leber.  Mechanische  Erschütterungen  sind  für  das  Zustandekommen  der 
Embolie  nicht  absolut  nöthig,  sie  befördern  aber  die  Fortschwemmung 
der  Leberzellen.  Retrograder  Transport  —  Vorkommen  von  Leberzellen 
in  Nieren  und  Gehirnvenen  —  findet  sich  bei  hochgradigen  Stauungen  wie 
bei  Eklampsie. 


1)  Da  Lubarsch  niemals  Leberzellen  in  Lungenvenen  fand,  bezweifelt  er  die  Passage 
jener  durch  die  Lungenkapillaren.    Vergleiche  hierüber  Scheven. 


Thrombose  und  Kmbolie.  125 

Die  versclileppten  Leberzellen  können  je  nach  ihrer  Beschaffenheit 
und  der  Resorptionskraft  der  Körpersäfte  verschieden  lange  persistieren 
{3  Wochen  bis  2V«  Monate).  Proliferations  Vorgänge  sind  an  ihnen  nicht 
nachzuweisen. 

Die  LeberzellenemboUe  bei  Eklampsie  ist  als  ein  sekundärer  Vorgang 
aufzufassen.  Anwesenheit  von  Leberzellen  in  Blutgefässen  wirkt  gerinuungs- 
erregend  und  veranlasst  Thrombenbildung.  Ein  Teil  der  bei  Eklampsie 
vorkommenden  Thromben  sind  jedoch  primäre. 

2.  Die  Placentarzellenembolie  finden  sich  am  häufigsten,  aber  nicht 
konstant  bei  Eklampsie  und  zwar  in  der  Lunge  (Kapillaren  und  Arterien),  den 
Uterinvenen,  dem  rechten  Herzen.  Sie  stammen  sowohl  von  der  Decidua 
wie  von  den  Zotten.  Sie  scheinen  früher  als  die  Leberzellen  zu  Grunde 
zu  gehen.  Die  Zellenembolieen  bei  Eklampsie  und  Chorea  gravidarum 
sind  nicht  die  Ursachen  der  mit  Krampfanfällen  verbundenen  Krankheiten, 
sondern  sie  sind  die  Folgen  der  Krampfanfälle. 

3.  Die  Knochenmarkriesen  zellen  embolie  fand  Lubarsch 
nach  Operation  am  Oberschenkel  in  der  Lunge.  Aber  auch  bei  tuberkulöser 
Höftgelenkentzündung  kommt  sie  vor.  Danach  ist  anzunehmen,  dass  auch 
Riesenzellen  von  Knochentuberkeln  verschleppt  werden  können. 

Die  gerinnungserregende  Eigenschaft  der  Knochenmarkriesenzellen 
ist  jedenfalls  keine  bedeutende. 

Als  atypische  Embolie  bezeichnet  Seh even  (14)  in  seiner  auf  die  An- 
regung von  Lubarsch  ausgeführten  Arbeit  die  sog.  paradoxe  oder  gekreuzte 
EmboUe,  bei  welcher  der  Embolus  in  der  entgegengesetzten  Seite  des  Kreis- 
laufs sich  vorfindet  vne  der  primäre  Thrombus,  oder  wo  ein  Thrombus 
durch  ein  offenes  Foramen  ovale  aus  dem  venösen  Blute  in  die  arterielle 
Gefässbahn  hineingeschleppt  ist  und  die  Embolie  durch  retrograden  Trans- 
j>ort,  die  sowohl  im  Venensystem  wie  in  der  Lymphbahn  beobachtet  wird. 

Von  der  ersten  Form  bringt  Verf.  aus  der  Litteratur  wie  aus  den 
Protokollen  der  Züricher  und  Rostocker  pathologischen  Institute  mehrere 
Fälle.  Für  die  Überwanderung  von  thrombotischem  Material  aus  dem 
rechten  Herzen  in  den  linken  Vorhof  sind  abnorme  Druckverhältnisse  in 
den  Arterien,  Erhöhung  des  Blutdrucks  im  rechten  Herzen  notwendig. 

Im  Vergleich  zur  Häufigkeit  der  Persistenz  des  Foramen  ovale  ist  die 
gekreuzte  EmboUe  immerhin  ein  seltener  Prozess,  der  sowohl  für  die  Ver- 
breitung blander  und  infizierter  Thromben,  von  Parenchymzellen  und  Ge- 
schwulstelementen eine  Rolle  spielt  und  wahrscheinhch  auch  für  die  Aus- 
breitung der  Tuberkel  bei  der  akuten  Mihartuberkulose  (nach  Tuberkulose 
des  Ductus  thoracicus)  von  Wichtigkeit  ist.  Nach  einer  Besprechung  der  be- 
kannten Fälle  der  atypischen  EmboUe  durch  retrograden  Transport  erwähnt 
Verf.  einen  solchen  Fall  von  Scirrhus  des  Magens  mit  Metastasen  in  den 


126  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

retroperitonealen,  mesenterialen,  inguinalen  und  tracheobronchialen  Lymph 
drüsen,  multiplen  Metastasen  des  Herzens,  Darm-  und  Beckenserosa,  Darm- 
schleimhaut, Uterus,  Ovarien,  Vagina,  Harnblase  und  Trachea.  Die  Metastasen 
der  retroperitonealen,  mesenterialen  bronchialen  und  trachealen  Lymphdrüsen 
sind  als  auf  dem  Wege  der  Lymphbahn  entstanden  zu  betrachten,  während 
dieübrigenMetastasen  auf  die  VerschleppungvonGeschwulstkeimendurch  rück- 
läufige Strömung  in  die  betreffenden  Lymphbahnen  zurückzuführen  sind. 

Die  veränderte  Stromesrichtung,  welche  den  rückläufigen  Transport 
in  den  Venen  ermöglicht,  welche  keine  Klappen  besitzen,  kann  sowohl 
durch  positiven  Druck  im  Thorax  bei  forzierter  Exspiration,  Stenose  der 
Luftwege  und  der  Trachea  oder  Bronchien  veranlasst  werden.  Bei  dem 
retrogi'aden  Transport  im  Lymphgefässsystem  ist  dagegen  der  Verschluss 
der  Hauptbahn  die  erste  Bedingung  für  die  Umkehr  des  Lymphstroms  und 
der  dadurch  bedingten  Verschleppung  korpuskularer  Elemente. 

Versuche  über  retrograden  Transport  haben  den  Verf.  überzeugt,  dass 
kleine  und  mittelgrosse  Grieskömer  die  Lungenkapillaren  passieren  können 
und  dass  am  häufigsten  in  denjenigen  Teilen  der  venösen  Blutbahn  eine 
retrograde  Verschleppung  nachzuweisen  ist,  in  denen  ein  geringer  und 
Schwankungen  unterworfener  Druck  herrscht  wie  in  der  Cava,  Leber-, 
Nierenvene  und  den  Hirnsinusen. 

Nach  Ribbert  (11)  können  ausser  den  bekannten  Ursachen  der  Fett- 
embolie,  wie  Entzündungen  und  Zerreissungen  des  Knochenmarks,  der 
Entzündungen  des  Unterhaut-  und  Beckenfettgewebes,  Quetschungen  und 
Nekrosen  der  Leber  und  fettig  zerfallenen  Thromben,  auch  einfache  heftige 
Erschütterungen  des  Knochens  ohne  jede  Fraktur,  eine  Fettembolie  zur 
Folge  haben.  Beim  Kaninchen  genügt  es  schon,  während  1 — 2  Minuten 
in  der  Narkose  eine  Reihe  kurzer  Schläge  mit  einem  hölzernen  Instrument 
auf  beide  Tibiae  auszuführen,  um  eine  massig  hochgradige  FettemboUe  zu 
erhalten.  Das  Knochenmark  zeigt  keine  makroskopische  Veränderung  luul 
nur  einen  massigen  Fettgehalt. 

Die  Folgen  der  Fettembolie  in  der  Lunge  sind  häufig  kleinere  Ecchy- 
mosen,  seltener  umfangreichere  Blutungen.  Vielleicht  wird  auch  das  Auf- 
treten des  Lungenödems  durch  die  Embolie  begünstigt. 

In  den  Nieren  dürfte  eine  fettige  Degeneration  der  Tubuli  contorti, 
zweiter  Ordnung,  Schwellung  und  Ablösung  des  Kapselepithels  Folge  der 
Embohe  von  Glomerulis  sein. 

Ecchymosen  finden  sich  auch  im  Gehirn  als  Folge  von  kapillarer 
FettemboHe. 

Fleckige  Fettentartung  des  Herzmuskels  konstatiert  Ribbert  in  sieben 
hierauf  untersuchten  Fällen  von  Fettembolie  des  Herzens. 


Thrombose  und  Embolie.  127 

Betreffs  der  weiteren  Schicksale  des  embolisierten  Fettes  bezweifelt 
Ribbert,  dass  es  durch  die  Niere  ausgeschieden  wird,  da  wenigstens  beim 
Kaninchen,  dessen  Glomeruli  dicht  mit  Fett  gefüllt  worden  waren,  eine 
halbe  Stunde  nach  dem  Versuch  noch  kein  Fett  in  die  Kanälchen  aus- 
getreten war.  Dies  scheint  erst  nach  länger  dauernder  Anämie  infolge  von 
ZerreissuDg  der  Glomerulusgefässe  zu  geschehen. 

Ausgedehnte  Fettembolie  der  Lunge  kann  gewiss  allein  schon  den 
Tod  zur  Folge  haben,  ebenso  die  Embolie  des  Gehirns,  besonders,  wenn 
es  zu  zahlreichen  Blutungen  kommt.  Auch  bei  zahlreichen  Embolien  des 
Herzmuskels  können  die  vielen  Degenerationsherde  daselbst  den  letalen 
Ausgang  veranlassen. 


4, 

Metastase. 

Von 

O.  Lubarsch,  Rostock. 


1.  Arnold,   Die  Geschichte    des   eingeatmeten  Metallstaubes  im  Körper.    Beiträge  zur 
patholog.  Anatomie.  Bd.  VlIL  1890. 

2.  Ders.,  Untersuchnngen  über  Staubinhalation  und  Staubmetastase.    Leipzig.  P.  C.  W. 
Vogel.  1885. 

3.  Ders.,  Über  rückläufigen  Transport.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  124.  S.  885. 

4.  Bernauer,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  embolischen  Geschwulstbildung.     Arbeiten 
aus  dem  patholog.  Institut  in  Göttingen.     1893. 

5.  Bonome,   Süll  transporte  retrograda  degli  emboli  nelle  vene  e  sull  embolia  cmciaia. 
Arch.  medich.  XIII.  1889. 

6.  Klebs,  AUgem.  Pathologie.    Bd.  II. 

6a.Kri8che,   Ein   Fall   von  Fibromyom    des  Uterus   mit   multipler  Metastase   bei   einer 
Geisteskranken.    Diss.  Göttingen  1889. 

7.  Kobert,  Über  Argyrie  im  Vergleich  zur  Siderose.    Arch.  f.  Dermatologie  und  Syphilis. 
1893. 

8.  Müller,  M.,  Beiträge  zur   Kenntnis  der  Metastasenbildung  maligner   Tumoreo.     Id- 
augural-Dissertation.  Bern  1892. 

9.  Po  mm  er,  Beiträge  zur   pathol.  Anatomie  d.  Blutgefässe.     Mitteil,  des  Vereins   der 
Ärzte  Deutschtirols  f.  d.  Jahr  1892. 

10.  von  Reck linghausen,  Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie  des  Kreisläufe.  1883. 
S.  164. 

11.  Ders.,  Über  venöse  Embolie  und  den  retrograden  Transport  in  den  Venen  und  in  den 
Lymphgefässen.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  106.  1885. 

12.  Seh  aper.  Über  eine  Metastase  eines  primären  Lungenkrebses  in  ein  interstitielles 
üterusmyom.    Virch.  Arch.  Bd.  129.  S.  61. 

13.  Scheven,  Zur  Lehre  von  der  atypischen  Embolie.    Inaug.-Dissertation.  Rostock  1895. 

14.  Vogel,  Über  die  Bedeutung  der  retrograden  Metastase  innerhalb  der  Lymphbahn  für 
die  Kenntnis  des  Lymphgefässsystems  der  parenchymatösen  Organe.  Virch.  Arch. 
Bd.  125.  S.  495. 

15.  Weigert,  Über  den  Eintritt  des  Kohlenpigments  aus  den  Atmungsorganen  in  den 
Blutkreislauf.    Fortschr.  d.  Medizin.  Bd.  1.  S.  441. 

16.  Weintraud,W.  0.,  Untersuchungen  über  Kohlenstaubmetastase  im  menschlichen  Körper. 
Dissertat.  Strassburg  1889. 


Metastase.  129 

I'.  Zahn,  Über  Geschwulstmetastase  durch  Kapillarembolie.    Virch.  Arch.  Bd.  117.  1889. 

l^  Ders.,  Über  einige  Fälle  seltener  Geschwulstmetastasen.    Ebenda. 

19.  Ders.,   Über  paradoxe   Embolie    und  ihre  Bedeutung  für    die  Geschwulstmetastase. 

Virch.  ArcL  Bd.  115.  S.  71. 
'^i  Ders.,  Über  einen  Fall  von  primärem  Sarkom  der  Samenblase  etc.    Deutsche  Zeitschr. 

f.  Chirurgie.  Bd.  22.  1885. 

21.  Zehnder,  über  Krebsentwickelung  in  Lymphdrüsen.    Virch  Arch.    Bd.  119.   S.  261. 

22.  Zenker,  Zur  Lehre  von  der  Metastasenbildung  der  Sarkome.    Virch.  Arch.  Bd.  120. 
S.  78. 


Der  BegrifE  der  Metastase  ist,  wie  v.  Recklinghausen  (10)  näher  ausge- 
lührt  hat,  allmählich  immer  mehr  ein  humoralpathologischer  geworden,  indem 
man  darunter  eine  Versetzung  von  pathologischen  Stoffen  von  einem  Orte  des 
Körpers  auf  einen  andern  versteht.  Diese  Beschränkung  des  Metastasenbegriffes 
ist  im  allgemeinen  so  fest  beibehalten  worden,  dass  man  auch  die  Verschlepp- 
ung normaler  Parenchymzellen  von  einem  Organ  an  entferntere  Stellen  des 
Kürpers  nicht  als  Metastase,  sondern  als  Parenchymzellembolie  bezeichnet 
liat,  und  wenn  Ziegler  (allg.  Pathologie  8.  Aufl.)  davon  abgewichen  ist 
und  von  einer  Parenchymzellenmetastase  spricht,  so  ist  das  wenig  em- 
pfehlenswert, da  hierdurch  die  einzige  feste  Grenze  zwischen  den  emboli- 
abeu  und  metastatischen  Vorgängen  eingerissen  würde.  Nachdem  durch 
die  Fortschritte  der  bakteriologischen  Forschung  die  schon  zu  Beginn  der 
«<^r .Jahre  von  v.  Recklinghausen  und  Klebs  begründete  Lehre  von 
'itr  Spaltpilzmetastase  durch  KapillaremboUe  immer  grössere  Bedeutung 
gewonnen  hatte  und  feste  Begründung  erhielt,  sind  in  den  letzten  Jahren 
äaf  diesem  Gebiete  Fortschritte  prinzipieller  Natur  nicht  gemacht  worden. 
Wühl  aber  hat  mau  sich,  wiederum  angeregt  durch  Untersuchungen  von 
ßecklinghausens,  eingehender  mit  den  Wegen  beschäftigt,  auf  denen 
üe  pathologischen  Stoffe  verschleppt  werden  und  es  wird  im  folgenden 
gerade  hierauf  besondere  Rücksicht  genommen  werden.  Es  werden  im 
Agenden  kurz  erörtert  werden  1.  die  Verschleppung  von  in  den  Körper 
von  aussen  eingeführten  Metallen,  2.  die  Verschleppung  von  Kohlenstaub, 
i  die  Verschleppung  von  Geschwulstzellen. 

ad  1.  Arnold  (1,  21  hat  sich  besonders  mit  den  Schicksalen  des  ein- 
geatmeteu  Metallstaubes  beschäftigt,  indem  er  die  Organe  von  Gold-  und 
'^ilberarbeitem  einer  genauen  und  quantitativen  chemischen  Analyse  unter- 
warf. Er  fand,  dass  die  Bronchialdrüsen  den  grössten  Gehalt  an  Silber 
Qüd  Gold  besassen,  in  8  von  10  Fällen  mehr  als  beide  Lungen  zusammen, 
m  9  Fällen  mehr  als  Leber  und  Milz  zusammen ,  und  in  5  Fällen  sogar 
lüehp  wie  Lungen,  Leber  und  Milz  zusammen.  Es  geht  daraus  hervor,  dass 
tine  wesentliche  Quelle  die  Zufuhr  von  Metallstaub  mit  der  Einatmungs- 
♦Jft  ist  und  dass  der  Staub  auf  dem  Lymphwege  in  die  Bronchialdrüsen 

lubarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteilnng  11.  9 


130  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Ph^'siologie. 

gelangt.  Die  Lungen  können  sogar  wieder  frei  von  Metallstaub  werden, 
in  dem  durch  die  Bronchialwand  eine  Weiterbeförderung  von  den  peri- 
bronchialen Lymphknötchen  und  Lymphscheiden  her  sich  vollzieht;  bei 
Lungenemphysem  findet  auch  ein  Übertritt  des  Metalles  in  die  Blutgefässe 
statt,  so  dass  in  solchen  Fällen  der  Gehalt  der  Milz  und  Leber  an  Gold 
und  Silber  erklärlich  ist.  In  gewöhnlichen  Fällen  ist  jedenfalls  das  Metall 
nicht  vom  Magen  und  Darm  her  in  die  grossen  Unterleibsdrüsen  gelangt, 
da  sonst  die  Lymphdrüsen  mit  dem  Staub  angefüllt  sein  müssten,  was 
nicht  der  Fall  ist.  —  Das  Schicksal  des  in  Form  von  Argentum  nitricum 
im  Körper  eingeführten  Silbers  hat  Kobert  (7)  genauer  verfolgt  und  beson- 
ders mit  der  Siderosis  verglichen.  Beide  Metalle  —  Silber  und  Eisen  —  wer- 
den bei  plötzlicher  Einfuhr  ins  Blut  in  erster  Linie  in  den  Leberzellen  zurück- 
gehalten, wo  sie  in  eine  unlösliche  Modifikation  übergeführt  werden;  von 
hier  werden  die  Stoffe  durch  einwandernde  Leukocyten  nach  den  Leber- 
lymphgefässen  und  weiter  in  die  verschiedensten  lymphoiden  Organe  ver- 
schleppt. Auch  die  Ausscheidung  der  Metalle,  die  bei  chronischer  Ver- 
giftung allerdings  nur  in  sehr  geringem  Grade  stattfindet,  findet  unter  Be- 
teiligung von  Leukocyten  nach  dem  Verdauungstraktus  hin  statt,  während 
durch  den  Harn  gar  kein  Metall  aus  dem  Körper  entfernt  wird.  — -  Bei 
chronischer  Vergiftung  sind  die  metallhaltigen  Leukocyten  nicht  mehr 
nachzuweisen,  sondern  das  Silber  und  Eisen  hegt  scheinbar  formlos  in 
Körnchen  und  Klumpen  zwischen  den  Zellen.  Ein  wesentlicher  Unter- 
schied zwischen  der  Silber-  und  Eisenablagerung  besteht  darin,  dass  bei 
der  Argyrie  mit  VorUebe  die  verschiedensten  bindegewebigen  Organteile 
und  die  Haut  befallen  werden,  bei  Siderosis  dagegen  nicht.  — 

ad  2.  Die  Verschleppung  des  Kohlenstaubs  im  Körper  ist  bekannt- 
lich von  Arnold  (2)  besonders  genau,  sowohl  bei  Tieren  wie  beim  Men- 
schen verfolgt  worden.  Der  inhaherte  Kohlen-  (oder  Stein-)  staub  gelangt 
aus  den  Aveolen  teils  frei  teils  an  Zellen  gebunden  zwischen  die  Aveolar- 
epitheüen  hindurch  in  die  Saftbahnen  des  Lungengewebes  und  von  da  in 
die  grösseren  Lymphgefässe,  endlich  in  die  Bronchialdrüsen  hinein.  Die 
Folgen  der  Staubablagerung  in  den  Lungen  sind  nicht  immer  die  gleichen  und 
Arnold  unterscheidet  daher  eine  Anthracosis  simplex  und  indurativa,  wo  eine 
indurierende  Bronchopneumonie  oder  fibröse  Peribronchitis  sich  an  die  Ein- 
atmung grösserer  Staubmengen  anschliesst.  Auch  in  den  Bronchialdrüsen  eta- 
bliert sich  eine  chronische  hyperplastische  Entzündung,  wodurch  sie  vergrössert 
werden,  allmählich  aber  wieder  atrophieren  und  erweichen.  Von  hier  aus 
findet  die  weitere  Verschleppung  des  Kohlenstaubes  in  der  Weise  statt, 
wie  es  Weigert  (15)  schon  früher  geschildert  hat.  Derselbe  konnte  näm- 
lich nachweisen,  dass  in  \delen  Fällen,  in  denen  Kohlenpigment  in  Milz, 
Leber  und  Portaldrüsen  gefunden  wird,  eine  Verlötung  der  Lungenvenen- 


Metastase.  131 

oder  Arterien  Wandung  mit  den  pigmentierten  Bronchialdrüsen  besteht  und 
iliehitima  der  Blutgefässe  ganz  dunkel  pigmentiert  erscheint.  Thatsäehlich 
zeigt  auch  die  mikroskopische  Untersuchung,  dass  keine  scharfe  Grenze 
zwischen  anthrakotischer  Lymphdrüse  und  Blutgefässwand  besteht,  das 
Pigment  vielmehr  sich  bis  unmittelbar  an  das  Gefässlumen  fortsetzt.  Die 
Verschleppung  des  Pigments  kommt  also  durch  einen  direkten  Einbruch 
in  Blutgefässe  zu  stände,  nachdem  durch  eine  Art  Periadenitis  eine  Ver- 
wachsung zwischen  Drüse  und  Blutgefässen  stattgefunden  hat.  Sind  ein- 
mal die  Kohlenpartikel  in  die  Leber  gelangt,  so  erkranken  die  portalen 
Lymphdrüsen  dadurch,  dass  die  Leberlymphbahnen  ihnen  das  Kohlenpig- 
ment zuführen.  Arnold  konnte  die  Untersuchungen  Weigert s  voll- 
ständig bestätigen  und  erweitem,  indem  er  zeigte,  dass  auch  ohne  grössere 
Durchbrüche,  die  Kohle  direkt  von  der  Adventitia  her  in  die  Arterien 
eindringen  kann.  —  Diese  von  Weigert  begründete  Auffassung  über 
«iie  Wege  der  Staubraetastase  hat  Weintraud  (16)  dadurch  einzuschrän- 
ken versucht,  dass  er  auch  hier  die  v.  Recklinghausensche  Lehre 
von  der  Metastase  durch  retrograden  Lymphtransport  zur  Geltung  zu  bringen 
suchte.  Er  fand  in  einem  Viertel  aller  Fälle  in  den  Leichen  Erwachsener 
^cllwa^zes  Pigment  in  Leber,  Milz  und  den  abdominalen  Lymphdrüsen,  ver- 
misst  es  aber  in  der  Niere  und  im  Gegensatze  zu  Weigert  und  Arnold 
auch  im  Knochenmark.  Gerade  deswegen  und  wegen  der  Ablagerung 
'1er  Kohle  in  den  Gefässscheiden  glaubt  Weintraud,  dass  die  Pigment- 
metastase auf  dem  Wege  des  retrograden  Lyniphstroms  stattfindet,  der 
^ich  durch  Bildung  oder  Erweiterung  von  Kollateralen  nach  anthrakotischer 
'Witeration  der  der  Lunge  näher  gelegenen  Lymphdrüsen  ausbildet  und 
allmählich  bis  in  die  Wurzeln  der  Lymphgefässe  fortschreitet.  Die  Staub- 
vtrselileppung  findet  sich  vom  Lungenliilus  an  stets  in  zusammenhängenden 
Ablagerungen  bis  zu  den  Lymphgefässverzweigungen  in  Leber  und  Milz, 
'la  stets  dabei  die  portalen  und  retrogastrischen  Drüsen  erkrankt  gefunden 
werden,  und  diese  wiederum  niemals  Staub  enthalten,  ohne  dass  auch  die 
mediastinalen,  dicht  über  dem  Zwerchfell  gelegenen  Drüsen  anthrakotisch 
*ind.  —  Dass  ein  retrograder  Transport  von  Kohlenstaub  vorkommt,  ist 
'lurch  die  Arbeit  Weintrauds  wohl  sicher  bewiesen  und  Scheveu  (19) 
Win  seiner  unter  Lubar schs  Leitung  gemachten  Arbeit  in  manchen  Fällen 
Weintrauds  Angabe  völlig  bestätigen  können  und  darauf  hingewiesen,  dass 
^n  solchen  Fällen,  wo  in  der  Lunge  noch  reichlich  Pigment  vorhanden  ist 
i^Hn  oder  ein  geringes  Emphysen  besteht  und  vor  allem  die  Bronchial- 
'irüsen  nirgends  fester  mit  den  Gefässwandungen  verwachsen  sind,  während 
'lie  portalen  und  retrogastrischen  Drüsen  reichlich  Kohlenstaub  enthalten, 
•ine  andere  Annahme,  wie  die  Weintraud  sehe  nicht  möglich  ist.  Es 
fragt  sich  nur,  welche  Ausdehnung  der  hämatogenen  und  welche  der  retro- 

9* 


132  Allgetn.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

graden  Lymphverschleppung  zukommt.  In  sofern  erscheint  es  wohl  zu 
weit  gegangen,  wenn  Weintraud  nur  die  Fälle  mit  Sicherheit  als  häuia- 
togene  Verschleppung  ansehen  will,  in  denen  im  Knochenmark  oder  den 
Nierengefässen  Pigment  gefunden  wird.  Es  giebt  nicht  wenig  Fälle,  in 
denen  im  Knochenmark  der  Kohlenstaub  fehlt  und  doch  an  eine  Ver- 
schleppung durch  retrograden  Lymphtransport  nicht  gut  gedacht  w^erden 
kann ;  das  sind  namentlich  solche,  wie  ich  sie  auch  gesehen  habe,  in  denen 
die  Pigmentierung  der  thorakalen  Lymphknoten  sehr  stark  ist  und  vor  allem 
eine  Obliteration  der  Drüsen,  die  zu  einer  Umkehrung  des  L3rmphstronievS 
hätte  Veranlassung  geben  können,  nicht  vorliegt.  —  Man  wird  deswegen 
wohl  berechtigt  sein,  beiden  Arten  der  Staubverschleppung  einen  gleich 
grossen  Raum  einzuräumen. 

ad  3.  In  der  Lehre  von  der  Geschwulstmetastase  sind  es  immer 
noch  drei  Punkte,  welche  das  Interesse  hauptsächlich  in  Anspruch  ^;^e- 
nommen  haben,  a)  Aus  was  für  Zellen  entwickeln  sich  die  metastatischeu 
Geschwulstknoten?  b)  Auf  welchen  Wegen  findet  die  Metastasierung  statt? 
c)  Welches  ist  die  Ursache  der  Metastasenbildung?  —  ad  a).  Die  alte 
Auffassung,  dass  die  Zellen  der  metastatischen  Geschwulstknoten  aus  den 
Zellen  desjenigen  Gewebes  entstehen,  in  welches  die  Geschwulstzellen  hinein- 
gelangen, so  dass  es  sich,  wie  Rindfleisch  es  ausdrückte,  um  eine  ge- 
webliche  Infektion  handelt,  hat  der  Lehre  Platz  machen  müssen,  dass 
alle  metastatischen  Knoten  sich  aus  den  verschleppten  Zellen  der  Primär- 
geschwulst entwickeln.  Nur  Klebs  (6)  hat  auch  noch  neuerdings  die 
Meinung  vertreten,  dass  sich  an  der  Bildung  der  metastatischen  Knoten 
auch  andere  Zellen  als  die  verschleppten  Zellen  beteiligen:  „die  in  ein  Blut- 
gefäss eingeführten  Geschwulstzellen  schicken  nicht  nur  ihre  junge  Brut 
in  das  benachbarte  Gewebe  hinein,  sondern  erregen  eine  ihnen  homologe 
Entwickclung  innerhalb  derselben.  Hier  findet  also  eine  Gewebsmetaplasie 
statt,  wie  sie  im  normalen  Gewebe  gar  nicht  vorkommt".  Er  beschreibt 
dann  auch  geradezu  eine  Umwandlung  von  Muskel-  und  Leberzellen  in 
Krebsepithehen.  Die  Unhaltbarkeit  dieser  Auffassung  ist  namentUch  von 
Hansemann  umfassend  nachgewiesen  worden,  welcher  die  ausserordent- 
lich grosse  Übereinstimmung  zwischen  den  Zellen  der  metastatischen  und 
primären  Knoten  (vor  allem  im  Stadium  der  Mitose)  hervorhob  und 
besonders  zeigte ,  dass  irgend  welche  Proliferationsvorgänge  an  den 
Zellen  des  sekundär  befallenen  Gewebes  nicht  nachzuweisen  sind. 
Zehnder  (21)  hat  dann  durch  sorgfältige  Untersuchung  von  Lymph- 
drüsenmetastasen gezeigt,  dass  sich  die  Zellen  der  Lymphknoten,  ein- 
schliesslich der  endothelialen  Elemente,  die  sich  nach  Rindfleisch 
besonders  reichlich  in  Krebszellen  umwandeln  sollten,  völlig  passiv  ver- 
halten,  während   in  den  Krebszellen   zahlreiche  Mitosen  auftreten.      Ich 


Metastase.  133 

selbst  habe  au  geeignetem  Material  aus  den  meisten  Organen  mich 
immer  wieder  davon  überzeugt,  dass  „Übergangsbilder"  nicht  schwer  zu 
konstruieren  sind,  dass  sich  aber  die  Gewebszellen  stets  passiv  verhalten 
Es  würde  ja  auch  das  Verständnis  ungemein  erschweren,  wenn  wir  an- 
nehmen müssten,  dass  sich  eine  Leberzelle  einmal  in  eine  verschleimende 
Cylinder-,  das  andere  Mal  in  eine  verhornende,  glykogenreiche  Platten- 
epithelzelle  umwandeln  könne.  Die  Übergangsbilder  sind  ja  auch  nur  für 
eine  oberflächliche  Betrachtung  da ;  geht  man  auf  die  feinere  Struktur  der  Zellen 
ein,  so  fallen  sie  eigentlich  ganz  fort;  niemals  hat  mau  beobachten  können, 
wie  sich  die  kömige  Struktur  der  Leberzelle  in  die  Faserstruktur  eines 
Plattenepithelium  umwandelte,  ad  b).  Die  Wege,  auf  welchen  die  Me- 
tastasierung vor  sich  geht,  sind  die  der  Lymph-  und  Blutgefässe,  und  die 
genauere  Beobachtung  hat  gezeigt,  dass  die  Carcinome  meistens  auf  dem 
Lvmphwege,  andere  Geschwülste,  wie  besonders  die  Sarkome,  auf  dem 
Blutwege  metastasieren.  Doch  kommt  es  bekanntermassen  auch  vor,  dass 
Carcinome  in  die  Blutbahn  einbrechen  und  der  Fall  von  Bernauer  (4) 
bildet  ein  ausgezeichnetes  Beispiel  dafür,  dass  auch  Krebsmetastasen 
aus  embolisch  verschleppten  Geschwulstzellen  hervorgehen,  da  er  den 
direkten  histologischen  Nachweis  führen  konnte,  wie  sich  ein  krebsiger 
Lungenarterienembolus  in  das  Lungengewebe  fortsetzte.  In  neuerer  Zeit 
hat  man  nun  besonders  denjenigen  Arten  der  Metastasierung  grössere  Auf- 
merksamkeit geschenkt,  die  ein  Abw^eichen  von  den  gewöhnlichen  Ver- 
breitunß^s wegen  erkennen  lassen:  1.  Metastasierung  durch  KapillaremboHe, 
2.  durch  paradoxe  Embolie,  3.  durch  venöse,  retrograde  Embolie,  4.  durch 
retrograden  Lymphtransport.  Die  Metastasenbildung  durch  KapillaremboHe 
war  noch  von  v.  Recklinghausen  (10)  als  nicht  völlig  bewiesen  ange- 
sehen worden,  indem  er  darauf  hinwies,  dass  da,  wo  innerhalb  oder  zunächst 
vor  Sekundärgeschwülsten  Kapillarverstopfung  durch  Geschwulstmaterial 
gefunden  wnrd,  es  sich  auch  um  eine  retrograde  Verschleppung  von  dem 
^^kundärknoten  aus  handeln  kann,  so  dass  die  Verstopfung  nicht  das 
primäre,  sondern  das  sekundäre  Ereignis  sein  würde;  und  Zahn  (19)  hatte 
betont,  dass  „nur  da,  wo  bei  Sitz  der  Primärgeschwulst  auf  Seite  des 
Venensystems  neben  Abwesenheit  eines  Foramen  ovale  und 
von  Lungenmetastasen  sekundäre  Gesehwulstknoten  in  der  Peripherie  vor- 
gefunden werden,  von  denen  anzunehmen  ist,  dass  sie  nicht  auf  dem  Wege 
des  retrograden  Transports  zu  stände  gekommen  sind"  an  eine  Ent- 
stehung durch  Kapillarembolie  gedacht  werden  könne.  —  Später  hat  dann 
aber  Zahn  (17)  selbst  drei  Fälle  mitgeteilt,  bei  denen  allerdings  die  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  es  sich  um  Metastasierung  durch  Kapillarembolie  ge- 
Imndelt  hat,  sehr  gross  ist.  Es  handelte  sich  um  ein  Carcinom  der  Mamma 
und  der  Submaxillardrüse  und  ein  p]ndotheliom  des  Hinterhauptes,  bei  denen 


134  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

es  ZU  reichlichen  Knochenmetastasen  gekommen  war,  ohne  dass  Lmigen- 
metastasen  bestanden  oder  paradoxe  EmboUe  möglich  war.  Und  man  wird 
in  der  That  durch  diese  Fälle  den  Beweis  erbracht  sehen  müssen,  dass 
es  eine  Geschwulstmetastase  durch  Kapillarembolie  giebt,  lun  so  mehr,  als 
in  den  betr.  Fällen  die  Geschwulstzellen  so  klein  waren,  dass  sie  die  Lungen- 
kapillaren passiert  haben  konnten.  Ob  allerdings,  wie  Z a h  n  meint,  viele 
Geschwulstmetastasen  auf  diese  Weise  entstehen,  ist  mir  etwas  zweifelhaft. 
Ich  selbst  habe  eigentlich  nur  einmal  mit  Sicherheit  einen  derartigen  Fall 
zur  Beobachtung  bekommen: 

Es  handelte  sich  um  eine  Frau  bei  der  vor  drei  Jahren  ein  Carcinom  der  linken 
Mamma  mit  Achseldrüsen  entfernt  war.  Heilung,  kein  Recidiv.  Patientin  kommt  ios 
Krankenhaus  wegen  Spontanfraktur  des  rechten  Femur.  Klin.  Diagnose:  Knochenmetastase. 
Bei  der  Sektion  finden  sich  zahlreiche  kleine  Metastasen  auf  der  Pleura  pulmonalis,  dia- 
phragmatica  und  costalis;  Lungen  vollkommen  frei;  einige  grössere  G^schwulstknoten  im 
linken  Leberlappen.  Zahlreiche  teils  knotige,  teils  diffuse  Metastasem  im  rechten  Femur 
dem  Becken  und  den  Lendenwirbeln;  Rippenknochen  frei.    Foramen  ovale  geschlossen. 

Es  handelte  sich,  wie  die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  um  ein 
besonders  kleinzelliges  Carcinom ;  und  wird  dadurch  verständlich,  dass  die 
Geschwulstzellen  die  Lungenkapillaren  passieren  konnten.  Da  femer  parodoxe 
Embolie  und  retrograder  Transport  ausgeschlossen  werden  musste,  liegt  hier 
in  der  That  ein  gutes  Beispiel  von  Metastasenbildung,  durch  Kapillar 
embolie  vor.  2.  Auch  die  Bedeutung]  der  paradoxen  Embolie  für  die  Ge- 
schwulstmetastasierung  ist  besonders  von  Zahn  begründet  worden.  Er 
hat  im  ganzen  4  Fälle  beschrieben,  (19,  20),  in  denen  die  Metastasen  bei 
offenem  Foramen  ovale  als  durch  paradoxe  Embolie  hervorgebracht  ange 
sehen  werden  mussten.  Andere  Fälle  sind  von  Bonome  (4)  und  von 
Scheven(13)  mitgeteilt  worden,  von  denen  der  letztere  auch  dann  die  xVn- 
nahme  einer  paradoxen  Embolie  für  berechtigt  hält,  wenn  trotz  bestehender 
Lungenmetastasen  die  Lungenkapillaren  und  -Venen  frei  von  Geschwnlst- 
thromben  gefunden  werden.  Zenker  (22)  hatte  gerade  deswegen,  weil 
in  einem  von  ihm  beobachteten  Fall,  der  Einbruch  von  Geschwülsten  in 
Lungenvenen  nachweisbar  war,  trotz  Offenbleibens  des  Foramen  ovale  eüie 
direkte  Metastasierung  angenommen.  —  3.  Es  ist  wesentUch  v.  Reck- 
linghausens  (11)  Verdienst,  die  Lehre  von  der  retrograden,  venösen  und 
lymphatischen  EmboUe  begründet  und  ihre  Bedeutung  für  die  Geschwulst- 
metastasierung  hervorgehoben  zu  haben.  Er  hat  eine  Reihe  von  beweisen- 
den Fällen  augeführt  und  ist  näher  darauf  eingegangen,  die  Bedingungen 
festzustellen,  imter  denen  es  zu  einer  rückläufigen  Verschleppung  von  Ge- 
schwulstkeimen kommt.  Es  hat  sich  dabei  herausgestellt,  dass  für  die  Ge- 
schwulstmetastasierung  die  Umkehr  des  Lymphstroms  nach  Verschluss 
einer  Hauptbahn  eine  grössere  Rolle  spielt,  wie  die  retrograde  venöse  Embolie, 
welche    übrigens  häufiger   bei    offner  Bahn   zu  stände  kommt  als  bei  ge- 


Meiastase.  135 

sclilossener.  Thatsächlich  kann  die  Umkehr  des  venösen  Blutstroms  auch 
nur  eintreten  bei  solchen  Venen,  die  keine  Klappen  besitzen  und  in  denen 
ein  äusserst  geringer  Blutdruck  herrscht;  alle  Momente,  die  geeignet  sind, 
den  Blutdruck  noch  weiter  herabzusetzen,  können  demnach  die  retrograde 
Embolie  begünstigen  und  das  ist  besonders  der  Fall,  wenn  der  innerhalb 
des  Thoraxraumes  auf  den  grossen  Venen  lastende  Druck  grösser  wird, 
al3  der  ausserhalb  des  Brustkorbes  herrschende.  Die  nicht  wenigen  Bei- 
spiele von  retrograder  Geschwulstzellenverschleppung,  wie  sie  noch  von 
Recklinghausen,  von  Bonome  (5),  Arnold  (3),  Pommer  (9),  Scheven 
(13)  und  Vogel  (14)  angeführt  worden  sind,  haben  die  grundlegenden 
Anschauungen  v.  Recklinghausens  bestätigt,  ebenso  wie  die  experimen- 
tellen Untersuchungen  Arnolds  und  Schevens.  Vogel  (14)  hat  sogar 
den  interessanten  Versuch  gemacht,  Fälle  von  retrograder  lymphatischer 
xMetastase  zur  Erweiterung  unserer  Kenntnisse  über  die  Verbreitung  des 
Lymphgefässsy Sterns  zu  benutzen. 

ad  c).  Die  Frage  nach  den  Ursachen  der  Geschwulstmetastase  ist 
eine  der  wichtigsten  der  Onkologie,  ja  sie  fällt  fast  zusammen  mit  der- 
jenigen nach  den  Ursachen  der  Malignität  gewisser  Geschwülste.  Am  auf- 
fallendsten ist  ja  die  Metastasenbildung  bei  den  Carcinomen  und  Sarkomen, 
bei  denen  in  der  That  ausserordentlich  häufig  Metastasierung  beobachtet  wird 
Müller  (8)  fand  z.  B.  bei  521  Carcinomen  in  47,2®/o  und  bei  102  Sarkomen 
in  63,7®/o  der  Fälle  Metastasenbildung.  Die  am  meisten  verbreitete  Mei- 
nung über  die  Ursachen  der  Metastasenbildung  knüpft  deswegen  auch  haupt- 
sächlich an  die  Erfahrungen  beim  Carcinom  und  Sarkom  an  und  besteht 
darin,  dass  die  besondere  Qualität  der  Geschwulstzellen  die  Ursache  sein 
soll  oder  wie  Hansemanu  es  formuUert  hat,  dass  die  Anaplasie  der 
Zellen  und  die  daraus  folgende  gesteigerte  Proliferations  -  Fähigkeit  und 
•Selbständigkeit  zur  Metastasenbildung  führe.  Nun  haben  sich  aber  die 
Fälle  gemehrt,  in  denen  auch  histologisch  gutartige  Neubildungen  metasta- 
sierten.  Den  älteren  Fällen  von  Metastasierung  einfacher  Gallertkröpfe  (Coh  n- 
heim,  E.  Neumann  etc.)  und  von  Enchondromen,  haben  sich  in  neuerer  Zeit 
2  Fälle  von  Metastasierung  von  Uterusmyomen  angeschlossen,  von  denen 
der  von  Klebs  (6)  vielleicht  nicht  ganz  einwandfrei  ist,  während  der  von 
Krische  (6a)  und  Orth,  mit  seinen  ausgedehnten  Metastasen  im  Knochen 
etc.  wohl  jeder  Kritik  standhalten  kami.  Klebs  hat  denn  auch  die  Mei- 
nung vertreten,  dass  die  Metastasierungsfähigkeit  nicht  nur  an  bestimmte 
(Jeschwulsttypen  gebunden  ist,  sondern  dass  sie  eine  besondere  Entwickelungs- 
phase  im  Verlauf  der  Geschwulstbildung  darstellt,  welche  a  priori  keiner 
f'eschwulstart  abzusprechen  ist.  Die  Frage,  ob  auch  normale  Gewebszellen 
öietastasieren  können,  wird  von  Klebs  im  Anschluss  an  die  bekannten 
Versuche  von  Zahn  und  Leopold  verneint  und  hervorgehoben,  dass  man 


136  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Phyaiologie. 

es  bei  der  Metastaseubildung  mit  sehr  komplizierten  Vorgängen  zu  thun 
hat.  —  Auf  der  anderen  Seite  ist  von  Cohnheim  und  Maas  die  Frage 
aufgeworfen  worden,  ob  die  Ursache  der  Metastasierung  nicht  in  einer  Verän- 
derung der  physiologischen  Widerstände  des  Organismus  zu  sehen  ist;  eine 
Entscheidung  hierüber  ist  noch  nicht  erfolgt ;  die  Frage  wird  noch  eingehender 
bei  der  Lehre  von  den  Geschwülsten  besprochen  werden.  —  Ebensowenig 
aufgeklärt  ist  man  darüber,  warum  die  Metastasenbildung  in  bestimmten 
Organen  nur  ausnahmsweise  vorkommt.  Virchow,  hatte  geradezu  den 
Satz  aufgestellt,  dass  fast  alle  diejenigen  Organe,  welche  eine  grosse  Nei- 
gung zu  protopathischer  Geschwulstbildung  zeigen,  eine  sehr  geringe  Nei- 
gung zu  metastatischer  darbieten  und  umgekehrt."  Zahn  (18)  hat  neuer- 
dings einige  Fälle  von  Geschwulstmetastasen  in  Magen,  Ovarium  und  Ton- 
sillen mitgeteilt,  aber  ebenfalls  keine  Aufklärung  über  die  inneren  Gründe 
des  auffallenden  Verhaltens  gefunden,  vielmehr  selbst  zugegeben,  dass  auch 
jetzt  noch  der  Virchowsche  Satz  gilt.  -^  Als  ein  gewisses  Kuriosum  sei 
des  Falles  von  Schaper  (12)  gedacht,  wo  die  Metastase  eines  primären 
Lungenkrebses  in  ein  Uterusmyom  stattfand.  Einen  ähnlichen  Fall  habe 
ich  neuerdings  beobachtet,  wo  ein  papilläres  Cystocarcinom  des  rechten 
Pvarium  mehrere  kleine  Metastasen  in  einem  grossen  Fibromyom  des 
linken  Eierstocks  hervorgebracht  hatte. 


IIL 

ALLGEMEINE 

PATHOLOGIE  DER  ERNÄHRUNG. 


A.  Regressive  Ernährungsstörungen. 

1. 

Nekrose  und  Nekrobiose. 

Von 

H.  Schmaus,  München  und  E.  Albrecht,  München. 

Litteratur. 

I    Beck,  C,  Über  die  Veränderungen  der  Nervenzellen  bei  experimentellem  Tetanus  etc. 

Ung.  Arch.  f.  Med.  11,  1894,  S.  345. 
•.  Bur  meist  er,  Th.,  Beiträge  zur  Histogenese  der  akuten  Nierenentzündungen.    Vircfa. 

Arch.  Bd.  137.  1894.  S.  405. 
3.  Cavazzani,  Delle  alterazione  istologiche  del  simpatico  nelle  malattie  infettive  e  nelle 

intossicazioni.    Rif.  med.  10.  Jahrg.  1894.  S.  158. 
^  Eschle,  Beiträge  znm  Studium   der  Wirkung   elektrischer  Ströme  auf  die  tierischen 

Gewebe.    Virch.  Arch.  Bd.  138.  1894.  S.  371. 
•j.  Galeotti,  6.,  Beitrag  zum  Studium  des  Chromatins  in  den  £pithelzellen  der  Carcinome. 

Zieglers  Beiträge.  Bd.  14.  1893.  S.  249. 
€.  Galeotti,  G.,  Über  experimentelle  Erzeugung  von  Unregelmässigkeiten  des  karyokine- 

tischen  Prozesses.    Zieglers  Beitr.  Bd.  14.  1893.  S.  288. 
"•  Hacker,  V.,  Über  generative  und  embryonale  Mitosen,  sowie  über  pathologische  Kern- 

teilungsbilder.    Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  43.  1894.  S.  759. 
?•  Hodge,   C.  F.,  Changes  in  ganglion   cells   from  birth  to  senile  death.    Observations 

on  men  and  honey-bees.    Joum.  of  Physiol.  17.  1894.  S.  129. 
^J.  Hofmann,  F.,  Zucknngs-  nnd  Gewebsbeschaifenheit  des  entnervten  Kaltblütermuskels. 

Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.  Bd.  33.  1894.  S.  116. 
10.  Israel,  O.,  Über  den  Tod  der  Gewebe.    Berl.  klin.  Wochenschr.  Bd.  31.  1894.  S.  257. 


138  Aligem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

11.  Kazowsky,  A.  D.,  Über  die  Veränderungen  in  den  Herzganglien  bei  akuten  Mineral- 
sfturevergiftungen.  Ziegler-Kahldens  Centralbl.  f.  Path.  u.  path.  Anat.  Bd.  5.  1894. 
S.  1020. 

12.  Keresztszeghy,  J.  u.  Hannss,  Über  Degenerationa-  und  Regenerationsvorgänge  am 
Rückenmarke  des  Hundes  nach  vollständiger  Durchschneidung.  Zieglers  Beiträge. 
Bd.  12.  1893.  S.  33. 

13.  Pändi,  K.,  Über  die  Veränderungen  des  Centralnervensystems  nach  chronischer  Ver- 
giftung mit  Brom,  Kokain,  Nikotin  und  Antipyrin.  Ung.  Arch.  f.  Med.  Bd.  2.  1894. 
S.  257. 

14.  Pick,  E.,  Versuche  über  funktionelle  Ausschaltung  der  Leber  bei  Säugetieren.  Arch. 
f.  exp.  Pathol.  u.  Pharm.  Bd.  32.  1893.  S.  382. 

15.  Pilliet,  J.y  ätude  histologique  sur  les  alt^rations  säniles  de  la  rate,  du  corps  thyroide 
et  de  la  capsule  surr^nale.  Arch.  de  m^d.  exp.  et  d'anat.  pathol.  1893.  4.  Ref.  im 
Centralbl.  f.  Path.  u.  path.  An.  Bd.  5.  1894.  S.  670. 

16.  Popoff,  N.  M.,  Pathol.-anat.  Veränderungen  des  Centralnervensystems  bei  der  asiati- 
schen Cholera.    Virch.  Arch.  Bd    136.  1894.  S.  42. 

17.  Rothmann,  Über  Entzündung  und  Atrophie  des  subkut.  Fettgewebes.  Virch.  Arch. 
Bd.  136.  1894.  S.  159. 

18.  Sau  er  he  ring,  H.,  Über  multiple  Nekrosen  in  der  Leber  bei  Stauungsikterus.  VircL 
Arch.  Bd.  137.  1894.  S.  155. 

19.  Seh  äff  er,  K.,  Über  Veränderungen  der  Nervenzellen  bei  experimentellen  chron.  Blei-, 
Arsen-  und  Antimon- Vergiftungen.    Ungar.  Arch.  f.  Med.  Bd.  2.  1898.  S.  43. 

'20.   Schilling,  Cl.,  Das  Verhalten  der  Altmann  sehen  Granula  bei  der  trüben  Schwellung. 
Virch.  Arch.  Bd.  135.  1894.  S.  470. 

21.  Schmaus,  H.  u.  Albrecht,  E.,  Über  Karyorrhexis.  Virch.  Arch.  Bd.  l38.  Suppl. 
1895.  S.  1. 

22.  Solger,  B.,  Über  Rückbildungserscheinungen  im  Gewebe  des  hyalinen  Knorpels.  Arch. 
f.  mikr.  Anat.  Bd.  42.  1893.  S.  648. 

23.  Statke witsch,  Über  Veränderungen  des  Muskel-  und  Drüsengewebes,  sowie  der 
Herzganglien  beim  Hungern.    Arch  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.  Bd.  33.  1894.  S.  415. 

24.  Stilling,  Versuche  über  die  Atrophie  des  verlagerten  Hodens.  Zieglers  Beitr. 
Bd.  15.  1894.  S.  337. 

25.  Ströbe,  H.,  Experim.  Untersuchungen  über  die  degenerativen  und  reparatorischen 
Vorgänge  bei  der  Heilung  von  Verletzungen  des  Rückenmarks  etc.  Zieglers  Beitr. 
Bd.  15.  1894.  S.  383. 

26.  Thoinot,  L.  et  Massel  in,  E.  T.,  Contrib.  ä  Tetude  des  localisations  m^dullaires 
dans  les  maladies  infectieuses.    Rev.  de  med.  1894.  p.  449. 

27.  Uschinsky,  N.,  Über  die  Wirkung  der  Kälte  auf  verschiedene  Gewebe.  Zieglers 
Beitr.  Bd,  12.  1893.  S.  115. 

28.  Vas^  F.,  Zur  Kenntnis  der  chron.  Nikotin-  und  Alkohol- Vergiftung.  Arch.  f.  exp. 
Path.  u.  Pharm.  Bd.  33.  1894.  S.  141. 

29.  Volkmann,  R.,  über  die  Regeneration  des  quergestreiften  Muskelgewebes  beim 
Menschen  und  Säugetier.    Zieglers  Beitr.  Bd.  12.  1893,  233. 

30.  Yamagiva,  Zellstudie  an  sich  regenerierendem  Sehnengewebe.  Virch.  Arch.  Bd.  135. 
1894.  S.  308. 


In  seiner  speziellen  Pathologie  und  Therapie  und  in  der  Cellular- 
pathologie  führte  Virchow  neben  dem  Begriff  der  Nekrose  als  eiuer 
Mortifikation  der  Teile  mit  mehr  oder  weniger  vollständiger  Erhaltung  der 
äussern  Form  denjenigen  der  Nekrobiose  ein,  bei  welcher  der  befallene 
Teil  verschwindet,  „so  dass  wir  ihn  in  seiner  Form  nicht  mehr  zu  erkennen 


Nekrose  und  Nekrobiose.  139 

vermögen.  Wir  haben  am  Ende  des  Prozesses  kein  nekrotisches  Stück, 
keine  Art  von  gewöhnlichem  Brande,  sondern  eine  Masse,  in  welcher  von 
den  früheren  Geweben  absolut  gar  nichts  mehr  wahrnehmbar  ist.  Die 
üekrobiotischen  Prozesse,  welche  von  der  Nekrose  völlig  getrennt  w^erden 
müssen,  haben  im  allgemeinen  als  Endresulat  eine  Erweichung  im  Gefolge. 
Dieselbe  beginnt  mit  Brüchigwerden  der  Teile;  diese  vertieren  ihre  Kohä- 
sion,  zerfliessen  endlich  wirklich,  und  mehr  oder  weniger  beweghche,  breiige 
oder  flüssige  Produkte  treten  an  ihre  Stelle." 

Die  Virchowsche  Definition  der  Nekrobiose  ist,  wie  man 
sieht,  eine  makroskopische;  ihr  Hauptrepräsentant  ist  die  fettige  De- 
generation, die  Virchow  deshalb  bei  seiner  Einteilung  der  „passiven  Pro- 
zesse'' von  den  „einfach  degenerativen  Formen"  der  Amyloidmetamorphose 
und  Verkalkung  abtrennt. 

Mit  der  Uebertragung  auf  das  mikroskopische  Gebiet  hat  sich  in 
dieser  Begriffsbestimmung  insofern  eine  Verschiebung  vollzogen,  als 
man  zur  Zeit  nach  dem  Vorgang  von  Klebs  ziemlich  allgemein  als  Nekro- 
biose (oder  indirekte  Nekrose;  sekundäre  Nekrose 'infolge  degenerativer 
Zustände)  jene  langsameren  Absterbevorgänge  zusammenfasst,  während 
deren  sich  noch  gewisse,  z.  T.  als  Lebens  Vorgänge  aufzufassende  Verände- 
rungen einstellen. 

Auch  Israel  (10),  welcher  die  Virchowsche  Einteilung  festhält, 
überpflanzt  die  Virchowsche  Definition  der  Nekrobiose  auf  mikro- 
skopischen Grund,  und  verändert  sie  zugleich,  wenn  er  sagt:  „Auch  heute 
noch  müssen  wir  die  nekrobiotischen  Formen,  welche  durch  eine  Reihe 
von  pathologischen  Lebensvorgängen  zum  Tode  der  Zelle  führen,  von  den- 
jenigen trennen,  in  denen  ein  verhältnismässig  plötzlicher  Tod  der  Zelle 
eintritt,  wobei  die  Erscheimmg  der  Zellen  durch  das  Sterben  nicht  geändert 
wd,  w^o  jedoch  an  der  Zellenleiche  eine  Reihe  von  Veränderungen  ein- 
treten, die  es  notwendig  machen,  unterschiedliche  Formen  der  Nekrose 
anzuerkennen." 

In  diese  Definition  ist  einerseits  das  Hereinspielen  vitaler  Prozesse 
aufgenommen;  andererseits  der  Schwund  der  toten  Teile  als  ein  Unter- 
scheidungsmerkmal für  gewisse  postmortale  Veränderungen  zur  Ver- 
fügung gestellt,  vom  Begriff  der  Nekrobiose  getrennt  worden. 

Ausser  in  den  durch  starke  Säuren  und  Alkalien  erzeugten  Ver- 
änderungen bietet  nach  Israel  der  soeben  eingetretene  Tod  der  Zelle 
noch  keine  charakteristischen  Kennzeichen;  diese  zeigen  sich  erst  nach 
Einwirkung  besonderer  Faktoren:  äusserer  (Verwesung,  Fäulnis)  oder  in 
<ier  lebenden  Umgebung  erzeugter  Einflüsse,  sowie  Kombinationen  beider 
—  einfache  Nekrose  (Verkäsung,  Verkalkung,  Erweichung),  trockener  und 
feuchter  Brand. 


140  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Dagegen  hat  Klebs  ^)  eine  Einteilung  der  direkten  Nekrose  gegeben 
in  welcher  er,  allerdings  ohne  scharfe  Scheidung  der  postmortalen  Ver- 
änderungen, primäre  Unterschiede  in  der  Art  des  Absterbens  auf- 
stellt. Greift  die  abtötende  Noxe  gleichmässig  die  Zelle  in  allen  ihren 
Teilen  an,  so  resultirt  ein  der  künstlichen  Abtötimg  entsprechendes  Bild, 
mit  relativ  erhaltener  Struktur  (Mineralsäuren,  Salze  der  Schwennetalle, 
manche  „Protoplasmagifte");  bildet  der  Kern  den  ersten  Angriffspunkt,  so 
ergiebt  sich  entweder  eine  Kernauflösung  (Karyolyse,  Kemschwund)  oder 
ein  Zerfall  der  Kerne  in  Chromatinbröckel  —  Karyorrhexis  oder  Kem- 
zerfall.  Während  in  diesen  Fällen  die  Zellleibsverändeningen  ganz  gering 
sein  können  und  in  ihrer  Art  wechseln  („Koagulation*',  feine  körnige 
Trübung  etc.),  giebt  es  endhch  Formen  des  Zelltodes,  in  welchen  das  Pro- 
toplasma zunächst  angegriffen  erscheint.  Diese  „Plasma-Rhexis*'  oder 
primäre  vakuoläre  Entartung  des  Zellleibs  charakterisiert  sich  durch  eine 
Zersprengung  der  Masse  des  Protoplasmas,  wobei  die  Kerne  von  an  Hohl- 
räume angrenzenden  Epithelien  austreten  können.  Zur  Erklärung  nimmt 
Klebs  das  Auftreten  von  mechanisch  zerstörend  wirkenden  Exsudatmassen 
in  dem  geschädigten  Zellleib  an. 

Während  die  Erscheinungen  des  Kernschwunds  und  Kemzerfalls 
besonders  bei  gewissen  Mykosen  gefunden  wurden,  führi;  Klebs  als  Belege 
für  die  letztgenannte  Erscheinungsgruppe  die  von  Langhans  und  seinen 
Schülern  nach  Einwirkung  von  Säuren  und  irritierenden  Substanzen  am 
Nierenepithel  beobachteten  Veränderungen  an.  Es  muss  nun  allerdings 
bemerkt  werden,  dass  z.  B.  in  der  Beschreibung  von  Mürset  die  Kern- 
veränderungen eine  recht  bedeutende  Rolle  spielen,  sowie  dass  in  den  beiden 
anderen  Gruppen,  die  Klebs  aufstellt,  teils  Zellleibsveränderungen  beob- 
achtet wurden,  teils  deren  „Fehlen'*  mit  einem  ziemlichen  Grade  von  Wahr- 
scheinlichkeit auf  die  Einseitigkeit  und  Mangelhaftigkeit  der  Methoden 
bezogen  werden  darf;  immerhin  aber  liegt  in  der  Einteilung  von  Klebs 
der  Versuch  einer  morphologischen  Unterscheidung  der  verschiedenen  Arten 
des  Zelltodes  vor.  Es  sind  seither  die  Angaben  über  diese  Kategorie  ziem- 
lich spärlich  geflossen,  immerhin  kann  man  auf  Grund  des  voriiegenden 
Materials  w^ohl  behaupten,  dass  nicht  bloss  die  postmortalen  Veränderungen, 
sondern  auch  ihre  genuinen  Verschiedenheiten  zu  einer  Klassifizierung 
der  Nekrosen  wohl  berechtigen. 

Als  direkte  Folge  mechanischer  Einwirkungen  (Kontusion,  Kom- 
pression) sah  Condorelli^)  Kernruptur,  von  einfacher  Wandzerreissung 
an  einer  Stelle  bis  zur  völligen  Fragmentierung  und  Zerstreuung  der  Kern- 


1)  Die  allgemeine  Pathologie.  H.  1889.  S.  10. 

2)  Istiopatologia  del  nucleo  nelle  contusioni.  Catania  1891. 


Nekrose  und  Nekrobiose.  141 

bestandteile  im  Zellleib,  sowie  auch  Zertrümmerung  dos  letzteren.  Nahe- 
liegenderweise ist  der  Formenkreis  der  mechanisch  entstandenen  Zell- 
nekrose  ziemlich  eng  begrenzt;  besonderes  Interesse  würden  vielleicht  die 
bei  Commotio  anzunehmenden  direkten  Ganglienzellennekrosen  bieten, 
die  meines  Wissens  bisher  weder  in  ihren  ersten  Stadien  noch  mit  den 
neueren  Methoden  studiert  worden  sind.  Von  künstlich  erzeugten  „Kern- 
nipturen"  wird  weiter  unten  die  Rede  sem. 

Für  die  einfache  Quellung*)  und  Schrumpfung  der  Zellleiber  und 
Kerne  dürfte  im  einzelnen  Falle  eine  schärfere  Trenntmg  von  nekrotischen 
uud  postmortalen  Veränderungen  nicht  gut  durchführbar  sein.  Beschrei- 
bungen liegen  vor  von  Eberth,  Yamagiwa  u.  a. 

Chemische  ßeagentien  erzeugen  Nekrose,  teils  unter  Gerinnung, 
teils  unter  Lösung,  sobald  sie  in  einer'  gewissen,  nach  der  Art  der  Zellen 
TO  nach  der  Qualität  des  Gifts  variierenden  Konzentration  einwirken^). 
Je  nach  der  Beständigkeit  und  Löslichkeit  der  entstehenden  Verbindungen 
wd  sich  das  morphologische  Ergebnis  einer  derartigen  Abtötung  mehr 
uder  weniger  demjenigen  nähern,  welches  unsere  „Fixationsmittel"  erreichen. 
Für  manche  „Protoplasmagifte''  wird  die  Annahme  eine  gewisse  Berech- 
tigung haben,  dass  bei  ihnen  eine  spezifisch  vernichtende  Wirkung  auf 
gewisse  Zellbestandteile  statthabe,  die  dm:ch  ihre  Ausschaltung  dem  Leben 
der  Gesamtzelle  ein  Ende  machen.  Vielleicht  dass  man  späterhin  in  diesem 
Sinne  noch  von  Kern-  und  ZelUeibsgiften  in  einer  der  Klebsschen  Auf- 
fassung entsprechenden  Weise  wird  reden  können.  Für  eine  derartige 
Spezialisierung  der  Giftwirkungen  —  auch  hierzu  finden  sich  die  ersten 
Ansätze  bei  Klebs  (1.  c.  S.  117)  —  ist  natürlich  vorläufig  noch  keine 
Unterlage  vorhanden. 

Die  als  ., Frostgangrän''  beschriebenen  Veränderungen  dürften  in 
*ler  Hauptsache  nicht  mit  der  Ertötung  des  Gewebes  zusammenfallen,  viel- 
mehr durch  die  nachherige  Erwärmimg,  Cirkulationsemeuerung  etc.  erzeugt 
^in.  Volkmann  (29)  beschreibt  in  den  direkt  abgetöteten  Partieen  schol- 
Jgen  Zerfall  der  Muskeln,  starke  ödematöse  Durchtränkung,  Verlust  der 
Kernfärbbarkeit  (s.  u.).  Uschinsky  (27)  hat  in  der  Epidermis  bei  Ather- 
'lurehfrierung  Vakuolenbildtmgen  innerhalb  der  Zellen  beobachtet,  wobei 
die  Kerne  noch  längere  Zeit  erhalten  bleiben ;  in  den  Muskeln  war  im  all- 
gemeinen die  Quer-  und  Längstreifung  gut  erhalten,  doch  fanden  sich  hie 


0  Siehe  auch  anten  S.  146  u.  154. 

^)  Im  Speziellen  wird  sich  diese  Einwirkung  auch  innerhalb  der  Zelle  ziemlich  ver- 
s^iuedenartig  gestalten;  so  kann  der  gleiche  chemische  Körper  mit  Eernbestandteilen  lös- 
Ik'he  Verbindungen  eingehen,  während  er  im  Zellleib  Gerinnung  erzeugt,  eine  Überlegung, 
'•■>■  z.  B.  filr  die  Verbindung  von  Koagulationsnekrose  und  Kernschwund  in  Betracht  kommen 
dürfte. 


142  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

und  da  homogene  Schollen  oder  hyalin  entartete  Muskeln,  an  manchen 
Stellen  eme  eigentümliche,  sehr  ausgesprochene  Längsstreifung.  Die  Nerven 
bewährten  auch  der  Kälte  gegenüber  ihre  grosse  Widerstandsfähigkeit.  Bei 
plötzlicher  Einwirkung  trockener  Hitze  erfolgt  der  Tod  wohl  durch  die 
Gerinnung  einzelner  bezw.  aller  (je  nach  dem  Hitzegrade)  Eiweissköri>er 
der  Zelle;  während  bei  langsamem  Ansteigen  der  Erwärmung  ebenso  wie 
bei  langdauernder  Überwärmung  (Litten  u.  a.)  nekrobiotische  Prozesse 
(trübe  Schwellung,  Verfettung  etc.)  sich  noch  einzustellen  vennögen. 

Über  die  Nekrose  durch  p hotische  und  elektrische  Einwirkunu 
liegen  nur  ganz  spärliche  Notizen  vor.  Als  wertvolle  Vorarbeit  seien  hier 
die  Untersuchungen  Eschles  (4)  erwähnt.  Derselbe  fand  bei  Einsenkung 
der  Nadeln  ins  lebende,  bezw.  frisch  entnommene  Gewebe  KoUiquation  an 
der  Kathode,  an  der  Anode  Schrumpfung,  dort  basische,  hier  saure  Re- 
aktion; Gasentwickelung,  im  Muskel  Bildung  von  Kry stallen  (E seh  le  lässt 
unentschieden,  ob  aus  Fettkörpern,  Blutfarbstoff  oder  Verbindungen  der 
Fixierungsmittel  mit  Extraktstoffen  der  Muskelfaser  entstanden) ;  histologisch 
zeigte  sich  im  toten  Gewebe  geringe  Färbbarkeit  mit  Safranin  (besonders 
an  der  Anode);  statt  der  charakteristischen  Kemfärbung  nach  längeren 
Verweilen  nur  diffuse  graurote  bis  bräunüche  Tinktion;  Imbibition  mit 
Blutfarljstoff ;  die  Muskelfaseni  im  Bereich  der  Anode  oft  vollständig  ho- 
mogen gefärbt.  Längs-  und  Querstreifung,  sowie  Kenie  nicht  erkennbar, 
auch  an  der  Kathode  waren  keine  Kerne  nachzuweisen,  dagegen  in  den 
distal  zur  Einstichstelle  gelegenen  Partieen  meist  eine  deutlich  erhaltene 
Längs-,  zuweilen  auch  Querstreifung.  Eine  konstante  mikroskopische  Difft^- 
renz  zwischen  den  Befunden  an  Anode  und  Kathode  war  nicht  zu  erkennen, 
abgesehen  von  der  an  der  Anode  noch  ausgesprochenen  Schlechtfärbbarkeit 
der  Kerne. 

Über  die  auf  die  Umgebung  der  Elektroden  beschränkte  Nekrose  im 
lebenden  Gewebe  bringt  Esc  hie  keine  näheren  Angaben. 

Die  wenigen  vorstehenden  Angaben  mögen  genügen  als  ein  vorläufiger 
Beleg  für  die  durch  fernere  Untersuchungen  auszuführende  Annahme,  dass 
auch  die  direkte  Nekrose  keine  einheitliche  Form  darstelle,  sondern  ent- 
sprechend ihren  verscliiedenen  Ursachen  variiere. 

Für  die  Untersuchung  der  weniger  prägnanten  Beispiele,  wie  die 
Nekrosen  im  Organismus  sich  gemeinliin  darstellen,  wird  neben  dem  Um- 
stände, dass  dort  gewöhnlich  degenerative,  nekrobiotische,  nekrotische  und 
postmortal  veränderte  Bilder  in  bunter  Mischung  sich  finden,  die  schon 
angedeutete,  auch  von  Israel  hervorgehobene  Wahrscheinlichkeit  er- 
schwerend in  Frage  kommen,  dass  die  einzelnen  Bestandteile  der  Zelle  nicht 
unter  allen  Umständen  zugleich  zu  Grunde  gehen  dürften,  dass  vielmehr 
eine  „partielle  Zellnekrose'\  wie  Weigert  sie  für  die  Entstehung  der 


Nekrose  und  Nekrobiose.  143 

Tuberkelriesenzellen   heranzog,   vielleicht  in  einem  recht  grossen  Umfang 
vorkommt. 

Wie  weit  die  Einzelbearbeitung  diesen  vorderhand  leider  noch  recht 
spekulativen  Voraussetzungen  nachzukommen  im  stände  sein  wird,  wird 
von  der  Leistungsfähigkeit  der  Mikrotechnik  und  der  Wahl  glücklicher 
Objekte  abhängen.  Für  die  folgende  Aufführung  der  einzelnen  Formen 
des  Zelluntergangs  halten  wir  uns  an  die  geläufigeren  morphologischen 
(lesiehtspunkte,  indem  wir  nur  bei  ihrer  Würdigung  und  Einreihung  auf 
die  angeregten  theoretischen  Fragen  kurz  zurückkommen. 

Als  „Kernschwund''  beschrieb  Weigert,  nachdem  schon  lange 
vorher  Virchow  diese  Erscheinung  erwähnt  hatte,  ein  Unfärbbar-  und 
Unsichtbarwerden  der  Kerne,  welches  Weigert  und  seine  Schüler  auf  die 
Durch  Strömung  des  abgestorbenen  Gewebes  mit  Plasma  zurückführen. 
Klebs  glaubt  wenigstens  für  die  mykotischen  mit  Kernschwund  einher- 
geheuden  Nekrosen  aus  den  engen  Lagebeziehungen  der  kernlosen  Zellen 
zu  den  eingedrungenen  Mikroorganismen  eine  direkt  die  Kerne  auflösende 
und  angreifende  chemische  Wirkung  derselben  annehmen  zu  dürfen. 
Kraus  betrachtete  auf  Grund  seiner  an  aseptisch  aufbewahrten  Organ- 
stücken angestellten  Versuche  die  Entfärbung  als  eine  von  der  Durch- 
strömung  unabhängige,  von  chemischen  Umwandlungen  des  Chromatins 
in  einen  für  Farbstoffe  indifferenten  Körper  bedingte  und  dem  Absterben 
überhaupt  folgende  Erscheinung. 

Arnheim^)  (und  ihm  schliesst  sich  Israel  an)  betont  ebenfalls  die 
Bedeutung  chemischer  Vorgänge  für  das  Zustandekommen  der  Ent- 
färbung und  gelangt  durch  seine  an  Schnitten  ausgeführten  Untersuch- 
ungen zu  dem  Schlüsse,  die  abgestorbenen  Zellen  hielten  das  Chromatin 
^j  wenig  fest,  dass  es  ihnen  schon  durch  Agentien  entzogen  wird,  welche, 
obwohl  sie  denselben  beständig  durchströmen,  den  lebenden  Kern  nicht 
zu  afBzieren  vermögen.  In  den  unterbundenen  Nieren  (21)  zeigt  sich  eine 
augenfällige  Beziehung  des  Kemschwundes,  nach  Ausdehnung  und  Schnellig- 
keit des  Eintretens  zur  Intensität  der  Durchströmung  —  am  stärk- 
sten und  frühesten  deshalb  bei  wiedergelöster  Ligatur  der  Arterie;  viel 
langsamer  erfolgt  der  Kemschwund  in  denjenigen  Abschnitten,  welche, 
aus  der  eigentlichen  Cirkulation  ausgeschaltet,  nurmehr  einer  Durchträn- 
^n^  und  minimalen  Durchströmung  mit  Plasma  unterliegen.  Ob  das 
Cbromatin  des  Kerns  auch  ohne  Durchströmung  mit  Plasma  in  einen 
unfärbbaren  Körper  übergehen  kann  (Kraus),  erscheint  aber  vorläufig  noch 


1)  Ähnliche  Vorstellungen  liegen  wohl  auch  der  von  Pfitzner  aufgestellten  Be- 
z«ichonsg  «chemische  Dekonstitotion*  (allmählicher  Verlust  der  Färbbarkeit  des  unter- 
e^henden  Keims)  zu  Grunde. 


144  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

immerliin  nicht  ausgeschlossen.  —  Da  in  den  gefärbten  Partieen  der  unter- 
bundenen Nieren  sich  die  geformten  Träger  der  Färbbarkeit  noch  längere 
Zeit  ungefärbt  nachweisen  lassen,  so  erscheint  es  wahrscheinlich,  dass  das 
Chromatin  vor  seiner  ev.  Lösung  in  den  Körpersäften  eine  chemische 
Umwandlung  (Kraus,  Arnheim)  durchzumachen  hat. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  erscheint  es  notwendig  den  „Chromatin- 
schwund"  (Unfärbbarkeit  des  Kerns  mit  den  „KernfarbstofEen"  s.  str.) 
zu  unterscheiden  vom  „Kernschwund",  welch  letzterer  nach  unseren 
Beobachtungen  in  der  Hauptsache  ein  Aufgehen  der  achromatischen  Be- 
standteile des  Kerns  in  die  ZelUeibsstruktiu'  und  dadurch  bedingte  Auf- 
liebung  der  morphologischen  Unterschiede  zwischen  beiden  darstellt. 

Weiter  haben  die  angeführten  Untersuchungen  ergeben,  dass  der 
Kemschwund  keineswegs  immer  einer  einfachen  Entfärbung  des  Kerns 
entspricht,  sondern  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  den  Abschluss  einer 
Reihe  von  Veränderungen  im  Chromatinbestand  des  Kerns 
bildet,  die  als  „Karyorrhexis  zu  bezeichnen  sind  (s.  u.).  Die  Entfär- 
bung kann  in  allen  Stadien  der  Kernumwandlungen  einsetzen,  stellt  also 
diesen  gegenüber  etwas  Fremdes,  Accessorisches  dar;  wobei,  wie  er- 
wähnt, immerhin  die  Entfärbung  auch  den  typischen,  nicht  durch  äussere 
Momente  der  Durchströmung  etc.  bedingten  Abschluss  gewisser  Kernverwand- 
lungen zu  bilden  vermag.  Dass  der  „Kernschwund*'  nicht  ein  für  einen  be- 
stimmten Prozess,  etwa  die  Koagulationsnekrose,  charakteristisches,  etwa 
mikropathognomonisches  Merkmal  bedeutet,  haben  Goldmann  und  Wei- 
gert gegenüber  Miss  Verständnissen  selbst  hervorgehoben. 

Als  eine  Art  Pendant  derKaryolyse  gedenkt  Klebs  (1.  c.  43)  der 
„Plasmolyse'^  als  einer  besonders  für  die  toxischen  Hämoglobinu- 
rie en  zutreffenden,  meist  mit  der  Bildung  von  hyalinen  Cy lindern  eiu- 
hergehenden  Lösung  der  Zellleiber.  Eine  weitere  Verfolgung  hat  diese 
Zusammenstellung  meines  Wissens  nicht  gefunden. 

Eine  recht  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Formen  bietet  die  von  Klebs 
sog.  „Karyorrhexis".  HauptsächUch  handelt  es  sich  um  Anhäufung, 
Umlagerungen  des  Chromatins,  das  sich  bald  im  Keminnern  (Gerüst- 
hyperchromatose)  bald  an  der  Kernwand  (Kernwandhyperchro- 
matose)  vorwiegend  ansammelt,  oder  auch  den  ganzen  Kern  mehr  gleich- 
massig  anfüllt,  aber  auch  die  Kern  wand  überschreitet  und  in  Form 
grober,  spärlicher,  oder  zahlreicherer  feinerer  Sprossen  in  den  Zellleib 
gerät;  schliesslich  können  sich  die  Sprossen  völlig  ablösen  imd  im 
Cytoplasma  sich  entfärben.  Der  Kern  kann  dabei  in  den  ersten  An- 
fängen normal  gross,  selbst  vergrössert  erscheinen;  und  besonders  manche 
Formen  der  Kemwandhyperchromatose  erinnern  ausser  durch  diese  Volums- 
zunahme auch  durch  die  Grösse,  Gleichmässigkeit  in  Gestalt  und  Anordnung 


Nekrose  und  Nekrobiose.  145 

(1er  an  der  Kemwand  anliegenden  chromatischen  Körner  recht  lebhaft  an 
gewisse  Vorgänge  bei  der  mitotischen  Knäuel bildung.  Im  allgemeinen 
inacht  sich  am  Kerne  eine  zunehmende  Verkleinerung  bemerkbar,  die 
oft  von  einer  diffusen  chromatischen  Färbbarkeit  des  Kernsafts 
begleitet  ist  (auf  diese  letztere  Veränderung  sind  wahrscheinlich  viele  der 
(1er  Angaben  über  verwaschene,  gleichmässige  Färbung  nekrotischer  Kerne 
zu  beziehen).  Seinen  Ausgang  nimmt  der  Prozess  entweder  in  Kern- 
schwmid  oder  in  die  weiter  unten  anzuführende  Verdichtung.  Im  ersteren 
Falle  verschwindet  die  Färbbarkeit  der  Kemwand,  welche  weiterhin  in 
ihrer  Kontinuität  unterbrochen  wird  (Vakuolenbildung)  und  verschwin- 
det —  Kernwanddegeneration  — ;  den  Abschluss  bildet  ein  körniger, 
kömigfädiger  oder  vakuoliger  Zerfall  des  Kerns,  der  so  im  gleichartig 
veränderten  Zellleib  untertaucht  (s.  ob.) 

Über  die  Bedeutung  dieser  Umwandlungen  bestehen  verschiedene 
Anschauungen.  Stolnikow,  der  in  der  Phosphorleber  derartige  Bilder 
jjah,  fasste  dieselben,  speziell  den  Austritt  von  Kernbestandteilen  (Karyo- 
somen,  Plasmosomen),  als  den  Beginn  progressiver,  zu  neuer  Kern- 
bildung führender  Prozesse  auf;  doch  lassen  gerade  seine  Abbildungen 
(ebenso  wie  eine  Anzahl  anderer  von  Steinhaus,  Ogata  u.  a.  gegebener) 
beträchtliche  Zweifel  betreffe  ihrer  Entstehungsweise  übrig  (wahrscheinlich 
ftiiid  die  meisten  dieser  Nukleolen-  etc.  Austritte,  Artefakte),  und  die  Be- 
ATündung  wird  mehr  in  Gedankengängen  der  Gau  leschen  Schule  als  in 
objektiven  Beweisstücken  gegeben.  Kraus,  der  ähnliche  Formen  (mit 
Ausnahme  der  Sprossen)  in  sicher  abgetötetem  Gewebe  erhielt,  betrachtet 
sie  als  kadaveröse  Erscheinungen.  Wir  (21)  erhielten  von  aseptisch  auf- 
bewalirten,  verschieden  behandelten  Nierenstücken  gleichfalls  Veränderungen, 
die  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  doch  in  bedeutend  geringerer  Ausbildung, 
den  in  den  unterbundenen  Partieen  auftretenden  Bildern  der  Kary  o  rrhexis 
entsprechen.  Die  morphologischen  Beziehungen  gevdsser  Formen  zur  Mitose 
;*«.  oben)  anderer  zur  indirekten  Fragmentierung),  die  Älnilichkeit  gerade 
•1er  Frühformen  mit  den  im  normalen  Körper  vielfach  vorkommenden 
Kemdegenerationen  („Chromatolyse*'  Flemmings  etc.),  in  der  unter- 
bundenen Niere  auch  ihre  Lokalisierung,  scheinen  wieder  der  Ansicht  Raum 
zu  geben,  dass  es  sich  für  viele  der  Formen  um  noch  vitale,  zum  Teil 
agonale  Vorgänge  handle.  Die  gerade  mit  den  Anfangsformen  verbun- 
dene fettige  Degeneration  lässt  sich  für  unser  Objekt  nicht  als  Beleg  für 
diese  Meinimg  betrachten,  da  die  Verfettung  möglicherweise  vorausgegangen 
sein  könnte;  obwohl  es  wahrscheinlich  zu  machen  war,  dass  manche  der 
Chromatinsprossen  sich  fettig  umwandeln;  beweisender  scheinen  die  Angaben 
Von  Statkewitsch  (22)  zu  sein,  der  beim  Hungern  schon  vor  dem  Ein- 
tri'ten  der  Verfettung  und  gleichzeitig  mit  trüber  Schwellung  Kernumwand- 

Labarsch- Otter  tag,  Ergebnisse  Abteilang  II.  10 


146  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

langen  beschreibt,  die  ganz  in  den  Rahmen  der  Karyorrhexis  (speciell 
der  Kemwanddegeneration)  zu  gehören  scheinen  (s.  unten).  Wahrschemlich 
haben  auch  Lukjanow  und  Benario  in  ihrer  Beschreibung  der  bei  der 
trüben  Schwellung  vorkommenden  Kernveränderungen  analoge  Bilder  vor 
Augen  gehabt  (s.  unten). 

Nach  dem  Gesagten  umfasst  der  Name  Karyorrhexis  ein  ziemlich 
weites  Gebiet  von  Kern  Veränderungen ,  die  zum  Teil  wahrscheinlich  nocli 
während  des  Lebens  einsetzend,  auch  nach  dessen  Erlöschen  noch  weiter- 
gehen oder  auch  erst  einsetzen  können.  Im  letzteren  Falle  erfahren  sie 
unter  den  Bedingungen  des  lebenden  Körpers  oder  diesen  möglichst  nahe 
kommenden  ihre  beste  Ausbildung.  Eine  Trennung  der  einzelnen  Stadien 
oder  Formengruppen  nach  den  Terminis  Nekrobiose,  Nekrose,  postmortale 
Veränderungen  ist  für  die  Karyorrhexis  derzeit  unmöglich;  vielmehr 
scheint  gerade  diese  Form  des  Kernunterganges  einen  nicht  unwichtigeu 
Beweis  für  die  angedeutete  Annahme  zu  bieten,  dass  die  Lebenserschei- 
nungen mnerhalb  des  Körpers  durch  ganz  allmähliche  Übergänge  mit  den 
postmortalen  verbunden  sind,  möglicherweise  innerhalb  einer  und  derselben 
Zelle  vitale  und    „kadaveröse"    Vorgänge   in   einander  greifen   können^). 

Eine  häufige  Ausgangsform  der  vorbeschriebenen  Formen  von 
Karyorrhexis  bildet  ein  Vorgang,  welcher  wie  der  Kernschwund  in  ver- 
schiedenen Perioden  einsetzen  kann  und,  wie  dieser  zur  Durchströmmig, 
so  zur  Ablösung  der  Zellen  (Niere)  in  auffälliger  Beziehinig  steht.  Das 
Wesentliche  desselben  liegt  in  einer  zunehmenden  Verdichtung,  Ver- 
Sinterung  (Pyknose)  von  Kern  und  Zellleib.  Der  erstere  wird  stark 
verkleinert,  dicht  gekörnt  oder  leuchtend  diffus  gefärbt,  mit  besonderer 
Affhiität  zu  Safranin  (Safranin-Gentianaf ärbung) ;  ferner  können  in  diesen 
Kernen  Vakuolen  auftreten,  die  Kontouren  zackig  imregelmässig  werden, 
die  Kerne  in  toto  in  einzelne  Bruchstücke  zerfallen  (Kernzerklüftung); 
mannigfaltige  Besonderheiten  bieten  sie  ferner  je  nach  den  verschiedenen 
Stadien,  in  welchen  sie  aus  den  ursprünglichen  Untergangsformen  sieh 
bildeten.  Der  Zellleib  erscheint  dicht,  dunkler,  oft  diffus  von  Kemfarb- 
stoffen  tingiert,  manchmal  dicht  gekörnt,  oft  durch  einen  hellen  Hof  vom 
Kerne  abgesetzt.  In  der  Niere  bilden  diese  Zellformen,  die  weiterhin  körnig 
oder  schollig  zerfallen,    auch  sekundär  entfärbt  werden  können,    mit   ein- 


1)  Es  sei  hier  bemerkt,  dass  besonders  die  Formen  der  Kemwanddegeneration  in 
vielem  den  von  Grawitz  und  seinen  Schülern  als  „erwachende  Kerne''  gedeuteten  Chro« 
matingebilden  zu  entsprechen  scheinen:  diese  wären  alsdann  als  reine  Degenerationsbilderj 
wie  dies  Yamagiwa  (30)  bereits  wahrscheinlich  zu  machen  suchte,  aufzufassen.  Ein  ge 
wisses  Kontingent  haben  die  Formen  der  Karyorrhexis,  besonders  aber  die  folgender 
der  Pyknose  auch  zu  den  Carcinomparasiten  gestellt. 


Nekrose  und  Nekrobiose.  147 

ander  verbacken  die  bei  der  Arterienligatur  ziemlich  reichlichen  Epithel- 
cylinder. 

Verwandt  mit  den  hier  Pyknose  genannten  Formen  scheint  die  für 
die  Nervenzellen  zuerst  von  Friedmann  ^)  bei  akuter  Myelitis  beschriebene 
,,Sklerose"  zu  sein.  An  den  im  übrigen  ziemlich  intakt  aussehenden 
Zellen  treten  stark  glänzende,  mit  den  Kernfärbemitteln  sieh  intensiv  tin- 
gierende  Schollen  auf,  zunächst  an  einer  Stelle  der  Peripherie  oder  im 
Innern,  wie  aus  dem  Zusammenfluss  der  chromatischen  Streifen  und  Kolben 
entstanden.  Weiter  verkleinert  sich  die  Zelle  unter  Zunahme  der  glänzen- 
den Färbung;  der  Kern  kann  ziemlich  lang  erhalten  bleiben.  Pändi  (13) 
schildert  die  durch  chronische  Brom-  bezw.  Kokain -Vergiftung  erzeugte 
Sklerose  dahin,  dass  die  chromatischen  Fäden  zunächst  dicht  aneinander 
gedrängt  liegen,  mit  rauher  Oberfläche,  glanzlos,  hier  und  dort  mit  der 
tiefgefärbten  Grundsubstanz  verschmolzen.  Die  Kerne  heben  sich  kaum 
ab,  die  Kemkörperchen  sind  vergrössert,  glanzlos,  schmutzig  gefärbt.  Die 
Zellränder  erscheinen  hart,  brüchig,  stellenweise  hell.  Bei  chronischer 
Nikütinvergifttmg  findet  sich  durchwegs  Verkleinerung,  später  Schrumpfung 
der  Nervenzellen,  Paraplasma  und  Kern  sind  dunkelgefärbt,  das  Chromatin 
in  grobe  Schollen  zerfallen,  die  später  mit  dem  Paraplasma  zusammen- 
fliessen;  weiterliin  verblasst  der  Zellleib  vom  Rande  her.  Der  Kern  ver- 
liert frühzeitig  seine  Abgrenzung,  schrumpft  zumeist  stark;  selten  finden 
sieh  grosse,  lichte  Kerne  mit  blassen,  etwas  vergrösserten  Kemkörperchen. 

Auffällig  ist,  dass  Vas  (28),  welcher  1894  eine  Studie  über  chronische 
Alkohol-  und  Nikotinvergiftung  veröffentHchte,  etwas  Entsprechendes  nicht 
beobachten  konnte. 

Eine  kurze  Erwähnung  müssen  auch  noch  die  von  Israel^)  bei 
der  anämischen  Nekrose  der  Nierenepithelien  beobachteten  Ver- 
änderungen der  Alt  mann  sehen  Granula  finden.  Die  verkleinerten 
Epithelien,  welche  die  gleichfalls  verschieden  stark  im  Volumen  reduzierten 
Ktme  noch  länger  erkennen  lassen,  haben  die  Bürstensäume  schon  nach 
-4 Stunden  verloren ;  die  reihenweise  Anordnung  der  G  r  an  u  1  a  ist  frühzeitig 
verwischt;  sie  erscheinen  gleichmässig  dicht  gelagert  und  verschwinden 
sehr  langsam  (noch  am  6.  Tage  reichlich).  In  einigen  frischen  Fällen  ent- 
hielten die  Zellen  vergrösserte  Granula  an  der  Basis,  während  der  innere 
Teil  granulafrei  war;  gleichzeitig  fand  sich  Vakuolisierung  der  Zellleiber. 
Israel  stellt  auf  Grund  dieser  Ergebnisse  dem  Kernschvvund  den 
Körperschwund  der  Zelle  zur  Seite;  hier  wie  dort  ist  die  Auflösung 
eine  partielle,  allmählich  vor  sich  gehende. 


i)  Über   die  degenerativen    Veränderungen   der  Ganglienzellen   bei   akuter   Myelitis. 
Nenrolog.  CbL  10,  1891,  1. 

2)  Die  anämische  Nekrose  der  Nierenepithelien.    Vir  eh.  Arch.,  123,  1891,  310. 

10* 


148  Allgem.  pathol.  Morphologie  nud  Physiologie. 

Eine  fortschreitende  Auflösung  des  Zellprotoplasmas  kenn- 
zeichnet auch  nach  Burmeister  (2),  der  imter  Lubarschs  Leitung  ar- 
beitete und  zum  Teil  nur  Ergänzungen  zu  Lubarschs  früheren  Unter- 
suchungen über  die  Entstehung  der  hyalinen  Hamcylinder  lieferte,  einen 
Vorgang,  welcher  bei  toxischer  Nephritis  (neutr.  chroms.  Ammonium)  einen 
ziemlich  breiten  Raum  einnimmt  und  von  Burmeister  —  ohne  recht  zwin- 
gende Gründe  —  als  Koagulationsnekrose  *)  bezeichnet  wird.  Für  die  Kerne 
gibt  Burmeister  an,  dass  sie  zunächst  unregelmässige  Konturen  bekom- 
men, die  sich  verwischen  und  verschwinden,  zuletzt  schwindet  das  Kem- 
körperchen;  seltener  findet  sich  Karyolyse  und  Karyorrhexis, 
über  die  Burmeister  keine  bemerkenswerten  Angaben  bringt.  Mit  Alt- 
mannscher  Färbung  zeigt  sich  zunächst  eine  Anhäufung  der  Granula 
am  freien  Rande  der  Zelle,  Verlust  der  stäbchenförmigen  Anordnung, 
dichtere  Lagerung  derselben;  deutliche  Vergrösserung  einzelner  Granula 
1  —  2  in  einer  Zelle).  Nach  20  Stunden  liegen  die  Granula  zumeist  ent- 
weder an  der  Basis  oder  am  freien  Rande  der  Zelle,  femer  im  Lumen 
und  in  den  Cylindem,  „so  dass  man  annehmen  muss,  dass  die  absterben- 
den Zellen  ihre  Kömer  auszustossen  vermögen,  oder  dass  dieselben 
passiv  durch  eine  Art  Protoplasmaströmung  herausgeschwemmt  wer- 
den." Dass  in  seinen  Versuchen  die  Zellleibs  Veränderungen  mit  dem 
Untergang  der  Kerne  auch  zeitlich  parallel  gehen,  —  entgegen  den  Resul- 
taten Israels  —  erklärt  Burmeister  mit  dem  langsameren  Absterben 
der  Zellen  in  seinen  Fällen,  sowie  aus  den  frühzeitig  durch  die  Vergif- 
tung eintretenden  Cirkulationsstörungen  (?). 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  sei  noch  einiger  weiterer  Arbeiten 
über  Nekrose  aus  dem  letzten  Jahre  gedacht. 

Bei  seinen  Versuchen  über  „funktionelle  Ausschaltung  der  Leber  bei 
Säugetieren"  durch  Injektion  verdünnter  Säuren  und  Alkalien  vom  Duc- 
tus choledochus  aus  erzeugte  Pick  (14)  multiple  Nekrosen  besonders  im 
Centrum  der  Acini,  in  welchen  er  2  Arten  der  protoplasmatischen 
Degeneration  unterscheidet.  Das  Protoplasma  ist  entweder  hell,  zer- 
bröckelt, stellenweise  aufgelöst,  oft  undeutlich  begrenzt;  häufiger  sind 
die  Zellen  trüb,  homogen,  von  scharfen  Konturen ,  mit  Safranin  oft  ver- 
schieden stark  gefärbt  (Pyknose  durch  Säurewirkung?).  Die  Kerne  der 
nekrotischen  Leberzellen  zeigen  entweder  schwächere  Färbung,  Chromatin- 
abnahme,  Schwund  des  Fadenwerks,  Runzelung  der  oft  nicht  mehr  ge- 
färbten Kernmembran  (in  einem  Falle  Kernschwund  aller  nekrotischen 
Herde);  oder  —   und  diese  Veränderung  war  regelmässig  in  den  kleinen 


1)  Vergl.  auch  die  Beschreibung  von  Schilling  (das  Verhalten  der  A  Um  an  n  sehen 
Granula  bei  der  trüben  Schwellung)  (s.  unten). 


Atrophie.  149 

trüben  Zellen  —  der  Kern  zerfiel  in  verschieden  zahlreiche,  starkgefärbte 
verschieden  grosse  Chromatinkörner.  Der  weitere  Zerfall  erfolgte  für  die 
hellen  Zellen  durch  Zerbröckelung  zu  feinem  Detritus,  für  die  homogenen 
Zellen  durch  Zerfall  in  mehrere  Stücke  oder  Einschmelzung  vom  Rande 
her.  Der  Zeit  nach  waren  schon  nach  1  Stunde  die  homogenen,  kleinen,  trüben 
Zellen  mit  kleinen  Vakuolen,  aber  ohne  Kerndegeneration  zu  erkennen; 
erst  nach  8  Stmiden  traten  diese,  sowie  die  andern  angegebenen  Erscheinungen 
reichlicher  auf. 

Eine  detailUerte  Beschreibung  zweier  Fälle  von  Stauungsikterus,  mit 
multiplen,  besonders  scharf  abgegrenzten  Nekrosen  der  Leber  bringt  Sauer- 
hering (18)  bei;  zugleich  mit  einer  Besprechung  der  älteren  Litteratur. 

2. 

Atrophie. 

Von 
H,  Schmaus,  München  und  E.  Albrecht,  München. 

Die  mikroskopischen  Untersuchungen  der  einfachen  Atrophieen  ist 
bkher  nicht  sonderlich  viel  gepflegt  worden.  Die  vorhandenen  Arbeiten 
zeigen  indessen  bereits,  dass  von  einem  eingehenden  Studium  derselben 
manche  Aufschlüsse,  besonders  über  das  Wesen  der  Zelldegeneration,  zu 
erhoffen  sind. 

In  einer  Untersuchung  der  senilen  Veränderungen  in  den  soge- 
nannten Blutgefässdrüsen  weist  Pilliet  (15)  nach,  dass  die  Involution  der- 
selben auch  unter  physiologischen  Verhältnissen  recht  bedeutende  Unter- 
schiede besitzt.  In  der  Milz  atrophieren  die  Malpighischen  Körperchen  und 
die  Pulpa,  die  Venen  erweitem,  die  kleinen  Arterien  und  die  Trabekel 
verdicken  sich;  vornehmUch  die  letzteren  werden  pigmentreich,  während 
an  der  Pulpa  die  Pigmentierung  zurücktritt.  In  der  Schilddrüse  ver- 
kleben die  Alveolarwände,  und  dichtes  Bindegewebe  tritt  an  die  Stelle  des 
Pareuchyms. 

Die  Nebennieren  erfahren  Verminderung  der  Grandry  sehen  Bläschen, 
die  Pigmentschicht  erweicht,  die  Rinde  wird  sehr  fettreich.  Es  bilden 
sich  femer  atrophische  und  sklerotische  Herde,  aus  letzteren  fetthaltige 
Knötchen  und  diese  geben  wieder  den  Ausgangspunkt  für  Adenombil- 
duDgen  ab. 

Die  senilen  Metamorphosen  der  Ganglienzellen  sind  von  Vas 
uiid  Hodge  studiert  worden. 

Vas  (1.  c.  384)  konstatierte  mittels  Nissischer  Färbung  gewisse 
r>ogenerationen  des  Chromatins,  die  im  Greisenalter  eintreten:  teils  fein- 
kiimigen  Zerfall,  teils  nur  von  der  Mitte  nach  der  Peripherie  fortschreitende 


150  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

Homogenisierung;  in  einem  dritten  Stadium  ist  der  Zellleib  zu  einer  stark 
gefärbten,  formlosen  Masse  verwandelt,  welche  ebenfalls  noch  schollig- 
körnig zerfallen  kann.  Bei  einem  92jährigen  an  Marasmus  gestorbenen 
Greise  fand  Hodge  (8)  im  allgemeinen  ziemlich  normales  Verhalten  der 
Ganglienzellen,  nur  die  Purkinjeschen  Zellen  an  Zahl  vermindert  und 
leicht  geschrumpft.  In  den  Spinalganglienzellen  war  fast  durchwegs  der 
Kern  undeutlich  konturiert,  geschrumpft,  und  ohne  Kemkörperchen;  das 
Zellprotoplasma  enthielt  reichlich  Fett  und  Pigment,  die  beim  Fötus  fehl- 
ten. Bei  einem  47jährigen  Mann  fand  Hodge  ebenfalls  Fett  und  Pig- 
ment in  reichlicher  Menge,  doch  meint  er  in  diesem  Falle  vorzeitige  Senes- 
cenz  auf  Grund  von  Alkoholisraus  annehmen  zu  müssen. 

Bei  Bienen  sind  die  Veränderungen  quantitativ  weit  ausgesprochener 
als  beim  Menschen,  im  übrigen  jenen  qualitativ  entsprechend:  Schrumpf- 
ung der  Kerne,  Vakuolenbildung  im  Protoplasma,  daneben  auch  Abnahme 
der  Zellzahl. 

Die  Altersveränderungen  besitzen  viel  Ähnlichkeit  mit  den  von  Hodge 
schon  früher  als  Ermüdungssymptome  von  Nervenzellen  beschriebenen. 

B.  Solger  (22)  beobachtete  Alterserscheinungen  in  der  Inter- 
cellularsubstanz  des  hyalinen  Knorpels  vom  Menschen,  welche  sich 
„ohne  erkennbare  Mitwirkung  der  Zellen*'  vollziehen  und  gerade  die  von 
den  Zellen  entferntesten  Partieen  betreffen.  Die  im  embryonalen  und 
jugendlichen  Zustande  homogene  Intercellularsubstanz  sondert  sich  in  dick- 
wandige, die  Knorpelzellen  oder  Gruppen  von  solchen  umschliessende  homo- 
gene, nach  aussen  nicht  scharf  begrenzte  Schalen,  die  durch  gewisse  Re- 
agentien  sich  wieder  in  mehr  oder  minder  ausgedehnte  schalenförmige  Seg- 
mente zweiter  Ordnung  zerklüften  lassen. 

Das  Altern  der  Zelle  zeigt  sich  in  der  Ausbildung  einer  dünn- 
wandigen, nach  aussen  scliarf  begrenzten  Kapsel,  die  entweder  als  eiufaclie 
Lamelle  oder  schon  im  frischen  Material  konzentrisch  geschichtet  sich  dar- 
stellt. Schliesslich  treten  die  gleichfalls  ohne  Reagentien  sichtbaren  Halb- 
monde oder  Sicheln  auf:  zackig  begrenzte,  halbmondförmige,  feinge- 
strichelte Ausscheidungen,  oft  mit  Abscheidung  von  feinen  Körnchen  kom- 
biniert und  vielleicht  aus  solchen  hervorgegangen.  Die  Ablagerung  kann 
einseitig  oder  mehrseitig,  ein-  oder  mehrfach  sein,  auch  mit  Fettablagerung 
und  Fettentartung  der  Zelle  einhergehen. 

Entsprechende  Erfahnmgen  haben  De khuyzen  und  Czermak  mit- 
geteilt. 

Über  die  Atrophie  des  in  die  Bauchhöhle  verlagerten  Hodens 
beim  Kaninchen  berichtet  Stilling  (24).  Als  Ursache  der  Entartimg  be- 
trachtet Stilling  die  durch  Knickung  des  Nebenhodens  erzeugte  Unter- 
brechung  des    ausführenden   Kanalsystems    (Sekretretention);    auch    nach 


Degenerationen.  151 

Durchschneidung  des  Nebenhodens  und  nachträglicher  Verlagerung  des 
Hodens  in  die  Bauchhöhle  erfolgt  die  Atrophie  sehr  rasch. 

hl  den  verlagerten  Hoden  sistiert  die  Spermatogenese,  das  Epithel 
kleidet  die  Wände  aus  in  Form  einer  protoplasmatischen  Masse  mit  undeut- 
lichen Zellgrenzen  und  in  unregelmässigen  Abständen  gelegenen  Kernen, 
die  sich  gut  färben  und  meist  in  einfacher  Reihe  liegen ;  nur  selten  finden 
&ich  spermatogonienähnliche  grössere  Zellen.  Häufig  sind  in  der  Epithel- 
lage Vakuolen,  leer,  oder  hyaline,  mit  Eosin  stark  färbbare  Kugeln  ent- 
haltend, in  welcher  Kemfragmente  sich  nachweisen  lassen;  die  Kugeln 
sind  etwa  von  der  Grösse  der  Zellen  oder  etwas  grösser  und  enthalten 
ebenfalls  bisweilen  kleine  Vakuolen. 

Nach  dem  Lmnen  zu  geht  die  protoplasraatische  Auskleidung  in  ein 
anregelmässiges  Netzwerk  fädiger  imd  körniger  Massen  auf,  welche  die 
Lichtung  füllen  und  neben  den  hyaünen  Kugeln  auch  gut  gefärbte  Kerne 
enthalten. 

3. 

Degenerationen. 

A. 

Vaknoläre  ~  fettige  Degenerationen. 

Von 
H.  Schmaus,  München  und  E.  Albrecht,  München. 

Vaküolisation.   —  Homogene  Schwellang.  —  Körniger  ZerfaU.  —  Trübe  Schwellung.   — 

Verfettung. 

Als  eine  Zellveränderung,  welche  ebenso  wie  die  Karyorrhexis 
sowohl  postmortal  wie  als  Degenerationserscheinung  auftreten  kann,  sei 
hier  noch  vor  Besprechung  der  Degeneration  s.  str.  die  Vakuolisation 
aufgeführt. 

Die  Klebssche  Aufstellung  der  primären  vakuolären  Degeneration 
des  Zellleibs  als  einer  Form  der  direkten  Nekrose  wurde  bereits  besprochen. 
Eme  grosse  Anzahl  älterer  Befunde  von  Vakuolisation  besonders  in  Nerven- 
zellen ist  seither  als  durch  artefizielle  Veränderungen  (namentlich  Müll  er- 
sehe Flüssigkeit)  bedingt  erwiesen  worden  (Rosenbach,  Pöcqueur,  Beck, 
Xerlich  u.  a);  es  existieren  aber  auch  aus  neuerer  Zeit  zahlreiche  An- 
gaben über  VakuoUsation  sowohl  in  den  Zellleibern,  (besonders  für  Ner- 
ven- und  Muskelzellen)  als  auch  in  Zellkernen. 

Über  die  Entstehung  der  typischen  Vakuolisationsbilder  giebt  N er- 
lieh') einige  Auskunft,  der  in  einem  Fall  von  Kopftetanus  ausgedehnte 

1)  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Eopftetanus.    Arch.  f.  Psychiatrie  23,  1892,  S.  672. 


152  ADgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Vakuolisierung  von  Ganglienzellen  in  den  Kernen  des  Hypoglossus, 
Facialis  und  der  motorischen  Trigeminus- Wurzeln  konstatierte.  Die  am 
wenigsten  ergriffenen  Zellen  lassen  eine  hellere,  nicht  scharf  begrenzte 
Stelle  mit  grober  Granulation  erkennen,  welche  weiterhin  scharf  begrenzt, 
lichter  und  feingekömt,  schliesslich  ganz  hell  wird.  Die  Vakuolen  finden 
sich  meist  in  Mehrzahl  (bis  20)  in  den  Zellen,  welche  gleichzeitig  ver- 
schiedenartig gebläht,  plump  und  unförmig,  manchmal  von  einem  gros- 
sen Pericellularraum  umschlossen  sind.  Die  Kerne  sind  wohl  erhalten, 
zuweilen  durch  die  Vakuolen  zur  Seite  gedrängt. 

Auch  Beck  erwähnt  als  seltenere  Verändenmg  bei  experimentellem 
Tetanus  Vakuolisation  der  Nervenzellen  (Nissisches  Verfahren).  Im 
übrigen  wird  Vakuolisation  von  Nervenzellen  als  ein  bald  mehr,  bald 
weniger  häufiger  Befund  für  die  verschiedensten  Erkrankungen  angegeben: 
bei  infektiösen  Krankheiten  (Thoinot  u.  Masselin,  Cavazzani,  Popoff) 
in  den  Herzganglien  bei  akuter  Mineralsäurevergiftung  —  zugleich  mit 
Kernvakuolisation  —  (Kazowsky),  beim  Hungern  (Statkewitsch)  u.  s.  w. 
Als  wahrscheinlich  direkte  Folge  vom  Gasaustritt  beschreibt  sie  Nikifo- 
roff; Stroebe  erwähnt  in  Ganglienzellen  zweier  durchschnittener  Spinal- 
gauglien  verschiedene  grosse  Vakuolen  im  Protoplasma,  welches  dadurch 
z.  T.  vollkommen  schaumig  aussah  (neben  geschrumpften  Zellen). 

Zur  Vorsicht  in  der  Beurteilung  der  an  Nervenzellen  gesehenen  Va- 
kuolen mahnt  die  Angabe  von  Hodge^),  dass  die  Ganglienzellen  bei  elek- 
trischer Reizung  Vakuolisation  zeigen.  Hodge  fand  nach  Faradisation 
die  Zellen  des  gereizten  Ganglions  verkleinert,  das  Protoplasma  von  V^a- 
kuolen  durchsetzt,  feiner  granuliert,  weniger  stark  gefärbt;  die  ebenfalls 
verkleinerten  Kerne  stärker  tingiert,  das  Fadenwerk  körniger. 

Dagegen  giebt  allerdings  Vas^)  an,  dass  nach  elektrischer  Reizung 
der  Zellieib  sich  stark  vergrössere,  die  Umgebung  des  Kerns  auffallend 
chromatinarm  werde;  das  Zelleibschromatin  sammelt  sich  als  grobkörniger 
Ring  an  der  Peripherie  an;  der  gleichfalls  vergrösserte,  etwas  chromatin- 
reichere  Kern  geht  gleichfalls  an  die  Zelloberfläche  und  kann  diese  mit 
einem  Segment  überragen. 

Die  Verschiedenheit  der  angewandten  Reizintensitäten,  der  unter- 
suchten Tiere,  der  benützten  Färbemethoden,  erklären  die  Divergenzen 
der  Befunde  wohl  nur  zum  Teil  und  lassen  eine  weitere  Untersuchung 
nötig  erscheinen.     Immerhin  ist  es  wohl  möglich,  dass  auch  die  von  Vas 

1)  Sorae  effects  of  electrically  stimulatiiig  ganglion  cells.  Am.  J.  of  Phys.  1888/89. 
S.  376  und  A  microscopical  study  of  changes  due  to  functional  activity  in  nerve  cells. 
J.  of  Morphol.,  7,  1892,  95. 

'i)  Studien  über  den  Bau  des  Chromatins  in  der  symp.  Ganglienzelle.  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  40,  1892,  375. 


Degeneration.  153 

angegebene  Aufhellung  des  Zellinnern  dem  entspricht,  was  frühere  Metho- 
den als  „Vakuole"  erscheinen  Hessen.  Jedenfalls  erinnern  diese  Angaben 
an  die  Möglichkeit,  dass  manche  der  als  Nervendegeneration  beschriebenen 
Verwandlungen  nichts  anderes  als  den  Effekt  von  stärkerer  Arbeit  ev. 
Überreizung  bestimmter  Zellgruppen  darstellen. 

So  wird  man  gerade  in  dem  Falle  Nerlichs^)  daran  denken  müs- 
sen, ob  nicht  statt  der  Nerlich sehen  Annahme  einer  Fortwanderung  des 
Tetanusgiftes  entlang  der  Nervenbahnen  (wobei  für  die  auffällige  Lokali- 
sierung der  Veränderungen  die  „beginnende  Inanition  der  unaufhörlich 
erschöpfend  arbeitenden  Ganglienzellen"  der  betroffenen  Bezirke  herange- 
zogen wird),  gerade  wegen  dieser  Lokalisierung  die  direkte  Überreizung 
der  Ganglienzelle  eine  näher  hegende  und  einfachere  Erklärungsmögüch- 
keit  bietet. 

Auch  für  die  Muskelzellen  ist  Vakuolisation  häufig  konstatiert  worden. 
Ich  führe  nur  die  jüngsten  Angaben  Volkmanns  (29)  (s.  dort  die  ältere 
Literatur)  an,  der  sie  beim  Typhus  abdom.  genauer  untersuchte.  „In  noch  gut 
quergestreiften  oder  auch  in  solchen  Fasern,  welche  die  Querstreifung  ver- 
loren haben  und  nur  eine  kräftige  Längsstreifung  zeigen,  bilden  sich  spin- 
delige oder  ovoide,  mit  klarer  Flüssigkeit  gefüllte  Hohlräume  aus,  w^elche 
einzeln  oder  in  Reihen  imd  Gruppen  stehend  die  Fibrillen  auseinander- 
drängen, und  welche  konfluierend  die  befallenen  Fasern  mit  einem  förm- 
lichen Röhren-  und  Lückensystem  durchziehen''. 

In  verschiedenen  Berichten  über  solche  Vakuolen  ist  die  Rede 
davon,  dass  in  derartigen  Hohlräumen  sich  Plasmareste  und  ganze  Zellen, 
oder  auch  riesenzellartige  Gebilde  finden.  (Litten,  Roth,  Schaffe r, 
Hofmann):  es  ist  wohl  ziemlich  sicher,  dass  es  in  all'  diesen  Fällen  sich 
um  Einwanderung  lebender  Gebilde  (wuchernde  Muskelelemente,  Wander- 
zellen) handelt  in  entweder  vorgebildete  oder  erst  durch  die  eindringenden 
und  resorbierenden  Zellen  geschaffenen  Hohlräume. 

Die  bei  Nerven-  imd  Rückenmarksdurchschneidung  entstandenen  aus- 
gedehnten Vakuolenbildungen  in  der  Nähe  der  Schnittstelle  (blasige  Auf- 
tmbung  von  Mark-  und  Achsency lindern)  sind  zunächst  von  Stroebe  ge- 
nauer beschrieben  worden.  Sie  lassen  sich  in  der  Hauptsache  auf  mecha- 
nische Momente  (Quellung  etc.)  zurückführen. 

Im  allgemeinen  ergiebt  sich  aus  der  vorangehenden  kurzen  Darlegung 
<ier  Zellleibsvakuolisationen  (die  häufigen  Angaben  über  Vakuolisation  in 
<len  Parenchymzellen  der  drüsigen  Organe   sind   übergangen  worden,   da 


1)  Ein  Gleiches  gilt  fflr  den  entsprechenden  Erklärungsversuch,  welchen  Beck  (1) 
för  den  bei  Tetanus  von  ihm  gesehenen  Zerfall  der  dem  Ursprungshügel  des  Achsen- 
cviinderfortsatzes  benachbarten  Partieen  des  Zellleibs  geltend  macht. 


154  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

sie  nichts  Neues  bieten),  dass  unter  diesem  Namen  nach  Ursache  und 
Qualität  ziemlieh  disgruente  Vorgänge  zusammengefasst  sind,  welche  durch- 
aus nicht  durchweg  sich  mit  dem  oft  synonym  gebrauchten  Namen  der 
„hydropischen  Entartung*'  decken,  sondern  wahrscheinlich  zum 
Teil  vitale,  zum  Teil  kadaveröse  Veränderungen  darstellen,  in  welchen 
bald  die  Quellung  bestimmter  Zellbestandteile,  bald  einfache  Wasserauf- 
nahme unter  Bildung  von  Zelleibslücken,  das  Wesenthche  sein  mögen. 

Ueber  Vakuolisation  des  Kerns  sind  erst  in  neuerer  Zeit  Beobach- 
tungen bekannt  geworden.  Dieselbe  gestaltet  sich  verschieden,  je  nachdem 
der  Kerns  in  toto  oder  partiell  „vakuolisiert"  wird.  Kazowsky  (11)  giebt 
an,  dass  in  den  Kernen  der  von  dieser  Veränderung  betroffenen  Herz- 
ganghenzellen  sich  zuerst  um  den  Nukleolus  ein  dui-chsichtiger,  ungefärbter 
ßiug  bilde ;  die  ursprünglich  noch  gut  gefärbten  peripherischen  Abschnitte 
des  Kerns  blassen  mit  zunehmender  Verbreiterung  des  Ringes  ab,  ivährend 
der  Nukleolus  erst  sehr  spät  verschwindet.  öchliessUch  erscheint  der  Kern 
als  ein  farbloses  Bläschen,  das  an  Grösse  meist  die  gewöhnhchen  Kenie 
übertrifft  und  zuweilen  fast  die  ganze  Zelle  einnimmt. 

In  ähnlicher  Weise  hat  bereits  fniher  (nach  Kazowsky)  P  od  wyssozki 
in  der  Leber  und  verschiedenen  Geschwülsten  Vakuolisation  des  Kerns 
beschrieben.  Cavazzani  (3)  bezeichnet  als  vesikuläre  Degeneration 
eine  Veränderung,  welche  den  Kern  in  ein  Bläschen  ohne  soliden  Inhalt 
verwandelt,  worauf  derselbe  einfach  verschwinden  oder  durch  Platzen  zu 
Grunde  gehen  kann.  Die  letztere  Angabe  deutet  daraufhin,  dass  Cavazzani 
diese  Degeneration  als  eine  Art  Quellung  des  Kerns  betrachtet;  vielleicht 
kann  man  auch  die  Angaben  Kazowskys  unter  einen  ähnlichen  Gesichts- 
punkt bringen.  Audi  in  der  unterbundenen  Niere  lässt  sich  etwas  Ähn- 
liches beobachten.  Es  erscheinen  manche  Kerne  vergrössert,  heller,  die 
Kernmembran  tritt  deutlich  hervor,  im  Innern  sieht  man  neben  wenigen 
verwaschen  gefärbten,  grösseren  und  kleineren  Chromatinpartikeln  einzelne 
blasse  Fäden ;  am  Ende  findet  man  den  vollständig  entfärbten  Kern  niclit 
selten  frei  im  Lumen  des  Harnkanälchens.  Man  thut  also  wohl  besser,  den 
Ausdruck  „Vakuolisation"  des  Kerns  in  toto  durch  denjenigen  der  Quellung 
des  Kern  zu  ersetzen;  nachdem  „Vakuolisation"  für  gewöhnlich  das  Auf- 
treten von  Vakuolen  in  einem  Gebilde  bezeichnet. 

Die  partielle  vakuoläre  Degeneration  des  Kerns  gestaltet  sich  nach 
Statkewitsch  (22),  der  sie  beim  Hungern  in  allen  Organen,  obwolil  nir- 
gends häufig,  beobachtete,  folgendermassen :  es  bildet  sich  im  Kern  eine 
schwach  oder  nicht  gefärbte  Höhle,  welche  das  Chromatin  des  Kerns 
an  einer  Seite  der  Wand  zusammendrängt.  In  einzelnen  dieser  Vakuolen 
findet   sich   ein    (zuweilen    auch    mehrere)   bedeutend   schwächer  als   das 


Degeneration.  155 

Chromatin  färbbarer  Körper  von  der  Grösse  eines  Nukleolus,  von  runder 
oder  unregelmässiger  Form.  Die  Deutung  dieser  Gebilde  lässt  Statke witsch 
in  suspenso. 

Es  mag  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  in  vielen  Fällen 
grosse  Zellleibsvakuolen  den  Kern  platt  drücken,  so  dass  er  ihnen  wie  eine 
Haube  aufsitzt.  Bei  oberflächlicher  Betrachtung  kann  in  solchen  Fällen 
leicht  der  Eindruck  entstehen,  dass  es  sich  um  eine  Vakuole  des  Kerns 
handle.  Als  Kriterium  kann  vielfach  einzig  das  Vorhandensein  oder  Fehlen 
eines  vollständigen  Kernkonturs  gegen  die  Vakuole  gelten,  da  auch  bei 
Vakuolisierung  des  Kerns  die  in  die  vakuoHge  Partie  einbegrifEene  Kem- 
wand  sich  zumeist  bald  entfärbt,  ebenso  wie  der  Inhalt  der  Vakuole. 

Das  Auftreten  multipler  Vakuolen  in  pyknotischen  Kernen  ist  bereits 
erwähnt  worden. 

Wenn  wir  nunmehr  zur  Besprechung  der  im  strengeren  Sinne  als 
„Degenerationen"  bezeichneten  Vorgänge  übergehen,  so  möchten  wir  auch 
hier  voraus  den  Umstand  betonen,  dass  die  Degeneration  durchaus  nicht 
immer  die  Zelle  im  ganzen  anzufallen  braucht,  sondern  zunächst  partiell 
innerhalb  der  Zelle  lokaüsiert  bleiben  kann.  Eine  besondere  Stütze 
^lieser  Anschauung  bieten  die  Beobachtungen,  die  an  den  grossen,  struk- 
turell gut  differenzierten  und  besonders  durch  die  Nissischen  Methoden 
wenigstens  in  Bezug  auf  das  Verhalten  des  Zellleibs  einer  genaueren  Unter- 
suchung zugänglich  gewordenen  Nervenzellen  gemacht  worden  sind.  Zu- 
erst hat  Friedmann  hervorgehoben,  dass  die  bei  akuter  Myelitis  ein- 
tretenden Veränderungen  (homogene  Schwellung,  körniger  Zerfall,  sklero- 
tische Degeneration)  stets  partiell  einsetzen^);  sämtliche  spätere  Untersuch- 
ungen haben  diese  Beobachtung  bestätigt.  Auffallenderweise  scheint  der 
Kern  der  Nervenzellen  bei  fast  allen  Degenerationsarten  derselben  sehr 
lange  ohne  besondere  Veränderungen  sich  zu  erhalten;  doch  geben  die 
vereinzelten  Angaben  von  Friedmann,  Schaff  er,  Beck,  Pändi  u.  a. 
(Auftreten  reichlicherer  Körner  im  Kern,  Gerüstverdichtung,  diffuse  Trübung, 
körniger  Zerfall  des  Nukleolus)  zu  der  Vermutung  Anlass ,  dass  auch  hier 
ara  Kemchromatin  Veränderungen  nach  Art  der  als  Karyorrhexis  oben 
aufgeführten  vorkommen  und  mehr  die  Mängel  der  etwas  zu  einseitig  ver- 
wendeten zellleibfärbenden  Methoden  für  die  Spärlichkeit  der  bisherigen 
Beobachtungen  verantwortUch  zu  machen  sind. 

Gleichfalls  von  selten  der  Neuropathologen  besitzen  wir  mehrere  Be- 
schreibungen von  Degenerationsarten,  für  die  an  anderen  Zellen  bisher  keine 


1)  yWi'e  man  Bieht,  hat  man  den  Begriff  der  Solidarität  deB  Zellorganismus  als  eines 
'ianzeo  nicht  zn  eng  zu  fassen,  und  man  wird  auch  wohl  anzunehmen  berechtigt  sein,  dass 
^ie  nur  partiell   entartete  Zelle  zunächst  noch  funktionsfähig  bleibt. **     Friedmann  1.  c. 

>.  13. 


156  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Analogieen  bekannt  sind.  Auch  hier  dürfte  eine  weniger  ausschliessliche 
Verwendung  der  Ni  s  s Ischen  Zellleibsfärbungenbezw.  deren  Kombination  mit 
andern  Plasmafärbemethoden  manche  Aufschlüsse  bringen.  Die  „Sklerose'' 
wurde  bereits  aufgeführt;  neben  ihr  stellte  Friedmann  in  der  öfter  citierten 
Arbeit  noch  die  Typen  der  hombgenen  Schwellung,  des  körnigen 
Zerfalls  und  der  „lichten  (ausgelaugten)  Zelle"  auf.  Letztere,  deren 
Zellgrundfärbung  wie  ausgelaugt  erscheint,  von  deren  chromatischer  Sub- 
stanz nur  mehr  Reste  an  der  Zelloberfläche  erhalten  sind,  wurde  seither 
nicht  mehr  beschrieben.  Fried  mann  liess  die  Frage  offen,  ob  sie  nicht 
aus  der  homogenen  Schwellung  sich  ableite.  Da  Friedmann  mit  der 
Nissischen  Färbung  ein  wirkUches  Anschwellen  der  Nervenzellen  nur  mit 
gleichzeitiger  glasig-homogener  Entartung  derselben  beobachtete,  nicht  bei 
der  körnigen  Umwandlung  derselben,  so  wählte  er  für  diese  Formen  den 
Namen  homogene  Schwellung.  Dieselbe  beginnt  stets  im  Zellcentrum ; 
der  anfangs  intakte  Kern  kommt  excentrisch  zu  liegen;  später  schwindet 
er.  Der  entartete  Zellleib  tingiert  sich  diffus  mit  Karminfarben,  wesentlich 
heller  mit  Kernfärbemitteln.  Häufig  finden  sich  diese  Zellen  in  relativ 
grossen  Gewebslücken ;  als  Ursache  der  glasigen  Entartung  nimmt  Fried- 
mann Flüssigkeitsimbibition,  „Zellenödem"  an^).  Schliesslich  schrumpfen 
diese  Zellen  zum  Teil  beträchtlich;  andere  zerfallen  molekular. 

Von  späteren  Autoren  erwähnen  die  homogene  Schwellung  Beck 
bei  Tetanus)  (1),  Keresztszeghy-Hanns  (nach  Rückenmarksdurchschnei- 
dung  (12),  Sarbö  (Phosphor -Vergiftung)^),  Vas  (chronische  Nikotin- 
und  Alkohol- Vergiftung),  zum  Teil  etwas  abweichend  von  Friedmann. 

Der  körnige  Zerfall  des  ZelUeibs  der  Nervenzelle  geht  nach  Fried- 
mann in  der  Weise  vor  sich,  dass  erst  partiell,  dann  über  den  ganzen 
Zellleib,  die  chromatischen  Streifen  und  Kolben  desselben  zu  Kömchen 
zerfallen,  welche  zunächst  noch  ihre  ursprüngliche  Lagerung  beibehalten, 
dann  aber  über  die  Zelle  sich  verstreuen  und  ihre  Chromatophilie  einbüssen. 
In  der  Zelle  können  gleichzeitig  Vakuolen  auftreten,  schliesslich  zerfällt  sie, 
indem  auch  Kern  und  Fortsätze  zu  Grunde  gehen,  ev.  nach  sekundärer 
Fettentartung. 

Der  körnige  Zerfall  von  Ganglienzellen  ist  gleichfalls  von  späteren 
Autoren  mehrfach  beschrieben  worden:  so  von  Kazowsky  (11),  der  bei 
einem  Teil  der  betroffenen  Zellen  Vergrösserung  fand  und  den  Vorgang 


1)  Man  beachte,  dass  die  Schilderung  Friedmanns  in  mehreren  Stücken  an  die 
von  Vas  beschriebenen  Veränderungen  der  , gereizten  Nervenzellen*  erinnert 

2)  Über  die  normale  Struktur  der  Ganglienzellen  des  Kaninchenrückenmarks  und 
über  deren  path.  Veränderungen  bei  Vergiftungen  mit  Phosphor  und  Morphium,  üng. 
Arch.  f.  Med.,  I,  1892,  264. 


Degeneration.  157 

zur  parenchymatösen  Schwellung  rechnet;  von  Keresztszeghy-Hannss 
(12),  welche  gleichfalls  Schwellung  und  Körnung  sahen;  von  Sarbö  (1.  c), 
welcher  einen  primären  grob-  und  sekundären  feinkörnigen  Zerfall  der 
Chromatinklümpchen  imterscheidet ;  von  Schaffer  (19)  (bei  chronischer 
Bleivergiftung)^)],  Thoinot-M asselin  (26)  (bei  infektiöser  Myelitis),  Vas 
27)  (chronische  Nikotin-  und  Alkoholvergiftung)  u.  a. 

Es  geht  aus  diesen  Arbeiten  hervor,  dass  der  „körnige  Zerfall*' 
doch  im  wesentüchen  unter  den  Begriff  der  „trüben  Schwellung"  sich 
einreihen  lässt:  die  Verschiedenheiten  sowohl  gegenüber  den  landläufigen 
Vorstellungen  von  trüber  Schwellung  als  auch  der  einzelnen  Beschreibungen 
untereinander  sind  wohl  auf  die  komplizierte  Struktur  der  Nervenzellen 
zurückführbar,  welche  bekann thch  auch  bei  den  verschiedenen  Arten  der 
Nervenzellen  variiert.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  auch  an  der  hoch  differen- 
zierten Muskelzelle  sich  bei  genauerer  Untersuchung  der  albuminoiden 
Degeneration  Eigen tümUchkeiten  ergeben  werden,  die  derselben  eine  ahn 
liehe  Sonderstellung  neben  den  meist  untersuchten  Formen  der  trüben 
^hwellung  der  grossen  Drüsen  (Leber,  Niere)  anweisen,  wie  die  Nerven- 
zellen sie  einzunehmen  scheinen. 

Vorläufig  mag  hier  nur  angemerkt  sein,  dass  bereits  Schaffer*)  von 
der  feinkörnigen  Trübung  einen  grobkörnigen  Zerfall  unterschied,  wie  auch 
Statke witsch  beim  Hungern  in  den  Muskeln  (allerdings  auch  in  den 
übrigen  Organen)  auf  eine  fein-  eine  grobkörnige  Degeneration  folgen  lässt. 

Auffallend  ist,  dass  Statkewitsch  in  den  Muskeln  an  die  körnige 
niemals  eine  fettige  Degeneration,  wie  dies  in  Leber  und  Niere  die  Regel 
war,  sich  anschliessen  sali. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  der  trüben  Schwellung  in  ihren 
typischen  Formen.  Eine  Darlegung  der  älteren  Geschichte  derselben 
findet  man  bei  Benario  („Die  Lehre  von  der  trüben  Schwellung  in  ihrer 
Eütwickelung  und  Bedeutung".  Würzburg.  1891).  Benario  kommt  auf 
Grund  der  vergleichenden  Würdigung  der  verschiedenen  Ansichten,  sowie 
aus  eigenen  Untersuchungen  (Terpentinvergiftung,  akute  gelbe  Leberatrophie, 
Verbrühung)  zu  dem  Schlüsse,  „dass  die  trübe  Schwellung  nicht,  wie 
Virchow  anfängUch  meinte,  den  Ausdruck  einer  gesteigerten  nutritiven 


0  Seh  äff  er  fand  einen  um  den  Kern  beginnenden  Zerfall  der  Chromatinfäden, 
»elcher  nach  der  Peripherie  und  in  die  Protoplasma-Fortsätze  fortschreitet.  Die  Chro- 
matinstäbchen  zeigen  zunächst  minimale  Vakuolen  und  zerfallen  dann  in  äusserst  feine 
Körnchen,  so  dass  im  fortgeschrittenen  Stadium  der  Zellkörper  beinahe  gleichmässig  über- 
^^abt  erscheint.  Der  Kemkontur  verschwindet  gleich  im  Beginn  der  Degeneration.  Die 
^lle  Terblasst  schliesslich  zu  einem  homogenen  Gebilde  mit  geschrumpftem  Kern. 

2)  Ober  die  histologischen  Veränderungen  der  quergestreiften  Muskelfasern  in  der 
herie  von  Geschwülsten.    Virch.  Arch.  120,  1887,  S.  443. 


158  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Aktivität  darstellt,  sondern  der  Ausdruck  einer  ehemischen  Veränderung 
des  Protoplasmas  sei".  (Ausscheidung  eines  normal  gelösten  Eiweisskörpers 
aus  dem  Safte  des  Protoplasma;  Cohnheim,  Rindfleisch.)  Diese  Ver- 
änderungen können  die  parenchymatöse  Entzündung  begleiten,  sind  aber 
meist  nicht  primärer,  sondern  sekundärer  Natur.  Aus  dem  Mangel 
jeder  Kernteilungsfigur  in  den  trübgeschwellten  Partieen  folgert  Be na rio, 
dass  der  Prozess  von  Anfang  an  keinen  progressiven  Charakter  (im 
Sinne  der  nutritiven  Reizung  Virchows)  trägt;  der  Untergang  der  Kerne 
und  die  der  trüben  Schwellung  folgende  und  häufig  mit  ihr  verbundene 
fettige  Degeneration  kennzeichnen  den  Prozess  als  einen  entschieden  re- 
gressiven. Die  von  Benario  angeführten  Beweise  sind,  wie  man  sieht, 
in  keiner  Weise  entscheidend,  da  der  Begriff  des  „Progressiven'*,  wie  er  der 
nutritiven  Reizung  anhaftet,  mit  Kernteilung  erst  in  zweiter  Linie  zu  schaffen 
hat,  und  ausserdem  die  häufig  sich  anschliessende  fettige  Degeneration 
nicht  leicht  gegen  die  Virchowsche  Auffassung  der  trüben  Schwellung 
als  einer  Art  „akuter  Hypertrophie  mit  Neigung  zur  Degeneration  ins  Feld 
geführt  werden  kann.  Die  Entscheidung  wird  vielmehr  nur  damit  gebracht 
werden  können,  dass  einmal  die  Veränderungen  des  Kerns  genauer  unter- 
sucht, eventuell  als  von  vornherein  degenerative  nachgewiesen  werden, 
und  dass  zweitens  klar  gestellt  wird,  ob  die  im  Zellleib  auftretenden  Kör- 
nungen durch  Vermehrung  der  vorhandenen  Elemente  bezw.  Einlagerung 
von  Material  zwischen  die  sonst  nicht  stärker  veränderten  genuinen  Zell- 
leibskömer  entstanden  sind,  oder  ob  mit  ihrem  Auftreten  eine  gröbere 
Umwandlung  oder  ein  Untergang  der  Protoplasmakörner  einhergeht. 

Eine  Verfolgung  des  zweiten  Punktes  ist  natürüch  nur  denkar  bei 
Anwendung  vergleichender  Methoden,  von  denen  wenigstens  eine  für  die 
Zellleibskönmngen  spezifisch  ist  —  wae  dies  in  gewissem  Sinne  die  Alt- 
mann sehe  Granulafärbung  leistet.  In  dieser  Richtung  bewegen  sieh 
denn  auch  die  Erwägungen,  welche  Lukjanow  in  seiner  allgemeinen 
Pathologie  der  Zelle  giebt.  Lukjanow  nimmt  für  die  trübe  Schwellung 
eine  Vermehrung  der  Zellgranula  an,  wobei  dieselben  vielleicht 
einen  Teil  ihrer  Eigenschaft  einbüssen,  bezw.  neue  erwerben  können.  Ihrem 
Grundmechanismus  nach  stellt  nach  Lukjanow  die  „albuminöse  körnige 
Metamorphose*'  „eine  gewisse  Modifikation  der  metabolischen  Thätigkeit 
der  Zelle*'  dar,  die  wahrscheinlich  abhängig  ist  von  gewissen  Funktions- 
änderungen im  Kerne. 

Wir  gehen  auf  eine  Kritik  der  rein  theoretischen  Aufstellungen  Luk- 
janows  nicht  weiter  ein,  nachdem  inzwischen  die  von  Lukjanow  auf- 
geworfene Frage  bereits  eine  erste  Beantwortung  in  einer  Arbeit  von 
Schilling  (20)  gefunden  hat,  welcher  die  nach  Unterbindung  einer  Nieren- 


Degeneration.  159 

vene  in  der  anderen  Niere  auftretende  trübe  Scli wellung  mittels  der  Alt- 
mann scheu  Methode  untersuchte. 

Die  Veränderungen  beschränken  sich  auf  die  Tub.  cont.  11.  Ord- 
nung. In  derjenigen  Zellform  derselben,  welche  schon  in  der  Norm  eine 
geringere  Anzahl  Granula  besitzt,  stellt  sich  eine  Herabsetzung  der  Färb- 
barkeit,  eine  Auflösung  der  normal  reihenförmigen  Anordnung  und  eine 
Verminderung  in  der  Zahl  der  Granula  ein. 

Die  zweite,  durch  grösseren  Körnerreichtum  unterschiedene  Zellform 
der  Tub.  cont.  11.  Ordnung  erfährt  eine  Sonderung  der  Granula:  die 
mehr  basal  gelegenen  Granula  verlieren  grösstenteils  ihre  Färbbarkeit  voll- 
kommen, wogegen  die  mehr  central  gelegenen  grossen  Körnchen  ihre  inten- 
sive Färbbarkeit  (noch  nach  96  Stunden  behalten.  Dabei  bleiben  aber  in  den 
basalen  Abschnitten  stäbchenförmige,  blassrot  gefärbte  Gebilde  zurück,  über 
deren  Beziehung  zu  den  normalen  Stäbchen  und  Kömern  sich  Schilling 
nicht  weiter  ausspricht. 

In  beiden  Zellarten  treten  nach  48  Stunden  in  der  Grundsubstanz,  beson- 
ders an  der  innem  Grenze  der  basalen  Stäbchenschicht,  feine  Lücken  *)  vom 
Durchmesser  etwa  eines  mittelgrossen  Granulums  auf,  welche  sich  weiterhin 
noch  beträchthch  vermehren;  da  dieselben  weder  die  Fettreaktion  geben, 
nochauchzu  den  veränderten  Granulis  Übergänge  zeigen,  so  stellt  Schilling 
die  Vermutung  auf,  dass  diese  Lücken  mit  den  für  die  trübe  Schwellimg 
charakteristischen  Körnchen  im  Zusammenhange  stehen.  Jedenfalls  aber 
sind  diese  Eiweisskömchen  nicht  identisch  mit  den  Altmann  sehen 
GranuUs;  mit  dem  Auftreten  der  ersteren  geht  im  Gegenteil  der  Schwund 
der  letzteren  Hand  in  Hand. 

Favre*),  welcher  schon  1892  nach  Unterbindung  einer  Nierenvene 
trübe  Schwellung  in  der  anderen  Niere  konstatierte,  betrachtet  dieselbe  als 
den  Ausdruck  einer  vom  Blute  ausgehenden  Infektion  und  Intoxikation 
der  verbleibenden  Niere. 

Dagegen  betrachtet  Schilling  (welcher  die  Favresche  Untersuchung 
nicht  kannte)  die  trübe  Schwellung  in  seinen  Versuchen  als  ein  Vorstadium 
der  durch  viele  frühere  Versuche  erwiesenen  Hypertrophie  der  einen  Niere 
üach  Exstirpation  der  anderen;  die  trübe  Schwellung  der  Niere  selbst  ist 
ihm  eine  Reaktion  auf  die  Veränderung  der  Blutbeschaffenheit,  ein  Folge- 
zustand der  Überladung  des  Blutes  mit  Harnbestandteilen.  Die  Verände- 
rung der  Epithehen  muss  nach  dem  Verhalten  der  Altmann  sehen  Granula 


1)  Vergl.  die  Angaben  von  Israel  und  Burmeister  (Nekrose  der  Nierenepithelien) 
S-  U7  u.  148. 

*)  Die  Ursache  der  Eklampsie  eine  Ptomatnämie  etc.  Vir  eh.  Arch.  127.  1892.  S.  33. 


160     '  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

als  eine  Degeneration  angesehen  werden,  die  jedoch   die  Lebensfähigkeit 
der  Zellen  nicht  zerstört,  sondern  eine  vollständige  Regeneration  erfährt 

Auffallend  muss  besonders  die  strenge  Lokalisierung  der  Verände- 
rungen der  Altmann  sehen  Granula  in  den  Schilling  sehen  Versuchen 
bleiben,  da  die  „trübe  Schwellung"  wie  sie  für  die  gewöhnlichen  Methoden 
erkennbar  ist,  anscheinend  eine  viel  weitere  Ausdehnung  besitzt.  Es  wäre 
unter  dieser  Voraussetzung  denkbar,  dass  die  von  Schilling  nachgewiesenen 
Vorgänge  in  denTub.  cont.  IL  Ordnung  eigenartiger  Natur  und  mit  der 
trüben  Schwellung  nur  verbunden,  nicht  identisch  sind. 

Femer  erscheint  eine  Fortführung  der  Schillingschen  Versuche  auf  eine 
längere  Periode  notwendig  (Schilling  Hess  seine  Tiere  nur  bis  96  Stun- 
den leben).  Falls  in  der  That  die  trübe  Schwellung  weiter  in  hypertropliiscbe 
und  proliferative  Prozesse  übergeht,  so  wäre  es  von  grösstem  Interesse  zu 
entscheiden,  wie  die  beiden  Arten  von  Vorgängen  sich  zu  einander  stellen : 
ob  die  Hypertrophie  erst  nach  Rückgang  der  trüben  Schwellung  einsetzt, 
oder  sich  direkt  aus  dieser  entwickelt.  Die  Befunde  Schillings  würden, 
sofern  man  sie  als  charakteristisch  für  die  trübe  Schwellung  anerkennt, 
eher  das  erstere  vermuten  lassen  und  alsdaim  keinen  Beweis  gegen  die 
Ansicht  liefern,  dass  die  trübe  Schwellung  als  solche  rein  regressiven 
Charakter  trage. 

Über  die  Veränderungen  der  Kerne,  bei  der  trüben  Schwellung  be- 
sitzen wir  nicht  allzuviele  Notizen.  Benario  giebt  an,  dass  er  fast  immer 
Vergrösserung,  Aufquellung  des  Kernes  beobachtete;  in  gewissen  Stadien 
verschwindet  zuerst  die  chromatophile  Substanz,  sehr  bald  auch  die  farb- 
losen Kernfäden  und  die  Kernmembran.  Lukjanow  (1.  c.  72)  berichtet, 
dass  Tschetweruchin  Erscheinungen  der  morphologischen  und  chemi- 
schen Dekonstitution  am  Kerne  gesehen  habe,  und  wirft  seinerseits  die 
Frage  auf,  ob  nicht  auch  „eine,  hauptsächUch  albuminöse,  kömige  Kern- 
metamorphose" existiere.  Die  thatsächliche  Grundlage  dieser  Vermutung 
bilden  die  Beobachtungen  Auerbachs  über  „polynukleoläre"  Kerne, 
sowie  die  Hermann  sehen  Befunde  in  degenerierenden  Spermatocyten 
—  Bilder,  welche  vorläufig  wohl  besser  unter  die  Vorgänge  der  Karyor- 
rhexis  (Kernwandhyperchromatose)  schlechthin  eingerechnet  werden. 

Statkewitsch  (22),  der  beim  Hungern  trübe  Schwellung,  körnige 
und  fettige  Degeneration  beobachtete,  sah  an  den  Kernen  ausser  der  be- 
reits besprochenen  V^akuolisation  eigentümliche  Veränderungen,  welche  mit 
den  oben  als  Karyorrhexis  beschriebenen  sehr  grosse  Ähnlichkeit  zeigen. 

Im  Muskel  finden  sich  in  den  Kernen  häufig  ziemlich  grosse  Körn- 
chen, die  bald  zerstreut,  bald  in  Form  einer  Kette  liegen;  die  Kemkou- 
turen  können  verschwinden,  das  Chromatin  in  Form  einer  Kette  oder  auch 
grösserer  Schollen   frei   zu   liegen  kommen.     In   der  Niere  (besonders  in 


Physiologische  Degeneration.  161 

<leu  gewundeneu  Harnkanälchen)  treten  schon  früh  an  Stelle  der  Nukleolen 
grössere  Chromatinkömchen  mit  deutlich  ausgeprägtem,  chromatinannem 
Xetzgeflecht ;  weiterhin  lagern  sich  die  Kömchen  der  inneren  Fläche  der 
Kerawand  an.  In  der  zweiten  Hälfte  dos  Hungerns  wird  der  Kern  zu- 
sammengedrückt, undeutlich  etc.,  oder  das  Chromatin  erscheint  zu  einer 
stark  rotgelb  sich  färbenden  Masse  zusammengeballt. 

In  der  Leber  Avurde  ausser  der  Anlagerung  des  Chromatins  an  die 
Kemmembran  auch  ein  Austreten  der  Körnchen  in  den  Zellleib  beob- 
achtet*); in  der  zweiten  Hälfte  des  Hungems  allmähliche  Abnahme  in  der 
Meuge  des  Chromatins. 

Diese  Angaben  von  Statke  witsch  lassen  kaum  einen.  Zweifel  dar- 
über, dass  bei  trüber  Schwellung  die  Prozesse  der  Kernwandhyper- 
ihromatose,  Kemwand- Degeneration  und  Pyknose  vorkommen  und 
liefern  sohin  in  der  That  einen  Beweis  dafür,  dass  diese  Formen  intra 
vitam  wenigstens  beginnen  können;  andererseits  scheinen  sie  dafür  zu 
sprechen,  dass  die  trübe  Schwellung  von  Anfang  an  degenerativen  Cha- 
rakter trage.  Doch  reichen  natürüch  auch  diese  Beobachtungen  nicht  aus, 
am  ein  endgiltiges  Urteil  in  dieser  Richtung  zu  begründen. 

Spezialuntersuchungen  über  fettige  Degeneration  sind  in  den 
letzten  Jahren  nicht  erschienen;  eine  Anzahl  von  Einzelbeobachtungen 
^Tirde  bereits  gelegentlich  erwähnt.  Galeotti  hat  in  Zellen,  welche  in 
fettiger  Degeneration  begriffen  waren,  Teilungsfiguren  gesehen  (s.  u.  S.  64) 
und  dieselben  (imMon.  zoolog.  ital.)  als  einen  Beweis  dafür  angeführt, 
(lass  auch  in  degenerierenden  Zellen  noch  karyokinetische  Prozesse 
eintreten  können.  Näherliegend  scheint  vorderhand  die  Annahme,  dass 
umgekehrt  die  in  Mitose  begriffenen  Zellen  von  der  Degeneration  befallen 
^Tirden;  zum  wenigsten  stimmt  die  genauere  Beschreibung,  welche  Ga- 
leotti von  dem  Vorgang  giebt  (s.  u.),  ebensogut  zu  dieser  Auffassung,  da  die 
mitotischen  Figuren  entsprechend  dem  Grade  der  Fettentartimg  stärkere 
^iw.  geringere  Störungen  zeigen. 

B. 
Physiologische  Degeneration. 

Von 

IL  Schmaus,  München  und  E.  Albrecht,  München. 

Nicht  bloss  unter  pathologischen  Verhältnissen,  sondern  auch  im  nor- 
Doalen  Organismus  findet,  wenn  auch  in  den  einzelnen  Geweben  in  ausser- 
ordentlich wechselnder  Intensität  ein  Abbau  nicht  bloss  der  innerhalb  der 


1)  Wie  schon  früher  von  Ziegler  und  Obolonsky  bei  Phosphorvergiftung.    Zieg- 
lers Beitrage,  ü.  1887. 

Labar  seh-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  U.  11 


162  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Zellen  funktionierenden  lebenden  Substanz,  mit  Erhaltung  der  Zelliii- 
tegrität,  sondern  auch  im  Zugrundegehen  ganzer  Zellindividuen  fort- 
während statt.  Für  die  Epithelien  der  Haut  und  Schleimhäute  ist  dieses 
Verhalten  längst  bekannt;  die  Untersuchungen  Pfitzners  haben  die  bei 
der  Verhornung  eintretenden  Veränderungen  der  Kerne  der  „morpholo- 
gischen Dekonstitution"  (wohl  Hyperchromatose  und  Pyknose)  zuge- 
wiesen; bekannt  sind  auch  die  häufigen  Degenerationen,  welche  man  an 
Leukocyten  antrifft,  und  w^elche  besonders  durch  M.  Heidenhain  ge- 
nauere Untersuchung  erfahren  habe.  In  ihnen,  wie  in  den  meisten  audeni 
der  von  Heidenhain  und  Hermann  beschriebenen  Degenerationsformen 
(Spermatocyten,  Knorpelzellen  der  Ossifikationsgrenze ,  sessile  Knoclien- 
raarkszellen,  'Riesenzellen  des  Knochenmarks  etc.)  handelt  es  sich  zumeist 
um  Varianten  (besonders  auch  in  Kombination  mit  Pyknose)  eines  zu- 
erst von  Flemming  für  die  Epithelien  untergehender  Graafscher  Follikel 
alsChromatolyse  beschriebenen  Vorgangs,  der  seinerseits  mit  der  oben- 
beschriebenen Kernwandhyperchromatose  und  deren  weiteren  Schicksalen 
Verwandtschaft  zeigt.  Das  Chromatin  des  Kerns  sammelt  sich  dabei  in 
Form  meist  grösserer  schalenartiger  Gebilde  (auch  Tropfen  oder  Balken) 
an  der  Kernoberfläche  an,  während  das  Achromatin  die  Form  einer  im 
Kerninnern  gelegenen  Kugel  annimmt;  das  Chromatin  erhält  eine  beson- 
dere Affinität  zu  gewissen  Farbstoffen  (Safranin  etc.)  und  versch\niidet 
schüesslich  durch  Zerfall  und  Lösung;  für  die  Achromatinkugel  hat  Her- 
mann in  degenerierenden  Spermatocytenkernen  eine  Ausstossung  in  den 
ZcUleib  beobachtet.  Durch  die  Untersuchungen  von  Flemming,  Rüge, 
Schottländer,  Paladino,  Löwenthal  ist  weiter  gezeigt  worden,  diu^s 
der  Untergang  einzelner  Eierstockseierund  Graafscher  Follikel  eine  fast 
konstante,  physiologisch  zu  nennende  Erscheinung  darstellt;  sowie  dass 
dabei  noch  mannigfache  Besonderheiten  der  Kerndegeneration  vorkommen 
(Pyknose  etc.)  Aber  auch  an  andern  Orten  ist  das  Vorkommen  einer 
physiologischen  Degeneration  angegeben  worden.  Wie  im  Knochen  ein 
lange  andauerndes  Wechselspiel  von  Zerstörung  und  Wiederanbau  statt- 
findet, so  sucht  Solger  (22)  für  den  Knorpel  den  Untergang  älterer  Ele- 
mente, z.  Teil  unter  Ersatz  durch  neue  Zellen  (so  schon  im  embryonalen 
Knorpel)  wahrscheinlich  zu  machen.  Im  Skleralknorpel  des  Stichlings 
färben  sich  die  untergehenden  Zellen  mit  Methylgrün  nicht  mehr  dunkel, 
sondern  mit  einem  hellgrünen  Ton ;  sie  füllen  die  Knorpelhöhle  nur  mehr 
zum  Teile  aus,  schnüren  Partikel  ab  und  können  ganz  in  Bruchstücke 
zerfallen;  der  frühere  Kontur  der  Zellhöhle  ist  dann  nicht  mehr  zu  sehen. 
Dieser  Untergang  zelliger  Elemente  im  sogenannten  permanenten  Knorpel 
scheint  nach  S olger  „ein  häufiges  und  stetiges  Vorkommnis"  zu  sein. 


Degeneration  von  Mitosen.  163 

Schliesslich  hat  auch  für  die  peripheren  Nerven  Sigmund  Mayer ^) 
schon  1881  zu  erweisen  gesucht,  dass  in  denselben  auch  unter  normalen 
Verhältnissen  eine  Degeneration  von  Nervenfasern  statt  hat;  leider  haben 
seine  Untersuchungen  zwar  Korrekturen  in  Einzelnheiten,  doch  keine  um- 
fassende Nachprüfung  erfahren.  In  den  Muskeln  scheint  gleichfalls  der 
Untergang  (Sarkolytenbildung)  und  Wiederersatz  der  Elemente  ein 
ständiger  zu  sein  (vergl.  Schaffer,  Wiener  akadem.  Sitzungsberichte 
102,  3.  Abt^Uung,  S.  7). 

Begnügen  wir  uns  mit  diesen  fragmentarischen  Hinweisen  auf  ein 
Gebiet,  dessen  Erforschung  für  das  Verständnis  nicht  nur  der  De- 
generationen, sondern  des  Gesamthaushaltes  des  Körpers  von  grosser  Be- 
deutung ist  Es  handelt  sich  dabei  nur  um  Vorgänge  „physiologischer" 
Art,  doch  pflegen  die  Darstellungen  der  normalen  Histologie  aus  nahe- 
liegenden Gründen  denselben  keine,  oder  nur  ungenügende  Berücksich- 
tigung zu  schenken;  die  Kenntnis  dieser  Prozesse  aber  ist,  wie  M.  Hei- 
denhain schon  vor  Jahren  mit  Recht  betonte,  für  den  Histologen  wie 
Pathologen  gleich  unerlässlich ,  und  so  mag  denn  wenigstens  die  vor- 
stehende kurze  Skizze  hier  angefügt  sein. 

C. 

Degeneration  von  Mitosen. 

Von 

H.  Schmaus,  München  und  E.  Albrecht,  München. 

Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  neben  den  durch  die  spezifische  Be- 
s<:hafifenheit  der  verschiedenen  Gewebe  bedingten  Unterschieden,  auch  unter 
Zellen  derselben  Gewebsart  der  jeweilige  Zustand  der  von  degenerativen 
Eiaflüssen  betroffenen  Zellen  sowohl  auf  die  Art  als  die  Intensität  der  ein- 
tretenden Entartung  von  Bedeutung  sein  müsse.  Ein  ziemlich  rohes,  aber 
eben  zur  Zeit  das  einzige  einigermassen  näher  untersuchte  Beispiel  der- 
artiger Sonderformen  der  Degeneration  bieten  die  an  Mitosen 
gesehenen  Untergangsbilder. 

Ich  denke  dabei  zunächst  nicht  an  die  asymmetrischen  Mitosen  und 
ähnliche  Bilder;  dieselben  stellen  zwar  Abweichungen  —  und  meist  wohl 
pathologischer  Art  —  vom  typischen  Gang  der  Mitose  dar,  neigen  wohl 
auch  in  besonderem  Masse  zur  Degeneration ;  aber  sie  sind  an  sich  keine 
eigentlichen  Untergangsformen  der  Karyokinese.  Dagegen  hat  G a  1  e o 1 1 i 
in  anderer  Richtung  wertvolle  Beiträge  zur  Kenntnis  dieser  degenerativen 
Vorgänge  gebracht. 

1)  Über  Vorgänge  der  Degeneration  und  Regeneration  im  peripherischen  Nerveu- 
syj^tem.    Zeitßchr.  f.  Heük.  II,  1881,  S.  154. 

11* 


164  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

An  Carcinomzellen  sahGaleotti  (5)  in  jeder  Periode  der  Mito^je, 
besonders  häufig  an  den  hypochromatischen  Figuren  Entartung  eintreten. 

Der  Vorgang  beginnt  im  Cytoplasma,  welches  zunimmt,  heller,  ftist 
homogen  wird  und  Vakuolen  von  verschiedener  Grösse  zeigt.  Die  Reste 
der  Kemmembran  verschwinden  ganz.  Dann  werden  die  achromatischen 
Fibrillen  der  Spindel  zerstört  und  lösen  sich  die  Chromosomen  auf  oder 
verlieren  sich  im  Zellprotoplasma.  Die  Chromosomen  bleiben  zu  An- 
fang unverändert  und  erhalten  eine  Zeitlang  ihren  Bau;  dann  fangen  sie 
ebenfalls  an  zu  degenerieren,  sich  in  Kömchen  von  verschiedener  Grösse 
zu  teilen  und  sich  nach  Flemming  auf  besondere  Weise  zu  färben.  Das 
Cytoplasma  wird  unter  dem  Druck  der  Umgebung  verkleinert;  die  Chro- 
matinkömchen  vereinigen  sich  jetzt  bisweilen  wieder  zu  unförmigen  Haufen, 
wie  Pfitzner  es  beschreibt.  Schliesslich  verliert  die  Zelle  ihre  Gestalt 
ganz  und  wird  zu  einem  dünnen  Streifen  reduziert.  Die  Chromatinkömcheii 
verschwinden  ganz  und  werden  von  den  Leukocyten  oder  den  umliegenden 
Epithelzellen  aufgenommen  oder  treten  in  die  Intercellularräume  ein,  wo 
man  sie  oft  wieder  finden  kann^). 

Galeotti  (6)  hat  weiterhin  auch  experimentell  Unregelmässigkeiten 
der  Kernteilungen  erzielt,  indem  er  die  Wundlieilung  an  Salamander- 
schwänzen unter  der  Einwirkung  verschiedener  Reagentien  in  wechselnder 
Konzentration  verfolgte.  Er  beobachtete  von  degenerativen  Erscheinungen 
im  wesentlichen  eine  verschieden  starke  Anordnung  der  chromatisclien 
Figuren,  wobei  den  zerstreuten,  schwächer  gefärbten  oder  positiv  oxychro- 
matisch  sich  tingierenden,  auch  in  Form  und  Grösse  mannigfach  veränderten 
Schleifen  ein  Mangel  der  zugehörigen  achromatischen  Fibrillen  entspricht; 
schliesslich  können  die  chromatischen  Fäden  zu  Haufen  verbacken  oder 
im  Zellleib  zerstreut  sein.  Bei  Antipyrinzusatz  fand  Galeotti  eine  Ver- 
änderung der  Kerne,  die  er  „hyaline  Degeneration"  nennt.  Schon 
während  der  Vorbereitung  erscheinen  im  Kern  ein  oder  zwei  Kügelchen 
hyaliner  Substanz,  die  sich  vergrössern,  die  Schleifen  centrifugal  drängen  und 
an  die,  nicht  zum  Verschwinden  kommende,  Kern  wand  anpressen ;  schliess- 
lich werden  die  Streifen  in  amorphe  Haufen  umgewandelt,  welche  immer 
zwischen  der  hyalinen  Substanz  und  der  Kernwand  liegen.  Die  Zellleiber 
zeigten  im  allgemeinen  Schwellung  und  Homogenisation,  besonders  häufig 
Vakuolisation.  Bei  Chininbehandlung  zeigt  sich  fettige  Umwandlung  des 
ausserhalb  und  nach  innen  von  den  schlechter  färbbaren,  aber  leidlich  ge- 
ordneten Schleifen  gelegenen  Cytoplasmas;  erst  bei  stärkerer  Unordnung 
der   Schleifen   dringen   die   Fettkömchen   auch   zwischen   diese   ein.     Im 


1)  .Die  Ursache  dieser  Rückbildung  und  dieser  Chromatolysis  ist  bisweilen  nicht 
erklärlich;  bisweilen  hängt  sie  von  der  Gegenwart  jener  Elemente  ab,  welche  neuerlich  als 
Parasiten  des  Krebses  beschrieben  worden  sind/ 


Degeneration  von  Mitosen.  165 

übrigen  weist  auch  die  Chinineinwirkung  die  oben  genannten  Zellleibs-  und 
Schleifenveränderungen  auf.  Nicht  unerwähnt  mag  schliesslich  bleiben, 
dass  auch  unter  den  asymmetrischen  Mitosen  Hansera anns  in  geringer 
Zahl  sich  derartige  Degenerationsbilder  finden,  ebenso  unter  den  „patho- 
logischen Mitosen",  welche  Hacker  (7)  von  Cyclops- Eiern  beschreibt 
und  dem  bekannten  Befund  Boveris  an  Furchungszellen  von  Ascaris 
megalocephala  sowie  den  Hansemannschen  Figuren  zur  Seite  stellt. 
Nach  Hacker  spalten  sich  manchmal  in  den  somatischen  Zellen  Chro- 
matinpartikel  zur  Zeit  der  Schleifenordnung  im  Äquator  ab ;  sie  liegen  an- 
fangs in  der  ganzen  Kernperipherie,  später  (besonders  auffäUig  im  Dyaster) 
im  Äquator;  im  Dispirem  liegen  sie  einseitig  in  einiger  Entfernung  vom 
Kern,  zwischen  ilim  und  der  an  dieser  Stelle  etwas  eingezogenen  Eiperi- 
pherie.  Aus  einer  Vergleichung  der  Hack  er  sehen  Figuren  ergiebt  sich 
weiter  ein  fast  gänzlicher  Mangel  der  achromatischen  Fäden,  sowie  dichte 
und  fast  homogene  Beschaffenheit  des  nicht  regelmässig  begrenzten  Tei- 
lungsraums in  mehreren  der  pathologischen  Mitosen  (Fig.  3  imd  2),  wäh- 
rend in  Abbildung  4  eine  einfache  (vielleicht  doch  artifizielle?)  Schleifen- 
abspaltung vorUegt.  Es  ist  klar,  dass  diese  Bilder  (und  die  entsprechenden 
boi  Hansemann)  mit  den  asymmetrischen  Mitosen  nicht  zusammenge- 
worfen werden  dürfen,   sondern  wirkliche  Degenerationsformen  darstellen. 


M  Auffällig  ist,  dass  bei  Ascaris  wie  bei  Cyclops  gerade  die  somatischen  Furch« 
uDgszellen befallen  werden,  während  die  Keimzellen,  bezw.  deren  „plurivalente  Mitosen" 
Ton  pathologischen  Einflüssen  frei  zu  bleiben  scheinen:  ein  Umstand,  der  von  Hacker 
auf  eine  besondere  Widerstandsfähigkeit  der  Keimbahnelemente  gegen  äussere  Einflüsse, 
«ntsprechend  der  psychiologischen  Verschiedenheit  der  beiden  Zell-  und  Teilungsarten,  be- 
zogen wird. 


D. 

Glykogendegeneration. 

Von 

O.  Lubaxsch,    Rostock. 

Litteratur. 

1.  Czerny,  A.,  Zur  KenntDis  der  glykogenen  und  Amyloiden  Entartung.  Archiv  f.  exper. 
Pathol.  Bd.  81.  S.  190. 

la.  Driessen,  Untersuchungen  über  glykogenreiche  Endotheliome.  Zieglers  Beiträge 
Bd.  12. 

2.  Ehrlichi  P. ,  Über  das  Vorkommen  von  Glykogen  im  diabetischen  und  normalen 
Organismus.    Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  VI.  1883. 

3.  Gabritschewsky,  Mikroskopische  Untersuchungen  über  Glykogenreaktion  im  Blute. 
Arch.  f.  experim.  Pathologie.  Bd.  28. 

4.  Kleb 8,  Handbuch  der  allgem.  Pathologie.    Bd.  II.  S.  98  ff. 

5.  Külz,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Glykogens.    Festschrift  fUr  G.  Ludwig.  1891. 

6.  Langhans,  Über  Glykogen  in  pathologischen  Neubildungen  und  den  menschlichen 
Eihäuten.    Vir  eh.  Archiv.  Bd.  120.  S.  29. 

7.  Lubarsch,  Über  das  Vorkommen  und  die  Bedeutung  des  Glykogens  in  normalen  und 
patholischen  Bildungen.  Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Rostock. 
1892. 

8.  Derselbe,  Über  den  Nachweis  des  Glykogens.  Centralbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  V. 
S.  861. 

9.  Derselbe,  Beiträge  zur  Histologie  der  von  Nebennierenkeimen  ausgehenden  Nieren- 
geschwülste.     Vir  eh.  Archiv.  Bd.  135.  S.  149. 

9a.  Minkowski,  Untersuchungen  über  den  Diabetes  mellitus  etc.  Arch.  exper.  Pharmakol 
u.  Pathol     Bd.  31. 

10.  Sandmeyer,  Beitrag  zur  patholog.  Anatomie  des  Diabetes  mellitus.  Deutsch.  Arch. 
f.  kHn.  Med.  Bd.  50.  S.  581. 

11.  Trambusti,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  glykogenen  und  hyalinen  Metamorphose  in- 
folge von  Exstirpation  des  Plexus  coeliacus.  Centralbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  III. 
S.  657. 

Der  Begriff  der  Glykogendegeneration,  der  auch  in  die  Lehr-  und 
Handbücher  (Ziegler,  Klebs)  übergegangen  ist,  ist  kein  ganz  klarer  und 
feststehender.     Denn  es  ist  ausserordentlich   schwer  festzustellen,  ob  das 


GlykogendegeneratJon.  167 

Glykogen  dort ,  wo  man  es  findet ,  infolge  einer  Alteration  (Degeneration) 
der  Zellen  entstanden  oder  von  aussen  hinein  gekommen,  infiltriert  ist. 
Und  auch  da,  wo  eine  Ablagerung  des  Glykogens  nicht  gut  angenommen 
werden  kann,  z.  B.  in  Geschwülsten,  ist  es  durchaus  nicht  sicher,  ob  dem 
Auftreten  des  Glykogens  eine  degenerative  Bedeutung  zukommt.  Man 
würde  also  vielleicht  ein  Recht  haben,  zwischen  Glykogeninfiltration  und 
Degeneration  zu  unterscheiden.  Obgleich  hier  nur  das  Auftreten  des  Gly- 
kogens unter  pathologischen  Verhältnissen  dargestellt  werden  soll,  so  muss 
doch  ein  kurzer  ÜberbHck  über  das  Vorkommen  des  Glykogens  unter 
normalen  Bedingungen  gegeben  werden,  um  ein  richtiges  Urteil  über  die 
Bedeutung  der  pathologischen  Glykogenablagerung  zu  erlangen. 

Durch  die  chemische  Untersuchung  kann  Glykogen  in  den  meisten 
Organen  des  erwachsenen  Individuums  nachgewiesen  werden  in  grösseren 
oder  geringeren  Mengen ;  nur  wenige  Organe,  wie  z.  B.  die  Mamma  und  das 
gesamte  Nervensystem  sind  frei  von  Glykogen.  Aber  nur  in  wenigen 
Organen  gelingt  es,  auch  mikrochemisch  Glykogen  aufzufinden,  vorwiegend 
in  der  Leber,  den  Muskeln,  den  Henleschen  Schleifen  der  Nieren  (Ehrlich), 
dem  Knorpel  sowie  den  geschichteten  PlattenepitlieUen  der  Haut  und  Schleim- 
häute (Langhans  (6),  Schiele  *),  sowie  den  Epithelien  des  Fundus  uteri 
(Langhans);  femer  spurweise  im  normalen  Blute,  extracellulär  (Gabrit- 
schewsky).  In  den  Organen  des  Embrj'^os  wird  es  dagegen  fast  überall  auch 
mikroskopisch  in  grossen  Mengen  aufgefunden ;  hier  fehlt  es  nur  im  Nerven- 
system völlig  und  erscheint  in  der  Leber  später,  wie  in  anderen  Organen, 
z.  B.  dem  Darm  und  den  Nieren.  Li  Bezug  auf  die  optischen  und 
morphologischen  Eigenschaften  des  Glykogens  sei  folgendes  hervor- 
gehoben. Optisch  zeichnet  es  sich  durch  seinen  starken  Glanz  und  seine 
Stnikturlosigkeit  aus,  es  gehört  somit  liistologisch  zu  den  „hyalinen''  Sub- 
stanzen (Langhans).  In  welcher  Form  es  auftritt,  ist  noch  strittig.  Ehrlich  (1) 
glaubt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  au  Trockenpräparaten,  dass  esgleich- 
mässsig  in  der  Zelle  verteilt  sei,  in  der  Leberzelle  mit  dem  hyalinen  Para- 
plasma  verbunden,  ebenso  wie  es  auch  in  der  Muskelfaser  nur  in  der 
iüterfibrillären  Kittsubstanz  sich  findet.  Erst  nach  dem  Tode,  wenn  das 
Protoplasma  und  die  noch  zäh  flüssigen  Substanzen  in  Form  von  Kugeln 
ausgepresst  werden,  bilden  sich  die  Körner-,  Kugel-  und  Schollenformen 
aus,  unter  denen  uns  das  Glykogen  erscheint.  Es  ist  aus  diesem  Grunde 
auch  stets  an  einen  besonderen  Glykogenträger  gebunden  und  tritt  nie 
iJlein  für  sich   auf.     Marchand ^)  dagegen   bestreitet  Ehrlichs  Angabe, 


1)  Über  Glykogen  in  normalen  und  pathologischen  geschichteten  Epithelien.   Centralbl. 
f-  ^.  med.  Wissenschaften  1880.  S.  648. 

2)  Geschwulst  aus  quergestreiften  Muskelfasern  mit  ungewöhnlichem  Gehalt  an  Gly- 
kogen.   Virch.  Aich.  Bd.  100. 


168  Allgero.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

dass  das  Glykogen  im  frischen  Zustande  nie  in  Form  von  Tröpfchen  auf- 
trete. Langhans  (6)  kommt  zu  keinem  bestimmten  Urteil;  zwar  fand  er 
es,  auch  wenn  ihm  die  Gewebsstückchen  noch  während  der  Operation  zur 
Untersuchung  tibergeben  wurden,  schon  zum  grössten  Teil  in  scharf  abge- 
setzten Formen ;  aber  er  glaubt  nicht  in  der  Lage  gewesen  zu  sein,  frisch 
genug  die  Untersuchung  vorzunehmen.  Eine  ge\*'is8e  Stütze  für  Ehrlich? 
Anschauung  sieht  er  darin,  dass  oft  das  Glykogen  im  erhärteten  Präparat 
dort  gefunden  wird,  wo  es  vermöge  seiner  Schwere  im  Momente  der  Här- 
tung gelegen  hatte.  Ich  selbst  glaube  auf  Grund  zalilreicher  Untersuchungen, 
dass  Ehrlichs  Ansicht  für  die  überwiegende  Mehrzahl  der  Fälle  richtig 
ist;  sowohl  in  der  Leber,  wie  in  den  weissen  Blutkörperchen,  in  den 
Knorpel-  und  Epithelzellen,  auch  in  vielen  Geschwulstzellen  findet  man  es 
bei  frischer  Untersuchung  gleichmässig  verteilt;  die  Braunfärbung  durch 
Jod  ist  diffus,  Körnchen  und  Kugeln  werden  nicht  sichtbar.  Nur  eine 
sichere  Ausnahme  habe  ich  beobachtet,  nämlich  in  den  granulierten  Leuko- 
c\i:en  des  Eiters;  hier  sah  man  immer  von  vornherein  kleine  Kügelchen, 
welche  die  Glykogenreaktion  gaben,  also  wohl  Glykogen  enthaltende  Z(41- 
grauula  waren.  —  Auf  die  übrigen  Verhältnisse,  die  mikrochemischen  Reak- 
tionen und  die  tinktoriellen  Eigenschaften,  sei  erst  weiter  unten  nälier 
eingegaugen. 

Unter    pathologischen  Verhältnissen   tritt   das    Glykogen   unter 
folgenden  Bedingungen  auf: 

1.  Im  Blute  bei  Vermehrung  des  Zucker-  und  Pep  tongeh  altes  extra- 
cellulär  und  intracellulär  (Gabritschewsky  (3)). 

2.  In  weissen  Blutkörperchen  bei  Eiterungen  und  Entzündungen 
(Ehrlich  (2)). 

3.  In  den  Nierenepithelien  bei  Diabetes  (Ehrlich). 

4.  In  echten  Neoplasmen  (Langhans  (6)). 

ad.  L  Während  im  normalen  Blute  mikrochemisch  (durch  die  Jod  reaktion) 
nur  das  extracelluläre  Glykogen  nachweisbar  ist  (Gabritschewsky) 
oder  doch  an  den  mehrkernigen  Leukocyten  des  Hundeblutes  nur  eine 
sehr  schwache  Glykogenreaktion  ausnahmsweise  erhalten  wird  (Trambusti 
(11)),  kann  unter  patliologischen  Zuständen  der  Glykogengehalt  des  Blutes 
erheblich  gesteigert  werden.  Nach  Gabritschewsky  (3)  steigt  bei  Dia- 
betes mellitus,  wenn  der  Zuckergehalt  des  Blutes  um  das  Doppelte  ver- 
mehrt ist,  der  extracelluläre  Glykogengehalt  um  das  2— 3fache  der  Norm 
•und  auch  innerhalb  einiger  Leukocyten  tritt  bereits  deutlich  die  Jodreak- 
tion ein.  Ebenso  gelingt  es  durch  Fütterung  oder  intraperitoneale  Einver- 
leibung von  Kohlehydraten  und  Pepton  bei  Meerschweinchen  den  Glykogen- 
gehalt der  Leukocyten  bedeutend  zu  erhöhen.  Auch  beim  Menschen  fand  er  in 
2  Fällen  von  Leukämie  in  mehrkernigen  Leukocyten  Glykogen.  Czerny  (I) 


Glykogen'iegeneratioD.  169 

stellte  zunächst  fest,  dass  bei  gesunden  Kindern  die  Leukocyten  des  strömenden 
Blutes  kein  Glykogen  enthalten.  Bei  krankhaften  Prozessen  verschiedenster 
Art  trat  aber  bald  die  Glykogenreaktion  an  den  weissen  Blutkörperchen 
ein.  Besonders  bei  atrophischen  und  anämischen  Kindern,  die  an  den 
Folgen  chronischer  Magen-Dannkatarrhe  litten,  fanden  sich  stets  glykogen- 
haltige  Leukocyten  und  zwar  um  so  reichlicher,  je  weiter  vorgeschritten 
<ler  atrophische  Zustand  war;  dasselbe  fand  sich  bei  kachektischen  Zuständen 
infolge  von  chronischer  Lungen-  und  Knochentuberkulose,  sowie  bei  Kindern, 
<iie  an  langdauemden  Respirationsstörungen  litten  und  endlich  bei  den 
liieisten  Erkrankungen,  die  mit  entzündlicher  Leukocytose  einhergehen. 
-  Auch  experimentell  konnte  Czerny  bei  Hunden  unter  ähnlichen  Beding- 
untren  das  Auftreten  von  glykogenhaltigen  Leukocyten  beobachten.  Schon 
bt'i  einfacher  Abkühlung  erschienen  derartige  Blutkörperchen  im  Blute, 
über  erst,  wenn  die  Temperatur  wieder  anstieg;  Respirationsstörungen, 
Anäniie  und  Eiterungen  hatten  den  gleichen  Effekt  wne  beim  Menschen; 
doch  wirkte  nicht  jede  Gewebsläsion  derartig ;  denn  bei  Phosphorvergiftung 
iiiit  hochgradigen  Verfettungsvorgängen  blieben  die  Leukocyten  unverändert. 
Auch  Trambusti  (11)  konnte  bei  Hunden  eine  starke  Zunahme  des 
Olykogengehaltes  nachweisen  nach  Exstirpation  des  Plexus  coeliacus. 

ad  2.  Bei  Eiterungen  und  Entzündungen  hat  zuerst  Ehrlich 
•2)  Glykogen  in  d^n  ausgewanderten  weissen  Blutkörperchen  gefunden  und 
zwar  bei  Pneumonie,  im  eitrigen  Sputum  von  Phthisikern,  bei  frischer 
Pleuritis,  pyämischen  Abscessen,  Gelenksentzündungen,  Gonorrhoe,  im 
ritrigen  Harn  bei  Nephritis  chronica,  bei  Erysipel  etc.  Diese  Beobachtungen 
>n\(]  ziemlich  allgemein  bestätigt  worden;  Czerny  hat  besonders  für  die 
Tor{>entineiterung  beim  Hunde  den  grossen  und  konstanten  Glykogengehalt 
*:er  Eiterzellen  hervorgehoben  und  es  wahrsclieinlich  gemacht,  dass  die 
KlutkOrperchen  sich  erst  im  Eiterherde  mit  (Hykogen  beladen  und  dann 
i:>  Blut  zurückwandern.  Ehrlich  fand  weiter,  dass  bei  Pneumoniecn  der 
<ilykogengehalt  der  Leukocyten  schon  nach  einigen  Tagen  schwindet  und 
;:]aubt  daher,  dass  nach  einiger  Zeit,  wenn  das  Exsudat  sich  abgesetzt  hat, 
das  Glykogen  wieder  schwindet  und  Langhans  (6)  will  es  so  erklären, 
<!ass  in  den  Leukocyten  von  Tuberkeln  und  Guramaten  Glykogen  stets 
vcrmisst  wird;  da  eben  die  Infiltrationen,  die  wir  in  den  exstirpierten  tuber- 
kulösen oder  syphilitischen  Herden  zu  sehen  bekommen,  nicht  mehr  ganz 
irisch  sind.  Auch  ich  (7)  habe  die  Beobachtung  von  Langhans,  dass  in 
t'i^^erkulösen  und  gummösen  Bildungen  niemals  Glykogen  nachweisbar  ist, 
in  ausgedehnter  Weise  bestätigen  können ;  ob  aber  wirklich  nur  das  relativ 
liohe  Alter  der  entzündlichen  Infiltration  an  dem  Fehlen  dos  Glykogens 
'^'ehuld  ist,  erscheint  mir  zweifelhaft,  nachdem  ich  auch  in  frischen  Infil- 
trationen von  experimentell  erzeugten  Tuberkeln  Glykogen  vermisst  habe 


170  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

(bei  Meerschweinchen  4—6  Tage   nach  der  Impfung  mit  Tuberkelbacilleu- 
reinkulturen). 

ad  3.  Der  ebenfalls  von  Ehrlich  (2)  zuerst  erhobene  Befund  von 
glykogenhaltigen  Nierenepithelien  in  den  Henl eschen  Schleifen  bei  Diabetes 
ist  vielfach  bestätigt  worden;  so  von  Pisenti  und  Acri*),  von  Sand- 
meyer (10),  der  in  einem  Falle  von  Diabetes  auf  100  g  Nieie  0,1158  g 
Glykogen  fand.  Auch  beim  experimentellen  Diabetes  wurde  in  den  Nieren 
Glykogen  gefunden.  Es  liegt  vorwiegend  an  der  Grenze  von  Rinde-  und 
Marksubstanz  imd  in  den  He  nie  sehen  Schleifen;  die  Epithelien  erscheinen 
gequollen,  glasig,  das  Glykogen  ist  gleichmässig  im  Zellprotoplasma  verteilt. 
Gerade  bei  der  Niere  ist  nun  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob  es  sieh 
um  einen  Infiltrations-  oder  Degenerationsprozess  handelt.  Ehrlich  hat 
wenigstens  die  Auffassung,  dass  sich  zu  dem  Infiltrationsprozess  aucli  ein 
wirklicher  Degenerationsprozess  gesellt  und  Strümpell  glaubt,  dass  die 
Umbildung  des  Zuckers  in  den  diabetischen  Nieren  einer  speziellen  Funk- 
tion der  zelligen  Elemente  zuzuschreiben  ist.  Dafür  würden  Versuche  vcn 
Pisenti  sprechen,  der  in  den  Nierenepithelien  Glykogen  nicht  finden 
konnte,  wenn  er  mit  Aceton  vergifteten  Kaninchen  Glykogen  in  die  Jugu- 
laris  einspritzte.  FreiUch  ist  dieser  Versuch  auch  noch  nicht  vollständig 
beweisend,  da  nicht  nachgewiesen  ist,  dass  bei  Kaninchen  mit  gesunden 
Nieren  das  eingespritzte  Glykogen  in  den  Epithelien  zurückgehalten  wird. 
Da  Minkowski  (9a)  nachgewiesen  hat,  dass  Lävulose  bei  diabetischen 
Hunden  in  Glykogen  umgewandelt  wird,  Dextrose  aber  nicht,  so  wäre  es 
denkbar,  dass  in  der  Niere  zunächst  eine  Umwandlung  des  rechtsdrehenden 
Zuckers  in  hnksdrehenden  und  dass  in  den  Epithelien  die  Umwandlung 
in  Glykogen  stattfände.  Nur  wäre  dann  diese  Thätigkeit  an  sich  noch  kein 
Zeichen  der  Degeneration;  es  würde  sich  vielmehr  darum  handeln,  ob  dun*h 
diese  Thätigkeit  nicht  die  Degeneration  der  Zelle  bewirkt  wird  und  ob 
auch  die  Protoplasmateile  in  Glykogen  umgewandelt  werden.  Das  letztere 
scheint  in  der  That  der  Fall  zu  sein,  denn  löst  man  durch  Speichel  das 
Glykogen  auf,  so  erscheinen  die  Epithelien  völlig  homogen  und  leer.  Auch 
Trambusti  (11),  der  nach  Exstirpation  des  Plexus  coeliacus  Glykogenab- 
lagerung  in  der  Niere  beobachtete,  hält  denProzess  für  einen  degenerativeu. 
Er  fand  die  Glykogenentartung  am  stärksten  in  den  gewundenen  Kanälchen, 
ferner  auch,  was  beim  Menschen  nicht  beobachtet  ist,  an  den  Wandungen 
kleiner  Arterien  und  Venen  in  diffuser  Weise.  Die  von  ihm  für  die  dege- 
nerative Natur  des  Prozesses  angeführten  Gründe  sind  mir  allerdings  nicht 
recht  klar  geworden;  denn  die  bald  gleichmässige,  bald  körnige  Verteilung 
des  Glykogens,  wie  er  sie  in  den  Zellen  beobachtete,  könnte  auch  bei  einer 


1)  Pisenti   e   Acri.    Rene   diabetico.     Atti    dell    Acadeniia    di   Med.    e   Chirurgia. 
Perugia  VIl.  1890. 


Glykogendegeneration.  171 

Infiltration  zu  stände  kommen;  ganz  abgesehen  davon,  dass,  wie  oben  an- 
gedeutet, die  körnige  Beschaffenheit  des  Glykogens  erst  eine  postmortale 
Erscheinung  zu  sein  braucht. 

ad  4.  Das  Vorkommen  von  Glykogen  in  Neoplasmen  ist  wohl  zu- 
erst von  E.  Neumann  konstatiert  worden,  der  in  seiner  Arbeit  über  die 
Judreaktion  der  Knorpel-  und  Chordazellen  (Areh.  f.  mikroskop.  Anatomie, 
Band  XIV,  S.  54)  erwähnte,  dass  auch  in  den  Knorpelzellen  der  Enchon- 
drome  Glykogen,  und  zwar  in  vermehrter  Menge,  vorkommt.  Schiele  (1. 
c.)  erwähnte  Glykogengehalt  in  den  von  geschichteten  Epithelien  ausgehen- 
den Carcinomen  und  Marc  band  (1.  c.)  beschrieb  ein  Rhabdomyom  mit 
ungewöhnhch  grossem  Glykogengehalt.  Die  ausführlichsten  Untersuchungen 
über  diesen  Gegenstand  verdanken  wir  endlich  Langhans  (6),  der  bereits 
1887  in  seiner  Arbeit  über  die  Hodentumoren  (in  Kochers  Krankheiten 
des  Hodens,  Deutsche  Chirurgie)  das  nahezu  regelmässige  Vorkommen  von 
Glykogen  in  Hodenkrebsen  und  Adenomen  notierte.  Er  stellte  zunächst 
ftrst,  dass  immer  nur  in  einer  Minderzahl  von  Fällen  in  den  Tumoren 
Glykogen  gefunden  wird;  gerade  in  den  am  häufigsten  vorkommenden 
Xeiihildungen  (der  Mamma,  Haut-  und  Lymphdrüsen)  wird  es  vermisst; 
man  muss  dieses  Ergebnis  wohl  als  ein  sicheres  auffassen,  da  es  sich  auf 
ein  grosses  Material  von  wohl  über  1000  Tumoren  bezieht.  Ich  selbst  habe 
im  grossen  und  ganzen  die  gleiche  Erfahrung  gemacht;  denn,  wenn  ich 
von  den  entzündlichen  Granulationsgeschwülsten  (Tuberkel,  Gummata,  Le- 
prome,  Aktinomykome ,  Lymphome),  in  denen  niemals  weder  von  Lang- 
hans noch  von  mir  Glykogen  gefunden  wurde,  absehe,  konnte  ich  unter 
480  Neubildungen ')  nur  62  mal  mikrochemisch  Glykogen  entdecken,  wobei 
liur  die  Fälle  mitgerechnet  sind,  wo  die  Tumoren  möglichst  umgehend 
nach  der  Operation  zur  Untersuchung  gelangen  konnten.  Dabei  muss  gleich 
bemerkt  werden,  dass  die  Gefahr  der  postmortalen  Zersetzung  und  Lösung 
'les  Glykogens  eine  sehr  verschiedene  ist.  In  Hodenkrebsen  scheint  es 
allerdings  frühzeitig  aufgelöst  zu  werden,  denn  Langhans  vermisste 
es  nur  in  solchen  Fällen,  die  von  aussen  zur  Untersuchung  eingesandt 
waren.  In  Knochensarkomen  trat  mitunter  rasche  Auflösung,  aber 
keine  Zersetzung  ein,  in  Hoden sarkomen,  in  Enchondromen  des  Kno- 
tens und  Knorpelmischgeschwülsten  der  Parotis  und  des  Hodens  hielt 
^s  sich  dagegen  Tage  lang  unverändert.  Nach  meinen  Erfahrungen  tritt 
eine  verhältnismässig   rasche  Auflösung  des  Glykogens  in  den  Cylinder- 


I)  Darunter  allerdings  114  Mammatumoren ,  17  Ovarialtumoren  und  29  Uterua- 
ges^hwülste,  die  nicht  immer  frühzeitig  genug  zur  Untersuchung  gelangten;  ferner  8  Melano- 
sarkome,  in  denen  niemals  Glykogen  vorkommt,  so  dass  nach  Abzug  dieser  Fälle  unter 
'>18  Tumoren  62  mal,  d.  h.  in  ca.  20^/o  Glykogen  gefunden  wurde. 


172  Allgein.  patboJ.  Morphologie  und  Physiologie. 

epitlielien  des  Uterus  und  den  hiervon  ausgehenden  Neubildungen  auf;  in 
Endonietritiden  vermisste  ich  Glykogen  oft  schon  nach  wenigen  Stunden; 
ausserordentlich  resistent  ist  es  dagegen  in  den  angiosarkomatösen  Tumoren 
der  Niere  (9),  die  ich  als  „hypeniephroide"  Tumoren  bezeichnet  habe;  auch 
in  den  meisten  Plattenepithelkrebsen  und  vielen  Sarkomen  ist  es  sel])st 
noch  nach  Tagen  erhalten;  selbst  in  der  Leiche  wird  es  in  Myosarkomen 
der  Niere,  sowie  in  Sarkommetastasen  nicht  angegriffen.  —  Was  nun  das 
Auftreten  des  Glykogens  in  den  verschiedenartigen  Geschwülsten  anbetrifft, 
so  konnte  zunächst  von  Langhans  festgestellt  werden,  und  meine  Er- 
fahrungen stimmen  damit  völlig  überein,  dass  es  in  den  meisten  gutartigen 
Geschwülsten,  vor  allem  in  Fibromen,  Lipomen,  Myxomen,  Osteomen,  An- 
giomen und  Leiomyomen  regelmässig  felilt;  ausserdem  findet  man  es  nur 
ganz  ausnahmsweise  in  den  Tumoren  der  Mamma.  —  Langhans  konnte  es 
dort  einmal,  ich  unter  114  Fällen  keinmal  finden;  vermisst  wird  es  ferner  so 
gut  wie  regelmässig  in  den  Tumoren  des  Magen-Darmkanals  (Langhans 
fand  Imal  Glykogen  in  einem  Carcinoma  recti)  und  der  Eierstöcke.  Ich 
glaube,  dass  man  auch  die  Adenome  zu  denjenigen  Tumoren  rechnen  darf, 
in  denen  Glykogen  nicht  vorkommt.  Denn  die  Hodenadenome,  in  denen 
Langhans  häufiger  Glykogen  fand,  nehmen  eine  ganz  besondere  Stellung 
ein.  Will  man  eine  Einteilung  über  das  Vorkommen  des  Glykogens  in 
Geschwülsten  vornehmen,  so  kann  man  folgende  Fälle  unterscheiden, 
A.  Vorkommen  des  Glykogens  in  solchen  Tumoren,  die  von 
normalerweise  Glykogen  enthaltendenZellen  ausgehen.  B.Vor- 
kommen in  Tumoren,  die  von  glykogenfreien  Zellen  ausgehen. 
—  ad  A.  Hier  kann  man  wieder  2  Fälle  unterscheiden:  a)  Vermehrung 
des  Glykogengehalts.  Sie  wird  am  häufigsten  beobachtet  in  den  Rhabdo- 
myomen  und  Enchondromeu.  Langhans  fand  es  bald  mehr  diffus  über 
die  ganze  Zelle  verbreitet  und  bald  nur  in  einzelnen  scharf  abgegrenzten 
rundlichen  oder  strahlenförmigen  Schollen  in  den  Enchondromen  der  Knochen 
der  Lunge,  Parotis,  der  Knorpelinseln  von  Hodenadenomen  und  im  Netz- 
knorpel der  Aurikularanhänge.  ß)  Verminderung  des  Glykogenge- 
h altes.  Im  Verhältnis  zu  dem  Vorkommen  des  Glykogens  in  den  nor- 
malen Zellen  findet  sich  eine  Verminderung  des  Glykogengehalts  in  den 
von  geschichteten  Plattenepithelien  und  Cyhnderepithelien  ausgehenden 
Tumoren.  Besonders  in  den  Carcinomen  der  Haut  und  des  Uterus,  wo 
normalerweise  reichlich  Glykogen  vorkommt,  findet  sich  Glykogen  meist 
nur  in  geringen  Mengen  vor;  Lang h ans  giebt  sogar  an,  dass  es  in  den 
Ilautcarcinomen  mehr  in  der  Umgebung  des  Krebses,  als  in  den  eigent- 
lichen Krebszellen  vorkommt.  Doch  habe  ich  auch  Fälle  beobachtet  — 
allerdings  nur  2  mal  — ,  wo  in  den  Krebszellen  selbst  reichlich  Glykogen 
vorhanden  war,   so   dass  die  Fälle  sogar  eher  zur  Kategorie  a  gerechnet 


Glykogendegeneration.  173 

werden  können.  Einmal  habe  ich  auch  ein  Carcinom  der  Nasenhöhle  ge- 
sehen mit  sehr  reichlichem  Glykogengehalt.  —  In  den  Uteruskrebsen  und 
denen  der  Portio  und  Vagina  findet  sich,  wie  ich  in  Übereinstimmung  mit 
Langhans  angeben  muss,  nur  sehr  wenig  Glykogen;  in  Vaginalcysten, 
•üe  allerdings  nicht  eigentlich  zu  den  echten  Neoplasmen  gehören ,  fand 
Langhans  dagegen  sehr  viel  Glykogen.  In  manchen  Zellen  scheint  es 
auch  vorzukommen,  dass  das  Glykogen,  das  in  den  normalen  Zellen  vor- 
handen war,  in  den  wuchernden  völlig  schwindet.  So  z.  B.  in  den  Deciduomen 
fe  Uterus*),  in  denen  ich  niemals  Glykogen  fand,  obgleich  doch  in  den 
Deciduazellen  reichlich  Glykogen  vorkommt  (Langhans,  Lubarsch).  — 
ad  B.  Hier  kommen  hauptsächlich  Sarkome  und  Hodentumoren  in  Betracht. 
In  den  Sarkomen  der  Haut  findet  man  nur  selten  Glykogen,  ziemlich  aus- 
nahmslos dagegen  in  gewissen  Knochensarkomen  und  Hoden tumoren. 
Langhans  erwähnt  von  letzteren  in  erster  Linie  Hodencarcinome  und 
•adenome,  während  er  nur  einen  Fall  von  Sarkom  untersuchte,  in  dem 
der  Glykogengehalt  übrigens  nicht  sehr  reichUch  war.  Ich  habe  dagegen 
in  allen  Hodensarkomen  mit  Ausnahme  eines  vereiterten  Fibrosarkoms 
Glykogen  in  geradezu  colossalsten  Mengen  und  gleichmässig  verteilt  ge- 
funden, im  ganzen  in  5  Fällen.  Regelmässig  handelte  es  sich  um  mehr 
oder  weniger  grosszellige  Angiosarkome  oder  wenigstens  perivaskuläre 
Sarkome.  Hodenkrebse  habe  ich  dagegen  überhaupt  nicht  zur  Unter- 
suchung erhalten;  vielleicht  ist  die  Differenz  mit  Langhans  darauf  zu- 
rückzuführen, dass  ich  auch  solche  Tumoren,  die  deutUch  cylindrisehe 
Zellen  enthalten,  als  Sarkome  bezeichne,  wenn  sie  wie  ein  Mantel  den 
'lünnwandigen  Kapillaren  aufsitzen.  —  Unter  den  Knochenneubildungen 
Mud  nach  Langhans  Beobachtungen  besonders  diejenigen  glykogenreich, 
welche  vom  Periost  ausgehen.  Auch  nach  meinen  Erfahrungen  sind  es 
l^auptsächlich  die  perivaskulären  Sarkome  des  Periosts,  die  Glykogen  in 
grossen  Mengen  enthalten,  in  Spindelzellensarkomen  habe  ich  dagegen  nie, 
Langhans  nur  Imal  Glykogen  gefunden.  In  zweifellos  myelogenen 
^Jarkomen  mit  reichlichem  Gehalt  an  Riesenzellen  haben  Langhans  und 
ich  Glykogen  stets  vermisst.  —  Auch  Dri essen  hat  in  perivaskulären 
Sarkomen  des  Knochens  —  er  bezeichnet  sie  als  Endotheliome  —  sehr 
r^'ichlich  Glykogen  nachweisen  können.  Im  Periost  kommt  normalerweise 
l>eim  erwachsenen  Individuum,  wie  auch  Langhans  angiebt,  Glykogen 
nicht  vor.  —  Ganz  besonders  auffallend  ist  das  Vorkommen  von  Glykogen 
in  den  hypemephroiden  Tumoren  der  Niere,  d.  h.  denjenigen  Geschwülsten, 
<lie  von  aberrierten  Nebennierenkeimen  abzuleiten  sind.  Sie  entsprechen 
io  ihrem  Bau  am  meisten  den  perivaskulären  Sarkomen   und  sind  des- 

')  Inzwischen  habe  ich  übrigens  doch  in  einer  Blasenmole  sowohl,  wie  in  einem  Pia- 
c^ntarpolypen,  wenn  auch  spärlich  Glykogen  in  den  Deciduazellen  gefunden. 


174  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

wegen  auch  vonDriessen  als  Endotheliome,  von  de  Paoli^)  und  Hilde- 
brand ^)  als  Angiosarkome  bezeichnet  worden.  Ich  habe  zuerst  nachge- 
wiesen, dass  in  ihnen  so  gut  wie  regelmässig  Glykogen  in  oft  ungeheuren 
Mengen  vorkommt  und  die  Beobachtungen  von  Driessen,  Askanazy^) 
und  Hildebrand  sind  Bestätigungen  hiervon.  —  Von  anderen  Niereu- 
tumoren  seien  hier  nur  noch  die  Angaben  von  Langhans  erwähnt,  der 
Imal  in  einen  Nierenkrebs  Glykogen  in  geringen  Mengen  fand  und  eiii 
Fall  von  mir  (9),  wo  in  einem  MyoHposarkom  der  Niere  sehr  reichlich 
Glykogen  gefunden  wurde.  Neuerdings  habe  ich  ein  ausserordentlich 
grosses  in  Form  multipler  Knoten  auftretendes  Lipoleyomyosarkom  beider 
Nieren  beobachtet,  das  nur  in  minimalsten  Mengen  und  zwar  diffus  im 
Stroma  Glykogen  enthielt  (doch  war  die  Geschwulst  von  aussen  eingesandt, 
kam  also  nicht  ganz  frisch  zur  Untersuchung).  —  Weiter  gehört  liierlier 
noch  eine  Beobachtung  von  mir  (7).  In  einem  Carcinom  der  Highmors- 
höhle fand  sich  Glykogen  in  ganz  ungeheuren  Mengen  vor,  obgleich  doch 
im  Schleimhautepithel  normalerweise  kein  Glykogen  vorkommt.  — 

Welche  Bedeutmig  kommt  nun  dem  Glykogen  in  diesen  verschiedenen 
pathologischen  Zuständen  zu?  Die  Beantwortung  dieser  Frage  würde  erleich- 
tert sein,  wenn  wir  die  Entstehung  des  Glykogens  successive  verfolgen 
könnten  und  darüber  aufgeklärt  wären,  ob  das,  was  wir  als  Glykogen  be- 
zeichnen, überhaupt  als  ein  einheitlicher  Körper  zu  bezeichnen  ist.  Die 
bisher  vorliegenden  Arbeiten  gestatten  nach  dieser  Richtung  kein  klarvs 
Urteil.  Zwar  wissen  wir,  dass  Glykogen  sowohl  aus  Kohlehydraten  im 
Körper  gebildet  werden  kann,  wie  aus  Eiweisskörpern.  Die  Versuche 
Minkowskis  (9a)  zeigten,  dass  selbst  im  diabetischen  Körper  Glykogen 
aus  linksdrehenden  Zuckerarten  gebildet  wird,  und  die  Versuche  Gabrit- 
schewskys  ergaben  das  Resultat,  dass  sowohl  bei  Zuführung  von  Kohle- 
hydraten, wie  bei  Peptoneinführung  in  den  weissen  Blutkörperchen  Gly- 
kogen auftritt.  Aber  die  successive  Art  der  Umwandlung  und  namentlich 
die  Frage,  cb  es  Zwischenstufen  zwischen  dem  Glykogen  und  diesen  Bil- 
dungsstoffen giebt,  ist  noch  nicht  geklärt.  Ehrlich  (2)  hat  allerdings  an- 
gegeben, dass  man  neben  den  Glykogenkörnem  und  -tropfen  gleichartige 
glänzende  Gebilde  in  und  zwischen  den  Zellen  antreffen  kann,  welche  auf 
Jodzusatz  nur  gelb  oder  gelblichbraun  werden,  und  ich  selbst  (7,  9)  habe 
eine  Reihe  von  Thatsachen  gesammelt,  welche  für  den  allmälüichen  Über- 
gang  von   Protoplasmamassen    in    Glykogen    angeführt    werden    können. 


1)  de  Paoli,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  primären  Angiosarkome  der  Kiere.     Zieglers 
Beiträge.  Bd.  8. 

2)  Hilde brand.    Arcb.  f.  klin.  Chirurgie.  Bd.  47. 

^)  Askanazy,  Die  bösartigen  Geschwülste  der  in  der  Niere  eingeschlossenen  Neben- 
nierenkeime.   Zieglers  Beitr.  Bd.  14.  S.  ^3. 


Glykogendegeneration.  175 

Diese  Beobachtungen,  die  unten  noch  näher  angeführt  werden  sollen,  sind 
aber  allein  nicht  beweisend  genug,  so  lange  es  nicht  experimentell  gelingt, 
gleiche  Übergänge  nachzuweisen,  und  das  ist  mir  wenigstens,  trotz  ziem- 
lieh umfangreicher  Versuche,  bis  jetzt  nicht  mit  Sicherheit  gelungen. 
Nachdem  ich  nämlich  im  Gegensatz  zu  allen  bisherigen  Untersuchern  ge- 
funden hatte,  dass  es  gelingt  das  Glykogen  in  bestimmter  Weise  zu  fär- 
ben (mit  einer  Modifikation  der  Weigert  sehen  Fibrinmethode  und  wäs- 
serigen oder  alkoholischen  Jodhämatoxylinlösungen),  hegte  ich  die  Hoff- 
nung, dass  es  gelingen  würde  durch  diese  Methoden,  welche  eine  bequeme 
und  klare  Untersuchung  auch  mit  den  stärksten  Systemen  gestatten,  die 
ttwaigen  Übergangsformen  des  Glykogens  nachzuweisen.  Aber  es  ist  das 
bis  jetzt  noch  nicht  in  deutlicher  Weise  gelungen;  namentlich  habe  ich  bei 
Exi^rimenten  an  Hunden  und  Meerschweinchen  noch  nicht  übereinstim- 
mende Ergebnisse  erhalten,  ob  die  eine  Färbung  eher  auftritt,  wie  die 
andere.  Freilich  schien  es  bei  einigen  Versuchen  an  Hunden  (Terpentin- 
eiterung), dass  die  Gentianaviolettfärbung  in  den  Leukocyten  eher  eintrat, 
als  die  Jodreaktion;  aber  dieses  Verhalten  war  nicht  konstant,  so  dass 
zum  mindesten  noch  weitere,  variierte  und  zahlreichere  Versuche  zur  Ent- 
peheidung  herangezogen  werden  müssen.  Die  Beobachtungen  an  mensch- 
lichem und  tierischem  Material  sprechen  freilich  für  solche  Übergangsstufen 
und  ich  will  hier  nur  anführen,  dass  ich  mehrmals  —  so  in  einem  Carci- 
üom  der  Highmorshöhle,  in  einem  Fall  von  Zungensyphilis  und  in  gekörn- 
ten Zellen  der  Froschniere  —  Körner  nebeneinander  gefunden  habe,  die 
in  ihren  färberischen  Reaktionen  übereinstimmten,  mikrochemisch  aber  — 
im  Verhalten  zum  Speichel  -—  gewisse  Unterschiede  darboten.  —  Ebenso- 
wenig, wie  die  vorhergehende  Frage  ist  die  zweite  zu  beantworten,  ob  es 
verschiedene  Arten  von  Glykogen  giebt.  Was  nach  dieser  Richtung  ange- 
führt werden  kann,  ist  1.  die  verschiedene  Löslichkeit  des  Glykogens  im 
Wasser,  2.  das  verschiedene  tinktorielle  Verhalten.  Dabei  muss  selbstver- 
ständlich vorausgeschickt  werden,  dass  neben  dem  Verhalten  zum  Jod  und 
den  Färbimgen  ausschlaggebend  für  die  Glykogennatur  das  Verhalten  zum 
Speichel  ist,  durch  den  Glykogen  mehr  oder  weniger  rasch,  aber  sicher 
aufgelöst  wird.  —  Was  die  Löslichkeit  des  Glykogens  im  Wasser  anbetrifft, 
so  haben  schon  Ehrlich  (2);  Schiele  und  Langhans  (6)  gewisse  Ünter- 
K-lüede  angegeben.  Leicht  löslich  im  Wasser  ist  das  Glykogen  der  Leber, 
aer  diabetischen  Niere,  der  Eiterkörper,  der  Knochensarkome  und  Hoden- 
tumoren, sowie  der  Muskeln;  schwer  löslich  dagegen  ist  das  Knorpelglyko- 
gen  und  das  der  geschichteten  Epithelien,  das  Ehrlich  geradezu  als  unlös- 
lich bezeichnet.  Doch  bemerkt  Langhans,  dass  auch  das  Glykogen  der 
Epithelien  mitunter  leicht  löslich  sein  kann  und  ich  kann  das  bestätigen; 
^^trsonders  habe  ich  in  einem  Falle  von  Carciuom  der  Highmorshöhle  sehr 


176  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Tby Biologie. 

leicht  lösliches  Glykogen  gefunden;  auch  in  der  Placenta  ist-  die  Löslich- 
keit des  Glykogens  verschieden;  in  den  Deciduazellen  schwer  löslich,  iin 
Amnion  dagegen  leicht  löslich.    Ähnliche  Unterschiede  in  der  Löslichkoit 
finden   sich  auch  in  gleichartigen  Tumoren  vor;   so  war  in  den  liyper- 
nephroiden  Tumoren  die  Niere  das  Glykogen  bald  sehr  leicht,  bald  sehr 
schwer  in  Wasser  löslich.  Aber  diese  Beobachtungen  beweisen  noch  keineswegs, 
dass  es  sich  um  verschiedene  Abarten  von  Glykogen  handelt,  denn  es  kann 
die  verschiedene  Löslichkeit  auch  auf  der  verschiedenen  festen 
Verbindung  zwischen  dem  Glykogen  und  Glykogenträger  be- 
ruhen. Zudem  muss  noch  bemerkt  werden,  dass  es  sich  in  vielen  Fällen 
gar  nicht  um  eine  besondere  Löslichkeit  des  reinen  Glykogens,  sondern  um 
die  leichte  Löslichkeit  der  Jodverbindung  des  Glykogens,  handelt,  d.  h.  erst 
nach  Anstellung  der  Jodreaktion  tritt  die  grosse  Löslichkeit  in  Erscheinung. 
Wichtiger  sind  schon  die  von  mir  gemachten  Beobachtungen,  wonach  aucli 
bei  dem  rein  dargestellten  Glykogen  verschiedener  Herkunft  verscliieden 
grosse  Löslichkeit  in  Wasser  besteht.    So  war  z.  B.  rein  dargestelltes  Gly- 
kogen  aus  der  Froschleber  weniger   leicht  löslich,   wie   solches   aus   der 
Kaninchenleber,  und  dem  ausserordentlich  leicht  löslichen  Glykogen  aus 
dem   oben   erwähnten  Highmorshöhlencarcinom   konnte  sehr  schwer  lös- 
liches aus  einem  Schilddrüsensarkom  entgegengestellt  werden.    Aber  auch 
das  genügt  noch  nicht,  um  einen  chemischen  Unterschied  der  verscliie- 
denen  Glykogene  festzustellen ;  da  eben  doch  schliesslich  das  rein  dargestellte 
Glykogen  stets  in  Wasser  löslich  war,  konnte  die  geringere  oder  grössere 
Löslichkeit  auch  auf  physikalischen  Verhältnissen  beruhen,   um  so  mehr, 
da  die  Reindarstellung  des  Glykogens  nicht  regelmässig  nach  einer  und 
derselben  Methode  erfolgt  war.  —  Das  verschiedene  Verhalten  des  Glyko- 
gens zu  den  von  mir  angegebenen  Färbungsmethoden  beruht  in  manchen 
Fällen  zweifellos  auf  der  verschiedenen  Wasserlöslichkeit;  so  gelang  z.  B. 
an  dem  so  leicht  löslichen  Glykogen  des  Highmorshöhlencarcinoms  nur  die 
Färbung  mit  alkoholischem  Jodhämatoxylin  und  auch  in  der  Kanincheu- 
placenta  wurden  die  leicht  löslichen  Glykogenschollen   bei  Färbung    mit 
wässeriger  JodhämatoxyUnlösung  gelöst,  während  andere  Partieen  sehr  gut 
gefärbt  wurden.    In  anderen  Fällen  dagegen  kann  das  differente  Verhalten 
nicht  auf   diese  Weise  erklärt  werden;   so  versagt  z.   B.  in  den  hyper- 
nephroiden  Tumoren,  trotz  sehr  geringer  Löslichkeit  des  Glykogens,  stets  die 
Jodhämatoxylinreaktion,    Noch  wichtiger  ist  es,  das  auch  das  rein  darge- 
stellte Glykogen  sich  zu  den  verschiedenen  Färbungen  verschieden  verhalt 
unabhängig  von  seiner  Löslichkeit,  so  dass  in  der  That  daraus  Argumente 
für  eine  nicht  vollkommene  Einheitlichkeit  des  Glykogens  genommen  w^erden 
können.    Auch  noch  andere  Beobachtungen  gehören  hierher.    Bütschli 
hat  in  Gregarinen  einen  sich  mit  Jod  bräunenden  Körper  gefunden,  den 


Glykogeodegeneration.  177 

er  anfangs  für  Amyloid  hielt,   dann  aber  als   Paraglykogen  bezeichnete, 
weil  die  chemischen  Reaktionen  es  dem  Glykogen  näher  stellten,  als  dem 
Amyloid.     Ich  (7)  habe  an  denCoccidien  der  Kaninchenleber  gezeigt,  dass 
das  Protoplasma  sowohl  die  Jodreaktion  giebt,   als  auch   die  Gentianafär- 
buDg  und  die  Färbung  der  Russeischen  Fuchsinkörper  annimmt;  bei  der 
Reindarstellung  wurde  dann   auch    ein  Körper  in  Pulverform   gewonnen, 
«lerdurch  verdünnte  Schwefelsäure  in  Zucker  übergeführt  wurde,  aber  keine 
deutliche  Jodreaktion  mehr   gab,   also  dem  Achrooglykogen  Landwehrs 
nahe  steht.     Czerny  (1)  endlich  hat  sogar*  angegeben,  dass  das  Glykogen 
in  den  weissen  Blutkörperchen  bei  Terpentineiterung  auch  die  Amyloid- 
reaktionen  (Jodschwefelsäure-  und  Methylviolettreaktion)  gäbe  und  als  eine 
Vorstufe   des  Amyloids  betrachtet  werden  müsse,   weil  an  die  Terpentin- 
eiterung  bei   Hunden   nach   9—11    Wochen   amyloide   Degeneration    der 
Milz  anschloss.  —  Ich  (9)  habe  angeführt,   dass  es  Fälle  giebt,  in  denen 
die  Russeischen   Fuchsinkörper,   sich  dadurch    dem    Glykogen    nähern, 
dass  sie  bei  Vorbehandlung  mit  Speichel  ihre  Färbbarkeit  nur  im  verringer- 
ten Masse  behalten  oder  sogar  gänzlich  einbüssen  oder  endlich  sich  sogar 
durch  den   positiven   Ausfall  der  Jodreaktion  und    dem    Verhalten  zum 
Speichel  als  echtes  Glykogen  erweisen.     Hierfür  wurden  namentlich  ge- 
wisse gekörnte  Bindegewebszellen    in   den   Nieren   einiger    Winterfrösche 
angeführt,  deren  Granula  1.  die  Jodglykogenreaktion,  2.  meine  Gentiana- 
uud  Jodhämatoxylinreaktion,   3.  die  Russeische  Färbung  gaben.     Dabei 
tiel  auf,   dass  die  Färbung  niemals  ganz  gleichmässig  war,  sondern  neben 
braungelbea  bis  dunkelrotbraunen  Körnern  hellgelbe,  und  neben  blauen  und 
roten  (bei  der  Gentiana-  und  Fuchsinfärbung)  blassere  und  ganz  ungefärbte 
auftraten.  In  Wasser  waren  die  Gebilde  nicht  löslich,  wohl  aber  in  Speichel, 
bis  ich  in  tieferen  Partieen  auch  auf  solche  im  übrigen  sich  völlig  gleich- 
artig verhaltende  Kömer  stiess,  die  auch  im  Speichel  nicht  mehr  löslich 
waren  und  sowohl  die  Jodachwefelsäure-Amyloid-,    wie  die  Gentianaamy- 
loidreaktion   annahmen.  —  Durch   diese  Beobachtungen   wird    die  Frage 
angeregt,   ob  nicht  gewisse  Übergänge  von   den  als  Russe  Ischen  Körper 
bezeichneten  Eiweisskörpem  zum  Glykogen  und  von   dort  zum  Amyloid 
bestehen.     Freilich  muss  dabei  immer  von  neuem  betont  werden,  dass  die 
Cbereinstimmung  bei  gewissen  Färbungen  nicht  eine  chemische  Identität 
oder  auch  nur  Verwandtschaft  beweist,  sondern  dass  nur  neben  der  über- 
einstimmenden   oder  ähnlichen  mikrochemischen  Reaktion    die 
gleiche  Färbbarkeit  ins  Gewicht  fällt.  Nun  harren  aber  besonders  die  Angaben 
Czernys  über  die  Natur  des  in  den  Leukocyten  bei  Terpentineiterung  auf- 
tmenden  Stoffes  und  seine  Beziehungen  zum  Amyloid  noch  der  Bestätigung. 
Ich  selbst  (9)  habe  bei  gleichen   Versuchen  an   den  weissen  Blutkörpern 
zwar  die  Jod-  und  meine  Gentianareaktion,  niemals  aber  die  Amyloidreak- 
Lubarseh-OBtertag,  Ergebnisse  Abteil.  U,  12 


178  Allgern.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

tionen  erhalten,  ebenso  wenig,  wie  ich  bei  fortgesetzter  Terpentineiteruug 
selbst  nach  14 — 16  Wochen,  bei  Hunden  jemals  amyloide  Degeneration 
beobachtet  habe.  —  Aber  selbst  wenn  sich  die  Beobachtungen  vonCzeniy 
öfter  bestätigen  sollten  und  meine  Beobachtungen  durch  reichlicheres  Ma- 
terial ergänzt  w^ürden,  ginge  es  noch  nicht  an,  anzunehmen,  dass  man  es 
mit  verschiedenen  Entwickelungsstufen  eines  chemisch  wohl  charakterisierteu 
Körpers  zu  thun  hat;  es  wäre  vielmehr  wahrscheinlicher,  dass  es  sich 
überhaupt  nicht  um  einen  einzigen  Körper,  sondern  um  Verbin- 
dungen verschiedener  Stoffe  handelt.  Man  würde  dann  die  Be- 
ziehungen des  Glykogens  zu  gewissen  Protoplasmakugeln  dahin  deuten 
müssen,  dass  es  sich  in  ihnen  ablagert  und  eine  mehr  oder  weniger  feste 
Verbindung  mit  ihnen  eingeht;  während  die  Beziehungen  zum  Amyloid 
so  aufzufassen  wären,  dass  bei  ganz  fester  Verbindung  gewisser  Eiweiss- 
körper  mit  dem  Glykogen  die  von  uns  als  Amyloid  bezeichnete  Modifi- 
kation entsteht.  — 

Welche  Bedeutung  das  Auftreten   des  Glykogens  unter  krankhaften 
Verhältnissen  besitzt,  ist  nun  freilich  damit  noch  nicht  festgestellt.     Für 
die  Geschwülste  hat  Langhans  einige  Punkte  berührt,   welche   die   Be- 
dingungen, unter  denen  das  Glykogen  sich  findet,  betreffen.  Dem  Alter  raisst 
er  nur  insoweit  Bedeutung  zu,  als  die  Geschwülste  des  Greisenalters  wenig 
oder  kein  Glykogen  enthalten,  während  die  glykogenreichsten  Tumoren  — 
Hodentumoren  und  Knochensarkome  —  mehr  dem  jugendlichen  und  reiferen 
Alter   eigentümlich    sind;    doch  bilden  die  hypemephroiden  Tumoren  der 
Niere   hiervon    sicher  eine  Ausnahme,  als  hier  gerade  das  höhere  Alier 
bevorzugt  wird.    Unter  11  Fällen  von  Driessen,  Askanazy  undmir  waren 
je  ein  Fall  im  Alter  von  50,  52,  57,  59,  64,  73  und  79  Jahren,  2  im  Alter 
von  54,  und  nur  je  1  Fall  im  Alter  von  34  und  40  Jahren.    Ein  Einfluss 
des    allgemeinen    Ernährungszustandes    und    der    Zusammensetzung    der 
Nahrung    konnte   ebensowenig   festgestellt   werden.  —  Unmöglich   ist   es 
ferner,  das  Auftreten  des  Glykogens  lediglich  als  den  Ausdruck  einer  regen 
Proliferation  zu  betrachten,  wozu  besonders  Kleb s  (4)  geneigt  ist,  der  das 
Auftreten   des  Glykogens   in   wuchernden  Zellen  dem  Glykogenbefund  in 
embryonalen  Geweben    an    die   Seite    stellt.     Denn    sowohl  die  meisten 
Carcinome,    wie  Sarkome,   mit  zum  Teil  enormer  Wachstumsenergie    ent- 
beln-en   völlig   des  Glykogens;    während   ein   Teil   der   glykogenreichsten 
Tumoren,    wie  die  hypemephroiden  Nierentumoren  und  Knochensarkome» 
keineswegs  sich    durch  übertrieben  rasche   und   üppige  Proliferation   aus- 
zeichnen.   Es  haben  dann   weiter  Langhans  und  Askanazy  die   Ver- 
mutung ausgesprochen,  dass  es  nicht  unmöglich  sei,  dass  gerade  die  an 
embryonale  Keime  sich  anschliessenden  Tumoren  besonders  reich  an  Gly- 
kogen wären;  und  ich  habe  mich  dem  angeschlossen  und  bin  geneigt  ge- 


Gly  kogendegeneration.  179 

wesen,  in  dem  Vorhandensein  des  Glykogens,  wenn  man  von  den  Tumoren 
absieht,  die  von  glykogenhaltigen  geschichteten  Epithelien  ausgehen,  geradezu 
den  Ausdruck  der  embryonalen  Abstammung  der  Geschwülste  zu  finden.  Allein 
damit  ist  die  Sache  noch  nicht  erschöpft  und  vor  allem  ist  nicht  der  umgekehrte 
Sehluss  gerechfertigt,  dass  alle  von  embryonalen  Keimen  ausgehenden 
Neoplasmen  glykogenhaltig  sein  müssten;  denn  dagegen  sprechen  1.  alle 
melanotischen  Neubildungen,  2.  die  angebomen  Angiome,  welche  niemals 
(Glykogen  enthalten.  Andererseits  würde  ja  auch  diese  Erklärung  keine 
Anwendung  finden  können  in  den  Fällen,  wo  wir  bei  Entzündungen  und 
Eiterungen,  bei  Nekrosen,  z.  B.  in  Herzinfarkten  (Ehrlich)  Glykogen  an- 
treffen. Hier  weist  vielmehr  alles  darauf  hin  —  und  auch  die  experi- 
mentellen Untersuchungen  Gabritschewskys  und  Czernys  sprechen 
dafür  — ,  dass  der  verstärkte  Gewebs-  insbesondere  der  Eiweisszerfall 
die  Ursache  der  Glykogenbildung  ist  und  hierfür  würde  sich  auch  die  Beobach- 
tung von  mir  verwenden  lassen,  dass  im  leukämischen  Knochenmarke  neben 
anderen  Zerfallsprodukten  Glykogen  vorkommt.  Man  könnte  deswegen 
weiter  fragen,  ob  nicht  auch  bei  den  Geschwülsten  der  neben  der  Gewebs- 
proliferation  wohl  niemals  fehlende  Gewebszerfall  Ursache  der  Glykogen- 
bildung ist;  allein  hiergegen  spricht  die  Thatsache,  dass  gerade  dort,  wo 
der  stärkste  Zerfall  in  Geschwülsten  ist,  Glykogen  völlig  fehlt;  ferner 
auch  die  Beobachtung,  dass  auch  in  ganz  jungen  noch  nicht  zerfallenden 
Metastasen  glykogen reicher  Tumoren  Glykogen  reichlich  vorhanden  ist, 
gleichviel  in  welchem  Organe  die  Metastase  sitzt.  Daraus  ergiebt  sich,  dass 
die  Glykogenbildung  auf  einer  spezifischen  Tliätigkeit  der  Geschwulstzelle 
beruht,  w'elche  allerdings  von  allgemeinen  Faktoren  beeinflusst  werden 
kann;  wofür  die  Beobachtung  Aska na zys  spricht,  dass  mit  zunehmender 
Kachexie  in  dem  Recidive  des  von  ihm  untersuchten  Nierentumors  das 
(ilykogen  schwand.  —  Es  erscheint  aus  allen  diesen  Gründen  erlaubt,  fol- 
gende Hypothesen  über  die  Bedeutung  des  Glykogens  unter  pathologischen 
Bedingungen  aufzustellen. 

1.  Das  Auftreten  des  Glykogens  bei  Entzündungen,  Ei- 
terungen, Nekrosen  etc.  ist  durch  einen  gesteigerten  Gewebs- 
zerfall bedingt. 

2.  Das  Vorkommen  von  Glykogen  in  Neoplasmen,  die 
nicht  von  glykogenhaltigen  Epithelien  abstammen,  weist  auf 
die  embryonale  Abstammung  derselben  hin  und  ist  der  Aus- 
druck eines  veränderten  und  gesteigerten  Stoffwechsels  der 
Zellen. 


12* 


ISO  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

E. 

Die  albnminösen  Degenerationen. 

Von 

O.  Lubarsch»  Rostock. 

Der  BegrifE  der  albuminösen  Degeneration  ist  von  Klebs  (Handbuch 
der  allgem.  Pathologie  Nr.  II  S.  100)  eingeführt  worden.  Er  versteht 
darunter  solche  Ernährungsstörungen,  bei  denen  unlösliche  Eiweisskörpei 
in  den  Geweben  abgelagert  werden  unter  mehr  oder  weniger  grossen 
Funktionsstörungen.  Er  unterscheidet  dabei  drei  Fälle :  l.  Die  celluläre 
oder  protoplasmatische  Degeneration  —  lebendes  Eiweiss  wird  in 
totes  verwandelt.  Prozesse,  welche  der  Nekrose  nahestehen.  2.  Exsuda- 
tive albuminöse  Degeneraton.  Cirkulierendes  Eiweiss  wird  durch 
eine  Art  von  Koagulation  in  ungelöstes  umgewandelt  und  von  den  Cir- 
kulationsbahnen  aus  innerhalb  von  Zellen  und  Zellprodukten  abgelagert, 
wobei  die  Ablagerungsstätten  sich  passiv  verhalten.  3.  Sekretorische 
Form  der  albuminösen  Degeneration.  Die  Zufuhr  der  ungelösten 
EiweissstofEe  geschieht  unter  Einfluss  von  Drüsenzellen.  —  Diese  Ein- 
teilung, welche  vom  Standpunkt  des  Verständnisses  der  Vorgänge  aus  ent- 
schieden Vorteile  bietet,  hat  insofern  Nachteile,  als  man  sehr  eng  zusammen- 
gehörige Prozesse  auseinanderreissen  müsste  —  wie  man  z.  B.  hiernach 
sowohl  bei  der  schleimigen,  als  hyalinen  Degeneration  einzelne  Teile 
unter  die  2.,  andere  unter  die  3.  Kategorie  zu  stellen  gezwungen  wäre. 
Klebs  behält  daher  auch  selbst  in  der  speziellen  Auseinandersetzung  die 
bisherigen  Einteilungen  bei  und  auch  im  folgenden  soll  dies  geschehen. 
Nur  möchte  ich  der  Besprechung  der  mucinösen,  kolloiden,  hyalinen  und 
amyloiden  Degeneration  ein  Kapitel  vorausschicken,  in  dem  zwei  Bildungen 
besprochen  werden,  welche  unter  die  gewöhnlichen  Kategorieen  nur  schwer 
unterzubringen  sind,  am  meisten  aber  noch  dem  sekretorischen  oder  de- 
generativen intracellulär  gebildeten  Hyalin  (Kolloid)  entsprechen. 

» 
a)  Die  Russe  Ischen  Fuchsinkörperchen   und   die  Corpora 

amylacea. 

Litteratur. 

1.  Fox,  W.,  Medical  chirnrgical  Transactions.    Bd.  XLI.  S.  361. 

la.  Goldmann,  Beitrag  zur  Lehre  von  malignen  Lymphom.    CentralbL  f.  allgem.  Pathol. 
Bd.  m.  S.  665. 

2.  Klebs,  Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie.    Bd.  IL 

3.  Elien,  Über   die  Beziehungen   der  Russeischen  Fuchsinkörperchen  zu  den   Alt- 
mann sehen  Zellgranulis.    Zieglers  Beiträge.  Bd.  XL  8.  125. 

4.  Lubarsch,  Über  das  Vorkommen  und  die  Bedeutung  des  Glykogens  in  normalen 
und  pathol.  Bildungen.    Verhandl.  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Rostock   1892. 


AlbumiDöse  Degenerationen.  181 

5.  Lnbarsch.  Beiträge  zur  Histologie  der  von  Nebennierenkeimen  ausgebenden  Nieren- 
geschwObte.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  135.  S.  149. 

6.  May,  Zur  pathologischen  Anatomie  des  menschlichen  Magens.    Sitzungsberichte  der 
GeseUscbaft  für  Morphologie  und  Physiologie  in  München.    1890.  Bd.  5,  6. 

7.  Niehns,  Beitrag  zur  Pathologie  der  Cavemitis  chronica.  Vir  eh.  Arch.  Bd.  118.  S.  161. 

8.  Posner,  Studien  fiber  Steinbildung  II.    Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  16.  S.  144. 

9.  Raum,  über  granuläre  Einschlüsse  in  Geschwulstzellen.    Arch.  f.  mikrosk.  Anatomie. 
Bd.  39.  Heft  1.  S.  137. 

10.  Redlich,  Die  Amyloidkörperchen  des  Nervensystems.  Jahrbücher  f.  Psychiatrie. 
Bd.  10.  Heft  1. 

11.  Rüssel,  Anadress  on  a  characteristic  Organ ism  of  Carcinoma.  Brii  med.  joum.  1890. 
p.  1356. 

12.  Sachs,  Zur  Kenntnis  der  Magendrüsen  bei  krankhaften  Zuständen.  Inaug. -Dissertation. 
Breslau  1886. 

13.  Seifert,  Über  Russeische  Fuchsinkörperchen.  Sitzungsberichte  der  Würzburger 
physikal.-med.  Gesellschaft.  Y.  Sitzung.  3.  März  1894.    Sonderabdruck. 

14.  Siegert,  Untersuchungen  über  die  ,  Corpora  amylacea  sive  amyloidea*.  Vir  eh. 
Arch.  Bd.  129.  S.  513. 

lo  Touton,  Ein  durch  Arsen  geheilter  Fall  von  sogenannter  allgemeiner  Hautsarkomatose 
auf  leukämischer  oder  pseudoleukämischer  Grundlage.  Protozoenähnliche  Gebilde 
(Russe Ische  Eörperchen)  in  den  Hauttumoren.  Münch.  med.  Wochenschr.  1893. 
Nr.  2  u.  3.  Sonderabdruck. 

16.  Derselbe,  Über  Rüssel  sehe  Fuchsinkörperchen  und  Gold  mann  sehe  Kugelzellen. 
Virch.  Arch.  Bd.  132.  S.  427. 

1~.  Derselbe,  Demonstration  von  Gregarinenpräparaten  und  solchen  von  Russe  Ischen 
Körpercfaen.  Sonderabdruck  aus  den  Verhandlungen  des  IV.  deutschen  Dermatologen- 
Kongresses. 

15.  Wichmann,  Die  Amyloiderkrankung.    Zieglers  Beiträge.  Bd.  13.  S.  534. 


Die  Ru  SS  eischen  Fuchsinkörperchen,  die  im  Jahre  1890  von  Rüssel 
als  Sprosspilze  und  Erreger  der  Krebsbildung  beschrieben  wurden,  haben 
das  Schicksal  gehabt,  mehrfach  entdeckt  zu  werden.  Prof.  Langhans 
liat  mich  vor  2  Jahren  brieflich  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  eine 
genaue  Beschreibung  der  Fuchsinkörperchen  sich  bereits  in  der  Arbeit 
seines  Schülers  Niehus  über  die  Cavernitis  chronica  findet.  Hier  wird 
zugleich  auf  eine  Arbeit  von  Sachs  hingewiesen,  welcher  im  Bindegewebe 
der  Magenschleimhaut  namentlich  in  den  oberen  Schichten,  in  Spalten  und 
Lücken  des  Gewebes  glänzende,  rundliche  und  gebuckelte  Körperchen  auf- 
fand, die,  nach  der  Beschreibung  zu  urteilen,  mit  den  Fuchsinkörperchen 
identisch  sein  müssen.  Dieselben  Gebilde  sind  bereits  früher,  wie  ich  einer 
Notiz  v.  Recklinghausens  (AUgem.  Pathologie  des  Kreislaufs,  S.  411) 
entnehme,  von  William  Fox  (1)  als  Hyalinkugeln  in  dem  Bindegewebe 
der  verdickten  Magenschleimhaut  gesehen  worden.  Mir  selbst  waren  die 
glänzenden,  nach  der  Gram  sehen  und  Weigert  sehen  Methode  färbbaren 
Gebilde  bereits  seit  1887  aufgefallen  und  ich  habe  sie  auch  in  meiner 
Arbeit  „Untersuchungen  über  die  Ursachen  der  angeborenen  und  erworbenen 
Immunität"  auf  Seite  116  kurz  beschrieben,  da  ich  ihnen  besonders  häufig 


182  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

in  den  Nieren  von  an  Milzbrand  verstorbenen  Mäusen  begegnet  war.  End- 
lich hat  noch  Goldmann  (la),  dem  vielleicht  die  Mitteilungen  von 
Rüssel  entgangen  waren,  in  einem  Falle  von  malignem  Lymphom  Gebilde 
beschrieben,  die  er  als  „Kugelzellen'^  beschreibt,  da  er  neben  stark  acidophileu 
Kugeln  im  Protoplasma  Kerne  nachweisen  konnte.  Wenn  wir  zunächst  von 
diesen  Befunden  absehen,  müssen  wir  die  Fuchsinkörperchen  folgender- 
massen  charakterisieren:  Es  handelt  sich  um  völlig  homogene,  runde 
Körperchen  verschiedenster  Grösse,  welche  meist  frei  zwischen  den  Zellen 
liegen.  Nach  Klien  (3)  haben  die  kleinsten  einen  Durchmesser  von  etwa 
0,5,  die  grössten  einen  solchen  von  circa  20  Mikren.  Niehus  (7)  giebt 
einen  Durchmesser  von  1  bis  12  ^i  an,  Touton  (16)  erwähnt  Kugeln  bis  zu 
25 /M  Grösse,  May  (6),  Seifert  (13)  machen  keine  Grössenangaben,  eben- 
sowenig Goldmann  (la)  und  Raum  (9),  aus  dessen  Abbildungen  aber 
hervorgeht,  dass  sie  nur  die  mittelgrossen  Gebilde  von  der  Grösse  eines 
roten  Blutkörperchens  gesehen  haben.  Sie  besitzen  fast  immer  einen  be- 
deutenden Glanz  und  namentlich  im  Wasser  untersucht  haben  sie  eine 
gewisse  Ähnlichkeit  mit  Fetttropfen.  Die  grössten  hegen  einzeln  zwischen 
den  Gewebszellen,  die  kleineren  dagegen  in  Gruppen  von  6 — 8,  10,  20—30, 
ja  mehr  Individuen  (Klien,  Niehus,  Touton,  Lubarsch).  Tinkto- 
riell  sind  sie  dadurch  charakterisiert,  dass  sie  sich  sowohl  nach  der  Grani- 
Weigert  sehen  Gentianamethode ,  wie  nach  der  Russe  Ischen  (Karbol- 
säurefuchsin, l®/o  Karbolsäiu'ejodgrün)  intensiv  färben,  und  femer  eine 
besondere  Affinität  zu  sauren  AnilinfarbstofFen  zeigen,  so  dass  sie  bei  An- 
wendung der  Ehrlich-Biondischen  und  Bergonzinischen  Triacid- 
lösung,  sowie  der  van  Giesonschen  Färbung  durch  Säurefuchsin  inten- 
siv gefärbt  werden.  Touton  (16)  giebt  allerdings  für  die  geringe  Anzahl 
der  von  ihm  untersuchten  Fälle  an,  dass  hierbei  die  Pikrinsäiu^färbung 
überwiegt,  Seifert  erwähnt  mit  Recht,  dass  die  van  Giesonsche  Methode 
nicht  immer  ganz  gleichmässige  Färbung  ergab;  auch  ich  kann  das  be- 
stätigen, muss  aber  hinzufügen,  dass  die  Differenzen  wohl  davon  abhängen, 
dass  die  Zusammensetzung  der  Lösung  keine  konstante  ist.  Übrigens 
kommt  es  auch  bei  Anwendung  der  Triacidlösungen  vor,  dass  einzelne 
Körperchen  nicht  durch  Säurefuchsin,  sondern  durch  Orange  gefärbt  werden, 
wie  überhaupt  auch  bei  Anwendung  der  G ramschen  und  der  Russeischen 
Methode  mannigfache  Verschiedenheiten  in  der  Intensität  der  Färbung 
auftreten.  Von  anderen  Tinktionen  sei  noch  hervorgehoben,  dass  nach 
den  Angaben  von  Sachs  (12)  und  Niehus  (7)  bei  den  eigentümlichen 
Gebilden  der  Magenschleimhaut  durch  Färbung  mit  HämatoxyUn-Kali- 
bichromicum  nach  Heide nhain  eine  Schwarzfärbung  eintritt.  Die  Fär- 
bungen mit  anderen  Farbstoffen,  namenthch  mit  Kemfarbstoffen,  sind  sehr 
inkonstant;  Seifert  erwähnt,  dass  sie  durch  Boraxkarmin  schwach  gefärbt 


Albuminose  Degenerationen.  Ig3 

werden,  was  ich  bestätigen  kann.  Eine  Kontroverse  besteht  darüber,  ob 
die  (iebilde  eine  besondere  Hülle  besitzen.  Klien  beschreibt  um  die 
Körperchen  herum  einen  lichten  Hof,  der  nicht  nur  die  einzelnen  Körper- 
eheu umgiebt,  sondern  auch  bei  den  aus  kleinen  Körperchen  bestehenden 
Gruppen  und  Haufen  vorhanden  ist;  und  auch  Niehus  beschreibt  einen 
glashellen,  glänzenden  Saum,  der  bei  den  Kugeln  mittlerer  Grösse  von 
4,5—7  /i  Durchmesser  eine  Breite  von  1  /i  erreicht  und  sich  gegen 
das  gefärbte  Innere  der  Kugel  ziemlich  scharf  absetzt.  Touton  bestreitet 
dagegen  das  Vorhandensein  eines  derartigen  Hofes  und  meint,  dass  dort, 
wo  zwischen  Zellprotoplasmeu  und  den  Kugeln  ein  lichter  Ring  vorhanden 
ist,  es  sich  um  eine  Retraktionserscheinung  postmortalen  Ursprungs  durch 
die  Alkoholhärtung  handelt.  Toutons  Ansicht  ist  nur  dadurch  erklärlich, 
dass  er  die  eigentüchen  frei  liegenden,  nicht  in  Zellen  eingeschlossenen 
Fuehsinkörperchen,  wie  seine  Abbildungen  und  Beschreibungen  ergeben, 
gar  nicht  zu  Gesicht  bekommen  hat.  Bei  den  Gebilden,  die  Rüssel  (11) 
in  erster  Linie  im  Auge  gehabt  hat,  kann  man  sich  oft  von  dem  Vor- 
handensein eines  derartigen  Hofes  überzeugen,  der  auch  im  ungefärbten 
Präparat  bei  Untersuchung  im  Wasser  als  ein  stärker  konturierter  Ring 
auffällt  Dass  der  Hof  nicht  ein  Artefakt  (durch  Alkoholhärtung)  ist,  geht 
auch  daraus  hervor,  dass  er  sich  auch  in  solchen  Präparaten  nachweisen  lässt, 
die  in  Müllerscher  oder  Zenkerscher  Lösung,  Sublimat  oder  Formalin  ge- 
härtet sind.  Was  endhch  die  Gestalt  anbetrifft,  so  stimmen  alle  Untersucher 
darin  überein,  dass  die  Hauptform  die  Kugelform  ist;  nur  Sachs  giebt 
an,  dass  sie  gebuckelt  sind  und  wie  eine  dicht  behaugene  Traube  aussehen 
können,  Touton  (16,  17)  beschreibt  auch  längliche  und  elliptische  Formen; 
May  (6),  dessen  Befunde,  wie  weiter  unten  erörtert  werden  soll,  ebenfalls 
hierher  gehören,  schildert  sie  als  teils  kreisrunde,  teils  ovale  oder  längs 
gestaltete,  homogene,  mattglänzende  Gebilde.  Wenn  man  ein  Urteil  darüber 
ge^-iunen  will,  ob  die  von  verschiedenen  Autoren  beschriebenen  und  nicht 
direkt  als  Russeische  Körper  bezeichneten  Gebilde  zusammengehören  oder 
doch  wenigstens  nahe  mit  einander  verwandt  sind,  so  ergiebt  sich  zunächst 
ein  bereits  vorhin  angedeuteter  Unterschied;  ein  Teil  der  Autoren  (Gold- 
mann, May,  Touton,  Seifert)  beschreibt  nur  die  in  Zellen  eingeschlossenen 
Kugeln,  die  eigentlichen  Goldmannschen  Kugelzellen,  ein  anderer  Teil 
dagegen  (Sachs,  Niehus,  Lubarsch,  Rüssel,  Klien)  berichtet  in  erster 
Linie  über  frei,  nicht  sicher  in  Zellen  eingeschlossene  Gebilde.  Freilich 
hat  auf  der  einen  Seite  Seifert  (13)  ein  Freiwerden  der  Kugeln  durch 
Bersten  der  Zellmembran  beschrieben  und  auf  der  anderen  Seite  glaubt 
Klien  (3)  auch  einen  Teil  der  Kugeln,  an  denen  von  Zellbestandteilen 
nichts  mehr  erkannt  werden  kann,  als  intracelluläre  Gebilde  auffassen  zu 
müssen,  indem  er  die  Fettzellen  zum  Vergleich  heranzieht.   Sachs,  welcher 


184  Allgem.  patho].  Morphologie  und  Physiologie. 

allerdings  auch  Zellbestandteile  in  seinen  Schollen  der  Magenschleimhaut 
nachwies,  glaubt,  dass  die  Kerne  und  Zellfe-agmente  von  eingewanderten 
Leukocyten  herrühren  und  May  (6)  rechnet  die  Kerne,  die  er  fand,  gar 
nicht  zu  den  glänzenden  Gebilden,  welche  er  als  hyaline  Tromben  ansieht, 
sondern  betrachtet  sie  als  Kerne  von  GefässendotheUen.  Es  kann  kaum 
einem  Zweifel  unteriiegen,  dass  auch  die  frei  liegenden  Kugeln  grössten- 
teils aus  den  im  Zellprotoplasma  liegenden  hervorgangen  sind,  namentlich 
deswegen,  weil  es  mitunter  noch  gelingt,  in  typischen  Russeischen  Kör- 
pern einen  Protoplasmasaum  und  einen,  wenn  auch  nur  sehr  schwach  färb- 
baren, Kern  nachzuweisen ;  nur  bei  manchen  in  Bindegewebsspalten  Hegen- 
den länglichen  Gebilden  wird  es  zu  erörtern  sein,  ob  man  sie  nicht  als 
Lymphthromben  betrachten  darf.  Im  übrigen  ist  es  im  einzelnen  nicht 
gut  möglich,  zu  entscheiden,  ob  alle  zu  den  Russelkörpem  gerechneten 
Gebilde  hierher  gehören;  geht  man  auf  die  ursprünglichen  Angaben 
Russeis  zurück,  so  wird  man  z.  B.  die  Angaben  Unnas,  Töröks, 
Vorenheckes  und  Tommasolis  über  hyaline  Degenerationen  des  Epitliel- 
protoplasmas,  die  Seifert  ebenfalls  hierher  rechnet,  ausscheiden  müssen, 
weil  hier  weder  stets  eine  deutliche  Kugelform  noch  die  Anordnung  zu 
mehreren  Paaren  vorhanden  ist;  ob  aber  diese  Dinge  nicht  doch  genetisch 
hierher  gehören,  wird  sich  erst  feststellen  lassen,  wenn  die  Entstehung  der 
typischen  Russeischen  Körper  klargestellt  ist. 

Wo  findet  man  nun  die  Fuchsinkörperchen?  Sachs  (12)  hat  bereits 
hervorgehoben,  dass  die  unter  pathologischen  Verhältnissen  in  der  Magen- 
schleimhaut reichlich  gefundenen  Gebilde  auch  normalerweise  vorkommen ; 
N  ich  US  (7)  hat  sie  in  der  normalen  Glans  penis,  wenn  auch  in  wenigen 
Exemplaren,  einzeln  oder  in  Gruppen  von  2 — 3  Individuen,  Seifert  (13) 
in  der  normalen  Nasenschleimhaut  gefunden.  Klien  (3)  giebt  an,  dass  in 
der  Leber  und  der  Nebenniere  eines  70jährigen  an  Marasmus  senilis  ver- 
storbenen Mannes  reichlich  Fuchsinkörperchen  vorhanden  waren,  obgleich 
andere  als  regressive,  atrophische  Veränderungen  in  den  betreffenden  Organen 
fehlten.  Ich  selbst  habe  bereits  an  verschiedenen  Stellen  (4,  5)  mitgeteilt, 
dass  sie  sowohl  in  normalen,  wie  pathologischen  Bildungen  vorkommen 
und  auf  ihr  Vorkommen  in  deit  normalen  menschlichen  und  tierischen 
Nebenniere  hingewiesen.  Meine  fortgesetzten  Untersuchungen,  die  sich  auf 
ein  sehr  grosses  Material  erstrecken,  haben  folgende  Resultate  ergeben. 
Die  Russe  Ischen  Körper  finden  sich  normalerweise  beim  Menschen:  in 
den  Schleimhäuten  der  Nase,  der  Highmorshöhle,  der  Mundhöhle,  des 
Magens  und -Darms,  der  Urethra,  Harnblase  und  des  Endometriums,  m 
den  Lymphknoten,  Tonsillen  und  Milz,  den  Nieren,  dem  Gehirn  und  Rücken- 
mark. Hier  sind  sie  allerdings  nicht  regelmässig,  aber  bei  genügender 
Ausdauer  doch  meistens,  wenn  auch  in  geringer  Anzahl,  nachzuweisen; 


Albaminöse  Degeneration.  Ig5 

vermisst  habe  ich  sie  bis  jetzt  in  der  Leber,  den  Lungen,  dem  Herzfleisch 
und  der  Speiseröhre.  Wo  sie  normalerweise  gefunden  werden,  liegen  sie 
stets  deutlich  extracellulär  und  meist  zu  mehreren  Exemplaren  vereinigt. 
Bei  Tieren  ist  das  Vorkommen  nicht  so  regelmässig,  so  habe  ich  sie  bei 
Kaninchen  und  Meerschweinchen  im  gesamten  Magendarm traktus  fast  immer 
vennisst,  dagegen  in  Lymphknoten,  Gehirn,  Rückenmark  imd  Niere  meistens 
gefunden.  Bei  Fröschen,  Salamandern,  Schildkröten  und  Blindschleichen 
kommen  sie  auch  im  Darmkanal,  seltener  in  der  Milz,  vor.  Diese  verschie- 
denen Ergebnisse  legen  die  Frage  nahe,  ob  wir  in  der  That  behaupten 
dürfen,  dass  sie  bereits  unter  ganz  normalen  Verhältnissen  vorkommen. 
Es  ist  auffallend,  dass  sie  beim  Menschen,  wo  wir  doch  das  Untersuchungs- 
niaterial  von  Leichen  oder  von  Menschen  erhalten,  die  irgend  einen  krank- 
haften Prozess  an  sich  haben,  so  viel  häufiger  gefunden  werden,  als  bei 
Tieren,  die  wir  in  vollster  Gesundheit  zum  Zweck  der  besonderen  Unter- 
suchung töten  können.  Man  könnte  daher  wohl  die  Meinung  vertreten, 
dass  das  Vorkommen  von  Russeischen  Körpern  stets  der  Ausdruck  einer 
gewissen  Alteration  des  Individuums  sei;  jedenfalls  können  wir  aber  mit 
Sicherheit  feststellen,  dass  sie  beim  Menschen  mit  einer  gewissen 
Regelmässigkeit  auch  in  solchen  Geweben  angetroffen  werden, 
die  irgend  welche  pathologischen  Veränderungen  sonst  ver- 
missen lassen,  d.  h.  es  würde  dabei  die  lokale  Intaktheit  betont  werden, 
ohne  bereits  zu  präjuduzieren,  ob  es  sich  nicht  doch  um  eine  Ablagerung 
von  Substanzen  handle,  die  erst  bei,  wenn  auch  geringfügigen,  Störungen 
entstehen.  —  Einen  ausführlichen  Überblick  über  die  einzelnen  krankhaften 
^'e^ände^ungen  zu  geben,  bei  denen  sie  in  grösserer  Anzahl  auftreten,  ist 
kaum  nötig.  Denn  man  kann  feststellen,  dass  es  kaum  einen  Prozess  giebt. 
Im  dem  sie  vermisst  werden.  Rüssel  (11)  hat  freilich  angegeben,  sie 
zwar  unter  45  Carcinom fällen  43 mal,  sonst  aber  nur  ganz  ausnahmsweise 
(in  einem  Ulcus  crxuis,  Gelenktuberkulose,  Kehlkopfssyphilis,  Gumma  der 
Dura  mater,  Mammaadenom)  gefunden  zu  haben ;  aber  die  weiteren  Unter- 
suchungen haben  das  nicht  bestätigt.  Klien  fand  sie  in  Sarkomen,  Carci- 
nomen,  Adenomen,  bei  Tuberkulose,  in  atrophischer  Nebenniere,  Leber  und 
Lunge,  Niehus  bei  Cavernitis  chronica,  Sachs  bei  verschiedenen  patho- 
lo^schen  Zuständen  des  Magens,  Touton  und  Gold  mann  bei  Lympho- 
sarkomatose,  ersterer  auch  noch  in  Carcinomen,  Seifert  bei  allen  akuten 
und  chronischen  Entzündungen  der  Nasenschleimhaut,  in  syphilitischen 
und  tuberkulösen  Bildungen,  in  hypertrophischen  Gaumen-  und  Rachen- 
tonsillen,  in  Schleimpolypen  der  mittleren  Muschel,  während  sie  dagegen 
iu  mehreren  bösartigen  Tumoren  des  Nasen-  und  Rachenraumes  vermisst 
wurden;  endlich  hat  nach  einer  Angabe  von  Klien  Birch-Hirschfeld 
Hv  besonders   reichUch  bei  den  verschiedensten  sypliilitischen  Bildungen 


Igg  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

gefunden  und  Oornil  und  Alvarez  (Archives  des  physiologie,  1885,  Tom. 
6,  S.  24  und  25)  haben  beim  Rhinosklerom  in  Zellen  eingeschlossene  kugelige 
Gebilde  beschrieben,  die  zweifellos  hierher  gehören.  —  Da  durch  diese  Über- 
sicht schon  fast  alle  pathologische  Prozesse  erschöpft  sind,  so  will  ich  aus 
meinen  sich  auf  ca.  2000  Präparate  erstreckenden  Erfahrungen  nur  das 
anführen,  was  zur  Ergänzung  dienen  kann.  Ich  habe  sie  noch  gefunden 
in  Papillomen  der  Haut  und  Schleimhäute,  in  Fibromen  des  Zahnfleisches 
(Epuhs),  in  Adenomen  der  Niere  und  Leber,  bei  Leukämie,  Pseudoleukämie 
und  Typhus  in  den  lymphatischen  Neubildungen  der  Niere,  Leber-  und 
Lymphknoten,  bei  Leukämie  auch  im  Knochenmark,  bei  experimentell  er- 
zeugter Nierenentzündung,  bei  akuter,  subakuter  und  chronischer  Nephritis 
des  Menschen,  bei  glandulärer  Endometritis,  in  Myomen  des  Uterus  und 
Magendarm traktus ,  bei  atrophischen  Zuständen  des  Gehirns,  sowie  in  der 
Nähe  von  Erweichungsherden  und  Tumoren,  in  akuten,  eitrigen  und 
chronischen  Entzündungen  des  Pankreas,  bei  sämtüchen  pathologischen 
Prozessen  des  Magens,  die  ich  zur  Untersuchung  erhielt  und  besonders 
reichlich  in  den  verschiedensten  aktinomykotischen  Granulationen.  —  Hier- 
bei ist  noch  zu  bemerken  —  und  das  bezieht  sich  nicht  nur  auf  meine 
Erfalirungen  —  dass  sie  bei  allen  den  Prozessen,  wo  man  sie  antrifft,  durch- 
aus nicht  konstant  gefunden  werden,  d.  h.  man  findet  sie  z.  B.  sehr  häufig 
in  Carcinomen  und  Sarkomen,  bekommt  aber  auch  hier  und  da  solche  zur 
Untersuchung,  in  denen  sie  vermisst  werden.  Häufig  finden  sie  sich  bei 
den  genannten  pathologischen  Prozessen  in  wahrhaft  ungeheuerer  Menge, 
immer  sind  sie  reichlicher  vorhanden,  als  unter  normalen  Verhältnissen. 
Welcher  Natur  sind  nun  die  Fuchsinkör perchen ?  Die  Ansicht  Rus- 
seis (11),  dass  es  sich  um  Sprosspilze  handle,  kann  füglich  übergangen 
werden,  nachdem  besonders  Klien  (3)  sie  eingehend  widerlegt  und  damit 
allgemeine  Zustimmung  gefunden  hat.  Touton,  der  sie  anfangs  (15)  für 
Sporozoen  hielt,  hat  sich  dann  weiter  (16,  17)  der  Mühe  unterzogen,  diffe- 
rentialdiagnostische Merkmale  zwischen  ihnen  und  Protozoen  aufzufinden. 
Er  giebt  darüber  folgendes  an:  die  Sporozoenkugeln  nähmen  mit  Vorliebe 
die  Kernfarbstoffe  an  und  verhielten  sich  gegen  saure  AniUnfarbstoffe  ab- 
lehnend, während  sich  die  Russeischen  Körper  umgekehrt  verhielten; 
auch  wäre  bei  den  Sporozoen  doch  wenigstens  eine  Andeutung  von  Keru 
vorhanden,  bei  den  Coccidien  läge  der  relativ  kleine  Kern  stets  in  der  Mitte 
der  rundlichen  oder  ovalen  Zelle,  während  gerade  bei  den  Kugelzellon  der 
oder  die  Kerne  —  denn  es  kommen  auch  2—3  vor,  was  bei  Protozoen 
ebenfalls  nicht  beobachtet  wird  —  an  die  Peripherie  der  Zelle  gedrängt 
wäre.  Diese  von  Touton  angegebenen  und  demonstrierten  Unterschiede 
ti*effen  thatsächlich  nur  während  bestimmter  Entwickelungsstadien  der 
Sporozoen  zu,  während  es  namentlich  bei  den  Coccidien  des  Kaninchens 


Albaminöse  Degeneration.  Ig7 

und  gewissen  im  Salamaiiderdarm  vorkommenden  Protozoen  Stadien  giebt, 
wo  eine  grosse  Übereinstimmung  herrscht;  das  ist  nämlich  der  Fall,  wenn 
der  Goccidienleib  mit  Paraglykogenkömem  vollgepfropft  ist  —  letzere, 
welche  als  mehr  oder  weniger  grosse  Kugeln  von  etwa  4— 5  /i  Durch- 
messer auftreten,  füllen  den  grössten  Teil  der  Coccidienzelle  an  und  drängen 
den  Kern  an  die  Seite  und  wenn  man  sich  nur  auf  morphologische  Kri- 
terien einlassen  wollte,  könnte  während  dieses  Stadiums  thatsächlich  eine 
Verwechslung  mit  Fuchsinkörperchen  stattfinden,  die  natürlich  bei  genauerem 
Studium  der  Entwickelung  völlig  ausgeschlossen  ist.  Nach  dieser  Richtung 
ist  auch,  worauf  auch  Touton  (16)  aufmerksam  macht,  die  Lagerung  der 
Russe  Ischen  Körper  von  Wichtigkeit.  Diese  liegen  frei  im  Bindegewebe 
und  dessen  Spalten,  während  die  Sporozoen  intracelluläre  Parasiten  sind. 
Nach  Klien  (3)  liegen  die  Körperchen  in  Geschwülsten  vorzugsweise  in 
dem  Grenzgebiet  zwischen  Geschwulst-  imd  Muttergewebe  und  in  letzterem 
selbst;  das  tritt  namentlich  in  Sarkomen  deutlich  hervor,  während  in  Carci- 
nomen  sowohl  in  dem  kleinzellig  infiltrierten  Gewebe,  wie  den  Krebszellen 
selbst,  die  Körperchen  vorkommen.  —  In  Bezug  auf  die  Deutung  der 
Gebilde  stehen  sich  im  w^esentüchen  folgende  Anschauungen  gegenüber. 
Touton  hält  die  in  Bindegewebszellen,  vielleicht  auch  in  wandernden 
Leukocyten  vorkommenden  Kugeln  für  aus  dem  Blute  hervorgegangen  und 
zwar  aus  einer  in  den  Blutgefässen  vorhandenen,  homogene  („hyaline**) 
Thromben  bildenden  Substanz.  May  (6)  erklärt  die  von  ihm  in  der  Magen- 
schleimhaut bei  Carcinom,  Lungentuberkulose  und  chronischem  Herzleiden 
gefundenen,  excentrische  Kerne  besitzenden  Gebilde  schlechtliin  für  hyaline 
Thromben  der  Schleimhautkapillaren.  Sachs  (12)  dagegen  hat  eine  Identi- 
fizierung mit  dem  v.  Recklinghausenschen  Hyalin  abgelehnt,  weil  sie 
sieh  auch  mit  basischen  Farbstoffen  tingieren  lassen;  ebenso  hat  er  eine 
Entstehung  aus  Kernen,  welche  Redlich  (10)  bei  seinen  zweifellos  hierher 
gehörigen  „Corpora  amylacea"  des  Centralnervensystems  annimmt,  abgelehnt ; 
er  glaubt,  dass  es  sich  um  ein  Produkt  der  Gewebsflüssigkeit  handelt,  wo- 
bei zu  einem  anfänglichen  Gerinnungsprozess  ein  degenerativer  hinzutrat. 
Niehus  hat  sich  aller  Hypothesen  über  die  Natur  der  Körperchen  ent- 
halten und  nur  festgestellt,  dass  sie  nicht  gut  in  einem  thatsächlichen  Zu- 
sammenhang zu  der  Entzündung  stehen  könnten,  da  sie  ja  auch  im  nor- 
malen Gewebe  vorkommen;  vielmehr  schienen  andere  chronische  Reize 
einen  Einfluss  auf  ihre  Vermehrung  zu  besitzen.  Seifert  und  Klien 
sind  dagegen  der  Meinung,  dass  es  sich  um  eine  eigenartige  Umwandlung 
^es  Zellprotoplasmas  handelt.  Seifert  bezeichnet  diese  Degeneration 
schlechthin  als  hyaline  und  glaubt  zwei  Entwickelungsstadien  annehmen 
zu  müssen.  Einmal  bilden  sich  von  Anfang  an  im  Protoplasma  nahezu 
gleich  grosse  Kügelchen,  die  schliesslich   die  ganze  Zelle  ausfüllen,  sich 


188  Allgem.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

durch  gegenseitigen  Druck  abplatten  und  durch  Bersten  der  Zelhnembran 
frei  werden  können.  Im  anderen  Fall  bilden  sich  im  Protoplasma  nur 
einzelne  verschieden  grosse  Kügelchen,  welche  allmählich  grösser  werdend 
konfluieren,  so  dass  nur  eine  sehr  grosse  homogene  Masse  die  Zelle  aus- 
füllt; auch  diese  Massen  können  durch  Bersten  der  Zellmembran  frei  wer- 
den und  dann  nach  Seiferts  Meinung  resorbiert  werden.  —  Klien  hat 
die  Meinung  vertreten,  dass  die  Fuchsinkörperchen  nichts  anderes  sind,  als 
veränderte  Altmannsche  Granula  und  zwar  solche,  welche  durch  Fett- 
assimilation sich  vergrössert  haben.  Als  Stütze  dieser  Ansicht  führt  Klien 
eine  Reihe  von  Fällen  an,  in  denen  er  auch  nach  der  Altmann  sehen 
Methode  zur  Darstellung  der  Zellgranula  untersuchen  konnte  imd  eine 
völlige  Übereinstimmung  zwischen  den  Fuchsinkörpercheji  und  durch  Fett- 
aufnahme vergrösserten  Granulis  auffand.  Freilich  war  es  durchaus  nicht 
immer  möglich,  eine  derartige  Übereinstimmung  nachzuweisen,  und  nament- 
lich in  einem  Lymphosarkom  waren  viel  mehr  Fettgranula  (die  sich  durch 
Osmiumsäure  schwärzten)  vorhanden,  als  Fuchsinkörperchen.  Da  fenier 
bei  Härtung  in  Müll  er  scher  Flüssigkeit  mehr  Fuchsinkörperchen  sichtbar 
werden,  als  bei  Alkoholhärtung,  so  glaubt  Klien,  dass  man  es  in  der  That 
bei  den  Fuchsinkörperchen  mit  einer  Fettverbindung  zu  thun  hat,  welche 
eine  Vorstufe  der  Assimilation  der  Neutralfette  darstellt. 

Von  den  angeführten  Ansichten  ist  es  leicht,  die  von  Touton  und 
May  zu  widerlegen.  Toutons  Meinung  stützt  sich  auf  die  in  wenigen 
Fällen  gemachte  Beobachtung,  dass  in  den  Blutgefässen  rundliche  und 
unregelmässig  geformte  (korall enstockähnliche)  Massen  vorhanden  waren, 
die  sich  durch  die  Russe  Ische  Färbung  ebenfalls  rot  tingierten,  so  dass 
namentlich  die  kugelförmigen  Massen  schwer  von  den  eigentlichen  Russel- 
körpern  unterscheidbar  waren.  Weim  selbst  diese  Beobachtungen  häufiger 
eintreffen  sollten,  als  es  der  Fall  ist,  wäre  es  keineswegs  erlaubt,  die 
glänzenden  Kugeln  in  Bindegewebszellen  aus  dem  Blute  abzuleiten;  son- 
dern es  würde  —  vorausgesetzt,  dass  nicht  nur  in  der  Färbung,  sondern 
auch  im  mikrochemischen  Verhalten  völlige  Übereinstimmung  konstatiert 
werden  könnte  —  höchstens  der  Schluss  erlaubt  sein,  dass  die  an  ver- 
schiedenen Stellen  gefundenen  Substanzen  auf  die  gleiche  Art  entstanden 
wären.  Nun  bekommt  man  aber,  wie  Seifert  schon  mit  Recht  anführt 
und  wie  ich  auf  Grund  meiner  ausgedehnten  Untersuchungen  bestätigen 
kann,  sehr  häufig,  ja  meistens  Russeische  Körper  zu  sehen,  ohne  die 
von  Touton  beschriebenen  Veränderungen  des  Blutgefässinhalts ;  auch  ist 
es  keineswegs  richtig,  dass  gerade  Cirkulationsstörungen  und  Alteration 
der  Blutbeschaffenheit  die  Bildung  der  Kugeln  begünstigen,  wie  schon  daraus 
hervorgeht,  dass  sie  auch  unter  normalen  Verhältnissen  häufig  beobachtet 
werden.    Ob  femer   die  in  den  Blutgefässen  liegenden  Kugeln  überhaupt 


Albuminuse  Degeneration.  Ig9 

bereits  intravitale  oder  erst  postmortale  Bildungen  sind»  ist  äusserst  zweifel- 
haft; namentlich  die  auf  Toutons  Fig.  9  abgebildeten  Kugeln  scheinen 
mir  einfach  frei  gewordene  Hämoglobinkugeln  zu  sein,  die  ja  bekanntlich 
saure  AnilinfarbstofEe  ebenfalls  begierig  aufnehmen.  —  Mays  Anschauung 
wird  nach  meiner  Überzeugung  dadurch  widerlegt,  dass  1.  regelmässig  in 
den  Gebilden  ein  Kern  nachzuweisen  ist,  den  May  freilich  für  den  Kern 
einer  KapiUarendothelzelle  hält.  Wenn  das  der  Fall  wäre,  müsste  es  doch 
möglich  sein,  auch  noch  an  der  gegenüberliegenden  Seite  einen  Kern  zu 
finden,  was  mir  nie  gelungen  ist;  2.  durch  die  Form  der  glänzenden  Ge- 
bilde; sie  sind  durchaus  nicht  immer  länglich  (der  Form  der  Kapillaren 
entsprechend),  sondern  häufig  gebuckelt,  aus  mehreren  Kugeln  zusammen- 
gesetzt; 3.  kann  man  neben  ihnen  mitunter  deutlich  die  gefüllten  Kapillaren 
zur  Darstellung  bringen;  4.  sind  sie  mit  den  hyalinen  Thromben  v.  Reck- 
linghausens und  von  Openchowskis  keinenfalls  identisch,  da  diese 
nicht  nur  in  den  Schleimhautkapillaren,  sondern  auch  in  grösseren  Gefässen 
gefunden  wurden,  deren  Wandungen  selbst  hyaUn  degeneriert  waren;  5.  habe 
ich  namentlich  in  Carcinomen  des  Duodenum  und  Pankreaskopfes  die  gleichen 
Gebilde  nicht  nur  an  der  Oberfläche  gefunden,  sondern  auch  zwischen 
Epitheüen  eindringend  nachweisen  können,  so  dass  kein  Zweifel  besteht, 
dass  es  Wanderzellen  sind.  —  Freiüch  muss  ich  zugeben,  dass  mitunter 
eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  hyalinen  Kapillarthromben  vorhanden  ist  und 
dass  es  wohl  möglich  ist,  dass  ein  Teil  unserer  Gebilde  Kapillar-  oder 
Lymphthromben  sind.  —  Am  meisten  Beachtung  verdient  wohl  die  Auf- 
fassung Kliens,  der  ich  mich  insofern  anschliessen  kann,  als  es  mir 
zweifellos  erscheint,  dass  die  eigentlichen  Fuchsinkörperchen  nicht  aus  dem 
Blute  oder  dem  Saftstrome  abgelagerte  Substanzen,  sondern  Zellprodukte 
sind.  Auch  das  ist  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass  wenigstens 
ein  Teil  derselben  veränderte  Zellgranula  sind.  Ausser  durch  die  Beob- 
achtungen Kliens  wird  das  sichergestellt  durch  meine  in  der  Arbeit 
meines  Schülers  Burmeister*)  näher  angeführten  Beobachtungen  über 
die  durch  chromsaures  Ammoniak  erzeugte  Nephritis.  Hier  Hess  sich 
einerseits  feststellen,  wie  mit  zunehmender  Degeneration  derNierenepithelien 
die  Zellgranula  durch  Konfluenz  sich  vergrössern  und  dann  als  grössere 
Kugeln  aus  den  Zellen  hervortreten,  andrerseits,  dass  sie  die  gleichen  färberi- 
^•lien  Reaktionen  annehmen,  wie  Fuchsinkörperchen  und  schliesslich  zu 
grossen  Ballen,  die  hyalinen  Nierencylinder  verschmelzen.  Ein  zweiter 
^vichtiger  Punkt,  der  mir  dafür  zu  sprechen  scheint,  dass  es  sich  wesent- 
lich um  chemische  imd  physikalische  Veränderungen  bereits  präexistierender 


1)  Burmeister,  Beiträge  zur  Histologie  der  akuten  Nierenentzündungen.    Vir  eh. 
Arch.  Bd.  137. 


190  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Granulationen  handelt,  ist  die  von  den  meisten  Untersuchern  notierte  That- 
Sache,  dass  dort,  wo  Vermehrung  von  Fuchsinköperchen  besteht,  auch 
eine  Vermehrung  von  Mastzellen  nachgewiesen  werden  kann.  Schon  Nie- 
hus  (7)  hat  aus  dem  Nebeneinandervorkommen  beider  Gebilde  die  Ver- 
mutung geschöpft,  dass  beide  zu  den  Gewebsveränderungen  in  dem  gleichen 
oder  einem  ähnlichen  Verhältnisse  stehen,  und  Klien  (3)  hat  darauf  hin- 
gewiesen, dass  Mastzellen  und  Russe  Ische  Körper  in  Geschwülsten  eine 
gleichartige  Lagerung  besitzen.  Diese  Momente  würden  natürlich  noch 
nicht  genügen,  um  eine  genetische  Beziehung  zwischen  Mastzellen  und 
Russe  Ischen  Körpern  nachzuweisen,  um  so  mehr  als  ja  die  Granulationen 
der  Mastzellen  basophil  sind*,  wenn  es  mir  (4,  5)  nicht  gelungen  wäre 
zu  zeigen,  dass  gerade  dort,  wo  sich  Russe  Ische  Körper  finden,  auch 
Reaktion  und  oft  auch  Form  der  Mastzellengranula  verändert  wird.  Auch 
die  Mastzellengranulationen  nehmen  dann  die  Weigertsche  und  Russeische 
Färbung  an  und  zeigen  sich  stark  acidophil,  wenn  man  ein  Farbstoffgemisch 
anwendet,  während  sie  bei  Anwendung  basischer  Farbstoffe  auch  noch  ge- 
färbt werden,  wie  das  vielfach  auch  mit  den  Fuchsinkörperchen  der  Fall 
ist.  Da  ferner  auch  mitunter  die  Granula  der  Mastzellen  deutlich  ver- 
grössert  sind,  ja  sogar  teilweise  die  Grösse  der  mittelgrossen  Fuchsinkörper- 
chen erreichen,  so  halte  ich  es  für  wahrscheinlich,  dass  ein  Teil  der  Russ ei- 
schen Fuchsinkörperchen  aus  den  Granulis  von  Mastzellen  und 
Wanderzellen  (vielleicht  auch  Leukocyten)  durch  chemische 
Umwandlung  und  Konfluenz  hervorgehen.  Hierdurch  würde  es 
sich  auch  erklären,  warum  beide  Gebilde  bei  den  verschiedensten  patho- 
logischen Prozessen  in  vermehrtem  Masse  und  in  gleicher  Lokalisation  an- 
getroffen werden;  ebenso  würde  auch  der  Parallelismus  in  ihrem  Vorkommen 
in  normalen  Geweben  verständlich  sein.  Welches  aber  die  eigentliche 
Ursache  ihrer  Entstehung  ist,  würde  damit  noch  nicht  klargestellt  sein, 
weil  wir  über  die  Bedeutung  der  Mastzellen  auch  noch  recht  wenig  wissen. 
Hier  mag  nur  die  H5^pothese  erlaubt  sein,  dass  die  granulierten  Wander- 
zellen unter  allen  Bedingungen  auftreten,  wo  vermehrter  Zerfall  organischer 
Substanz  vorhanden  ist,  so  dass  auch  unter  normalen  Verhältnissen  die 
Anwesenheit  von  Mastzellen  der  Ausdruck  eines  regen  Stoffumsatzes  sein 
würde.  Kommen  wir  damit  zu  dem  Ergebnis,  dass  wahrscheinlich  auch 
die  Russ  eischen  Körper  nur  dort  auftreten,  wo  ein  Zerfall  organischer 
Materie  stattfindet,  so  können  wir  die  ausserordentliche  Verbreitung  der 
Gebilde  und  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  ätiologischen  Momente  ver- 
stehen. Und  es  ist  deswegen  auch  durchaus  nicht  von  der  Hand  zu  weisen, 
dass  sie  durch  direkten  bakteriellen  Einfluss  entstehen,  wie  das  Cornil 
und  Alvarez,  sowie  Pawlowsky  bei  Rhinosklerom  annehmen.  Einige 
Beobachtungen  von  mir  würden  ebenfalls  dafür  angeführt  werden  können;  so 


AlbuminSse  Degeneration.  191 

habe  ich  namentlich  bei  experimenteller,  sehr  chronisch  verlaufender 
Tuberkulose  der  Kaninchen  in  der  Milz  geradezu  ungeheure  Mengen  von 
Fuebsinkörperchen  gefunden  und  gerade  in  solchen  Fällen,  wo  noch  keine 
oder  nur  geringe  Tuberkelbildung  vorhanden  war.  —  Wie  imn  die  freiliegen- 
den Fuchsinkugeln  entstehen,  ob  es  sich  um  eine  Art  Sekretion  der  Zellen 
cxler  um  eine  Degeneration  handelt,  ist  noch  nicht  entschieden.  Es  ist  sehr 
wohl  möglich  und  mir  sogar  wahrscheinlich,  dass  beides  vorkommt.  Unter 
normalen  Bedingungen  scheint  mehr  eine  Art  Sekretion,  Freiwerden  und 
vielleicht  auch  erst  nachträgliches  Konfluieren  der  Granula,  eine  Rolle  zu 
spielen,  unter  pathologischen  kommt  auch  wohl  eine  Zelldegeneration  in 
Betracht;  jedenfalls  habe  ich  öfter  zahlreiche  Kugeln  in  Zellen  liegen  sehen, 
die  keinen  oder  nur  einen  äusserst  schwach  färbbaren  Kern  besassen.  — 
Neben  dieser  Entstehungsweise  aus  Mastzellen,  kommt  zunächst  noch  eine 
andere  in  Betracht,  die  prinzipiell  mit  ihr  übereinstimmt:  Entstehung  aus 
dem  Protoplasma  von  Epithelien.  Vieles  von  dem,  was  man  früher  schlecht- 
weg als  kolloide  Degeneration  bezeichnet  hat,  gehört  hierhin;  und  gerade 
liier  lässt  sich  mitunter  besonders  gut  die  Entstehung  der  Körperchen  ver- 
folgen, wie  mir  das  namentlich  in  Mammaadenomen  und  Magencarcinomen 
mehrfach  gelungen  ist;  denn  hier  sieht  man  zunächst  die  Kugeln  in  sonst 
intakten  Epithelzellen  liegen,  als  auch  findet  man  sie  in  desquamierten 
Epithelien  mit  degenerierenden  Kernen.  Bei  einer  dritten  Möglichkeit  der 
Entstehungsweise  haadelt  es  sich  um  Gebilde,  die  mehr  tinktoriell  und 
Diikrocheniisch,  als  morphologisch  mit  den  Fuebsinkörperchen  überein- 
stimmen. Schon  bei  den  hyaHnen  Gebilden  der  Magenschleimhaut  habe 
ich  es  für  möglich  erklärt,  dass  es  sich  teilweise  um  Lymph-  oder  Blut- 
gefässthromben  handeln  kann;  noch  wahrscheinlicher  ist  mir  dies  geworden 
in  einem  Fall  von  Elephantiasis  faciei,  wo  in  Bindegewebsspalten  und 
Lmphgefässen  grosse  längliche  und  rundliche  stark  acidophile  Schollen 
gefunden  wurden.  —  Noch  weit  unklarer  wie  die  Entstehung  ist  die 
chemische  Konstitution  und  der  Bildungsprozess  der  Fuebsinkörperchen. 
Ob  es  sich  um  einen  Quellungs-  oder  Gerinnungsvorgang,  ja  überhaupt 
um  einen  einheitlichen  Vorgang  handelt,  wissen  wir  nicht.  Vieles  spricht 
ja  für  eine  Art  von  Gerinnungs Vorgang,  wie  er  ähnlich  auch  bei  der 
Hyalinbildung  vorkommt.  Die  chemischen  und  optischen  Eigenschaften 
--  Unlöslichkeit  in  Wasser,  Alkohol  und  selbst  konzentrierteren  Säuren, 
starker  Glanz  —  sowie  das  färberische  Verhalten  sprechen  für  eine  gewisse 
Venrandtschaft  mit  von  Recklinghausens  Hyalin;  andrerseits  weisen 
Kliens  Untersuchungen  doch  darauf  hin,  dass  es  sich  um  eine  Fettver- 
bindung handelt.  Ich  habe  darauf  aufmerksam  gemacht,  und  halte  auch 
noch  daran  fest,  dass  die  Fuebsinkörperchen  möglicherweise  aus  Lecithin 
Wehen.     Dafür  würde  sprechen  die  von  mir  gefundene  Thatsache,  dass 


192  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

rein  dargestelltes  Lecithin  die  gleichen  färberischen  Reaktionen  aufweist, 
wie  die  Fuchsmkorperchen,  femer  dass  sie  in  lecithinreichen  Organen 
(Nebenniere)  besonders  reichlich  vorkommen  und  dass  im  Centralnerveu- 
system  die  gleiche  oder  ähnUche  optische,  färberische  und  chemische 
Eigenschaften  besitzenden  Kugeln  aus  dem  Lecithin  sehr  nahestehenden 
Myelin  bestehen.  —  Freilich  sind  das  noch  keine  scharfen  Beweise;  denn 
die  Farbenreaktionen  teilen  mit  dem  Lecithin  und  Myelin  auch  noch  andere 
Stoffe,  wie  Zelleiweiss  und  Paraglykogen  —  imd  es  besteht  nach  meinen 
Untersuchungen  auch  kein  Zweifel,  dass  manche  der  Russeischen  Körj)er 
dem  Glykogen  näher  stehen,  wie  dem  Lecithin ;  femer  ist  das  reine  Lecithin 
in  Alkohol  leicht  lösUch,  die  Fuchsinkörperchen  dagegen  nicht.  Aber  solche 
Unterschiede  können  ähnlich  wie  beim  Glykogen,  von  der  Verbindung  be- 
dingt sein,  in  der  das  Lecithin  mit  Eiweisskörpern  sich  befindet.  —  Würden 
wir  ein  Recht  haben  als  einen  Bestandteil  der  Fuchsinkörperchen  Lecithin 
und  glykogenartige  Körper  zu  erblicken,  so  müssten  wir  zugleich  die  Auf- 
fassung vertreten,  dass  wir  es  mit  einer  Zwischenstufe  zur  Fettmetamorphose 
zu  thun  hätten,  da  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  Lecithin  nicht  aus  Fett, 
sondern  aus  Kohlehydraten  oder  Eiweiss  als  eine  Vorstufe  des  Fettes  ge- 
bildet wird.  Wir  würden  also  auch  darin!  eine  Bestätigung  unserer  Meinung 
finden  müssen,  dass  das  Auftreten  der  Fuchsinkörperchen  Ausdruck  eines 
regen  Stoffumsatzes  ist.  — 

Etwas  schärfer  begrenzt,  wie  der  Begriff  der  Russeischen  Fuchsin- 
körperchen, ist  der  der  Corpora  amylacea.  Freilich  sind  auch  hier,  wie 
namentiich  Siegert  (14)  gezeigt  hat,  verschiedenartige  Dinge  zusammen- 
geworfen worden.  Das  zeigt  besonders  die  Arbeit  von  Redlich  (10). 
Dieser  Autor  hat  sich  besonders  mit  den  Corpora  amylacea  des  Central- 
nervensystems  beschäftigt  und  beschreibt  sie  als  mattglänzende,  homogene 
kugelige  oder  ellipsoide  Gebilde,  die  niemals  konzentrische  Schieb, 
tung  besitzen  sollen.  Damit  ist  eigentlich  festgestellt,  dass  sich  seine  Ar- 
beit auf  die  eigentlichen  Corpora  amylacea  gar  nicht  bezieht,  denn  diese 
Gebilde  zeigen  in  der  That  Bo  gut  wie  regelmässig  konzentrische  Schich- 
tung. Wenn  auch  die  Blaufärbung  bei  Jodschwefelsäurezusatz  Beziehung 
zu  den  Corpora  amylacea  verrät,  so  ist  es  mir  doch  nicht  ganz  klar  ge- 
worden, w^as  Redlich  eigentUch  unter  Corpora  amylacea  versteht;  ein 
grosser  Teil  der  völlig  homogenen,  strukturlosen  Kugeln  giebt  nach  meinen 
Untersuchungen  nicht  die  Jodschwefelsäurereaktion,  sondern  verhält  sich  in 
allen  Punkten  wie  die  Russeischen  Fuchsinkörperchen,  abgesehen  davon, 
dass  sie,  wie  auch  Redlich  angiebt,  durch  HämatoxyUn  gefärbt  werden 
können;  diejenigen  Gebilde  dagegen,  die  die  Jodreaktion  geben,  sind  niclit 
homogen  und  strukturlos,  sondern  besitzen  konzentrische  Schichtung,  mit- 
unter auch    radiäre  Streifung.    Ebensowenig    kann    ich    mich  Redlich s 


AlbuminSse  Degeneration.  193 

übrigens  bereits   früher   von    Klebs    (2)    ausgesprochener    Meinung    an- 
«chliessen,  dass  seine  homogenen  Amyloidkörperehen  aus  den  Kernen  der 
Xeuroglia  entstehen;  wenn  Redlieh  dafür  anführt,  dass  sie  namentUch  im 
Rückenmark  unter  den  Kernen  verstreut  und  diese  gleichsam  ersetzend 
litgen,  so  ist  damit  noch  keineswegs  eine  Entstehung  aus  den  Gliakernen 
erwiesen,    da  vor  allem  irgendwelche  Übergangsbilder  f etilen ;  und   auch 
'lie  von  Klebs  nach  Steudner  angeführte  glasige  Umwandlung  der  Glia- 
kerae  keineswegs  immer  nachzuweisen  ist.  —  Während,   wie  schon  oben 
ben-orgehoben,  die  im  Central ner vensy st em,  den  Lungen,  der  Prostata,  den 
Schleimhäuten  der  Harnwege,  in  verschiedenartigen  Tumoren  gefundenen 
i,Tü9seren,  glänzenden,  meist  konzentrisch  geschichteten  Gebilde  von  den 
meisten  Autoren  ohne  Rücksicht  auf  Entstehungweise  und  chemische  Zu- 
sammensetzung unter  dem  Namen  der  Corpora  amylacea  zusammengefasst 
wurden,  hat  sich  Siegert  (14)  das  grosse  Verdienst  erworben,  eine  genauere 
Einteilung    vorzunehmen.     Er    fasste    zunächst   die    durch    starkes   Licht- 
bn'chungsvermögen,sowiedurchgrosse  Widerstandsfähigkeit  gegen  chemische 
Ati^entien  charakterisierten  Gebilde  unter   dem  Namen  „Corpora  colloidea'' 
zu:fümmen  und  suchte  dann  unter  ihnen  durch  genauere  Feststellung  ihrer 
morphologischen   und   chemischen,    sowie  tinktoriellen  Eigenschaften  eine 
Siheidung  vorzunehmen.     Er  benutzte  zur  Färbung  teils  die  von  Lang- 
luuis  zum  Nachweis  des  Glykogens  angegebene  Methode,  teils  folgendes 
Verfahren :  Die  in  Wasser  gut  ausgewaschenen  Schmtte  werden  mit  starker 
J'^ljodkalilösung  rasch  tiefbraun  gefärbt  und  dann  in   konzentriertem  Al- 
kohol wieder  völlig  entfärbt  und  gelangen  dann  in  10^1  q  Salzsäurelösung, 
in  der  die  Färbung  der  Amyloidkörper  wieder  gut  auftritt,  während   das 
Gt'webe  entfärbt  bleibt.     Auf  diese  Weise  und  unter  Benutzimg  verschie- 
'lener  chemischer  Agentien  gelangte  er  zu  folgender  Einteilung  der  cor- 
l-ora  coUoidea: 

A.  Corpora  versicolorata  (weil  sie    durch  Jod,    Brom  etc.   bunt  ge- 
färbt werden). 

Charakterisiert 

1.  durch  ihr  Verhalten  zu  den  Halogenen  (Chlor,  Brom,  Jod),  welche 
sie  bunt  färben;  ausserdem  zeigen  sie  die  Anilinfarbstoffamyloid- 
reaktion, 

2.  durch  ihre  spröde  Konsistenz, 

3.  durch  ihre  Form;  sie  sind: 

a)  kugeUg,  eiförmig,  mehreckig  mit  abgerundeten  Ecken, 

b)  konzentrisch  geschichtet, 

c)  mitunter  radiär  gestreift, 

LQbarich -Oster tag,  Ergebnisse  Abteil.  U.  13 


X94  Allgein.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

4.  durch  ihre  Entstehungsweise :  Sie  entstehen  nie  durch  direkte 
Umwandlung  von  Zellen, 

5.  durch  den  Mangel  an  Verkalkung. 

B.  Corpora  flava. 

Charakterisiert 

1.  durch  ihr  abweichendes  Verhalten  zu  den  Halogenen  und  Anilin- 
farbstoffen;  sie  werden  durch  Jod  nur  gelb  gefärbt  und  geben 
nicht  die  Amyloidreaktion, 

2.  durch  ihre  wachsartige  Konsistenz, 

3.  durch  ihre  grosse  Form  Verschiedenheit,  sie  sind: 

a)  bald  regelmässig  kugelig,   bald  ganz  unregelmässig  gestaltet, 

b)  die  konzentrische  Schichtung  kann  fehlen, 

c)  sie  sind  nie  radiär  gestreift, 

4.  durch  ihre  Entstehungsweise:  Sie  entstehen  durch  direkte  Um- 
wandlung von  Zellen, 

5.  durch  ihre  Neigung  zur  Verkalkung. 
Siegert  rechnet  auf  Grund  dieser  Einteilung  zu  den 

A.  Corpora  versicolorata: 

1.  die  „Corpora  amylacea"  des  Centralnervensystems, 

2.  die  von  Friedreich  entdeckten  Körper  der  Lungen, 

3.  einen  Teil  der  Prostata  concretionem, 

4.  die  „Corpora  amyloidea"  der  Schleimhäute  der  Hamwege; 
zu  den 

B.  Corpora  flava: 

1.  die  „Corpora  arenacea"  des  Centralnervensystemg, 

2.  die  von  Langhans  in  einem  Lungencarcinom  beschriebenen 
Gebilde, 

3.  die  Psammomkörner  Virchows  und  die  in  verschiedenen  Tu- 
moren der  Eierstöcke  und  Brustdrüse  vorkommenden  Gebilde, 

4.  einen  Teil  der  Prostata  concretionem,  — 

Mit  dieser  Einteilung  befindet  sich  Siegert  zum  Teil  in  bewusstem 
Gegensatz  zu  seinen  Vorgängern,  von  denen  eine  Trennung  nicht  vorge- 
nonmaen  war.  Nur  Stilling^)  hatte  bereits  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  in  der  Prostata  neben  den  typischen  konzentrisch  geschichteten  und 
radiär  gestreiften,  die  Jodreaktion  gebenden  Körpern,  solche  vorkommen, 
die  nie  radiär  gestreift  sind  und  nie  die  Jodreaktion  geben;  aber  er  hatte 


1}  Beobachtungen  über  die  Funktion  der  Prostata  und  ttber  die  Entstehung  der  pro- 
statischen Konkremente.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  98.  S.  1. 


AlbuminÖse  Degeneration.  ]95 

gerade  daraus  und  einigen  anderen  Beobachtungen  den  Schluss  gezogen» 
Jass  die  Corpora  amyloidea  durch  eine  eigentümliche  Umwandlung  des 
Protoplasmas  absterbender  Zellen  entstehen  und  dass  die  hyalinen  Massen 
\'orstufen  der  arayloiden  sind.  —  Bei  der  Frage  über  das  Wesen  der  in 
Frage  stehenden  Gebilde,  die  wir  mit  Siegert  unter  dem  Namen  Corpora 
coUoidea  zusammenfassen  wollen,  sind  folgende  Punkte  auseinander  zu 
halten:  1.  Unter  welchen  Bedingungen  treten  sie  auf?  2.  Wie  entstehen 
sie?  3.  Worauf  ist  die  konzentrische  Scliichtung  und  radiäre  Streif ung 
zurückzuführen?  4.  Wodurch  entsteht  die  eigentümliche  Reaktion  der 
('orpora  versicolorata.  — 

ad.  1.  Hier  stimmen  die  meisten  Untersucher  überein,  dass  sie 
unter  nahezu  normalen  Verhältnissen  auftreten.  Sowohl  die  Corpora  vcr- 
sicoiorata,  wie  die  Corpora  flava  sind  in  der  Prostata  und  im  Central- 
ncrvensystem  beim  Erwachsenen  regelmässig  vorhanden,  wie  überein- 
stimmend von  Stilling,  Posner  (8),  Redlich  (10),  Klebs  (2)  und  Siegert 
(14)  angegeben  wird.  Redlich  hat  im  Centralnervensystem  Auftreten  und 
Lokalisation  besonders  studiert  und  giebt  an,  dass  sie  im  Rückenmarke  zu- 
erst in  den  dreissiger  Jahren  auftreten  und  in  den  vierziger  niemals  ver- 
misst  werden;  im  Grosshirn  finden  sie  sich  in  der  Auskleidung  der  Ven- 
trikel in  erster  Linie,  ferner  häufig  im  Tractus  olfactorius  und  selten  im 
Kleinhirn.  FreiUch  sind  diese  Angaben  aus  den  oben  erörterten  Gründen 
mit  Vorsicht  aufzunohmen,  weil  sie  sich  nicht  direkt  auf  die  echten  Cor- 
[Kjra  versicolorata  des  Centralnervensystems  beziehen.  Thatsächlich  stimmt 
t^  doch  mit  Beobachtungen  von  mir  und  anderen  Autoren  überein,  so 
dass  hieraus  schon  hervorgeht,  was  übrigens  auch  Sieg  er  t  bemerkt,  dass 
dort,  wo  Corpora  amylacea  sind,  auch  die  hyalinen  (Myelin-)  Tropfen  auf- 
treten. In  der  Lunge  und  den  Schleimhäuten  der  Harnwege  sind  sie  nicht 
^  regelmässig  beim  Erwachsenen  aufzufinden,  wie  in  der  Prostata  und  dem 
^'ehim;  am  reichlichsten  finden  sie  sich  auch  hier  bei  älteren  Personen 
oder  unter  pathologischen  Bedingungen;  in  der  Lunge,  besonders  in  em- 
physematösen  Partieen  oder  in  der  Nähe  von  bronchopneumonischen  und 
atelektatischen  Herden,  sowie  hämorrhagischen  Infarkten;  in  den  Harn  wegen 
ausser  im  höheren  Alter  bei  schweren  Allgemeinerkrankungen  (Anämie, 
Tuberkulose,  Krebs  etc.)  (Siegert).  Jedenfalls  ist  es  unter  allen  Um- 
ständen klar,  dass  die  Corpora  coUoidea  überall  dort  auftreten,  wo  schon 
normalerweise  oder  unter  pathologischen  Bedingungen  Rückbildungsvor- 
?ange  stattfinden.  Es  verhält  sich  damit  ähnlich,  wie  mit  dem  Auftreten 
braunen  Pigmentes,  welches  in  den  verschiedensten  Organen  (Herz,  Leber, 
^ieren,  Prostata,  Samenbläschen,  Hoden  und  Nebenhoden)  geradezu  regel- 
mässig bei  erwachsenen  Individuen  gefunden  wird  und  für  das  ich  den 
tarnen   „Abnutzungspigment"   vorgeschlagen   habe.     Auch   das  Auftreten 

13* 


196  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

der  Corpora  colloidea  ist  nichts,  wie  eine  Abnutzungserscheinung, 
die  natürlich  sowohl  durch  allgemeine,  wie  lokale  Verhältnisse  (in  der  Pro- 
stata durch  hyaline  Degeneration  der  Muskelfasern  und  „Myxangioitis  liya- 
linosa''  Still  in  g)  begünstigt  werden  kann. 

ad  2.  In  Bezug  auf  die  Entstehung  ist  Klebs  (2),  welcher  die  Kör- 
ner geradezu  für  Stärke  hielt,  der  Meinung,  dass  gewisse  Epithelzellen  die 
Fähigkeit  besitzen  Amylum  zu  produzieren,  welches  zuerst  in  gelöster  Form 
die  Zellsubstanz  durchtränkt,  dann  sich  in  Gestalt  von  Kömern  ausscheidet: 
die  letzteren  fliessen  zusammen,  und  bilden  entweder  um  den  Zellkern 
oder  um  Fremdkörper,  die  in  den  Zelleneingeschlossen  sind,  verschiedene 
Schichten.  Im  besonderen  glaubt  er,  anknüpfend  an  Beobachtungen  von 
ü.  Klebs  über  die  Entstehung  der  pflanzlichen  Stärke,  dass  die  Zellkerne 
bei  der  Bildung  des  „tierischen  Amylum*'  beteiligt  sind;  und  diese  Auf- 
fassung vertritt,  wie  oben  erwähnt,  Redlich  im  besonderen  für  die  (-or- 
pora  amylacea  des  Centralnervensystems.  Posner  (8)  glaubt,  dass  die 
Prostatakonkretionen  in  ähnlicher  Weise  entständen,  wie  Harncyünder,  durch 
eine  Art  Gerinnung  des  flüssigen  Drüseninhalts  oder  durch  eine  eigentüm- 
liche Metamorphose  der  Epithelzellen.  Als  Anfangsstadien  betrachtet  er 
helle  hyaline  Flecke,  die  uuregelmässig  zerstreut  ohne  Schichtung  aufzu- 
weisen in  dem  mehr  körnig  geronnenen  Inhalt  der  Drüsenbläschen  auffallen 
und  jedenfalls  durch  einen  wahren  Zufall  der  zeUigen  Elemente  entstanden 
sind.  Dass  diese  hyalinen  Gebilde  Vorstufe  der  amyloiden  wären,  bestreitet 
Pos  n er  schon  deshalb,  weil  gleich  grosse  und  daher  wohl  auch  gleich  alte  Bil- 
dungen, bald  sehr  gut,  bald  gar  nicht  auf  Jod  reagierten.  —  Auch  Wicli- 
mann  (18)  kommt  bei  seinen  Untersuchungen  zu  dem  Schluss,  dass  die 
Amyloidkörper  Zellenprodukte  eiweissartiger  Natur  sind,  welche  durch  eine 
Zelldegeneratiou  entstehen;  inwiefern  der  Kern  hierbei  beteiUgt  ist,  wäre 
noch  nicht  zu  entscheiden.  Siegert  trennt,  wie  bereits  hervorgehoben, 
scharf  die  Corpora  versicolorata,  von  den  Corpora  flava.  Die  ersteren  entständen 
nie  durch  direkte  Umwandlung  von  Epitlielien,  wie  die  letzteren.  Bei  den 
('orpora  versicolorata  der  Lunge  handelt  es  sich  nach  seinef  Meinung  um  eine 
echte  Steinbildung:  stets  findet  man  einen  Fremdkörper  (meistens  Kohlenfrag-i 
ment),  welcher  die  Veranlassung  zum  Niederschlag  der  im  Gebewebssaft  unlös-i 
liehen  Substanz  giebt.  Wie  klein  aber  auch  das  Corpus  veraicoloratum  ist,' 
von  Anfang  an  zeigt  sich  radiäre  Streifung,  konzentrische  Schichtung  und' 
Jodreaktion  in  ausgeprägter  Weise,  während  die  spezielle  Form  des  KörJ 
pers  von  der  Gestalt  des  Kerns  (Fremdkörpers)  abhängig  ist.  In  wieweit 
desquamierte,  zu  Grunde  gehende  EpitheUen  an  der  Bildung  der  die  Koii 
kretionen  formenden  Substanz  beteiligt  sind,  erscheint  schwer  bestimmbar, 
Dass  sie  irgend  eine  Rolle  dabei  spielen,  scheint  Siegert  sicher  zu  sein 
weil  Zahn  in  einem  Falle  in  und  ausserhalb  von  desquamierten  Epitheliet 


Album  in  Öse  Degeneration.  197 

Tröpfchen  mit  schwacher  Jodreaktion  fand  und  ausserdem  die  Amyloid- 
körperchen  ausschliesshch  innerhalb  der  Alveolen  gebildet  werden.  In 
diesem  letzten  Punkte  befindet  sich  Siegert  allerdings  im  Widerspruch 
mit  Wichmann  (18),  der  sie  nur  interstitiell,  in  meist  verdichtetem  Ge- 
webe gehmden  haben  will.  Ich  selbst  muss  mich  allerdings,  wie  das  ja 
auch  durch  Zahns  ältere  Untersuchungen  erwiesen  erschien,  auf  Siegerts 
Seite  stellen,  denn  ich  habe  niemals  interstitiell  gelegene  Corpora  amy- 
lacea  in  der  Lunge  gesehen.  Wich  man  ns  Angaben  scheinen  mir  so  erklär- 
lieh, dass  auch  hier  die  Körper  ursprüngUch  in  den  Alveolen  lagen  und 
nur  durch  eine  später  folgende  interstitielle  Entzündung  und  Bindege- 
websneubildung  die  Alveolarabgrenzung  aufgehoben  wurde.  —  ßei  den 
Corpora  versicolorata  der  Prostata  nimmt  Siegert  mit  grösserer  Sicher- 
heit eine  BeteiUgung  der  Drüsenepithelien  an;  durch  degenerative  Vor- 
gänge in  ihnen  sollen  Substanzen  frei  werden,  die  in  Verbindung  mit  dem 
durch  Stagnation  oder  aus  anderen  Ursachen  veränderten  Drüseninhalt  zur 
Bildung  der  in  Frage  stehenden  Gebilden  führen.  Sie  unterscheiden  sich 
von  den  gleichartigen  Körpern  der  Lungen  durch  das  häufige  Fehlen  der 
mdiären  Streifung  und  dadurch,  dass  von  aussen  her  allmählich  Schicht 
auf  Schicht  abgelagert  wird.  In  ähnlicher  Weise  werden  auch  die  Corpora 
versicolorata  des  Centraluervensystems  und  die  der  Schleimhäute  der  Harn- 
wege darauf  zurückgeführt,  dass  freigewordenes  verändertes  Zellprotoplasma 
mit  normalem  Gewebssafte  in  Verbindung  tritt.  —  Die  im  Gegensatz  zu  den 
Corpora  versicolorata  stehenden  Corpora  flava  sollen  dagegen,  wie  Siegert 
in  Cljereinstimmung  mit  Stilling  annimmt,  direkt  aus  degenerierten  Drüsen- 
('pithehen  entstehen.  Dieser  Auffassung  kann  ich  mich  besonders  für 
manche  Prostatakonkremente  und  die  Psammomkugeln  der  Mamma-,  Eier- 
JitiK-ks-  und  Uterusgeschwülste  im  grossen  und  ganzen  anschliessen  mit 
einigen  geringfügigen  Modifikationen,  auf  die  unten  näher  eingegangen 
werden  soll. 

ad  3.  Die  konzentrische  Schichtung  kann  wohl  meist  und  besonders 
lj*^i  den  Corpora  flava  darauf  zurückgeführt  werden,  dass  sich  um  einen 
Kern  immer  neue  Schichten  anlagern  und  so  erklären  ja  in  der  That 
Klebs  (2),  Wichmann  (18)  u.  z.  T.  auch  Siegert  ihr  Zustandekommen. 
Pösner  (8)  sieht  aber  gerade  in  der  konzentrischen  Schichtung  eine  Stütze 
hir  die  Anschauung,  dass  die  Prostatakonkremente  echte  Steinbildungen 
seien;  denn  er  unterscheidet  an  einem  Steine  einen  organischen  Grund- 
stmk,  der  im  wesentlichen. aus  konzentrisch  gelagerten  Schichten  zusammen- 
gesi^tzt  ist,  und  eine  den  Grundstock  durchsetzende  Versteinerungsmasse. 
Sieger t  verlegt  dagegen,  indem  er  die  Annahme  eines  organischen  Stein- 
Skelettes  verwirft,  sowohl  Schichtung  wie  radiäre  Streifung  in  die  Materie 
selbst.  Es  ist  eben  die  besondere  Eigenschaft  der  die  Konkretion  bildenden 


198  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Materie,  von  dem  Augenblick  an,  wo  sie  als  eine  unlösliche  Substanz  sich 
niedergeschlagen  habe,  eine  radiäre  Streifung,  sowie  die  charakteristische 
Jodreaktion  anzunehmen.  Pos  n  er  will  dagegen  die  radiäre  Streifung  auf 
eine  Einlagerung  von  Lecithinkrystallen  beziehen. 

ad  4.  Nur  Klebs  hält  noch  an  der  älteren  Auffassung  Virchows 
fest,  dass  die  Jodreaktion  durch  die  Anwesenheit  von  Stärke  bedingt  sei. 
Mit  Recht  hat  Posner  die  Gründe  dargelegt,  welche  gegen  diese  Ansicht 
sprechen.  1.  Ist  Stärke  in  kochendem  Wasser  quellbar  —  die  Körperclien 
nicht.  2.  Stärke  wird  durch  Kochen  mit  verdünnten  Säuren  in  Dextrin 
und  Zucker  gespalten  —  die  Körperchen  bleiben  unverändert.  3.  Kalte 
rauchonde  Salpetersäure  und  Schwefelsäure  löst  Stärke,  aber  nicht  die  Kör- 
perchen. 4.  Reagiert  Stärke  auf  Methyl  violett  und  auf  Bromwasser  anders 
als  die  Körperchen.  —  Aber  auch  vom  echten  Amyloid  lassen  sich  die 
Corpora  versicolorata  abtrennen.  Durch  Bromwasser  wurden  sie  ähnlich 
gefärbt  wie  durch  Jod,  während  Amyloid  ungefärbt  bleibt,  durch  Osmiuni- 
säure  wurden  sie  dunkelbraun,  Amyloid  nicht,  kochender  Alkoholätlier  löst 
sie  auf,  während  Amyloid  unverändert  bleibt.  Wichmann  hebt  auch  nodi 
hervor,  dass  Methyl  violett  nur  eine  hellrote  Färbung  der  Corpora  hervor- 
bringe, während  Amyloid  rubinrot  gefärbt  wird.  Po sn  er  glaubt  vielmehr, 
dass  die  Jodreaktion  durch  einen  lecithinartigen  Körper  hervorgebracht 
wird,  wofür  folgendes  spräche:  1.  der  Befund  nadeiförmiger  Krystalle  (von 
Lecithin?)  im  Innern  von  Prostatakonkrementen,  2.  das  Verhalten  zu  Al- 
kohol-Äther, 3.  die  Analogie  mit  den  Corpora  des  Centralnervensystems. 
welche  nach  der  herrschenden  Auffassung  durch  eine  Gerinnung  des  dem 
Lecithin  so  nahe  stehenden  Myelin  entstehen.  Es  gehören  demnach  nach 
Posner  zwei  Faktoren  zur  Bildung  der  Corpora  versicolorata:  1.  Gerinnung 
innerhalb  eines  eiweissreichen  Saftes  der  absterbenden  Zellen,  2.  Durch- 
tränkung dieses  Gerinnungsproduktes  oder  einzelner  Teile  desselben  mit 
einem  als  Lecithin  zu  bezeichnenden  Körper.  Der  Unterschied  zwischen 
den  Corpora  versicolorata  und  flava  würde  demnach  wesentlich  darin  be- 
stehen, dass  bei  letzteren  kein  Lecithin  zu  dem  Gerinnungsprodukt  hinzu- 
kommt, und  hierdurch  wäre  es  auch  zu  erklären,  dass  nur  die  Corpora 
flava,  d.  h.  die  noch  unveränderten  organischen  Gerüst- Substanzen  ver- 
kalken können,  nicht  aber  die  bereits  durch  die  Lecithinablagerung  „mit 
Beschlag  belegten*'  corpora  versicolorata.  —  Wichmann  (18)  glaubt  da- 
gegen, dass  die  Farbenreaktion  wahrscheinlich  zum  Teil  auf  einem  stärkeren 
oder  geringeren  Gehalt  an  Glykogen  zurückzuführen  sei,  zum  Teil  auf 
Modifikationen  des  Eiweisses,  welche  dem  Amyloid  nahe  stehen ;  doch  kann 
er  irgend  welche  schärferen  Beweise  für  diese  Auffassung  nicht  beibringen. 
Siegert  hat  nun  besonders  gegen  Pos n er  gezeigt,  dass  1.  kochender  Al- 
koholäther ohne  jeden  Einfluss  auf  Reaktion  und  radiäre  Streifung  bliel), 


Albominöee  Degeneration.  199 

während  kochende  Salpetersäure  die  Gebilde  zerstörte,  2.  dass  Lecithin  erst 
bei  Temperaturen  unter  0^  krystaUisiert ,  und  dass  alle  Reagentien,  die 
Lecithin  lösen,  wie  Chloroform,  Benzin  u.  s.  w.  ohne  Einfluss  auf  die  Jod- 
reaktion bleiben.  Er  erklärt  daher  die  Ursache  der  Jodreaktion  ebenso- 
wenig angeben  zu  können,  wie  die  chemische  Konstitution  dieser  colloiden 
Körper.  —  Auch  hierin  muss  ich  mich  Siegert  anschUessen  und  möchte 
noch  besonders  gegen  Posner  und  Wichmann  hervorheben,  dass  sowohl 
gegen  die  Lecithin-  wie  Glykogennatur  nicht  nur  die  mikrochemischen 
Reaktionen,  sondern  auch  die  färberischen  Reaktionen  sprechen ;  so  geben 
oft  gerade  die  Körper,  welche  auf  Jodzusatz  nur  braunrot  werden,  eine 
ausgeprägte  Methylviolettamyloidreaktion,  was  Glykogen  nicht  thut,  während 
die  Hauptfärbung  des  Lecithins  nach  Rüssel  und  Weigert  gerade  bei 
den  Konkrementen  völlig  versagt,  die  ausgesprochene  radiäre  Streifung  und 
Jodreaktion  aufweisen.  —  Nur  in  einem  Punkte  möchte  ich  mich  gegen 
die  strenge  Scheidung  Siegerts  bei  der  Entstehung  der  Corpora  versi- 
colorata  und  flava  aussprechen  —  das  ist  bei  den  Psammomkörnern  und 
den  Corpora  arenacea.  Wenn  ich  auch  durchaus  zugeben  muss,  dass  für 
eine  direkte  Umwandlung  von  Zellen  in  Corpora  versicolorata  keine  Beweise 
zu  bringen  sind  —  auch  ich  habe  nie  etwas  sicheres  nach  dieser  Richtung 
hin  finden  können  —  und  wenn  ich  weiter  ebenfalls  in  Übereinstimmung 
mit  Siegert,  Marchand,  Flaischlen  u.  a.  anführen  muss,  dass  die 
Corpora  flava  —  insbesondere  die  Corpora  arenacea  und  Psammomkörner 
-  meist  durch  direkte  Umwandlung  von  Zellen  entstehen,  so  giebt  es  doch 
davon  Ausnahmen.  Ich  habe  mich  in  mehreren  Fällen  von  Psammocarci- 
uomen  und  Psammoadenomen  des  Eierstockes,  sowie  in  einem  obliterieren- 
den Angiom  des  Plexus  choroides  davon  überzeugen  können,  dass  der  Kern 
der  Psammomkugeln  nicht  aus  epithelialen  Zellen,  sondern  aus  den  Rus- 
J^e Ischen  Fuchsinkörperchen  äusserst  ähnlichen  Kugeln  bestand,  so  dass 
also  auch  hier  nicht  die  ganze  Zelle,  sondern  nur  Sekretionsstoffe  derselben 
das  Punctum  crystallisationis  darstellten.  Also  lediglich  durch  die  meist  ver- 
scliiedene  Entstehungsweise  kann  der  ehemische  und  z.  T.  auch  morpho- 
logische Unterschied  zwischen  Corpora  versicolorata  und  flava  nicht  zurück- 
geführt werden,  sondern  es  wird  wohl  sehr  viel,  wie  auch  Siegert  angiebt, 
auf  die  Beschaffenheit  des  Gewebssaftes  ankommen.  Dass  Corpora  versi- 
colorata und  flava  auch  genetisch  enger  zusammengehören,  wie  Siegert 
l)ei  seiner  im  übrigen  ja  äusserst  dankenswerten  Scheidung  erkennen  lässt, 
J^cheint  mir  auch  daraus  horvorzugehen ,  dass  1.  beide  Arten  häufig  zu- 
sammen vorkommen,  2.  dort  wo  Corpora  flava  auftreten  fast  regelmässig 
in  und  ausserhalb  der  Zellen  die  gleichen  hyalinen  Tropfen  sichtbar  wer- 
den, wie  man  sie  bei  der  Entstehung  der  Corpora  versicolorata  beobachtet. 
Muss  man  auch  auf  Grund  der  Untersuchungen  Siegerts  annehmen,  dass 


200  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

eine  Umwandlung  von  Corpora  flava  in  versieolorata  nie  oder  wenigstens 
höchstens  ausnahmsweise  vorkommt,  so  seheint  es  mir  doch  anderseits 
sicher,  dass  bei  der  Entwickelung  beider  Gebilde  sekretorische  und  dege- 
nerative Vorgänge  der  Zelle  eine  Rolle  spielen.  Und  hierin,  sowie  in  dem 
Vorkommen  unter  normalen  und  nur  geringfügig-pathologischen  Verhält- 
nissen, sehe  ich  auch  das  Gemeinsame  mit  den  Fuchsinkörperehen  und 
habe  sie  deswegen  gemeinsam  abgehandelt. 

ß)  Die  hyaline  und  amyloide  Degeneration. 

Litteratur. 

1.  Beneke,  R.,  Zur  Lehre  von  der  hyalinen  (wachsartigen)  Degeneration  der  glatten 
Muskelfasern.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  d9.  S.  71. 

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schrift zu  E.  Wagners  25  jähr.  Professoren  Jubiläum.    Leipzig  1887. 

8.   Derselbe,  Grundriss  der  allgemeinen  Pathologie.    Leipzig  1892. 

4.  Condorelli-Mangeri,  Über  die  Ätiogenese  der  Amyloiddegeneration.  II.  internatio- 
naler med.  Kongress  in  Rom.    Genfcralbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  V.  S.  417. 

5.  Cordua,  Maligne  aleukämische  Lymphome  mit  Amyloidentartung  der  Organe  und 
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6.  Czerny,  Zur  Kenntnis  der  glykogenen  und  amyloiden  Entartung.  Arch.  f.  experim. 
Pathol.  Bd.  31.  S.  190. 

7.  Ernst,  Über  Hyalin,  insbesondere  seine  Beziehung  zum  Colloid.  Vir  eh.  Arch.  Bd.  130. 
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8.  Hanau,  Zur  Entstehung  und  Zusammensetzung  der  Thromben.  Fortschr.  d.  Med. 
Bd.  IV.  S.  885. 

9.  Derselbe,  Nochmals  zur  Entstehung  und  Zusammensetzung  der  Thromben.  Ebenda 
Bd.  V.  S.  65. 

10.  Hansemann,  Demonstration  eines  Falles  von  ausgedehnter  amyloider  Degeneration 
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11.  Hjelmann,  Studier  öfver  Amyloidnjurens  etioloRi  och  symptomatologi.  Dissertatio. 
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12.  Holschewnikoff,  über  hyaline  Degeneration  der  Himgef&sse.  Virch.  Arch.  Bd.  112. 
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13.  Kamocki,  Über  die  Farbenreaktionen  der  hyalinen  Degeneration.  Kongress  poln. 
Naturforscher  u.  Ärzte.  1891.     Centralbl.  f.  allgem.  PathoL  Bd.  2.  S.  987. 

14.  Klebs,  Die  albuminösen  Degenerationen.  IIL  Die  hyaline  Degeneration.  IV.  Amyloide 
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15.  Derselbe,  Weiteres  über  Influenza.    Deutsche  med.  Wochenschr.  1890. 

16.  Küstjurin,  S.,  Über  das  Verhalten  der  Amyloidsubstanz  bei  der  Pepsinverdauung. 
Med.  Jahrbücher  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Ärzte.    1886.    S.  181. 

17.  Kriege,  Über  hyaline  Veränderungen  der  Haut  durch  Erfrierungen.  Virch.  Arch. 
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18.  Krüdener,  Ein  Beitrag  zur  pathol.  Anatomie  der  Amyloidtumoren.  Disaertetion. 
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19.  Litten,  M.,  Berl.  klin.  Wochenschr.     1885.    Nr.  49. 

20.  Derselbe,  Über  Amyloiddegeneration.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1887.  Nr.  17,24-26. 

21.  Lu barsch.   Zur  Lehre  von   der  Parenchymzellenembolie.    Fortschr.  d.  Med.  Bd.  XI. 

22.  Derselbe,  Über  Natur  und  Entstehung  der  Harncy linder.  CtbL  f.  allgem,  Pathologie. 
Bd.  IV.  S   209. 


Albuminöse  Degeneration.  201 

23.  Derselbe,  Über  den  primftren  Krebs  des  Ilenmetc.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  111.  S.  292,93. 
24   Derselbe,   Beiträge  zur  Histologie  der  von  Nebennierenkeimen  ausgehenden  Nieren- 
geachwülste.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  135.  S.  149. 

25.  Manasse,   Über  hyaline   Ballen  und  Thromben   in  den  Himgefftssen  bei  akuten  In- 
fektionskrankheiten.   Vir  eh.  Arch.  Bd.  130.  S.  217. 

26.  Obrzut,  Über  die  Histogenese  der  colloiden,  amyloiden  und  hyalinen  Degeneration. 
Kongress  poln.  Naturf.  u.  Ärzte  1891.    Ctbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  IL  S.  987. 

27.  Orth,  Lehrbuch  der  pathol.  Anatomie.    Bd.  IL  S.  156. 

28.  de  Paoli,   Beitrag  zur  Kenntnis  der  primftren  Angiosarkome  der  Niere.    Zieglers 
Beiträge.  Bd.  8. 

29.  Pick,  L.,  Zur  Ätiologie  und  Genese  der  hyalinen  Thrombose.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  138. 
S.  221. 

30.  Rählmann,  über  hyaline  und  amyloide   Degeneration  der  Konjunctiva  des  Auges. 
Vir  eh.  Arch   Bd.  37. 

31.  von  Recklinghausen,   Die  colloiden  Umwandlungen    a)  amyloide,   b)  hyaline   De- 
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32.  Ramsche  Vit  seh,  Über  die  hyaline   und  amyloide  Entartung  der  Bindehaut.    Arch. 
f.  Augenheilkunde.     Bd.  25.  S.  363. 

33.  Schuster,  Eine  eigentümliche  Form  von  Amyloidentartung  der  Niere.    Vir  eh.  Arch. 
Bd   134.  S.  356. 

U.  Stilling,  H.,  Über  den  Zusammenhang  von  hyaliner  und  amyloider  Degeneration  der 

Milz.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  103.  S.  21. 
3-).  Trambusti,   Beitrag  zur  Kenntnis  der  glykogenen  und  hyalinen   Metamorphose   in 

Folge  von  Exstirpation  des  Plexus  coeliacus.    Ctbl.  f.  allgem.  Pathol.   Bd.  III.  S.  657. 
36    Tschermak,   Über  die  Stellung  der  amyloiden  Substanz    unter  den   Eiweisskörpern. 

Verhandl.  der  Gesellschaft  deutsch.  Naturf.  u.  Ärzte.    Wien  1894.  Bd.  IL  S.  390. 
37.  Yossius,  Über  amyloide  Degeneration  der  Konjunctiva.  Ziegl.  Beiträge  1889.  Bd.  IV. 

S.  387. 
3^.  Weigert,   C,   Kritische  und   ergänzende  Bemerkungen   zur  Lehre  von   der  Koagu- 

lationsnekrose  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Hyalinbildung  und  der  Umprägung 

geronnener  Massen.    Deutsche  med.  Wochenschr.  1885.  Nr.  44. 
3y.  Welti,  Zieglers  Beiträge.  Bd.  IV.  1889. 
iO.  Wichmann,  Die  Amyloiderkrankung.    Ziegl.  Beiträge.  Bd.  13.  S.  487. 

41.  Wild,  Karl,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  amyloiden  und  der  hyalinen  Degeneration  des 
Bindegewebes.     Zieglers  Beiträge.  Bd.  I.  S.  177. 

42.  Ziegler,  E..  Amyloide  Tumorbildung  in  der  Zunge  und  Kehlkopf,  ein  Beitrag  zur 
Lehre  von  der  amyloiden  Degeneration.    Virch.  Arch    Bd.  65.  S.  273. 

43.  Derselbe,  Lehrbuch  der  pathoL  Anatomie.  Bd.  I.  8.  Aufl. 


Begriff  der  Hyalindegeneration.  Seitdem  v.  Reckling- 
hausen den  Begriff  der  hyalinen  Entartung  aufgestellt  hat,  hat  man  es 
bald  als  einen  Mangel  empfunden,  dass  die  unter  dem  Namen  des  „Hyalins" 
zusammengefassten  Stoffe  in  chemischer  Hinsicht  nicht  scharf  charakte- 
risiert sind.  V.  Recklinghausen  (31)  hat  es  1.  durch  sein  optisches  Ver- 
balten (grosses  Lichtbrechungsvermögen),  2.  durch  das  chemische  Ver- 
lialten  (Widerstandsfähigkeit  gegen  Wasser,  Alkohol,  Säure-  und  Ammoniak- 
l<'!?aTigen),  3.  durch  das  tinktorielle  Verhalten  (Affinität  zu  sauren  Anilin- 
i^irbstoften)  charakterisiert.  Er  hat  aber  selbst  hervorgehoben  und  auch 
'lurch  seine  Schüler  immer  wieder  betonen  lassen,   dass   das  Hyalin  ein 


202  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

richtiger  organischer  Körper  im  chemischen  Sinne  nicht  ist  und  dass  mög- 
Hcherweise  Mischungen  verschiedener  Körper  vorliegen.  Da  er  aber  unter 
seinem  Hyalin  eine  Reihe  von  Bildungen  aufführte,  welche  von  alters  her 
als  genetisch  nicht  zusammengehörig  betrachtet  wurden  und  deren  Ex- 
treme auf  der  emen  Seite  durch  die  „hyalinen"  Ausfüllungen  der  Schild- 
drüsen- und  Hypophysenbläschen,  auf  der  andern  durch  die  hyalinen 
Thromben  und  hyalinen  Balken  der  pseudomembranösen  Schleimhauteut 
Zündungen  gekennzeichnet  werden,  suchte  man  von  verschiedenen  Seiten 
aus  eine  schärfere  Begriffsbestimmung  vorzunehmen.  Klebs  (14)  hat  dies 
jedenfalls  in  scharfer  und  nach  meiner  Ueberzeugung  glücklicher  Weise 
dadurch  zu  thun  gesucht,  dass  er  diejenigen  Hyaline  v.  Reck  1  in g- 
hausens,  welche  nachweisbarer  Weise  als  epitheliale  Ausscheidungen 
betrachtet  werden  müssen,  unter  dem  alten  Namen  „Kolloid''  vom  Hyalin 
trennt,  und  das  eigentliche  Hyalin  als  rein  parablastische  Bildung  betrachtet. 
Ernst  (7)  hat  dagegen  ein  anderes  und,  wie  mir  scheint,  w^eit  unsichreres 
Unterscheidungskriterium  einzuführen  gesucht,  nämlich  das  tinktorielle 
Verhalten.  Was  die  färberischen  Eigenschaften  des  Hyalins  anbetrifft,  so 
hat  ja  V.  Reckling hausen  besonders  die  sauren  Anilinfarbstoffe  (Eosin, 
Säurefuchsin)  zur  Färbung  verwendet ;  K  a  m  o  c  k  i  (13)  hat  in  neuester  Zeit 
angeführt,  dass  ausser  Säurefuchsinfärbung,  noch  die  Färbung  nach  der 
Weigert  sehen  Fibrinmethode,  die  Russe  Ische  Färbung  und  die  mit 
Thionin,  wodurch  es  einen  Seledinfarbenton  erhält,  anwendbar  sei.  Ernst 
machte  nun  die  Bemerkung,  dass  sich  scheinbar  gleichartige  hyaline  Sub- 
stanzen bei  Anwendung  des  vanGieson  sehen  Farbengemisches  (150  ccm 
conc.  wässerige  Pikrinsäurelösung  -f-  3  ccm  conc.  wässerige  Säurefuchsin- 
lösung) different  verhalten,  indem  ein  Teil  purpurrot,  ein  anderer  Teil  da- 
gegen orangengelb  gefärbt  wird.  Seine  systematisch  mit  dieser  Methode 
ausgeführten  Untersuchungen  hatten  das  Ergebnis,  dass  die  vom  Blut- 
gefässbindegewebsapparat  abzuleitenden  Hyaline  (interstitielles  Hyalin  in 
der  Schilddrüse,  hyaline  Glomeruli  in  Nieren,  Hyalin  in  den  Ovarien, 
hyaline  Gitterwerke  in  Geschwülsten)  durch  Säurefuchsin  intensiv  rot,  die 
dagegen  von  Epithelien  abstammenden  eine  orangegelbe  Mischfarbe  an- 
nehmen. Da  sich  aber  zwischen  diesen  Extremen  noch  reichliche  Farben- 
übergänge nachweisen  Hessen,  besonders  bei  den  sogenannten  hyalinen 
Nierenzylindern,  die  nach  Ernst  chemisch  und  genetisch  sehr  verschieden 
sind,  und  da  Ernst  nachgewiesen  zu  haben  glaubt,  dass  durch  das  ver- 
schiedene Verhalten  zu  einer  Färbung  auch  die  chemische  Verschiedenheit 
abgeleitet  werden  dürfe,  so  schliesst  er,  dass  es  viele  Hyaline  (in 
dem  bisher  gebräuchlichen  Sinne)  g i e b t ,  unter  denen  er  zunächst 
hauptsächlich  2  Arten,  das  epitheliale  und  konjunktivale  Hyalin 
trennen  will.     Schon  Pick  (29)  hat  gegen  die  ganze  Beweisführung  Ernsts 


Albuminöse  Degeneration.  203 

geltend  gemacht,  dass  es  sehr  misslich  sei,  namentlich  bei  Farben  nrit 
komplizierter  molekularer  Struktur  die  Farbenreaktion  als  alleiniges  che- 
misches Charakteristikum  anzusehen ;  er  hat  aber  weiter  noch  gezeigt,  dass 
gerade  hyaUne  Thromben  —  also  exquisites  konjunktivales  Hyalin  im 
Ernstschen  Sinne  —  sich  nicht  rot,  sondern  gelb,  wie  „colloide*'  Massen 
färben.  Nach  meiner  Meinung  ist  die  ganze  Ernstsche  Beweisführung 
sowohl  in  ihren  prinzipiellen  Voraussetzungen,  wie  in  ihren  einzelnen 
Begründungen  hinfällig.  Die  Voraussetzung,  dass  das  verschiedene  Ver- 
lialten  von  Substanzen  bei  Anwendung  von  FarbstofEgemischen ,  eine  ver- 
schieden chemische  Zusammensetzung  beweise,  hat  dann  eine  gewisse  Be- 
rechtigung, wenn  1.  die  in  dem  Farbengemisch  vorhandenen  Farben  che- 
misch stark  different  sind  (z.  B.  die  eine  Farbe  basisch,  die  andere  sauer) 
und  2.  die  Beziehungen  konstanter  Natur  sind.  Wenn  es  sich  aber  um 
zwei  saure  Farbstoffe  handelt,  so  ist  selbst  bei  starken  Unterschieden  im 
Säuregrad  nicht  sehr  viel  mit  den  difEerenten  Färbungen  anzufangen,  so 
kann  man  z.  B.  bei  Anwendung  des  Bergonzinischen  Farbengemisches 
(Methylgrün,  Säurefuchsin,  Goldorange)  nicht  selten  granulierte  Bindegewebs- 
zellen finden,  deren  Granula  bald  rot,  bald  orange  gefärbt  sind;  wenn 
dieses  verschiedene  Verhalten  in  einem  und  demselben  Schnitt  statt- 
findet, so  kann  noch  daran  gedacht  werden,  dass  es  sich  um  chemische 
oder  wenigstens  physikalische  Unterschiede  handelt,  wenn  dagegen,  wie 
ich  öfter  beobachtet  habe,  in  verschiedenen  Schnitten  desselben  Ob- 
jektes bald  alle  Granula  rot,  bald  orange  gefärbt  sind,  so  kann  das 
nur  an  einer  gewissen  UnvoUkommenheit  der  Methode  liegen.  Und 
so  könnte  auch  das  verschiedene  Verhalten  hyaliner  Substanzen  zur 
van  Giesonschen  Methode  auf  einer  derartigen  Launenhaftigkeit  der 
Färbung  beruhen;  und  das  muss  wohl  für  alle  solche  Fälle  angenommen 
werden,  wo  das  Verhalten  ein  sehr  inkonstantes  ist.  In  denjenigen  Fällen 
aber,  wo  gewisse  konstante  scharf  ausgeprägte  Unterschiede  vorliegen, 
könnte  auch  noch  eine  verschiedene  Dichtigkeit  der  hyalinen  Substanzen 
oder  die  Verschiedenheit  des  Grundgewebes  Ursache  der  verschiedenen 
Färbung  sein.  Im  einzelnen  aber  sind  folgende  Punkte  gegen  Ernst  ein- 
zuwenden. 1.  Die  hyalinen  Thromben,  die  nach  Ernsts  Ansicht  sich  rot 
färben  naüssten,  verhalten  sich  sehr  verschieden;  meist  werden  sie  gelb, 
nur  sehr  selten  intensiv  rot,  mitunter  leicht  rot  gefärbt.  2.  Die  hyalinen 
Hamcylinder,  die  sich  nach  der  Weigertschen  Methode  blau  färben  und 
nach  Ernst  hyalin  umgewandeltes  Fibrin  sind,  also  ebenfalls  als  konjunk- 
tivales HyaUn  rot  gefärbt  werden  müssten,  färben  sich  nach  Ernsts 
eigener  Angabe,  sowie  meiner  eigenen  und  meines  Schülers  Burmeister 
rntersuchungen ,  ebenfalls  orangengelb.  3.  Die  coUoiden  Ausfüllungen  der 
l^childdrüsenbläschen  färben  sich,  wie  v.  Kahl  den  angiebt  und  ich  eben- 


204  Allgem.  patboi.  Morphologie  und  Physiologie. 

falls  gefunden  habe,  mitunter  rötlich,  obgleich  sie  zweifellos  epithelialer 
Abkunft  sind.  4.  Könnte  man  auch  noch  das  sehr  verschiedene  Verhalten 
der  Russeischen  Fuchsinkörperchen  anführen;  doch  soll  darauf  wegen 
der  nicht  völUgen  Klarheit,  die  über  diesen  Gegenstand  herscht,  kein  grosser 
Wert  gelegt  werden.  Trotzdem  ich  aus  diesen  Gründen  die  Ernst  sehe 
Scheidung  des  Hyalins  verwerfen  muss,  will  ich  doch  gerne  den  Vorteil 
der  Methode  anerkennen ,  die  für  manche  Fälle  ohne  weiteres  gestattet, 
die  Hyaline  verscliiedener  Abstammung  im  gleichen  Objekt  sinnfällig  zu 
unterscheiden.  Der  Hauptvorteil,  welcher  Ernst  völlig  entgangen  ist,  liegt 
nach  meinen  Beobachtungen  aber  vielleicht  darin,  dass  wir  mit  ihr  erkennen 
können,  ob  neben  dem  Hyahn  noch  eine  andere,  bindegewebige  Substanz 
vorhanden  ist.  Wenn  wir  uns  an  die  ganz  intensive  Rotfärbung  halten, 
so  wird  von  allen  Hyalinen  nur  das  hyalin  umgewandelte  Bindegewebe 
intensiv  rot  gefärbt,  ebenso  wie  jedes  homogene,  derbe,  sklerotische  Binde- 
gewebe purpurrot  wird.  Das  geschieht  aber  nicht  deswegen,  weil  das 
Hyalin  ein  anders  geartetes  ist,  sondern  weil  schon  die  normale  Binde- 
gewebsfaser intensiv  rot  gefärbt  erscheint  und  die  Substanzen,  welche  bliese 
Färbung  bedingen,  auch  in  dem  hyalin  degenerirten  Bindegewebe  noch 
vorhanden  sind.  Deswegen  färben  sich  auch  die  hyalinen  Thromben  nur 
orangegelb  und  ebenso  nimmt  interessanterweise  auch  die  hyalin  degene- 
rierte glatte  Muskelfaser,  welche  schon  normalerweise  sich  orangegelb  färbt, 
eine  Orangenfarbe  an,  obgleich  bei  ihr  die  Entstehung  der  hyalinen  De- 
generation wohl  am  meisten  der  des  Bindegewebes  entspricht.  Das  Ergebnis 
dieser  Untersuchungen  würde  also  gerade  das  Umgekehrte  von  dem  sein, 
was  Ernst  erwiesen  zu  haben  glaubt:  dass  nämlich  reine  hyaline 
Substanzen,  auch  wenn  sie  verschiedener  Genese  sind,  gleich- 
artig gefärbt  werden  und  die  verschiedene  Färbung  nur  durch 
verschiedenartige  Beimischungen  bedingt  ist.  Muss  man  demnach 
den  Ernstschen  Einteilungsversuch  als  gescheitert  ansehen,  so  scheint  mir 
dagegen  die  Klebssche  Einteilung  durchaus  annehmbar,  namentlich,  wenn 
man  von  dem  parablastischen  Hyahn,  ausser  dem  epithelialen  auch  noch 
das  sekretorische,  im  weitesten  Sinne,  abtrennt.  Wir  würden  dann  also 
unter  dem  Begriffe  des  epithelialen  Hyalins  (CoUoid),  diejenigen  hyalinen 
Substanzen  zusammenfassen,  welche  aus  Epithelien  durch  Sekretion  oder 
Zerfall  hervorgegangen  sind,  während  wir  unter  sekretorischen  diejenigen 
verständen,  welche  aus  anderen  Zellen  durch  Sekretion,  ohne  Zelldegene- 
ration, frei  werden  können  (Fuchsinkörperchen).  FreiUch  ist  auch  diese 
Einteilung  keine  scharf  logische  und  wäre  es  dann  vielleicht  noch  besser, 
wenn  man  einteilte  in  I.  Sekretorisches  und  degeneratives  intra- 
cellulär  gebildetes  Hyalin  (colloid),  a)  epitheliales,  b)  conjunktivales. 
11.  Extracellulär  entstehendes  Koagulationshyalin  a)  häma- 


Albuminöse  Degeneration.  205 

togeues,  b)  konjunktivales.  Der  Vorzug  dieser  Einteilung  bestände  da- 
rin, dass  eine  ehemische  Unterscheidung,  über  die  wir  vorläufig  auch 
nichts  aussagen  können,  gar  nicht  versucht  wird ;  der  Nachteil  muss  darin 
gesehen  werden,  dass  die  Genese,  die  naturgemäss  strittig  sein  muss,  zum 
Einteilungsprinzip  erhoben  wird.  Immerhin  erscheint  mir  diese  Einteilung 
auf  Grund  unserer  heutigen  Kenntnisse  nicht  unzweckmässig  und  habe 
ich  deswegen  die  unter  I  angeführten  coUoiden  Substanzen  bereits  beson- 
ders besprochen. 

Vorkommen  der  hyalinen  Degeneration.  Halten  wir  uns  an 
unsere  Einteilung,  so  können  wir  bei  II.  a)  Hämatogenes  Hyalin  zwei 
Hauptgruppen  unterscheiden:  1.  die  hyaline  Thrombose  und  2.  das  exu- 
(lative  Hyalin,  ad  1.  Schon  v.  Recklinghausen  hat  hyaline  Gerin- 
nungen auf  der  Gefässwandung  und  dem  Endocardium,  in  Aneurysmen 
und  Haematomen  beschrieben,  femer  besonders  die  Aufmerksamkeit  auf 
hydine  Verstopfungen  der  Kapillaren  gelenkt,  welche  er  bei  diphtherischen 
Entzündungen,  hämorrhagischen  Lungeninfarkten,  kroupöser  Pneumonie, 
akuter  interstitieller  Nephritis,  bei  Ergotinvergiftung  etc.  beobachten  konnte. 
Diese  Beobachtungen  sind  dann  erweitert  worden  durch  Han  au  (8,  9),  der  ex- 
perimentell durch  Injektion  von  Fermentblut  oder  Leberzellenhyaline  Throm- 
bose erzeugte,  K 1  e b  s ( 14, 15),  welcher  bei  Glaukom  in  Kapillaren  der  Choroidea, 
bei  Chorea  hereditaria  in  Gehirngefässen,  bei  Eklampsie  in  Leber-,  Lungen- 
uiid  Gehimkapillaren,  bei  Influenza  in  Lungenkapillaren,  ferner  bei  Alters- 
gangrän kapilläre  hyaline  Thrombosen  fand,  Welti  (39),  der  sie  bei  Verbren- 
nungen, und  Kriege  (17),  welcher  sie  bei  Erfrierungen  nachweisen  konnte. 
Umfassendere  Untersuchungen  liegen  dann  besonders  vor  von  Man  asse  (25), 
wälirend  Pick  gelegenthch  des  Auffindens  von  hyalinen  Thromben  in 
einem  Uterussarkom,  seine  allgemeinen  Auseinandersetzungen  nur  auf 
Grand  des  einen  Falles  vortragen  kann.  Manasse  fand  in  20  Fällen  bei 
Individuen,  die  an  einer  ernsten  Infektionskrankheit  gestorben  waren 
(Typhus  abdominalis,  Pneimionie,  Peritonitis,  Pyämie,  Diphtherie,  Meningitis, 
Puerperalfieber),  sowohl  in  Kapillaren,  wie  in  mittleren  und  grösseren  Ge- 
fässen  des  Gehirns  bald  feinkörnige  hyaline  Massen,  bald  kleinere  und 
grössere  hyahne  Kugeln,  die  sich  nach  der  Weigert  sehen  Methode  gut 
färbten,  während  er  in  19  anderen  Fällen  an  Individuen,  die  nicht  an 
akuten  Infektionen  gestorben  waren,  solche  Gebilde  vermisste.  Auch  experi- 
menlell  konnte  er  an  einem  Hunde  durch  intravenöse  Injektion  euier 
fauligen  Macerationsflüssigkeit  solche  hyaline  Thromben  in  Gehirngefässen 
erzeugen,  so  dass  damit  der  positive  Beweis  für  das  intravitale  Zustande- 
kommen der  Thromben  geUefert  wurde.  Manasse  kommt  daher  zu  dem 
Schluss,  dass  1.  bei  akuten  Infektionskrankheiten  in  den  Gehirngefässen 
hyaline  Ballen   und  Thromben  konstant  nachgewiesen  sind  und  2.  diese 


206  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

Thromben  intravital  entstehen.  Ich  möchte  gleich  hier  bemerken,  dass  ich 
die  Konstanz  von  Man  asse 's  Befunden  nicht  bestätigen  kann,  so  habeich 
sie  bei  einem  Gehirnabscess  und  akuter  tuberkulöser  Meningitis  vermisst, 
bei  Pneumonie  und  Influenza  allerdings  gefunden.  —  Die  Befunde  von  Klebs 
bei  Eklampsie  habe  ich  (21)  bestätigt  und  weiter  noch  gezeigt,  dass  auch  bei 
anderen  Prozessen,  bei  denen  Leberzellen  in  die  Blutbahn  treten,  hyaline 
Thromben  vorkommen,  während  an  andere  Parenchymzellenembolieeu 
(Placentar-  und  Knochenmarksriesenzellen)  nur  ausnahmsweise  hyaline 
Thromben  anschliessen.  —  ad  2.  Das  exudative  Hyalin  findet  sich  vor 
allem  bei  allen  pseudomembranösen,  mit  Nekrose  einhergehenden  Entzün- 
dungen in  Form  von  sich  verflechtenden  Balken  und  Knollen,  v.  Reck- 
linghausen bezeichnet  sie  geradezu  als  „die  Hauptmasse  der  diphtheri- 
tischen  Pseudomembranen*'.  Weigert  (38)  wies  besonders  darauf  hin,  dass 
bei  den  fibrinösen  Entzündungen  seröser  Häute  sehr  oft  die  Auflagerungen 
hyalin  werden  oder  wenigstens  die  tiefsten  (ältesten)  Schichten  der  Auf- 
lagerungen hyalin  sind.  v.  Recklinghausens  Schüler  Wieger  wies 
bei  chronischer  Lymphdrüsenentzündung  und  in  Tuberkeln  Hyalin  nach 
und  auch  hier  wird  es  nicht  gut  anders,  wie  als  ein  exudatives  Produkt 
angesehen  werden  können,  nachdem  durch  meinen  Schüler  O.  Falk*)  das 
häufige  Vorkommen  von  Fibrin  in  Tuberkeln  nachgewiesen  ist.  —  II.  b)  das 
konjunktivale  Hyalin  tritt  auf  1.  bei  chronischen  Entzündungen  aller  Art 
als  hyaline  Entartung  der  Kapillarwandungen  (v.  Recklinghauseu) 
und  neugebildeter  Bindegewebsfasern,  ferner  als  hyaline  Entartung  von 
Kapillarwandungen  bei  Erfrierungen  (Kriege)  und  bei  Altersveränderungen 
im  Gehirn  (Holschewnikoff  (12)),  2.  in  a)  einfach  hyperplastischen 
Tumoren  der  Konjunktiva  —  Raehlmann  (30),  Voss  ins  (37)  —  der 
Zunge  und  des  Kehlkopfs  —  Ziegler  (42),  Grawitz  —  der  Lunge,  Zunge, 
des  Epikards  und  des  Darms  —  Wild  (41).  b)  in  angiosarkomatösen 
Tumoren,  den  sogenannten  Cylindromen ;  doch  handelte  es  sich  in  diesen 
Fällen  nicht  immer  um  wirklich  hyaline,  sondern  öfter  um  richtige  muci- 
nöse  Degeneration.  In  den  einfachen  bindegewebigen  Neubildungen  handelt 
es  sich  vorwiegend  um  eine  Entartung  der  Bindegewebsfasern,  während 
bei  den  Angiosarkomen  die  Gefässe  Hauptsitz  der  hyalinen  Degeneration 
sind,  femer  in  den  sogenannten  Psammomen  (Ernst).  3.  als  hyaUne  De- 
generation der  quergestreiften  und  glatten  Muskulatur,  die  Beneke  (1) 
auch  experimentell  zu  erzeugen  wusste. 

Entstehung  und  Wesen  der  hyalinen  Degeneration.  Hier 
sind  im  wesentlichen  drei  Ansichten  aufgestellt,  v.  Recklinghausen 
und  seine  Schüler  (Holschewnikoff,   Kriege,   Manasse)  leiten    die 

1)  Über  die  exudativen  Vorgänge  bei  der  Tnberkelbildung.  Virch.  Arch.  Bd.  139. 
S.  319. 


Aibuminöse  Degeneration.  207 

hyaline  Substanz  im  allgemeinen  von  dem  Zellprotoplasma,  unser  Koagu- 
lationshyalin ,  im  besonderen  von  weissen  Blutkörperchen,  eventuell  auch 
von  Gefässendothelien  ab;  Klebs  will  wenigstens  bei  der  hyalinen  Throm- 
bose die  hyalinen  Pfropfe  aus  roten  Blutkörperchen  hervorgehen  lassen, 
während  Weigert  in  der  Hyalinbildung  in  allen  Fällen  einen  Koagulations- 
vorgang erblickt  und  für  viele  Fälle  eine  Umprägung  fibrinöser  Massen 
in  hyaline  annimmt,  v.  Recklinghausen  und  seine  Schule  führen 
für  ihre  Auffassung  folgendes  an:  1.  Werden  lebende  Zellen,  insbesondere 
Wanderzellen,  mit  Salzlösungen  oder  konz.  Harnstofflösungen  behandelt, 
so  treten  Haufen  von  Kugeln  ganz  hyaliner  Substanz  aus,  die  sich  allmäh- 
lich durch  Zusammenfliessen  zu  Schollen  und  Zapfen  ausbilden,  welche  an 
Grösse  weit  über  die  Dimensionen  einzelner  Zellen  hinausgehen.  Sie  finden 
sich  besonders  häufig  auf  den  postmortalen  Blutgerinnseln  der  Venen,  am 
leichtesten  an  denen  der  Leber;  ferner  als  hyaline  Körner  und  Kugeln  in 
kleinen  Gefässen,  bei  Infektionskrankheiten  neben  roten  und  farblosen  Blut- 
körperchen in  dem  lockeren  Filz  der  Fibrinfasem,  ohne  mit  diesen  in  irgend 
einem  direkten  Zusammenhang  zu  stehen.  Entzieht  man  ferner  Fröschen 
einige  Tage  Wasser  oder  setzt  sie  in  stärkere  3 — 4^/oige  Salzlösungen,  so 
erscheinen  besonders  im  Leberblute  solche  hyalinen  Kugeln  schon  im  Leben, 
welche  ebenfalls  aus  dem  Zellprotoplasma  stammen  müssen.  Manaspe 
beobachtete  in  einer  Pharynxtonsille,  welche  mit  einer  Zange  herausge- 
nommen und  dabei  gedrückt  war,  zahllose  helle  glänzende  Tropfen,  die 
durch  Zusammenfliessen  die  sonderbarsten  Figuren  bildeten  und  wie  die 
mikroskopisch fi  Beobachtung  ergab,  unzweifelhaft  aus  Leukocyten  ausge- 
presst  waren.  2.  Die  hyalinen  Balken  in  den  diphtherischen  Entzündungen 
grenzen  sich  von  dem  oft  gleichzeitig  vorhandenen  Fibrin  so  scharf  ab, 
dass  sie  schon  deswegen  eine  andere  Entstehung  haben  müssen.  Besonders 
mit  Rücksicht  auf  die  gleichartigen  Vorkommnisse  innerhalb  von  Lymph- 
knoten und  Tuberkeln  erscheint  es  auch  hier  wahrscheinlich,  dass  die  alten 
und  neu  auftretenden  Wanderzellen  die  Lieferanten  des  Hyalins  sind.  3. 
Das  Auftreten  von  hyalinen  Thromben  und  hyahnen  Balken  und  Körnern 
in  Extravasaten,  Hämatocelen,  Aneurysmen ,  endoarteritischen  Verdickun- 
gen etc.  dürfte  ebenfalls  auf  die  farblosen  Blutzellen  und  Endothelien  zurück- 
zuführen sein,  denn  sie  treten  unter  Umständen  auf,  wo  sonst  eine  An- 
sammlung von  weissen  Blutkörperchen,  weisse  Thrombenbildung  beobachtet 
räd.  Auch  Kriege  glaubt  deswegen  die  hyalinen  Thromben  seiner  Er- 
irierangsversuche  von  weissen  Blutkörperchen  ableiten  zu  müssen  und 
V.  Recklinghausen  führt  noch  an,  dass  bei  flüchtiger  Applikation  von 
Äther  oder  Ammoniak  auf  das  blossgelegte  Mesenterium  Thrombose  durch 
farblose  Blutkörperchen  eintritt,  die  nach  und  nach  zu  gleichmässigen 
Massen  verschmelzen. 


208  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Schon  die  Anführung  dieser  Gründe  zdgt,  dass  sie  nicht  sehr  be- 
weiskräftig sind,  sondern  dass  es  sich  nur  um  gewisse  Analogien  handelt. 
Weigert  hat  besonders  für  die  hyalinen  Balken  der  pseudomembranösen 
Schleimhautentzündungen  gezeigt,  dass  hier  niemals  HyaUn  in  Schollen 
auftritt,  die  den  weissen  Blutkörperchen  an  Grösse  und  Gestalt  gleichen, 
niemals  noch  erhaltene  Leukocyten  in  genügender  Anzahl  mit  Bezieh- 
ungen zum  Hyalin  gefunden  werden.  Auch  die  Beobachtungen  über  Aus- 
tritt hyaliner  Kugeln  aus  den  Leukocyten,  wie  sie  von  Recklinghausen 
und  Ma nasse  gesammelt  worden  sind,  sind  nicht  völlig  beweisend,  weil 
solche  hyaline  Tropfen  fortwährend  auch  aus  anderen  Zellen  austreten 
können.  Die  Kugeln,  die  man  im  Froschblut  unter  verschiedenen  Be- 
dingungen auftreten  sieht,  sind  nach  meiner  Meinung  nicht  ohne  wei- 
teres mit  den  gewöhnUchen  hyalinen  Thromben  zu  identifizieren  mid  hier 
ist  es  iu  der  That  gar  nicht  zu  entscheiden,  ob  sie  aus  weissen  oder  roten 
Blutzellen  hervorgehen;  sie  stimmen  in  vieler  Beziehung  mit  den  Russ ei- 
schen Fuchsinkörperchen  überein,  werden  durch  Osmiumsäure  dunkel- 
braun, verhalten  sich  überhaupt  so  me  Lecithin,  so  dass  man  wohl  daian 
denken  könnte,  dass  sie  aus  roten  Blutkörperchen  entstfüiden  sind.  Aber 
ich  halte  es  nicht  gut  für  möghch,  eine  sichere  Entscheidung  zu  treffen, 
obgleich  auch  die  Beobachtung  für  eine  Entstehung  aus  roten  Blutkörper- 
clien  spricht,  dass  sie  bei  Winterfröschen,  wo  rote  Blutzellen  reichücher  zu 
Grunde  gehen,  fast  ausnahmslos  in  Blutgefässen  gefunden  werden.  In  der 
Leber  sieht  man  dann  oft  daneben,  dicht  an  Blutgefässen,  typische  Fuchsin- 
körperchen  hegen.  —  Auch  der  3.  Punkt,  das  Vorkommen  von  hyalinen 
Thromben  unter  Bedingungen,  wo  sonst  weisse  Thromben  vorkommen,  ist 
nicht  mehr  beweisend,  seitdem  die  Untersuchungen  von  Eberth  und 
Schimmelbusch  gezeigt  haben,  dass  bei  der  Thrombenbildung  nicht  nur 
weisse  Blutkörperchen,  sondern  auch  Blutplättchen  beteiligt  sind  und 
Hanau  (9)  hat. direkt  für  die  bei  Ätherinjektionen  auftretenden  hyalinen 
Thromben  eine  Entstehung  aus  Blutplättchen  wahrscheinhch  gemacht. 

Noch  weniger  kann  allerdings  die  zuerst  von  Langhans,  dann  von 
Klebs  ausgesprochene  Ansicht  von  der  Entstehung  des  Hyalins  aus  roten 
Blutkörperchen  für  bewiesen  angesehen  werden.  Klebs  selbst  nimmt  auch 
nicht  wohl  eine  direkte  Umwandlung  roter  Blutzellen  in  Hyaün  an,  son- 
dern betrachtet  nur  die  Blutplättchen,  aus  denen  die  hyahnen  Thromben 
entstehen  sollen,  als  Globulinniederschläge  aus  roten  Blutkörperchen. 
Schon  V.  Recklinghausen  hat  gegen  Langhans  eingewendet,  dass  die 
hyalinen  Thromben  vöUig  farblos  sind  und  daher  gar  keine  Beziehungen 
zu  den  Erythrocyten  zu  besitzen  scheinen;  noch  weiter  kann  man  darauf 
hmweisen,  dass  auch  in  der  Nähe  von  hyalinen  Thromben  rote  Blut- 
körperchen meist  ebenso  vermisst  w^erden,  wie  Leukocyten;  ferner,  dass  sie 


AlbnininOse  Degeneration.  209 

auch  unter  Umständen  entstehen,  wo  nachweisbar  keine  roten  Bhitkörper- 
clien,  wohl  aber  andere  Zellen  (Endothelien,  Leberzellen),  in  der  Blutbahn 
zerfallen. 

Die  von  Weigert  begründete  AufEassung,  dass  Fibringerinnung, 
Koagulationsnekrose  und  Hyalinbildung  ausserordentlich  nahe  verwandte  Pro- 
zesse seien,  stützt  sich  auf  folgende  Punkte.  1.  Gehen  bei  der  Hyalin- 
bildung, in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  der  Koagulationsnekrose,  die  Kerne 
verloren;  beide  Substanzen  —  die  koagulationsnekrotischen  und  hyalinen 
—  zeigen  grosse  Neigung  zur  Verkalkung.  2.  Vorher  geronnene  Massen 
können  später  hyalin  werden:  z.  B.  das  kanalisierte  Fibrin,  ferner  die  äl- 
teren Auflagerungen  bei  fibrinösen  Entzündungen  seröser  Häute.  3.  Ein 
und  dasselbe  Agens  bringt  an  einer  Stelle  HyaUnbildung,  an  einer  anderen 
Stelle  Fibringerinnung  hervor  (die  Auflagerungen  im  Rachen  bei  der  Diph- 
therie bestehen  aus  hyalinen  Balken,  in  der  Luftröhre  dagegen  aus  Fibrin). 
4.  Bei  Prozessen,  die  sonst  zur  Verkäsung  (Koagulationsnekrose)  führen, 
ja  neben  ihnen  treten  hyaline  Bildungen  auf  —  hyaline  Tuberkel;  auch 
liier  handelt  es  sich  kaum  um  zwei  prinzipielle  verschiedene  Veränderungen, 
?(»iidem  um  denselben  Prozess  in  verschiedenen  Entwickelungsstadien.  —  In 
neuerer  Zeit  hat  man  zur  Stütze  dieser  Ansicht  noch  hinzugefügt,  dass 
sich  bei  Anwendung  der  Weigertschen  Fibrinmethode  manche  hyaline 
Substanzen  in  fädiges  Fibrin  auflösen  lassen,  wie  z.  B.  die  hyalinen 
Thromben  in  Lungeninfarkten  (Schaff er),  andere,  wie  O.  Israel  und 
Ernst,  haben  sogar  aus  dem  färberischen  Verhalten  hyaliner  Nieren- 
cylinder  die  fibrinöse  Natur  derselben  erschliessen  wollen.  —  Weigert 
iiat  im  weiteren  versucht  zu  erklären,  warum  das  eine  Mal  eine  richtige 
Fibringerinnung,  das  andere  Mal  eine  Hyalinbildung  eintritt.  Nach  seiner 
Meinung  sind  es  zwar  durchaus  nicht  immer  die  gleichen  Bedingungen, 
welche  das  Hyalinwerden  und  Versintern  der  koagulierten  Massen  hervor- 
nifen,  aber  ein  Umstand  scheint  ganz  besonders  die  Hyalinbildung  zu  be- 
günstigen, nämlich  die  Einwirkung  eines  sehr  bedeutenden  Plasma- 
überschusses auf  die  geronnenen  oder  gerinnenden  Substanzen.  Dieser 
Plasmaüberschuss  kann  sich  in  verschiedener  Weise  einstellen,  a)  dadurch, 
^lass  der  Plasmastrom  besonders  lange  und  gründlich  einwirkt,  was  na- 
mentlich dann  der  Fall  sein  wird,  wenn  die  Flüssigkeit  zwischen  die  ein- 
zelnen auseinandergewichenen  Teile  der  geronnenen  Massen  hineingelangon 
kann  —  Langhans  kanalisiertes  Fibrin,  längere  Zeit  bestehende  Infarkte, 
manche  Formen  der  Verkäsung.  b)  Ist  das  Verhältnis  zwischen  Plasma 
un<l  den  selbst  in  bedeutender  Menge  absterbenden  oder  abgestorbenen 
Protoplasniamassen  auch  nur  relativ  zu  Gunsten  der  Flüssigkeit,  so  tritt 
v.»ii  vornherein  eine  Hyalingerinnung  ein.  Beispiel:  Die  Hyalinbildung  bei 
•l'T  Racheudiphtherie.     c)  Ist   die  Flüssigkeit   auch    niclit  in  besonderer 

Labarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  14 


210  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Menge  vorhanden,  die  Grösse  der  gerinnenden  Substanzklumpen  aber  eine 
sehr  geringe,  wie  das  z.  B.  der  Fall  ist,  wenn  in  einem  Organ  das  ge- 
fässführende  Stroma  erhalten  bleibt,  während  die  Parenchymzellen  ab- 
sterben, so  kommt  es  ebenfalls  sofort  oder  sehr  rasch  zur  HyaUnbildung. 
(Niereninfarkte,  wachsige  Muskeldegeneration.) 

Wenn  wir  uns  bereits  oben  im  grossen  und  ganzen  zu  Gunsten  der  Wei- 
ge  rt  sehen  Anschauung  entschieden  haben,  so  geschah  das  aus  folgenden  Grün- 
den. Bei  der  hyalinen  Thrombenbildung  ist  1.  unter  Umständen  direkt  nach- 
weisbar, dass  die  scheinbar  hyalinen  Massen  aus  fädigem  Fibrin  zusammen- 
gesetzt sind,  2.  treten  hyaline  Thromben  unter  allen  den  Bedingungen 
auf,  unter  denen  auch  eine  echte  Blutgerinnung  eintritt.  Und  zwar  ist  es 
hier  besonders  gut  nachzuweisen,  wie  gerade  dort  unter  solchen  Beding- 
ungen, wo  ausgedehnte  Ansammlung  von  Leukocyten  eintritt,  hyaline 
Thromben  nicht  entstehen,  wohl  aber  dann,  wenn  sich  lokal  nur  wenig 
zellige  Elemente  oder  geringe  Protoplasmabestandteile  (Blutplättchen)  an- 
sammeln. Bei  Zerfall  von  Leberzellen,  die  niemals  in  grösseren  Mengen 
in  der  Blutbahn  auftreten,  entstehen  Blutplättchen  —  und  hyaUne  Throm- 
ben; und  hier  gelingt  es  oft  geradezu  Übergänge  zwischen  den  noch  deut- 
lich körnigen  und  bereits  homogenen  Pfropfen  nachzuweisen.  Freilich 
soll  auch  hier  nochmals  hervorgehoben  werden,  dass  das  positive  Verhalten 
zur  Weigertschen  Färbung  allein  noch  nicht  beweist,  dass  hyaline  Ge- 
bilde durch  Gerinnung  entstanden;  überhaupt  soll  die  Hyalinbildung  nur 
mit  der  Gerinnung  verglichen,  nicht  identifiziert  werden.  —  Fast 
noch  stärker  spricht  für  die  Bedeutung  der  Plasmadurchströmung  das  Auf- 
treten hyaliner  Massen  bei  chronischen  Entzündungen  und  tuberkulösen, 
käsigen  Herden.  Hier  ist  die  Hyalinbildung  unserem  Verständnis  da- 
durch noch  näher  gerückt,  seitdem  von  mir  und  Falk  der  Nachweis 
geführt  ist,  dass  auch  bei  der  Tuberkelbildung  serös-fibrinöseExudationen  eine 
grosse  Rolle  spielen.  Endlich  wird  man  auch  die  Hyalinbildung  in  hyperplas- 
tischen Bindegewebstumoren  und  Sarkomen  auf  eine  stärkere  Durch- 
strömung und  Umspülung  des  Gewebes  mit  Flüssigkeit  zurückführen  müssen. 
Wenn  Klebs  gerade  diesen  hyalinen  Bildungen  einen  proüferativen  Cha- 
rakter zuspricht,  weil  hier  die  Hyalinbildung  mit  der  Proliferation  der  Zel- 
len Schritt  hält,  so  ist  das  doch  eine  missverständliche  Deutung.  Wenn 
man  selbst  bei  den  Endotheliomen  das  im  Lumen  der  neugebildeten  Zell- 
schläuche liegende  „Hyalin"  mit  dem  interstitiellen  identifizieren  wollte, 
so  könnte  man  denselben  nicht  einen  proliferativen,  sondern  viel  eher  einen 
degenerativen  Charakter  beilegen,  da  gerade  in  den  frischesten  Teilen 
der  Neubildungen  die  hyalinen  Kugeln  vermisst  werden;  aber  um  dieses 
Hyalin  handelt  es  sich  gar  nicht,  sondeni  vielmehr  um  das  interstitielle, 
die  hyalinen  Balken  und  Schläuche,   denen  die  proHferierenden  Zellen  als 


Albaminöse  Degeneration.  211 

ein  Mantel  aufsitzen.  In  dieser  Beziehung  erscheint  es  mir  besonders  wich- 
tig, (lass  man  in  allen  Angiosarkomen,  in  mehr  oder  weniger  ausgespro- 
chener Weise  hyaline  Degeneration  finden  kann.  Hier  gehören  die  hya- 
linen Massen  stets  den  Gefässwandnngen  an,  um  die  herum  die  Zellen- 
wuchening  stattfindet;  die  hyaline  Entartung  scheint  dann  durch  zwei 
Momente  bedingt  1.  durch  den  in  Folge  der  Zell  Wucherung  immer  stärker 
zunehmenden  Druck,  welcher  auf  den  Blutgefässen  lastet.  2.  Durch  die 
stete  Umspülung  der  äusserst  dünnwandigen  Gefässe  mit  Flüssigkeit;  des- 
wegen findet  man  hyaline  Degenerationen  auch  vor  allem  in  solchen  Ge- 
schwülsten, in  denen  die  Zellwucherung  um  dünnwandige  Gefässe  grup- 
piert ist  (Angiosarkomen,  Hämo-  imd  Lymphangiomen)  und  man  findet  sie 
ia  den  Angiosarkomen  so  regelmässig  und  so  viel  häufiger,  wie  in  einfachen 
Angiomen,  weil  bei  ihnen  auch  die  starke  Zeilproliferation,  welche  zu  Er- 
nährungsstörungen in  den  Gefässwandnngen  leicht  Anlass  giebt,  in  ausge- 
(leFmter  Weise  vorhanden  ist.  —  Freilich  sei  hier  nochmals  hervorgehoben, 
'lass  nicht  alles  „Hyalin''  in  Geschwülsten  auf  diese  Weise  entsteht  und 
als  Koagulationshyalin  betrachtet  werden  darf  —  so  müssen  wir  z.  B.  nach 
meiner  Auffassung  gerade  in  den  Cylindromen  unterscheiden  1.  ein  sekre- 
torisches, bezw.  degeneratives  endotheliales  Hyalin  und  2.  unser  extra- 
cellulär  gebildeten  Koagulationshyalin.  —  Wenn  wir  den  Unterschied  zwi- 
schen dem  sekretorischen  und  dem  Koagulationshyalin  nochmals  scharf 
hervorheben  sollen,  so  besteht  er  darin,  dass  Substanzen,  die  vielleicht  in 
chemischer  Beziehung  übereinstimmen  oder  einander  wenigstens  nahe  ver- 
wandt sind,  auf  verschiedene  Weise  entstehen :  einmal  dadurch,  dass  durch 
irgend  welche  Einflüsse  das  Zellprotoplasma  oder  wenigstens  Teile  davon 
in  hyaline  Substanz  umgewandelt  werden  und  als  bereits  fertig  gebildetes 
Hyalin  aus  den  Zellen  heraustreten;  zweitens  dadurch,  dass  absterbendes 
Zellprotoplasma  durch  reichliche  oder  fortgesetzte  Durchtränkung  mitFlüssig- 
keit  in  die  starre,  hyaline  Modifikation  umgewandelt  wird.  Ob  freilich  der 
Tiiterschied  in  der  Entstehung  ein  so  grosser  ist,  wie  es  vorläufig  scheint, 
(las  festzustellen  muss  weiteren  Untersuchungen  überlassen  bleiben. 

In  der  Erforschung  der  amyloiden  Degeneration  sind  es  nach 
Hie  vor  5  Punkte,  auf  welche  sich  das  Interesse  der  Forschung  konzentriert. 
1.  Der  Begriff  der  amyloiden  Degeneration.  2.  Sitz  und  Vorkommen  des 
Amyloids.  3.  Die  Beziehungen  zwischen  dem  Hyalin  und  dem  Amyloid. 
^  Die  Resorbirbarkeit  des  Amyloids.  5.  Die  Theorie  der  Amyloidbildung. 
ad  1.  Der  Begriff  der  amyloiden  Entartung  schien  eine  Verschiebung 
<ladurch  zu  erleiden,  dass  nach  Auffindung  der  Anilinfärbung  für  das 
Amyloid  das  Gebiet  der  amyloiden  Degeneration  eine  Erweiterung  zu  er- 
fahren schien.  Es  musste  daher  die  Frage  aufgeworfen  werden,  inwieweit 
•lie  angegebenen  Reaktionen  und  Färbungen  charakteristisch  für  das  Amy- 

14* 


212  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

loid  sind  und  ob  man  mit  Virchow  nur  das  Amyloid  nennen  darf,  was 
die  Jodschwefelsäurereaktion  giebt.    Gegen  die  Bedeutung  der  Methyl-  und 
Gentianaviolettfärbung  ist  von  verschiedenen  Autoren  (Virchow,  Köster, 
Stilling  (34),  Lubarsch  (23))  eingewendet  worden,  dass  auch  andere  Sub- 
stanzen wie  Colloid   und  Hyalin   damit  gefärbt  werden  können,   während 
Orth  (Lehrbuch)  die  Reaktion  für  so  zuverlässig  hält,  dass  er  auf  Grund  der 
Gentianaviolettfärbung  das  Vorkommen  aray  loider  Nierenzylinder  für  bewiesen 
hält  und  ganz  allgemein  die  Anilinviolettreaktion  für  mindestens  ebenso 
typisch  erklärt,   wie  die  Jodreaktion,  während  Birch-Hirschfeld  (2,  3) 
und  Wichmann  (40)  die  Anilinviolettreaktion  nur  dann  für  typisch  halten 
wollen,  wenn  die  Differenzierung  mit  Essigsäure  vorgenommen  wird  und  die 
hyaline  Substanz  dann  eine  „leuchtend"  rote  Färbung  annimmt.  Ich  halte 
die  Meinung  Wichmanns,    dass   alles   auf  die    Anwendung   der  Essig- 
säure als   Differenzierungmittel    ankommt   nicht    für  richtig,    denn  auch 
bei   dieser  Methode  —    die   ich    übrigens  stets  benutzt    habe   —  können 
Dinge,  wie  Amyloid  gefärbt  werden,  die  nichts  mit  Amyloid  zu  thun  haben, 
wie  das   Colloid   der    Schilddrüse    und  Schleim,    namentlich    Mucinfäden 
nehmen  oft  genug  eine  sehr  deutliche  hellrote,  wenn  auch   nicht  gerade 
leuchtend  rote  Farbe  an ;  hyaline  Nierenzylinder,  auch  die  hyalinen  Tropfen 
der  Magenschleimhaut  werden  dabei  mitunter,  nicht  nur  schwach,  sondeni 
ausgeprägt  rot  gefärbt.     Man  darf  also  thatsächlich  nicht  den  Satz  auf- 
stellen,   dass   alles,   was    durch   Anilin  violett    rot  gefärbt  wird,    Amyloid 
ist.    Trotzdem  stellt  die  Methode  eine  grosse  Bereicherung  dar,  und  trotz- 
dem darf  man  nicht  etwa  verlangen,  dass  nur  das  als  Amyloid  anerkannt 
werden  darf,  w^as  die  Jodschwefelsäurereaktion  giebt.    Denn  es  wird  wohl 
allgemein  anerkannt  und  von  Wichmann  und  Eberth^)  besonders  hervor- 
gehoben, dass  auch  die  Jodschwefelsäurereaktion  nicht  selten  im  Stiche  läs^^t 
und  sogar  an  einem  und  demselben  Objekt  verschieden  ausfällt;  ferner  hat 
Ilansemann  (10) in  einem  Fall  beobachtet—  und  das  wurde  von  Virchow 
geradezu  als  ein  wesentlicher  Fortschritt  bezeichnet  —  dass  die  amyloidc 
Substanzen  nur  in  einem  Teile  der  Organe,  nämlich  in  Nieren,  Darm  und 
Schilddrüse  und  den  grösseren  Herzgefässen  die  Jodreaktion  gaben,  während 
in  Milz,  Leber  und  Lymphknoten  nur  die  Anilinviolettreaktion  erzielt  w^erden 
konnte.     Ich  kann  diesem  Falle  zwei  an  die  Seite  stellen,  in  denen  nur 
in  der  Milz,  welche  auch  ganz  allein  makroskopisch  amyloid  erschien,  die 
Jodreaktion  zu  erzielen  war,  während  in  Niere,  Leber,  Magen,  Dann  und 
Herz,  in  denen  übrigens  nicht  die  Kapillaren,  sondern  fast  nur  die  grösseren 
Gefässe  erkrankt  waren,  lediglich  die  Geutiaviolettreaktion  erhalten  wurde. 
Man  wird  deswegen  durchaus  zugeben  müssen,   dass  durch  die  Einführunj^j 


1)  Mikroskop.  Technik  1894.     S.  167. 


Albuminöse  Degeneration.  213 

der  Anilinviolettreaktion  das  Gebiet  des  Amyloids  erweitert  ist  und  man 
wird  folgende  Grenzen  für  die  Geltung  dieser  Reaktion  feststellen  können, 
1.  hat  sie  überall  dort  Giltigkeit,  wo  sie  mit  der  Jod-  bezw.  Jodschwefel- 
säurereaktion übereinstimmt  (abgesehen  von  den  Corpora  amylacea),  2.  wird 
sie  auch  ohne  eine  derartige  Übereinstimmung  als  positive  Amyloidreaktion 
angesehen  werden  müssen,  wenn  die  reagierenden  Substanzen  optisch, 
chemisch  und  in  der  Form  mit  amyloiden  Substanzen  übereinstinnnen, 
sowie  unter  Bedingungen  auftreten,  bei  denen  erfahrungsgemäss  amyloide 
Degeneration  erwartet  werden  kann.  —  In  chemischer  Hinsicht  wäre  noch 
zu  bemerken,  dass  Kostjuri n  (16)  im  Laboratorium  von  E.  Ludwig 
(Wien)  gezeigt  hat,  dass  die  amyloide  Substanz  in  stark  zerkleinertem 
Zustand  vom  Magensaft  verdaut  wird.  Tscher mak  (36)  bestätigte  letzteres 
und  fand  weiter,  dass  durch  Trypsinverdauung,  sowie  durch  Erhitzen  mit 
Wasser  und  Alkalien  Amyloid  leicht  gelöst  wird.  Dabei  erhält  man  ge- 
löstes Amyloid,  Albuminate,  primäre  und  sekundäre  Albumosen,  sowie 
Pepton;  aulfälligerweise  sollen  alle  diese  Produkte  die  Reaktionen  der 
Muttersubstanz  geben.  Tschermak  hält  das  Amyloid  für  eine  besonders 
modifizierte  Koagulationsform  des  cirkulierenden  Eiweisses,  wahrscheinlich 
des  Serumalbumins  bei  allgemeiner  Amyloidentartung ,  des  Zellplasmas 
bei  lokaler  Amyloidbildung. 

ad  2.  Die  früher  allein  herrschende  Auffassung,  dass  Amyloid  in 
den  Zellen  gebildet  und  abgelagert  wird,  ist  fast  vollkommen  verlassen. 
V.  Recklinghausen  unterscheidet  zwar  noch  zwei  Arten  der  Amyloid- 
ablagerung  1.  innerhalb  der  Zellen  und  2.  zwischen  den  Zellen  (interstitiell) 
und  auch  Orth  hält  es  wenigstens  für  möglich,  dass  die  Epithelien  der 
Harakanälchen  amyloid  erkranken  können,  aber  positive  Beobachtungen 
'ie^en  kaum  vor,  Orth  selbst  giebt  sogar  direkt  an,  dass  er  eine  derartige 
Epitheldegeneration  niemals  beobachtet  habe.  Nur  Schuster  (33)  hat  wieder 
in  neuerer  Zeit  die  Behauptung  aufgestellt ,  dass  Nierenepithelien  amyloid 
entarten  können,  auf  Grund  eines  selbst  beobachteten  Falles.  In  einer 
chronisch  und  ungleichmässig  indurierten  Niere  fand  er  glänzende  Massen 
in  der  Marksubstanz,  die  auf  Jodzusatz  bereits  eine  blaugrüne  Farbe  an- 
nahmen und  durch  Gentianaviolett  rot  gefärbt  wurden;  die  Glomeruli  und 
alle  Arterien  der  Rinde  waren  völlig  frei,  dagegen  bildeten  die  amyloiden 
Massen  in  der  Marksubstanz  zylinderähnliche,  langgestreckte  mit  zentralem 
Lumen  versehene  Formen.  Einen  Teil  derselben  hält  Schuster  für  amy- 
loid entartete  Tunicae  propriae,  einen  andern  dagegen  für  amyloide  Epithelien 
und  Zylinder.  Er  führt  hierfür  folgendes  an:  1.  konnte  man  mitunter 
auf  einer  gut  kenntUchen  normalen  Tunica  propria  einen  amyloiden  breiten 
^aum  wahrnehmen,  der  am  zentralen  Teil  oft  eigentümlich  quer  ge- 
gestrichelt war;  2.  waren  sonst  mit  leidlich  normalem  Epithelbelag  ausge- 


214  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

stattete  gerade  Kaiiälchen  an  einzelnen  Stellen,  wo  die  Kerne  fehlten,  mit 
bröckeligen  amyloiden  Schollen  angefüllt;  3.  fehlten  an  einzelnen  Stellen 
die  Epithelien  vollkommen,  während  die  Harnkanälchenlumina  amyloid 
aufgequollen  war.  —  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  diese  Beobachtungen 
nicht  eindeutig  sind,  namentlich  1  und  3  ist  leicht  dadurch  zu  erklären, 
dass  die  Epithelien  zugrunde  gingen  und  völlig  degeneriert  wurden,  während 
eine  zwischen  Membrana  propria  und  Epithelien  gelegene  Substanz  amyloid 
degenerierte,  ähnlich,  wie  man  mitunter  zwischen  der  Grundmembran  und 
den  Epithelien  hyaline  Substanzen  finden  kann;  xmd  auch  Punkt  2  kann 
in  gleicher  Weise  erklärt  werden,  nur  mit  dem  Zusatz,  dass  hier  die 
starren  Massen  noch  weiter  ins  Lumen  hineingelangten  und  als  amyloide 
Zylinder  liegen  blieben.  Jedenfalls  kann  dieser  eine  Fall  —  bei  dem  es 
sich  zudem  um  sehr  altes  und  lokal  ausgedehntes  Amyloid  handelte  — 
nicht  die  durch  viele  Beobachtungen  gesicherte  Thatsache  umstossen,  dass 
überall,  wo  man  mit  einiger  Sicherheit,  Entstehung  und  Ausbreitung  der 
amyloiden  Degeneration  verfolgen  kann,  die  zelligen  Elemente  frei  gefunden 
werden.  Das  hat  in  neuerer  Zeit  besonders  Birch-Hirschfeld  (2)  für  die 
Leber  überzeugend  nachgewiesen  und  Wichmann  hat  durch  sehr  sorg- 
same Untersuchungen,  die  sich  über  sämtliche  Organe  und  Gewebe  des 
Körpers  erstrecken,  gezeigt,  dass  ganz  ausschliesslich  das  Bindegewebe  der 
amyloiden  Entartung  anheimfällt,  oder  doch  wenigstens  die  Amyloidsubstanz 
stets  interstitiell  abgelagert  ist.  Ich  kann  mich  auf  Grund  vieler  und 
fortgesetzter  Untersuchungen  Wichmann  nur  anschliessen  und  möchte 
besonders  betonen,  dass  auch  die  glatte  und  quergestreifte  Muskulatur  nie 
amyloid  entartet,  sondern  auch  hier  entweder  das  Bindegewebe  oder  die 
Zwischensubstanz.  Ob,  wie  Wich  mann  meint,  wirklich  die  Intima  der 
Blutgefässe,  nie  amyloid  entartet,  ist  mir  zweifelhaft;  ich  glaube  doch  Bilder 
gesehen  zu  haben,  in  denen  die  basale  Bindegewebsschicht  der  Intima 
amyloid  verändert  war.  —  Mit  diesen  Beobachtungen  würden  zweifellos 
in  Widerspruch  stehen  die  Beobachtungen  und  Anschauungen  Czerny  s  (6) 
über  die  Entstehung  des  Amyloids  aus  einer  in  den  weissen  Blutkörper- 
chen vorhandenen  Vorstufe.  Ich  habe  bereits  oben  hervorgehoben,  dass 
es  mir  nie  gelungen  ist,  die  Beobachtungen  Czernys  zu  bestätigen  imd 
dass  man  deswegen  diesen  Punkt  auch  in  suspenso  lassen  muss.  Freilich 
habe  ich  beim  Menschen  2 mal  amyloide  Substanz  in  weissen  Blutkörperchen 
gesehen;  aber  hier  muss  die  Deutung  eine  andere  sein.  Beide  Male 
handelte  es  sich  um  Milzamyloid  mit  beginnender  amyloider  Degeneration 
von  Nieren  und  Leber;  beide  Male  lagen  die,  kleine,  amyloide  Schollen  ent- 
haltenden Blutkörperchen  in  grösseren  Portal venenästen,  in  denen  ausser- 
dem noch  freie  amyloide  Schollen  vorhanden  waren.  Es  handelte  sich 
liier  also  um  einen  Transport  amyloider  Massen  von  der  Milzvene  in  die 


Albuminöse  Degeneration.  215 

Pfordader  und  einige  wenige  Leukocyten  hatten  dann  wohl  amyloide 
Substanzen  inkorporiert.  Nicht  aber  handelte  es  sich  um  amyloide  Ent- 
artung des  Leukocytenplasmas.  —  Was  nun  die  besondere  Lokalisation 
der  amyloiden  Entartung  anbetrifft,  so  wird  allgemein  angegeben,  dass 
zuerst  die  kleinen  Arterien  und  Kapillaren  zu  entarten  pflegen.  Der 
Schustersche  Fall  bildet  eine  Ausnahme  von  diesem  Gesetz,  noch  mehr 
wohl  meine  oben  erwähnten  Fälle,  in  denen  die  grösseren  Blutgefässe 
früher  erkrankten,  wie  die  kleinen;  aber  auch  hier  handelte  es  sich  wohl 
um  eine  Ablagerung  der  Substanz  zwischen  den  Bindegewebsfasern.  —  In 
Bezug  auf  die  Entstehung  des  Amyloids  wissen  wir,  dass  sowohl  lokale,  wie 
allgemeine  Ursachen  die  Amyloidentartung  verursachen  können  und  dass  bei 
der  allgemeinen  Entartimg  der  Beginn  in  der  Milz  zu  sein  pflegt.  Bei  der  all- 
gemeinen Entartung  spielen  als  ätiologische  Momente  hauptsächlich  chronische 
Eiteraugen  und  Eiweissverluste  eine  Rolle,  wie  auch  neuere  Statistiken,  z.  B. 
von  Hjelmann  (11),  bestätigen.  Derselbe  fand  unter  189  Fällen  98  mal 
Lungentuberkulose ,  25  mal  Knochen-  und  Gelenkstuberkulose  und  35  mal 
Svphilis  als  Grundleiden  vor:  7  mal  unter  197  Krebsfällen  wurde  Amy- 
loid gefunden ,  4 mal  bei  Nierenentzündungen.  Wenn  noch  von  Reck- 
linghausen es  für  zweifelhaft  hielt,  ob  Nierenentzündungen  wirklich 
die  Ursache  der  amyloiden  Entartungen  darstellen  können  und  nicht  viel- 
mehr beide  Veränderungen  auf  eine  gemeinsame  Ursache  —  etwa  Syphilis 
—  zurückzuführen  seien,  so  glaube  ich,  geht  aus  Hjelmanns  Fällen, 
der  Syphilis  ausschliesen  konnte,  hervor,  dass  die  chronische  Nierenent- 
zündung die  Ursache  der  Amyloidentartung  sein  kann.  Auch  ich  habe 
zwei  solche  Fälle  beobachtet  und  möchte  hierbei  noch  hervorheben,  dass  in 
solchen  Fällen  die  Entartung  in  den  Nieren  am  stärksten  und  ältesten  zu 
sein  pflegt.  —  Birch-Hirschfeld  (3)  erwähnt  femer  das  seltene  Vorkommen 
der  amyloiden  Degeneration  bei  Leukämie.  Cordua  (5)  hat  in  neuerer  Zeit 
wieder  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Vorkommen  der  Amyloidentartung  bei 
der  Pseudoleukämie  gelenkt,  nachdem  es  schon  früher  von  Wilks  (1856) 
und  Buchanan*)  festgestellt  war;  da  aber  in  seinem  Falle  neben  den 
pseudoleukämischen  Veränderungen  eine,  wenn  auch  nur  sehr  geringe 
Tuberkulose  vorhanden  war,  so  möchte  er  die  Hodgkinsche  Krankheit 
nicht  allein  verantwortUch  machen  für  die  Amyloidentartung,  sondern  den 
tuberkulösen  Prozessen  eine  prädisponierende  Bedeutung  beimessen.  — 
Während  noch  v.  Recklinghausen  unter  den  bösartigen  Tumoren,  bei 
denen  Amyloidentartung  vorkommt,  nur  die  verjauchenden  Uterus-  und 
und  Magencarcinome  anführt,  hat   de  Paoli  (28)  auch   in  einem  Falle 


0  Bachanan,  A  case  of  Hodgkin's  disease  associated  with  ainyloid  disease.    Glagow 
mei  Journ.  1889.  8.  117. 


21 G  Allgem.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

von  Angiosarkom  der  linken  Niere  mit  Lymphdrüsenmetastasen  amyloide 
Degeneration  der  Milz,  Leber  und  des  Darms  beobachtet.  —  Dass  auch 
ohne  eine  nachweisbare  Ursache  Amyloidentartung  eintreten  kann,  wird 
sowohl  von  Birch-Hirschfeld,  wie  von  Hjelmann,  welcher  vier  der- 
artige Fälle  beobachtete,  angegeben.  —  In  Bezug  auf  die  Zeit,  in  der 
sich  eine  amyloide  Entartung  entwickeln  kann,  führt  Hjelmann  als 
kürzeste  Dauer  2,  3  und  4  Monate  an,  in  Fällen  von  Typhus  mit  lentes- 
eierenden  Darmgeschwüren,  eitriger  Parametritis  und  eitriger  traumatischer 
Gonitis. 

ad  3.  Die  Beziehungen  zwischen  der  hyalinen  und  amyloiden  Ent- 
artung sind  vor  allem  von  v.  Reckling hausen  hervorgehoben  worden, 
der  einerseits  meint,  dass  in  chemischer  Hinsicht  ,,zwischen  dem  Hyalin 
einerseits,  dem  Amyloid  und  dem  Schleim  andererseits  keine  absolute  Grenze 
zu  ziehen  ist",  andererseits  es  auch  in  Bezug  auf  die  Entstehung  der  Ver- 
änderungen für  wahrscheinlich  hält,  „dass  das  Hyalin  und  das  Amyloid 
nur  verschiedene  Stufen  einer  gleichartigen  Umwandlung  der  Gewebselc- 
niente  repräsentieren,  nicht  Produkte  von  Degenerationen  sind,  die  sich  im 
Wesen  von  einander  trennen".  Zur  Stütze  dieser  Anschauung  ist  schon 
von  V.  Recklinghausen  angeführt  worden,  dass  1.  die  Reaktionen  des 
Amyloids  wie  des  Hyalins  in  einem  gewissen  Grade  variabel  sind,  2.  beide 
Degenerationsformen  nebeneinander  in  demselben  Grade  vorkommen,  3. 
beide  Substanzen  viele  morphologische  Eigenschaften  mit  einander  teilen. 
Seit  diesen  Angaben  v.  Recklinghausens  haben  sich  die  Beobachtungen 
über  das  gleichzeitige  Vorkommen  von  hyaliner  und  amyloider  Entartung 
bedeutend  vermehrt;  die  Fälle  beziehen  sich  allerdings  hauptsächUch  auf 
das  Vorkommen  von  lokaler  Amyloiddegeneration  neben  Hyalinablagerung. 
Besonders  wichtig  sind  in  dieser  Beziehung  die  Beobachtungen  über  die 
hyaHnen  und  amyloiden  Neubildungen  in  der  Konjunktiva  des  Auges, 
welche  als  hyperplastische  Bildungen  chronisch  entzündlicher  Natur  anzu- 
sehen sind;  schon  die  von  vielen  Untersucheni  (Raehlmann,  Leber, 
Mandelstamm  und  Rogowitsch,  Vossius)  festgestellte  Thatsache,  da^s 
beide  Degenerationen  unter  den  gleichen  Bedingungen  in  demselben  Ge- 
webe vorkommen,  ist  bedeutsam,  bedeutsamer  noch  die  von  Raehlmann 
und  Vossius,  von  Krüdener  in  acht  und  Rumschewitsch  (32)  in  vier 
Fällen  erhobenen  Beobachtungen  über  das  gleichzeitige  Vorkommen  von 
Plyahn  und  Amyloid  in  einem  und  demselben  Falle.  —  Weiter  hat  es  sich 
gezeigt,  dass  in  den  meisten  Fällen  von  lokaler  Amyloidentartung  auch 
hyaline  Degeneration  vorhanden  ist,  wie  neben  den  älteren  Fällen  von 
Lesser  und  Zahn  (Hyalin  und  Amyloid  in  einem  Osteofibrom  der  Zunge), 
vor  allem  die  Beobachtungen  von  Grawitz,  Ziegler  und  Wild  zeigen. 
Audi  ich  habe  in  Zürich  bei  einer  75  jährigen  Frau  in  den  Lungen  hydine 


AlbuminOse  Degeneration.  217 

Knoten  gefunden,  die  grösstenteils  aus  hyalinen  Bindegewebsbalken  zu- 
sammengesetzt waren,  teilweise  aber  auch  amyloide  Gewebszüge  enthielten. 
Wenn  Ziegler  (42)  und  Wild  (41)  aus  ihren  Beobachtungen,  welche  an 
hyalinen  Knoten  des  Endo-  und  Perikards  und  des  Peritoneums,  bezw.  der 
Zunge  und  des  Darms  gemacht  wurden,  schlössen,  dass  nahe  Beziehungen 
zwischen  der  hyalinen  und  amyloiden  Entartung  bestehen  müssen,  so  hatte 
ürawitz  sich  aus  seinen  Beobachtungen  in  Tumoren  der  Nasenschleim- 
haut und  Luftröhre  des  Pferdes  noch  nicht  zu  einem  derartigen  Schluss 
berechtigt  gesehen  und  Stilling  (34)  betonte,  dass  ein  gleichzeitiges  Vor- 
kommen beider  Substanzen  nicht  genüge  zu  dem  Beweise,  dass  die  eine 
die  Vorstufe  der  anderen  sei.  Deswegen  sind  diejenigen  Fälle  von  weit 
grösserer  Bedeutung,  wo  in  frischen  Fällen  von  allgemeiner  amyloider 
Degeneration  auch  hyalin  entartete  Teile  und  Übergänge  zwischen  beiden 
nachgewiesen  wurden.  Das  ist  besonders  Stilling  in  zwei  Fällen  bei 
amyloider  Degeneration  der  Milz  gelungen,  wo  er  an  einzelnen  kleinen 
Milzarterien  hyaline  neben  amyloiden  Stellen  fand;  auch  Wild  sah 
Gefässe,  deren  Media  xmzweifelhaft  amyloid  degeneriert  war,  während  die 
Adventitia  und  Intima  nur  HyaUnreaktion  zeigten;  und  Ziegler  konnte 
in  seinem  Falle  auch  in  solchen  Organen,  wo  keine  Amyloidtumoren 
vorhanden  waren,  ausgebreitete  hyaline  Entartungen  in  den  Blutgefässen 
nachweisen.  Von  besonderer  Wichtigkeit  erscheint  mir  auch  der  von  mir 
beschriebene  Fall  (23),  wo  bei  schwerer  Lungen-  und  Darmtuberkulose,  so- 
wie Carcinombildung  im  Ileum,  in  Milz,  Leber  und  Niereu  hyalin  entartete 
Kapillaren  und  Arterien  angetroffen  wurden,  welche  zwar  niemals  die  Jod- 
oder Jodschwefelsäurereaktion  gaben,  aber  teilweise  eine  allerdings  nicht 
immer  sehr  ausgesprochene  Rotfärbung  durch  Gentianaviolett  zeigten,  so 
da;5S  man  es  hier  in  der  That  wohl  mit  einer  beginnenden  Amyloident- 
artung  zu  thun  hatte.  Solche  Fälle  sind  um  so  wichtiger,  weil  hier  durch 
besondere  Umstände  —  die  Carcinombildung  im  Ileum  —  die  Dauer  des 
Leidens  abgekürzt  und  somit  die  Entwickelung  der  Amyloiddegeneration 
frühzeitig  unterbrochen  wurde,  wie  das  übrigens  auch  in  den  beiden  Fällen 
von  Stilling  der  Fall  war;  und  es  bleibt  deswegen  auch  verständlich, 
dass  Beobachtungen,  wie  die  von  Stilling  und  mir  nur  äusserst  selten 
gemacht  werden;  ich  habe  nur  noch  einmal  in  einem  Fall  von  beginnen- 
der Amyloidentartung  der  Milz  bei  eitriger  Osteomyelitis,  wo  im  Anschluss 
an  eine  Operation  der  Tod  durch  Fettembolie  eintrat,  in  Follikelarterien 
einen  Teil  der  Wand  amyloid,  einen  anderen  Teil  nur  hyalin  entartet  ge- 
funden. Wahrscheinlich  gehört  auch  der  oben  erwälmte  Fall  Hanse- 
rnanns  (10)  hierher,  der  dann  aber  bereits  eine  weiter  vorgeschrittene 
?tufe  der  Entartung  zeigen  würde.  Jedenfalls  ist  es  aber  zu  weit  gegangen, 
diese  hyalinen  Stellen  in  amyloiden  Partieen  stets  als  die  Vorstufen  des 


218  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Amyloids  anzusehen,  wie  das  Wich  mann  (40)  thut,  welcher  auch  Für- 
bringers*)  Fälle  hierher  rechnet.  Hier,  wo  zwar  makroskopisch  die  Clia- 
rakteristika  des  Amyloids  vorhanden  waren  und  es  sich  um  sehr  lange 
dauernde  Krankheiten  handelte,  muss  man  vielmehr  die  Möglichkeit  zu- 
lassen, dass  hier  die  ursprünglich  amyloide  Substanz  eine  w^eitere  Umwand- 
lung eingegangen  war,  die  man  in  Analogie  zum  „Achroo -Glykogen"  als 
„Achrooamyloid'*  bezeichnen  könnte.  Immerhin  würde  durch  solche  Fälle 
mehr  noch  wie  durch  die  von  Hanse  mann  und  mir  auch  das  zweite 
Postulat  Stiliings  erfüllt  werden,  dass  die  bekannten  chronischen  Affek- 
tionen, welche  zur  Amyloidentartung  führen,  auch  allgemeine  hyaline  De- 
generation hervorbringen  können.  —  Endlich  sei  noch  hervorgehoben,  dass 
in  denjenigen  Tumoren,  in  denen  förmlich  regelmässig  Hyalinentartung 
vorkommt,  in  den  Angiosarkomen,  relativ  häufig  auch  Amyloidentartung 
gefunden  wird.  Ich  habe  besonders  in  vielen  Cylindromen  —  sämtlichen 
in  der  Sammlung  des  Züricher  pathologischen  Institutes  befindüchen,  da- 
runter auch  denen,  die  früher  von  Ewetzky  untersucht  waren,  sowie  zwei 
Cylindromen  der  Speicheldrüse  aus  der  Sammlung  des  Rostocker  Institutes 
und  einigen  angiosarkomatösen  Tumoren  der  Halsgegend,  ferner  einem 
Cylindrom  der  Pleura  —  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  amyloide  Dege- 
neration neben  hyaliner  gefunden.  Da  die  Fälle  noch  nicht  publiziert 
sind,  so  will  ich  nur  erwähnen,  dass  gerade  in  diesen  Tumoren  besonders 
reichhch  alle  mögUchen  Übergänge  zwischen  hyaliner  und  amyloider  Ent- 
artung nachzuweisen  waren.  Von  dem  einen  dieser  Tumoren  hat  Krück- 
mann*), der  ihn  in  einer  anderen  Zwecken  dienenden,  unter  meiner  Lei- 
tung angefertigten  Arbeit,  kurz  beschrieben  hat,  bereits  angegeben,  dass 
die  amyloiden  Schollen  bei  sämtlichen  Reaktionen  (Anilinviolett-,  Jod-  und 
Jodschwefelsäurereaktion)  alle  möglichen  Farbenabstufungen  zeigten  und 
dass  an  einer  mittelgrossen  Arterie  der  Amyloidring  der  Gefässwaudung 
an  einer  Stelle  von  einem  Hyalinring  durchbrochen  wurde.  Auch  in  anderen 
dieser  Tumoren  habe  ich  sowohl  diese  Farbenabstufungen,  wie  das  Vor- 
kommen von  Amyloid  und  Hyalin  in  einer  und  derselben  Arterie  beob- 
achtet. In  einem  Cylindrom  der  Submaxillaris  (Sammlung  Zürich)  fiel  nur 
die  Anilin  Violettreaktion  positiv  aus  mit  Ausnahme  einiger  weniger  grösserer 
Gefässe,  die  auch  die  Jodreaktion  gaben.  Da  in  diesem  Falle  daneben  auch 
noch  deutUch  schleimige  Entartung  vorhanden  war,  würde  es  in  Frage 
kommen,  ob  nicht  auch  schleimige  Substanzen  in  Amyloid  umgewandelt 
werden   können,  wofür  auch  die  Beobachtung  von  St  ratz  über  amyloide 


1)  Zur  Diagnose  der  amyloiden  Entartung  der  Nieren.    Vir  eh.  Arcb.  Bd.  71. 

2)  Ober  Fremdkörpertuberkulose  und  Freradkörperriesenzellen.  Vircb.  Arch    Bd.  138. 
Supplementbeft  8.  165  ff. 


Albuminöse  Degeaeration.  219 

Degeneration  iii  einem  Uleruspolypen  sprechen  könnte.  Doch  ist  hierüber 
vorläufig  wenigstens  noch  nichts  Sicheres  auszusagen.  —  Dass  dagegen  das 
Hyalin  —  in  unserem  eng  begrenzten  Sinne  —  eine  Vorstufe  des  Amyloids 
sein  kann,  scheint  bewiesen  1.  durch  das  Vorkommen  unter  gleichen  lokalen 
Bedingungen  und  an  einem  und  demselben  Orte,  2.  durch  das  Vorkommen 
unter  den  gleichen  allgemeinen  Bedingungen,  3.  durch  die  Abstufungen 
und  Übergänge  bei  den  verschiedenen  färberischen  Reaktionen.  —  Aber 
es  wäre  entschieden  vorläufig  zu  weit  gegangen,  wenn  man  behaupten 
wollte,  dass  das  HyaUn  stets  nur  eine  Vorstufe  des  Amyloids  ist.  Denn 
es  wird  beobachtet,  dass  manches  Hyalin  niemals  zu  Amyloid  wird.  An- 
dererseits ist  es  auch  noch  keineswegs  bewiesen,  dass  die  amyloide  Substanz 
stets  die  hyaline  Zwischenstufe  durchmachen  muss ;  es  wäre  vielmehr  durch- 
aus denkbar,  dass  ähnlich,  wie  wir  mit  Weigert  eine  direkte  Hyalinbildung 
annehmen  müssen,  auch  eine  direkte  Amyloidbildung  stattfinden  kann. 

ad.  4.  Die  Frage  nach  der  Resorbirbarkeit  des  Amyloids  ist  besonders 
von  Litten  (19,20)  angeregt  worden ,  welcher  angeregt  durch  frühere  An- 
schauungen von  Frerichs  die  Frage  experimentell  zu  entscheiden  suchte. 
Er  brachte  Kaninchen  kleine  Würfel  gehärteter,  amyloider  Milzen  oder 
Nieren  in  die  Bauchhöhle  und  stellte  dann  nach  Wochen  oder  Monaten 
fest,  welche  Veränderungen  die  amyloiden  Substanzen  durchgemacht  hatten. 
Neben  allen  Vorgängen,  die  sonst  bei  Fremdkörpereinheilung  gefunden 
werden,  beobachtete  er  reichlich  Riesenzellen,  die  teils  den  amj^loiden 
Ma^en  anlagen,  teils  auch  amyloide  Substanzen  aufgenommen  hatten.  Die 
Reaktion  der  Amyloidsubstanz  war  teils  völlig  verloren  gegangen,  teils 
undeutlicher  geworden,  so  dass  namentlich  bei  Anwendung  der  Methyl- 
violettreaktion alle  Abstufungen  vom  leuchtenden  Rot  bis  zum  matten 
Rosa  erschienen.  Hieraus  schloss  Litten,  dass  durch  Thätigkeit  lebender 
Zellen  die  amyloide  Substanz  aufgelöst  werden  kann  und  glaubte  solches 
auch  beim  Menschen  wenigstens  für  die  beginnende  Amyloiddegeneration 
annehmen  zu  müssen.  Virchow  hat  in  der  Diskussion  über  Littens 
\'ortrag  energisch  dagegen  opponiert  und  höchstens  die  Möglichkeit  zuge- 
geben, dass  Amyloid  in  eine  Flüssigkeit  umgewandelt  und  dann  resorbirt 
werden  könne ;  eine  Neubildung  von  Zellen  aus  Amyloid  wäre  aber  völlig 
unmöglich,  was  auch  Litten  natürlich  nicht  angenommen  hatte.  Klebs 
(U)  stellt  sich  ziemlich  auf  Seiten  Littens  und  glaubt  sogar,  dass  selbst 
für  die  Anhänger  der  cellulären  Genese  des  Amyloids  eine  Restitutio  ad 
integrum  nicht  völlig  von  der  Hand  zu  weisen  sei.  Wichmann,  der 
ja  besonders  scharf  nur  eine  interstitielle  Ablagerung  des  Amyloids  annimmt, 
glaubt  sogar,  „dass  bei  beginnender,  noch  wenig  fortgeschrittener  Amyloid- 
erkrankung  nach  Beseitigung  der  Primärkrankheit  und  der  chro- 
nischen Anämie  durch  Steigerung  der  Zellprozesse,  durch   ge- 


220  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

steigerte  Proliferationsthätigkeit  der  zelligen  Elemente  eine 
Heilung  möglich,  ja  sehr  wahrscheinlich  ist'',  und  führt  besonders 
Rählmanns  (30)  Beobachtung  ins  Feld,  welcher  einen  Amyloidtumor  der 
Konjunktiva  durch  Keilexcisionen  völlig  zum  Schwinden  brachte,  somit  also 
eine  Resorption  des  Amyloids  direkt  nachwies.  Es  erscheint  in  der  Tliut 
durch  diese  Beobachtung  und  Littens  Versuche  bewiesen,  dass  amyloide 
Substanz  wieder  aufgelöst  werden  kann  und  auch  der  von  Krückmann 
beschriebene  Tumor  kann  in  Analogie  zu  den  Versuchen  gestellt  werden, 
da  auch  bei  ihm  die  verschiedenartigen  Abstufungen  in  der  Färbung  und 
amyloide  Schollen  enthaltende  Riesenzellen  gefunden  wurden ;  ja  die  Fig.  10 
auf  Taf.  VIII,  welche  eine  diffuse  Amyloidreaktion  an  dem  Protoplasma 
einer  Riesenzelle  zeigt ,  beweist  fast  direkt  die  Auflösbarkeit  der  amyloiden 
Substanz.  Dass  das  aber  wohl  nur  in  einem  bestimmten  Stadium  de? 
Prozesses  möglich  ist,  geht  schon  aus  Cohn  hei  ms  Beobachtungen  hervor, 
der  in  einem  grossen  Milzabscess  die  amyloiden  Schollen  noch  unverändert 
erhalten  fand;  auch  wird  an  die  Resorption  amyloider  Massen  nur  dann 
eine  wirkliche  Restitutio  ad  integrum  anschliessen  können,  wenn  die  zelligen 
Elemente  durch  die  interstitielle  Amyloidablagerung  noch  nicht  zu  stark 
geschädigt  waren. 

ad.  5.  V.  Recklinghausen  (31)  hat  sich  über  die  Genese  der 
Amyloidentartung  die  Hypothese  gebildet,  dass  aus  den  Zellen  homogenes 
Material  austritt  und,  von  dem  Gewebssaft,  indirekt  von  dem  Blute  bespült, 
wie  die  Schleimklumpen  anschwillt  und  zusammenfliesst  und  sich  dabei  zu 
Knollen  und  Balken  umformt.  Er  hat  nichts  dagegen,  wenn  man  diesen 
Vorgang  der  Fibringerinnmig  parallelisiert ,  wozu  ja  Weigert  (38)  vor 
allem  neigt,  vorausgesetzt  dass  man  diese  Art  der  Gerinnung  durch  das 
Zusammentreten  von  Bestandteilen  der  Gewebselemente  mit  Teilen  des 
Blutes  zu  Stande  kommen  lässt.  Für  diese  besondere  Rolle,  welche  die 
Gewebselemente  bei  der  Amyloidenentartung  spielen ,  spricht  ja  vor  allem 
auch  die  Thatsache,  dass  nur  eine  beschränkte  Anzahl  von  Gewebsarten 
—  höchst  wahrscheinlich  ja  ausschliesslich  das  Bindegewebe  —  der  Er- 
krankung anheim  fallen.  Klebs  (14)  steht  der  Recklinghausensclicn 
Auffassung  nahe,  nimmt  aber  an,  dass  im  Blute  eine  Vorstufe  des  Amy- 
loids gebildet  würde  und  dass  eine  Herabsetzung  der  Zellprozesse  die 
Bildung  des  Amyloids  begünstige.  Auch  Czerny  (6)  glaubt,  dass  zuerst 
eine  Vorstufe  des  Amyloids,  freilich  nicht  im  Blute,  sondern  in  den  Eiter- 
zellen gebildet  würde,  welches  dann  in  anderen  Geweben  abgelagert  noeli 
weiter  in  eigentliches  Amyloid  umgewandelt  würde.  Ziegler  (43)  glaubt 
dagegen,  dass  das  Amyloid  wesentlich  aus  dem  cirkulierenden  Eiweiss 
entsteht  in  der  Weise,  dass  die  Gewebszellen  das  Eiweiss  nicht  mehr  in 
normaler  Weise  zu  zerlegen  vermögen,    wodurch  es    an  Ort   und  Stelle 


AlbomiDÖse  Degeneration.  221 

liegen  bleibt  und  dann  eigenartige  Modifikationen  erfährt.  Wich  mann 
steht  dieser  Auffassung  sehr  nahe,  wenn  er  als  Cirund  der  Amyloid bildung 
eine  Herabsetzung  der  physiologischen  Leistungen  der  Gewebe  sieht,  sodass 
das  normalerweise  aus  dem  Blute  zugeführte  Ei  weiss  nicht  mehr  assimiliert 
v^-ird,  in  den  Gewebslücken  liegen  bleibt  und  später  unter  Verbindung  mit 
linderen  Eiweisskörpern  eine  besondere  chemische  Umwandlung  erleidet. 
In  nicht  so  klarer  Weise,  aber  doch  innerlich  nahe  verwandt,  kommt  auch 
Buchanan,  dessen  Meinung  Cordua  (5)  eine  gewisse  Berechtigung  nicht 
absprechen  will,  auf  ähnliches  heraus,  wenn  er  meint,  dass  ein  phtisischer 
Habitus  als  phtisische  Belastung  eine  Prädisposition  für  die  Amyloident- 
artung  bildet.  Birch-Hirschfeld  (3)  endlich  glaubt,  dass  es  vorläufig 
unmöglich  ist,  eine  Theorie  der  Amyloidentartung  aufzustellen. 

Zur  Aufstellung  einer  Theorie  der  Amyloidentartung  müssten  3  Fragen 
klar  beantwortet  werden  können :  a)  Durch  welche  Momente  wird  die  Amy- 
loidentartung veranlasst?  welches  ist  das  Gemeinsame  bei  den  verschieden- 
artigen Krankheiten,  die  zur  Amyloiddegeneration  Anlass  geben;  beruhen 
iusV)esondere  lokale  und  allgemeine  Amyloidentartung  auf  denselben  Ur- 
^^^c•llen?  b)  Wie  entsteht  die  amyloide  Substanz?  c)  Durch  was  für 
chemische  Substanzen  wird  die  spezifische  Reaktion  hervorgebracht? 

ad  a.  Bei  der  allgemeinen  amyloiden  Degeneration  kann  man  in  der 
That  ein  allgemeines  Moment  auffinden,  das  ist  der  fortgesetzte  Eiweiss- 
verlust  oder,  was  besonders  Wich  mann  betont  hat,  die  chronische  An- 
ämie, die  auch  in  solchen  Fällen  vorhanden  war,  wo  scheinbar  eine  beson- 
dere Ursache  für  die  Amyloidentartung  fehlte.  Es  würde  dadurch  die  eine 
\'oraussetzung  für  das  Zustandekommen  der  Amyloidentartung  gegeben 
sein,  die  mangelhafte  assimilierende  Thätigkeit  der  Gewebszellen.  Als  2. 
M'»ment  kommt  aber  hinzu  eine  innige  Durch-  und  Umspülung  des  Ge- 
webes mit  Flüssigkeit,  wodurch  eine  Art  Gerinnung  der  nicht  mehr  nor- 
mal funktionierenden  Teile  herbeigeführt  wird.  Der  Mangel  an  Durchspülung 
mit  Gewebsflüssigkeit  würde  es  erklären,  warum  Epithelien  nicht  amyloid 
entarten,  auch  dann  nicht,  wenn  ihre  physiologische  Thätigkeit  völlig  dar- 
nieder liegt.  Gleich  wie  bei  der  hyalinen  Gerinnung  würden  also ,  wie 
niir  in  Übereinstimmung  mit  v.  Recklinghausen  sicher  zu  sein  scheint, 
uithrere  Faktoren  nötig  sein.  1.  Eine  bestimmte  chemische  Konstitution 
des  (iewebes.  2.  Eine  besondere  Schädigung  der  funktionellen  Thätigkeit 
des  Gewebes.  3.  Eine  reichliche  Durchspülung  mit  Gewebsflüssigkeit.  Alle 
diese  Punkte  spielen  auch  bei  der  lokalen  Amyloidentartung  eine  Rolle. 
Auch  hier  entarten  nur  bindegewebige  Substanzen,  gegenteihge  Angaben 
Krüdeners  (18)  für  die  Amyloidtumoren  der  Konjunktiva  sind  durch 
Vossius  (36)  und  Rumschewitsch  (32)  widerlegt;  auch  hier  besteht  eine 
starke  Durchtränkung  der  Gewebe  mit  Flüssigkeit,  hervorgebracht  entweder 


222  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

durch  eine  entzündliche  Exudation  bei  den  einfach  hyperplastischen  Tumor- 
bildungen oder  durch  die  innigen  Beziehungen  der  echten  Neubildungen 
zu  Blut-  und  Lymphgefässen.  Aber  auch  hier  muss  noch  eine  besondere 
Herabsetzung  der  Zellenthätigkeit  angenommen  werden,  die  teils  durch 
Druckverhältnisse  in  den  ungleichmässig  wachsenden  Gebilden,  teils  durch 
allgemeine  Momente  (senile  Atrophie)  hervorgebracht  werden  können.  Denn 
es  ist  jedenfalls  sicher,  dass  nicht  wenige  hyaline  Massen  stets  auf  dieser 
Stufe  stehen  bleiben,  niemals  amyloid  werden. 

ad  b.  Was  die  eigentliche  Entstehung  des  Amyloids  anbetrifft,  so 
haben  wir  oben  gesehen,  dass  in  nicht  wenigen  Fällen  das  Hyalin  die 
Vorstufe  des  Amyloids  sein  kann.  Nach  dem,  was  über  die  Entstehung 
des  Hyalins  festgestellt  werden  konnte,  tritt  somit  auch  die  Amyloidbildung 
in  einen  gewissen  Konnex  zu  den  Gerinnungsvorgängen.  Was  im  speziellen 
hierfür  und  gegen  eine  direkte  Entstehung  aus  weissen  oder  roten  Blut 
körperchen  (Obrzut  26)  spricht,  ist  bereits  teilweise  angeführt  worden; 
hier  sei  nur  nochmals  auf  die  alten  Beobachtungen  Fried  reich  s  über  die 
amyloide  Umwandlung  eines  Gerinnsels  in  einer  Hämatocele  retrouterina 
liingewiesen,  ferner  auf  die  auffallenden  Übergänge  und  Varietäten  in  den 
färberischen  Reaktionen  des  Amyloids,  Die  Beobachtungen  von  mir  und 
Hansemann  zeigen,  dass  die  Anilinviolettreaktion  einem  früheren  Stadium 
entspricht,  wie  die  Jodreaktion,  Still ing  (34)  hat  ferner  gezeigt,  das  es 
Amyloid  giebt,  welches  nur  noch  die  Jodreaktion,  und  nicht  mehr  die 
Anilin  Violettreaktion  giebt  und  ich  kann  das  bestätigen;  Eberth  und  ich 
haben  gesehen,  dass  in  den  Nieren  die  Jodschwefelsäurereaktion  oft  nur 
an  den  zweifellos  ältesten  amyloiden  Partieen  eintritt;  Schusters  Beobach- 
tung weist  darauf  hin,  dass  es  bei  ganz  besonders  altem  Amyloid  zu  noch 
weiteren  Veränderungen  der  Reaktion  kommen  kann  und  Frerichs  und 
Fürbringe r  haben  es,  wie  bereits  Klebs  (14)  hervorgehoben,  wahr- 
scheinlich gemacht,  dass  es  ein  Achroo- Amyloid  giebt,  was  durch  R  a  e  li  1- 
manns  und  Litten s  Untersuchungen  über  das  Wieder-Hyalin werden  ur- 
sprünglich amyloider  Substanzen  direkt  dahin  gedeutet  werden  muss,  dass 
auf  einer  gewissen  Altersstufe  eine  noch  weitere  Veränderung  der  amy- 
loiden Substanz  möglich  ist.  Man  könnte  deswegen  schematisch  eine  Skala 
entwerfen,  welche  von  der  echten  Fibringerinnung  über  das  Hyalin  zum 
Achrooamyloid  führt  und  wo  die  durch  das  verschiedene  färberische  Ver- 
halten von  einander  geschiedenen  Gebiete  in  einer  bestimmten  Breite  mit 
einander   zusammenfallen    können.     Das   Schema  würde    dann  folgender- 

massen  lauten:  Achroo- 

_^  Hyalin  Amyloid  amyloid 

I  I    — 1__..  I   1 

Fi-      Bezirk  der  Wei-  Anilin  violett-       Gentiana-Jod  und     JodHjSO«  atypisclie 

brin   gertschen  Färbung  reaktion  allein     Jodll^SOfreaktion      roaktion   Jodreak* 

allein  tion 


AlbuminOse  Degeneration.  223 

ad.  c.  Die  schwierigste  Frage,  die  auf  Grund  unserer  heutigen  chemi- 
schen Kenntnisse  auch  hypothetisch  kaum  beantwortet  werden  kann,  ist 
die  Dach  der  besonderen  chemischen  Umwandlung,  welche  die  Amyloid- 
reaktionen  bewirkt.  Durch  die  Versuche  Czernys(6)  und  durch  einige  von 
mir  gemachte  Beobachtungen  (24)  muss  die  Frage  erörtert  werden,  ob 
nicht  gewisse  Beziehungen  zwischen  dem  Amyloid  und  dem  Glykogen  be- 
stehen und  man  könnte  dann  soweit  gehen,  die  Auffassung  zu  vertreten, 
dass  der  als  „Amyloid"  bezeichnete  Körper  aus  einem  Eiweissderivat  und 
einem  Kohlehydrat  (Glykogen  oder  einem  glykogenähnlichen  Körper)  be- 
steht. Das  verschiedene  Verhalten  des  Amyloids  und  Glykogens  zu  Wasser, 
Säuren  und  zum  Speichel  würde  nicht  a  priori  hiergegen  sprechen,  da  durch 
die  feste  Verbindung  des  Glykogens  mit  dem  Eiweissderivat  die  chemi- 
schen Eigenschaften  verändert  werden  könnten.  Auch  würden  gerade  die 
Versuche  Czernys  und  meine  Beobachtungen  dafür  sprechen  können. 
Czerny  fand  bei  Erzeugung  von  Terpentineiterung  bei  Hunden  in  den 
Eiterzellen  und  den  Leukocyten  des  Blutes  einen  Körper,  der  die  mikro- 
chemischen Reaktionen  des  Glykogens  gab  und  aus  dem  sich  jedenfalls 
auch  bei  der  quantitativen  Bestimmung  Glykogen  abspalten  Hess,  der  sieh 
aber  von  dem  gewöhnlichen  Glykogen  dadurch  unterschied,  dass  er  sowohl 
die  Jodschwefelsäure-  wie  Anilinviolettreaktion  gab.  Ich  habe  ferner  in 
der  Niere  von  Winterfröschen  Mastzellen  gefunden,  von  denen  ein  Teil 
sich  nicht  nur  tinktoriell,  sondern  auch  chemisch  ganz  wie  Glykogen  ver- 
liielt,  während  ein  anderer  Teil  neben  den  Glykogenfärbungen  auch  die 
Amyloidfärbungen  annahm  und  dann  in  Speichel  nicht  mehr  löslich  war. 
Während  meine  Beobachtungen  keine  direkten  Beziehungen  zur  Amyloid- 
biidung  hatten,  schien  dies  bei  Czernys  Versuchen  um  so  mehr  der  Fall 
zu  8*^in,  als  er  bei  zwei  Hunden  bei  fortgesetzter  Aüfrechterhaltung  der 
Terpentineiterung  während  10 — 11  Wochen  eine  amyloide  Degeneration 
der  Milz  auffand.  Nahm  man  an,  wie  Czerny  wollte,  dass  die  Amy- 
ioidentartung  der  Milz  durch  den  fortgesetzten  Transport  der  Eiterzellen 
von  den  Eiterherden  aus  zu  stände  gekommen  war,  so  blieb  kaum  etwas 
anderes  übrig,  als  in  dem  in  den  Eiterzellen  vorhandenen,  teils  wie  Glykogen, 
teils  wie  Amyloid  reagierenden  Körper  eine  Vorstufe  des  Amyloids  zu  erblicken ; 
und  da  der  Körper  im  wesentlichen  (Verhalten  zum  Speichel)  mit  dem 
Glykogen  völlig  übereinstimmte,  so  wäre  der  weitere  Schluss  berechtigt 
gewesen,  dass  die  spezifische  Färbung  des  amyloiden  Eiweisskörpers  von 
der  Verbindung  mit  dem  Glykogen  bedingt  sei.  Allein  selbst  wenn  die 
tliutsächlicheu  Beobachtungen  Czernys  über  das  tinktorielle  Verhalten  der 
Eiterzellen  richtig  wären,  wäre  dadurch  der  Schluss  noch  nicht  bewiesen, 
'ia.ss  die  amyloide  Entartung  der  Milz  durch  Ablagerung  des  in  den  Eiter- 
«.llen  vorhandenen  Körpers  hervorgebracht  wird,   sondern  es  könnte  sich 


224  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

bei  der  Entstehung  des  Amyloids  um  zwar  ebenfalls  vom  Eiter  ausgehende, 
aber  nicht  mit  den  Eiterzellen  in  direkter  Verbindung  stehende  Wirkmigen 
handeln;  die  oben  angeführten  neueren  Untersuchmigen  Tschermaks 
würden  übrigens  direkt  gegen  eine  derartige  Verbindung  mit  Glykogen 
sprechen.  —  Nun  habe  ich  aber  in  zahlreichen  gleichartigen  Versuchen 
zwar  stets  die  Glykogenreaktionen  an  den  Eiterzellen  und  Leukocyten 
erhalten,  nie  aber  die  Amyloidreaktion,  ebensowenig,  wie  ich  selbst  bei 
14  wöchentlicher  Aufrechterhaltung  der  Eiterung  eine  amyloide  Degene- 
ration in  irgend  einem  Organe  auffinden  konnte.  Damit  wird  es  vorläufig 
wahrscheinlich,  dass  wir  auch  in  der  Terpentineiterung  kein  sicheres  Mit- 
tel zur  Erzeugung  der  Amyloidentartung  besitzen  und  dass  die  positiven 
Ergebnisse  von  Czernys  Versuchen  auf  Zufälligkeiten  beruhten,  die  es 
vorläufig  unmöglich  machen,  allgemeine  Schlüsse  aus  ihnen  zu  ziehen.  — 
Damit  wären  wir  auf  den  Punkt  der  experimentellen  Erzeugung  der  amy- 
loiden  Degeneration  gekommen.  Ausser  Czernys  positiven  Angaben, 
giebt  es  nur  noch  die  erfolgreichen  Versuche  Birch-Hirschfelds,  der 
einmal  durch  Injektion  von  Eiter  eines  an  Caries  und  Amyloiderkrankun«]; 
leidenden  Knaben  bei  einem  Kaninchen  bereits  nach  6  Wochen  Amyloid- 
degeneration  erzielte,  und  Charrins,  dem  es  einmal  gelang  bei  seinen 
Versuchen  mit  Bacillus  pyocyaneus  Amyloidentartung  im  Herzen  zu  er- 
zeugen ;  ferner  eine  etwas  zweifelhafte  Angabe  von  Condorelli-Mangeri  (4), 
dass  er  bei  Kaninchen  durch  Einspritzung  von  Kulturprodukten  des  Bacteriuni 
termo  (?)  Amyloidentartung  in  Leber  und  Nieren  erzeugt  habe.  Aber  alle 
diese  spärlichen  positiven  Versuchsergebnisse  zeigen  im  Gegensatz  zu  den 
überaus  zahlreichen  negativen,  dass  noch  irgend  welche  besonderen  Bedin- 
gungen erfüllt  sein  müssen,  damit  es  zur  amyloiden  Degeneration  kommt.  Die 
wenigen  positiven  Experimentalergebnisse  haben  unsere  Kenntnisse  über  die 
Amyloidentartung  noch  in  keiner  Weise  gefördert,  weil  sie  vereinzelt  geblieben 
sind.  Erst  wenn  wir  ein  sicheres  Mittel  zur  Erzeugung  der  Amyloiddegenera- 
tion  in  der  Hand  haben,  werden  wir  dazu  gelangen  können,  eine  wirkliche . 
Theorie  dieser  Erkrankung  aufzustellen.  Alle  die  Fragen,  die  bis  jetzt  nur 
mit  grosser  Reserve  oder  hypothetisch  beantwortet  werden  können,  nach  dem 
Verhalten  des  Amyloids  zum  Hyalin,  zum  Glykogen,  über  Entstehung  und 
chemische  Zusammensetzung  würden  dann  ihrer  Lösung  wesentlich  ge- 
nähert werden.  Vorläufig  scheinen  wir  aber  von  diesem  Ziel  noch  sehr  weit 
entfernt  zu  sein  und  auch  die  neusten  Versuche  von  Krawkow*)  werden 
uns  wohl  kaum  dem  Ziele  näher  bringen;  denn  dass  wir  in  der  Injektion 
von  Staphylokokken  in  die  Blutbahn  von  Kaninchen  kein  sicheres  Mittel 
zur  Erzeugung  der  Amyloidentartung  besitzen,  kann  ich  versichern;  da  ich 
viele  vergebliche,  mannigfach  variierte  Versuche  damit  gemacht  habe. 

')  Über  bei  Tieren  experimentell  hervorgerufenes  Amyloid.    Ctbl.  f.  allgem.  Pathol. 
Bd.  6.  S.  337,  1895. 


B. 

Progressive  Ernährungsstörungen. 


1. 

Regeneration  und  Hypertrophie. 

Von 

Ludwig  Aschoff,  Göttingen. 


Litteratur. 

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3.  Ballance  und  Sherrington,  Über  die  Entstehung  des  Narbengewebes,  das  Schicksal 
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T.  Bard,  La  sp^cificitö   cellulaire  et  rhistogönöse  chez  Tembryon.     Arch.    de  physiol. 

1886  111.  S^rie.  T.  7.  S.  406. 
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Merkel  und  Bonnet.    Bd.  1-3.  1891-93 
1-.  Dera..  Zur  Regeneration  der  Gewebe.    Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.  37.  1891.  S.  406. 
^^'  Dera.,  Die  Rflckbildung  des  Froschlarvenschwanzes  und  die  sog.  Sarkoplasten.    Arch. 

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Frage  des  Wiederersatzes  von  Nierengewebe.    Arch.  f.  klin.  Chirurg.  Bd.  45.  1893.  S.  1. 
•V  Der 8.,  Über  histol.  Befunde  nach  Enochentransplantation.     Langenbecks^\rcbiv. 
Bd.  46.  1893.  S.  408. 

Lttbarsch-Osterta;,  Ergebaiste  Abteil.  11.  15 


226  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

16.  Baum  garten,  Über  die  Herkunft  der  in  EntzOndungaherden  auftretenden  lymph> 
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15* 


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99.  Kraske,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Regeneration  der  quergestreiften 
Muskeln.    Halle  1878. 


Regeneration  und  Hypertrophie.  229 

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Vir  che  WS  Arch.  128.  1892. 

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102.  Leopold,  Studien  über  dio  Uterin-Schleimhaut  während  Menstruation,  Schwanger- 
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103.  Leven,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Regeneration  der  quergestreiften 
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klin.  Med.  Bd.  43.  1888.  S.  165. 

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106    Lfldeking,  Untersuchungen  über  die  Regeneration  der  quergestreiften  Muskelfasern. 
L-D.  Strassburg.  1876. 

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10.  intern.  Kongr.  Berlin.  1890.  Bd.  2.  Abt.  3.  S.  6. 

108.  Derselbe,  Untersuchungen  über  die  Einheilung  von  Fremdkörpern.  Zieglers 
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109.  Martinotti,  über  Hyperplasie  und  Regeneration  der  drüsigen  Elemente  in  Bezieh- 
ung auf  ihre  Funktionsfähigkeit.    Centralbl.  f.  allg.  Path.  Bd.  1.  1890.  S.  638. 

110.  Matthes,  Untersuchungen  über  die  Pathogenese  des  ulcus  rotundum  ventriculi  und 
über  den  Einfluss  von  Verdauungsenzymen  auflebendes  und  totes  Gewebe.  Zieglers 
Beitr.  Bd.  13.  1893.  S.  309. 

111.  Mayer,  S.,  Einige  Bemerkungen  zur  Lehre  von  der  Rückbildung  quergestreifter 
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112.  Mayzel,  Über  eigentümliche  Vorgänge  bei  der  Teilung  der  Kerne  in  Epithelialzellen. 
Centralbl.  f.  d.  mediz.  Wissensch.  1875.  S.  848. 

113.  Meier,  J.,  Über  die  Neubildung  von  Blutgefässen  in  plastischen  Exsudaten  seröser 
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Jahrg.  4.  S.  41. 

114.  V.  Meister,  über  die  Regeneration  der  Leberdrüse  nach  Entfernung  ganzer  Lappen 
und  über  die  Beteiligung  der  lieber  an  der  Hamstoffbildung.  Centralbl.  f.  allg.  Path. 
1891.  Bd.  II.  S.  961. 

115.  Derselbe,  Rekreation  des  Lebergewebes  nach  Abtragung  ganzer  Leberlappen. 
Zieglers  Beiträge.  Bd.  15.  1894.  S.  1. 

116.  Merkel,  Fr.,  Bemerkungen  über  die  Gewebe  beim  Altem.  Verh.  d.  10.  intern,  med. 
Kongr.  Berlin.  1890.  Bd.  2.  Abt.  1.  S.  124. 

117.  Metscbnikoff ,  Beiträge  zur  vergleichenden  Pathologie  der  Entzündung.  Virchow 
Festschrift.  Intern.  Beiträge.  1891.  Bd.  2.  S.  1. 

118.  Meyer,  Zur  Frage  der  Narbenkontraktion  bei  Transplantationen  von  Thiersch. 
Deutsch,  med.  V^ochenschr.  1894.  S.  364. 

119.  MöbiuB,  0.,  Zellvermehrung  in  der  Milz  beim  Erwachsenen.  Arch.  f.  mikr.  Anat. 
Bd.  24.  1885.  S.  342. 

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121.  M filier,  H.  F.,  Über  Mitose  an  eosinophilen  Zellen.  Beitr.  zur  Kenntnis  der  Teilung 
der  Leukocyten.    Arch.  f.  experimentelle  Pathologie  u.  Pharm.    Bd.  29.  1891.  S.  221. 

122.  Muskat blfith,  Über  die  mitotische  Leukocytenbildung  im  cirkulierenden  Blut. 
Schriften  der  neurussischen  Gesellschaft.  T.  16.  1893.  Hälfte  2.  S.  95.  (Russisch.) 
(Kieht  zugänglich.) 

123.  Nauwerck,  Über  Muskelregeneration  nach  Verletzungen,    Jena  1890.  Fischer. 

I2i  Neelsen,  Paris  Lehrbuch  der  allgemeinen  Pathologie.  III.  Auflage.  Stuttgart. 
Enke.  1894. 


230  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

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Klin.  Monatsblatt  fOr  AugenheilkuDde.  1880.  XVIII.  S.  286. 

126.  Neese,  Über  das  Verhalten  des  Epithels  bei  der  Heilung  von  Linear-  und  Lanzen- 
messerwunden  in  der  Hornhaut.     Archiv  f.  Ophthalmologie.  Bd.  33.  1887.  S.  1. 

127.  Neu  mann,  £.,  Über  den  Heilungsprozess  nach  Muskelverletznngen.  Arch.  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  IV.  1868.  S.  323. 

128.  Nikiforoff,  Untersuchungen  über  den  Bau  und  die  Entwickelungsgeachichte  des  Gra- 
nulationsgewebes.   Zieglers  Beiträge.  Bd.  VIII.  1890.  S.  400. 

129.  Nothnagel,  Über  Anpassungen  und  Ausgleichungen  bei  pathologischen  Zustanden. 
Zeitschrift  für  klin.  Medizin.  Bd.  XI.  1886.  S.  216. 

130.  Derselbe,  Die  Anpassung  des  Organismus  bei  pathologischen  Veränderungen. 
Wiener  roediz.  Wochenschrift.  1894.  Nr.  17.  S.  742  und  Centralblatt  für  allg.  Patho- 
logie etc.   Bd.  V.  1894.  S.  380. 

131.  ▼.  Notthaft,  Neue  Untersuchungen  über  den  Verlauf  der  Degenerations*  und  Re- 
generationsprozesse am  verletzten  peripheren  Nerven.  Zeitschrift  für  wissenschaftliche 
Zoologie.  Bd.  55.  1893.  S.  134. 

132.  Nussbaum,  über  den  Bau  und  die  Thätigkeit  der  Drüsen.  IV.  Archiv  für  mikr. 
Anat.  Bd.  21.  1882.  S.  696. 

133.  0  c  h  0 1  in ,  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Transplantation  toter  Enochenteile.  V  i  r  c h  o w  s 
Archiv.  Bd.  124.  1891.  S.  97, 

134.  Orth,  J,  Über  die  Entstehung  und  Vererbung  individueller  Eigenschaften.  Festschr. 
für  Kölliker.    Leipzig.  1887.  S.  157. 

135.  Derselbe,  Lehrbuch  der  speziellen  pathologischen  Anatomie.  Berlin.  Hirsch- 
wald.  1889.  1893. 

136.  Passarge,  Schwund  und  Regeneration  des  elastischen  Gewebes  der  Haut  unter  ver- 
schiedenen  pathologischen  Verhältnissen.    Dermatolog.  Studien.  18.  Heft  1894. 

137.  Paulsen,  E.,  Zellvermehrung  und  ihre  Begleitungserscheinungen  in  hyperplastischen 
Lymphdrüsen  und  Tonsillen.    Archiv  f.  mikr.  Anat.  Bd.  24.  1885.  S.  345. 

138.  Pawlow  u.  Smirnow,  Regeneration  der  Pankreasdrüse  beim  Kaninchen.  Peters- 
burger mediz.  Wochenschrift.  N.  F.  Bd.  6.  1889.  S.  13. 

139.  Peipers,  Über  die  Regeneration  der  Niere.  Archiv  f.  Entwickelungsmechanik  der 
Organismen.    Bd.  I.  1894.  S.  76. 

140.  Penzo,  über  die  Vernarbung  der  Wunden  der  Niere.  Riform.  med.  1894.  VoL  1. 
Nr.  29.    Refer.  im  Centralbl.  f.  allg.  Path.  1894.  S.  981. 

Hl',  Derselbe,  Über  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Regeneration  der  Zellen  mit 
besonderer  Rücksicht  auf  die  Heilung  der  Wunden.  Gazz.  med.  di  Torino  1891. 
XLII.  fasc.  II.  p.  242.    Refer.  im  Centralbl.  f.  allg'.  Path.  1891.  S.  521. 

142.  Peters,  A.,  über  die  Regeneration  des  Epithels  der  Kornea.  I.-D.  Bonn.  1885. 

143.  Petrone,  Du  processus  rögenörateur  sur  le  poumon,  sur  le  foie,  et  sur  le  rein. 
Archives  italiennes  de  biologie.     T.  V.  1884.  p.  201. 

144.  P fitzner  u.  Stilling,  über  die  Regeneration  der  glatten  Muskeln.  Arch.  f.  mikr. 
Anatomie.  28.  Bd.  1886.  S.  396. 

145.  Pilliet,  Histologische  Studie  über  die  hämorrhag.  Erosion,  der  Magenschleimhaut 
Centralbl.  f.  allg.  Path.  1892.  S.  429. 

146.  Podwyssozki,  Die  Gesetze  der  Regeneration  der  Drüsenepithelien  unter  physiül. 
und  path.  Bedingungen.    Fortschritte  der  Medizin  1887.  Bd.  V.  S.  433. 

147.  Derselbe,  über  die  Regeneration  der  Leber,  der  Niere,  der  Speichel*  und  Meibo ra- 
schen Drüsen  unter  pathologischen  Bedingungen.  Fortschritte  der  Medizin.  Bd.  III. 
S.  630. 

148.  Derselbe,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Regeneration  des  Lebergewebes. 
Zieglers  Beiü-äge.  Bd.  L  1886.  S.  259. 

149.  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Regeneration  des  Drüsengewebes.  Zieglers 
Beiträge.  Bd.  II.  1888.  S.  1. 


Regeneration  und  Hypertrophie.  231 

150.  Poggi,  La  cicatrisation  imm^diate  des  blesaarea  de  Pestomac  en  rapport  avec  lea 
divers  modes  de  snture.    Zieglers  Beiträge.  III.  1888.  S.  239. 

151.  Ponfick,  Über  Rekreation  der  Leber.  Verh.  d.  X.  intern.  Kongr.  Berlin  ISOO.^Bd.  IL 
Abt  3.  S.  126. 

152.  Derselbe,  Über  Rekreation  der  Leber  beim  Menschen.  Festschrift  der  Assistenten 
für  Virchow.     Berlin.  1891. 

153.  Derselbe,  Über  die  Vorg&nge,  welche  sich  im  Innern  der  Leber  nach  Ausrottung 
des  grösseren  Teiles  der  Drüse  entwickeln.  66.  Naturforscher  Versammlung  zu  Wien.  1894. 
Refer.  im  Centralbl.  f.  allg.  Path.  1894.  S.  849. 

151.  Derselbe,  Experimentelle  Beitr&ge  zur  Pathologie  der  Leber. 

a)  Virchows  Archiv  Bd.  118.  S.  209.  1889. 

b)  ,  ,       Bd.  119.  S.  198.  1890. 

c)  ,  ,       Bd.  138.  Supplement  S.  81.  1895. 

155.  Ran  vier,  Trait^  technique  d'histologie. 

156.  vom  Rath,  über  die  Bedeutung  der  amitotischen  Kernteilung  im  Hoden.  Zoolog. 
Anzeiger  1891.  S.  331. 

157.  V.  Recklinghausen,  Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie  des  Kreislaufs  und  der 
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15$.  Reinke,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Proliferation  und  Weiterentwickelung 
der  Leukocyten.    Ziegler 's  Beiträge  V.  1889.  S.  139. 

159.  Reverdin,  A.,  Transplantation  de  peau  de  grenouille  sur  de  plaies  humaines.  Archiv 
de  m^decine  exp^r.    Paris  1892.  T.  IV.  S.  139. 

160.  Ribbert,  Über  die  Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Neubildung  des  Bindegewebes. 
Centralbl.  f.  allg.  Path.  etc.  I.  1890.  S.  667. 

161.  Derselbe,  über  Regeneration  und  Entzündung  der  Lymphdrüsen.  Zieglers  Bei- 
träge. Bd.  VL  1889.  S.  187. 

162.  Derselbe,  Über  die  Regeneration  des  Schilddrüsengewebes.  Virchow  117. 
1889.  S.  151. 

163.  Derselbe,  Beiträge  zur  kompensatorischen  Hypertrophie  und  Regeneration.  Archiv 
für  Entwickelungsmechanik  I.  1894.  S.  69. 

164.  Derselbe,  Über  die  kompensatorische  Hypertrophie  der  Geschlechtsdrüsen.  Vir- 
chows Archiv  120.  1890.  S.  247. 

165.  Derselbe,  Über  die  Regeneration  der  Mammilla  nebst  Bemerkungen  über  ihre  Ent- 
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166.  Derselbe,  Beiträge  zur  Histogenese  des  Carcinoms.  Virchows  Archiv  135. 
1894.  S.  433. 

167.  Rindfleisch,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Heilung  des  Darmes  nach 
Resektion  bei  Anwendung  Czerny- Lambert  scher  Nähte.  Archiv  f.  klin.  Chir. 
1893.  Bd.  46.  S.  600. 

168.  Ritschi,  A.,  Über  Heilung  von  Wunden  des  Magens,  Darmkanals  und  Uterus,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  des  Verhaltens  der  glatten  Muskulatur.  Virchows 
Archiv.  Bd.  109.  1887.  S.  507. 

169.  Robert,  F.,  Über  Wiederbildung  quergestreifter  Muskelfasern.    I.-D.  Kiel.  1890. 

170.  Roux,  Über  Mosaikarbeit  und  neuere  Entwickelungshypothesen.  Anatomische  Hefte 
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1891.  S.  429. 

172.  Schaffe r,  über  Sarkolyse  beim  Menschen.    Verh.  d.  Anatom.  Gesellschaft  in  Wien. 

1892.  S.  254. 

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des  Menschen  und  einiger  Wirbeltiere.  Sitzungsberichte  der  mathem.  naturwissensch. 
Klasse  der  Kaiserl.  Akad.  der  Wissenschaften.    Bd.  102.  Abt.  3.  1893,  S.  1. 


232  Allgem.  pathol.  Morphologie  n.  Physiologie. 

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1885.  S.  352. 

175.  Schmitt,  A.,  Über  Osteoplastik  in  klinischer  und  experimenteller  Beziehung.  Archiv 
f.  klin.  Chir.  1893.  S.  400. 

176.  Schmitz,  Joh.,  £xper.  u.  histol.  Untersuchungen  tther  die  Regener.  der  weiblichen 
Mammilla.    J.-D.  Bonn.  1889. 

177.  Schuchardt,  Hochgradige  Atrophie  (inveterierte  Atelektase)  der  linken  Lunge  mit 
kompensat.  Hypertrophie  der  rechten.    Virchows  Archiv.  Bd.  101.  1885.  S.  71. 

178.  Schnitze,  0.,  Die  künstliche  Erzeugung  von  Doppelbildungen  bei  Froschlarven  mit 
Hülfe  abnormer  Gravitationswirkung.  Archiv  f.  Entwickelungsmechanik  1. 1894.  2.  Heft. 

179.  Derselbe,  Zur  Entwickelung  des  Gefässystems  im  Sftugetierauge.  Festschrift  zam 
50  jährigen  Doktorjubiläum  von  Eölliker.    1892. 

180.  S herington  u.  Ballance,  Cber  die  Entstehung  des  Narbengewebes,  das  Schicksal, 
der  Leukocyten  und  die  Rolle  der  Bindegewebskörperchen  Centralblatt  für  allgem 
Path.  etc.  1890.  S.  697. 

181.  Sieveking,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Wachstums  und  der  Regeneration  des 
Knorpels  nach  Beobachtungen  am  Kaninchen-  und  Mäuseohr.  Schwalbe's  morpho- 
logische Arbeiten.  I.  1892.  S.  121. 

182.  de  Sin^'ty,  Recherches  sur  la  muqueuse  ut^rine  pendant  la  menstruation.  Annales 
de  Gynöcologie.  1881.  p.  295. 

183.  Somya,  Über  die  Regeneration  des  Epithels  der  Cornea.  T.-D.  Bonn  1889. 

184.  Steudel,  Zur  Kenntnis  der  Regeneration  der  quergestreiften  Muskulatur.  I.-D. 
Tübingen  1887. 

185.  Stieda,  Über  den  Haarwechsel  beim  Menschen.  Verb,  der  anatomischen  Gesellschaft 
in  Göttingen.  1893.  S.  92. 

186.  Stillin g  u.  Pfitzner,  Über  die  Regeneration  der  glatten  Muskeln.  Archiv  f.  mikr. 
Anat.  Bd.  28.  1886.  S.  396. 

187.  Still  in  g,  H,  Über  die  kompensat.  Hypertrophie  der  Nebennieren.  Virchows 
Archiv  Bd.  118.  1889.  S.  569. 

188.  Stöhr,  Die  Entwickelung  des  adenoiden  Gewebes,  der  Zungenbälge  und  der  Mandeln 
des  Menschen.    Anat.  Anzeiger  1891    S.  545. 

189.  Strahl,  Der  Uterus  p.  partum  I.  Anat.  Hefte.  3.  Bd.  3.  Heft.  1894.  S.  509. 

190.  Van  der  Stricht,  Division  mitosique  des  örythroblastes  et  des  leucoblastes  ä  Im- 
t^rieur  du  foie  embryonnaire  des  mammifäres.    Anat.  Anzeiger  1891.  S.  591. 

191.  Stricker,  Vorlesungen  der  allgemeinen  und  experimentellen  Pathologie.  Wien  1883. 

192.  Ströbe,   Fzperim.  Untersuchungen  über  die  degen.  und  reparatorischen  Vorgänge  bei 

der  Heilung  von  Verletzungen  des  Rückenmarks  nebst  Bemerkungen  zur  Histogenese 
der  sekundären  Degeneration  im  Rückenmark.    Zieglers  Beiträge  XV.  1894.  S.  383. 

193.  Derselbe,  Experim.  Untersuchungen  über  Degeneration  und  Regeneration  peripherer 
Nerven  nach  Verletzungen.    Zieglers  Beiträge  XIH.  1898.  S.  160. 

194.  Derselbe,  Über  Vorkommen  und  Bedeutung  der  asymmetrischen  Karyokinese,  nebst 
Bemerkungen  über  die  Schlummerzellen  in  der  verletzten  Kornea.  Zieglers  Bei- 
träge XIV.  1893.  S.  154. 

195.  Tangl,  F.,  Über  die  Hypertrophie  und  das  physiologische  Wachstum  des  Herzens. 
Virchows  Archiv  116.  1889.  S.  432. 

196.  Teplj aschin,  Zur  Lehre  von  den  histologischen  Veränderungen  in  der  Retina  nach 
Verwundungen.    I.-D.  Kasan  1893.   Ref.  im  Ctbl.  für  allg.  Path.  1894.  S.  750. 

197.  Thiersch,  Anatomische  Veränderungen  verwundeter  Weichteile.  Handbuch  d.  allg 
und  spez.  Chir.  von  Pitts  und  Billroth.  I.  Abt.  2.  1878.  S.  553. 

198.  Thoma,  Untersuchungen  über  die  Histogenese  und  Histomechanik  des  Gefässsystems. 
Stuttgart.  1893.  Enke. 

199.  Derselbe,  Lehrbuch  der  allgem.  patholog.  Anatomie.    1894. 


Regeneration  und  Hypertrophie.  233 

"^ 
2üö.  Tietze,  Über  den  osteoplastischen  Verschluss  von  Schädeldefekten.   Archiv  für  klin. 

Chir.  XLV.  S.  227. 
.fCl.  Troje,  Über  Leukämie  und  Pseudoleukämie.   BerJ.  klin.  Wochenschrift.  1892.  S.  285. 
*2u2    Vassale  u.  Bizzozero  s.  Bizzozero. 
203.   Vassale  u.  Griffini,  s.  Qriffini. 
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(Nicht  zugänglich.) 
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Virchows  Archiv  125.  S   262.  1891. 
2^6.   V  o  I  k  m  a  n  n ,  Über  die  Regeneration  des  quergestreiften  Muskelgewebes  beim  Menschen 

und  Säugetier.    Zieglcrs  Beiträge  Xll.  1892.  S.  233. 
2  N.    De  Vries,  Intracelluläre  Pangenesis.    Jena  1889. 

'2i>8.    Weismann,  Das  Eeimplasma.     Eine  Theorie  der  Vererbung.    Jena  1892. 
'2u9.   Wolff,  6.,  Entwickelungsphysiologische  Studien  I.  Archiv  f.  Entwickelungsmechanik 

I.  1895.  3.  Heft. 

210.  Wjder,  Das  Verhalten  der  Mucosa  uteri  während  der  Menstruation.    Zeitschrift  für 
Geburtshülfe  u.  Gynäk.  Bd.  XI.  S.  1. 

211.  Yamagiwa,     Zellenstudie    an    sich    regenerierendem    Sehnengewebe.     Virchows 
Archiv  135.  1894.  S.  308. 

212    Derselbe,    Über  die  entzündliche  Gefässneubildung,    spez.    diejenige  innerhalb  von 
Pseudomembranen.    Virchows  Archiv  132.  1893.  S.  446. 

213.  Zabarowaki,  Ezperim.  Unters,  über  die  Regen,  der  quergestreiften  Muskeln.  Arch. 
für  experim.  Path.  u.  Pharm.  Bd.  25.  1889. 

214.  Zeller,  Plattenepithel  im    Uterus.    Zeitschr.   f.  Geburtshülfe  und  Gynäkologie.  XI. 
la^o.  S.  56. 

2:5.    Ziegler,  über  die  Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Gewebsbildung.    Verhdl.   des 

X.  intern.  Kongr.  1890.  Berlin    Bd   II.  Abt.  3.  S.  1. 
i'16.    Derselbe,   Über  die  Ursachen  der  patholog   Gewebsneubildungen.    Intern.  Beiträge 

zur   wissenschaftlichen  Medizin..    Festschrift,    Rudolph  Virchow    gewidmet.    Berlin. 

Hirschwald  1891.  Bd.  II.  S.  21. 

217.  Derselbe,    fiistorisches   und    Kritisches    über    die   Lehre    von    der    Entzündung. 
Zieglers  Beiträge  XU.  1892.  S.  152. 

218.  ZiegJer,H.  E,  Die  biologische  Bedeutung  der  amitotischen  Kernteilung  im  Tierreich. 
Hiolog.  Centralblatt.  XI.  1891.    (Nicht  zugänglich.) 


V.  Recklinghausen  hat  in  seinem  Handbuche  der  allgemeinen 
Pathologie  des  Kreislaufes  und  der  Ernährung  (1883)  die  damals  giltigen 
Anschauungen  über  Regeneration  und  Hypertrophie  zugleich  mit  der 
liij^toriscben  Entwickelung  derselben  in  so  umfassender  Weise  dargelegt, 
dass  sein  Werk  als  Grundlage  für  alle  späteren  kritischen  Besprechungen 
vorangesetzt  werden  muss.  Über  die  Ergebnisse  des  letzten,  seit  dem  ver- 
flossenen Jahrzehnt  hat  sichBarfurth  in  grösseren,  zusammenhängenden 
und  in  der  Hauptsache  erschöpfenden  Referaten  für  die  Merke  1- Bonne t- 
^•hen  Jahresberichte  geäussert,  so  dass  mir  die  Aufgabe  eines  Rückblickes 
-mf  die  bis  heute  in  den  Fragen  der  Regeneration  und  Hypertrophie  ge- 
wonnenen Kenntnisse  wesentlich  erleichtert  wurde  und  eigentlich  über- 
tlössig  erschien.  Ich  habe  mich  daher  bemüht,  nur  die  für  den  patholog. 
Anatomen  wichtigen  neueren  Errungenschaften  über  die  Regeneration  der 


234  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Gewebe  kurz  zusammenzufassen,  während  die  von  Bar  für  th  ausführlich  be- 
handelte Frage  der  Post-  und  Regeneration  des  Eies  und  des  Embryo  nur 
flüchtig  gestreift  werden  konnte. 

Die  Vorgänge  des  physiologischen  Wachstums,  der  Regeneration  und 
der  Hypertrophie  beruhen  auf  einer  Eigenschaft  der  Zellen,  deren  innere 
Ursache  uns  unbekannt  ist,  der  Proliferationsfähigkeit.  Das  Wesen  des 
Wachstums  äussert  sich  vor  allem  in  einer  Vermehrung  der  nötigen  Bau- 
steine, der  Zellen ;  dieselbe  geht  vor  sich  durch  die  Zellteilung:  omnis  cellula 
e  cellula.  Doch  erzeugt  nicht  jede  Zelle  zwei  völlig  ähnliche,  wenigstens 
nicht  bei  den  höher  zusammengesetzten  Lebewesen,  sondern  auch  un- 
gleiche. Die  einzelnen  Teile  des  Körpers,  die  einzelnen  Zellen  werden 
also  differenziert,  sie  erhalten  spezifische  Eigenschaften. 

Da  die  Frage  der  Regeneration  von  den  neueren  Forschem  mit  der- 
jenigen der  Spezifizität  der  Zellen  eng  verknüpft  worden  ist,  müssen  die- 
selben im  Zusammenhange  behandelt  werden. 

O.  Hertwig,  Weismann,  de  Vries,  Roux,  Hansemann,  Bard 
u.  s.  w.  stimmen  darin  überein,  dass  in  der  befruchteten  Eizelle,  bezw. 
Eikerne  das  den  ganzen  Körper  bildende  Prinzip,  die  Erbmasse,  in  Form 
kleinster  Elementarorganismen,  von  O.  Hertwig  Idioblasten,  von  anderen 
anders  benannt,  enthalten  ist. 

Das  spätere  Auftreten  von  Keimzellen  in  dem  ausgebildeten  Körper, 
also  von  Zellen,  welche  das  ursprüngliche  Keimplasma  oder  die  Erbma^^se 
in  alter  Menge  und  Eigenschaft  enthalten  müssen,  wenn  man  die  Möglich- 
keit einer  Vererbung  erklären  will,  und  die  Fähigkeit  der  Regeneration 
eines  ganzen  Tieres  aus  einer  einzelnen  Furchungszelle  (Driesch)  führten 
einzelne  Forscher,  wie  0.  Hertwig,  und  de  Vries,  zu  der  Annahme, 
dass  das  Keimplasma  bei  der  Teilung  gleichwertig  auf  alle  Zellen  des 
Köipers  übertragen  wird.  Wie  aber  kann  dann  eine  Differenzierung  der 
Zellen  eintreten?  Nach  der  Theorie  von  de  Vries,  der  sich  0.  Hert- 
wig anschlicsst,  treten  aus  dem  Kernverband  d.  Pangene  (der  Idioblasten) 
einzelne  in  das  Zellprotoplasma  aus,  doch  so,  dass  in  der  zurückbleibenden 
Idioblastenmasse  die  ausscheidenden  noch  vertreten  bleiben  und  zur  alten 
Stärke  heranwachsen  können.  Der  in  das  Protoplasma  ausgetretene  Teil 
bedingt  die  spezifische  Funktion  der  Zelle,  ihre  Spezifizität.  Die  übrige 
im  Kern  enthaltene  Masse  von  Idioblasten  bleibt  dabei  latent.  Sie  tritt 
nur  in  Wirksamkeit  bei  dem  physiologischen  Wachstum,  wenn  eine  weitere 
Differenzierung  erfolgt,  oder  bei  der  Regeneration.  Je  nach  der  Grösse 
des  zu  ersetzenden  Teiles  muss  in  den  restierenden  Zellen  eine  grössere 
oder  geringere  Menge  des  latenten  Keimplasmas  aktiviert  werden.  Diese 
Aktivierung  geht  leicht  vor  sich,  wenn  die  Differenzierung  der  regene- 
rierenden Zelle   eine  geringe  ist,   schwerer,  wenn  das  Gegenteil  der  Fall 


Regeneration  uod  Hypertrophie.  235 

ist,  oder  kann  unmöglich  werden,  wenn  die  Differenzierung  sehr  weit  fort- 
geschritten ist. 

Roux  glaubt,  dass  von  Anfang  an  zwei  Idioplassonarten  in  dem  be- 
fruchteten Eikern  vorhanden  sind,  das  Idioplasson  der  direkten  Entwicke- 
luDg,  welches  die  Differenzierung  der  Gewebe  bewirkt  und  zwar  durch  un- 
gleiche Teilung,  und  das  Idioplasson  der  Re-  oder  Postgeneration,  welches 
gleichmässig  auf  die  Zellen  verteilt  wird.  Diese  gleichmässige  Verteilung 
des  letzteren  hat  aber  auch  eine  Grenze,  dann  beginnt  eine  ungleiche 
Teilung;  innerhalb  dieser  Grenze,  die  z.  B.  bis  zur  Bildung  der  Morula 
ausgedehnt  sein  kann,  ist  die  Regenerationsfähigkeit  unbegrenzt,  omni- 
[lotent,  da  ja  ein  vollwertiges  Idioplasson  übertragen  wird,  je  stärker  aber 
die  ungleiche  Teilung  des  Regenerationsidioplasson  wird,  z.  B.  bei  der 
Bildung  der  Keimblätter,  um  so  geringer  wird  die  Regenerationsfähigkeit. 

Nach  Weismann  wird  das  Keimplasma  unverändert  in  geringer 
Menge  nur  auf  ganz  bestimmte  Zellen  übertragen,  die  zur  Bildung  der 
Keime  führen,  das  übrige  Keimplasma  spaltet  sich  ungleich  bei  der  Bil- 
dung der  Körperzelien  bis  in  die  es  zusammensetzenden  Determinanten, 
von  denen  jeder  den  Charakter  einer  Zelle  oder  gleichwertigen  Zellgruppe 
bestimmt.  Daneben  enthält  aber  jede  Zelle  durch  Abspaltung  ausser 
dem  seine  Natur  bestimmenden  Hauptidioplasson  noch  ein  Nebenidio- 
plasson,  welches  aus  den  Determinanten  der  von  ihr  aus  regenerierbaren 
Teile  besteht.  Diese  Determinanten  treten  in  Thätigkeit,  wenn  ein  Sub- 
stanzverlust eingetreten  ist.  Weis  mann  giebt  zu,  dass  ursprünglich  allen 
Zellen  solche  Ersatzdeterminanten  in  ausgiebigstem  Masse  mitgegeben  sein 
können,  dass  aber  allmählich  dieser  Reichtum  verloren  ging;  es  blieben 
nur  diejenigen  Zellen  mit  besonderen  Ersatzdeterminanten  ausgerüstet, 
welche  zur  Regeneration  eines  biologisch  wichtigen  oder  häufigen  Ver- 
lusten ausgesetzten  Organs  bestimmt  waren,  die  übrigen  verloren  sie  ganz. 
l>ie  Regenerationsfähigkeit  ist  also  eine  durch  Selektion  erhaltene  Eigenschaft 
bestimmter  Gewebe. 

Alle  genannten  Forscher  nehmen  an,  dass  zwei  Arten  von  Plasmen  in 
den  einzelnen  somatischen  Zellen  enthalten  sind ,  eines ,  welches  den  Cha- 
rakter, die  Spezifizität  der  Zelle  bedingt,  und  eines,  welches  die  Regenera- 
üonsfähigkeit  in  sich  birgt.  Das  erste  muss  für  verschiedene  Zellen  ver- 
^'bieden  sein,  das  letztere  kann  gleich  (0.  Hertwig)  oder  auch  differenziert 
^rin(Roux,  Weismann). 

Hansemann,  welcher  die  angeführten  Hypothesen  für  die  Erklärung 
der  Entstehung  von  Geschwülsten  verwertet,  glaubt,  dass  die  Verteilung 
des  Idioplasmas  von  Anfang  an  ungleich  geschieht ,  so  dass  von  den  ver- 
^hiedenen  ursprünghchen  Plasmaarten  der  Stammzelle  in  den  Tochterzellen 
bestimmte  Plasmen  als  Hauptplasmen  überwiegen,  die  anderen  als  Neben- 


236  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

plasmen  vorhanden  sind.  Darin  beruht  die  Differenzierung  der  Zellen. 
Eine  solche  Differenzierung  durch  ungleiche  Verteilung  der  einzelnen  Plasroen 
tritt  immer  nur  nach  bestimmten  Intervallen  auf,  denn  jeder  inäqualen 
Furchung  folgt  eine  Reihe  äqualer.  Bei  derjenigen  Form  von  Regeneration, 
bei  welcher  nur  Zellen  mit  gleichem  Charakter  gebildet  werden,  ist  die  äquale 
Furchung  einfach  vermehrt.  Bei  derjenigen  Form,  wo  ganze  Organe  oder 
Gliedmassen,  also  Zellen  von  ganz  anderer  Funktion  neugebildet  werden 
sollen,  müssen  die  regenerierenden  Zellen  neue  Kräfte  erhalten,  und  dies 
geschieht  dadurch,  dass  die  Nebeuplasmen  wieder  ebenbürtig  in  Aktion 
treten.  Dies  tritt  um  so  leichter  ein,  je  weniger  Generationsstadien  seit 
dem  Ei  verstrichen  sind.  Damit  wäre  die  verschiedene  Regenerationsfähig- 
keit der  einzelnen  Gewebe  erklärt. 

Wenn  man  also  noch  bei  niederen  Tieren  oder  den  embryonalen 
Stadien  höherer  Tiere  eine  weitgehende  Regeneration  mit  Neubildung  anders 
funktionierender  Elemente  und  ganzer  Organe  findet,  so  lässt  sich  bei  der 
notwendig  weitergehenden  Differenzierung  der  Elemente  beim  erwachsenen 
Menschen  eine  wesentliche  Abnahme  dieser  Fähigkeit  erwarten,  v.  Reck- 
linghausen  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  beim  Menschen  der  Wieder- 
ersatz eines  verloren  gegangenen  Organs  nicht  beobachtet  ist.  Beim  Men- 
schen kennen  wir  auch  bis  jetzt  nur  eine  Wiedererzeugung  der  Gewebe 
für  sich,  nicht  eine  gleichzeitige  Ausbildung  verschiedener  Gewebe  in  der 
Masse  und  in  dem  Verhältnis  zu  einander,  in  welchem  sie  zusammen  ein 
ganzes  Organ  aufbauen  (S.  157  und  273). 

Nun  wissen  wir,  dass  der  erwachsene  Mensch  kein  festgefügtes,  uu- 
veränderUches  System  von  Zellen  darstellt,  sondern  dass  auch  an  ihm  ein 
während  des  ganzen  Lebens  andauernder  Verlust  und  Ersatz  von  Zellen 
stattfindet,  die  physiologische  Regeneration.  Doch  kommt  es  auch  hier 
immer  nur  zu  einem  Wiederersatz  von  Geweben,  niemals  von  Organen. 
Nicht  alle  Gewebe  unterliegen  diesem  andauernden  Wechsel,  sondern  nur 
einzelne.  In  dem  letzten  Jalu'zehnt  ist  der  Nachweis  einer  solchen  Rege- 
neration dadurch  wesentlich  erleichtert  worden,  dass  man  die  Zellvermehrung 
auch  da,  wo  sie  nicht  so  augenfäUig  ist,  wie  etwa  an  der  äusseren  Haut, 
durch  die  Beobachtung  der  Kernteilüngsfiguren  nachweisen  kann. 

Inwieweit  bei  dieser  normalen  Regeneration  nur  mitotische  oder  auch 
amitotische  Formen  eine  Rolle  spielen,  das  ist  mit  Sicherheit  noch  nicht 
entschieden.  Nach  Flemming  kann  man  wohl  bei  dem  heutigen  Stand 
der  Untersuchungen  dem  Satze  vomRaths  beistimmen:  „Ein  regenerativer 
Charakter  der  Amitose  ist  weder  bei  Metazoen  noch  bei  Protozoen  wirklich 
nachgewiesen". 

Flemmings  Arbeiten  und  die  seiner  Schüler,  sowie  diejenigen  von 
Podwyssozki,  Bizzozero  und  Vassale  u.  a.   haben  die  Ausdehnung 


Regeneration  und  Hypertrophie.  237 

und  das  Vorkommen  der  Kernteilungsvorgänge  im  normalen  Körper  klar- 
zustellen versucht.  Konnte  man  n\m  auf  Grund  der  gefundenen  Mitosen 
die  physiologische  Regeneration  bestimmter  Gewebe  behaupten,  so  ging 
Hausemann  noch  weiter,  indem  er  für  jede  differenzierte  Zellart  eine 
besondere  Form  der  Mitose  aufstellte,  so  dass  aus  derselben  der  Charakter 
m  Gewebes,  zu  dem  die  Zelle  gehört,  erkannt  werden  kann.  „Bei  den 
einzelnen  Gewebsarten  finden  sich  individuelle  Unterschiede  der  Karyo- 
kinese,  die  es  bei  genügender  Übung  gestatten,  die  einzelnen  Gewebsarten 
an  der  Form  ihrer  Mitose  zu  unterscheiden.  Die  Mitosen  einzelner  Zell- 
arten, z.  B.  diejenigen  der  Gefässepithelien,  der  Epidermiszellen  und  der 
Lyraphocyten  sind  so  verschieden  von  einander,  dass  man  sie  fast  auf  den 
ersten  Blick  unterscheiden  kann.  Die  Mitosen  anderer  Gewebe  aber,  und 
i-esonders  solcher,  die  entwickelungsgeschichüich  nahe  Beziehungen  zu 
einander  haben,  z.  B.  die  Epidermis,  Talgfollikel-  und  Haarbalgzellen  haben 
so  viel  Ähnlichkeit  mit  einander,  dass  man  sie  erst  nach  längerem  Studium 
unterscheiden  lernt'*  (79,  S.  20). 

Da  Hansemann  seine  ausgedehnten  Untersuchungen  über  das  Vor- 
kommen von  Mitosen  an  menschlichen  Geweben  anstellte,  so  sind  die  Er- 
gebnisse besonders  wichtig.  Er  fand  unter  normalen  Zuständen  Mitosen 
nur  au  wenigen  Gewebsarten,  den  Epithelien  aller  mit  der  Aussenwelt 
kommunizierenden  Oberflächen,  in  erster  Linie  an  der  äusseren  Epidermis 
und  der  Kornea,  an  der  Schleimhaut  der  Atmungs-,  Harn-  und  Geschlechts- 
organe; femer  an  den  Haar-  und  Talgf ollikeln ,  den  Lieberkühnschen 
Krypten  und  den  Epithelrecessus  des  Uterus,  endlich  an  den  Drüsenaus- 
führangsgängen  und  an  den  Lymphfollikeln.  Alle  diese  Gewebsarten  unter- 
tt^en  also  einer  physiologischen  Regeneration. 

Es  fehlen  jedoch  Mitosen  in  allen  übrigen  Organen  der  Bindesubstanz- 
^-üie,  den  Muskeln,  Nerven,  Pia  und  vor  allem  in  echten  Drüsen.  Eine 
^Jüderatellung  nehmen  die  Hoden-  und  die  Milchdrüsen  ein,  von  denen 
•l^e  letzteren  ein  zeitweiliges  Auftreten  von  Mitosen  erkennen  lassen. 

Nicht  unerwähnt  sei,  dass  Hansemann  in  Übereinstimmung  mit 
ßi zzoz e ro  die  L  i  e b e  rk  ü  h  n sehen  Klrypten  als  einfache  Schleimhautrecessus 
t-etrachtet,  in  deren  Tiefe  die  Kernteilung  besonders  lebhaft  ist,  während 
=>  an  der  Oberfläche  fehlt.  So  dienen  die  Krypten  als  Keimcentren  für 
'^  Oberflächenepithel.  Bizzozero  hat  das  Resultat  seiner  ausgedehnten 
(^ritersuchungen  über  physiologische  Regeneration  dahin  zusammengefasst: 
We  Gewebe  des  menschlichen  Körpers  können  bezüglich  der  Regenerations- 
•-ige  in  drei  Klassen  eingeteilt  werden : 

1.  Gewebe,  deren  Zellen  sich  während  des  ganzen  Lebens  des  Indivi- 
iumns  vervielfältigen  und  so  zu  einer  kontinuierlichen  Regeneration  Ver- 
^lassung  geben.     Gewebe  mit  labilen  und  nicht  beständigen  Zellelementen. 


238  Allgexn.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Dazu  gehören  u.  a.  die  Drtisenparenchyme ,  deren  Sekretionsprödukte  aus 
morphologisch  gut  charakterisierten  Elementen  zusammengesetzt  sind  (Milz, 
Knochenmark,  Lymphdrüsen,  Ovarien,  Hoden)  und  die  Epithelien  der 
Drüsenausbuchtungen  (tubulöse  Drüsen  des  Darmes  und  des  Uterus),  die 
Talgdrüsen,  Schleimdrüsen  des  Magens. 

2.  Gewebe,  deren  Elemente  sich  durch  Teilung  bis  zur  Geburt  und 
noch  einige  Zeit  nach  der  Geburt,  wenn  die  Elemente  bereits  ihre  spezi- 
fischen Eigenschaften  erlangt  haben,  vermehren.  Ist  diese  Periode  vorüber, 
so  findet  keine  weitere  Vermehrung  statt  und  im  Gewebe  ist  kein  physio- 
logischer Regenerationsprozess  nachweisbar.  Gewebe  mit  beständigen  Ele- 
menten :  Parenchym  der  Drüsen,  welche  flüssige  Sekrete  absondern  (Leber, 
Niere,  Pankreas,  Speicheldrüsen  etc.).  Binde-,  Knorpel-  und  Knochengewebe, 
das  Gewebe  der  glatten  Muskulatur. 

3.  Quergestreifte  Muskulatur  und  Nervengewebe.  Bei  diesen  hört  die 
Vermehrung  durch  Mitose  in  einer  relativ  frühen  Periode  des  embryonalen 
Lebens  auf ,  bevor  noch  die  Elemente  ihre  spezifischen  Charaktere  erlangt 
haben.     Eine  physiologische  Regeneration  existiert  nicht. 

Die  Untersuchungen  über  die  Vorgänge  bei  der  physiologischen 
Regeneration  ergaben  also  positive  Resultate  nur  für  ganz  bestimmte  Gewebe. 
Die  pathologische  Regeneration ,  der  Wiederersatz  eines  abnormen  Defektes 
im  ausgebildeten  Körper,  kann  sämtliche  Gewebe  treffen  und  wdr  müssen 
diese  erst  kennen  lernen,  wenn  wir  über  die  Art  und  Ursache  der  Rege- 
neration überhaupt  etwas  aussagen  wollen. 

Epithelien. 

Die  physiologische  Regeneration  des  Epithels  der  äusseren  Haut  und 
ihrer  Anhänge,  der  Haare,  Nägel  und  Talgdrüsen  erfolgt  nach  dem  über- 
einstimmenden Urteil  aller  Forscher,  die  sich  damit  beschäftigt,  nach  dem 
Typus  der  Karyomitose. 

Für  die  pathologische  Regeneration  der  Epidermis  oder  des  ihr  gleicli- 
wertigen  Kornealepithels  gehen  die  Anschauungen  in  so  weit  auseinander, 
als  auch  direkte  Kernteilungen,  so  besonders  von  Mayzel  an  dem  Defekt- 
rand der  Kornea  wunde  beobachtet,  von  Ne  eisen  bestätigt  worden  sind. 
Die  Untersuchungen  von  Peters,  Neese,  Somya  machen  es  für  die 
Wundheilung  an  der  Kornea  wahrscheinUch ,  dass  verschiedene  Prozesse 
dabei  in  Betracht  kommen;  zunächst  findet  eine  Deckung  des  Defektes 
durch  eine  einschichtige  Zelllage  statt,  welche  durch  wandernde  Epithelien, 
die  sich  allmählich  von  dem  Geschwürsrand  vorschieben,  hergestellt  wird. 
Der  definitive  Aufbau  eines  mehrschichtigen  Epithelgewebes  kann  natür- 
lich nur  durch  eine  Vermehrung  der  Zellen  erfolgen,  die  jedoch  nicht  nur 


Regeneration  und  Hypertrophie.  239 

am  Wundrand,  sondern,  was  wichtig  ist,  weit  davon  entfernt,  über  die 
ganze  Kornea  zerstreut  dujch  Mitose  vor  sieh  geht  und  erst  später  eintritt. 
Ein  Teil  der  in  den  ersten  Stunden  nach  der  Verletzung  reichlich  auf- 
tretenden Mitosen  in  der  nächsten  Umgebung  der  Wunde  ist  wohl  auf  die 
Reizung  zurückzuführen.  Die  dabei  gleichfalls  vorhandenen  amitotischen 
Teilungen  sind  nach  dem  Vorgange  von  Ziegler  und  vom  Rath,  sowie 
Barfurth  nur  als  degenerierende  Zellvermehrungen,  die  kein  dauerndes 
Gewebe  schaffen,  aufzufassen. 

Den  auffälligen  Befund  der  Mitosen  in  weitester  Entfer&ung  von  dem 
eigentlichen  Defekt  betont  auch  Ziegler  für  die  Hautwunden  auf  Grund 
der  Arbeiten  seiner  Schüler.  Auf  die  Bedeutung  derselben  soll  an  anderer 
^Stelle  näher  eingegangen  werden. 

Eine  Neubildung  der  Epithelien  aus  anderen  Zellen,  z.  B.  denjenigen 
des  Bindegewebes,  wird  nicht  mehr  anerkannt.  Das  Epithel  stammt  nur 
vom  Epithel. 

Über  den  Wiederersatz  oder  den  Wechsel  der  Haare,  der  sowohl 
physiologisch  an  den  Kopfhaaren  der  Neugeborenen,  an  den  Cilien  der 
Augenlieder,  sowie  pathologisch  nach  verschiedenen  Infektionskrankheiten 
vorkommt,  liegen  neuere  Arbeiten  von  Garcia,  Giovannini,  Stieda,  bei 
Tieren  von  Schwalbe  vor. 

Während  Stieda,  auch  noch  in  seiner  letzten  Mitteilung,  die  Bildung 
einer  neuen  Papille  für  das  neue  Haar  betont,  spricht  sich  Garcia  dahin 
aus,  dass  bei  dem  Haarwechsel  der  Neugeborenen  die  Papille  bestehen 
Meibt,  sich  jedoch  verkleinert  und  allmählich  mit  dem  ausfallenden  Haar 
in  die  Höhe  nickt  bis  zum  Beginn  der  Wucherungszone  der  äusseren 
Wurzelscheide.  Von  ihr  aus  wird  die  Papille  wieder  mit  Keimepithel 
in^deckt,  welches  das  neue  Haar  liefert.  Auch  Giovannini,  welcher  den 
Wiederersatz  ausgerissener  Haare  untersucht,  leitet  das  die  Papille  be- 
deckende neue  Keimlager  von  den  wuchernden  VV^urzelscheiden  ab.  Die 
Persistenz  der  alten  Papille  als  Grundlage  für  die  neue  betont  Schwalbe. 
Über  die  Regeneration  der  Linse  bei  vollständiger  Entfernung  derselben 
^amt  ihrer  Kapsel  hat  Wolf  f  bei  Urodelen  Versuche  angestellt  und  kommt 
zu  dem  auffallenden  Schluss,  dass  die  Neubildung  von  dem  Epithel  der 
Iris  und  zwar  des  oberen  Randes  derselben  ausgeht.  Über  die  entwicke- 
lungsmechanische  Erklärung  dieses  Vorganges  muss  das  Original  nachge- 
lesjen  werden. 

Betreffs  der  physiologischen  und  pathologischen  Regeneration  der 
>H:hleimhäute  bei  den  Säugetieren  ist  eine  Einigung  dahin  erzielt  worden, 
dass  das  Epithel  nur  vom  Epithel  stammt  und  die  Neubildung  durch 
Mitosen  erfolgt.  Die  Angabe  von  Driesch  über  freie  Kernbildung  in  der 
Trachealschleimhaut    ist    durch    die    Arbeiten    von    Bockendahl    und 


240  AUgem.  pathül.  Mo^phologio  und  Physiologie. 

Flemming,  die  Behauptung  von  Duval,  dass  die  Epitbelbekleidung  des 
puei-peralen  Uterus  aus  dem  Bindegewebe  stamme,  durch  Strahls  Unter- 
suchungen widerlegt. 

In  den  Lieberkühnschen  Drüsen  hat  Bizzozero  die  Keimlage  für 
das  Oberflächenepithel  des  Darmes  zu  sehen  geglaubt  und  die  gleichen 
Beziehungen  zwischen  Uterusschleimhaut  und  Uterusdrüsen  mit  Vassale 
zusammen  nachgewiesen.  Die  Kernteilungen  sind  am  zahlreichsten  in  der 
Tiefe  der  Drüsen.  Von  hier  aus  werden  die  neugebildeten  Zellen  zum 
Ersatz  der  verloren  gegangenen  oberflächHchen  hinaufgeschoben.  In  ähn- 
Ucher  Weise  äussert  sich  Hansemann. 

Für  den  Magen  stellen  die  Magengrübchen  das  Keimlager  für  die 
Deckepithelien  dar.  Die  schon  von  v.  Recklinghausen  betonte  Restitutio 
ad  integrum  der  Magenschleimhaut  nach  hämorrhagischen  Erosionen  konnte 
von  Griffini  und  Vassale  auch  für  ausgedehntere  mechanische  Ver- 
letzungen beim  Tier  experimentell  nachgewiesen  w^erden.  Aus  dem  vom 
restierenden  Drüsenepithel  ausgehenden  Epithelüberzug  der  Wunde  ent- 
stehen durch  Einstülpung  die  neuen  Labdrüsen  mit  Differenzierung  ihrer 
verschiedenen  Zellarten.  Diese  Angaben  wurden  im  wesentlichen  von 
Matthes  bestätigt. 

Für  die  Harnblasenschleirahaut  konnte  Beltzow  die  mitotischen  Tei- 
lungen des  regenerierenden  Epithels  nachweisen,  fand  aber  auch  vereinzelte 
Fragmentierungen  und  Riesenzellenbildung. 

Noch  ungelöst  ist  die  Frage,  wie  sich  das  Epithel  des  Uterus  bei  der 
Menstruation  verhält,  ob  hier  überhaupt  ein  Defekt  in  der  Schleimhaut 
entsteht  und  wie  weit  sich  derselbe  erstreckt. 

Möricke  und  de  Sinöty  leugnen  jeden  Defekt  in  der  Schleimhaut, 
während  Leopold,  Wyder  und  v.  Kahlden  eine  Abstossung  des  Epithels 
und  der  oberen  Schleimhautschichten  behaupten,  die  Regeneration  von 
stehen  gebliebenen  Epithelinseln  oder  allein  von  den  Drüsenzellen  her- 
leiten. Die  neuesten  Untersuchungen  von  Christ  haben  unter  anderem 
bei  einem  am  zweiten  Menstruationstage  verstorbenen  Mädchen  einen  bis 
auf  ganz  minimale  Defekte  unversehrten  Epithelüberzug  ergeben.  Wie 
weit  diese  Beobachtung  für  die  späteren  Tage  der  Menstruation  mass- 
gebend ist,  müssen  weitere  Untersuchungen  lehren. 

Wenden  wir  uns  zur  Regeneration  der  eigentlich  sezernierenden 
Drüsen,  an  denen  wie  an  anderen  Stellen  erwähnt,  ein  physiologischer 
Zellverbrauch  und  Ersatz  nicht  statt  hat,  so  ist  die  Beurteilung  der  Frage, 
was  wir  unter  Regeneration  zu  verstehen  haben,  recht  schwierig.  Wenn 
eine  Niere  exstirpirt  wird  und  die  andere  die  Funktion  überninamt,  ohne 
sofort  eine  Vermehrung  der  Masse  zu  zeigen,  so  ist  eine  Wiederherstellung, 
eine  Regeneration  der  Funktion  emgetreten.    Dieselbe  ist  nur  von  kurzer 


Regeoeration  und  Hypertrophie.  241 

Dauer,  sie  beruht  auf  der  Entfaltung  von  Reservekräften,  welche  wir 
den  einzelnen  Zellen  für  solche  erhöhte  Leistungen  zusprechen  müssen, 
und  sie  wird  bald  gefolgt  von  einer  formalen  Regeneration.  Dieselbe  kann 
einerseits  in  einer  Neubildung  spezifischer  Drüsenkörper  bestehen,  nach 
dem  embryonalen  Typus  von  den  Drüsenausführungsgängen  ausgehend, 
durch  Sprossung  derselben  und  Umwandlung  in  spezifische  Drüsen  und 
Bläschen,  eigentliche  lokale  oder  anatomische  Regeneration  —  oder  in  einer 
Vergrösserung  der  zurückgebliebenen  Drüsenabschnitte  durch  Vergrösse- 
rung  oder  Vermehrung  der  einzelnen  sie  zusammensetzenden  Drüsenzellen, 
diffuse  kompensatorische  Hypertrophie  oder  Hyperplasie.  Podwyssozki 
nennt  diese  Vorgänge  Regeneration  per  appositionem  und  Regeneration  per 
intussuseeptionem.  Ist  das  Organ  ein  doppelseitiges,  so  lässt  sich  die 
kompensatorische  Hyperplasie  in  ihrer  reinsten  Form  verfolgen,  wie  bei 
den  Nieren,  bei  den  übrigen  kompUzieren  sich  regenerierende  und  kompen- 
satorisch hypertrophierende  Vorgänge.  Während  man  eine  Wiederher- 
stellung von  Drüsengewebe  in  grösserem  Umfange  früher  für  unmöglich 
hielt,  haben  die  Untersuchungen  der  letzten  10  Jahre,  besonders  die  Ex- 
perimente Ponficks  mit  der  Leber  bewiesen,  dass  selbst  von  so  lebens- 
wichtigen Drüsen  wie  die  letztgenannte  ^U  des  Gewebes  entfernt  werden 
können  und  dennoch  die  Wiederherstellung  des  Drüsenvoliunens  und  der 
Funktion  stattfindet. 

Es  blieb  nur  die  Frage  zu  lösen,  wie  weit  handelt  es  sich  dabei  um 
Regeneration,  wie  weit  um  Kompensation.  Das  Experiment  brachte  leider 
einen  neuen  imvermeidlichen  Faktor  hinzu,  die  pathologische  Reizung  durch 
iie  Verwundung.  Als  Folge  derselben  sind  wohl  die  Sprossungen  an  Gallen- 
kanäleu,  die  Wucherungen  von  geraden  Harnkanälchen  in  das  junge  Granu- 
lationsgewebe der  experimentell  erzeugten  Wunde,  wenigstens  zum  Teil,  auf- 
zufassen. Jedenfalls  ist  die  regeneratorische  Bedeutung  dieser  Wucherungen, 
wie  sie  von  Podwyssozki  für  die  Leber  und  noch  Aeuerdings  von  Peiper s 
für  die  Nieren  beschrieben  worden  sind,  eine  sehr  geringe,  weil  sie  nur 
im  beschränktesten  Massstabe  stattfinden.  Dagegen  ist  die  bei  den  Nieren 
-angst  bekannte  kompensatorische  Hypertrophie  nun  auch  für  die  Leber 
von  Ponfick  und  von  Meister,  für  die  Schilddrüse  von  Beresowski 
nachgewiesen.  Wie  es  sich  bei  der  Vergrösserung  der  Nieren  nicht  um 
^ine  Neubildung  von  Glomeruli  oder  Harnkanälchen,  sondern  um  eine 
Vergrösserung  der  Glomeruli,  bezw.  der  Epithelzellen  oder  um  eine  Vermeh- 
rung der  Zahl  der  letzteren  handelt  (Barth),  so  kommt  es  auch  bei  der  Re- 
gt^neration  der  Leber  nicht  zur  Neubildung  von  Leberläppchen  am  Wund- 
Hinde,  sondern  durch  Zellvermehrung  zu  einer  Vergrössermig  der  einzelnen 
zurückgebhebenen  Läppchen  um  das  drei-  bis  vierfache.  Eine  Wucherung 
'ier  Gallengänge  und  des  Blutgefässsystems  hat  nur  in  soweit  statt,  als  zur 

Lub&Tsch-Ostertag,  Ergebniise  Abteil,  n.  16 


242  AlJgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Ableitung  des  Sekrets  und  Versorgung  des  neuen  Gewebes  mit  Kähr- 
material  notwendig  ist.  Für  diese  Neubildung  des  Lebergewebes,  welche 
allein  durch  den  für  den  restierenden  Teil  sehr  erhöhten  funktionellen 
Reiz  ausgelöst  wird,  schlägt  Ponfick  den  Namen  Rekreation  vor. 

Wie  viel  Anteil  bei  der  Wiederherstellung  einer  Drüsenfunktion  die 
Regeneration,  wie  viel  die  kompensatorische  Hypertrophie  bei  den  einzel- 
nen Drüsen  hat,  haben  die  experimentellen  Arbeiten  Ribberts  für  Schild- 
drüse, Mamma,  Hoden,  Martinottis  für  Pankreas,  Leber,  Nieren,  Pod- 
wyssozkis  für  Leber,  Nieren,  Speichel- und  Meibomsche  Drüsen,  Loth- 
rops  für  den  Eierstock,  Petrone  für  die  Lungen  und  vieler  anderer  klar- 
zustellen versucht. 

Zieht  man  aus  allen  diesen  Einzeluntersuchungen  das  Facit,  so  er- 
giebt  sich,  das  die  eigentliche  Regeneration  von  Drüsengewebe  beim  erwach- 
senen Tiere  fast  ganz  gegen  die  kompensatorische  Hypertrophie,  bezw. 
Hyperplasie  zurücktritt,  und  zwar  ist  nach  Ribbert  die  Regeneration 
eines  Organes  um  so  stärker,  je  geringer  die  kompensatorische  Hyper- 
trophie und  umgekehrt. 

Für  einzelne  Organe,  vne  z.  B.  die  Geschlechtsdrüsen,  ist  die  Frage 
der  kompensatorischen  Hypertrophie  noch  nicht  positiv  entschieden  (Rib- 
bert, Nothnagel). 

BiDdegewebe. 

Auf  dem  X.  internationalen  Kongress  zu  Berlin  war  als  erstes 
Thema  „die  Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Gewebsneubildung''  zur 
Diskussion  gestellt.  Es  sollte  damit  die  alte  Streitfrage,  ob  nur  die  Zellen 
des  fixen  Gewebes  oder  nur  die  Recklinghausen  sehen  W^anderzellen 
oder  beide  zusammen  an  dem  Aufbau  des  neuen  Gewebes  mitwirken,  end- 
gültig entschieden  werden.  Der  Nachweis  der  Kemteilungsfiguren  schien 
die  Aufgabe  wesentlich  zu  erleichtern,  so  lange  man  annahm,  dass  nur 
die  fixen  Zellen  die  Fähigkeit  der  mitotischen  Teilung  besässen,  anderer- 
seits nur  den  Wanderzellen  die  Beweglichkeit  zugesprochen  wurde.  Die 
erste  Hypothese  ist  bereits  durch  mehrfache  Befunde  von  mitotischen  Teilungs- 
vorgängen an  Wanderzellen  und  weissen  Blutkörperchen  gestürzt  (Spronck, 
Flemming,  Arnold,  H.  F.  Müller,  Peremeschko,  Grawitz,  Hanse 
mann,  Troje,  Deekhuyzen;  Klemensiewicz  Neumann  u.  a.).  Die 
Schwierigkeit  der  Frage  wurde  durch  den  Nachweis  erhöht,  dass  die  wuchern- 
den fixen  Gewebszellen  ebenfalls  mobil  werden  und  sich  zu  Wanderzellen 
umgestalten  können,  welche  zuweilen  schwer  von  den  eigentlichen  Wander- 
zellen zu  unterscheiden  sind  (Arnold,  Reinke,  Bardenheuer,  Mar- 
chand, Nikiforoff,  Ziegler,  Eberth,  Graser  u.  a.) 


Regeneration  und  Hypertrophie.  243 

Doch  stimmen  die  meisten  Untersucher  darin  überein,  dass  die  Mitosen 
der  Wanderzellen,  wenn  sie  überhaupt  beobachtet  werden,  gegen  diejenigen 
der  fixen  Zellen,  welche  an  ihrer  Grösse  und  Lage  erkannt  werden  können 
völlig  verschwinden,  und  dass  andrerseits  die  Mehrzahl  der  wandernden 
Bindegewebszellen  ihre  EigentümUchkeiten,  Beschaffenheit  des  Protoplasmas, 
des  Kernes,  der  Mitose  bewahren,  so  dass  eine  Trennung  von  den  Wander- 
zellen mögUch  ist.  So  kommt  Ziegler  als  erster  Referent  über  das  Thema 
zu  dem  Schluss,  dass  die  Bildung  des  neuen  Gewebes  in  erster  Linie  von 
den  fixen  Zellen  ausgeht,  dass  aber  eine  Beteihgung  von  eigentUchen  Wander- 
zellen, wenn  auch  nicht  bewiesen,  so  doch  nicht  positiv  auszuschliessen 
ist.  Marchand  betont  den  Unterschied  zwischen  den  Exsudatzellen,  d.  h. 
den  aus  dem  Blut  stammenden  Wanderzellen  und  den  Bildungszellen  noch 
schärfer,  und  Grawitz  kommt  auf  Grund  der  Kernteilungsfiguren,  welche 
für  dieLeukocyten  charakteristisch  klein  sein  sollen,  ebenfalls  zu  einer  end- 
gültigen Trennung  der  beiden  Zellarten;  ein  positiver  Anteil  der  spezifi- 
schen Wanderzellen  am  Gewebsaufbau  wird  von  ihnen  geleugnet.  Ihnen 
schliesst  sich  Eberth  völHg  an. 

Trotzdem  sind  noch  mehrfache  Versuche  gemacht  worden,  den  Wander- 
zellen ihre  alten  historischen  Rechte  zu  wahren.  Besonders  ist  es  Arnold, 
der  die  Möglichkeit  einer  progressiven  Entwickelung  der  hämatogenen  (im 
Gegensatz  zu  histiogenen)  Wanderzellen  auf  Grund  neuerer  Experimente 
bt^tont.  Er  konnte  bei  Warmblütern  nach  Injektion  von  Weizenkörnern 
in  die  Blutbahn  eine  Umwandlung  der  Leukocyten  zu  spindelförmigen 
Gebilden  und  Riesenzellen  beobachten  innerhalb  einer  Zeit,  wo  eine  Wuche- 
rung der  fixen  Endothelien  ausgeschlossen  war.  Ribbert,  welcher  die 
Entstehung  der  kleinen  einkernigen  Lymphocyten  aus  den  fixen  Zellen 
lür  möglich  hält,  schreibt  ihnen  und  ihren  eingewanderten  Kollegen  die 
Fähigkeit  zu,  bei  der  Endothelauskleidung  der  neuen  Spalten  und  Saft- 
lückeu  mitzuwirken.  Gegen  die  Abstammung  der  Lymphocyten  aus  dem 
Gewebe  in  loco  wendet  sich  Baumgarten  auf  Grund  seiner  Untersuch- 
ungen über  die  Tuberkelbildung.  Er  konnte  zu  der  Zeit,  wo  die  Anhäufung 
von  Lymphocyten  im  Tuberkel  beginnt,  keine  oder  nur  spärliche  Mitosen 
an  den  fixen  Zellen  nachweisen. 

Immerhin  muss,  selbst  wenn  eine  progressive  Entwickelung  der  häma- 
togenen Wanderzelien  vorkommen  sollte,  betont  werden,  dass  dieselben  bei 
<ien  erdrückenden  Beweisen  für  die  starke  Proliferation  der  fixen  Zellen 
nur  eine  sehr  geringe  sein  kann.  Man  darf  daher  auch  für  das  Bindege- 
webe den  Satz  gelten  lassen,  dass  es  sich  aus  seinen  eigenen  fixen  Elementen 
^generiert. 

Zu  diesen  alten  und  immer  noch  nicht  ganz  geklärten  Streitfragen 
bat  Grawitz  eine  neue  hinzugefügt  mit   seiner  Behauptung,  dass   ein 

16* 


244  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

grosser  Teil  der  bei  der  Regeneration  wuchernden  Zellen  aus  der  Grund- 
substanz „aufgewacht''  seien.  Diese  Anschauung,  dass  bei  der  Bildung 
der  faserigen  Grundsubstanz  zahlreiche  Zellen  in  toto  durch  Umwandlung 
in  Fasermasse  verschwinden,  und  dass  diese  Fasermassen  sich  wieder  zu 
kernhaltigen  Zellen  zurückbilden  können,  hat  bisher  trotz  mannigfacher 
Kontrolluntersuchungen  keine  Unterstützung  von  anderer  Seite  gefunden. 
Zur  genaueren  Orientierung  sei  auf  das  zusammenfassende  Referat  von 
Beneke  hingewiesen,  da  eine  ausführlichere  Besprechung  dieses  Themas 
an  anderer  Stelle  erfolgen  wird. 

Über  die  Regeneration  des  Sehnengewebes  äussern  sich  Viering 
und  Yamagiwa  dahin,  dass  die  Bildung  des  die  Stümpfe  verbindenden 
Granulationsgewebes  in  erster  Linie  von  der  Sehnenscheide  und  dem  lockeren 
Bindegewebe  der  Sehne  selbst  ausgeht.  Die  Sehnenzellen  wuchern  erst 
spät  imdin  geringem  Umfange.  Enderlen  legt  umgekehrt  grossen  Wert 
auf  eine  lebhafte  Proliferation  der  spezifischen  Sehnenelemente  und  betont 
das  sehnenartige  Aussehen  der  Narbe. 

Die  neuen  Arbeiten  über  postfötale  Bf utgefässneubildung  von  Thoma 
und  Yamagiwa  kommen  zu  dem  übereinstimmenden  Resultat,  dass  auch 
hier  die  Spezifizität  des  Gewebes  gewahrt  wird.  Die  neuen  Kapillaren  ent- 
stehen in  erster  Linie  durch  Sprossungen  der  alten  KapiUarendothelien 
(Arnold,  Billroth,  Meyer).  Eine  Neubildung  aus  Strängen  von  Keimzellen 
(Billroth  und  Thiersch),  die  mit  den  Gefässen  in  Verbindung  treten, 
oder  aus  besonderen  Gefässbildnern,  den  Cellules  vasoformativesRanviers, 
kommt  nicht  vor.  Freilich  lässt  Yamagiwa  die  Bindegewebszellen  bei 
der  Verschmelzung  zweier  Kapillarsprossen  eine  helfende  Rolle  spielen. 
Die  Sprossbildung  geht  von  dem  Protoplasma  der  Endothelzellen  aus, 
deren  Kerne  sich  mitotisch  teilen  und  mit  dem  wachsenden  Protoplasma- 
fortsatz  vorwärts  rücken.  Die  Trennung  des  Gesamtprotoplasmas  in  einzelne 
Zellterritorien  erfolgt,  wenigstens  beim  Menschen,  erst  spät.  Daraus  erklärt 
sich  wolil  eine  Differenz  zwischen  zwischen  Thoma  und  Yamagiwa. 
Ersterer  betont,  dass  die  Bildung  des  neuen  Lumens  durch  Erweiterung 
der  intercellulären  Spalten  vor  sich  geht,  während  Yamagiwa  eine  Aus- 
höhlung des  Protoplasmas  von  dem  Kapillarlumen  her,  also  eine  intracelluläre 
Kanalbildung  annimmt. 

Über  die  Regeneration  der  elastischen  Fasern  in  der  Haut  haben 
Passarge  und  Krösing  Studien  angestellt.  Nach  Passarge  ist  eine 
Regeneration,  besonders  in  Narben,  wohl  nachweisbar,  während  Krösing 
sie  nur  für  möglich,  aber  nicht  für  bewiesen  hält.  Beide  Autoren  schliessen 
eine  Beteiligung  der  Zellen  bei  der  Faserbildung  aus.  In  direktem  Gegen- 
satz dazu  steht  Hansen,  der  als  ein  Schüler  von  Grawitz  die  Fasern 
aus  den  Zellleibern  entstehen  und  sich  zu  Zellleibern  mit  Kernen  wieder 


Regeneration  und  Hypertrophie.  245 

zurückbilden  lässt.  Gold  mann  hat  auf  die  Neubildung  elastischer  Fasern 
in  überpflanzten  Hautstückchen  aufmerksam  gemacht.  Er  leitet  sie  durch 
Sprossenbildung  von  dem  elastischen  Gewebe  des  Mutterbodens  ab. 

Die  isogenetische  Entwickelung  der  Hypertrophieen  der  glatten  Musku- 
latur bei  Verengerungen  im  Darmkanal  sowie  der  Wundheilungen  der 
Darmwand  und  der  Gebärmutter  ist  von  Stilling  und  Pfitzner,  A. 
Ritschi  und  Busachi  durch  den  Nachweis  echter  Mitosen  in  den  Muskel- 
zellen sichergestellt  worden.  Freilich  ist  die  Regeneration  des  Defektes 
durch  neugebildete  Muskelmasse  beim  Warmblüter  nur  gering,  hauptsäch- 
lich beruht  sie  auf  bindegewebiger  Vernarbung.  Dafür  aber  tritt  auch  an 
entfernteren  Stellen-  eine  Wucherung  der  Muskelfasern  ein,  so  dass  hier 
das  Gesetz  der  funktionellen  kompensatorischen  Hypertrophie  wie  bei  den 
drüsigen  Geweben  zur  Geltung  gelangt. 

In  Uterusmyomen  wurden  mitotische  Teilungen  von  Busachi  nach- 
gewiesen. Neben  der  Hyperplasie  findet  sich  bei  der  Regeneration  der 
Muskel  wunden  eine  deutUche  echte  Hypertrophie  der  Fasern  (Busachi), 
die  auch  von  Orth  an  der  üterusmuskulatur  bei  Myombildungen  aufge- 
funden und  von  Bertelsmann  durch  Nachuntersuchungen  im  Göttinger 
Institut  bestätigt  werden  konnten. 

Die  Anschauungen,  welche  Ribbert  über  die  Entstehung  derLymph- 
körperchen  in  den  Lymphdrüsen  hegt  (Abstammung  von  den  wuchernden 
Endothelien,  im  Gegensatz  zu  Flemming,  welcher  die  Lymphocyten  durch 
fortgesetzte  mitotische  Teilung  sich  vermehren  lässt),  finden  sich  auch  in 
seiner  Arbeit  über  die  Regeneration  der  Lymphdrüsen  wieder.  In  erster 
Linie  sind  es  die  Endothelien,  dann  die  Gefässwandzellen  und  fixen  Binde- 
gewebszellen,  welche  in  den  Defekt  hinein  wuchern,  hier  ein  Retikulum 
bilden,  in  dessen  Maschen  sich  die  wuchernden  Endothelien  ansammeln, 
um  sich  allmählich  in  typische  Lymphocyten  umzubilden.  Die  alten  Lymph- 
köq>erchen  nehmen  nicht  durch  Wucherung,  sondern  nur  durch  Einwan- 
derung an  der  Bildung  des  neuen  Gewebes  teil.  Der  ausgebildete  Lympho- 
cyt  ist  nicht  weiter  wucherungsfähig.  Dasselbe  glaubt  Baumgarten, 
während  Hansemann  auf  Grund  der  spezifischen  Mitosen  der  Endothehen 
und  Lymphocyten  der  Flemming  sehen  Anschauung  beitritt.  Nach  S  t  ö  h  r 
werden  die  Tonsillen  durch  Einwanderung  der  Lymphocyten  aus  der  Blut- 
bahn in  das  Gewebe  gebildet;  der  weitere  Ausbau  geschieht  durch  mito- 
tische Teilung  der  ausgewanderten  Elemente.  Die  bekannte  Regenerations- 
fähigkeit des  Knochengewebes,  welche  auf  die  spezifische  Thätigkeit  des 
Periosts  und  des  Knochenmarks  zurückgeführt  wird,  hat  durch  die  Ar- 
beiten des  letzten  Jahrzehnts  (u.  a.  Kr  äfft)  nur  eine  Bestätigimg  erhalten. 

Über  Wachstum  und  Regeneration  des  Knorpels  hegt  eine  neuere 
experimentelle  Arbeit  von  Sieveking  vor.     Er  bestätigt  das  Wachstum 


246  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

des  Ohrknorpels  beim  Kaninchen  durch  mitotische  Zellteilung  in  dem  ersten 
Lebensmonat.  Im  zweiten  erfolgt  die  Grössenzunahme  durch  Vergrösserung 
der  Zellen,  Vermehrung  der  Zwischensubstanz  und  appositionelles  Wachs- 
tum seitens  des  Perichondriums ,  welches  später  allein  die  Vermehrung 
bedingt.  Künstliche  Defekte  im  wachsenden  Knorpel  werden  vom  Peri- 
chondrium  aus  durch  Apposition  neuen  Knorpelgewebes  gedeckt.  Bei  dem 
erwachsenen  Menschen  ist  die  osteogene  Thätigkeit  des  Perichondriums 
gegenüber  der  chondrogenen  nach  den  chirurgischen  Erfahrungen  über- 
wiegend. 

Quergestreifte  Maskalatnr. 

In  das  fast  unentwirrbar  scheinende  Chaos  der  Meinungen  nnd  Deu- 
tungen bezüglich  der  bei  Regeneration  von  quergestreifter  Muskulatur 
beobachteten  Vorgänge  wird  durch  die  Arbeiten  der  letzten  Jahre  eine 
grössere  Ordnung  gebracht,  die  sogar  eine  baldige  Lösung  des  schwierigen 
Rätsels  verheisst.  Ich  sehe  von  den  älteren  Arbeiten,  in  welchen  das 
Bindegewebe  oder  die  Wanderzellen  als  die  Erzeuger  des  jungen  Muskel- 
gewebes angesprochen  wurden,  ab,  da  alle  genaueren  Untersuchungen  der 
neueren  Zeit  nur  in  den  alten  Muskelfasern  die  Quelle  der  Wiedergeburt 
sehen.  Die  lebhaft  diskutierte  Frage,  ob  überhaupt  ein  muskulärer  Ersatz 
von  untergegangenem  Muskelgewebe  statthaben  kann,  ist  im  Sinne  der  allen 
schon  von  v.  Recklinghausen  wiedergegebenen  Anschauung  durch  wie- 
derholte Untersuchungen  und  Experimente,  noch  neuerdings  von  Volk- 
mann, dahin  gelöst  worden,  dass  bei  einfachen  Schädigungen  der  spezi- 
fischen kontraktilen  Substanz,  wo  das  Sarkolemm  mit  den  Muskelkernen 
und  die  bindegewebige  Stützsubstanz  erhalten  bleiben,  wie  beim  Typhus 
oder  der  Erfrierung,  eine  auch  funktionell  vollständige  Regeneration  statt 
hat,  dass  aber  bei  traumatischen  Verletzungen  nur  dann  eine  muskuläre 
Vereinigung  eintritt,  wenn  der  Substanz verlust  sehr  gering  ist,  während 
bei  grösseren  Defekten  eine  bindegewebige  Vernarbung  folgt.  Die  Zone 
der  Muskularisierung  ist  nicht  breiter  als  1—2  mm  vom  Wundrande  aus. 

Diejenigen  Autoren,  welche  eine  Spezifizität  der  Muskelregeneration 
anerkennen,  waren  bislang  in  zwei  Lager  getrennt;  die  einen  erkannten  nur 
eine  Regeneration  durch  die  sogen.  Muskelzellen  nach  embryonalem  Typus 
an  (Weber,  Kraske),  die  anderen  allein  durch  eine  Knospung  von  der 
alten  Faser  aus  (Neumann,  Nauwerck). 

Die  neueren  Arbeiten  von  Barfurth,  Kirby  und  Volkmann  haben 
uns  gezeigt,  dass  eine  scharfe  Trennung  dieser  Vorgänge  überhaupt  nicht 
möglich  ist,  sondern  dass  thatsächlich  beide  Regenerationsformen  vorkommen, 
die  auch  in   ihrer  prinzipiellen  Bedeutung  gleichwertig  sind.    In  seinem 


Regeneration  und  Hypertrophie.  247 

letzten  Referate  über  die  Muskelregeneration  betont  Barfurth  besonders, 
dass  für  die  verschiedenen  Formen  des  Neubildungsprozesses  einerseits  die 
Art  und  das  Alter  des  Versuchstieres,  wie  er  es  gezeigt,  andererseits  die 
Art  der  Verletzung,  durch  Infektion,  thermische  Einflüsse,  Traumen  u.  s.  w., 
wie  Volkmanns  Untersuchungen  beweisen,  von  grosser  Bedeutung  ist. 

Doch  lässt  sich  trotz  aller  Verschiedenheit  und  Buntheit  der  Bilder 
lin  gemeinsamer  C'harakterzug  in  diesen  Wucherungsvorgängen  festhalten, 
das  ist  das  Selbständigwerden  der,  die  komplizierte  Muskelfaser  zusammen- 
setzenden, Einzelgebilde.  Zwar  ist  die  Muskelfaser  nicht  vielzellig,  wohl  aber 
vielkernig,  und  zu  jedem  Kern  muss  eine  bestimmte  Protoplasmamenge,  sei 
es  auch  nur  durch  eine  stärkere  Anhäufung  des  Sarkoplasmas,  in  Beziehung 
^'»Hotzt  sein.  Das  Selbständigwerden  dieser  Kerne  mit  dem  ihnen  zugehö- 
rigen Protoplasma  kann,  wie  die  Untersuchungen  aller  Autoren  lehren,  in 
dvu  mannigfachsten  Formen  vor  sich  gehen.  Einmal  kann  es  sich  um  eine 
«iirekte  Auflösung  der  Muskelfaser  in  die  kleinen  Einzelzellen  handeln.  Ist 
<b'e  kontraktile  Substanz  der  Muskelfaser,  wie  z.  B.  beim  Typhus  oder  bei 
Frosteinwirkung,  zerstört,  sind  die  Kerne  und  ihr  Sarkoplasma  erhalten  ge- 
Mieben,  so  tritt  eine  lebhafte  Wucherung  dieser  Kerne  und  Vermehrung 
d*s  Protoplasmas  ein,  welches  zur  Bildung  einer  wahren  Brut  von  neuen 
Zellen  oder  Riesenzellen  führt,  die  den  erhalteneu  Sarkolemmschlauch  voU- 
-tiiudig  ausfüllen  und  so  die  typischen,  von  Waldeyer  als  Muskelzellen- 
^chläuche  benannten  Gebilde  zusammensetzen  (Vohkmann). 

Ist  die  Muskelfaser  durch  Trauma  oder  auf  andere  Weise  in  ihrer 
Kontinuität  getrennt,  so  zeigt  sich  ebenfalls  als  erste  Erscheinung  eine  leb- 
hafte Wucherung  der  Muskelkerne,  nicht  allein  derjenigen,  welche  an  dem 
iiwh  teilweise  erhaltenen  Sarkolemmschlauch  des  zerstörten  Faserabschnittes 
fl'T  Vernichtung  entgangen  sind,  sondern  auch  an  denen,  welche  dem  er- 
haltenen Faserstumpf  angehören.  Dabei  verliert  das  Protoplasma  in  der 
lingebung  der  wuchernden  Kerne  seine  normale  Streif ung,  es  tritt  eine 
feinkörnige  Masse  als  Protoplasmahof  der  Kerne  auf.  Diese  Wucherung 
<\vT  Kerne  und  diese  Vermehrung  des  Protoplasmas  kann  wiederum  zu  den 
Verschiedensten  Bildungen  führen.  Entweder  lösen  sich  die  neugebildeten 
Ki^niente  von  ihrem  Mutterboden  ab  und  werden  zu  selbständigen  Muskel- 
7-'  llen,  oder  sie  bleiben  mit  demselben  in  Zusammenhang,  können  also  dem 
Sarkolemm  angeheftet  sein  oder  direkt  dem  alten  Faserstumpf  entsprossen 
'Xeumann-Nauwercksche  Muskelknospen).  Endlich  kann  der  zurück- 
h:eibende  Faserstumpf,  ehe  sich  an  ihm  Wucherungs Vorgänge  zeigen,  oder 
im  Beginn  derselben,  mehrfach  gespalten  w^erden,  und  an  jedem  Spaltungs- 
produkt können  sich  die  oben  beschriebenen  Vorgänge  wiederholen.  W^eitcr- 
hin  werden  an  den  Muskelknospen  Abspaltungen  einzelner  Muskelzellen 
U^obachtet,  die  isolierten,  zu  spindelförmigen  Elementen  ausgewachsenen 


248  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Muskelzellen  können  sich  zu  grösseren  Bildungen  Avieder  vereinigen,  oder 
vor  ihrer  vollständigen  Ablösung  netzartig  untereinander  verbunden  bleiben, 
endlieh  können  aus  den  Muskelzellen,  den  Muskelknospen,  den  wuchernden 
gespaltenen  Muskelfasern  riesenzellenartige  Gebilde  hervorgehen,  so  dass 
die  Schwierigkeit  in  der  Deutung  dieser  Bilder,  die  durch  die  Wucherungen 
des  Bindegewebes,  die  Leukocytenein Wanderung,  den  Zerfall  der  Muskel- 
fasern, noch  komplizierter  werden,  eine  sehr  grosse  wird  und  die  Mannig- 
faltigkeit der  Muskelregenerationstheorieen  erklärt.  Folgen  wir  aber  der 
Ansicht  Kirbys,  welcher  in  der  isolierten  Muskelzellenbildung  von  den 
zurückgebUebenen  Kernen  aus  und  in  der  Knospung  durch  Kernwuclie- 
ruug  des  Faserstumpfes  denselben  Vorgang,  nur  verschieden  lokalisiert, 
erblickt,  beachten  wir  Barfurths  und  Volkma uns  Ergebnisse,  da^s  die 
verscliiedenen  Formen  der  Wucherungen  sich  meist  kombinieren,  dass  aber 
je  nach  dem  Alter  des  Tieres  oder  der  Art  der  Verletzung  die  eine  die 
andere  überwiegt,  so  wird  das  Verständnis  wesentlich  erleichtert. 

Bleiben  die  Muskelkerne,  wie  beim  Typhus,  erhalten,  und  geht  die 
Gesamtmasse  der  kontraktilen  Substanz  unter,  so  kann  nur  eine  Wuche- 
rung von  Muskelzellen  erfolgen,  ist  das  Sarkolemm  mit  den  Kernen  ver- 
nichtet, so  kann  nur  aus  dem  erhaltenen  Faserstumpf,  sei  es  in  Form  der 
Knospung  oder  der  sich  schneller  vom  Mutterboden  lösenden  Muskelzellen 
die  Neubildung  statthaben. 

Findet  aber  auch  eine  wirkliche  Neubildung  statt?  Sind  diese  Bilder 
nicht  als  Degenerationen  aufzufassen  ?  Ich  glaube  nicht,  dass  die  Behaup- 
tung Nauwerks,  es  sei  der  Übergang  der  spindelförmigen  Muskelzelleu 
in  wirckliche,  gestreifte  Fasern,  wie  v.  Recklinghausen  sich  gleichfalls 
äusserte,  eine  unbewiesene  Thatsache,  heute  noch  zu  Recht  bestehen  kann, 
nachdem  Volkmann  quergestreifte  junge  Muskelfasern  beim  Typhus  ohne 
jede  Sprossung  vom  Faserstumpf  her  beobachtet  hat.  Die  Umwandlung  dei^ 
feinkörnigen  Protoplasmas  der  Muskelknospen  in  gestreifte  Substanz  ist 
gleichfalls  sicher  gestellt.  Andererseits  kann  unmöglich,  wie  Nauwerck 
mit  Recht  betont,  die  ganze  junge  Zellenbrut  zu  Muskelfasern  werden,  und  damit 
stimmt  der  besonders  von  Nauwerck  betonte,  meist  durch  fettige  Degene- 
ration bedingte  Untergang  des  grössten  Teils  derselben  überein.  Von 
grossem  Interesse  ist  die  Frage,  ob  die  ersten  Kern  Wucherungen  einen 
regenerativen  oder  degenerativen  Charakter  tragen.  Wenn  man  daran  fest- 
halten wollte,  dass  nur  die  Mitose  die  Regeneration  einleitet,  die  direkte 
Kernteilung  dagegen  nur  eine  einfache  Zellvermehrung  bezw.  eine  Reiz- 
erscheinung ist,  so  läge  die  letztere  Thatsache  vor,  denn  die  Mehrzahl  dei 
Beobachter,  deren  Befunden  nur  die  Leven scheu  entgegenstehen,  haben 
im  Anfang  eine  direkte  Kernteilung,  ersts  päter  Mitosen  festgestellt.  Eine  Gesetz- 
mässigkeit liegt  aber  hier  sicher  nicht  vor,  da  auch  in  späteren  Stadien  ge- 


Regeneration  und  Hypertrophie.  249 

rade    bei    der    Muskelknospung     direkte    Kernteilung    beobachtet    wurde 
iVolkmann). 

Man  hat  die  jungen  wuchernden  Muskelzellen  Sarkoblasten  genannt; 
von  ihnen  sind  die  sog.  Sarkolyten,  d.  h.  Bruchstücke  quergestreifter  Sub- 
stanz, die  oft  in  sehr  grosser  Zahl  den  Muskelsohlauch  anfüllen  können, 
scharf  zu  trennen.  Sie  sind  nur  Folgen  der  Degeneration  und  wurden 
von  Si gm.  Mayer  und  Barfurth  in  ungeheurer  Menge  in  den  der  Rück- 
bildung unterworfenen  Muskelfasern  des  Schwanzes  metamorphosierender 
ßatrachierlarven  gefunden.  Werden  diese  Bruchstücke  von  wuchernden 
Zt^llen  aufgenommen,  so  ist  die  Entscheidung  schwer,  ob  es  sich  um  an- 
hängende alte  Kerne  und  Sarkoplasma  handelt  oder  um  neue  junge  Zellen 
mit  Einschlüssen.  Für  die  Wegschaffimg  der  Zerfallstrümmer  kommen 
auch  hier,  wie  überall  in  erster  Linie  die  Wanderzellen  und  die  Abkömm- 
linge der  fixen  Zellen,  die  sich  zu  Riesenzellen  umbilden  können,  in  Be- 
tracht. Nach  Volkma uns  Untersuchungen  müssen  aber  auch  die  eigen t- 
liclien  Muskelkörperchen  als  Vertilger  dieses  toten  Materials  angesehen 
werden. 

Dass  die  Regeneration  unabhängig  vom  Nerveneinfluss  verläuft,  hat 
Kirby  mit  Durchschneidung  des  N.  ischiadicus  gezeigt.  Die  Wucherungen 
fanden  in  gleicher  Weise  statt  wie  am  gesunden  Bein. 

An  den  neugebildeten  Fasern  tritt  zuerst  eine  feine  Längsstreifung, 
dann  eine  Querstreifung  auf.  An  den  grösseren  Fasern  zeigt  sich  auch 
'iie  Bildung  eines  Sarkolemms,  welches  Nauwerck  als  ein  Produkt  der 
Muskelzellen  ansieht. 

Eine  neuere  Arheit  von  Galeotti  und  Levy  kehrt  zu  der  Auffassung 
zurück,  dass  nur  ein  Bildungsmodus,  die  Regeneration  durch  Sarkoblasten 
für  minder  hoch  organisierte  Tiere  (Kröte  und  Salamander)  in  Betracht 
kommt. 

Nicht  unerwähnt  darf  eine  unter  Graw^tz  Einfluss  niedergeschrie- 
ene Arbeit  von  Kr ö sing  bleiben.  Er  lässt  die  Muskelfasern  durch  An- 
einanderlagerung  spindelförmiger  Zellen  entstehen,  deren  Kerne  ein- 
K'lilummem.  Bei  krankhaften  Störungen  erwachen  die  Kerne,  die  quer- 
.iri-streifte  Substanz  wird  zur  Protoplasmabildung  verbraucht,  es  spalten  sich 
^l^indeIfö^mige  Zellen  (auch  mit  Leukocytenkernen)  von  den  Muskelfasern 
ab,  oder  es  sammeln  sich  junge  erwachte  Zellen  innerhalb  der  Muskel- 
fasern an.  Ein  Teil  der  neuen  Zellen  geht  zu  Grunde:  „Wenn  fertige 
Zivilen  entstanden  sind,  so  können  dieselben  direkt  in  Bindegewebe,  Fett- 
p'webe,  Knorpel,  Knochen,   Tuberkel,  Eiter,  Käse  umgebildet  werden.*'  (1) 

Ob  eine  physiologische  Regeneration  der  Muskulatur  beim  Menschen 
vorkommt,  ist  eine  noch  unentschiedene  Frage.  Die  Beantwortung  der- 
K-lben  ist  um  so  schwieriger,   als  wir  über  die  normale  Entwickelung  der 


250  Allgeni.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Muskulatur  noch  nicht  genügend  unterrichtet  sind.  Zwar  hat  sich  Köl- 
liker  auf  Grund  der  Felixschen  Untersuchungen  für  eine  Vermehrung 
der  einmal  angelegten  Muskulatur  im  späteren  fötalen  oder  postfötalen 
Leben  entschieden,  doch  lassen  neuere  Arbeiten  Zweifel  an  der  Richtigkeit 
der  Deutung  laut  werden.  Felix  äussert  sich  folgendermassen :  „Während 
der  Anlage  des  Muskelsystems  werden  immer  neue  Fasern  nach  embryo- 
nalem Typus  gebildet.  Sobald  alle  angelegten  Fasern  ausgebildet  sind,  tritt 
ein  Stillstand  in  der  Vermehrung  der  Faserzahl  ein,  der  zunächst  zum 
Längen-  und  Dickenwachstum  der  einzelnen  Fasern  benutzt  wird.  Der 
Stillstand  ist  in  den  dritten  Monat  zu  verlegen.  Von  einer  bestimmten 
Grenze  an,  die  zwischen  der  Mitte  des  dritten  Monats  und  dem  vierten 
Monat  liegen  muss,  beginnt  wieder  eine  Vermehrung  der  Faserzahl,  dieses 
Mal  nur  durch  Längsteilung  der  vorhandenen  Fasern."    (50,  Schluss.) 

Dieser  Spaltung  der  Fasern  geht  eine  Kernvermehrung  und  Anord- 
nung der  Kerne  in  mehreren  Reihen  in  der  Mitte  des  Faserverlaufes  vor- 
aus, dann  trennen  sich  die  kernhaltigen  Reihen  durch  schräge  Längs- 
spaltung und  bilden  so  die  neuen  Fasern.  Zugleich  ist  das  anliegende 
Perimysium  verdickt  zu  der  sogenannten  Muskelspindel  (Köllikers  Mus- 
kelknospe). Daneben  erwähnt  Felix  noch  eine  starke  Kernwucherung  an 
den  Sehnenendeu  der  Muskelfasern,  die  zum  Teil  das  Längenwachstum 
besorgen,  zum  Teil  degenerative  Prozesse  darstellen  sollen.  Auch  Seh  af- 
fer will  bei  10 — 16  Wochen  alten  Embryonen  einen  Zerfall  des  querge- 
streiften Muskelmantels  und  Entfernung  desselben  durch  Leukocyten  be- 
obachtet haben,  während  der  axiale  Teil  mit  den  Kernen  bestehen  blieb. 
An  diesem  axialen  Strang  kommt  es  durch  Kernwucherung  zur  Sprosseu- 
bildung  oder  zur  Loslösung  einzelner  Muskelzellen,  welche  die  neuen  Fa- 
sern liefern.  Es  sollen  also  im  Embryo  Degenerations-  und  Regenerations- 
vorgange neben  einander  herlaufen. 

Gegen  eine  spätere  Vermehrung  der  einmal  angelegten  Muskelfasern 
wendet  sich  Halban.  Im  Embryo  zeigen  die  Fasern  der  einzelnen  Mu.<- 
keln  desselben  Körpers  keine  oder  nur  sehr  geringe  Dickenunterschiede. 
Die  Muskelfasern  werden  vom  4.  Embryonalmonat  an  bis  zur  Geburt 
dicker  und  zwar  wächst  der  Durchmesser  in  allen  Muskeln  ganz  gleicli- 
mässig  um  das  Doppelte.  Von  der  Geburt  an  tritt  aber  ein  sehr  un- 
gleichmässiges  Dickenwachstum  je  nach  der  Funktionszunahme  der  ein- 
zelnen Muskeln  ein.  Mit  der  Dicke  der  Fasern  wächst  auch  proportional 
der  Gesamtmuskel.  Für  das  Dickenwachstum  der  Muskeln  im  posteni- 
bryonalen  Leben  reicht  das  Dickenwachstum  der  Fasern  vollkommen  aus. 

Die  Bedeutung  der  Köllik  er  sehen  Muskelknospen  für  das  Wachs- 
tum des  normalen  Muskels  ist  keineswegs  so  sichergestellt,  wieKölliker 
anzunehmen  scheint.    Eine  Untersuchung  von  Laura  Forster  ergab  den 


Regeneration  und  Hypertrophie.  251 

auffälligen  Befund,  dass  diese  Gebilde  bei  einer  hochgradigen  Atrophie  der 
Muskulatur  infolge  puerperaler  Myelitis  ganz  unverändert  bleiben.  Verf. 
schliesst  daraus,  dass  sie  selbständige  Gebilde  sind  und  mit  dem  Wachstum 
'xler  der  Regeneration  des  übrigen  Muskels  nichts  zu  thun  haben.  Auf 
die  Litteratur  der  Muskelspindeln  näher  einzugehen ,  muss  ich  an  dieser 
Stelle  verzichten,  zumal  Volkmanns  Untersuchungen  ergeben,  dass  die- 
selben für  die  pathologische  Regeneration  gar  nicht  in  Betracht  kommen. 

Über  die  Heilung  von  Herzwunden  liegen  nur  spärliche  Beobach- 
tungen vor.  Bonome  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  wohl  eine  Kernver- 
mehrung an  der  alten  Muskelfaser  eintritt,  aber  keine  Zellteilung.  Die 
Xarbenbildung  erfolgt  vom  Bindegewebe  aus. 

Die  Dickenzunahme  der  Herzmuskelfasern  bei  dem  physiologischen 
pjystfötalen  Wachstum  und  bei  der  Herzvergrösserung ,  also  die  echte 
Hypertrophie  der  einzelnen  Zellen,  welche  von  Goldb erger  für  den  Men- 
schen sichergestellt  war,  wurde  von  Tangl  durch  vergleichende  und 
experimentelle  Untersuchungen  am  Kaninchen  bestätigt.  Eine  numerische 
Hyperplasie  ist  damit  keineswegs  ausgeschlossen. 

Nervensystem. 

Die  Regenerationen  am  centralen  und  peripheren  Nervensystem  müssen 
insofern  schon  einen  anderen  Charakter  tragen  als  die  bisher  besprocheneu, 
als  es  sich  nicht  um  Gewebe  mit  gleichmässig  funktionierenden  Elementen, 
wie  die  einfachen  Drüsen,  handelt,  sondern  um  Komplexe  sehr  differenter 
Zellen.  Und  diese  selbst  sind  wiederum  ganz  sonderbar  gebaut,  besitzen  Aus- 
läufer von  solchen  Dimensionen,  wie  wir  sie  an  anderen  Zellen  auch  nicht 
im  entferntesten  kennen.  Für  die  höheren  Säugetiere  lässt  sich  schon  jetzt 
Jie  Behauptung  aufstellen,  dass  eine  Wiederherstellung  untergegangener 
(langlienzellen  nicht  stattfindet  (v.  Kahlden,  Ströbe),  wenn  auch  Zeichen 
lebhafterer  Kemthätigkeit  in  Gestalt  von  Mitosen  (Coen,  Sanarelli,  von 
StrObe  freilich  nicht  bestätigt)  beobachtet  werden  konnten.  Wird  dagegen 
das  Ceutrum  der  Zelle  mit  dem  lebenswichtigen  Kerne  erhalten,  so  können 
>ehr  ausgedehnte  Substanzverluste  der  Zellfortsätze,  der  centralen  und 
[peripheren  Nervenfasern,  durch  Neubildung  ausgeglichen  werden.  Es 
handelt  sich  dabei  um  die  Ausbesserung  einer  einzelnen  defekten  Zelle, 
einem  eigenartigen  Vorgange,  wie  er  sonst  im  Körper  nicht  beobachtet  wird. 

Zu  dieser  Anschauung  führen  wenigstens  die  neuen  sorgfältigen 
Untersuchungen  Strohes,  der  mit  einer  eigenen  Färbungsmethode  die 
Frage  der  Regeneration  peripherer  Nerven  und  des  Rückenmarks  experi- 
mentell zu  lösen  versuchte.  Ströbe  war  dazu  durch  eine  Arbeit  v.  Bünguers 
veranlasst  worden,  der  in  dem  Hauptpunkte  der  Regenerationsfrage,  woher 


252  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

die  neugebildeten  Achsencylinder  und  Markscheiden  stammen,  zu  dem  Re- 
sultat gekommen  war,  dass  sie  diskontinuierlich  entstehen  und  abschuitts- 
weise  von  den  Kernen  und  dem  Protoplasma  der  erhalten  gebHebenen 
Seh  wann  sehen  Scheide  gebildet  werden.  Diese  Zellen,  die  also  nicht, 
wie  andere  Forscher  annehmen,  bindegewebiger,  sondern  nervöser  Natur 
sind,  die  sogenannten  Neuroblasten  wuchern  stark,  ihr  Protoplasma  ver- 
schmilzt und  durch  Umwandlung  der  centralen  Partieen  zu  einer  streitigen 
Masse  entsteht  der  Achsencylinder,  um  den  sekundär  die  Markscheide  ge- 
bildet wird.  Durch  Verschmelzung  der  einzelnen  neu  gebildeten  Nerveu- 
faserabschnitte  mit  dem  Nervenstumpfe  erfolgt  die  endgültige  Regeneration. 
Eine  direkte  Vereinigung  der  abgetrennten  Nervenfasern  mit  dem  Stumpf, 
eine  Heilung  per  primam  intentionem,  wie  man  sie  früher  für  möglich 
hielt,  giebt  es  nicht.  Die  peripheren  Nervenstücke  gehen  alle  zu  Grunde, 
nur  die  Schwannschen  Scheiden  bleiben  bestehen. 

In  diesem  letzten  Punkte  stimmt  Ströbe  mit  ihm  überein,  schreibt 
aber  den  Zellen  der  Schwannschen  Scheide  nur  eine  bindegewebige  Natur 
zu,  die  mit  der  Regeneration  der  Nervenfasern  direkt  nichts  zu  thuu 
haben. 

Die  wuchernden  Zellen  der  Schwannschen  Scheide  dienen  nur  zur 
Fortschaffung  der  Zerfallstrümmer  der  alten  Fasern  als  Phagocyten,  von 
denen  ein  grosser  Teil  in  die  Lymphgefässe  überwandert  und  von  dem 
Schauplatz  der  Thätigkeit  verschwindet,  andererseits  zur  Bildung  neuer 
Seh  wann  scher  Scheiden.  Die  Achsencylinder  selbst  wachsen  kontinuierlich 
aus  den  alten  Nervenfasern  aus,  \ne  es  Ströbe  durch  seine  t'orzügliche 
Färbungsmethode  beweisen  konnte  und  nehmen  zugleich  einen  dünnen 
Mantel  von  Markscheide  mit.  Sie  können  einfach  bleiben  oder  sich  dicho- 
tomisch  teilen.  Ist  das  Granulationsgewebe  der  Wunde  durchsetzt,  so 
können  sie  jetzt  in  den  alten  noch  offenen  Schwannschen  Scheiden  weiter 
wachsen,  oder  sie  suchen  sich  zwischen  denselben  neue  Bahnen  und  erhalten 
vom  Bindegewebe  neue  Scheiden. 

Mit  den  Untersuchungen  Ströbes  stimmen  die  Ergebnisse  der 
gleichzeitig  erschienenen  Arbeit  v.  Notthaffts  in  den  Hauptpunkten 
überein. 

Über  die  Heilung  von  Wunden  am  Centralnervensystem  bestätigen 
Ströbes  Untersuchungen  die  früheren  Anschauungen  (v.  Kahl  den, 
Keresztszeghy  und  Hanns),  dass  die  Vernarbung  durch  nicht  ner- 
vöse Elemente,  Glia  und  Bindegewebe  erfolgt.  Das  letztere  hat  aber,  wie 
auch  V.  Kahlden  betont,  den  Hauptanteil  an  der  Wucherung. 

Sehr  interessant  ist  die  Beobachtung  Ströbes,  dass  von  den  durch- 
schnittenen hinteren  Wurzeln  aus  ein  Hineinwachsen  neuer  Fasern  in  die 
Rückenmarkswunde  statt  hat.  Ebenso  kommt  es  auch  an  den  Faaersystemen 


Regeneration  und  Hypertrophie.  253 

der  weissen  Substanz  zur  Neubildung  von  Nervenfäserchen  durch  Aus- 
:rprossung  der  altem  Fasern.  Dieselben  teilen  sich  häufig.  Ihre  Wuche- 
rung ist  eine  begrenzte  und  ein  wirklicher  Ersatz  der  durchtrennten  Ner- 
veufasem  durch  die  Narbe  hindurch  hat  nicht  statt.  Die  Regenerations- 
fälligkeit des  centralen  Nervenfasersystems  ist  also  weit  geringer  als 
diejenige  des  peripheren. 

Die  völlige  Unfähigkeit  feinerer  nervöser  Elemente  zur  Regeneration 
ist  für  die  Retina  durch  Tepljaschins  Arbeiten  von   neuem  bestätigt 

Transpl  antation. 

Der  Schluss  der  spezielleren  Kapitel  sei  einer  kurzen  Erwähnung  der 
neueren  Arbeiten  über  Transplantation  gewidmet.  Für  die  früheren  An- 
schauungen, welche ausf ührUch  von  v.  Recklinghausen  erörtert  wurden, 
sind  in  dem  letzten  Jahrzehnt  die  histologischen  Untersuchungen  als  Be- 
weise in  grösserem  Umfange  herangezogen  worden. 

Dabei  hat  sich  manches  als  irrtümlich  herausgestellt,  manches  ist 
endgültig  bestätigt  worden.  Ich  sehe  hier  von  der  Proliferationsfähigkeit 
der  fötalen  Gewebe  ab.  Den  besten  Beweis  für  die  Lebensfähigkeit  trans- 
plantierten  Gewebes  bildet  noch  immer  die  Haut.  Die  Untersuchungen  von 
Garre,  Karg,  Jungengel,  Goldmann  u.  a.  haben  gezeigt,  dass 
zunächst  eine  Verklebung  des  transplantierten  Stückes,  Epidermis  mit  einem 
Teil  des  Papillarkörpers ,  mit  dem  Boden  durch  fibrinöse  Exsudatmassen 
statthat.  Die  endgültige  Verbindung  erfolgt  durch  Einwuchem  von  Gra- 
nulationsgewebe in  das  transplantierte  Bindegewebe,  an  welchem  von 
Üjatschenko  für  die  überpflanzte  Schleimhaut  des  Mundes  ebenfalls 
Wucherungen  an  den  Endotheüen  der  eigenen  Gefässe  beobachtet  worden 
sind.  Doch  ist  die  Teilnahme  des  überpflanzten  Bindegewebes  sicher  nur 
eine  geringe  Die  Mehrzahl  der  Gefässe  verödet  oder  dient  den  jungen 
J-iefässsprossen  des  Muttergewebes  als  Leitungsbahn.  Um  so  lebhafter 
gestalten  sich  die  Wucherungen  im  Epithel.  Zwar  gehen  zunächst  die 
obersten  Schichten  durch  Abstossung,  blasige  Auftreibung  zu  Grunde,  doch 
i>ildet  das  zurückgebUebene  Epithel  ein  an  Mitosen  reiches  Keimlager  und 
an  denjenigen  Stellen ,  wo  Haarbälge  oder  Drüsenausführungsgänge  durch- 
sc-hnitten  worden  waren,  kann  es  zu  einer  energischen  Wucherung  des 
El'ithels  in  die  Tiefe  kommen. 

Ist  die  Heilung  vollendet,  so  fällt  die  Beweglichkeit  der  neuen  Haut 
sehr  in  die  Augen,  imd  Goldmann  glaubt,  dass  dieselbe  neben  dem  Aus- 
bleiben eines  wirkUchen  Narbengewebes  auf  die  Regeneration  elastischer 
Faserbündel  im  transplantierten  Stück  zurückzuführen  sei.  Die  elastischen 
Fasern   bilden   sich   durch  Sprossung   aus   den   alten  des  Muttergewebes. 


254  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Gold  mann  macht  ferner  die  Angabe,  dass  die  Sensibilität  am  frühesten 
in  den  Randbezirken,  aber  auch  inselförmig  innerhalb  des  transplantierteu 
Gewebes  auftritt.  Auf  die  älteren  interessanten  Beobachtungen  Kargs 
über  die  Entfärbung  der  auf  Europäer  transplantierteu  Negerhaut  und  Fär- 
bung der  weissen  Haut  beim  Neger,  die  mit  Pigmentverschleppung  durch 
wandernde  Zellen  in  Beziehung  gesetzt  wird,  sei  hier  kurz  hingewiesen. 

Neben  dieser  Transplantation  von  menschlicher  Haut  (selbst  von  Leichen) 
hat  man  auch  tierische  für  die  Zwecke  der  Überhäutung  verwandt.  Die 
Litteratur  findet  sich  in  einer  Abhandlung  vonReverdin  zusammengestellt, 
welcher  die  Anheilung  von  Froschhaut  beobachtet  haben  will.  Experimen- 
telle Untersuchungen  von  Beresowsky,  welcher  Froschhaut  auf  Säuge- 
tiere, Hundehaut  auf  Meerschweinchen  überpflanzte,  führte  zu  völlig  Dcga- 
tiven  Resultaten. 

Gegen  die  Lebensfähigkeit  transplantierter  komplizierterer  Gebilde  sind 
ebenfalls  Bedenken  laut  geworden.  Barth  behauptet,  dass  isolierter  leben 
der  Knochen  bei  der  Implantation  in  anderen  lebenden  Knochen  unfehlbar 
nekrotisch  und  erst  allmähhch  durch  neues  Knochengewebe  substituiert  wird. 

Volk  mann  spricht  transplantierteu  Muskeln,  Ströbe  überpflanzten 
Nerven  jede  Wachstumsfähigkeit  ab.  Dem  gegenüber  hält  Gluck  für  die 
Knochentransplantationen  an  der  alten  Ansclxauung  fest,  dass  lebender  los- 
gelöster Knochen  einheilen  und  direkt  als  lebendes  Stück  in  den  Organis- 
mus eingefügt  werde.  Neue  experimentelle  Beweise  werden  nicht  bei- 
gebracht. 

Über  die  Transplantation  drüsiger  Organe  liegen  überraschende  Be- 
obachtungen von  V.  Eiseisberg,  Christiani  u.  a.  m.  vor.  v.  Eiseis- 
berg konnte  Scliilddrüsenteile  in  die  Bauchhöhle  oder  Bauch  wand  der 
Versuchstiere  (Katzen)  einbetten  und  erhielt  völlige  Einheilung.  Exstirpierte 
er  nach  Wochen  den  Rest  der  Schilddrüse,  so  trat  kein  Tetanus  ein,  wohl 
aber,  wenn  nun  die  transplan tierte  Schilddrüse  ebenfalls  entfernt  wurde. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  das  Resultat,  dass  die  transplan- 
tierten  Schilddrüsenstücke  ihren  normalen  Bau  wenigstens  in  grossem  Um- 
fange bewahrt  hatten  und  durch  Blutgefässe  des  neuen  Mutterbodens  ernährt 
worden  waren. 


Fasst  man  die  bisher  erörterten  Einzeluntersuchungen  über  Regene- 
ration zusammen,  so  ergiebt  sich  einmal  die  Bestätigung  des  Gesetzes 
omnis  cellula  e  cellula,  das  andere  Mal  der  Nachweis,  dass  die  pathologische 
Regeneration  im  allgemeinen  nach  dem  Typus  des  physiologischen  Wachs- 
tums oder  der  physiologischen  Regeneration  verläuft.     Sie  kann  in  einer 


RcgitiAtx«  ssi  Hrpertr<>:  -  «  ?,V> 

Z\]vermehnJiig  iregenerat«">rircLe  H\T«cri'.ai:-.  •-i-r  r::.rr  Z-'.>trjrr-,->*r.:'\z 
.t^eatraiorische  Hypertn>{.:iit:    l-t-niii-t;. 

Welches  sind  nun  die  o:.::e!vn  Ge-s^tze,  v-»ii  il-:>r.    lit- K- j»  :.t'r.i:i::.>- 
vorganjre  beherrschi  werdtn? 

Das  Ziel  des  phy«io>t<ri^*Kfn  WacL-fju.s  -:»r:.t  Roux  in  ti:.t-r  P::T^- 

r^aitrang  der  Funktion.    Sind  dit*  Funkt:« .L.vn  diff^^^riiizirr;,  s»  k.-i.r.tt:  «:a< 

jTdrtrf  Wachstum  aulLOren.     I>.«L  zeiLt  die  { Ly-i...l. -ji-M/hf  lULr^-r^trati-'U. 

Liäs  noch  eine  weitere  Ztrilvermtrhnins  «taiüiät,  nacL  i^m  dtr  <_>rj^\:i:-n.iis 

&  Grenze  seiner  Fonnau>bildung  erreicht   Lai.     Hai.<enianu  fa>st  uitr- 

hÜh-  bereits   als    einen    paiiiuk»;n^litrn  Wr^ai:::   auf,    K^iii^u^  tiurch  dt-n 

Kampf  des  Organismus   mit   der  Au^senwelL     Auf   jeden  Fall    «iient   die 

/ivsiologische  Regeneration   nicht   zur   weiteren  Differenzierung.   son*ifm 

i^  Aufrechterhaltung  der  normalen   Funktionen,   die   kfintu  AugvnMiok 

üiiterbrochen  werden. 

Wird  die  normale  Funktion  durch  DefekibiMung  gestört,  so  tritt  die 
pathologische  Regeneration  zur  Wiederherstt-iluug  der  Funktion  entwetUr 
ouTch  Vennehnmg  der  Zellen  oder  Vergrü<serung  denrclben  ein. 

Indem  ich  von  dem  Streit  zwu^hen  Hertwig  imd  Roux.  ob  bei 
*;rm  normalen  Wachstum  eine  jede  Zelle  nur  im  Zui-amnienhang  mit  dorn 
Uürigen  Orgauismus  oder  aus  sich  selbst  heraus  die  gestalteUilen  Kräfte  zur 
Entwickelung  bringen  kann,  absehe,  kann  ich  bezüglich  der  i>hysioloirisohen 
and  pathologischen  Regeneration  des  erwachsenen  Küri>ers  die  t'berein- 
^Timmung  der  Forscher  dahin  feststellen,  dass  hierbei,  freilich  noch  unbe- 
Ä'aiiDte  Korrelationen  zwischen  den  verschiedenen  Zellsystenicn  des  Körpers 
-I  .L'enommen  werden  müssen. 

Roux  drückt  sich  folgendermassen  aus:  „Die  Auslösung  der  Rege- 
/.t-rations-  und  Postgenerationsmechanismen  geschieht  wahrscheinlich  nicht 
«iunh  ein  qualitativ  unwesentliches  Moment,  wie  es  der  blosse  Wegfall  des 
.^Htendnicks  an  der  Unterbrechungsfläche  ist,  sondern  durch  das  wesent- 
lichste des  Vorganges,  durch  den  Wegfall  der  spezifisch  differenzier- 
ten Zellen  und  somit  durch  das  Fehlen  normaler,  spezilischor  Nachbar- 
Hbafts Wirkungen,  oder  mindestens  durch  Einwirkung  abnormer  Reize  infolge 
der  neuen  Nachbarschaff 

Für  die  Auffassung  der  Regeneration  ist  diese  Beziehung  zwischen 
len  verschiedenen  Zellarten  von  grosser  Bedeutung.  Hansemann  spricht 
jicht  nur  von  spezifischen  Nachbarschaftswirkungen,  sondern  behauptet, 
kss  alle  Zellen  des  Körpers,  infolge  der  ungleichen  Teilimg  des  Keim- 
Jasraas,  in  engere  Wechselbeziehungen  gesetzt  sind,  die  er  in  einem  be- 
onderen  Kapitel,  Altruismus,  eingehender  schildert  (Schilddrüsenerkrankung 
ind  Kachexia  strumipriva  u.  s.  w.). 


256  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Geht  ein  Teil  der  Körperzellen  verloren,  so  geschieht  Einbusse  au 
funktionsfähigem  Material,  es  treten  Störungen  in  den  Wechselbeziehungen 
der  Zellen  ein. 

In  seinem  Vortrage  über  die  Anpassung  des  Organismus  an  patho- 
logische Veränderungen  (Herzhypertrophie  bei  Kreislaufstörungen,  kompen- 
satorische Nierenhypertroplüe  bei  Defekt  der  anderen  Niere,  kompensatorische 
Leberhypertrophie  bei  Verlust  an  spezifischem  Lebergewebe  u.  s.  w.)  äussert 
sich  Nothnagel  dahin:  Bei  dauernden  Störungen  entwickeln  sich  funk- 
tionell-morphologische  Anpassungen  und  Ausgleichungen,  die  für  das  Wohl- 
ergehen des  Individuums  zweckmässig  sind. 

In  welchen  allgemeinen  Ursachen  muss  der  Anstoss  für  die  Entstehung 
derselben  gesucht  werden?  Darauf  giebt  er  die  Antwort:  In  der  erhöhten 
Funktion  des  betroffenen  Gewebes.  Sie  ist  es,  die  bei  dem  Ausgleich  einer 
Störung,  im  kausalen  wie  im  zeitlichen  Sinne,  die  primäre  Stellung  ein- 
nimmt. Die  morphologische  Anpassung  folgt  der  erhöhten  Funktion  als 
ihre  Konsequenz. 

Eine  erhöhte  Funktion  ist  im  Anfange,  wenn  die  morphologische  An- 
passung noch  fehlt,  nur  durch  die  Entfaltung  von  Reservekräften  erklärlich. 

Was  aber  veranlasst  die  funktionelle  Mehrleistung  des  betroffenen 
Organs?  Die  Mehrfunktion  eines  Organs  oder  Organteiles  kann  nur  durch 
die  Steigerung  eines  solchen  Reizes  veranlasst  werden,  welcher  seine 
spezifische  Thätigkeit  auslöst. 

Übertragen  wir  diese  Anschauungen  Nothnagels  auf  die  Regene- 
ration der  Gewebe,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  bei  Ausfall  eines  Ge- 
websteiles —  soweit  keine  anderen  Ursachen  mitwirken  —  die  Funktion  für 
das  restierende  Gewebe  vermehrt  wird,  und  dass  diese  erhöhte  Funktions- 
thätigkeit  den  formativen  Reiz  für  die  Zellvergrösserung  oder  Zellver- 
niehrung  bis  zum  Ausgleich  der  Funktionserhöhung  durch  Verteilung  auf 
das  neugeformte  Zellmaterial  bildet.  Die  Wiederherstellung  der  alten 
Form  ist  dabei  unwesentlich,  soweit  sie  nicht  für  die  Funktion  von  Be- 
deutung ist. 

In  dieser  Weise  äussert  sich  auch  Ponfick  in  seiner  letzten  Arbeit 
über  Leberrekreation:  „Die  Bedeutung,  welche  ihnen  (d.  h.  den  Experimenten 
über  Leberregeneration)  für  die  Pathologie  inne  wohnt,  liegt,  meines  Er- 
achtens,  hauptsächlich  darin,  dass  sie  uns  ein  klares  und  sicheres  Beispiel 
Hefern  einer  ebenso  morphologisch  riesigen,  wie  funktionell  durchschlagen- 
den, echten  Hypertrophie:  einer  gleichartigen  Neubildung,  welche  durch 
einen  ungemischten  funktionellen  Reiz  hervorgebracht  ist,  und  welche 
demgemäss  auch  auf s  Typischste  ihren  Abschluss  findet,  sobald  nur  dieser 
funktionelle  Reiz  befriedigt  ist^^  (154,  c.  S.  104). 


Degeneration  and  Hypertrophie.  255 

Und  Ziegler  sehliesst  sieh  deu  Nothnagelschen  Ausführungen  über 
die  Hypertrophie  der  einen  Niere  nach  Verlust  der  anderen  an,  indem  er 
betont,  dass  die  Steigerung  der  Funktion  der  Drüsenzellen  die  Ursache 
fler  Hypertrophie  ist,  und  dass  die  Funktionssteigerung  auf  vermehrte  Zu- 
fuhr von  hamsauren  Salzen  beruht.  „Ich  bin  danach  der  Meinung,  dass 
hier  ein  Fall  vorliegt,  in  welchem  eine  Cellulation  direkt  durch  die  An- 
wesenheit chemischer  Substanzen,  welche  die  Zellen  zu  erhöhter  Thätig- 
keit  anregen,  bewirkt  wird^\    (216,  S.  58). 

Ist  die  Erhöhung  der  funktionellen  Leistung  die  einzige  Ursache  bei 
jeder  Form  von  pathologischer  Regeneration,  oder  können  andere  Ur- 
sachen neben  ihr  herlaufen  oder  sie  ganz  ersetzen? 

Die  Beantwortung  dieser  Frage  ist  nahe  verknüpft  mit  derjenigen 
über  die  Ursachen  der  pathologischen  Gewebsbildungen  im  allgemeinen: 
Bezüglich  derselben  hat  sich  Ziegler  in  der  Virchowschen  Festschrift 
jjeäussert.  Ausgehend  von  dem  Virchowschen  Satze,  die  Ursache  der 
Hypertrophie  und  Neoplasie  ist  für  viele  Formen  noch  unsicher,  doch 
seheint  es  bis  jetzt  notwendig,  überall  auf  einen  Reiz  zurückzugehen, 
bespricht  er  die  Anschauungen  der  früheren  Autoren,  was  unter  diesem 
Reize  zu  verstehen  sei  (angeborene  Anlage,  Überernährung,  Fortfall  von 
Hemmungseinrichtungen,  mechanische,  thermische  und  elektrische  Reize) 
und  kommt  auf  Grund  seiner  eigenen  Arbeiten  und  derer  seiner  Schüler 
zu  dem  Schluss,  dass  pathologische  Gewebsneubildungen 

1.  auf  innere,  immanente  Ursachen,  die  in  der  Organisation  des  Keimes 
gelegen  sind,  zurückgeführt  werden  können  (im  weiteren  Sinne 
angeborene  Neubildungen). 

2.  auf  Steigerung  der  zur  Proliferation  drängenden  Kräfte  oder  aber 
einer  Abnahme  der  sich  ihrentgegenstellenden  Widerstände  beruhen*) 
(erworbene  Neubildungen). 

Für  die  Regeneration  eines  Gewebes,  welches  in  einen  entstandenen 
Defekt  einfach  hineinwächst,  würde  also  die  Erklärung  eine  sehr  einfache 
sein.  Es  ist  die  Verminderung  der  Wachstumswiderstände,  welche  das 
Nachbargewebe  zu    dieser  Wucherung  veranlasst. 

Nur  haben  die  genaueren  Untersuchungen  ergeben,  dass  in  dem  Epi- 
thel, wie  im  Bindegewebe,  im  Leberparenchym,  am  Peritonealendothel,  an 
^len  glatten  Muskelfasern,  in  weit  von  der  Wunde  entfernten  Stellen  Mito- 
sen aufzufinden  sind;  d.  h.  es  findet  sich  neben  einer  örtlichen  regene- 
rativen Wucherung  noch  eine  kompensatorische  Hypertrophie  benachbarter 
^iebiete. 


1)  Anm.  de^  Heraasgebers.  Fortfall  der  normalen  Spannungswiderstände  zwischen 
den  einzelnen  Zellen  als  Ursache  der  Regeneration  ist  bekanntlich  zuerst  von  Weigert 
uigegeben  worden.  Lübars  eh. 

Lubarsch-Ottertag,  Ergebnisse  Abteilung  11.  17 


256  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

Ziegler  wirft  die  Frage  auf:  „Sind  nun  sowohl  die  regenerativen 
Wucherungen  am  Orte  der  Verletzung  als  auch  die  sie  begleitenden  kom- 
pensatorischen Hypertrophieen  durch  eine  Abnahme  der  Wachstumswider- 
stände zu  erklären?"  (216,  S.  35). 

Für  die  Leber  können  wir  wohl  die  Verminderung  der  Wachstums- 
widerstände ausschliessen,  soweit  es  sich  nicht  um  Schliessung  der  Wunde 
in  der  Glissonschen  Kapsel  handelt,  da  auch  Ziegler  die  von  Ponfick 
scharf  betonte  Hypothese  teilt,  dass  hier  eine  funktionelle  Hypertrophie  des 
Leberzellengewebes  vorliegt. 

Noch  klarer  liegen  die  diesbezüglichen  Verhältnisse  bei  der  kompen- 
satorischen Hypertrophie  der  Niere. 

Wie  verhält  es  sich  dagegen  mit  der  Regeneration  der  Hauti^ninde? 
Ziegler  selbst  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Wegnahme  der  Wachs- 
tumshindemisse  eine  wichtige  und  häufig  massgebende  Veränderung  für 
das  Zustandekommen  von  Gewebsneubildungen  ist,  und  dass  sie  auch  für 
die  Hautwunde  zutrifft. 

Sollen  wir  also  annehmen,  dass  die  Bedingungen  und  Ursachen  für 
die  Regeneration  der  drüsigen  Organe  und  der  Hautwunden  verschieden 
sind,  oder  lässt  sich  eine  gemeinsame  Quelle  für  alle  rein  regenerativen 
Prozesse  finden? 

Diese  Einigung  ist  sofort  gegel)en,  wenn  die  Veränderung  des  Ge- 
websdruckes  mit  der  spezifischen  Funktion  der  Haut  etwas  zu  thun  hat. 
Und  es  ist  wohl  ausser  Frage,  dass  die  Gewebsspannung  mit  der  Gerüst- 
substanz des  Bindegewebes  eng  verknüpft  ist,  und  dass  ebenso  das  Deck- 
epithel mit  dem  Druck  in  Beziehung  gesetzt  werden  darf.  Zieglers  Satz: 
„Für  manche  Fälle  scheint  aus  den  anatomischen  Verhältnissen  hervor- 
zugehen, dass  namentlich  die  Abnahme  des  Druckes,  der  auf  den  Zellen 
lastet,  oder  die  Verminderung  der  Spannung,  in  welcher  sich  die  betreffen- 
den Gewebe  befinden,  eine  Abnahme  des  Wachstumes  herbei  führt"  (216, 
S.  43),  darf  als  Unterstützung  dafür  angeführt  werden.  Damit  soll  nicht 
gesagt  sein,  dass  die  betreffenden  Gewebe  nur  diese  Funktion  eines  Stütz- 
apparates erfüllen,  ebenso  wenig  wie  die  Leber  nur  Galle  produziert.  Neben 
anderen  haben  sie  aber  auch  solche,  mehr  in  die  Augen  springende  Funk- 
tionen, und  mit  ihrer  Hülfe  können  wir  uns  die  von  allen  stark  zerstören- 
den Mitteln  unbeeinflusste  Regeneration  als  eine  Folge  der  durch  den  Aus- 
fall vermehrten  Funktionsleistung  der  übrigen  Stütz-  und  Decksubstanz 
vorstellen. 

Damit  sind  die  Ursachen  für  die  Regeneration  aller  Gewebe  als  die 
gleichen  erkannt,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  es  sich  beim  Deck- 
epithel und  Bindegewebe  um  gleichzeitig  physikalische  Einrichtungen  han- 
delt, so  dass  die  abnormen  Spannungs-  und  Druckverhältnisse  in  der  Um- 


Regene^tion  und  Hypertrophie.  257 

gebung  des  Defekts  am  stärksten  zum  Ausdruck  kommen  und  die  stärkste 
Wirkung  ausüben. 

Bei  der  Mehrzahl  der  regenerativen  Vorgänge  im  Körper  sind  die- 
selben aber  nicht  reine,  d.  h.  nur  zur  Wiederherstellung  der  Funktion  be- 
stimmte, sondern  kompliziert  durch  die  Einwirkung  der  den  Gewebsver- 
lust  bedingenden  Ursachen  und  durch  die  chemischen  Umsetzungen  des 
toten  Gewebes  selbst. 

Eine  fast  reine  Regeneration  können  wir  nur  an  denjenigen  Drüsen 
beobachten,  welche  doppelt  vorhanden  sind  (z.  B.  den  Nieren),  eine  Regene- 
ration, die  man  gewöhnlich  mit  dem  Namen  der  kompensatorischen  Hyper- 
trophie belegt.  Die  Reize,  welche  die  Regeneration  bewirken,  sind 
nur  verstärkte  physiologische.  Ihr  Zweck  ist  der  Versuch  zur  Wieder- 
herstellung der  Funktion. 

Von  der  regenerativen  Wucherung  ist  die  entzündliche  verschieden, 
da  sie  pathologische  Reize  als  Ursachen  und  neben  der  Wiederher- 
stellung der  Funktion  die  Entfernung,  Verarbeitung  und  Vernichtung  der 
wirkenden  Reize  zum  Ziele  hat.  Mit  dem  Aufhören  des  Reizes  hört  die 
entzündliche  Wucherung  auf,  die  regenerative  allein  geht  weiter,  wenn 
die  Funktion  noch  nicht  hergestellt  und  ihre  Herstellung  noch  möglich  ist. 

In  der  Art,  wie  die  meisten  Defektbildungen  zustande  kommen,  liegt 
es  begründet,  dass  Regeneration  und  entzündliche  Wucherung  stets  mit- 
einander verknüpft  sind. 

Bizzozero  hat  durch  seine  Schüler  Penzo  und  Morpurgo  den 
Einfluss  der  Innervation  und  der  Ernährung  experimentell  beim  Kaninchen 
untersuchen  lassen;  sie  kamen  zu  folgenden  Resultaten: 

1.  Auch  im  Zustande  höchster  Inanition  laufen  die  physiologischen  Mito- 
sen, wenn  auch  träger  als  normal,  und  ebenso  die  Regenerationsvorgänge  ab. 

2.  Die  gesteigerte  Blutzufuhr  bei  einseitiger  Sympathikuslähmung  ergab 
bei  gleich  grosser  Verletztmg  an  beiden  Ohren  ein  schnelleres  Wachstum 
des  blutüberfüllten. 

3.  Bei  einseitiger  Hyperämie  der  Ohren  durch  Erwärmung  ohne  Ver- 
letzung fand  sich  nur  eine  stärkere  Vermehrung  des  Epithels,  keine  Mitosen 
im  Knorpel-  oder  Bindegewebe. 

4.  Bei  jungen  wachsenden  Tieren  wuchs  das  erwärmte  Ohr  schneller 
als  das  kältere. 

5.  Bei  Kjiochenbrüchen  heilte  der  Knochen  der  erwärmten  Seite 
schneller,  als  an  der  kälteren. 

Also  kann  Hyperämie  keine  Wucherung  oder  Regeneration  erregen, 
wohl  aber  wachsende  und  regenerierende  Gewebe  in  ihrer  Thätigkeit  unter- 
stützen. Damit  stimmen  auch  die  Versuche  Durdufis  überein,  welcher  bei 
Durchschneidung   eines  Halssympathikus   beim    erwachsenen   Tiere  keine 

17* 


258  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Vergrösserung  des  Ohres  gegen  das  andere  beobachten  konnte,  wohl  aber 
bei  jungen  wachsenden  Tieren. 

Bizzozero  leugnet  die  Existenz  trophischer  Nerven  und  schliesst  mit 
den  Worten:  ,,Da,  wie  es  unsere  Experimente  ergeben,  nicht  angeht,  irgend 
eine  Proliferation  auf  Einflüsse  der  Cirkulation  oder  Innervation  zurück- 
zuführen, so  kann  man  auch  die  nach  Reizung  auftretende  Proliferatiou 
nicht  anders  erklären,  als  mit  der  Lehre  Virchows  als  Folge  eines  direkt 
auf  die  Gewebselemente  ausgeübten  Reizes."  (28). 

Von  der  Regeneration  ist  die  wahre  Hypertrophie,  die  Steigerung  des 
Wachstumes  der  Körperteile  über  das  normale  Mass  hinaus  durch  Anbildung 
einer  qualitativ  gleichen  Substanz,  überhaupt  nicht  scharf  zu  trennen.  Audi 
sie  beruht  auf  einer  gesteigerten  funktionellen  Thätigkeit,  verursacht  durcli 
Erhöhung  des  physiologischen  Reizes.  Sie  trägt  meist  einen  regenerativen 
oder  kompensatorischen  Charakter.  Je  grösser  das  Gewicht,  welches  der 
Muskel  haben  muss,  je  stärker  der  Widerstand,  den  die  Herzpumpe  oder 
die  Muskelpresse  des  Darmes  zu  überwinden  hat,  je  reichlicher  die  Massen, 
welche  das  Nierenfilter  zu  passieren  haben,  um  so  stärker  die  Hypertrophie 
der  betreffenden  Organe. 

Der  vermehrte  physiologische  Reiz  kann  schon  in  der  Keimesanlage 
gegeben  sein  und  sich  bei  der  Differenzierung  der  Funktionen  in  einer  an- 
geborenen oder  in  der  Wachstum speriode  auftretenden  Hypertrophie  einzelner 
Organe  äussern  (kongenitaler  Riesenwuchs). 

Der  Nachweis  der  Mitosen  Hess  eine  weitere  Frage  zur  Entscheidung 
kommen,  die  bei  den  einzelnen  Geweben  schon  mehrfach  berührt  worden 
ist,  ob  nämlich  bei  der  Regeneration  von  Geweben  die  regenerierenden 
Zellen  nur  von  den  restierenden  gleichen  Gewebselementen  oder  auch  von 
anderem  Gewebe,  oder  endlich  von  besonderen  indifferenten  sogen.  Keim- 
zellen gebildet  wurden.  Als  letztere  hatte  man  vor  allem  die  v.  Reckling- 
hausen sehen  Wanderzellen  angesehen. 

Die  Verhandlungen  auf  dem  X.  internationalen  Kongress  ergaben 
die  Übereinstimmung  der  Meinungen  darüber,  dass  eine  Gewebsneubildung 
aus  Leukocyten  nicht  positiv  bewiesen  werden  könne,  vielmehr  unwahrschein- 
lich sei.  Bezüglich  der  beiden  anderen  Punkte  neigte  die  Mehrzahl  zu  der 
Auffassung,  dass  jedes  neue  Gewebe  nur  aus  dem  ihm  gleichen  alten  Gewebe 
entstände.  So  kam  man  für  den  erwachsenen  Menschen  zu  dem  Schluss: 
omnis  cellula  e  cellula  ejusdem  generis  (Bard). 

Für  die  Beurteilung  der  Frage,  ob  eine  Gewebsart  eine  andere  bilden 
könnte,  ist  es,  wie  Hansemann  hervorhebt,  von  Wichtigkeit,  zweierlei 
Dinge  streng  auseinanderzuhalten,  die  eigentliche  Metaplasie  und  die  histo- 
logische Accommodation  (Virchow).  Mit  der  Metaplasie  ist  eine  wesent- 
Uche   Veränderung  der  Funktionen  der  Zelle  verbunden,   mit  der  histo- 


Regeneration  und  Hypertrophie.  259 

logischen  Accommodation,  der  Metatypie  v.  Reck lingh aus ens  nicht.  Ob 
eine  Epithelzelle  Hörn  produziert  oder  Schleim,  oder  ob  sie*  flimmert,  bleibt 
sich  gleich,  ihre  Funktion  dient  stets  zur  Abwehr  äusserer  Schädhchkeiten. 
Anders  aber,  wenn  sie  Gerüstsubstanz,  wie  eine  Bindegewebszelle,  produziert. 

„Da  somit  die  äussere  Zellform  in  der  einzelnen  Gewebsart  sehr 
wechseln  kann,  führt  Hansemann  aus,  so  giebt  sie  uns  keinen  Anhalt 
für  die  Frage  ihrer  Zugehörigkeit,  ebenso  nicht  die  Beschaffenheit  des 
Protoplasmas.  Nur  während  der  Teiluug,  wo  alle  funktionellen  und  nutri- 
tiven Thätigkeiten  unterdrückt  sind,  darf  man  auf  eine  möglichst  scharfe 
AusprägiHig  des  Charakters  schliessen,  und  man  wird  ihn  am  besten  an  der 
Form  der  Kernteilung  erkennen  können."  Die  Hansemannschen  Unter- 
suohimgen  führten,  wie  schon  oben  erwähnt,  zu  dem  Ergebnisse,  dass  sich 
bei  den  einzelnen  Gewebsarten  individuelle  Unterschiede  der  Karyokinese 
finden,  die  es  bei  genügender  Übung  gestatten,  die  einzelnen  Gewebsarten 
aii  der  Form  ihrer  Mitosen  zu  imterscheiden. 

Da  nim  bei  den  pathologischen  Regenerationen  ähnliche  Differenzen 
(in  den  sonst  ruhenden  Abkömmlingen  des  Bindegewebes  nachzuweisen 
waren,  so  sieht  Hansemann  darin  eine  weitere  Verstärkung  der  Ansicht, 
diws  alle  Zellarten  des  menschlichen  Körpers  differenziert  sind  und  niemals 
in  einander  übergeheu. 

„Die  Existenz  einer  echten  Metaplasie  ist  sehr  unwahrscheinlich  ge- 
worden ,  und  man  wird  immer  mehr  zu  der  Ansicht  gedrängt ,  dass  nicht 
nur  bei  den  Epithelien,  von  denen  man  schon  früher  eine  solche  Spezifi- 
zität  mehr  oder  weniger  annahm,  dieselbe  eine  absolute  ist,  sondern  dass 
auch  bei  den  Bindesubstanzen  die  echte  Metaplasie  fehlt.**  (79,  S.  36.) 
Wenn  Hansemann  aber  fortfährt :  „Ganz  unannehmbar  scheint  mir  die 
Ansicht  v.  Recklinghausens,  dass  in  den  Lungen  und  den  Nieren  aus 
denEpitheUen  der  Alveolen  oder  der  Bow  man  sehen  Kapsel  Bindegewebe 
entstehen  könnte,  oder  dass,  wie  Baumgarten  sagt,  die  Drüsen-  und 
Epithelzellen  sich  an  der  Bildung  der  Tuberkelzellen  beteihgen,  oder,  wie 
es  Ribbert  und  Schmidt  beschreiben,  aus  Endothelzellen  Lymphkörper- 
chen  entstehen",  so  fragt  es  sich  immer  noch,  ob  nicht  imter  solchen 
pathologischen  Verhältnissen  neben  den  Übergängen  zwischen  den- Zell- 
formen, die  als  nicht  charakteristisch  von  Hansemann  verworfen  werden, 
auch  Übergänge  zwischen  den  Mitosenformen  vorkommen.  Ein  starkes 
Variiren  derselben,  selbst  im  normalen  Gewebe,  giebt  Hansemann  selbst 
zu,  und  mir  dünkt  es  sehr  glaublich,  dass  eine  Endothelzelle  in  situ  eine 
andere  Mitose  zeigt  als  unter  den  vöUig  veränderten  physikaUschen  Ver- 
liältnissen,  wenn  sie  als  weisses  Blutkörperchen  frei  im  Strome  schwimmt. 
(Es  werden  daher  die  Untersuchungen  M.  B.  Schmidts   über  die  Blut- 


260  Allgexn.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

bildung  in  den  Leberkapillaren,  die  nach  Hansemanns  Theorie  auch  un- 
möglich wäre,  keineswegs  umgestossen). 

Die  Hansemann  sehen  Bemerkungen  zeigen,  dass  vereinzelte  For- 
scher keine  imbedingte  Spezifizität  der  Gewebe  annehmen,  sondern  auch 
echte  Metaplasie  zulassen.  Auch  Virchow  hält  noch  an  der  Erzeugung 
von  Bindegewebe  aus  Leukocyten  im  Thrombus  fest,  und  Arnold  schliesst 
seinen  letzten  diesbezügUchen  Aufsatz  mit  den  Worten: 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Erfahrungen  wies  ich  auf  die  Möglichkeit 
hin,  dass  die  „hämatogenen"  Wanderzellen  bei  der  Entwickelung  des  Gra- 
nulationsgewebes eine  bedeutungsvolle  Rolle,  wenn  auch  die  eines  provi- 
sorischen oder  gar  passageren  Bestandteiles,  spielen."  —  Es  würde  somit 
auch  in  dieser  Hinsicht  bezügUch  der  Befunde  an  den  Plättchen  und  an 
den  FremdkörperemboUs  sowie  bezüghch  deren  Deutung  eine  Überein- 
stimmung sich  ergeben  —  immer  unter  der  noch  zu  erweisenden  Vor- 
aussetzung, dass  in  beiden  Fällen  eine  Umwandlung  von  Leukocyten  und 
„hämatogenen'*  Wanderzellen  in  Fibroblasten  nicht  vorkommt  (2). 

Dem  gegenüber  betont  Bard  eine  ausgesprochene  Spezifizität  der 
Zellen,  und  die  Anhänger  der  Roux sehen  Lehi-e  von  der  Selbstdifferen- 
zierung der  Gewebe  halten  gleichfalls  einen  Umschlag  der  Zellarten  in  eiii- 
andei-  im  ausgebildeten  Körper  für  unmöglich  (Barfurth). 

In  den  letzten  Jahren  ist  nun  eine  alte  Theorie  von  Grawitz  neu 
aufgestellt  worden,  welche  die  Bildung  der  neuen  Gewebszellen  aus  der 
Grundsubstanz  hervorgehen  lässt,  die  Theorie  der  Schlummerzellen.  Wie 
wenig  die  thatsächlichen  Verhältnisse  einer  derartigen  Anschauung  ent- 
sprechen, und  wie  alle  bisherigen  Nachuntersuchungen  die  Unhaltbarkeit 
derselben  ergeben  haben,  wird  bei  den  entzündüchen  Wucherungen  näher 
zu  besprechen  sein.  Soweit  die  Arbeiten  seiner  Schüler  die  Regenerations- 
frage spezieller  berühren,  sind  sie  in  den  betreffenden  Abschnitten  erwähnt 
worden. 


2. 

Entzündliche  Neubildung. 

Von 

R.  Paltauf,  Wien. 


Litteratur. 

1.  Ziegler,  .Über  die  Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Gewebsneubildang*.  Ref.  am 
X.  intemat.  Eongress  zu  Berlin.  1890. 

2.  —  Über  die  Ursachen  der  pathologischen  Gewebsneubildungen.  Festschr.  f.  R. 
Virchow  (intemat.  Beitr.  II.)  1891. 

3.  ~  Historisches  und  Kritisches  ttber  die  Lehre  von  der  Entzündung.  Zieglers  Bei- 
träge. Bd.  12. 

4.  Marchand,  F.,  Referat  am  X.  intemat.  Kongresse  zu  Berlin.  1890. 

5.  —    Untersuchungen  über  die  Einheilung  von  Fremdkörpern.    Zieg Urs  Beitr.  Bd.  IV. 

6.  Nikoforoff,  Untersuchungen  über  den  Bau  und  die  Entwickelungsgeschichte  des 
Granulationsgewebes.    Zieglers  Beiträge.  Bd.  VIII. 

7.  Metschnikoff,  £.,  Vergleichende  Pathologie  der  Entzündung.  Festschrift  für  R. 
Virchow  (intemat.  Beiträge  IL  1)  1891. 

B.  Arnold,  J,  Altes  und  Neues  über  Wanderzcllen ,  insbesondere  deren  Herkunft  und 
Umwandlungen.    Virch.  Aroh.  Bd.  132.  S.  502. 

9.  Zahn,  Verhandlungen  des  X.  internst.  Kongresse  zu  Berlin.    Bd.  VI.  8.  90. 

10.  Reinke,  Fr.,   Über  Proliferation  und  Weiterentwickelung  der  Leukocyten.    Zieglers 

Beiträge.  Bd.  V.  S.  439. 
11   Eberth,  Kern-  und  Zellteilung  während  der  Entzündung  und  Regeneration.    Festschr. 

f.  B.  Virchow  (intemat.  Beiträge  U)  1891. 

12.  —    Schlummerzellen  und  Gewebsbildung.    Fortschritte  d.  Medizin.  1892.  Nr.  4. 

13.  Klemensiewicz,  R.,  Über  Entzündung  und  Eiterong.   Festschr.  f.  AI.  Roll  et  t.  1893. 
U.  Scherrington,  Ch.  C.   u.  Ballance,   Ch.  A.,  Über  die  Entstehung  des  Narbengo- 

webes,  das  Schicksal  der  Leukocyten  und  die  Stelle  der  Bindegewebskörperchen.   Ctbl. 
f.  allg.  Path.  u.  path.  Anat.  Bd.  I.  S.  697. 

10.  Ribbert,  Über  die  Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Neubildung  des  Bindegewebes. 
CtbL  f.  aUg.  Path.  und  path  Anat.  Bd.  I.  S.  667. 

16-  Baumgarten,  P.,  Die  Herkunft  der  in  den  Entzündungsherden  auftretenden  Lymph- 
körperchen  artigen  Elemente  (Lymphocyten).  Ctbl.  f.  allg.  Path.  u.  path.  Anat.  Bd.  I, 
S.  764. 


262  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

17.  Borrisov,  Über  die  chemotaktische  Wirkung  verschiedener  Sabstanzen  auf  amöboide 
Zellen  und  ihren  Einfluss  auf  die  Znsammensetzung  des  entzündlichen  Exudates.  Zieg- 
lers Beitr.  Bd.  16.  1894 

18.  Grawitz,  Über  die  Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Gewebsneubildung.  Ref.  am 
X.  intemat.  Kongresse  z.  Berlin  1890. 

19.  —  Über  die  schlummernden  Zellen  des  Bindegewebes  und  ihr  Verhalten  bei  pro- 
gressiven Ernährungsstörungen.  Vir  eh.  Arch.  Bd.  127.  S.  96;  femer  Aber  denselben 
Gregenstand : 

19a.  —    Atlas  der  patholog.  Gewebelehre.    Berlin  1893.  I 

19b.  Viering,  W.,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Regeneration  des  Sehnen-  I 

gewebes.    Virch.  Aroh.  Bd.  125.  i 

19c.  Schmidt,  H.,  Schlummernde  Zellen  im  normalen  und  pathologisch  veri&nderten  Fett-  | 

gewebe.    Virch.  Arch.  Bd.  128.  S.  51.  , 

19d.  Schleiffarth,   G.,   Über  die  Entzündung  der  serösen  Organbedeckungen.    Virch. 

Arch.  Bd.  129. 

20.  Hei  de  mann,  L.,  Beitrag  zur  flistogenese  der  Homhauttuberkel.  Inang.-Dissert. 
Greifswald  1894. 

21.  Heidemann,  W.,  Über  Entstehung  und  Bedeutung  der  kleinzelligen  Infiltration  bei 
Carcinomen.    Virch.  Arch.  Bd.  126.  S.  77. 

22.  Kruse,  Alf.,  Über  Entwickelung,  Bau  und  pathologische  Veränderungen  der  Horn- 
haut.   Virch.  Arch.  Bd.  128.  S.  251. 

23.  Weigert,  Die  vermeintlichen  Schlummerzellen  und  ihre  Beziehung  zu  den  Eiter- 
körperchen.    Deutsch,  med.  Wochenschr.  1892. 

24.  Marc  band,  F..  Zur  Kritik  der  Schlummerzellen-Lehre.  Fortschr.  d.  Med.  1894.  S.291. 

25.  Unna,  P.  G.,  Über  die  Plasmazellen  insbes.  bei  Lupus.  Monatshefte  f.  prakt.  Derma- 
tologie. Bd.  XU.  Nr.  7. 

26.  —  Über  die  Bedeutung  der  Plasmazellen  für  die  Genese  der  Geschwülste  der  Haut, 
der  Granulome  und  anderer  Hautkrankheiten.    Berliner  klin.  Wochenschr.  1892.  S.  1242. 

26a.  —    Idem.    Berliner  klin.  Wochenschr.  1893.  S.  222. 

27.  —  Die  Histopathologie  der  Hautkrankheiten.  Ergänzungsband  zu  Orths  Lehrbuch 
der  speziellen  patholog.  Anatomie.  1894. 

28.  Jadassohn,  Bemerkungen  zu  Unnas  Arbeit  über  seine  Plasmazellen.  Berlin,  klin. 
Wochenschr.  1893.  S.  222. 

29.  Marschalko,  Thomas  v. ,  Über  die  sogenannten  Plasmazellen,  ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  Herkunft  der  entzündl.  Infiltratzellen.    Arch.  f.  Dermatologie.  1895. 

30.  Unna,  P.  G.,  Über  Plasmazellen,  Anti kritisches  und  Methodologisches.  Monatsh.  f. 
prakt.  Dermat.  Bd.  20. 

31.  Paltauf,  R.,  Über  lymphatische  Neubildungen  der  Haut.  IL  Internat  Kongress  f. 
Dermatologie  u.  Syphilis  in  Wien.  1892. 

31a.  Lubarsch,  über  die  exudativen  Vorgänge  bei  der  Bildung  der  infektiösen  Granu- 
lationsgeschwülste.   Korrespondenzbl.  d.  meklenburg.  Ärztevereins.  1893. 

32.  Falk,  0.,  Über  die  exudativen  Vorgänge  bei  der  Tuberkelbildung.  Inaug.-Diss.  d. 
Univ.  Rostock  1895.    Virch.  Arch.  Bd.  139. 

33.  Ortner,  Die  Lungentuberkulose  als  Mischinfektion.    Wien  1893. 

34.  Franke  1,  A.  u.  Troje,  G.,  Über  die  pneumonische  Form  der  akuten  Lungentuber- 
kulose.   Zeitsch.  f.  klin.  Med.  1894. 

35.  Baum g arten,  P.,  Über  Tuberkel  und  Tuberkulose.  Zeitschr.  f.  klin. Medizin.  Bd.  11. 
1885. 

36.  Pawlowky,  Sur  Vhistoire  du  developement  et  du  mode  de  propagation  de  la  tuber- 
culose  des  articulations.    Annales  de  Tinstitut  Pasteur  1892. 

37.  Borrel,  A.,  Tuberculose  pulmonaire  exp^rimentale.«  Ann.  de  Tinstitut  Pasteur.  1893. 
S.  594. 

38.  —    Tuberkulose  exp^rimentale  de  rein.    Ann.  de  Tinstitut  Pasteur.  1894.  p.  65. 


Entzündliche  Neubildung.  263 

39.  Pawlowsky,  A.  u.  Maksutoff,  M.,  Snr  la  phagocytose  dans  ractinomysose.  Ann. 
d.  rinstitut  Pasteur.  1893.  p.  544. 

40.  Philippson,  L.,  Die  Histologie  der  akut  entstehenden  hyperämischen  (erythematösen) 
Flecke  der  Lepra  tnberosa.    Virch.  Arch.  Bd.  132.  S.  229. 

41.  Lie,  Zur  patholog.  Anatomie  der  Lepra.    Arch«  f.  Dermat.  u.  Syph.  1894. 

42.  Juffinger,  G.,  Das  Sklerom  d.  Schleimhaut.     Wien  1892. 

43.  Vincent,  M.,  Etüde  sur  le  parasite  du  ,pied  de  Madura*.  Ann.  de  Tinstitut  Pasteur. 
1894.  Nr.  3. 

44.  Metschnikoff,  E.,  Ober  die  phagocytäre  Rolle  der  Tuberkelriesenzellen.  Virchows 
Arch.  Bd.  113.  S.  63. 

45.  Meyer,  C,  Über  einen  Fall  von  Fremdkörperperitoni tis,  mit  Bildung  riesenzellenhaltiger 
Knötchen  durch  Einkapselung  von  Gholestearintafeln ,  nebst  Bemerkung  über  die  ver- 
schiedenen Riesenzellarten.    Inaug.-Diss.  Jena  1893  und  Zieglers  Beiträge.  Bd.  13. 

46.  Manasse,  P.,  über  Granulationsgoschwfllste  mit  Fremdkörperriesenzellen.  Virch. 
Arch.  Bd.  136.  S.  245. 

47.  Krfickmann,  E.,  Über  Fremdkörpertuberkulose  und  Fremdkörperriesenzellen.  Virch. 
Arch.  Bd.  138.  Supplementheft.  S.  118. 

48.  Hanau,  Ein  Fall  von  Ulcus  ventriculi  rot.  mit  geheilter  lokalisierter  Perforations- 
peritonitis.    Korrespondenzbl.  f.  Schweizer  Ärzte.  21.  Jahrg. 

49.  Arnold,  Über  die  Geschicke  der  Leukocyten  in  der  Fremdkörperembolie.  Virch. 
Arch.  Bd.  133. 

50.  Gold  mann,  E.,  Eine   ölhaltige  Dermoidcyste  mit  Riesenzellen.    Zieglers  Beiträge. 

Bd.  vn.  , 

Der  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  der  Verschiedenheit  der  farblosen 
Zellen  des  Blutes,  von  deren  wesentlichen  Bedeutung  für  die  entzündlichen 
Prozesse,  seien  sie  infektiöser  oder  chemisch -physikalisch -traumatischer 
Ursachen,  Cohnheim  uns  überzeugt  hatte,  musste  notwendig  zu  einer 
genaueren  Kenntnis  auch  der  die  entzündlichen  Zellinfiltrate  und  der  die 
im  Gefolge  der  Entzündung  auftretenden  Gewebsneubildungen  zusammen- 
setzenden Elemente  führen;  man  erkannte  ^uch  hier,  dass  „Rundzellen" 
und  ., Rundzellen**  durchaus  nicht  immer  dieselben  Gebilde  sind.  Diese 
Erkenntnis  führte  —  um  Unnas  ganz  treffende  Worte  zu  citieren  „zum 
Verschwinden  eines  Scheinbegriffes  (Rundzelle  —  Rundzelleninfiltration), 
der  viel  Unheil  angerichtet  hat  —  zuerst  Verlegenheitsausdruck,  wurde  er 
dann  zum  Deckmantel  für  viele  klaffende  Lücken  unseres  Wissens".  Die 
..Rundzelle"  war  aber  bereits  verschwunden,  jedenfalls  hatte  ihr  Verschwin- 
den bereits  begonnen,  bevor  Unna  seine  „Plasma" Zellen  kennen  lehrte, 
zu  deren  Bedeutung  er  obige  Worte  in  einem  für  die  63.  deutsche  Natur- 
forscherversammlung in  Nürnberg  bestimmten  Vortrage  gesprochen  hat; 
jetzt  wäre  allerdings  die  „Plasmazelle"  bald  geeignet  das  Erbe  anzutreten. 
Dazu  hat  noch  wesentlich  beigetragen,  dass  im  Laufe  des  letzten  Dezenniums 
die  Überzeugung  von  der  Spezifität  der  Zellen  und  Gewebe  zugenommen 
hat,  dass  man  erkannte,  dass  die  einmal  embryonal  differenzierten  Zellen 
nimmer  wieder  in  einen  solchen  Zustand  zurückkehren,  dass  Bezeichnungen 
wie  „embryonales  Gewebe''  für  ein  aus  jimgen,  neugebildeten  Zellen  zu- 
sammengesetztes Gewebe,   wie  es  namentlich  in  der  französischen  Histo- 


264  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

logie  gebräuchlich  war  (tissue  embryonaire)  unkorrekt  und  unstatthaft  sei; 
aber  vom  X.  internationalen  med.  Kongresse  konnte  Bard  in  einem  Vor- 
trage „la  specifit^  cellulaire  et  les  faits  anatomopathologiques"  noch,  wenn 
auch  bereits  schon  teilweise  verspätet,  sagen  „les  auteurs  confondent  les 
formes  jeunes  sous  le  nom  banal  de  tissue  embryonaire  sans  se  donner  la 
peine  de  rechercher  et  de  d^crire  leurs  differences'*.   — 

Auf  demselben  Kongresse  haben  auch  hervorragende  Pathologen  in 
gegenseitiger  Übereinstimmung  gewisse  Thatsachen  in  der  Zusammensetz- 
ung des  entzündlichen  Neubildungsgewebes  fixiert;  so,  dass  die  mehr 
kernigen  Leukocyten,  sowie  die  kleinen  einkernigen  Lymphocyten  aus  dem 
Blute  ausgetretene  Elemente  sind,  die  sich  an  der  Gewebsneubildung 
nicht  beteiligen,  nur  „präparatorische'  Arbeiten  erfüllen,  dass  die  jungen 
Gewebszellen  („Bildungszellen")  aber  von  den  freien  Gewebszellen  und 
ihren  Abkömmlingen  ausgehen,  wenn  sie  auch  den  anderen  einkernigen 
Leukocytenformen  ähnlich  sehen,  dass  somit  die  Gewebsneubildungen 
bei  den  Entzündungsprozessen  aus  der  Proliferation  der  Gewebszellen 
hervorgehen.  Ziegler  (1)  und  Marchand  (4)  erkannten  bei  aller  Ähn- 
lichkeit der  Bildungszellen  mit  den  grösseren  einkernigen  Leukocyten,  dass 
dieselben  sich  zumeist  durch  die  verschiedene  Beschaffenheit  des  Kernes 
(hell,  oval,  bläschenförmig)  häufig  aber  auch  des  Zellprotoplasmas  unter- 
scheiden lassen;  sie  sind  auch  amöboider  Bewegung  fähig,  nehmen  häufig 
kleine  Fremdkörper,  Leukocyten  mit  fragmentierten  Kernen  (Ziegler 
nach  Untersuchungen  Nikoforoffs  (6)  mit  Biondis  Farbengemisch)  und 
assimilieren  dieselben;  sie  haben  also  die  Bedeutung  von  kontraktilen 
Wanderzellen,  sind  aber  wesentlich  von  den  emigrierten  einkernigen  Leuko- 
cyten verschieden  und  von  letzteren  sowie  den  mehrkernigen  Leukocyten 
als  „Exsudatzellen"  zu  trennen.  Die  Bildungszellen  stammen  von  Binde- 
gewebszellen,  von  den  Endothehen  der  Gefässe  oder  der  serösen  Häute 
ab.  Während  Marchand  sich  ganz  absolut  dahin  ausspricht,  glaubte 
Ziegler  die  MögUchkeit,  dass  nicht  auch  (aus  dem  Blute  ausgetretene) 
mononukleäre  Zellen  sich  an  der  Narbenbildung  beteiligen,  nicht  absolut 
ausschliessen  zu  können,  wenn  er  auch  betont,  dass  in  dem  Umstand, 
dass  aus  Wanderzellen  neues  (iewebe  entsteht,  noch  nicht  der  Beweis  ge- 
Uefert  ist,  dass  Leukocyten  Gewebe  bilden  können  (da  die  Leukocytennatur 
jener  gewebsbildenden  Wanderzellen  eben  nicht  bewiesen  ist). 

Für  die  Umwandlung  von  Leukocyten  in  fixe  Bindegewebszellen  tritt 
aber  Metschnikoff  (7)  und  seine  Schüler  ein;  auch  Arnold  (8)  schliesst 
aus  seinen  Versuchen  (Einbringung  von  Markplättchen  und  Binsenröhrcben 
in  den  Lymphsack  des  Frosches),  dass  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  Be- 
teiligung fixer  Zellen  und  histogener  Wanderzellen  ausgeschlossen  ist,  ein- 
kernige imd  melu-kernige  Zellen  sich  finden,  die  nur  hämatogener  Abstam- 


Eotzflndliche  Neubildung.  265 

mung  sein  können,  und  sich  in  epitheloide,  spindelförmige  und  verästigte 
Zellen,  auch  Riesenzellen  umwandeln.  Als  auffällig  ist  hier  zu  bemerken, 
dass  Metschnikoff  sowohl  als  Arnold  ihre  Untersuchungen  an  Kalt- 
blütern gemacht  haben;  es  ist  die  Möglichkeit  nicht  abzuweisen  (Arnold), 
dass  zwischen  Wann-  und  Kaltblütern  eine  verschiedene  Widerstandsfähig- 
keit der  Zellen  besteht.  Zahn  (9)  konnte  im  Gegensatz  zu  Arnold  keine 
progressiven  Veränderungen  an  den  Leukocyten  der  Froschlymphe  kon- 
statieren, wohl  aber  regressive  Metamorphosen,  die  erst  nach  2  Monaten 
auftreten.  Reinke  (10),  der  die  Plättchenversuche  an  Meerschweinchen 
anstellte  und  durch  Umlagern  der  Plättchen  nach  24  Stunden  auf  ein 
anderes  Tier  den  Einfluss  des  Nachbargewebes  eliminierte,  dass  die  zu- 
nächst auftretenden  Leukocyten  entweder  untergehen,  oder  in  die  Lymph- 
gefässe  zurückkehren,  dass  erst  mit  der  Proliferation  des  Bindegewebes 
Wanderzellen  auftreten,  die  grössere  Lebensenergie  zeigen  und  weiterer 
Entwickelung  fähig  sein  dürften. 

Eberth  (11)  bestätigte  nach  Untersuchungen  an  der  Kornea  „die 
Beteiligung  der  Leukocyten  an  der  Gewebsneubildung  lässt  sich  leicht  ab- 
lehnen'', ebenso  fandKlemensiewicz  (13),  dass  die  Neubildimg  von  den 
Homhautkörperchen  ausgehe;  er  fand  zu  einer  gewissen  Epoche  zahlreiche 
Mitosen.  Zu  denselben  Anschauungen  über  die  ausschliesslich  von  den 
AbkömmUngen  der  fixen  Gewebszellen  ausgehende  Gewebsneubildung 
kamen  Charles  S.  Scherrington  und  Charl.  A.  Ballance  (14)  bei 
Wiederholung  der  Zie  gl  ersehen  Glasplättchen  versuche;  sie  nennen  die 
jungen  Gewebszellen  ,, Plasmazellen**.  Ribbert  (15)  wollte  mehr  aus 
theoretischer  Überlegung  als  auf  Grund  objektiver  Thatsachen  für  die 
kleinen  einkernigen  Lymphocyten  einen  Ursprung  aus  den  Bindegewebs- 
zellen annehmen,  wogegen  Baumgarten  (16)  auf  seinen  bei  den  Unter- 
suchungen über  die  Pathogenese  des  Tuberkels  gefundenen  Thatsachen 
besteht,  dass  die  lymphoiden  Elemente  bei  Abnahme  der  Karyokinese 
an  den  aus  den  fixen  Zellen  hervorgegangenen  Epitheloidzellen ,  in  den 
Tuberkel  aus  den  Gefässen  einwandern;  die  lymphoiden  Elemente,  als 
einer  weiteren  Entwickelung  auch  nach  Ribbert  nicht  fähig,  haben  mit 
dem  Aufbaue  des  Granulationsgewebes  nichts  zu  thun.  Baumgarten 
vermutet  in  der  verschiedenen  Alteration  der  Gefiisse  eine  Ursache,  warum 
bei  der  akuten  Entzündimg  vorwiegend  mehrkernige,  bei  chronischen  Ent- 
zündungen einkernige  Leukocyten  auswandern.  Dass  chemotaktische 
Qualitäten  nicht  imstande  sind  auf  die  eine  oder  die  andere  Zellart  einen 
bestimmten  stärkeren  Reiz  auszuüben,  zeigten  spätere  Versuche  Borrisows 
(17),  die  an  dieser  Stelle  Erwähnung  finden  sollen.  Er  untersuchte  die 
chemotaktische  Wirkung  verschiedener  chemischer  und  bakterieller  Sub- 
stanzen, indem  er   den  Zellinhalt  der  Röhrchen  nach   der  Kategorie   der 


266  AlJgQm.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

Zellen:  1.  polynukleare,  2.  mononukleare  Leukocyten,  3.  eosinophile  Zellen, 
4.  Gewebszellen,  5.  Übergangsformen  mit  Ehrlichs  Farbengemisch  unter- 
suchte. Dass  die  von  Grawitz  (18)  und  seinen  Schülern  wiederholt  vor- 
gebrachte Annahme,  dass  auch  jene  Rundzellen  (Leukocyten)  mit  gelapptem 
Kern  aus  den  Bindegewebszellen  und  ihren  Abkömmlingen  hervorgingen, 
keinerlei  Bestätigung^)  findet,  sei  nur  der  Vollständigkeit  wegen  angeführt. 

Über  die  Entwickelung  des  neugebildeten  Gewebes  aus  den  fixen 
Elementen  hat  man  sich  nicht  nur  bei  der  Abkapselung  der  Fremdkörj^er 
überzeugt;  Marchand  (5)  und  Ziegler  (2)  betonen,  dass  es  derselbe  Vor- 
gaug  ist  bei  der  Verwachsung  seröser  Membranen  oder  bei  der  Organisation 
des  Thrombus,  wo  ebenfalls  das  das  Exsudat  oder  die  thrombotische  Masse 
um-  und  durchwachsende  Gewebe  vom  Endothel  der  Gefässwand  und  ihren 
Gefässen,  respektive  der  serösen  Membran  abstammen.  In  diesem  Sinne 
finden  sich  in  den  neuen  Lehrbüchern  der  allgemeinen  Pathologie  von 
Ziegler,  Schmaus,  Thoma  nicht  nur  die  erwähnten  Vorgänge  und  der 
Aufbau  der  Wundgranulationen  sondern  auch  jener  spezifischen  entzündlichen 
Gewebsneubildungen  bei  der  Tuberkulose,  SyphiUs,  Lepra,  Aktinomykose 
dargestellt. 

Die  Theorie  Grawitzs  (19),  die  Zellen,  welche  in  einem  Entzündungs- 
herd vorkommen,  weder  der  proliferierenden  Thätigkeit  von  fixen  Gewebs- 
zellen noch  der  Emigration  aus  dem  Blute  zuzuschreiben,  sondern  von 
Gebilden,  welche  der,  scheinbar  zellfreien,  Intercellularsubstanz  angehören, 
abzuleiten,  die  aus  diesem  gewissermassen  „schlummernden"  unthätigen 
Zustand  erwachen,  indem  zunächst  ein  blasser  Kern,  der  anfänglich  ohne 
Chromatingchalt,  dann  erst  ein  Plasmasaum  sichtbar  wird  —  also  aus  un- 
sichtbaren Keimen,  ähnlich  wie  die  Zellentwickelung  aus  dem  einstigen 
Blastem,  diese  Theorie  trug  wohl  von  allem  Anfange  an  als  mit  unseren 
Anschauungen  über  Zellbilduug  ganz  unvereinbar  und  durch  keine  abso- 
lute objektive  Thatsache  gestützt,  den  Todeskeim  in  sich.  Um  ja  alle 
Emigrationsvorgänge  zu  negieren,  nmsste  das  fibrinöse  Exsudat  auf  der 
Oberfläche  seröser  Häute  (Pleuritis,  Peritonitis)  auf  umgewandelte  fibrilläre 
Intercellularsubstanz  zurückgeführt  werden  (Schleiffurth)  (20)*)  oder  die 
Entwickelung  von  Eiterzellen  aus  Epithelieu  acceptiert  werden  (Heide- 
mann  (21)).  Diese  Schlummerzellentheorie  wurde  allgemein,  so  von 
Weigert  (23),  Eberth  (12),  Marchand  (24)  zurückgewiesen.  Kiemen- 
sie wicz')  erhebt  gegen  Kruse  (22)  den  ganz  berechtigten  Vorwurf,  dass 


1)  Vergl.  u.   a.  Marchand,    zur    Hcrkanft   der   Eiterkörperchen.     Deutsch,  med. 
Wochenschrift  1892. 

2)  Vergl.  Atlas  der  path.  Gewebehre.    Taf.  XXIX. 

3)  1.  c.  12,  13. 


EntzüDdliche  Neabildong.  267 

er  die  Entwickelung  der  Zellen  aus  der  Grundsubstanz  nicht  ebenso  in 
der  überlebenden  Kornea  verfolgt  hat,  wie  man  der  Formveränderung  und 
Lokomotion  der  Wanderzellen  in  derselben  direkt  folgen  kann. 

Ein  neues  Element  unter  den  die  chronisch  entzündlichen  Infiltrate 
zusammensetzenden    Zellen ,    auch    des    Granulationsgewebes    spezifischer 
Ätiologie  führte  Unna (25)  in  der  „Plasma^-Zelle  ein;  ihre  Differenzierung 
von  den  anderen  Elementen   beruht  auf  der  Tinktion  des  Protoplasmas 
durch  Methylenblau  (Unnas  Methode:  poUchromes  Methylenblau,  Glyzerin- 
ätliermischung ,  resp.  neutrale  Orceinlösung),  und  zwar  färbt  sich  das  Gra- 
noplaama  elektiv;  Anhäufungen  der  Plasmazellen   bilden  Unnas  „Plas- 
mome";  diese  geben  nach  Unna  (26)  die  Basis  der  sogenannten  Granu- 
lome, wie  anderseits  die  an  Spongioplasma   reichen  Zellen  (Platten-  und 
Spinnenzellen)    die  Elemente   der   Spindelzellsarkome,  Fibrome,    Keloide, 
Narben  etc.  liefern.    In  seiner  ersten  diesbezüglichen  Arbeit  bezeichnete 
er  dieselben  als  einseitig  hypertrophierte  Bindegewebszellen,  mit  Abrundung 
der  Form,  die  rundUch,  oval,  auch  cubisch  erscheint,  mit  centralem  oder 
an  einem  Ende  der  Zelle  gelagerten  Kerne ;  sie  theilen  sich  zunächst  mit, 
später  ohne  Mitosenbildung,  daher  sind  Mitosen  an  ihnen  selten  zu  sehen 
und  entspricht  ihre  Anzahl  entfernt  nicht  der  der  Plasmatochterzellen. 
Sie  stammen  von  Bindegewebszellen  ab,  vorzugsweise  von  den  Perithelien 
der  Gefässe  und  finden  sich  in   grösster  Ausbreitung  und  Entwickelung 
beim  Lupus,  namentlich  besteht  der  diffuse  Lupus  seiner  Hauptsache  nach 
aus  unverändertem  tuberkulösem  Plasmom;  der  cirkumskripte  Lupus  aus 
degenerierten  Plasmomherden  —  unseren  „Tuberkeln^*  oder  besser  Miliar- 
tuberkeln.    Die  gemeinhin   als  Epitheloidzellen  bezeichneten  Gebilde   der- 
selben sind  nämlich  durch  „homogene  Schwellung"  veränderte  Plasmazellen, 
wodurch   sie    einen   breiteren  Protoplasmasaum   erhalten,  ihre   spezifische 
Körnung  schwindet,  und  sie  homogen  erscheinen ;  homogenisierte  Zellgruppen 
bilden  die  Riesenzellen  durch  Verschmelzung  der  Zellsubstanzen,  wobei 
neben  dem  degenerierten  Abschnitt  (homogenisierte  Zellgruppe)  ein  prolife- 
rierender Abschnitt  —  die  ringförmige  komprimierte  Umgebung,  das  ist  eine 
Gruppe  gleichmässig  partiell   homogenisierter  Zellen  mit   gut  tingiblen 
Kernen  entwickelt,  quasi  justaponiert  ist.    So  ist  das  Lupusknötchen  —  Tu- 
berkelknötchen  —  nach  Unna  ein  degenerierter  Plasmomherd,  dessen 
peripheren  (gemeinhin  Rundzellen)  wie  centralen  Elemente  (gemeinhin  Epi- 
theloidzellen) einerlei  Art,  Plasmazellen,  derselben  Abstammung  von  Binde- 
gewebszellen sind.   Bekanntlich  steht  diese  Auffassung  der  nach  den  Unter- 
suchungen Baumgartens  gangbarsten  entgegen,  nach  welcher  die  Epithe- 
loidzellen allein  aus  der  Proliferation  der  fixen  Gewebszellen  hervorgegangen 
sind,  während   die  peripheren  Rundzellen  hämatogenen  Ursprungs  sind, 
Unna  hat  seine  zunächst  am  Lupus  angestellten  Beobachtungen  ausführ- 


268  Allgem.  paibol.  Morphologie  uod  Physiologie. 

lieh  beschrieben;  in  seiner  Histopathologie  der  Hautkrankheiten 
(27)  hat  er  die  Rolle  der  Plasmazellen  bei  den  verschiedenen,  zur  Geschwulst- 
bildung neigenden  Entzündungen  der  Haut,  Neubildungen  etc.  eingehend 
festgestellt;  wenn  die  Plasmazellen  auch  in  der  allgemeinen  Histopatho- 
logie noch  nicht  näher  studiert  und  verfolgt  sind,  so  ist  ein  näheres  Ein- 
gehen auf  dieselben  bei  den  verschiedenen  Krankheiten  der  genannten 
Kategorie,  die  ja  ebenso  auch  an  den  anderen  Organen  und  nicht  nur  an 
der  Haut  sich  abspielen,  nöthig;  ausserdem  erfuhren  Unnas  Angaben 
Nachuntersuchungen,  die  zwar  die  tinktorielle  Differenzierung  gewisser 
Zellen  nach  Unna  im  entzündlichen  Neubildungsgewebe  bestätigen,  bezüg- 
lich der  Natur  derselben  aber  zu  wesentlich  verschiedenen  Resultaten 
geführt  haben. 

Folgen  wir  zunächst  Unna  in  seinen  Schilderungen  über  die  Zu- 
sammensetzung und  den  Aufbau  des  entzündlichen  Neubildungsgewebes, 
der  Granulationen,  ferner  der  spezifischen  Granulationsgewebe  bei  der 
leprösen,  syphilitischen,  skleromatösen  und  aktinomykootischen  Entzündung, 
wie  er  es  in  seiner  Histopathologie  der  Haut  darstellt. 

Das  Granulationsgewebe,  welches  den  Ersatz  bei  Defekten  und 
Kontinuitätstrennungen  der  Haut  bildet,  besteht  der  Hauptsache  nach  aus 
einer  Anhäufung  von  Plasmazellen  und  hypertrophischen  Spindelzellen, 
die  durch  eine  durchsichtige,  schwach  fibrilläre  Zwischensubstanz  zusammen- 
gehalten werden  und  von  senkrecht  zur  Oberfläche  aufsteigenden  Blut- 
kapillaren durchsetzt  werden.  Die  Plasmazellen  hegen  anfangs  dicht  bei- 
sammen, haben  eine  bedeutende  Grösse,  während  die  kleinen  Formen 
mit  feinem,  stark  tingiblem  Protoplasmarande,  wie  sie  namentlich  reichlich 
im  Lupus  vorkommen,  ganz  fehlen.  Die  Plasmazellen  liegen  namentlich 
um  die  Gefässe,  während  zwischen  den  Gefässsträngen  mehr  die  Spindel- 
zellen hervortreten.  Nach  der  Oberfläche  zu  gehen  an  den  Plasmazellen 
Veränderungen  vor:  teilweise  eine  Art  Abbröckelung,  so  dass  sie  unregel- 
mässig ausgenagte  Konturen  zeigen;  die  Abbröckelung  führt  endHch  zu 
nackten  Kernen  und  durch  Zerfall  dieser  zu  Kömerhaufen ;  daneben  geht 
auch  eine  Art  Auswaschung  des  Protoplasmas  einher,  wodurch  es  seine 
körnige  Beschaffenheit  verliert  und  das  leere  Netz  des  Spongioplasmas 
erscheint.  Anderseits  entwickeln  sie  sich  aber  zu  grossen  zweikemigen 
Zellen,  und  zu  kleinen  Chorioplasmen  mit  3  und  4  Kernen,  wie  Unna  sagt, 
„wahrscheinlich"  auf  mitotischem  Wege;  die  sichere  Entscheidung  des 
Vorganges  war  ihm  nicht  möglich,  da  die  vorhandenen  Mitosen  in  Zellen 
liegen,  die  der  rundlichen  Form  nach  Plasmazellen  sein  könnten,  nach 
dem  aber  grösstenteils  das  körnige  Protoplasma  fehlt ,  auch  Spindelzellen 
sein  könnten.     Ausserdem  fand  sich   eine  grosse  Anzahl  von  Übergangs- 


Entzfladlicbe  Neubildung.  269 

formen  von  Spindelzellen  zu  Plasmazellen,  die  in  grosser  Mehrzahl  durch 
diese  Umwandlung  und  nicht  durch  Teilung  der  alten  Plasmazellen  entstehen. 

Die  Spindelzellen  sind  in  jungen  Granulationen  spärlich,  doch  fehlen 
sie  nie,  sie  liefern  ja  auch  das  Hauptmaterial  zur  Bildung  neuer  Plasma- 
zellen ;  sie  zeigen  reichlieh  Mitosen  und  tragen  somit  sicher  zur  Vergrösse- 
rung  der  Granulationen  bei. 

Leukocyten  finden  sich  spärlich  und  nur  in  den  obersten  Schichten 
in  nennenswerter  Anzahl;  keinesfalls  tragen  sie  zum  Aufbaue  der  Granu- 
lationen bei,  denn  sie  verhalten  sich  völlig  inaktiv,  zerfallen,  soweit  sie 
nicht  zurückwandern.  Mastzellen  sind  nur  in  auffallend  geringer  Anzahl 
vorhanden. 

Für  die  Intercellularsubstanz  findet  Unna  aus  den  Resten  kollagener 
Substanz  Anhaltspunkte,  dass  dieselbe  in  den  jungen  Granulationen  zumeist 
durch  Verflüssigung  der  alten,  vieleicht  auch  Quellung  dui'ch  das  allge- 
meine Ödem  entstünde,  jedenfalls  sind  die  Ansätze  zur  Bildung  neuer 
Gerüstsubstanz  noch  schwach,  finden  sich  am  ehesten  noch  in  der  Um- 
gebung der  Blutgefässe.  Unna  hält  daher  die  junge  Granulationsschichte 
der  Hauptsache  nicht  für  neugebildetes,  sondern  für  umgewandeltes 
Kutisgewebe ;  eine  wirkliche  Zellneubildung  findet  nur  an  den  Gefässendo- 
Üielien  statt,  in  geringem  Masse  auch  an  den  hypertrophischen  Spindel- 
zellen. 

Diese  Auffassung  steht  jedenfalls  mit  Unnas  eigener  Beschreibung 
in  einem  unlösbaren  Widerspruch:  denn  die  grosse  Menge  der  Plasma- 
zellen, die  den  grössten  Teil  des  Zellreichtums  ausmachen,  da  die  Emi- 
grationsvorgänge nur  geringen  Grades  sind,  kann  unmöglich  aus  der 
Umwandlung  der  früher  vorhandenen  Spindelzellen  entstanden  sein,  schon 
aus  dem  nimoerischen  Missverhältnisse ;  bei  den  geringen  Proliferations- 
vorgängen  an  letzteren  können  sie  auch  nicht  alles  Substrat  z.ur  Umwand- 
lung in  die  vorhandenen  zahlreichen  Plasmazellen  geliefert  haben;  diese 
müssen  sich  also  vermehrt  haben  —  ingendwoher  muss  der  Zellreichtum 
stammen. 

Verdichtung  der  koUagenen  Platten,  Verödung  zahlreicher  Gefässe  durch 
Entarteriitis  und  Endophlebitis  obliterans  unter  Schwund  des  Elastins, 
Reduktion  des  Protoplasmas  der  Spindel-  und  Plattenzellen  leiten  die  Ent- 
wickelung  der  Narbe  ein. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  hier  unter  Plasmazellen  auch  die  epithe- 
loiden  Zellen  der  Autoren,  Jugendformen  neugebildeter  Bindegewebszellen 
(Fibroplasten)  gemeint  sind;  daher  die  Übergangsformen  von  Spindel- 
zellen zu  Plasmazellen  und  wieder  von  Plasmazellen  zu  Spindelzellen, 
immerhin  ist  es  aber  auffallend,  dass  die  Zellen  eine  so  ausschhesslich 
perivaskuläre  Lagerung  haben. 


270  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Die  ixlteren  Granulationen  sind  ausgezeichnet  durch  die  neu- 
gebildete koUagene  Substanz,  die  in  parallel  zur  Oberfläche  gerichteten 
Lagen  aufgeschichtet,  Spindel-  und  Plattenzellen  dazwischen  enthält;  über 
die  Entwickelung  des  kollagenen  Gewebes  ist  Unna  auch  zu  keiner  Ent- 
scheidung gekommen,  doch  vermutet  er  aus  gewissen  Lagerungsverhält- 
nissen und  der  Andeutung  feiner  Lamellen  in  den  im  allgemeinen  homo- 
genen Platten  mit  spindelförmigem  oder  keilförmigem  Querschnitt,  dass 
die  Plattenzellen  direkt  in  eine  lockere,  jüngere,  koUagene  Substanz  über- 
gehen, die  erst  vielleicht  das  Material  für  die  kollagenen  Platten  abgebe. 
Die  senkrecht  aufsteigenden  Blutgefässe  sind  von  einem  Mantel  von  grossen 
Plasmazellen  begleitet.  Während  auch  er  das  teilweise  Einlagern  perivas- 
kulärer Spindelzellen  zwischen  koUagene  Platten  beobachtet,  wo  solche  an 
die  Gefässe  angrenzen,  beobachtet  er  auch  Übergänge  der  hier  liegenden 
Spiudelzellen  zu  den  perivaskulären  Plasmazellen  und  zwar  solche,  die  für 
die  Umwandlung  der  letzteren  in  Spindelzellen  mit  langen  Ausläufern 
sprechen;  dunklere  Färbung  unterscheidet  sie  von  den  anderen  Spindel- 
zellen. Die  dichter  werdenden  Gefässwandungen  zeigen  feine  elastische 
Fasern,  die  Leukocyienauswanderung  ist  noch  spärlicher  als  im  jungen 
Stadium,  Mastzellen  jedoch  erscheinen  reichlicher  und  vollkommener  aus- 
gebildet. 

Wollen  wir  der  Beteiligung  der  Plasmazellen  bei  den  anderen 
„Granulations^geschwülsten  folgen,  nachdem  wir  das  Wesentlichste 
über  ihre  Bedeutung  und  hervorragende  Rolle  beim  Lupus,  wo  sie  das 
ganze  Granulationsgewebe  bilden,  alle  seine  verschiedenen  Zellfonnen 
infolge  verschiedener  Degenerationen  darstellen,  bereits  oben  kurz  ange- 
führt haben,  so  wäre  zunächst  ihre  Beteiligung  bei  den  luetischen 
Gewebsproduktionen  anzuführen.  Hier  konkurrieren  auch  die  Spindel- 
zellen, namentlich  deren  hypertrophische  Formen  die  „Spinnenzellen'' 
und  das  koUagene  Gewebe  bei  der  Neubildung,  oder  mit  den  Ausdrücken 
Unnas:  das  „Fibrom'*  und  „Plasmom'^  Ansammlung  von  Proto- 
plasmazellen innerhalb  der  Scheiden  der  Gefässe,  Anschwellung  der  kolla- 
genen Bündel  an  denselben,  grosse  Menge  von  zumeist  in  Reihen  zwischen 
den  Bindegewebsbalken  gestellten,  fast  ausnahmslos  kleinen  kubischen 
Plasmazellen,  durchzogen  von  einem  Netz  vergrösserter  Spindelzellen  mit 
zahlreichen  Mitosen  —  im  Gegensatz  zu  den  Plasmazellen,  deren  Ver- 
mehrung auf  amitotischem  Wege  erfolgen  soll  —  femer  von  Mastzellen 
in  massiger  Wucherung  bilden  die  Initialsklerose.  Die  Roseolen  zeigen 
Anhäufung  von  Plasmazellen  um  die  erweiterten  Gefässe,  namentlich  der 
Knäueldrüsen,  „ein  strangförmig  dem  Gefässbaum  folgendes  Granulom'', 
die  Papel  ein  die  Papillen  auftreibendes  und  die  Epithelleisten  verstrei- 
chendes Plasmom   mit  Riesenzellen,  aus  Verschmelzung  mehr  und  viel- 


Entzandliche  Neubildang.  273 

kerniger,  teilweise  homogenisierter  Plasmazellen  entstanden,  daneben  hyper- 
trophische Spindelzellen  und  fibrilläres  Gewebe  um  die  offenen  Lymphwege ; 
nur  bei  der  bullösen  Papel  der  Neugeborenen  fehlen  die  Plasmazellen ;  sie  ist 
aber  ausgezeichnet  durch  die  massenhafte  Leukocytose,  die  bei  der  anderen 
Form  fehlt  oder  höchst  unbedeutend  ist.  Das  Gumma  besteht  central  aus 
besonders  kleinen  Plasmazellen,  die  allmählich  degenerieren,  schliesslich 
zu  weissgelben  Herden  eintrocknen,  peripherisch  von  verdicktem  koUagenen 
(^webe  eingeschlossen  sind ;  bei  den  erweichenden  Gummaten  führt  die 
fortwährende  Erzeugung  von  Plasmazellen  zum  Schwunde  des  koUagenen 
Gewebes,  zum  Durchbruch  des  eiterähnlichen,  „in  flüssiger  Intercellular- 
:!ubstanz,  im  Gewebssaft  suspendierten  Zellbreies". 

Beim  Rhinosklerom  bilden  grosse  schöne  Plasmazellen  geradezu 
«iie  Grundlage  der  Geschwulst,  wie  Unna  sagt,  so  dass  das  Rhinosklerom 
als  Typus  eines  Plasmoms  aufzustellen  wäre,  daneben  wenig  Spindelzellen, 
namentlich  keine  grossen  angeschwollenen,  keine  Spinnenzellen,  ausserdem 
H\T)ertrophie  des  koUagenen  Gewebes,  auf  welcher  die  pathognomonische 
Härte  des  Rhinoskleroms  beruhen  soll.  Auch  bei  der  aktinomykotischen 
Geschwulst  bilden  Plasmazellen  die  Grundlage,  doch  bilden  sie  eine  relar 
tive  dünne  Lage  an  der  Peripherie,  da  sie  nach  innen  bald  degenerieren 
und  zwar  durch  eine  Art  KoUiquation  oder  durch  hyaline  Umwandlung; 
leutral  findet  sich  im  Eiterherd,  dessen  Leukocyten  ohne  entzündliche  Affek- 
tiou  der  Gefässe  infolge  chemotaktischen  Reizes  von  Seiten  des  PUzrestes 
^ich  ansammelten. 

Nach  Unna  ist  die  hypertrophische  Plasmazelle  ferner  die  Grundlage 
<Ier  leprösen  Neubildung;  dieselben  teUen  sich  amitotisch  und  bilden 
kleine  TochterzeUen,  oft  nur  von  der  Grösse  der  Leukocyten,  oder  sie 
erhalten  durch  Kemzerfall  mehrere  Kerne  und  können  zu  grossen  viel- 
kernigen  Chorioplaxen  heranwachsen,  zumeist  aber  schwindet  im  Kontakt 
mit  den  nach  Unna  bekanntlich  intercellular  gelagerten  Bacillenhaufen 
ibr  Protoplasma,  während  die  Kerne  sich  nur  aufhellen,  sonst  aber  erhal- 
ten bleiben;  diese  hegen  innig  der  baciUenhaltigen  Gloea  an  und  werden 
^  für  die  Kerne  einer  hydropisch  degenerierten  mit  Bacillen  erfüUten 
Zelle  gehalten;  die  Wucherung  betrifft  namentUch  das  Saftkanalsystem  der 
Haut,  bleibt  auf  die  bindegewebigen  Teile  beschränkt  und  erhält  ihr  weiteres 
Charakteristikum  durch  die  mächtige  Wucherung  der  Organismen  speziell 
auch  noch  durch  ihre  Verschleimung. 

Bei  der  Entwicklung  des  Rotzknotens  sind  Plamazellen  nicht 
Wteiligt. 

Reichlich  und  „schön"'  ausgebUdet  findet  sich  das  „Plasmom"  aber 
Wim  Ulcus  molle,  weniger  beim  Ulcus  serpiginosum. 

Ubarsch-Ost«rtag,  Ergebnisse  Abteil,  n.  18 


274  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Bei  der  Mycosis  fungoides  kommt  die  typische  Form  der  Plasma- 
zellen nirgends  recht  zur  Ausbildung  obwolil  sie  auch  das  Anfangstadium 
bildet;  Unna  findet  darin  das  hauptsächhchste  Kriterium  der  Mycosis 
fungoides  gegenüber  den  echten  Granulomen;  an  den  zahlreichen  vielge- 
staltigen, teils  der  Spindelform  sich  nähernden,  teils  aber  kugeligen  oder 
kubischen  Zellen  der  Mycosis  bestätigt  Unna  den  Befund  zahlreicher 
Mitosen,  welcher  im  Kontrast  zur  relativen  Seltenheit  derselben  in  den 
zellreichsten  Plasmomen  steht;  den  Grund  (!)  hierfür  findet  Unna  in  der 
mangelnden  Ausbildung  echter  Plasmazellen. 

Es  würde  zu  weit  führen,  auf  das  Vorkommen  der  Plasmazellen  bei 
der  Elephantiasis,  Akne  und  Erythema,  beim  Careinom  etc.  noch  einzugehen, 
erwähnt  sei  noch,  dass  sie  bei  gewissen,  namentlich  proliferativen  Neu- 
bildungen fehlen,  so  bei  Fibromen,  Keloiden,  Spindelzellsarkomen; 
beim  Rundzellensarkom  soll  auch  die  Plasmazelle  ein  vorübergehendes 
Anfangsstadium  bilden. 

Es  ist  schon  oben  angedeutet  worden,  dass  die  PI asmaz eilen  in 
der  allgemeinen  Histopathologie  noch  nicht  Eingang  gefxmden  haben; 
auch  Publikationen  auf  Unnas  ureigenstem  Gebiete,  der  Histopathologie 
der  Haut,  nehmen  von  denselben  wenig  Notiz.  Man  wird  nicht  fehlen, 
wenn  man  die  Ursache  für  dieses  ablehnende  Verhalten  der  Autoren  darin 
sucht,  das  Unnas  Beschreibungen  selbst  schon  Zweifel  in  seine  Deutung  aut- 
kommen lassen,  die  bei  der  Betrachtung  von  Präparaten  nur  noch  gesteigert 
werden.  Es  ist  auffallend,  dass  die  Plasmazellen  sich  so  häufig  finden,  ihr  reich- 
liches Vorkommensich  konstant  an  dieGefässe  hält,  dasssie  femerals  Abkömm- 
linge der  Bindegewebszellen  geschildert  werden,  wofür,  nebenbei  gesagt,  kehier- 
lei  Beweis  erbracht  ist,  auch  nicht  versucht  wird ;  dass  sie  keine  Mitosen  zeigen 
und  Unna  entweder  keine  Vermehrung  derselben  oder  eine  solche  auf 
amitotischem  Wege  annimmt,  ohne  übrigens  auch  diesbezüglich  Anhalts- 
punkte vorzubringen;  es  ist  ferner  auffallend,  dass  in  Unnas  Auffassung 
und  Schilderung  die  Emigrationsvorgänge  so  sehr  in  den  Hintergrund  treten. 

In  Granulationsgeweben  —  in  den  entzündlichen  Gewebsneubildungen 
finden  solche  immer  statt,  allerdings  in  verschiedener  In-  und  Extensitüt; 
Referent  (31)  hat  seinerzeit  bei  der  differenziellon  Betrachtung  des  Ge- 
webes der  Tumoren  bei  der  Mycosis  fungoides  sich  zum  Teil  wesent- 
lich von  dem  Abgang  aller  entzündlichen  Emigrationserscheinungon  be- 
stimmen lassen,  das  mykoside  Gewebe  aus  den  „Granulationsgeschwülsten'' 
auszuscheiden.  Ganz  besonders  sind  wir  aber  bei  den  tuberkulösen  Prozessen 
auch  denen  der  Haut,  beim  Lupus  und  beim  Skrophuloderma,  wo  aber  fa.<t 
alle  Zellen  „Plasmom*'  sind,  von  entzündlichen  Vorgängen  überzeugt. 
Unna  spricht  auch  hier  denselben  keine  Bedeutung  zu,  nur  bei  der  sero- 
fibrinösen   Entzündung  des   Lupus   infolge  der   Tuberkulininjektion    oder 


Entzündliche  Neubildung.  275 

auch  spontan  infolge  der  von  den  Bacillen  erzeugten  Stoffwechselprodukte 
(ebenso  beim  Skrophuloderma)  ist  eine  massige  Durchsetzung  des  Gewebes 
mit  Wanderzellen  zugegeben.  Erscheint  es  nun  auch  ganz  gerechtfeiiigt 
zwischen  den  produktiven  und  den  exsudativen  Vorgängen  bei  der  Histo- 
logie der  tuberkulösen  Prozesse  zu  unterscheiden,  so  ist  doch  Baumgartens 
Anschauung  von  der  Kombination  produktiver  und  exsudativer 
EütÄÜndungsprozesse  im  Tuberkel  die  im  allgemeinen  zutreffendste.  Lu- 
barsch(31a),  der  ebenfalls  den  tuberkulösen  Prozessen  eine  morpholgische 
Multiplizität  zuerkennt,  liess  in  einer  Inaugural-Dissertation  dieses  Ver- 
hältnis einer  neuerlichen  Untersuchung  unterziehen.  Die  Trennung,  Schei- 
dung der  tuberkulösen  Prozesse  in  rein  tuberkulöse  (granuläre)  und  ent- 
zündliche ist  eine  im  Laufe  der  Jahrzehnte  wiederholte  Erscheinung;  so 
lange  man  den  Tuberkelbacillus  nicht  kannte,  war  dies  verhältnismässig 
leicht;  jetzt  seit  durch  seine  Kenntnis  die  ätiologische  Einheit  erwiesen  ist, 
^\'urde  versucht  die  exsudativen  tuberkulösen  Prozesse  als  •Mischinfektionen 
hinzustellen  ( Ort n  er  (33),  als  ob  wir  nicht  täglich  ausgezeichnet  exsudative 
und  doch  rein  tuberkulöse  Prozesse  sähen   (Menningit.   basil.  tbc.    z.  B.). 

Falk  (32)  hat  nun  unter Lubarschs  Anleitung  verschiedene  Tuberkel 
und  tuberkulöse  Erkrankungen  auf  das  Vorhandensein  von  Fibrin  unter- 
sucht, (nach  der  W  ei  gert  sehen  Methode).  Er  konstatiert  solches  in  miliaren 
Tuberkeln,  sowol  interstitiellen,  als  in  Gefässwand-  und  echten  Alveolar- 
tuberkeln,  ferner  findet  er  fibrinöses  Exsudat  bei  Menningitis  tbc.  fibrinöse 
Netzwerke  in  Tuberkeln  des  Kleinhirns,  der  Pleura,  des  Peritoneums,  der 
Leber,  der  Haut,  ferner  bei  tuberkulöser  Gonitis,  bei  Tuben-,  Ovarial-, 
Hoden-  und  Nebenhodentuberkulosen,  fibrinöse  Netzwerke,  die  völlig  mit 
•len  in  Blutgefässen,  in  Lungenalveolen  beobachteten  übereinstimmten. 
Er  konstatierte  ferner,  dass  diese  fibrinösen  Netzwerke  wirklich  nur  der 
Thätigkeit  der  Tuberkelbacillen  und  nicht  der  anderer  Mikroorganismen 
zuzuschreiben  seien.  In  Übereinstimmung  mit  Fränkel  und  Troje  (34) 
hat  Falk  femor  zur  Evidenz  erwiesen,  dass  die  Ansicht  Ortners,  die 
exsudativen  Prozesse  in  tuberkulösen  Lungen  seien  auf  Mischinfektionen 
(Diploeoccus  lanceol,  Streptococcus  etc.)  zurückzuführen,  unhaltbar  sei. 
Falk  hat  aber  auch  in  anderen,  ja  allen  Organen  Fibrin,  also  das  Produkt 
eines  entzündlichen  Vorganges  gefunden,  ohne  Mischinfektion. 

Um  wieder  auf  die  Hauttuberkulose  und  die  Plasmazellen  zurück- 
kommen, §0  sei  aus  jener  Arbeit  Falks  noch  angeführt,  dass  er  in  einem 
im  Unterhautzellgewebe  gelegenen  grossen  Tuberkel,  und  in  mehreren 
kleinen  der  Umgebung  dichtes  Fibrinfasejwerk  nachgewiesen  hat;  er  fand 
femer  Tuberkel  gleichen  Fibringehalts  in  einer  tuberkulösen  Granulation 
und  in  einem  Lupusknötchen ,  hier  „besonders  deutlich  und  schön,  fein- 
Gdiges   Fibrin";    dass  auch   in  vorwiegend    produktiven   Tuberkeln   sich 

Ib* 


276  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Fibrinnetze  finden,  darf  nach  den  Untersuchungen  Hausers*)  nicht 
wundem,  da  Fibringerinnüngen(netze)  um  und  an  Zellen,  die  emigrierte 
oder  Bindegewebszellen  sein  können,  ohne  besondere  Zeichen  des  Zerfalles 
sich  entwickeln,  wohl  auch  die  fibrinoplastische  Substanz  nebst  der  fibino- 
genen  im  entzündlichen  Transsudate  enthalten  ist. 

Wie  bereits  oben  angeführt,  ist  man  über  die  Rundzellen  mit  einem 
Kern  ziemlich  allgemein  einig,  dass  sie  gewanderte  Elemente  sind,  die 
wohl  zumeist  auch  aus  dem  Blute  stammen;  Baumgarten  sowohl  als 
auch  die  Gegner,  Metschnikoff  und  seine  Schüler,  Borrel,  Pawlowsky, 
Kostenitsch  und  Wolkow  sind  einig  darüber,  dass  die  Rundzellen  an 
der  Peripherie  des  Tuberkels  eingewanderte  Zellen,  Lymphocyten  sind, 
nur  über  die  Abstammung  der  epitheloiden  Zellen  besteht  die  Divergenz, 
indem  Borrel  undPawlowsky  ihre  Entwickelung  aus  den  Lymphocyten 
für  zweifellos  halten,  und  nun  sollten  nach  Unna  diese  beiden  Zellarton 
gemeinsamer  Abstammung  aus  dem  Bindegewebe  sein,  wofür,  wie  er- 
wähnt gar  kein  objektiver  Beweis  gebracht  wird ;  es  erscheint  daher  ziem- 
lich natüriich,  dass  bei  solchen  Widersprüchen  Unnas  Lehre  von  den 
Plasmazellen  wenig  Anklang  gefunden  hat. 

So  fand  denn  auch  Unna  zunächst  beim  Lupus,  an  dessen  Gewebe 
er  seine  „Plasmom'^bildung  zuerst  darlegte,  Widerspruch.  Jadassohn  (28) 
bestritt  entschiedenst  die  Identität  der  Epitheloidzellen  mit  den  „Plasma- 
zellen**; sowohl  die  morphologischen  als  tinktoriellen  Verhältnisse  lassen 
beide  Zellarten  grundverschieden  erscheinen  und  felüen  bei  der  entgegen- 
gesetzten Lagerung  derselben  um  so  bemerkenswerter  jeghche  Übergangs- 
formen. Eingehend  wurden  nun  Unnas  Plasmazellen  von  Marschalko  (20) 
studiert  und  zwar  sowohl  experimentell  als  bei  verschiedenen  Hauter- 
krankungen. 

Marschalko  bestätigt  und  das  erscheint  sehr  wichtig  für  alle  folgenden 
Angaben,  dass  es  möglich  ist,  eine  gewisse  Zellgruppe,  die  die  in  Unnas 
erster  Arbeit  bezeichneten  morphologischen  und  tinktoriellen  Eigenschaften 
besitzt,  von  der  grossen  Reihe  anderer  zeUiger  Elemente  im  entzündlichen 
Gewebe  abzusondern  und  als  eigene  Zellart  mit  einem  besonderen  Namen 
zu  bezeichnen.  Sie  zeichnen  sich  tinktoriell  dadurch  aus,  dass  ihr  Protoplasma 
starke  Affinität  zum  Methylenblau  besitzt;  zur  Darstellung  derselben  genü^ 
in  Übereinstimmung  mit  Jadassohn^)  die  Entfärbung  der  nach  Alkohol- 
härtung mit  oder  ohne  vorausgegangener  Fixierung  im  Sublimat  gewonne- 
nen, mit  alkahschem  Methylenblau  oder  Thionin  überfärbten  Schnitte  in 
angesäuertem  Wasser,  Entwässerung  in  absolutem  Alkohol  etc.    Zumeist  ein- 


1)  Pathologische  Fibringerinnung.    Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Medizin.  Bd.  50.  1892. 

2)  1.  c. 


Entzaudliche  Neubildang.  277 

kernig  besitzen  dieselben  runde  oder  ovale  Form,  nehmen  aber,  wo  sie  in 
grossen  Haufen  liegen,  eine  mehr  kubische,  polygonale  oder  längliche 
Form  an.  Ein  besonders  wichtiges  Merkmal  der  Plasmazellen  ist  aber  die 
häufig  excentrische  Lage  .  des  Kernes  und  die  eigentümliche  Verteilung 
des  Protoplasmas,  indem  dasselbe,  wie  an  den  Rand  der  Zelle  gezogen, 
die  Peripherie  stets  am  stärksten  gefärbt  erscheinen  lässt,  während  in  der 
JCtte  des  Zellleibes  ein  heller  Hof  entsteht;  das  Zellprotoplasma  erscheint 
ferner  häufig  wie  zusammengeballt  und  zerfetzt. 

Man  muss  Marschalko  nur  Recht  geben,  wenn  er  an  diesen  cha- 
rakteristischen Eigenschaften,  die  wirklich  eine  Differenzierung  einer  be- 
stimmten Zellart  gestatten,  festhält  und  Unna  nicht  auf  die  Annahmen 
verschiedenster  Modifikationen  derselben  folgt,  wodurch  ihre  Charakteristik 
verwischt  und  wieder  verschiedene  Zellen  zusammengefasst  werden.  Hält 
man  sich  an  die  genannten  Eigentümlichkeiten,  so  lässt  sich  in  Über- 
einstimmung mit  Jadassohn  unschwer  feststellen,  dass  die  „Plasmazelle'* 
Unnas  nicht  identisch  ist  mit  der  von  Waldeyer  so  bezeichneten  Zell- 
form, die  ja  besonders  ausgezeichnet  ist,  durch  die  „grobkörnige"  Be- 
schaffenheit des  Protoplasmas  (Granulation  im  Sinne  Ehrlich s),  welche 
den  Zellen  Unnas  fehlt. 

Marschalko  schlägt  daher  einen  andern  Namen  für  diese  Zellform 
vor  und  würde  mit  Bezug  auf  die  eigenartige  Struktur  des  Protoplasmas 
die  Bezeichnung  „Krümmelzellen"  geeignet  finden. 

Dass  diese  Plasmazellen  mit  den  Waldeyer  sehen  definitiv  nichts 
Gemeinsames  haben,  geht  endlich  aus  ihrer  Natur  und  Abstammung  her- 
vor, über  welche  Marschalko  eingehende  Untersuchungen  geführt  hat. 
Dieselben  führten  zu  dem  Resultate,  dass  die  Plasmazellen  Unnas  Lym- 
phe cyten  oder  Abkömmlinge  von  Lymphocyten  sind.  Die  Untersuchungen 
wurden  an  künstlich  erzeugten  Entzündungsherden  der  Leber  bei  Kanin- 
chen (Injektion  von  1 — 2  Tropfen  Karbolsäure)  und  des  Unterhautgewebes 
(Einbringen  kleiner  Stückchen  von  Drainrohren)  bei  Hunden  angestellt. 
Bei  der  Leberätzung  treten,  bevor  noch  eine  Proliferation  der  fixen  Bindegewebs- 
zellen statt  hat,  oder  gewiss  zur  Masse  der  zelligen  Elemente  nicht  in 
Betracht  kommt,  im  Ätzherde  und  in  seiner  Umgebung,  insbesondere  um 
die  grösseren  Gefässe  Infiltrate  von  Zellen  auf,  die  zumeist  aus  polynu- 
kleären,  dann  aber  auch  mononukleären  Leukocyten  bestehn,  die  nach  allen 
ihren  Eigenschaften  nur  Lymphocyten  sein  können;  unter  ihnen  treten 
bereits  nach  24  Stunden  die  „Plasmazellen''  in  solcher  Menge  auf,  dass  sie 
unmöglich  aus  den  fixen  Bindegewebszellen,  wenigstens  auf  mitotischem 
Wege  hervorgegangen  sein  können.  Man  findet  auch  später  keinerlei 
Übergänge  von  Bindegewebszellen  zu  Plasmazellen,  wohl  aber  vom  ersten 
Beginne  an  einen  solchen  von  Lymphocyten  zu  Plasmazellen ;  die  Lympho- 


278  AlJgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

cyten  finden  sich  in  den  Gefässen  und  zunächst  um  dieselben,  etwas  peri- 
pher treten  die  Plasmazellen  und  die  Zwischenformen  auf,  welche  Unna 
als  „Tochterplasmazellen"  beschreibt.  Auch  die  Biondische  Färbung  spricht 
für  die  Leukocytennatur  der  Plasmazellen.  Die  Masse  der  poljmukleären 
Zellen  nimmt  bereits  vom  2.  Tage  an  rasch  ab,  während  die  Menge  der 
mononukleären  Leukocyten,  hauptsächlich  der  Lymphocyten  und  der  Plas- 
mazellen zunimmt,  so  dass  vom  4.  Tage  nach  der  Ätzung  das  entzündhche 
Infiltrat  um  die  Gefässe  hauptsächlich  aus  den  „Krümel-"  oder  „Plasma- 
zellen" besteht. 

Die  vom  2.  Tag  an  bemerkbare  Proliferation  der  Bindegewebszellen 
nimmt  zu  und  das  junge  fibrilläre  Bindegewebe  um  die  Gefässe  mit  zahl- 
reichen jungen  Spindelzellen  hat  am  7.  Tage  an  Ausdehnung  beträchtüch 
zugenommen,  während  das   entzündliche  Infiltrat   abgenommen  hat;   die 
Plasmazellen  werden  spärlich,  zeigen  eine  veränderte  Fonn  und  Tinktion 
Übergangsformen  zu  Bindegewebszellen,  von  welchen   Marschalko  es 
unentschieden  lässt,  ob  sie  durch  den  Druck  der  fortschreitenden  Binde- 
gewebsneubildung  hervorgerufene  Degenerationsformen  oder  wirkliche  Über- 
gangsformen sind,  wofür  allerdings  das  Auftreten  von  Plasmazellen  mit  2 
und  3  Kernen  sprechen  würde.   Anderseits  ist  zu  bemerken,  dass  bei  diesen 
Ätzversuchen   noch   nach   24  Tagen  zwischen   den  jungen   Bindegewebs- 
bündeln  um  die  Gefässe  herum  teils  allein,  teils  mit  Lymphoc}i;en  unter- 
mengt, wohlerhaltene  „Plasmazellen"  in  nicht  geringer  Zahl  sich  finden, 
während  bei  der  anderen  Versuchsreihe  aseptische  Einheilung  von  Draiu- 
rohrstückchen  im  Unterhautzellgewebe  des  Hundes  neben  lebhafter  Biude- 
gewebswucherung  fast  gar  keine   Leukocyten  vorkommen   und  „Plasma- 
zellen" vollkommen  fehlen,  selbst  bei  den  erst  untersuchten  Präparaten, 
nach  5  Tagen  entnommen.     Anderseits   fanden  dieselben  sich  wieder  bei 
einem  Versuche,  wo  die  aseptische  Einheilung  nicht  gelang,  sondern  eine 
eitrige  Entzündung   eingetreten  war,  in  den  Granulationen  nach  24  und 
48  Stunden  zunächst  spärlich,  die  Übergangsformen  aus  Lymphocyten  aber 
reichlich,  um  in  den  folgenden  Tagen  in  umgekehrten  Mengenverhältni.ssen 
vorzukommen.     Wichtig  zu  bemerken  wäre  auch  hier,   dass  in  den  Prä- 
paraten nach  48  Stunden  trotz  spärlicher  Plasmazellen  eine  ziemlich  leb- 
hafte Bindegewebswucherung  sich  eingestellt  hatte. 

Zur  vöUigen  Evidenz  gelangt  aber  die  Abstammung  der  „Plasmazellen** 
aus  Lymphocyten  bei  der  Untersuchung  der  Milz  und  der  Lymphdrüsen 
vom  Menschen  und  von  Tieren.  Beim  Menschen  und  beim  Kaninchen 
„finden  sich  in  sehr  grosser  Anzahl  solche  Zellen,  die  sich  von  den  „Plasma- 
zellen" morphologisch  gar  nicht,  tinktoriell  aber  nur  insofern  unterscheiden, 
dass  sich  ihr  Protoplasma  mit  Methylenblau  um  einen  Gedanken  blässer 
färbt,  als  man  das  bei  den  letzteren   gewöhnlich  sieht;  in  der  ganz  nor- 


Entzündliche  Neubildung.  279 

malen  Milz  sowohl  der  weissen  Mäuse,  wie  auch  der  weissen  Ratten  exi- 
stieren ganz  massenhaft  solche  Zellen,  die  von  den  Plasmazellen  sich  weder 
morphologisch  noch  tinktoriell  unterscheiden  lassen". 

Bei  künstlicher  Leukocytose  (durch  Tuberkuüninjektion)  finden  sich 
überall  in  der  Milzpulpa  beim  Kaninchen  schön  gefärbte  Plasmazellen,  sie 
finden  sich  aber  reichlich  auch  in  den  hyperämischen  Blutgefässen,  eine 
Thatsache  die  für  die  leukocytäre  Natur  der  Gebilde  an  sich,  für  ihre  Ab- 
stammung aus  ausgewanderten  Lymphocyten  bei  den  entzündlichen  Pro- 
zessen sehr  bemerkenswert,  ja  beweisend  ist. 

Mit  der  leukocytären  Natur  der  „Plasmazellen**  wird  auch  Unnas 
„Plasmom'^  hinfällig.  Marschalkos  Untersuchungen  bestätigen  unsere 
bisherigen  Auffassungen  über  die  Histogenese  der  infektiösen  Granula- 
tionsgeschwülste. 

In  Übereinstimmung  mit  Jadassohn  sind  die  als  „epitheloid'*  be- 
zeichnete Zellen,  entgegen  der  Behauptung  Unnas  von  den  „Plasma- 
zellen" grundverschieden.  Wohl  aber  ist  das  gesamte  entzündliche  Infil- 
trat, welches  die  eigentliche  tuberkulöse,  aus  epitheloiden  und  Riesen- 
zelien  bestehende  Neubildung  umschliesst,  in  Übereinstimmung  mit  Baum- 
garten, Kostenitsch  und  Wolkow,  ebenso  Borrel  fast  ausschliesslich 
aus  Lymphocyten  und  „Plasmazellen"  zusammengesetzt. 

In  der  syphilitischen  Initialsklerose  begegnen  sich  die  Untersuchungen 
Marschalkos  und  Unnas,  indem  Marschalk o  auch  entsprechend  einer 
älteren  Beobachtung  Neissers  die  Hypertrophie  der  Bindegewebszellen 
betont,  überhaupt  in  der  Sklerose  das  beste  Beispiel  für  die  allen  infek- 
tiösen Granulationsgeschwülsten  gemeinsame  Eigentümlichkeit,  ein  Misch - 
Produkt  von  Bindegewebszellen  und  Lymphocyten  resp.  die  Abkömm- 
linge und  Modifikationen  derselben  zu  sein,  findet.  Auch  bei  der  Lepra, 
dem  Rhinoscecrom  begegnen  sich  die  objektiven  Befunde  Beider,  nur  ist 
die  Deutung  verschieden,  indem  Marschalko  die  Plasmazellen  allenthalben 
mit  Lymphocyten,  als  ihren  Mutterzellen  nachweist. 

Somit  ist  es  Unnas  Verdienst  in  der  ,, Rundzellinfiltration''  auf 
eine  besondere  Art  von  Zellen  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  die  in  allen 
entzündlichen  Neubildungen  wenigstens  der  Haut  wiederkehrt,  wenn  er 
ihr  auch.eine  allem  Anscheine  nach  unrichtige  Rolle  zugesprochen  hat. 


1)  Unna  (BO)  hat  allerdings  in  einer  Entgegnung  versucht,  Marschalkos  Resultate 
Als  teils  bei  einer  anderen  Methode  gewonnen,  daher  inkorrekt,  teils  von  Beobachtungen 
beim  Tiere  stammend  und  daher  nicht  für  die  Verhältnisse  beim  Menschen  beweisend  hin- 
zustellen. Die  Untersuchungen  Marschalkos  förderten  die  Kenntnis  derselben  wesent- 
lich, indem  sie  diese  Zellart  nicht  nur  bestätigten,  sondern  auch  in  Einklang  bringen  mit 
den  bisherigen  Untersuchungen  über  die  Zusammensetzung  der  entzündlichen  Ge websneu- 
büduDg  im  Sinne  Baumgartens. 


280  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Über  die  Histogenese  einzelner  Granulationsgeschwülste  sowie  über 
charakteristische  Veränderungen  (Degeneration)  in  denselben,  seien  noch 
einige  Arbeiten  angeführt. 

Eine,  allerdings  indirekte,  Bestätigung  Baum  garten  s  lieferte  Heyd  e- 
mann;  auch  er  konstatiert  bei  der  Entwicklung  der  Homhauttuberkel, 
die  Umbildung  der  Hornhautzellen  zu  epitheloiden  Zellen;  doch  hat  er 
Mitosen  fast  gänzlich  vermisst,  wenn  er  central  in  die  Hornhaut  Bacillen 
impfte,  entgegen  der  Beobachtung  Baumgartens  bei  peripherischer  Im- 
pfung tuberkulösen  Gewebes;  nach  Eröffnung  der  vorderen  Augenkammer 
hier  wirke  der  Reiz  des  toten  Gewebsstückes,  vielleicht  auch  eingeführter 
Entzündungserreger,  so  dass  eine  reichere  Vermehrung  durch  mitotische 
Teilung  angeregt  werde.  Heydemann  fand  keine  Leukocyteneinwande- 
rung,  und  erklärt  die  Vermehrung  der  Hornhautkörperchen  im  Sinne  der 
Theorie  Grawitzs. 

Bekanntlich  wird  die  Histogenese  des  Tuberkels  nach  Baumgarten 
von  Metschnikoff  und  seinen  Schülern  bestritten,  welche  den  Leukocyten 
imd  zwar  den  Lymphocyten  die  Fähigkeit  zuschreiben,  progressive  Ver- 
änderungen einzugehen,  und  sich  zu  jenen  sogenannten  epitheloiden  Zel- 
len umzuwandeln.  Pawlo  wsky  (36)  kam  bei  der  Untersuchung  der  experi- 
mentellen Gelenkstuberkulose  zur  Überzeugung,  dass  ausser  den  fixen  Ge- 
webszellen auch  Leukocyten  Epitheloidzellen  bilden.  Borrel  (37)  findet 
überhaupt  in  den  Lymphocyten  die  einzigen  Elemente,  welche  die  tuber- 
kulösen Prozesse  bilden,  nicht  nur  die  epitheloiden  Zellen  der  Lymphgefäss- 
Tuberkel  und  der  perivaskulären  Tuberkel,  sondern  auch  die  die  Alveolen 
erfüllenden  Elemente,  welche  sonst  allgemein  als  epithelialer  Herkunft 
(Alveolar-Epitliel)  gelten,  so  dass  er  zum  Schlüsse  kommt  „la  cellule  tuber- 
culeuse  est  toujours  une  cellule  lymphatique".  Eine  Bestätigung 
findet  er  in  der  Verfolgung  der  Frage  ausser  an  der  experimentellen  Lun- 
gentuberkulose aush  bei  der  Nierentuberkulose  (38). 

Pawlowsky  und  Maksutoff  (39)  finden  diese  Anschauungen 
auch  bei  der  Aklinomykose  bestätigt;  nach  ihnen  stammen  die  epitheloi- 
den Zellen  des  aktinomykotischen  Granulationsgewebes  von  den  mononuk- 
leären  Leukocyten  (Macrophagen) ,  die  sich  zur  Abwehr  gegen  die  im 
Kampfe  mit  den  Zellen  frei  gewordenen  Pilze  entwickeln;  erst  wenn  diese 
Epitheloid-Zellen  degenerieren  (fettig)-,  stellt  sich  Eiterung  ein. 

Anderseits  hat  für  die  Entwickelung  des  leprösen  Gewebes  Philipp- 
son  (40)  den  Nachweis  geliefert,  dass  Neubildung  von  Endothehen  und  Binde- 
gewebszellen als  die  primäre  Wirkung  der  im  Lumen  der  papillären  mid 
subpapillaren  Kapillaren  embolisierten  Bacillen  auf  das  Gewebe  aufzufassen 
sind,  während  die  Leukocyten  auffällig  wenig  im  histologischen  Bilde  her- 


£ntzflndlicbe  Neubildung.  281 

vortreten.  An  die  Vermehrung  der  Elemente  schliesst  sieh  Hyperplasie 
der  Bindegewebszellen ;  während  aber  die  bacillenhaltige  Endothelzelle  sich 
anscheinend  nicht  verändert,  verfällt  das  Protoplasma  der  Bindegewebs- 
zelle derfettigenDegeneration,  die  um  die  Bacillenhäuf chen im  Proto- 
plasma zunächst  auftritt;  die  zweite  Veränderung  ist  eine  kugelige  Lücken- 
bildung des  Protoplasmas  um  die  Bacillen,  wahrscheinlich  eine  Verflüssigung 
des  Protoplasmas. 

Auch  Lie  (40)  bestätigt,  dass  die  Gewebsneubildungen  in  dem  leprösen 
Prozesse,  sowie  in  den  tuberkulösen,  sowohl  durch  Wucherung  der  fixen 
(jewebszellen  als  durch  Auswanderung  der  farblosen  Blutkörperchen  ent- 
stehen; die  Reaktion  des  Gewebes  kontrastiert  zum  Bacillenreichtura;  erst 
wenn  mehrere  Zellen  invadiert  sind,  gelang  es  Kernteilungsfiguren  zu  finden 
und  spärliche  ausgewanderte  Leukocyten  zu  beobachten;  auch  Lie  kon- 
statiert die  Vergrösserung  der  bacillenhaltigen  Zellen;  als  charakteristisch 
bezeichnet  er  die  Vakuolenbildung. 

An  jungen  skleromatösen  Schleimhautinfiltraten  fand  ferner  Juf- 
finger  (42)  die  Sklerombacillen  in  den  Granulationszellen  und  bei  ganz 
jungen  Stadien  glaubt  er  bei  der  geringen  Zellvermehrung  die  vorhandenen 
Mikulicz  sehen  Zellen  auf  durch  die  Bacilleninvasion  veränderte  Bindege- 
webszellen beziehen  zu  können.  Mitosen  fanden  sich  an  Gefässwandzellen 
ihrer  nächsten  Umgebung,  in  kleineren  Granulationszellen.  Aus  diesen 
entwickeln  sich  mit  der  Zunahme  der  Bacillen  jene  grossen  charakteristischen 
Masigen  Zellen  Mikulicz^);  wenn  einzelne  Bacillen  nur  in  einer  Zelle 
sind,  so  bemerkt  man  bereits  einen  hellen  Hof,  diese  vergrössern  sich  mit 
der  Zunahme  der  Bacillen  zu  immer  grösseren  Bläschen.  Wie  aus  früheren 
Arbeiten  bekannt  und  Referent  aus  eigenen  Untersuchungen  ebenfalls  ver- 
mutet, gehen  die  für  das  Skleromgewebe  in  zweiter  Linie  charakteristischen 
hyalinen  Kugelbildungen  in  den  Zellen  aus  abgestorbenen  Bacillen  und 
j^Ichen  Bläschenbildungen  hervor. 

Pawlowsky,  der  dies  seiner  Zeit  konstatierte,  hält  auch  die  Hyalin- 
kugeln,  die  sich  im  aktinomykotischen  Gewebe  finden,  bald  grössere  und 
^<^nige,  bald  kleinere  und  zahlreichere,  für  Degenerationsprodukte  aufge- 
nommener und  eingeschlossener  Pilzfäden. 

Um  nicht  den  übersichtlichen  Zusammenhang  in  der  Darstellung 
tnnas  BKstologie  der  Granulationsgeschwülste  zu  verlieren,  wurde  es  unter- 


0  Marse halko  hält  diese  Zellen  „für  nichts  anderes  als  gut  entwickelte  —  man 
kr.nnte  sagen,  hypertrophische  —  »Plasmazellen*  mit  sehr  oft  2,  auch  3  Kernen."  Das 
*^en  also  Lymphocyten  im  Sinne  Marschalkos;  ich  kann  dem  nicht  beipflichten ;  ge- 
i^efitliche  neuerliche  Untersuchungen  müssen  die  Aufklärung  bringen;  ich  habe  auch  nie 
Mikulicz  sehe  Zellen  mit  zwei  und  drei  Kernen  beobachtet.    D.  Ref. 


282  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

lassen  auf  die  spezifischen  Eigentümlichkeiten  jedes  derselben,  so  weit  sie 
eine  geänderte  Auffassung  erfahren  haben,  einzugehen;  bei  der  Anführung 
der  spezifisch-eigentümlichen  Degeneration  kommen  wir  auf  dieses  Gebiet 
und  so  sei  noch  auf  einige  Angaben  Unnas  eingegangen. 

Dass  der  von  0.  Jsrael  in  seinem  Praktikum  der  pathologischen  Histo- 
logie S.  152  ausgesprochene  Satz  „Keiner  der  genannten  Prozesse  (Lepra, 
Rotz,  Typhus,  Aktinomykose)  ist  mikroskopisch  anderweitig  zu  differeDziereu 
als  durch  die  dabei  aufgefundenen  Mikroorganismen"  in  der  Form  nicht 
richtig  ist,  fühlte  wohl  auch  Unna  und  bemerkt  nun  für  die  einzelnen 
Granulationsgeschwülste  charakteristische  Vorgänge;  es  ist  ja  auch  eine 
unbestrittene  Thatsache,  dass  einmal  der  Aufbau  des  Granulationsgewebes, 
das  andere  Mal  die  Beteiligung  der  Emigrations-Vorgänge,  femer  nament- 
lich auch  die  an  den  Granulationszellen  —  Epitheloidzellen  sich  absjüelen- 
den  Veränderungen,  häufig  degenerativer  Natur,  Anhaltspunkte  geben,  um 
auch  histiologisch  den  betreffenden  Prozess  zu  erkennen. 

So  ist  das  Gewebe  der  Rotzknoten  durch  die  hochgradige  Kerndegeuera- 
tion,  welche  die  Zellen  sehr  bald  befällt,  geradezu  charakterisiert;  Unna') 
nennt  den  Vorgang  „Chromatotexis**  Kernschmelze;  das  Hervorheben 
dieses  nekrotischen  Vorganges  beim  Rotze  von  Seiten  Unnas  ist  ganz 
richtig;  Unna  leugnet  aber  die  Leukocytose,  und  die  ist  bei  den  Rotz- 
knoten eminent  ausgesprochen,  ja  die  Leukocyteneinwanderung  verdeckt 
fast  das  übrige  Gewebe,  was  noch  durch  jenen  Kernzerfall  gesteigert  wird, 
der  auch  die  Leukocyten  und  zwar  sehr  bald  ergreift.  — 

Bei  der  Aktinomykose  findet  Unna  als  Degenerationen  „Kolliquation'' 
und  „hyalhie  Entartung";  von  der  Bildung  der  HyaUnkugeln  war  oben 
bereits  die  Rede  und  stimmt  Unnas  Beobachtung  mit  der  Anderer 
überein,  wenn  er  auch  nicht  jene  Erklärung  Pawlowskys  im  Vergleiche 
mit  dem  Sklerom  heranzieht;  anders  ist  es  mit  der  „Kolliquation",  da 
Unna  mit  keinem  Woi-te  die  Verfettung  der  epitheloiden  Zellen  erwähnt, 
die  sehr  bedeutend  ist  und  von  welchem  Vorgange  wohl  die  gelbe  Farbe, 
welche  das  weiche  aktinomykotische  Granulationsgewebe  zeigt,  herrühren 
dürfte,  so  liegt  es  nahe  zu  vermuten,  dass  ein  Teil  des  Vorganges  der 
Kolliquation  die  er  „als  Auftreten  heller^  nicht  tingibler  Vakuolen  in  dtn 
Plasmazellen,  die  sich  rasch  vermehren,  vergrössem  und  konfluieren''  be 
schreibt,  jene  Fettdegeneration  ist,  die  auch  Pawlowsky  beschreibt.  Auch 
kommen  Blutungen  und  Ablagerung  von  Blutpigment,  wie  es  Unna  be- 
schreibt, dem  aktinomykotischen  Gewebe  nicht  zu.  In  Übereinstimmung 
befindet  sich  der  Referent   mit  der  Ablehnung  einer   Mischinfektion 


1)  Histopathologie. 


Endzfindlicbe  NeabilduDg.  283 

welche  die  'Eiterung  bei  der  Aktinomykose  hervorrufe ;  die  Eiterbildung 
und  Ansammlung  der  Eiterzellen  zunächst  nur  um  die  Pilzdruse,  femer 
die  Entwickelung  grösserer  Abscesse  durch  Zerfall  des  Granulationsgewebes 
kommt  dem  Aktinomyces  beim  Menschen  als  solchen  zu.  — 

M.  Vincent  (43)  giebt  die  Beschreibung  des  Granulationsgewebes 
beim Madurafusse,  Mycetoma  (Unna).  Ein  sehr  gefässreiches  Granulations- 
gewebe aus  grossen  Zellen  mit  Ansammlung  von  Eiterzellen  im  Centrum, 
um  die  Pilzdruse  herum,  ganz  ähnlich  wie  beim  Aktinomyces  findet  sich 
auch  hier;  in  diesem  Granulationsgewebe  kommt  es  zu  Blutungen  und  er- 
seheint eine  Pigmentierung  des  umliegenden  Gewebes  (auch  nach  eigenen 
Untersuchungen)  eine  gewöhnliche  Erscheinung  zu  sein.  Im  Granulations- 
gewebe fand  Vincent  selten  Riesenzellen,  mit  peripher  gelagerten  Kernen. 


Eine  besondere  Besprechung  gebührt  noch  den  infolge  von  Fremd- 
körpern entstandenen  Granulationsgeschwülsten  und  entzündlichen  Neu- 
bildungen mit  Bildung  von  Riesenzellen  und  miliaren  Knötchen,  besonders 
auch  wegen  der  diagnostisch  bedeutsamen,  aber  möglichen  Verwechslung 
mit  tuberkulösen  Prozessen.  Polypöse  Granulome  auf  Fremdkörperwirkung 
am  Trommelfell,  im  äusseren  Gehörgange  und  in  der  Paukenhöhle  hat 
Manasse  beschrieben,  ausgebreitete  Knötchenbildung  am  Peritoneum 
ähnlich  einer  tuberkulösen  Peritonitis  C.  Meyer  (45)  und  Hanau  (48); 
speziell  mit  Berücksichtigung  auf  die  differentialdiagnostische  Frage  durch 
4ie  Lokalisation  (Sehnenscheide,  Fistelgang)  oder  wirkliche  Kombination 
mit  Tuberkulose  interessante  Fälle  hat  unter  anderen  Krückmann  (47) 
mitgeteilt,  der  eine  grössere  Anzahl  von  Lubarsch  gesammelter  Fälle 
unter  dessen  Leitung  eingehender  untersuchte.  Als  Fremdkörper  figurieren 
nicht  nur  die  schon  seit  Langem  bekannten  Haare  und  Ligatur-Materiale, 
auch  Knochenpartikelchen,  Pflanzenbestandteile  des  Mageninhaltes  (Hau au), 
tierische  Parasiten  (Cysticerkus  und  Echinokokkusblasen,  Krückmann), 
fenier  Zellen  des  Körpers  (Epidermiszellen  Manasse)  und  krystallinische 
Bildungen  (Cholestearinkrystalle,  C.  Meyer,  Manasse,  Krückmann), 
Fettsäurekry stalle,  Pigmentschollen  (Krückmann)  und  was  besonders 
bemerkenswert  zu  erwähnen  ist ,  amyloide  Massen  (in  einem  sarkomatösen 
Tumor,  Krückmann);  noch  in  einem  andern  Falle  desselben  Autors  lernen 
wir  Riesenzellbildung  in  einem  Sarkom  (der  Schilddrüse)  kennen,  die  nicht 
auf  der  Natur  des  Tumors,  sondern  auf  Fremdkörperwirkung  (Blutpigment) 
zu  beziehen  ist. 

Nach  Marchand,  Baumgarten,  ähnlich  wie  seiner  Zeit  Lang- 
lians,  ist  die  Lage  der  Fremdkörper  zu  einander,  und  besonders  ihr  gegen- 
seitiger Abstand,  und  ihre  Grösse  massgebend  für  den  Typus  der  Riesen- 


284  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Zellen,  wenn  die  Fremdkörper  resistent  genug  sind  gegen  Resorption,  eine 
Riesenzellbildiing  als  Reaktion  zu  erzeugen,  und  different  genug  sind, 
um  auf  das  Zellplasma  zerstörend  einzuwirken  Partialnekrose  desselben 
oder  partielle  Kemlosigkeit  nach  sieh  zu  ziehen.  C.  Meyer  führt  dies 
des  weiteren  aus ;  zu  nahe  Lagerung  der  Fremdkörper  z.  B.  bedingt  centi-ale 
Lagerung  der  Kerne,  kleine,  mehr  oder  weniger  rundliche  Fremdkörper, 
die  von  den  Zellen  ganz  aufgenommen  werden,  randständige  Kemlage- 
rung  (Langhansscher  Typus).  Krückmann  hat  keinen  derartigen  Zu- 
sammenhang gefunden.  C.  Meyer  versuchte  demnach  auch  in  Überein- 
stimmung mit  Ziegler  alle  Riesenzellen  auch  die  Myeloplaxen  des 
Knochenmarks  auf  eine  einheitliche  (Fremdkörper-)  Ursache  zurückzu- 
führen, findet  aber  in  der  Proliferation  der  letzteren  bei  Tumoren  ein  nicht 
einbeziehbares  Verhältnis,  ein  Moment,  welches  eine  gewisse  Sonderstel- 
lung verlangt. 

Was  die  Entstehung  der  Riesenzellen  anbelangt,  so  gehen  die  An- 
sichten der  Autoren  wie  von  jeher  sehr  auseinander;  während  die  einen 
für  die  Abstammung  derselben  durch  Verschmelzung  ursprünglich  getrennter 
Zellen  und  zwar  Leukocyten  und  Wanderzellen  sind  (Metschnikoff  (44), 
Arnold  (40)),  oder  aber  von  „Bildungszellen",  Granulationszellen  (Marchand) 
treten  andere  für  die  successive  Teilung  der  Kerne  mit  mangelhafter  Ab- 
grenzung der  neugebildeten  Elemente,  partieller  Nekrose  des  Protoplasmas 
(im  Sinne  Weigerts)  ein;  da  können  ausser  Granulationszellen  die  Endo- 
thelien  der  serösen  Häute,  der  Blut-  und  Lymphgefässe,  auch  Epithelien 
sich  beteiligen. 

Marc  band  kannte  keine  Karyomitosen  in  Riesenzellen,  wohl  aber 
in  der  nächsten  Umgebung  beobachten,  Goldmann  (58),  M anasse  beol> 
achteten  Mitosen  und  die  Übergänge  aus  2-  und  Skemigen  Zellen.  Letz- 
terer hat  die  Fremdkörperwirkung  implantierter  Epidermismassen  experi- 
mentell nachgewiesen  und  hier  auch  die  Wucherung  von  Lymphgefäss- 
endothelien  mit  Ricsenzellbildung,  nachgewiesen.  Anderseits  ist  wohl  aueli 
an  der  leukocytären  Natur  der  die  ins  Blut  injizierten  Weizenmehlpartikel 
umschliessenden  Riesenzellen  in  den  Versuchen  Arnolds  nicht  zu  zweifeln. 
Ob  den  Riesenzellen  eine  phagocytäre  Wirkung  im  Sinne  Metsehni- 
koffs  zukommt,  ist  nicht  strikte  abzulehnen,  da  sie  gewisse  auflösende 
und  verdauende  Fähigkeiten  besitzen,  wofür  namentlich  Krückmann 
eine  Reihe  von  guten  Beispielen  angeführt  hat. 

Wie  aus  den  älteren  Arbeiten  ein  verschiedener  Entstehungsmodus 
der  Riesenzellen  angenommen  werden  musste  (Li  eher  kühn  s  Beobachtung 
von  vielkernigen  Zellen  im  Tage  lang  in  Glasröhrchen  aufbewahrten  Blut 
vom  Salamander,  Cornil-Ranviers  Anschauung  des  Entstehens  der 
Riesenzellen    aus    der  Umwandlung  verschiedener  Hohlgänge,   Blut  und 


Entzündliche  Neubildung.  285 

Lvmphgefässe,  Epithelgänge  etc.),  so  bestätigen  dies  auch  die  neueren  Ar- 
beiten und  es  ist  gewiss,  dass,  wie  die  Riesenzellen  wohl  nicht  alle  als 
gleichwertige  morphologische  und  funktionelle  Elemente  zu  betrachten 
sind,  sie  es  auch  ihrer  Entwickelung  nach  nicht  sind.  Speziell  bei  den 
Ciranulationsgeschwülsten  kommt  sowohl  eine  verschiedene  Abstammung 
bezüglich  des  cellulären  Ursprungs  (Bildungszellen,  EndotheUen,  in  gewissen 
Organen  auch  Epithehen)  als  auch  bezüglich  des  Modus,  Entwickelung 
aus  Hohlgebilden  in  Frage,  und  Unna  geht  zu  weit,  wenn  er  alle  Riesen- 
zellen von  der  Konfluenz  und  Partialnekrose  der  „homogenisierten''  Plas- 
mazellen  ableitet,  zudem  er  selbst  die  „Knäueldrüsen"-Riesenzellen  beim 
Lupus  zugiebt. 


3. 

Cysten. 

Von 

E.  Marckwald,  Halle. 


Litteratur. 

1.  Aschoff,  L.,  Ein  Beitrag  zur  normalen  und  pathologischen  Anatomie  der  Schleim- 
haut der  Harnwege  und  ihrer  drüsigen  Anhänge.    Virchows  Arch.  Bd.  138.  Heft  1  a.  2. 

2.  Fränkel,  Eugen,  Über  Corpus-luteum-Cysten.    Archiv  f.  Gynäkologie.  Bd.  47.  H.  1. 

3.  Garrä,  C,  Über  traumatische  Epithelcysten  der  Finger.  Dermatologische  Zeitschrift. 
Bd.  I.  Heft  1. 

4.  y.  Eahlden,  C,  Über  Ureteritis  cystica.  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und 
zur  aligemeinen  Pathologie  von  £.  Ziegler.  Bd.  14.  Heft  3. 

5.  Ledderhose,  Über  traumatische  Lymphcysten  des  Unterschenkels.  Virchows 
Arch  Bd.  136.  Heft  2. 

6.  Lübars ch,  0.,  Über  die  angebliche  parasitäre  Natur  der  Ureteritis  cystica.  Ctbl.  f. 
allgemeine  Pathologie  und  pathologische  Anatomie  herausgegeben  von  E.  Ziegler. 
Bd.  V.  Nr.  11. 

7.  Pisenti,  Üher  die  parasitische  Natur  der  Ureteritis  chronica  cystica.  Ibid.  Bd.  V. 
Heft  15. 

8.  Thoma,Rich.,  Lehrbuch  der  pathologischen  Anatomie.  Allgemeine  pathologische 
Anatomie.     Stuttgart.  F.  Enke.  1894. 

9.  Tilger,  Alfred,  Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  und  Ätiologie  der  Pankreas- 
cysten.   Virchows  Arch.  Bd.  136.  Heft  2. 

10.    Ziegler,   E. ,    Lehrbuch    der    allgemeinen    und   speziellen    pathologischen   Anatomie. 
8.  Aufl.  Jena.  Gustav  Fischer.  1895. 


Unter  Cysten  versteht  man  Hohlräume,  welche  eine  aus  Bindegewebe 
Oller  einem  sonstigen  Gewebe  gebildete  Wandung  und  einen  von  dieser 
diltorcnten  Inhalt  besitzen. 

Man  teilt  dieselben  nach  ilirer  Beschaffenheit  in  multilokulare  und 
vu\ilokuläre  Cysten  ein;   nach  ihrer  Entstehungsweise  unterscheidet  man: 


Cysten.  287 

L  Cysten,  die  aus  schon  bestehenden  Hohlräumen  sich  entwickeln. 
Diese  Hohlräume  können  ursprüngUch  offen  gewesen  sein  [Drüsen  und 
ihre  Ausführungsgänge,  Blut-  und  Lymphgefässe] :  Retentionscysten ;  oder 
sie  waren  von  vornherein  geschlossen:  FoUikularcysten. 

II.  Cysten,  die  in  ursprünglich  festem  Gewebe  entstehen:  Erweich- 
iiüfi:scvsten. 

in.  Cysten,  die  durch  abgekapselte  Parasiten,  Fremdkörper  etc.  ge- 
bildet werden. 

IV.  Cysten,  die  durch  Neubildungs-  und  Wucherungsvorgänge  aus 
der  Wand  von  Hohlräumen  ihren  Ursprung  nehmen:  Proliferationscysten, 
^Vstome,  cystoide  Bildungen. 

Von  der  Besprechung  an  dieser  Stelle  würden  die  kongenitalen  Cysten 
aller  Art  und  die  Proliferationscysten  auszuschliessen  sein ,  da  sie  eine 
iScliilderung  in  anderen  Kapiteln  finden  werden,  ich  werde  mich  vielmehr 
darauf  beschränken,  um  Wiederholungen  bei  der  Schilderung  der  patho- 
logischen Veränderungen  der  einzelnen  Organe  zu  vermeiden,  die  Details 
^ier  Entstehung  und  Ätiologie  bestimmter  Cysten  kurz  zu  schildern,  die 
im  Berichtsjahre  ein  unsere  Kenntnisse  erweiterndes  Studium  erfahren  haben. 

So  hat  Ledderhose  (5)  nach  schweren  Traumen  „Lymphcysten'' 
gefunden,  die  als  Kombinationen  von  Retentions-  und  Erweichungscysten 
aufzufassen  sein  dürften.  Sie  entstehen  in  Lymphgefässen  und  Lymph- 
?palten  des  subkutanen  Fettgewebes,  deren  Endothel  auf  einen  traumatischen 
Reiz  mit  Proüferation  reagiert  und  die  betroffenen  Gefässe  undurchgängig 
macht.  Die  aufgestaute  Lymphe  bildet  den  Inhalt  dieser  Hohlräume,  der 
durch  die  Zerfallsprodukte  der  degenerierenden,  gewucherten  Endothehen 
vermehrt  wird.  Das  Fettgewebe  in  der  Umgebung  solcher  Cysten  wandelt 
sich  in  Bindegewebe  um,  nimmt  seinerseits  an  der  Degeneration  teil,  und 
es  bilden  sich  mm  aus  einer  Anzahl  kleinerer,  nach  Usur  ihrer  Wan- 
dungen, einzelne  grössere  Cysten  aus. 

Einen  sehr  interessanten  Vorgang,  der  ebenfalls  zur  Bildung  einer 
Art  cystischen  Hohlraums  führen  kann,  schildert  Garr6  (3).  Kleine 
Traumen  vne  Schnitte,  Stiche,  Bisse  etc.  können  kleinste  Partikelchen  der 
äusseren  Haut  in  die  tieferen  Gewebschichten  verlagern.  Bleiben  diese 
Partikelchen  in  Verbindung  mit  ihrem  Mutterboden ,  so  setzen  sie  ihre 
normale  Entwickelung  fort,  die  obersten  Schichten  der  Zellen  verhornen, 
werden  abgestossen  und  bilden  nun  den  Inhalt  eines  Hohlraumes,  der  von 
subkutanem  Bindegewebe  umgeben  wird,  ohne  dass  sicli  indessen  eine 
eigentliche  Kapsel,  eine  Cystenwand  ausbildet. 

Dass  sich  aus  Retentionscysten  Erweichungscysten  ausbilden  können, 
hat  Tilg  er  (9)  auch  für  Pankreascysten  nachweisen  können.  Hier  ist  es 
«1er  Cysteninhalt,    der  vermöge   seiner  peptischen  Wirkung  die  primären 


288  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Cystenwandungen  zur  Einschmelzung  bringt  und  so  die  rein  mechanischen 
Einwirkungen,  die  bei  der  Usurierung  der  Wandungen  der  geschilderten 
Lymphcysten  eine  Rolle  spielen,  wirksam  modifiziert. 

Für  die  wiederholt  früher  ausgesprochene  Vermutung,  dass  eine 
Anzahl  Ovarialcysten  ihren  Ursprung  von  Corporibus  luteis  nehmen,  hat 
Fränkel  (2)  den  Beweis  erbracht.  Danach  verfallen  bisweilen  Corpora 
lutea  nicht  der  normalen  Rückbildung  in  Corpora  fibrosa,  ihre  epithelialen 
Zellen  vermehren  sich  vielmehr,  und  die  centralen  Schichten  derselben 
degenerieren  zu  kolloiden  Massen.  So  bilden  sich  cystische  Hohlräume, 
die  beim  Fortbestehen  der  Zellwucherung  erhebliche  Grösse  erlangen 
können.  Transsudationen  und  Hämorrhagieri  aus  den  Kapillaren  des 
corpus  luteum  können  zur  Vermehrung  des  Cysteninhalts  beitragen.  Von 
den  gewöhnlichen  Ovarialcysten  unterscheiden  sie  sich  durch  ihre  Wan- 
dungen, welche  ein  weitmaschiges  Kapillarnetz  enthalten,  in  dessen  Maschen 
grosse  kugeüge  Zellen  eingeschlossen  sind. 

Noch  streitig  ist  die  Entstehung  der  Gebilde,  welche  die  als  Ureteriti^i 
cystica  bekannte  Veränderung  charakterisieren. 

Nachdem  Lu barsch  (6)  die  Annahme  einer  Reihe  früherer  Autoren, 
die  Ureteritis  cystica  sei  parasitären  Ursprungs,  zurückgewiesen  hatte,  indem 
er  nachwies,  dass  die  als  Coccidien  bezeichneten  Gebilde  der  Characteristicii 
echter  Coccidien  entbehren,  dass  sie  mit  grosser  WahrseheinUchkeit  als 
hyaline  oder  sonstige  Degenerationsformen  der  EpitheUen  der  von  Brunn- 
schen  Epithelnester  seien,  von  welch'  letzteren  überhaupt  die  Cysten  ab- 
stammten, versuchte  Pisenti  (7)  die  Beweiskraft  der  Lubarschschen 
Ansichten  zu  bezweifeln,  ohne  für  seine  eigene  Auffassung  positive  Beweise 
erbringen  zu  können.  Während  sich  Aschoff  (1)  späterhin  mit  der  Auf- 
fassung von  Lubarsch  (6)  im  wesentlichen  einverstanden  erklärte,  ver- 
öffentlichte vonKahlden  (4)  wiederum  zwei  Fälle  seiner  Ansicht  nach 
parasitären  Ursprungs.  Die  beobachteten  Parasiten  sollen  grosse  Ähnlich- 
keit mit  den  von  Pfeiffer  beschriebenen  Myxosporidien  des  Hechtes  und 
der  Schleie  haben.  Wie  weit  die  Fälle  von  Kahldens  geeignet  sind,  die 
diskutierte  Frage  endgiliig  zu  entscheiden,  steht  dahin. 

Bei  dem  lebhaften  Interesse,  das  von  vielen  Seiten  der  Ureteritis 
cystica  entgegengebracht  wird,  steht  zu  hoffen,  dass  eine  sichere  Aufklärung 
in  nicht  allzu  ferner  Zeit  erfolgen  wird. 


4. 

Hyperplasie  und  Geschwülste. 

Von 

O.  Lubarsch,  Rostock. 


Begriff,  Einteilung  und  Entstehung  der  Neoplasmen. 

Litte  ra  tu  r. 

1.  Bard,  La  sp^cificit^  ceUulaire  et  les  faita  anatomo-pathologiques  sur  les  qoels  eile 
s*appiiie.  Yerhandl.  des  10.  internationalen  mediz.  Kongresses  in  Berlin  f.  Hirsch- 
wald.    Berlin  1891.  Bd.  II.  Abi  3.  S.  92. 

2.  Ders.,  La  sp^ificit^  cellolaire  et  Fhistogönäse  chez  Tembryon.  Arch.  de  Physiol.  1886. 
Tm.  7.  S4r.  m. 

•^.  Birch-Hirschfeld,  Grandriss  der  allgem.  Pathologie.    Leipzig  1892.  S.  877. 

4.  Hanaa,  Über  einen  neuen  Fall  von  Acardiacus  anceps  (Ahlfeld)  mit  Bemerkungen 

über  normales  und  pathologisches  Wachstum.     Verhandl.  der  Gesellschaft  deutscher 

Naturf.  tt.  Ärzte.  63.  Versamml.  zu  Bremen.  Leipzig  1891.  S.  194. 
•j.   Hansemann,  Studien  ttber  die  Spezifizität,  den  Altruismus  und  die  Anaplasie  der 

Zellen  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Geschwülste.    Berlin,  A.  Hirsohfeld  1893. 
6.   Klebs,  £.,  Lehrbuch  der  allgem.  Pathologie.    Bd.  II.  Kap.  XI— XIII.  1889. 
7*   Knaak,  Die  morphologische  Bedeutung  der  Geschwülste.    Verhandl.  der  Gesellschaft 

deutsch.  Naturf.  u.  Ärzte.    Leipzig  1891.  S.  184. 

8.  Labarsch,  Beiträge  zur  Histologie  der  von  Nebennierenkeimen  ausgehenden Nierenge- 
schwflbte.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  135.  S.  149.  1894. 

9.  Bibbert,  Über  die  Entstehung  der  Geschwülste.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1895. 
Nr.  1—4. 

10.  Eoux,  W.,  Zui  Entwicklungsmechanik  des  Embryo.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  114. 

l<3a.  Roux,  W.,  Demonstration  versprengter  persistierender  Farchungszellen  in  den  Ge- 
weben von  Embryonen.    Gtbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  V.  S.  858.  1894. 

IL  Schleich,  ViheT  die  Ätiologie  der  Geschwülste.  Berlin  1889.  Im  Selbstverlage  des 
Verfassers. 

12.   Thoma,  Lehrbuch  der  pathologischen  Anatomie.    Bd.  I.  S.  629.  1894. 

IZ.  Ziegler,  Lehrbuch  der  pathologischen  Anatomie.    Bd.  I.  8.  Auflage.  1895. 
L «barsch -Oster tag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  19 


290  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Wenn  schon  Virchow  in  seinem  grossen  Geschwulstwerk  betonen 
musste,  dass  die  Grenze  zwischen  entzündlicher  Neubildung,  Hyperplasie 
und  echten  Neoplasmen  schwer  zu  ziehen  sei,  so  kämpfen  auch  die  neuereu 
Arbeiten  über  die  Geschwülste  mit  der  gleichen  Schwierigkeit.  Freilich 
ist  in  sofern  ein  Fortschritt  erzielt,  als  man  die  infektiösen  und  entzünd- 
Hchen  Neubildungen  von  den  echten  „autonomen"  Neubildungen,  wie 
Thoma  (12)  sie  bezeichnet,  abgetrennt  hat.  Aber  gerade  diese  Trennung,  die 
praktisch  von  Wichtigkeit  ist,  zeigt  die  Grenzen  einer  jeden  derartigen 
Definition  genau.  Sobald  die  Ätiologie  zur  Begriffsbestimmung  mit  her- 
angezogen wird,  muss  der  Geltung  der  Definition  durch  unsere  Unkennt- 
nis Halt  geboten  werden.  Werden  unsere  Kenntnisse  erweitert,  d.  h.  lernen 
wir  bei  Neubildungen  die  Erreger  kennen,  so  wird  damit  das  Gebiet  der 
infektiösen  Neubildungen  vergrössert  und  das  der  „autonomen"  verkleinert. 
Und  es  ist  bereits  jetzt  sehr  wahrscheinlich,  dass  ein  Teil  der  Sarkome  — 
die  sogenannten  Lymphosarkome  —  ebenfalls  zu  den  infektiösen  Neubil- 
dungen gehören;  jedenfalls  habe  ich  sie  bereits  von  den  eigentlicheu  Ge- 
schwülsten abgetrennt  und  zu  den  infektiösen  Neubildungen  gestellt, 
wo  sie  im  nächsten  Jahrgang  ausführlicher  besprochen  werden  sollen. 
Auch  darin  liegt  eine  grosse  Schwierigkeit,  dass  „entzündliche"  Neu- 
bildungen und  an  Entzündung  anschliessende  Neubildungen  nicht  iden- 
tisch sind.  Während  die  ersteren  nur  aus  Bindegewebssubstanz  bestehen, 
können  letztere  auch  aus  anderen  Geweben  (Epithelien)  bestehen  oder  sogar 
zusammengesetzter  Natur  sein  (Adenome).  Diese  Erwägungen  zeigen  be- 
reits, dass  das  ätiologische  Einteilungsprinzip  nicht  brauchbar  ist,  wenn 
auch  Birch-Hirschfeld  (3)  meint,  dass  —  eine  infektiöse  Ursache  auch 
bei  den  echten  Geschwülsten  vorausgesetzt  —  ein  wesentlicher  Unter- 
schied zwischen  ihnen  und  den  Infektionsgesdiwülsten  doch  darin  bestehen 
würde,  dass  bei  ersterer  Wucherung  der  verschiedensten  Gewebstypen  mit 
Erhaltung  des  wesentlichen  Charakters  der  Zellen,  bei  letzteren  dagej^en 
die  Bildung  eines  indifferenten  Gewebes  stattfindet  —  Suchte  man  dalier 
nach  anderen  unterscheidenden  Kriterien,  so  machte  sich  eine  weitere 
Schwierigkeit,  die  Abgrenzung  gegenüber  der  Hyperplasie  bemerkbar. 
Klebs  (6)  sucht  diese  Schwierigkeit  dadurch  zu  überwinden,  dass  er  einer- 
seits jede  Hyperplasie  als  etwas  Progressives  betrachtet,  welche  durch  eine 
Vermehrung  des  Bildungstriebes  der  Zellen  zustande  kommt,  andererseits 
behauptet,  dass  anfangs  jeder  Tumor  eine  einfache  Hyperplasie 
darstellt.  Beide  Ansichten  sind  aber  kaum  mit  den  Thatsachen  in  Ein 
klang  zu  bringen.  Freilich  können  auch  Hyperplasieen  einen  Excess  des 
normalen  Bildungstriebes  der  Zellen  darstellen,  aber  nicht  jede  Hyperplasie 
im  gewöhnlichen  Sinne  ist  auf  eine  Vermehrung  des  Bildungstriebes  zu 
beziehen,  wie  das  namentlich  bei  einem  Teil  der  regenerativen  oder  komix^n« 


Hyperplasie  und  Geschwülste.  291 

satoriachen  Hypertrophieen  —  die  eben  thatsäehlich  Hyperplasieen  sind  — 
der  Fall  ist.  Namentlich  Ribbert  hat  ja  in  verschiedenen  Arbeiten  gezeigt, 
dass  die  kompensatorische  Hypertrophie  besonders  der  Geschlechtsdrüsen 
zum  grossen  Teile  auf  einer  Wucherung  von  Zellelementen,  also  einer  wirk- 
lichen Hyperplasie  beruht.  Hier  kann  nicht  gut  von  einer  Vermehrung 
des  ßildungstriebes  der  Zellen  gesprochen  werden,  vielmehr  handelt  es  sich 
gerade  um  einen  durchaus  physiologischen  Vorgang.  Aber  auch  in  anderen 
Fällen,  wo  die  Hyperplasie  durchaus  den  Eindruck  des  Pathologischen 
macht,  sind  wir  nicht  berechtigt,  ohne  weiteres,  von  einem  Excess  des 
Büdungstriebes  der  Zellen  zu  sprechen ;  sondern  wir  können  oft  nur  sagen, 
dass  nicht  nur  die  innere  Ursache  der  Zellenvermehrung,  sondern  auch 
der  äussere  Anlass  für  uns  verborgen  ist.  Noch  weniger  aber  erscheint 
t«  gerechtfertigt ,  jeden  Tumor  im  Beginn  als  eine  einfache  Hyperplasie 
aufzufassen;  vielmehr  imterscheidet  sich  ein  echtes  Neoplasma  auch 
im  Beginn  bereits  dadurch  von  der  Hyperplasie,  dass  es  sich  auf 
eine  cirkumskripte  Stelle  beschränkt.  —  Thoma  (12)  hebt  geradezu  die 
räumliche  Beschränkung  als  ein  Charakteristikum  für  die  Autonomie  der 
Neubildungen  hervor.  Freiüch  muss  man  Klebs  insofern  recht  geben, 
dass  dem  inneren  Wesen  nach  die  Hyperplasie  schwer  von  der  autonomen 
Neubildung  zu  trennen  ist,  da  beide  auf  einer  Zellwucherung  beruhen.  Und 
für  seine  Auffassung  vieler  pathologischer  Prozesse  ist  es  von  einem  ge- 
wissen Vorteil,  Hyperplasie  und  Geschwulstbildung  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  zu  identifizieren,  weil  es  ihm  möglich  wird,  auch  noch  die  infek- 
tiösen Neubildungen  zwischen  Hyperplasie  und  Geschwülsten  einzureihen. 
Aber  thatsäehlich  erschwert  es  doch  grade  die  Auffassung,  wenn  man  die  tren- 
nenden Momente  nicht  hervorhebt.  Wie  wenig  in  dieser  Beziehung  die  An- 
schauungen geklärt  sind,  ging  auf  der  letzten  Naturforscherversammlung  in 
Wien  aus  der  Diskussion  hervor,  welche  sich  an  den  Vortrag  von  Kretz 
über  knotige  Hyperplasieen  des  Lebergewebes  anschloss.  Während  die  einen 
(Kretz,  Chiari,  Rindfleisch,  Weich  sei  bäum)  sie  für  einfache  Hyper- 
plasieen hielten,  wurde  von  anderen  (Eppinger,  Lubarsch,  Thoma, 
Ponfick)  betont,  dass  sie  Adenome  wären  oder  doch  wenigstens  ihnen  nahe 
standen.  Ich  habe  damals  bereits  hervorgehoben,  dass  die  Schwierigkeit 
«1er  Verständigung  in  dem  Mangel  einer  sicheren  Geschwulstdefinition  be- 
griindet  sei;  und  besonders  ist  auch  hier  wiederum  die  Unbekanntschaft 
mit  der  Ätiologie  die  Ursache,  dass  wir  oft  eine  regenerative,  eine  entzünd- 
liche Neubildung  und  eine  autonome  Geschwulst  nicht  sicher  von  einander 
treouen  können.  Es  ist  deswegen  nötig,  eine  allerdings  vorläufige  Trennung 
auf  Grund  morphologischer  und  physiologischer  Kriterien  vorzunehmen. 
Klebs  (6)  hat  das  in  glückhcher  Weise  durch  die  Hervorhebung  eines 
njorphologischen  Charakters  gethau,  indem  er  betont,  dass  die  Geschwülste 

19* 


292  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

atypisch  sind  in  Bezug  auf  die  Körperform  und  nicht  auf  die 
Körpergewebe.  Zwar  erwähnt  er  auch  noch  ein  physiologisches  Merk- 
mal, wenn  er  bemerkt,  dass  die  neugebildeten  Zellen  zwar  morphologisch 
mit  denen  des  Mutterbodens  übereinstimmten,  möglicherweise  aber  funk- 
tionell von  ihnen  verschieden  wären,  ohne  aber  auf  diesen  Punkt  genauer 
einzugehen.  Birch-Hirschfeld  (3)  legt  ihm  dagegen  einen  ganz  beson- 
deren Wert  bei,  wenn  er  ihn  bereits  in  die  Definition  des  Geschwulstbe- 
griffes mit  aufnimmt.  Nach  ihm  sind  Geschwülste  anscheinend  spontan 
entstandene,  in  anatomischer  und  funktioneller  Hinsicht  gegen  das 
physiologische  Gewebe  sich  abgrenzende,  aus  Zellen  des  eigenen  Körpers 
hervorgegangene  Neubildungen  von  fortschreitendem  Wachstum.  Und  er 
hebt  weiter  hervor,  dass  die  Elemente  der  Geschwulst  trotz  ihrer  morpho- 
logischen Übereinstimmung  mit  normalen  Zellen  nicht  an  den  Körper- 
funktionen beteiligt  sind.  Gerade  hierin  sieht  er  den  wesentlichen 
Unterschied  gegenüber  den  Hypertrophieen  und  Hyperplasieen.  Auch 
Thoma  (12)  hebt  das  vom  Mutterboden  abweichende  funktionelle 
Verhalten  hervor,  giebt  aber  zur  Begründung  als  Beispiel  nur  die  Lipome 
heran,  welche  bei  allgemeinem  Schwunde  des  Fettgewebes  häufig  unver- 
ändert bestehen  bleiben.  Ziegler  (13),  der  im  übrigen  eine  wenig  glück- 
liche Definition  giebt,  rückt  das  physiologische  Moment  ebenfalls  in  den 
Vordergrund,  wenn  er  die  Neoplasmen  als  Gewebsneubildungen  bezeichnet, 
„welche  einen  atypischen  Bau  besitzen  und  keine  dem  Wohle  des  Gresamt- 
organismus  dienende  Funktionen  ausüben  und  auch  kein  typisches  Ende 
ihres  Wachstums  erkennen  lassen".  Allerdings  liegt  in  Zieglers  Einschrän- 
kung „keine  dem  Wohle  des  Gesamtorganismus  dienende  Funktion"  etwas 
Richtiges.  Denn  es  kann  nicht  ganz  zugegeben  werden,  dass  die  Funk- 
tion der  Geschwulstzellen  stets  von  der  der  normalen  abweichend  ist.  Man 
kann  oft  genug  beobachten,  dass  in  Leberadenomen  noch  Galle  bereitet 
wird,  ja  selbst  in  Leberkrebsen  habe  ich  in  und  zwischen  den  Zellen 
mitunter  Gallenfarbstoff  gefunden;  wenn  aber  trotzdem  diese  erhaltene 
Funktion  dem  Gesamtorganismus  nicht  zugute  kommt,  so  liegt  das  an 
dem  anatomischen  Bau  des  Neoplasmas,  wodurch  eine  Überführung  der 
in  den  Zellen  bereiteten  Galle  in  die  Gallenwege  ausgeschlossen  ist.  Anderer- 
seits scheint  es  aber  auch  Tumoren,  und  zwar  sogar  bösartige,  zu  geben, 
deren  Zellen  gerade  noch  im.stande  sind,  die  für  den  Gesamtorganisnius 
besonders  wichtige  Funktion  auszuüben.  Hansemann  (5,  Seite  55)  hat 
die  Thatsache,  dass  selbst  bei  tolaler  krebsiger  Metamorphose  des  Pankreas 
Diabetes  und  bei  Nebennierencarcinom  Bronzekrankheit  fehlen  kann,  da- 
durch erklären  wollen ,  dass  die  Krebszellen,  als  Nachkommen  der  be- 
treffenden Organzellen  noch  genügende  Funktion  für  den  Körper  besitzen, 
um  diese  zu  ersetzen,  und  ich  habe  (8)  ganz  besonders  für  das  Verhältnis 


Hyperplasie  und  Geschwfllgte.  293 

z?nschen  Nebennierenerkrankungen  und  Morbus  Addison  die  Auffassung  ent- 
wickelt, dass  primae  Geschwülste  der  Nebennieren,  auch  wenn  sie  eine 
grosse  Ausdehnung  besitzen,  geringere  Gefahren  mit  sich  bringen,  wie 
metastatische,  weil  die  Zellen  der  ersteren  imstande  sind,  die  spezielle 
Stoffwechselregulierungsfunktion  noch  weiter  auszuüben,  und  zwar  selbst 
dann,  wenn  sie  weder  qualitativ  noch  quantitativ  die  gleichen  Stoffe  pro- 
duzieren. Und  das  scheint  in  der  That  auch  für  die  anderen  Stoffwechsel- 
regulierungsorgane zu  gelten ;  denn  auch  bei  den  Tumoren  der  Schilddrüse, 
bösartigen  wie  gutartigen,  treten  nur  ausnahmsweise  Symptome  auf,  die 
im  Sinne  einer  Alteration  der  spezifischen  Organfunktion  gedeutet  werden 
könnten*).  Es  scheint  das  daran  zu  liegen,  dass  bei  den  genannten  Or- 
ganen die  von  den  Zellen  produzierten  Stoffe  auch  normaler  Weise,  ohne 
dass  besondere  Ausführungsgänge  vorhanden  sind,  direkt  ins  Blut  über- 
geführt werden.  Und  es  muss  daher  in  vielen  anderen  Fällen  wo  Neu- 
bildungen drüsiger  Natur  ihre  Funktion  dem  Gesamtorganismus  nicht  zu 
Gute  kommen  lassen,  die  Ursache  in  dem  mangelhaften  Bau  der  Neu- 
bildung, dem  Fehlen  der  Ausführungsgänge,  gesucht  werden.  Man  sieht 
daraus,  dass  sowohl  die  Formulierung  Birch-Hirschfelds,  wie  die  Zieg- 
lers zu  eng  ist. 

Unter  den  besonderen  Benennungen,  welche  für  die  „Geschwülste" 
neuerdings  vorgeschlagen  worden  sind,  sei  besonders  der  Kl ebs sehen 
Bezeichnung  Blastome  und  Thomas  „autonome  Neubildungen"  ge- 
dacht (auf  Knaaks  (7)  Bezeichnung  „Cönome"  wird  erst  weiter  unten 
eingegangen  werden).  Klebs  Blastombegriff  deckt  sich  ziemlich  mit 
dem,  was  Virchow  als  Proliferationsgeschwülste  bezeichnet  hat,  und 
würde  wohl  als  eine  Bereicherung  unserer  Nomenklatur  gegenüber 
dem  etwas  vieldeutigen  Ausdruck  „Geschwulst"  betrachtet  werden  müs- 
sen, wenn  sich  nicht  zu  leicht  damit  gewisse  theoretische  Vorstel- 
lungen von  Klebs  verknüpften,  die  auf  allgemeine  Anerkennung  kaum 
Anspruch  machen  können.  Dagegen  möchte  ich  Thomas  Bezeichnung 
„autonome  Neubildung"  als  einen  sehr  glücklichen  Ausdruck  empfehlen, 
der  nicht  nur  ein  sehr  wesentliches  Charakteristikum  hervorhebt,  sondern 
auch  gleich  den  Gegensatz  zur  entzündlichen  und  infektiösen  Neubildung 
erkennen  lässt.  Was  nun  die  Einteilung  der  autonomen  Neubildungen 
anbetrifft,  so  ist  man  sich  auch  hier  noch  nicht  völlig  über  die  Prinzipien 
einig.    Zwar  gilt  es  als  Grundsatz,  dass  man  im  Anschluss  an  Virchow 


1)  Diese  zunäclist  mehr  auf  Gnind  negativer  Verhältnisse  ausgesprochene  Anschäu- 
Qog  hat  Yor  kurzem  eine  positive  Stütze  erhalten  durch  die  Beobachtung  von  Eisel- 
^^fgs»  dass  nach  Exstirpation  eines  metastatischen  Schilddrüsentumors  Tetanie  auftrat, 
also  ähnliche  Störungen  stattfanden,  wie  nach  Exstirpation  der  normalen  Schilddrüse. 


294  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

nach  der  histologischen  Struktur  die  Einteilung  vorzunehmen  habe.  Aber 
man  ist  vielfach  von  diesem  rein  morphologischen  Standpunkt  abgewichen 
und  hat  ihn  durch  den  histogenetischen  ersetzen  wollen.  Dieser  Stand- 
punkt, der  früher  auch  von  Ziegler  vertreten  wurde,  jetzt  aber  von  ihm 
verlassen  ist,  findet  wohl  seinen  schärfsten  Ausdruck  in  der  von  Klebs(6) 
vorgeschlagenen  Einteilung.  Indem  er  zunächst  auf  Grund  seiner  oben 
erwähnten  Anschauung  von  der  prinzipiellen  Gleichartigkeit  der  Hyper- 
plasieen  und  der  Blastombildung  eine  Einteilung  angenommen  hat  in 
A.  Typische  Blastome  (Riesenwuchs)  und  B.  atypische  Blastome 
teilt  er  dann  auf  Grund  der  Hisschen  Keimblättertheorie  diese  ein  in  Para- 
blastome  und  Archiblastome.  Die  nähere  Ausführung  dieser  Einteilung 
zeigt  die  Misslichkeit  des  Versuches;  so  können  einzelne  Geschwulstarten, 
wie  die  Myome,  nur  schwer  untergebracht  werden  und  die  Angabe,  dass 
die  zu  den  Neuroblastomen  (Archiblastome)  gehörigen  metastasierenden  Tu- 
moren zu  den  Sarkomen  d.  h.  Parablastomen  gehörten,  bringt  einen  völligen 
Riss  in  der  Klebsschen  Einteilung  hervor.  Ich  habe  mich  (8)  verschiedent- 
lich gegen  das  histogenetische  Einteilungsprinzip  gewendet,  denn  erstens 
ist  die  Grundlage  dieses  Prinzipes  schwankend  und  2.  ist  sie  auch  nicht 
vollkommen  durchführbar,  weil  es  in  vielen  Fällen  verkehrt  sein  würde, 
auf  die  ursprüngliche  Entwickelung  zurückzugehen  und  nicht  auf  die  be- 
stimmte Art,  in  welcher  das  Gewebe  sich  während  der  Entwickelimg  diffe- 
renzirt  hat.  Ich  wies  darauf  hin,  dass  noch  der  biologische  Gresichtspimkt 
mitsprechen  müsse  und  dass  man  z.  B.  die  von  Nierenzellen  ausgehenden 
Neoplasmen  unter  allen  Umständen  als  Adenome  oder  Carcinome  bezeichnen 
muss,  gleichviel  ob  die  Niere  in  letzter  Linie  vom  Meso-  oder  Ektodemi 
abstamme;  ebenso  wäre  es  unrichtig,  die  Tumoren  der  Nebenniere  als 
Adenome  zu  bezeichnen,  trotz  der  ektodermalen  Abstammung  des  Organs, 
so  lange  man  die  Nebennierenzellen  nicht  als  echte  Epitheüen  ansehen 
darf.  Diese  Auffassung  richtet  sich  sowohl  gegen  die  streng-histogenetische 
Richtung,  wie  gegen  die  rein  morphologische,  welche  z.  B.  Hansemann 
(5)  vertritt,  wenn  er  die  echten  Epithelkrebse  mit  den  Endotheliomen  und 
Peritheliomen  zusammenwerfen  will.  Selbst  vom  morphologischen  Stand- 
punkt aus  wäre  diese  Vermengung  nicht  ganz  zu  rechtfertigen,  weil  bei 
den  Carcinomen  das  Stroma  von  gefässführendem  Bindegewebe,  bei  den 
Endotheüomen  dagegen  von  Blut-  oder  Lymphgefässen  gebildet  wird;  in 
physiologischer  Beziehung  besteht  aber  zwischen  Drüsen-  und  Blut-  oder 
LymphgefässepitheUen  und  ihnen  nahestehenden  Zellen  (Nebennierenzellen) 
der  grosse  Unterschied,  dass  erstere  ihre  Sekretionsprodukte  in  besondere 
ableitende  Wege  absondern,  letztere  dagegen  es  direkt  dem  Blute  oder 
Gewebssaft  beimischen.  Wenn  man  diese  Schwierigkeiten  überwinden  will, 
so  erscheint  es  am  bequemsten  und  auch  im  einzelnen  gut  durchführbar, 


Hyperplasie  und  Geschwülste.  29Ö 

wenn  man  mit  Birch-Hirschfeld  (3)  auf  den  entsprechenden  physio- 
logischen Gewebstypus  zurückgreift  und  zu  jeder  Gewebsart  eine  typische 
und  atypische  Geschwulstform  statuiert*).  Birsch-Hirchfeld  gelangtauf 
diese  Weise  dazu,  3  Klassen  von  Geschwülsten  aufzustellen:  1.  die  Ge- 
schwülste der  Bindesubstanzreihe  (Virchows  histioide  Geschwülste),  2.  die 
epithelialen  organoiden  Tumoren ,  3.  Geschwulste,  die  durch  Kombination 
verschiedener  Geschwulstformen  entstehen.  Voraussetzung  ist  bei  diesen 
Einteilungen  allerdings  das  Gesetz  von  der  legitimen  Succession  der 
Zellen  oder  wie  Bard  (1,  2)  es  formuliert  hat:  omnis  cellula  e  cellula 
ejusdem  generis.  In  der  That  darf  man  es  wohl  als  bewiesen  ansehen, 
dass  eine  Metaplasie  bei  der  Geschwulstentwickelung  keine  Rolle  spielt 
und  dass  jede  besondere  Geschwulstform  von  dem  gleichartigen  physio- 
logischen Gewebe  aus  sich  entwickelt.  Wenn  schon  Virchow  hervorge- 
hoben hatte,  dass  die  Geschwulstzellen  histologisch  mit  den  Zellen  des 
Mutterbodens  übereinstimmen,  so  haben  die  neuen  Untersuchungen  die 
Beobachtung  noch  erweitert  und  eine  Übereinstimmung  bis  auf  die  feinsten 
Details  nachgewiesen.  Selbst  bei  den,  die  stärkste  Atypie  aufweisenden 
Neubildungen,  den  Sarkomen  und  Carcinomen,  zeigen  die  Geschwulstzellen 
oft  die  gleiche  Kern-  und  Protoplasmastruktur,  wie  die  Zellen  des 
Mutterbodens.  Und  ich  habe  (8)  nachgewiesen,  dass  vielfach  selbst  die 
Altmannschen  Granula  in  den  Geschwulstzellen  in  gleicher  Menge  und 
Anordnung  vorhanden  sind,  wie  in  den  Zellen  des  Muttergewebes.  Auch 
darin  herrscht  allgemeine  Übereinstimmung,  dass  die  Zellenneubildung 
nach  den  gleichen  Gesetzen  verläuft  wie  normalerweise,  d.  h.  dass  die  Zell- 
teilung durch  indirekte  Kernteilung  eingeleitet  wird.  Nur  Hansemann  (5) 
hat  es  für  mögUch  gehalten,  dass  der  Typus  der  Kernteilung  bei  den 
Neoplasmen  ein  abweichender  wäre  und  gerade  hierin  die  Eigenart  der 
autonomen  Neubildungen  läge.  Er  wirft  die  Frage  auf,  ob  man  nicht 
sämtliche  echte  Geschwülste  auf  eine  Anaplasie,  d.  h.  eine  Entdifferenzierung 
and  zunehmende  Selbständigkeit  der  Zellen  zurückführen  könne  und  die 
gutartigen  Neubildungen  als  diejenigen  mit  geringster  Anaplasie,  die  bös- 
artigen als  solche  mit  stärkerer  Anaplasie  bezeichnen  dürfe.  Aber  gerade 
in  dem  Stadium,  in  dem  die  Anaplasie  am  stärksten  hervortritt  —  in  der 
Mitose  —  lassen  sich  in  den  gutartigen  Neoplasmen  nach  Hansemann 
keine  anaplastischen  Veränderungen  nachweisen,  so  dass  nach  seinem 
eigenen  Ausspruch  bisher  „einer  Verallgemeinerung  der  Theorie  über  die 


1)  Es  ist  das  auch  von  anderer  Seite  in  der  Weise  geschehen,  dass  man  Geschwülste 
mit  ausgebildetem  und  „embryonalen"  Zellcharakter  unterschied.  Bekanntermassen  ist  nament- 
lich von  den  Franzosen  mit  dem  Ausdruck  .embryonal*'  viel  Missbrauch  getrieben  worden. 
Wenn  man  für  embryonal  unfertig  sagt,  so  ist  eine  derartige  Einteilung  zu  rechtfertigen, 
vorüber  bei  den  Sarkomen  noch  weiteres  bemerkt  werden  soll. 


296  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Anaplasie  jede  Grundlage  fehlt."  Freilich  könnte  man  dem  entgegen- 
halten, das8  von  anderer  Seite  (Ströbe)  auch  in  gutartigen  Neubildungen 
anaplastische  Mitosen  beschrieben  worden  sind,  und  femer  darauf  hin- 
weisen, dass  man  um  so  weniger  Mitosen  zu  sehen  bekommt,  je  langsamer 
das  Wachstum  einer  Neubildung  ist.  Aber  immerhin  müsste  man  sich 
darüber  klar  sein,  dass  diese  Veränderungen  der  Zellen  höchstens  der  mor- 
phologische  Ausdruck  der  biologischen  Autonomie  der  Neubildungen, 
nicht  aber  ihre  Ursache  ist.  Doch  wird  auf  diesen  Punkt  besonders  bei 
der  Krebsfrage  noch  ausführlicher  eingegangen  werden  müssen. 

Was  nun  die  Entstehung  der  Neubildungen  anbetrifft,  so  sind  auch 
hier  die  Ansichten  noch  wenig  geklärt.  Zwei  Hauptansichten  stehen  ein- 
ander gegenüber:  die  eine  will  infektiösen  Momenten  die  Hauptrolle  zu- 
schreiben, die  andere  greift  auf  die  Cohnheimsche  Hypothese  von  der 
kongenitalen  Anlage  der  Geschwülste  zurück.  Bevor  wir  hierauf  näher 
eingehen,  wollen  wir  kurz  zwei  Arbeiten  erwähnen,  welche  die  schwierige 
Frage  von  der  Geschwulstentwickelung  in  rein  spekulativer  Weise  zu 
lösen  suchen.  Knaak  (7)  fasst  die  Entstehung  der  autonomen  Neubild- 
ungen als  einen  Rückbildungsprozess  auf;  wie  sich  alle  Gewebe  und  somit 
alle  Organe  aus  einer  Epithelzelle  (der  Ei-  und  Samenzelle)  entwickeln, 
so  könnten  durch  eine  Art  Rückbildung  die  dijfferenzierten  Zellen  auch 
wieder  ähnliche  Eigenschaften  erhalten.  Die  Zellen  erhalten  wieder  das 
Bestreben,  zur  Kolonieform  zurückzukehren  —  Rückkehr  vom  heteroplas- 
tiden  Zustand  zur  homoplastiden  Form  —  von  Knaak  als  CJoenobiose  be- 
zeichnet; oder  es  erfolgt  die  Rückbildung  bis  zu  den  niedersten  Formen, 
wobei  sie  neben  der  wiederkehrenden  Fortpflanzungsfähigkeit  (welche  sie 
als  Somazellen  nicht  hatten)  eine  unbegrenzte  Teilungs-  und  Keimfähigkeit 
erhalten.  Danach  unterscheidet  er  zwei  Klassen  von  Coenomen:  1.  Coe- 
nome  homologen  Charakters,  2.  Coenome  heterologen  Charakters  —  Rück- 
kehr zin*  niedersten  Zellform.  —  Schleich  (11)  glaubt  dem  Rätsel  der 
Geschwulstbildung  dadurch  näher  zu  kommen,  dass  er  sie  als  eine  Art 
Infektion,  d.  h.  „eine  spezifische  Alteration  des  Organismus  und  semer 
Teile  auffasst".  Während  bei  den  infektiösen  Neubildungen  pflanzliche 
Mikroben  den  tierischen  Organismus  infizieren,  handelt  es  sich  bei  der 
Geschwulstbildung  um  eine  endogene  Infektion."  Die  Geschwulst  ist  das 
Produkt  einer  pathologischen  Zeugmig  und  Befruchtung.  Ist  irgend  eine 
Zelle  in  erheblicher  Weise  mechanischen,  chemischen  imd  thermischen 
Reizen  ausgesetzt  worden,  so  kann  sie  „infektiös"  werden,  d.  h.  die  Rolle  der 
Spermazelle  übernehmen  und  die  anderen  tierischen  Zellen  zu  mehr  oder 
weniger  schrankenloser  Wucherung  anregen.  —  Die  kiurze  Angabe  dieser 
Ansichten  möge  dazu  dienen  den  Wert  derartiger  Spekulationen  zu  illu- 
strieren.   Auf  die  verkehrten    und   unrichtigen   Anschauungen,    welcher 


Hyperplasie  und  Geschwalste.  297 

K  na  aks  Auseinandersetzungen  zu  Grunde  liegen,  braucht  kaum  hingewiesen 
zu  werden  und  auch  bei  S c  hl  ei  c  hs  Analogisierung  mit  exogener  Infektion 
liegen  unklare  Vorstellungen  über  das  Wesen  der  autonomen  Neubildung 
zu  Grunde.  Aber  prinzipiell  muss  doch  betont  werden,  dass  derartige  Spekula- 
tionen gar  keinen  Wert  haben,  weil  dadurch  die  eigentlichen  Schwierig- 
keiten verschleiert  und  ein  unklarer  Vorgang  durch  einen  ebenfalls  nicht 
aufgeklärten  erklärt  werden  soll.    Die  Worte  „Rückbildung"  und  „geweb- 
liche  Infektion"   sind  in  keiner  Weise  imstande,  uns  das  Wesen  der  Ge- 
schwulstbildung zu  erhellen,  sondern  sie  geben  im  günstigsten  Falle  Um- 
schreibungen und  wenig  glückliche  Analogisierungen  des  auffallenden  Vor- 
ganges.   Dass  namentlich  durch  Schlei chs  Auffassung  die  Frage  noch 
erschwert  vdrd,  liegt  auf  der  Hand;    denn  wie  Körperzellen  durch   von 
aussen  kommende,  die  Zellsubstanzen  bekanntermassen  schädigende  Reize 
die  Fähigkeit  gewinnen  sollen,  die  Rolle  von  Ei-    und  Spermazellen  zu 
übernehmen,  müsste  dauernd  unverständlich  bleiben.    —   ÄhnHche  Aus- 
stellungen können  auch  gegen  die  Ideen  Klebs  (6)  vorgebracht  werden, 
dessen  Anschauungen  sich  in  mancher  Beziehung  mit  denen  Schleichs 
decken.     Allerdings  besteht  hier  doch  der  wesentliche  Unterschied,  dass 
sich  Klebs  überall  bemüht  hat,  durch  genaue  Beobachtung  eine  morpho- 
logische Stütze  für  seine  Theorieen  zu  schaffen.  Seiner  oben  erwähnten  An- 
sicht von  der  prinzipiellen  Gleichartigkeit  der  Hyperplasieen  mit  den  Ge- 
schwulstbildungen  giebt  er  weiter   dadurch  Ausdruck,  dass  er  annimmt, 
jede  Geschwulstbildung  begönne  mit  einer  Holob  lastose  — der  Wucherung 
sämtlicher  Elemente  des  Muttergewebes.     Die  relativ   einfachen    Ge- 
websgeschwülste  stellen  daher  nicht  das  Anfangs-,  sondern  das 
Endstadium  des  ganzen  Prozesses  dar;  erst  durch  den  Wettstreit 
der  einzelnen  die  Geschwülste  von  Anfang  an  zusammensetzenden  Geweben 
und  das  Überwiegen  der  einen  oder  der  anderen  Gewebsart,  entstehen  die 
sogenannten  einfachen  Geschwulsttypen,  die  aber  auch  mehr  in  der  Theorie 
als  m  der  Natur  existieren,  da  selbst  bei  den  einfachsten  Formen  neben 
der  Wucherung    der    speziellen    Gewebselemente   eine    Gefässneubildung 
nachweisbar  ist.    Diese  Auffassung  ist  insoweit  wohl  als  gerechtfertigt  an- 
zuerkennen,  als   sie  auf  die  scheinbar  autonomen  Hyperplasieen  zutrifft, 
welcher  wohl  ausnahmslos  an  entzündliche  Reize  anschliessen ;   bei   den 
sogen.  Polypen  der  Schleimhäute  —  besonders  der  Nasen-,  Magendarm- 
und  üterusschleimhaut  —  ferner  bei    den    eigenthchen  Papillomen   lässt 
sich  in  der  That  nachweisen,  dass  fast  alle  Gewebselemente  —  mit  Aus- 
nahme von  Nerven  und  Muskeln  —  in  Wucherung  geraten  sind;  und  je 
nach  dem  Überwiegen  des  drüsigen,   bindegewebigen  oder  Gefässgewebes 
kann  man  dann  auch  adenomatöse,  fibromatöse  und  angiomatöse  Polypen 
unterscheiden.    Auch  muss  man  zugeben,  dass  die  Theorie  bestechend  ist 


298  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

für  die  Erklärung  der  Mischgeschwtilste,  die  nach  Klebs  dadurch  entstehen, 
dass  die  verschiedenen  mit  einander  in  Wettstreit  Hegenden  Gewebsarten 
sich  annähernd  das  Gleichgewicht  halten.  Aber  auf  der  anderen  Seite  ist 
es  evident,  dass  mit  zunehmender  Autonomie  der  Neubildungen  die  Klebs- 
sche  Theorie  immer  ungiltiger  wird.  Gerade  bei  den  von  Klebs  zum 
Beweis  herangezogenen  Fibro-Neuromen  lässt  sich  die  von  vornherein  be- 
stehende Einfachheit  der  Neubildung  demonstrieren,  indem  hier  nur  das 
Nervenbindegewebe  wuchert,  die  Nervensubstanz  dagegen  vöUig  passiv 
sich  verhält  und  durch  Kompression  atrophiert  und  degeneriert;  dasselbe 
gilt  für  viele  Fibrome,  namenthch  der  Haut,  wo  man^  gleichviel  ob  die 
Wucherung  von  dem  bindegewebigen  Anteil  der  Nerven  oder  Drüsen  aus- 
geht, stets  die  völlige  Passivität  des  eigentlichen  Parenchyms  nachweisen 
kann.  Und  selbst  für  die  kompliziert  gebauten  Carcinome  und  Sarkome 
ist  es  leicht  nachweisbar ,  dass  ausschliesslich  die  den  Charakter  der  Neu- 
bildung bestimmenden  wenigen  Elemente,  nicht  aber  sämtliche  Gewebs- 
elemente  in  Wucherung  geraten,  was  besonders  auffallend  bei  den  Deck- 
epithelcarcinomen  der  Fall  ist,  wo  selbst  die  in  den  betreffenden  Bezirken 
vorhandenen  sonstigen  epithelialen  Zellen  (Anhangsdrüsen  der  Haut)  nicht 
mitwuchern,    sondern  allmählich    atrophieren.  Weiter  misst   Klebs 

namentlich  bei  den  bösartigen  Neubildungen  der  von  ihm  beobachteten 
Inmiigration  weisser  Blutkörperchen  in  die  fixen  Gewebszellen  eine  grosse 
Bedeutung  zu.  Nach  früher  an  Kanincheneiem  gemachten  Beobachtungen 
glaubt  er,  dass  durch  die  Leukocytenein Wanderung  den  Kernen  mehr 
Chromatin  geliefert  und  somit  die  Kern-  und  Zellteilung  angeregt  würde. 
In  gleicher  Weise  soll  auch  bei  der  Geschwulstentwickelung  d€is  Chromatin 
der  einwandernden  Leukocyten  von  dem  Chromatin  der  fixen  Zellen  assi- 
miliert werden  imd  somit  den  Leukocyten  eine  Art  von  befruchten- 
der Fähigkeit  zufallen.  Abgesehen  davon,  dass  selbst  nach  Klebs  Angabe 
die  Leukocytenimmigration  nur  bei  stark  prohferierenden  Neubildungen 
im  Anschluss  an  Cirkulationsstörungen  auftritt,  ist  die  Grundlage  der 
Theorie  anfechtbar  und  durch  embryologische  Beobachtungen  widerlegt. 
Namentlich  Rüge  hat  nachgewiesen,  dass  die  schon  von  Klebs  beobachtete 
Einwanderung  von  weissen  Blutkörperchen  in  Eizellen  nicht  mit  der  Pro- 
liferation, sondern  im  Gegenteil  mit  der  Rückbildung  der  Eier  zusammen- 
fällt :  nur  wenn  Eier  zu  Grunde  gehen,  wandern  Leukocyten  ein.  Das  Gleiche 
gilt  auch  für  die  autonomen  Neubildungen;  die  Leukocyteneinwanderuug 
geht  der  Neubildung  von  Gewebszellen  nicht  voraus,  sondern  tritt  erst  ein, 
wenn  die  Zellen  der  Neubildung  Ernährungsstörungen  anheimfallen,  d.  h. 
wenn  durch  einen  beginnenden  Gewebszerfall  positiv- chemotaktische  Stoffe 
frei  werden.  Das  ist  von  vielen  Beobachtern  u.  a.  auch  besonders  von 
ötroebe  nachgewiesen   worden.    Wären    aber  selbst  die  Beobaobtungeu 


Hyperplasie  und  Geschwülste.  299 

besser  mit  Klebs  Theorie  in  Einklang  zu  bringen,  als  es  der  Fall  ist, 
so  würde  das  Rätsel  nicht  gelöst,  sondern  die  Frage  nur  verschoben  und 
erschwert  sein.  Es  bliebe  eben  zu  beantworten,  wie  und  wodurch  plötz- 
lich so  indifferente  Zellen,  wie  Leukocyten,  die  Eigenschaften  der  am  höch- 
sten differenzierten  Zellen  —  der  Spermazellen  —  erwerben  können.  — 

In  Bezug  auf  die  Cohnheimsche  Theorie  betreffs   der  Entstehung 
der  Geschwülste    aus   bei   der   fötalen  Entwickelung  nicht    verbrauchten 
Zellen,  sind  zwar  im  einzelnen  zahlreiche  Beobachtungen  gesammelt  worden, 
welche  zur  Stütze  der  Theorie  angeführt  werden  können;  im  allgemeinen 
herrscht  aber  Übereinstimmung,  dass  die  Theorie  zur  Erklärung  der  Ent- 
stehung   aller   Neoplasmen  nicht   ausreicht,    nachdem   besonders    auch 
die  Versuche  Zahns   und   Leopolds   der   Theorie  eine  experimentelle 
Basis    zu    verleihen    gescheitert    sind ,    und    Weigert    hat    mitgeteilt, 
dass  auch  Cohnheim  selbst  in  seinen  letzten  Lebensjahren  nicht  mehr 
an  die  AUgemeingiltigkeit  seiner  Theorie  festgehalten  habe.    Von  grossem 
Interesse  sind  aber  jedenfalls  für  diese  Theorie  die  von  Roux  schon  vor 
7  Jahren  veröffentlichten  (10)  und  neuerdings  (10a)  wieder  demonstrierten 
Beobachtungen  über  die  Persistenz  und  Versprengung  von  Furchungszellen 
im  Froschembryo.    Roux  fand   nämlich   die  grossen,  durch  die  Dotter- 
kömer,  das  centrale  Pigment  und  den  äusserst  chromatinarmen  Kern  charak- 
terisierten  Furchungszellen    bei   Froschembryonen   vereinzelt  neben   dem 
Medullarrohr  oder  unter  der  epidermoidalen  Oberfläche  mitten  im  Gewebe 
persistierend ;  einmal  wurden  13  solche  versprengte,  persitierende  Furchungs- 
zellen in  einem  Embryo  gefunden.    Roux  konnte  weiter  feststellen,  dass 
sie  bei  sehr  spät  befruchteten  Froscheiern  ein  regelmässiges  Vorkommnis 
darstellen  und  es  gelang  ihm  auch  sie  experimentell  zu  erzeugen,  wenn 
er  einen  gewissen  Dnick  auf  die  Eier  einwirken  Hess.    Er  glaubt,   dass 
auch  bei  der  Entwickelung  menschlicher  Eier,  wenn  sie  vor  der  Befruch* 
tung  lange  im  Uterus  verweilt  haben,  ähnliche  Abnormitäten  vorkommen 
können.  —  So  interessant  die  Beobachtungen  an  sich  sind,  so  können  sie  doch 
für  die  Cohnheimsche  Lehre  nicht  eher  verwertet  werden,  als  bis  man 
weiss,  was  aus  diesen  persistierenden  Furchungszellen  weiter  wird,  imd  ob 
sie  vor  allem  ihre  Proliferationsfähigkeit  längere  Zeit  bewahren.  —  Die 
meisten  Autoren  lassen   die  Cohnheimsche  Theorie  nur  in  mehr  oder 
weniger  beschränkter  Ausdehnung  gelten.     So  möchte  sie  Birch-Hirsch- 
feld  (3)  hauptsächlich  auf  solche  Neubildungen  beschränkt  wissen,  welche 
bereits  im  jugendlichen  Alter  auftreten.  Ziegler  (13)  teilt  die  Neoplasmen 
nach  ihrer  Entstehungsweise  in  4  Gruppen  ein:  1.  in  solche,  die  aus  einer 
besonderen  kongenitalen  Anlage  hervorgehen,  so  dass  sie  im  gewissen  Sinne 
als  örtliche  Gewebsmissbildungen  angesehen  werden  können.  Hierher 
gehören  manche  Osteome,  Chondrome,  Angiome,  Fibrome,  Sarkome,  Ade- 


300  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

nome;  sie  sollen  nach  Ziegler  vererbbar  sein.  Als  besondere  Unter- 
gruppe unterscheidet  er  noch  solche  Tumoren,  die  von  verirrten  oder  trans- 
formierten Gewebskeimen  ausgehen  (Muskel-  und  Knorpelgeschwülste  der 
Niere,  des  Hodens  und  der  Parotis  etc.),  2.  In  solche,  die  nach  traumati- 
schen Gewebsverletzungen  auftreten,  wobei  etwa  7 — 14®/q  aller  Fälle  hin- 
gehören sollen.  3.  In  solche,  die  an  Entzündungen,  namentUch  an  Ge- 
schwürs- und  Narbenbildung  anschliessen  (Gallenblasen-  und  Magenkrebse; 
Lupus-  und  Syphiliscarcinome).  4.  In  solche,  wo  die  Entwickelung  da- 
durch ausgelöst  wird,  dass  die  das  Gewebe  zusammensetzenden  Teile 
eine  ungleiche  Rückbildung  erfahren,  so  dass  gewisse  Wachstumswider- 
stände aufgehoben  oder  veringert  werden  (Krebse  des  höheren  Alters).  Man 
kann  diese  Einteilung  als  eine  erschöpfende  anerkennen,  um  so  mehr  als 
sie  von  ihrem  Autor  nicht  mit  dem  Anspruch  aufgestellt  wird,  das  Wesen 
der  Geschwulstbildung  zu  erklären  —  sondern  sie  giebt  mehr  eine  Zu- 
sammenfassung derjenigen  Umstände,  unter  denen  wir  Neoplasmen  auf- 
treten sehen,  ohne  behaupten  zu  wollen,  dass  diese  Umstände  auch  die 
Ursachen  der  Gewebsneubildung  wären.  Thoma  (12)  unterscheidet  2  Haupt- 
ursachen für  die  Geschwulstbildung.  1.  Die  von  Cohnheim  in  „offenbar 
viel  zu  weit  gehender  Weise  verallgemeinerte  Aberration  fötaler  Keime." 
2.  Äussere  (traumatische,  toxische  und  infektiöse)  Ursachen.  Aber  auch 
hier  ist  es  noch  nötig  eine  besondere,  angeborene  oder  mit  dem  Alt^r 
zunehmende  Disposition  anzunehmen,  welcher  namentUch  bei  der  Ätio- 
logie der  Krebse  ein  Hauptanteil  zukonunen  dürfte.  —  Hanau  (4),  welcher 
bei  der  Untersuchung  eines  Acardiacus  anceps  zum  Resultat  gekommen 
war,  dass  histiologische  Struktur  und  Wachstum  der  Gewebe  von  der  idio- 
plastischen  QuaUtät  der  Zellen,  die  Ausbildung  der  Form  aber  wenigstens 
zum  grössten  Teil  durch  mechanische  Momente  bedingt  ist,  schlägt  daran 
anschliessend  folgende  hypothetische  Einteilung  der  autonomen  Neubil- 
dungen vor,  die  mehr  die  Veränderungen  der  Gewebe,  als  ihre  Zusammen- 
setzung berücksichtigt.  1.  Tumoren,  aus  mehr  oder  weniger  gut  ausge- 
bildeten Organen  zusammengesetzt,  Teratome,  welche  einer  gröberen 
Transplantation  eines  Keimteiles  ihre  Entstehimg  verdanken.  2.  In  gleich- 
artigem Gewebe  eingelagerte,  aber  in  ihrer  Struktur  durch  andersartige 
Anordnmig  der  zelUgen  Elemente  und  der  Stützsubstanz  abgegrenzte  Tu- 
moren; öfters  mit  selbständiger  unbegrenzter  Wachstumstendenz:  Myome, 
Fibrome,  Chondrome,  Osteome,  Angiome,  manche  Adenome.  Dieselben 
sind  dm-ch  die  Annahme  gewöhrdich  embryonal  mechanisch  isoUerter,  aber 
innerhalb  ihrer  spezifischen  gewebUchen  Qualität  weiter  entwickelter  Zell- 
haufen erklärbar.  3.  Tumoren  aus  stets  embryonal  bleibendem,  zum  Altem 
unfähigem  Gewebe,  die  Sarkome.  Hier  genügt  die  Annahme  embryonal 
abgeschnürter  Keime  allein  nicht,  man  müsste  zugleich  noch  einen  „idio- 


Hyperplasie  und  GeschwfilBte.  301 

plastischen  Fehler"  der  Zellen  annehmen.  4.  Die  Carcinome,  deren  Cha- 
rakteiistikum  die  neuerworbene  Eigenschaft  desfipithels  ist,  in  andere  Ge- 
webe schrankenlos  einzudringen  und  sich  auch  losgelöst  vom  Mutterboden 
zu  vermehren,  wobei  aber  die  physiologische  Umwandlungsfähigkeit  des 
Epithels  imd  die  Eigenschaft,  sich  nach  Analogie  des  Mutterepithels  zu 
gruppieren,  erhalten  bleiben  kann.  Diese  Gruppe  muss  völlig  isoliert  betrach- 
tet werden  und  ist  nicht  durch  eine  gemeinsame  Hjrpothese  mit  jenen  zu 
erklären.  —  Im  Gegensatz  zu  diesen  Untersuchem,  die  in  mehr  oder  weni- 
ger bestinomter  Weise  einen  gemeinsamen  Erklärungsversuch  für  alle  auto- 
nomen Neubildungen  abweisen,  steht  Ribbert  (9).    Er  kommt  vielmehr 
auf  Grund  seiner  Untersuchungen  und  Überlegungen  zu  dem  Ergebnis, 
„dass  es  keinen  prinzipiellen  Unterschied  in  der  Genese  der 
intrauterinen,   respektive   auf  Grund   intrauteriner  Prozesse, 
und  der  nach  der  Geburt  sich  entwickelnden  Tumoren  giebt.'' 
Auch  bei  den  aus  embryonal  aberrierten  Keimen  entstehenden  Geschwülsten 
müssten  erst  noch  besondere  Bedingungen  erfüllt  sein,  damit  es  zur  auto- 
nomen Neubildung  käme.    Aus  accessorischen  Schilddrüsen,  aus  Neben- 
milzen und  Nebenlebern  entständen  keine  Tumoren,  weil  der  verlagerte 
Teil  in  der  Hauptsache  ebenso  gebaut  ist,  wie  die  Organe,  von  denen  sie 
abgesprengt  wurden,  gleiches  gelte  auch  von  den  accessorischen  Neben- 
nieren,  aus  denen  nur  unter  besonderen  Bedingungen  Geschwülste  ent- 
stehen können.    Wenn  ein  normales  Organ  bis  zu  seiner  durch  Vererbung 
übertragenen  Grösse  gewachsen  ist,  befinden  sich  alle  Teile  desselben  in 
einer  Art  gegenseitiger  „Spannung",   unter  der  man  die  Summe  aller 
gegenseitigen  Einflüsse   der  Organbestandteile  auf  einander 
versteht.    Je  stärker  nun  in  einem  abgesprengten  Teile  die  Strukturab- 
weiehungen  sind,  um  so  geringer  wird  Gewebsspannung  und  um  so  länger 
dauernd  die  Proliferation  sein.  Diese  Absprengung  von  Organbestandteilen 
braucht   nicht   notwendig  zu    einer   räumlichen   Verlagerung   zu    führen, 
sondern  die  abgelösten  Zellgruppen  können  auch  im  Innern  des  Organs 
liegen  bleiben.     Nicht   unter   allen  Umständen   braucht  hieran  eine  Ge- 
schwulstentwickelung anzuschliessen,  sondern  die  aberriei'ten  Keime  können 
zu  Grunde  gehen,  wenn  sie  nur  geringe  Wachstumsenergie  besitzen  oder 
am  neuen  Orte  ungenügend  ernährt  werden  oder  zu  grossen  Widerstand 
finden.  Ist  dies  aber  nicht  der  Fall,  so  wird  der  gelöste  Zellabschnitt  schneller 
oder  langsamer  wachsen  und  so  dürften  auch  die  auf  embryonaler  Abspal- 
tung beruhenden  Neubildungen  bereits  kongenital,  wenn  auch  vielleicht  oft 
in  geringer  Ausdehnung,  vorhanden  sein.    Ribbert  legt  also  den  Haupt- 
nachdruck nicht  auf  den  embryonalen  Charakter  der  Zellen,  sondern  auf 
ihre  Loslösung   aus  dem  organischen  Zusammenhange;  nur  so 
lange  dieser  Zusammenhang  bestände,  ordnete  sich  die  Zelle  in  typischer 


302  AUgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

Weise  in  dass  sich  gesetzmässig  entwickelnde  Gewebsganze  ein.  —  Indem  er 
an  der  Hand  vieler  Beispiele  auch  für  die  intrauterin  entstehenden  Tu- 
moren nachzuweisen  sucht,  dass  gerade  auf  die  Loslösung  der  Zellen  aus 
dem  organischen  Zusammenhange  alles  ankommt  imd  z.  B.  der  Meinung 
ist,  dass  aus  den  in  der  Niere  eingelagerten  Nebennierenabschnitten  nur 
dann  Tumoren  entstehen  könnten,  wenn  aus  dem  Zusammenhange  der 
verlagerten  Abschnitte  noch  einzelne  Zellen  oder  Zellgruppen  abgetrennt 
würden,  will  er  eine  Brücke  schlagen  zu  der  Entstehung  von  Neubildungen 
im  extrauterinen  Leben;  auch  hier  soll  die  Abspaltung  von  Gewebskeimen 
aus  dem  organischen  Zusammenhang  die  Grundlage  der  Geschwulstbildung 
sein.  Zur  Stütze  dieser  Anschauung  führt  er  1.  die  multiplen  Chondrome 
und  Exostosen  an,  welche  nach  Virchows,  später  von  Ackermann, 
Hanau,  Zeroni  u.  a.  bestätigten  Beobachtungen  aus  Knorpelteilen  hervor- 
gehen, die  bei  anormaler  Ossifikation  an  den  EpiphysenUnien,  z.  B.  bei 
Rachitis  aus  dem  Zusammenhange  mit  dem  übrigen  Knorpel  getrennt 
wm-den.  2.  Die  aus  Decidua-  und  Piacentarresten  entstehenden  Uterussar- 
kome. 3.  Die  durch  abgesprengte  Epithelien  zustande  kommenden  Cysten 
der  Finger  und  der  Iris.  4.  Die  bei  chronischer  Entzündung  der  Leber 
und  Niere  auftretenden  Adenome ;  namentlich  in  der  Niere  soll  es  evident  sein, 
dass  sie  aus  völlig  aus  dem  Zusammenhang  gelösten  Hamkanälchenabschnitten 
hervorgehen.  5.  Die  Entstehung  von  Carcinomen  durch  Epithelverlagerung, 
wie  sie  z.  B.  von  Pfannenstiel  im  Anschluss  an  die  Operation  eines 
gutartigen  Ovarialtumors,  von  ßibbert  im  Anschluss  an  die  Exstirpation 
einer  Urächuscyste  beobachtet  wurde.  6.  Die  Metastasenbildung  seitens  gut- 
artiger Geschwülste  (Adenome  und  Enchondrome),  welche  nur  dadurch  ein- 
tritt, dass  die  aus  dem  Zusammenhange  gelösten  Zellen  selbständig  weiter 
wuchern.  7.  Die  Beobachtungen,  dass  die  Bildung  von  Carcinomen  mit 
der  Absprengung  von  Epithelzellen  durch  wucherndes  Bindegewebe  be- 
ginnt. 8.  Die  durch  künstliche  Verlagerung  von  Chordazellen  von  ihm 
experimentell  erzeugte  Ekchondrosis  physaüfora.  —  Danach  gelangt  er 
zu  dem  Schluss:  „Die  Geschwülste  entstehen  vor  und  nach  der 
Geburt  auf  Grund  einer  teilweisen  oder  völligen  Abtrennung 
von  Zellen  oder  Zellgruppen  aus  dem  organischen  Zusammen- 
hang. Die  abgespaltenen  Keime,  dem  Einfluss  eines  in  sich 
geschlossenen  Zellverbandes  entzogen,  wachsen,  sofern  sie 
nur  vermehrungsfcähig  sind  und  ohne  erhebliche  Unterbrechung 
ihrer  Ernährung  in  eine  für  ihre  Fortexistenz  günstige  Umge- 
bung gelangen,  selbständig  und  werden  zu  Tumoren,  die  je  nach 
der  Grösse  und  Organisation  des  abgesprengten  Keimes  bald  in 
der  Hauptsache  mit  dem  Organ,  von  welchem  sie  herrühren, 
übereinstimmen,   bald  mehr,  bald  völlig  von  ihm  abweichen/' 


Hyperplasie  und  Gresckwfilste.  303 

Dass  die  Ribbertsche  Hypotliese  den  Vorzug  der  Einheitlichkeit 
für  sich  hat,  wird  niemand  leugnen  können.    Auch  das  muss  zugegeben 
werden,  dass   durch  die  Losiösung  von  Zellen  aus  dem   organischen  Zu- 
sammenhang  diejenigen  Eigenschaften  der  Zellen,  welche  durch  die  Ver- 
bindung mit  anderen  Zellen  beschränkt  werden,  stärker  hervortreten  müssen; 
dass  aber  gerade  die  Proliferationsfähigkeit  der  Zellen  durch  den  Zusammen- 
hang mit  anderen  Zellen  wesentlich  durch  andere,  als  durch  mechanische 
(räumliche)  Verhältnisse  beschränkt  wird,  müsste  erst  noch  bewiesen  wer- 
den.   Ribbert   steht   hier   jedenfalls   im    eigentümlichen  Gegensatz  zu 
Hansemann,    welcher   die    schrankenlose  Wucherung   bösartiger   Ge- 
schwülste durch  eine  EntdifEerenzierung  der  Zellen  erklären  will,  während 
ßibbert  sie  gerade  auf  das  unbeschränkte  Hervortreten  der  spezifischen 
Zelleigenschaften  zurückführen  will.    Femer  muss  berücksichtigt  werden, 
dass  die  abgelösten  Zellen,  wenn  sie  gute  Emährungsbedingungen  weiter 
finden  sollen,   sich  doch  fest  in  ein  Ganzes  einfügen  müssen,  also  auch 
liier  wieder  in  Beziehung  zu  Zellen  treten,  welche  in  mechanischer  Weise 
die  Proliferation  der  Zellen  begrenzen  müssen.    Freilich  scheint  es  nicht 
Ton  der  Hand  zu  weisen,  dass   unter  gewissen  Bedingungen   abgelöste 
Zellen  noch  proliferieren  können;  aber  das  ist  doch  wohl  hauptsächlich 
dann  der  Fall,  wenn  noch  ein  Zusammenhang  mit  dem  Mutterboden  be- 
steht, und  jedenfalls  meist  nur  in  sehr  bescheidenem  Masse.    Auch  die 
besonderen  von  Ribbert  zur  Stütze  seiner  Auffassung  herangezogenen 
Beispiele  sind  nicht  völlig  beweiskräftig;  bei  den  Enchondromen  handelt 
es  sich  eben  um  Zellen,  deren  besondere  Bestimmung  durch  die  Störungen 
der  Ossifikation  nicht  erreicht  wurde,  also  im  gewissen  Sinne  um  unfertige 
Zellen,  die  auf  Grund  ihrer  idioplastischen  Eigenschaften  auch  an  abnormen 
Orten  das  Endziel  ihres  physiologischen  Entwickelungsprozesses  erreichen. 
Auch  das  sicher  äusserst  interessante  Ergebnis  der  Ribbertschen  Ver- 
suche zur  Erzeugung  einer  Ekchondrosis  physalifora  kann,  wie  Ribbert 
selbst  zugiebt,  aus  verschiedenen  Gründen  nicht  beweisend  für  die  Theorie 
sein,  vor  allem  weil  die  Versuche  noch  nicht  lange  genug  fortgesetzt  sind, 
um  sicher  zu  stellen,  dass  man  es  wirklich  mit  einer  „autonomen"  Neubildung 
zuthun  hat.  Bei  den  meisten  übrigen  Beispielen,  so  besonders  der  Entstehung 
von  Uterussarkomen  aus  Decidual-  und  Chorionzellen,  ist  doch  die  Loslösung 
der  Zellen  nur  ein  Moment  und  es  kann  fraglich  sein,  ob  es  der  aus- 
schlaggebende Faktor  ist,  da  ja  geringe  Mengen  von  Deciduazellen  wohl 
regelmässig  im  Uterus  zurückbleiben.     Ebenso  ist  es,  die  Richtigkeit  von 
Pfannenstiels  und  Ribberts  Beobachtungen  zugegeben,  keineswegs 
beMfiesen,  dass  die  Carcinome  nur  dadurch  entstanden,  dass  in  die  Wunde 
losgelöste  Tumorzellen    hineingelangten,   denn  für   gewöhnlich    folgt  der 
Transplantation  von  Zellen  gutartiger  Ovarialgeschwülste  lediglich  die  Aus- 


304  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

bildung  einer  gleichartigen  Neubildung  am  fremden  Ort  (vgl.  z.  B.  Baum- 
gartens  bekannten  Fall).  Noch  weniger  erscheint  es  bewiesen,  dass  eine 
Metastasierung  gutartiger  Neubildungen  nur  dadurch  zustande  kommt, 
dass  die  Zellen  aus  dem  Zusammenhang  gelöst  werden,  denn  sonst  dürfte 
eine  derartige  Metastasierung  nicht  so  ausserordentlich  selten  sein.  Auch 
die  Beobachtungen  über  die  unter  anderen  Verhältnissen  auftretenden 
Metastasierungen  von  Leberzellen,  sowie  Placentar-  und  Knochenmarks- 
riesenzellen sprechen  dagegen,  wie  Ribbert  selbst  andeutet,  wenn  auch 
nicht  zugiebt.  Ich  möchte  gegen  Ribberts  Meinung,  dass  diese  Zellen 
keine  genügende  Wachstumsenergie  besitzen  und  auch  deswegen,  weil 
sie  bei  krankhaften  Prozessen  auftreten,  rasch  in  der  Blutbahn  zu  Grunde 
gehen,  noch  hervorheben,  dass  auch  bei  Tierexperimenten  die  vorher  durch- 
aus gesunden,  verschleppten  Zellen  rasch,  ja  rascher  wie  beim  Menschen,  zu 
Grunde  gehen.  Das  ist  sowohl  bei  Leber-,  wie  bei  Nieren-  und  Hautepithelien 
der  Fall,  auch  dann,  wenn  man  die  eben  entnommenen  Zellen  demselben  In- 
dividuum einspritzt,  auch  dann,  wenn  man  in  mitotischer  Teilung  begriffene 
Zellen  benutzt.  Auch  nicht  der  Versuch  einer  Proliferation  wird  beobachtet. 
In  neueren,  erst  begonnenen  Versuchen  bin  ich  so  vorgegangen,  dass  ich 
Kaninchen  zunächst  keilförmige  Stückchen  aus  der  Niere  excidierte  und 
dann  nach  einiger  Zeit  die  regenerierten,  wuchernde  Zellen  reichlicher  ent- 
haltenden Stückchen  demselben  Tiere  in  die  Bauchhöhle  transplantierte, 
bis  jetzt,  ohne  dass  die  verschleppten  Nierenzellen  irgendwelche  Prolifera- 
tionserscheiiumgen  darboten.  Wenn  endlich  die  Leber-  imd  Nierenadenome 
bei  Schrumpf leber  und  -Nieren  herangezogen  werden,  so  muss  doch  gerade 
hervorgehoben  werden,  dass  sowolil  Leber-  wie  Nierenadenome  auch  unter 
anderen  Bedingungen  und  ohne  nachweisbare  Absprengungen  von  Zell- 
gruppen angetroffen  werden.  Der  letzte  Punkt,  die  Entstehung  der  Car- 
cinome,  würde  zu  einer  ausführlichen  Kritik  herausfordern,  welche  aber 
erst  weiter  unten  bei  den  Carcinomen  vorgenommen  werden  soll.  So 
bestechend  mir  auch  nach  mancher  Richtung  Ribberts  Hjrpothese  er- 
scheint, so  scheint  sie  mir  an  dem  Grundfehler  zu  kranken,  welcher  den 
meisten  Erklärungsversuchen  seit  Virchow  anhaftet,  dass  mji  die  beson- 
deren Eigenschaften  der  Zellen  zur  Erklärung  herangezogen,  eine  beson- 
dere Organ-  oder  allgemeine  Disposition  nicht  mehr  zugelassen  wird.  In 
wiefern  nach  meiner  Meinxmg  die  rein  lokalistische  Geschwulsttheorie  un- 
zureichend ist,  soll  an  den  geeigneten  Stellen  der  speziellen  Morphologie 
der  Geschwülste  gezeigt  werden.  Ebenso  sei  auch  in  Bezug  auf  den  Ein- 
fluss  des  Alters,  der  Vererbung  und  die  Multiplizität  der  Neoplasmen  auf 
den  speziellen  Teil  verwiesen. 

Hier  sei  nochmals  folgendes  hervorgehoben:   1.  Unter  autonomen 
Neubildungen  hat  man  nach  dem  jetzigen  Stande  unserer 


Geschwülste,  Fibrome.  305 

Wissenschaft  Gewebswucherungen  zu  verstehen,  die  oft 
ohne  nachweisbaren  Anlass  entstanden,  zwar  in  Bezug  auf 
die  Gewebsstruktur  mehr  oder  weniger  mit  dem  Mutterbodeu 
übereinstimmen,  in  Bezug  auf  die  Körperform  dagegen  aty- 
pisch sind  und  funktionell  entweder  qualitativ  unterschieden 
siiul  oder  doch  wenigstens  durch  den  anatomischen  Bau 
ihre  Funktion  nicht  dem  Gesamtkörper  zugute  kommen 
lassen  können.  2.  Die  Einteilung  dieser  Neubildung  geschieht 
am  besten  unter  Berücksichtigung  histogenetischer  und 
physiologischer  Grundsätze.  3.  Es  erscheint  zur  Zeit  un- 
möglich, einen  einheitlichen  Erklärungsversuch  für  die  Ge- 
schwulstentwickelung aufzustellen. 

A.  Bindesabstanzneubildangen. 

I.  Fibrome. 

Litteratur. 

1.  D'Aodibert  Caille  du  Boarguet  et  Legrain,  Observation  de  fibroma  moUuscum 
g^neralisöe.    Annales  de  dermatol.  et  syphiligr.  1893.  Nr.  4. 

2.  Berliner,  Über  spontane  Eeloide.    II.  Internation.   dermatol.  Kongress.    Wien  und 
Leipzig.    W.  Braumflller.  1893. 

3.  Brigidi,   Multiple   Neurofibrome    der   peripherischen   Haut-    und   Muskelneryen   mit 
Fibroma  mollnscum.    Monatschr.  f.  prakt.  Dermatol.  Bd.  XIX.  Nr.  4  u.  5. 

4.  Bruns,  über  das  Rankenneurom.    Beiträge  zur  klin.  Chirurgie.  Bd.  8.  8.  1.  1892. 
0.  Garrö,  Über  sekundftr  maligne  Neurome.    Ebenda.  Bd.  9.  S.  465.  1892. 

6.  Goldmann,  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Neuromen.    Ebenda.  Bd.  10.  S.  18.  1893. 

7.  Herczel,   Über  Fibrome  und  Sarkome   der  peripherischen  Nerven.    Zieglers  Beitr. 
Bd.  VIII.  8.  38.  1890. 

^.  Jordan,    Pathologisch-anatomische   Beiträge   zur    Elephantiasis   congenita.     Ebenda. 

Bd.  Vni.  8.  71.  1890. 
9.  Jflrgens,    Zur  Kasuistik   der    primären   Herzgeschwttlste.     Berl.   klin.  Wochenschr. 

Bd.  28.  Nr.  42.  1891. 
10.  Moses,  Ein  Fall  von  hereditärem  multiplen  Fibroma  molle  mit  Elephantiasis  mollis. 

Demonstration  in  der  Berliner  med.  Gesellschaft.  Sitzung  vom  26.  Nov.  1890.  Deutsch. 

med.  Wochenschr.  Nr.  49.  1890. 
H.  Pooley,    Gase   of  molluscum   fibrosum.     Journal   of  cut.   and  genit-urin.    diseases. 

March  1894. 

12.  Schütz,  Ein  Fall  von  sogenanntem  wahren  Keloid  kombiniert  mit  Narbenkloid.  Arch. 
t  DermatoL  u.  Syphilis.  Bd.  29.  1894. 

13.  Suchannek,.  Beiträge  zur  Rhinopathologie.    Eorrespondenzblatt  f.  Schweiz.  Ärzte. 
Bd.  22.  1892. 

14.  Unna,  Die  Histopathologie  der  Hautkrankheiten.    Abschnitt  Keloid-Neurofibrom.  S.  842 
u.  847.    Berlin.  A.  Hirschwald.  1894. 

Es  kann  hier  nicht  die  Aufgabe  sein,  alles,  was  über  die  Fibrome 
fetgestellt  ist,  wiederzugeben.  Die  Einteilung  und  Entwickelungsgeschichte 

Lnbarscb-Ostertaif,  Ergebniise  Abteil.  II.  20 


306  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

der  Fibrome  ist  bereits  im  wesentlichen  von  Vircho  w  umfassend  geschildert 
worden,  und  seine  Auffassungen  erfreuen  sich  noch  heute  allgemeiner  An- 
erkennung. Hier  sollen  nur  einige  für  die  allgemeine  Pathologie  dieser 
Geschwülste  wichtige  Punkte  auf  Grund  der  neueren  Litteratur  berührt 
werden  und  zwar  1.  Einfluss  von  Traumen  und  Entzündungen  auf  ihre 
Entstehung,  2.  Bedeutung  der  kongenitalen  Anlage  und  Heredität,  3.  Mul- 
tiplizität  der  Fibrome.  — 

ad  1.  Gerade  bei  den  Fibromen  liegt  der  Gedanke  einer  entzünd- 
lichen oder  traumatischen  Entstehung  besonders  nahe,  weil  sie  in  der 
Struktur  häufig  Ähnlichkeit  mit  Narbengewebe  besitzen  und  unter  solchen 
Umständen  auftreten,  wo  Entzündung  einen  Einfluss  gehabt  haben  kann. 
Besonders  tritt  das  ja  bei  der  Elephantiasis,  Klebs  difEusem  Fibrom, 
deutlich  hervor;  aber  auch  bei  dem  tuberösen  Fibrom  hat  bereits  Virchow 
auf  die  mitunter  sehr  deutlichen  Beziehungen  zu  Entzündungen  hingewiesen, 
besonders  bei  den  Fibromen  in  der  Marksubstanz  der  Niere.  Und  das 
ist  wohl  fast  allgemein  bestätigt  worden ;  nur  möchte  ich  darauf  hinweisen, 
dass  nicht  selten  auch  in  der  Nierenrinde  kleine  Fibrome  auftreten,  die 
fast  noch  deutlicher  als  entzündliche  Hyperplasieen  erkannt  w^erden  können, 
da  an  diesen  Stellen  so  gut,  wie  regelmässig,  selbst  wenn  sonst  entzünd- 
liche Veränderungen  fehlen,  Verwachsungen  mit  der  Nierenkapsel  nach- 
weisbar sind.  —  Was  die  Einflüsse  von  traumatischen  Reizen  anbetrifft, 
so  sei  hier  ein  von  Suchannek  (13)  berichteter  Fall  erörtert,  der  nach 
einer  Fraktur  des  Septum  narium,  ein  Fibroma  pendulum  sich  entwickeln 
sah,  welches  sich  wahrscheinlich  aus  einem  Stück  der  zerfetzten  Schleim- 
haut gebildet  hatte.  Hier  scheint  in  der  That  das  Trauma  die  Ursache 
der  Fibrombildung  gewesen  zu  sein,  was  bei  dem  Falle  von  Pooley  (11), 
wo  sich  im  Anschluss  an  ein  Erysipel  multiple  Fibrome  entwickelten,  nicht 
mit  gleicher  Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden  kann.  Hier  ist  höch- 
stens zuzugeben,  dass  das  Erysipel  die  Bedeutung  einer  Gelegenheitsursache 
gehabt  hat.  —  feine  gewisse  Bedeutung  wird  bekanntlich  traumatischen 
Einflüssen  bei  den  sogenannten  Keloiden  zugeschrieben.  Während  man 
früher  scharf  die  Narbenkeloide  von  den  spontanen  Keloiden  imterschied, 
sind  namentlich  die  Dermatologen  von  dieser  Auffassung  zurückgekommen. 
Unna  (14),  Schütz  (12),  Berliner  (2)  stimmen  darin  überein,  dass  das 
Vorkommen  eines  „spontanen"  Keloids  nicht  bewiesen  sei,  Schütz  hebt 
besonders  hervor,  dass  das.  für  die  „wahren"  Keloide  angeblich  charak- 
teristische Merkmal  —  das  Intaktsein  des  Papillarkörpers  —  noch  keines- 
wegs beweise,  dass  überhaupt  kein  Trauma  stattgefunden  hatte,  weil  es 
subepidermoidal  erfolgt  sein  kann,  und  Unna  giebt  sogar  im  Anschluss 
an  einen  Fall  von  Babes  an,  dass  über  einem  anscheinend  „spontanen" 
Keloide  durch  Druckatrophie   der  Papillarkörper   zum  Schwund  gebracht 


Geschwülste,  Fibrome.  307 

werden  könne.    Sicher  ist  jedenfalls,  dass  die  meisten  Keloide  sich  auf  dem 
Boden  entzündlicher  oder  traumatischer  Vorgänge  entwickeln;  Berliner  (2) 
geht  aber  entschieden  zu  weit,    wenn  er  annimmt,  dass  alle  Keloide  von 
akneartigen  Störungen  ausgehen.     Unna  misst  namentlich  dem  Auftreten 
von  Granulationsgewebe  —  gleichviel  ob  es  sich  um  Wund-  oder  infektiöse 
Granulationen  (Lupus,  Syphilis)  handelt  —  grosse  Bedeutung  bei;  er  selbst 
beobachtete  einen  Fall,  wo  sich  bei  einem  Leprösen  nach  Ätzungen  flecken- 
förmiger  Neurolepride  173  Keloide  entwickelten.    Er  unterscheidet  transi- 
torische  und  bleibende  Keloide;  das  charakteristische  an  beiden  ist 
die  perivaskuläre  Anlage  der  Bindegewebswucherung,  so  dass  die  Gewebs- 
züge  des  Fibroms  wurzelartig  aus  einzelnen  Gefässen  entspringen  und  der 
Hauptgefässrichtung  parallel  laufen;    während   aber    bei    den    bleibenden 
Keloiden   an   die  Bindegewebswucherung  eine  Verdickung  der  koUagenen 
Fasern  anschhesst,  wodurch  Gefäss-  und  Zellzüge  atrophieren  und  auch  die 
übrigen  Kutisbestandteile  komprimiert  und  verdrängt  werden,   ist  bei  den 
transHcmscben  Formen  die  Fibromatose  nur  vorübergehend  und  das  letzte 
Stadium  der  koUagenen  Hypertrophie  wird  nicht  erreicht.    Deswegen  be- 
j^tt'ht  nach  Exstirpation  des  Narbenkeloides  auch  keine  so  starke  Tendenz 
zum  Rezidivieren,  wie  den  scheinbar  „spontanen"  Formen.  Gerade  hieraus 
scheint  nun  doch  hervorzugehen,   dass  den  traumatischen  und  entzünd- 
liehen Momenlen  für  die  Entstehung  der  Keloide  doch  nur  dann  eine  Be- 
'leutung  zukommt,  weim  sozusagen  eine  besondere  fibromatose  Disposition 
besteht  und  dass  auch  hier  noch  ein  unbekanntes  Etwas   die  eigentliche 
Ursache  der  Persistenz  und  Rezidivierung  der  Keloide  ist.    Denn  einfach 
durch  die  traumatische  Schädlichkeit  könnte    die   Neigung  zum  Wieder- 
keliren  nicht  erklärt  werden.   —   Wenn  Schütz  (12),  der  im  übrigen  mit 
Unna  völlig  übereinstimmt,  das  Keloid  nicht  zu  den  Fibromen  rechnen 
will,  weil  ihm  die  elastischen  Fasern  fehlen,  so  kann  das  als  ein  ausschlag- 
gebender Grund  nicht  angesehen  werden.  — 

ad  2.  Die  kongenitale  Anlage  von  Fibromen  wird  durch  eine  Reihe 
von  Fällen  wahrscheinlich  gemacht  oder  sicher  gestellt.  So  teilt  Jürgens  (9) 
einen  Fall  mit,  wo  er  bei  einem  10  Monate  alten,  an  Gehirn-  und  Lungen- 
tuberkulose verstorbenen  Kinde  an  der  vorderen  Wand  des  rechten  Vor- 
hofes ein  kirschgrosses,  breit  aufsitzendes  Fibrom  fand,  das  wegen  des  kind- 
lichen Alters  doch  wohl  als  kongenitaler  Natur  betrachtet  werden  dürfte. 
Die  sichersten  Anhaltspunkte  für  die  Lehre  von  der  kongenitalen  Anlage 
!    von  Fibromen  bieten  uns  aber  die  multiplen  Fibrome  der  Haut  und  Ner- 
I    ven,  über  die  wir  ja  besonders  durch  die  Untersuchungen  v.  Reckling- 
hauseus  neue  Aufklärungen  erhalten  haben.  So  konnte  Bruns  (4)  unter 
j    •12  Fällen  von  sogenannten  Rankenneuromen  23mal  kongenitales  Auftreten 
!    nachweisen,  2raal  waren  sie  im  ersten  Lebensjahre,   Imal  im  2.,  je  2mal 

20* 


308  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

im  4.  und  5.,  je  Imal  im  6.,  8.  und  9.  Lebensjahre  aufgetreten,  so  dass 
Bruns  es  mit  Recht  für  einleuchtend  erklärt,  dass  die  Anlage  der 
Rankenneurome  stets  in  die  Fötalzeit  zurückreicht.  Sehr  häufig  besteht 
dabei  eine  Korabination  mit  Hautpigmentierungen ,  die  Ausdehnung  und 
der  Lieblingssitz  fällt  mit  dem  der  kongenitalen  elephantiastischen  Tumoren 
zusammen  und  in  12  Fällen  war  eine  Kombination  mit  multiplen  Fibromen 
der  Nervenstänmie,  in  vielen  mit  weichen  Hautfibromen  vorhanden.  Bruns 
fasst  daher  das  Rankenneurom  —  besser  Rankenneurofibrom  —  als  eine 
besondere  Erscheinungsform  der  kongenitalen  Elephantiasis 
auf  und  bezeichnet  sie  geradezu  als  eine  Elephantiasis  nervorum.  Ganz 
ähnhche  Fälle  konnte  Herczel  (7)  beobachten,  der  einmal  bei  einem  10- 
jährigen  Mädchen  eine  Kombination  von  Rankenneurom  des  Hinterhauptes 
und  allgemeinen  multiplen  Fibromen  der  Nervenstämme,  ein  anderes  Mai 
bei  einem  9jährigen  Knaben  neben  diffuser  Elephantiasis  mollis  und  ab- 
normen Pigmentierungen  der  linken  Armhaut  eine  mächtige  Fibrombildung 
am  linken  Plexus  brachialis  beobachtete.  Jordan  (8)  kam  auf  Grund  zweier 
Fälle,  die  er  unter  Arnolds  Leitung  untersuchte,  zu  dem  Ergebnis,  dass 
das  Wesen  der  kongenitalen  Elephantiasis  in  einer  BindegewebshjT>erplasie 
in  allen  zusammengesetzten  Geweben  des  erkrankten  Organteils  liegt;  er 
unterscheidet  zwei  Arten  von  kongenitaler  Elephantiasis,  die  eine:  Fib ro- 
matose der  Nerven  zeigt  die  Bindegewebsentwickelung  im  Anschluss  an 
die  Nerven,  die  andere  —  diffuse  angiogene  Fibromatose  —  ist 
dadurch  charakterisiert,  dass  die  Wucherung  in  der  Umgebung  präexi- 
stierender oder  neugebildeter  Blutgefässe  stattfindet.  In  Bezug  auf  die 
Genese  der  Krankheit  hält  Jordan  die  Co hnh ei msche  Theorie  hier 
nicht  für  angebracht,  weil  man  dann  multiple,  im  Gewebe  zerstreute  Keime 
annehmen  müsste.  (Das  würde  ja  freilich  nach  den  oben  erwähnten  Be- 
funden von  Roux  nicht  so  ganz  unwahrscheinlich  sein;  die  Ribbertsclie 
Theorie  würde  übrigens  hier  ebenfalls  auf  grosse  Schwierigkeiten  stossen.) 
Gold  mann  (6)  hat  dann  noch  durch  Untersuchung  einiger  sogenannter 
„maligner  Neurome"  (es  handelt  sich  immer  um  Fibrome  der  Nerven) 
den  Nachweis  geführt,  dass  auch  die  solitären  Fibrome  der  Nervenstämme 
kongenital  angelegt  sind;  sie  gelangen  mit  Vorliebe  bei  Individuen  zur 
Beobachtung,  in  deren  Familien  multiple  Fibrom-  oder  Neurofibrombildung 
notiert  wurde ;  ferner  konnte  als  ein  Wachstumsmodus  der  soHtären  Neu- 
rome  das  Auftreten  multipler,  rosenkrauzförmiger  Auftreibungen  des  be- 
fallenen Nervenstammes  geschildert  werden,  so  dass  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  der  Unterschied  zwischen  den  multiplen  und  solitären  Tumoren  auf  der 
verschiedenen  Ex-  und  Intensität  der  gleichen  Ursache 
beruht.  Garrö  (5)  hat  endlich  in  einer  sehr  interessanten  Arbeit  ein 
Fibrosarkom  des  Nervus  ischiadicus   beschrieben,  welches  insofern  mehr 


Geschwülste,  Fibrome.  309 

den  Charakter  eines  Teratoms  besass,  als  sich  in  ihm  mit  kubischen  und 
Flimmerepithel  ausgekleidete  Hohlräume  vorfanden,  welche  von  dem  Cen- 
tralkanal  des  Medullarrohres  oder  dem  Schwanzdarm  abzuleiten  wären. 
Die  von  Goldmann  (6)  hier  gegen  hervorgehobene  Möglichkeit,  dass  es 
sich  um  eine  Metastase  eines  inneren  Krebses  in  dem  Nerventumor  ge- 
bmdelt  haben  kann,  ist  nicht  nur  an  und  für  sich,  wegen  der  äussersten 
^felteiiheit  derartiger  Vorkommnisse,  gezwungen,  sondern  wird  durch  den 
Nachweis  von  Flimmerepithelien  direkt  widerlegt.  In  Bezug  auf  die  Here- 
dität zeigen  die  Angaben  von  Bruns  (4),  dass  unter  42  Fällen  7 mal 
aa^geprägte  Heredität  bestand,  und  zwar  hatten  regelmässig  mehrere 
FamiUenmitglieder  gleiche  oder  ähnliche  Affektionen  (multiple  Fibrome), 
auch  Herczel  (7)  sah  in  einem  seiner  Fälle,  dass  Vater  und  Mutter  der 
Patientin  faustgrosse,  weiche  Fibromknoten  besassen  und  Moses  (10)  de- 
monstrierte einen  21jährigen  Patienten  mit  zahllosen,  meist  erbsengrossen 
Fibromen  am  Halse,  der  Scapula  und  der  Axillargegend,  dessen  Mutter 
mit  der  gleichen  Affektion  behaftet  war.  Es  erscheint  durch  diese  Fälle 
in  der  That  bewiesen ,  dass  die  Erblichkeit  bei  den  multiplen  Fibromen 
eine  Rolle  spielt,  was  auch  um  so  eher  verständlich  ist,  als  ja  die  kon- 
genitale Anlage  der  Tumoren  auf  eine  Keimesvariation  zurückzuführen  ist. 

ad.  3.  Die  Multiplizität  der  Fibrome  der  Haut  und  Nerven  ist  eine 
Thatsache,  die  bereits  oben  mehrfach  erwähnt  wurde.  Einen  wie  hohen 
Grad  sie  erreichen  kann,  zeigen  die  Fälle  von  Brigidi  (3)  und  Pooley  (11), 
in  welchen  über  3000  einzelne  Tumoren  gezählt  werden  konnten.  Die 
Ursache  dieser  Multiplizität  ist  nicht  völlig  aufgeklärt;  der  Annahme  so 
zahlreicher  versprengter  Keime  stehen  viele  Bedenken  entgegen.  Ansprechen- 
der ist  die  Auffassung,  welche  "namentlich  von  Goldman n  (6)  ausge- 
sprochen ist,  der  aber  auch  Garrö  (5)  und  Jordan  (8)  geneigt  zu  sein 
scheinen,  dass  es  sich  um  eine  Systemerkrankung  handelt  und  die  Ausbildung 
der  Tumoren  von  besonderen  —  äusseren  —  Einflüssen  abhängt,  so  dass 
je  nach  In-  und  Extensität  der  äusseren  Einflüsse  die  Zahl  knotiger  Neu- 
bildungen schwanken  müsste.  Man  würde  dann  hierin  eine  Bestätigung 
der  Roux sehen  Gesetze  sehen  dürfen,  und  die  abnorme  Wucherungs- 
fähigkeit des  Bindegewebes  auf  eine  Veränderung  der  idioplastischen  Eigen- 
schaft der  Zelle,  die  besondere  Form,  in  welcher  sie  auftritt,  dagegen  auf 
mechanische  Momente  zurückzuführen  haben.  Die  Multiplizität  von  Ke- 
loiden,  wie  sie  Unna  (14)  erwähnt  —  173  bei  einem  Patienten  —  wird 
dagegen  auf  die  MultipUzität  der  Reize  bezogen  werden  müssen. 

hn  Anschluss  hieran  seien  noch  einige  Bemerkungen  über  die  histo- 
logische Struktur  der  Neurofibrome  gemacht.  Bekanntlich  ist  es  v.  R  e  c  k  - 
linghausen  gewesen,  der  zuerst  nachwies,  dass  die  multiplen  Fibrome  der 
Haut  von  dem  Nervenbindegewebe,  ausnahmsweise  auch  vom  Bindegewebe 


310  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie.  | 

der  Schweiss-  und  Talgdrüsen,  sich  entwickeln;  dabei  hat  er  auch  bereits 
darauf  hingewiesen,  dass  auch  die  sogenannten  multiplen  Neurome  reine 
Fibrome  sind,  denn  er  konnte  keinen  Anhaltspunkt  für  eine  Vermehrung 
von  Nervenfasern,  ebensowenig  allerdings  für  eine  Verminderung  beibringen. 
Zahlreiche  Autoren  haben  diese  Untersuchungen  v.  Recklinghausens  be- 
stätigt, (Kriege,  Kyrieleis,  Lahmann,  Westphalen  u.  a.)  nur  Klebs 
behauptet,  dass  auch  eine  Neubildung  von  marklosen  Nervenfasern  nach- 
weisbar sei.  Seine  Angaben  haben  aber  nirgends  Bestätigung  gefunden 
und  Bruns,  Goldmann,  Garrö  wie  Jordan  haben  sogar  mehrmals  in 
den  Nerven  degenerative  und  atrophische  Vorgänge  nachweisen  können. 
Unna  (14),  welcher  an  den  Nerven  der  Neurofibrome  keine  Veränderungen 
gesehen  haben  will,  hält  dagegen  für  den  auffallendsten  Bestandteil  des 
Neurofibroms  die  Mastzellen,  welche  meist  in  bedeutender  Anzahl  in  den 
grösseren  Knoten  den  Gef ässen  folgend  gefunden  werden ;  in  den  kleineren 
Knoten  sind  sie  nur  spärlich  vorhanden,  finden  sich  aber  in  der  unmittel- 
baren Umgebung  reichUch.  Diese  Mastzellen  zeigen  z.  Teil  bei  Färbung  mit 
polychromem  Methylenblau  tiefrote,  in  dichten  ovalen  Haufen  angeordnete 
Kömer ;  ein  grösserer  Teil  ist  aber  noch  von  einem  ungefähr  den  doppel- 
ten Durchmesser  der  Mastzelle  besitzenden,  sich  ebenfalls  rot  färbenden, 
spongiös  gebauten  Hof  umgeben,  den  Unna  als  Hüllplatte  bezeichnet.  Sie 
ist  nach  seiner  Meinung  auf  eine  weit  getriebene  mucinöse  Veränderung 
der  Bindegewebszellen  zurückzuführen,  welche  ganz  speziell  dem  Neuro- 
fibrom eigentümlich  ist.  Ob  letzteres  in  der  That  der  Fall  ist  und  des- 
wegen differentialdiagnostische  Bedeutung  besitzt,  wie  Unna  meint,  werden 
aber  wohl  erst  weitere,  ausgedehnte  Untersuchungen  lehren  müssen. 


2.  Lipome  und  Xanthome. 

Litterat  ur. 

1.  Aisberg,  Multiple  Lipome  der  Niere.    Yerhandl.   des  21.  Kongresses  der  DentscbeD 
Gesellschaft  f.  Chirurgie.    Sitzung  vom  9.  Juni  1892. 

2.  Antony,    Demonstration  eines  Patienten   mit  multiplen  symmetrischen  Lipomen  des 
Rampfes.    Soci^tä  m^dicale  des  höpitaux  de  Paris.    Sitzung  vom  18.  Mftrz  1892. 

8.   Blaschko,  Eine  seltene  erbliche  Lipombildung.     Vir  eh.  Arch.  Bd.  124.  S.  175. 

4.  TonBünau,   Über   einen  Fall   von  Lipom   mit   ölcysten.    Arbeiten   a.   d.   chirurg. 
Universitfttspoliklinik  zu  Leipzig,  flerausg.  von  B.  Schmidt.  Heft  II.  1892. 

5.  Bucquoy,  Lipomes  diffus  multiples  et  symm^triques.    Bulletins  et  m^m.  de  la  societ«* 
med.  des  höpitaux.  1891.  Nr.  21. 

6.  DartigolleSi  Lipomes  difiFus  multiples  chez  une  jeune  fille.    Ebenda.  Nr.  24. 

7.  Desnos  et  Potain,   Lipomes  diffus  symm^triques  d*origine  arthritique  et  tnmeor 
lipomateuse  intermediaire  entre  le  pseudolipome  et  le  lipome  vrai.    Ebenda.  Nr.  24. 

8.  Dor,   Staphylokokken   in   einem  Lipoma   arborescens.    Soci^t^   de   biologie   de  Paris. 
Progr^s  mödical  1893.  p.  382. 


Geschwülste,  Lipome.  311 

9.   Ehrmann,  Über  multiple  symmetrische  Xanthelasmen  and  Lipome.    Beitr.  zur  klin. 
Chirurgie.  Bd.  IV.  S.  841. 

10.  Fenlard,  Xanthome  juvenile.    Annales  de  dermatoL  et  de  sjph.  1894.  Nr.  8. 

11.  Groscfa,  Stadien  aber  das  Lipom.    Deatsche  Zeitschr.  f.  Chirargie.  Bd.  26.  1887. 

12.  H&ckel,  Beiträge  zar  Kenntnis  der  Brastdrflsengeschwfllste.    Arch.  f.  klin.  Chirargie. 
Bd.  47.  S.  274. 

13.  Haferkorn,  Ober  maltiple  Lipome.    Arbeiten  a.  d.  chirarg.  Üniversitäts-Poliklinik  zu 
Leipzig.    Ueraasg.  von  B.  Schmidt  Heft  II.  1892. 

14.  Hallopeaa  et  Jeanseime,  Sar  an  cas  de  lipomes  multiples  simulant  des  tomeurs 
de  la  parotide  et  du  corps  thyroide.    Annales  de  dermatoL  et  syphil.  1898.  Nr.  2. 

15.  Hallopeaa,  Sur  la  natnre  des  Xanthomes.    Annales  de  dermatoL  et  de  syphil.  1893. 
Nr.  8. 

16.  Henningsen,  Beitrag  zur  Statistik  der  FettgeschwQlste.    Diss.  Kiel  1888. 

17.  Hutchinson,    Xanthoma    diabeticorum.     IL    Intemation.    dermatoL    Kongress.     W. 
Braamflller.    Wien-Leipzig.  1898. 

18.  Johnston,  A  case  of  Xanthoma  diabeticorum.    Journal  of  cut.  and  genit-urin.  diseases. 
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19.  Klebs,  Allgemeine  Pathologie.  Bd.  II. 

20.  Köttnitz,  Über  symmetrisches  Auftreten  von  Lipomen.    Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurg. 
Bd.  88.  S.  75. 

21.  KQnne,  Ober  Lipome  der  oberen  Luftwege.     Inaug.-Dissert.  Würzburg  1893. 

22.  Langer,  Zur  Kasuistik  der  multiplen  symmetrischen  Lipome.    Arch.  f.  klin.  Chirurg. 
Bd.  46.  ».  899.  1898. 

23.  Lehzen  und  Knanss,   Ober  Xanthoma  multiplex  planum,  tuberosum  mollusciforme. 
Yirch.  Arch.  Bd.  116.  S.  85.  1889. 

24.  Madelung,  Ober  den  Fetthals  (diffuses  Lipom  des  Halses).    Langenbecks  Archiv. 
Bd.  37.  S.  106. 

25.  Monod,  Lipome  capsnlaire  du  rein.    Bulletin  et  m^m.  de  la  soci^tö  chir.  1892. 

26.  Müller,  Ein  Fall  von  diffusem  Lipom.    Langenbecks  Archiv.  Bd.  59.  S.  652. 

27.  Pott,  Oher  kongenitale  Tumoren.    Münch.  med.  Wochenschr.  Bd.  89.  S.  87.  1892. 

28.  Qu^nu,  Kongenitales  Lipom.    Bullet,  soc.  chir.  Bd.  XVI.  Nr.  1. 

29.  Schmidt,  B.  und   Schmidt,  M.,  Zwei   Fälle  von  Geschwülsten  in  der  (regend  dos 
Steissbeins.    Arbeiten  a.  d.  Chirurg.  Universitäts-Poliklinik  zu  Leipzig.  Bd.  II.  S.  15.  1892. 

30.  Schott müller.  Ein  Fall  von  diffuser  Lipom bildung.    Dissert.  Greifswald  1898. 

31.  Seiter,    Mitteilungen   aus   dem   patholog.   Institut   zu   Genf.     II.  Ober   einige  ältere 
heteroplastische  Lipombildnngen.    Virchows  Archiv.  Kd.  184.  S.  189. 

32.  Sick,    Demonstration    vor    der  Gesellschaft   der  Ärzte    zu  Hamburg.   5.  Juni   1894. 
Deatsche  med.  Wochenschr. 

33.  Stein  heil,  Ober  Lipome  der  Hand  und  Finger.    Beiträge  zur  klin.  Chirurgie.  Bd.  7. 
S.  605.  1891. 

34.  Stoll,  Beiträge  zur  Kasuistik  der  Lipome.     Ebenda.  Bd.  8.  S.  597.  1892. 

35.  Stout,   A   case   of  Xanthoma   multiplex.     Journal   of  cut.  and  genit-urin  diseases. 
Jane  1894. 

36    Thibierge,  Deux  cas  de  Xanthome  juvenile  familial.    Annales  de  dermatol.  et  syphil. 

1894.  Nr.  3. 
37.  Thoma,  Lehrbuch  der  allgemeinen  Pathologie.    Lipome.  S.  651. 
38    Török,  De  la  nature  des  Xanthomes.    Annales  de  dermatol  etc.  1893.  Nr.  11,  12. 

39.  Derselbe,  Sur  la  natare  des  Xanthomes.    Ebenda.  1894.  Nr.  1. 

40.  Touton,  Ober  das  Xanthom.    Vierteljahrsschrift  f  Dermatol.  u.  Syphilis.  1885. 

41.  Unna,  Die  Histopathologie  der  Haut.    S.  948—964. 

42.  Virchow,  Demonstration  in  der  Berl.  med.  Gesellsch.    BerL  klin.  Wochenschr.  1892. 
Nr.  27. 


312  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Virchow  hat  in  seinen  klassischen  Vorlesungen  über  die  krank- 
haften Geschwülste  das  Gebiet  der  Lipome  derartig  erschöpfend  behandelt, 
dass  die  Untersuchungen  späterer  Jahre  nur  wenig  Neues  haben  beibringen 
können.  Sowohl  die  von  ihm  gegebene  Einteilung,  wie  die  von  ihm  fü: 
die  Ätiologie  als  bedeutsam  angegebenen  Momente  haben  kaum  eine  Er- 
weiterung gefunden.  Es  werden  deswegen  auch  hier  nur  einige  Punkte 
eine  nähere  Berücksichtigung  verdienen:  1.  Entstehung  und  Entwickelung 
der  Lipome,  2.  traumatische  Einflüsse,  3.  kongenitale  Anlage  imd  Erb- 
hchkeit,  4.  Multiplizität  und  Symmetrie  der  Lipome,  5.  Einfluss  des  Alters 
und  des  Geschlechtes. 

ad  l.  Was  die  Entstehung  und  Entwickelung  der  Lipome  anbetrifft, 
so  gilt  es  wohl  als  sicher,  dass  sie  von  dem  präformierten  Fettgewebe  aus 
entstehen,  und  sowohl  histologisch,  wie  chemisch  mit  den  Zellen  des  Mutter- 
bodens völlig  übereinstimmen.  Wenn  Virchow  für  sein  heteroplastisches 
Lipom  der  Niere  annimmt,  dass  das  Fettgewebe  auch  hier  dadurch  ent- 
steht, dass  in  dem  Bindegewebe  zuerst  eine  zellige  Wucherung  stattfindet 
und  die  neugebildeten  Zellhaufen  sich  durch  Aufnahme  von  Fett  in  Fett- 
lappen umwandeln,  d.  h.  dass  also  eine  Metaplasie  von  Bindegewebe  in 
Fettgewebe  vorliegt,  so  ist  diese  Auffassung  durch  neuere  Untersuchungen 
nicht  bestätigt  worden.  Seiter  (31)  hat  auf  Grund  der  Untersuchung  eines 
Falles  von  multiplen  Lipomen  beider  Nieren  die  Überzeugung  gewonnen, 
dass  die  wahren  Lipome  der  Niere  nur  in  der  Nierenrinde  vorkommen 
und  von  versprengten  Fettgewebskeimen  ausgehen,  die  bei  der  Anlage 
oder  dem  Wachstum  des  Organs  hier  eingeschlossen  wurden.  Er  fand 
nirgends  Vermehrung  des  Bindegewebes,  nirgends  in  Verfettung  begriffene 
Bindegewebszellen  und  auch  an  der  Grenze  der  Geschwulst  keinen  all- 
mählichen Übergang  des  Nierengewebes  in  Fettgewebe.  Aisberg  (1), 
welcher  einen  Fall  von  grösseren  multiplen  Lipomen  der  Niere  beobachtete, 
glaubt  dagegen,  dass  sie  durch  Einlagerung  von  Fett  in  das  Bindegewebe 
der  Niere  und  unter  gleichzeitiger  Wucherung  desselben  oder  von  ver- 
sprengten Nebennierenkeimen  den  Ausgang  nähmen.  Ich  muss  mich  da- 
gegen vollkommen  Selters  Auffassung  anschliessen  auf  Grund  der  Unter- 
suchung von  4  Fällen  teils  reiner,  teils  komplizierterer  Lipombildungen 
der  Nierenrinde,  welche  demnächst  ausführlicher  von  einem  meiner  Schüler 
in  einer  Dissertation  bearbeitet  werden  sollen.  Auch  die  kleinsten  Tumoren 
—  und  ich  habe  solche  gesehen,  die  mit  blossem  Auge  überhaupt  kaum 
wahrnehmbar  waren,  liegen  völlig  frei  in  der  Nierenrinde,  ohne  dass 
Wucherungserscheinungen  am  Bindegewebe  auffallen.  Wenn  man  mitunter 
zwischen  den  Fettzellen  reichlicher  und  grössere  Bindegewebszellen  liegen 
sieht,  so  beruht  das  auf  einer  beginnenden   sarkomatösen   Umwandlung. 


GeschwOlste,  Lipome.  313 

Auch  die  2  mal  von  mir  beobachtete  Kombination  mit  glatter  Muskulatur 
spricht  für  die  Entstehxmg  aus  bei  der  Anlage  versprengter  Gewebskeimen. 
Dass  aber  aus  versprengten  Nebennierenkeimen  echte  Lipome  hervorgingen, 
wie  Aisberg,  wohl  auf  einen  nicht  zweifellosen  Fall  von  Grawitz  gestützt, 
annimmt,  haben  weder  Seiter  noch  ich  beobachten  können.  Die  Selten- 
heit der  Tumoren  ist  wohl  nicht  so  gross,  wie  Seit  er  meint,  da  ich  in 
ziemlich  kurzer  Zeit  4  Fälle  gesehen  habe;  wohl  aber  muss  auch  ich  zu- 
geben, dass  die  echten  Lipome  der  Niere  ausschlieslich  in  der  Rinde 
vorkommen  und  dass  die  meisten  als  Lipome  der  Niere  beschriebenen 
Tumoren,  wie  auch  Mono d  (25)  einen  besehreibt  und  wie  sie  Thoma  (37) 
als  längs  der  grossen  Gefässverzweigungen  an  der  Grenze  von  Rinde  und 
ilark  verlaufende  Gebilde  schildert ,  einfach  hyperplastische  Fettgewebs- 
^-ucherungen  (von  der  Fettkapsel  und  dem  Hilusfett  ausgehend)  sind.  — 
Freilich  kann  man  an  anderen  Orten  eine  scharfe  Trennung  zwischen  den 
reinen  Fettgewebshyperplasieen  und  den  echten  Lipomen  durchaus  nicht 
immer  vornehmen  und  Virchow  hat  bereits  betont,  dass  sich  die  Poly- 
sarcie  zu  den  Lipomen  ebenso  verhält,  wie  die  Elephantiasis  zu  den 
Fibromen.  Grosch  (11)  hat  deswegen  geradezu  die  Behauptung  aui'ge- 
i^tellt,  dass  „Obesitas-  und  Lipombildung  pathologische  Erscheinungen 
darstellen,  die  sich  zwar  nach  der  formalen  Seite  von  einander  merklich 
imterscheiden,  jedoch  ihrem  Wesen  nach  vollkommen  ähnlich  sind''.  Er 
bat  deswegen  auch  versucht  für  die  Ätiologie  einheitliche,  auf  physiologische 
und  anatomische  Thatsachen  gestützte  Gesichtspunkte  zu  finden.  Auf  Grund 
einer  sich  über  mehr  als  760  Fälle  von  solitären  Lipomen  erstreckenden 
Statistik  gelangt  er  zu  dem  Schluss,  dass  sämtliche  Lipome  —  gleichviel 
ob  soütäre,  multiple  oder  diffuse  —  einen  streng  gesetzmässigen  Typus 
'1er  Lokalisation  einhalten.  Immer  zeigt  es  sich  nämlich,  dass  die  Dichtig- 
keit der  Geschwulsteruption  und  überhaupt  die  Häufigkeit  der  Lipomlokali- 
j^ation  im  umgekehrten  Verhältnis  zu  dem  Drüsenreichtum  der  Hautgebiete 
.^teht.  Da  dort  wo  weniger  Talg-  und  Schweissdrüsen  vorhanden  sind, 
naturgemäss  auch  weniger  «Fett  ausgeschieden  wird,  so  würde  es  sich  er- 
klären, warum  bei  allgemeiner  diffuser  Vermehrung  des  Fettgewebes  nur 
an  besonderen  Prädilektionsstellen  richtige  Lipome  entstehen.  Aber  auch 
bei  den  symmetrischen  Lipomen,  die  bei  sonst  fettarmen  Personen  vor- 
kommen, glaubt  er  unter  Zuhilfenahme  des  centralen  Nervensystems  eine 
Sekretverminderung  der  Hautdrüsen  infolge  einer  Innervationsstörung  als 
Ursache  annehmen  zu  dürfen.  Die  Grosch  sehe  Theorie,  welche  schon 
für  die  symmetrischen  Lipome  nur  durch  eine  gezwungene  Hypothese 
Geltung  finden  kann,  erfüllt  den  Anspruch,  eine  allgemeine  Erklärung  für 
<lie  Entstehung  der  Lipome  zu  liefern,  keineswegs,  da  sie  im  günstigsten  Falle 
für  die  Lipome  der  Haut,  aber  nicht  für  die  der  serösen  Häute,  Schleim- 


314  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

häute  und  der  grossen  Unterleibsorgane  zutreffen  würde  ^)  und  auch  S  toll  (2><), 
der  aus  seinen  Untersuchungen  ebenso  wenig  wie  Langer  (22)  Gegengründe 
gegen  Groschs  Theorie  gewinnen  konnte,  giebt  zu,  dass  sie  ihre  bedenk- 
lichen Schwächen  hat.  —  In  dieser  Beziehung  leistet  entschieden  die 
Unna  sehe  Theorie  mehr.  Nach  ihm  entsteht  die  Fettansammlung  in  der 
Haut  überhaupt  durch  Stauung  in  der  Nachbarschaft  fettbereitender  Organe; 
und  die  Lipombildung  findet  ihre  Erklärung  entweder  in  einer  erhöhten 
centripetalen  Fettzufuhr  aus  dem  nächsten  fettbereitenden  Organe  oder 
in  einer  erhöhten  Stauung  der  fettreichen  Lymphe  im  Hypoderm.  Be- 
sonders das  Vorkommen  von  Lipomen  an  Stelle  von  Narben  und  Druck- 
stellen, z.B.  bei  Lastträgern,  soll  nach  Unna  (41)  durch  diese  Auffassung 
erklärbar  werden.  In  der  That  kann  man  dem  zustimmen,  namentlich 
insoweit  als  sie  im  Gegensatz  zuToldts,  auch  von  Klebs  (19)  angenom- 
mener Ansicht  steht,  dass  das  Fettgewebe  aus  besonderen  Bindegewebs- 
zellen —  Lipoblasten  —  entstehe.  —  Wenn  schon  Flemming  auf  Grund 
normal  histologischer  Untersuchungen  zu  entgegengesetzter  Auffassung 
gelangt  ist,  dass  nämlich  alle  Bindegewebszellen,  besonders  aber  die  Gefäss- 
epithelien  die  Fähigkeit  besitzen  aus  der  sie  umspülenden  fetthaltigen 
Lymphe  Fett  aufzuspeichern,  so  sprechen  noch  mehr  pathologische  That- 
sachen  dafür,  besonders  das  Auftreten  von  Lipomen  in  der  gewöhnlich  fett- 
frei  n  Submukosa  des  Intestinaltraktus ;  und  insofern  wäre  es  wohl  möglich 
die  Unna  sehe  Theorie,  welche  eigentlich  nur  für  die  Lipome  der  Haut 
gelten  soll,  zu  verallgemeinern.  Aber  mit  der  Einschränkung,  dass  sie 
nur  für  die  hyperplastischen  Lipome  Geltung  hat,  von  denen  man  zugeben 
muss,  dass  sie  im  Prinzip  auf  gleiche  Ursachen  zurückzuführen  sind,  wie 
die  Polysarcie.  Doch  würde  auch  hier  sehr  wohl  noch  Baum  sein  für 
Virchows  Ansicht,  dass  eine  besondere  örtliche  oder  allgemeine  Prädi<s- 
position  für  die  Lipombildung  vorhanden  sein  muss,  worauf  schon  die  in- 
dividuell äusserst  verschiedene  Neigung  zum  Fettansatz  hinweise.  Ferner 
spricht  für  die  Besonderheit  und  Autonomie  vieler  Lipome  die  Thatsacbe, 
dass  sie  durchaus  nicht  nur  bei  fettreichen,  sondern  auch  bei  mageren 
Personen  auftreten  und  bei  Abmagerung  ihrer  Träger  oft  nicht  an  Fett- 
gehalt einbüssen.  St  oll  (34)  notiert  z.  B.  unter  70  Fällen  der  Tübinger 
Klinik  5  mal  einen  schlechten  und  1 1  mal  einen  nur  „massig  guten"  Er- 
nährungszustand. —  Man  sieht  daraus,  dass  eine  einheitliche  Theorie  aucli 
für  die  Lipome  kaum  möglich  ist.  Das  ist  wohl  am  schärfsten  von  Made- 
lung (23)  entwickelt  worden,  der  zuerst  eine  besondere  Art  der  multiplen 


1)  Schon  Plettner  (Beitrag  zur  Kenntnis  der  tiefgelegenen,  snbfascialen  Lipome. 
Inaug.-Diss.  Halle  1888),  der  102  Fälle  tiefgelcgener  Lipome  zusammenstellte,  hat  diesen 
Einwand  gegen  die  Groschsche  Hypothese  gemacht. 


Geschwülste,  Lipome.  315 

Lipome  —  den  Fetthals  —  als  besondere  Krankheit  beschrieben  hat.  Es 
handelt  sich  um  eine  meist  im  Alter  von  36 — 45  Jahren  auftretende,  in 
der  Halsgegend  lokalisierte  Krankheit,  welche,  wie  Virchow  hervorhob, 
eine  Mittelform  darstellt  zwischen  den  eigentlichen  lokalisierten  Geschwül- 
sten und  der  Polysarde  („jener  grossen  über  ganze  Regionen  des  Körpers 
sich  erstreckenden  diffussen  Entwickelungen ,  die  man  nicht  immer  Ge- 
schwülste nennt'*).  Madelung  hat  in  sehr  eingehender  Weise  ausein- 
andergesetzt, dass  bei  der  Frage  nach  den  Ursachen  des  Fetthalses  sich 
nur  Weniges  und  nur  Negatives  feststellen  lässt.  In  dieser  Hinsicht  sind 
auch  andere  Untersucher,  welche  vor  allem  einen  Kranken  (Maler  Druwe 
aus  Braunschweig,  der  später  auch  von  Madelung  in  der  Rostocker 
Klinik  vorgestellt  wurde)  untersuchten,  nicht  weitergekommen.  Der  Fall 
ist  mehrfach  von  Müller  (26),  Langer  (22),  Sick  (32),  Virchow  (42) 
und  Schottmüller  (30)  beschrieben  worden.  Müller  liess  die  Ätiologie 
völlig  im  Unklaren,  während  Schottmüller  auf  einige  Störungen  im 
Gebiete  des  Nervensystems  hinwies  und  aus  besonderen  Gründen  die 
Meinung  vertrat,  dass  es  sich  um  Störungen  der  Gefässnerven  handle. 
Damit  würde  er  sich  der  Grosch sehen*  Theorie  nähern,  welcher  auch 
Ehrmann  (9)  zustimmt.  Doch  ist  es,  wie  gesagt,  unmöglich  dieser  Theorie 
Ällgemeingiltigkeit  zuzuerkennen. 

ad  2.  Dass  bei  der  Entstehung  der  Lipome  entzündliche  und  trauma- 
tische Prozesse  eine  Rolle  spielen,  ist  durch  viele  klinische  und  anatomische 
Beobachtungen  gesichert.  Doch  ist  im  einzelnen  Falle  die  Ätiologie  oft 
sehr  schwer  festzustellen,  wie  auch  Haferkorn  (13)  für  die  multiplen 
Lipome  hervorgehoben  hat.  Am  eklatantesten  tritt  der  Einfluss  von  Traumen 
bei  den  Lipomen  der  Hand  und  Finger  hervor.  Steinheil  (33)  hat  3 
derartige  Beobachtungen  mitgeteilt  und  dabei  62  Fälle  —  37  der  Hand 
und  15  der  Finger  —  aus  der  Litteratur  zusammengestellt,  von  denen  nur 
5  kongenital  waren;  die  Mehrzahl  der  Fälle  betraf  Männer  und  zwar  Hand- 
arbeiter, auch  sass  die  grosse  Mehrzahl  der  Lipome  an  der  Hohlhand 
bezw.  der  Volarseite  der  Finger,  so  dass  hieraus  die  Bedeutung  trauma- 
tischer Einflüsse  klar  hervorgeht.  An  eine  direkt  infektiöse  Entstehimg  zu 
glauben  liegen  keine  Anhaltspunkte  vor,  wenn  auch  Dor  (8)  einmal  in 
einem  Lipom  Staphylokokken  mit  abgeschwächter  Virulenz  nachgewiesen 
hat.  Überhaupt  ist  ja  auch  für  die  Lipome  der  Hand  und  Finger  keines- 
wegs der  Nachweis  geführt,  dass  das  Trauma  die  alleinige  Entstehungs- 
ursache ist;  vielmehr  spricht  die  relative  Seltenheit  der  Bildungen  dafür, 
dass  noch  irgend  welche  andere  Vorbedingungen,  ererbter  oder  erworbener, 
lokaler  oder  allgemeiner  Natur  erfüllt  sein  müssen. 

ad  3.     Die  kongenitale  Entwickelung  von  Lipomen  ist  besonders  bei 
solchen  Tumoren  hervorgehoben  worden,  die  nicht  ausschliesslich  aus  Fett- 


316  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

gewebe  bestehen.  So  hat  vonReeklinghausen')  zuerst  gezeigt,  dass  bei 
Spaltbildungen  im  Bereiche  des  Wirbelkanals  und  der  Schädelhöhle  aus 
transponiertem  Fett-,  Muskel-  und  Bindegewebe  Geschwülste  entstehen  und 
die  gemischten  Lipome  der  Schädelhöhle,  vielleicht  auch  die  des  Gehirns 
sind  auf  eine  derartige  Keimesverirrung  zu  beziehen.  Auch  Arnold^) 
und  Ribbert')  haben  derartige  Fälle  mitgeteilt  und  ebenso  sind  die  be- 
haarten Rachenpolypen,  die  mitunter  überwiegend  aus  Fettgewebe  bestehen 
(Arnold),  als  teratoide  Bildungen  aufzufassen.  Auch  der  von  Schmidt  (29) 
beschriebene  Fall  eines  kleinhühnereigrossen  Lipom  zwischen  Schwanzbein- 
spitze und  After  bei  einem  8  monatlichen  Mädchen  gehört  wohl  in  die 
Gruppe  der  mehr  tertaoiden  Bildungen.  Bei  vielen  anderen  kongenitalen 
Lipomen  sind  Kombinationen  mit  Gefässneubildungen  vorhanden.  Pott  (27) 
hält  die  kongenitalen  Lipome  überhaupt  für  nicht  selten,  besonders  die 
subfascialen ;  so  sah  er  ein  solches  bei  einem  vierjährigen  und  ein  mehr 
diffuses  bei  einem  sechswöchentlichen  Knaben.  Doch  zeigen  Steinheils  (33) 
Angaben,  der  unter  52  Fällen  nur  fünfmal  kongenitale  Lipome  beobachtete, 
dass  das  Vorkommen  derselben  doch  nicht  sehr  häufig  ist.  In  dem  Falle 
Qu^nus  (28)  —  kongenitales  Lipom  der  grossen  Labie  bei  einem  fünf- 
monatlichen Mädchen  —  war  daneben  ein  Angiom  vorhanden.  Auch 
Stoll  (34)  beobachtete  kongenitale  Angiolipome,  von  denen  2  solitäre  an 
den  Augenlidern  und  2  multiple  in  der  Rückengegend  sassen;  in  einem 
dieser  Fälle  war  neben  den  z.  T.  äussert  umfangreichen  Tumoren  des 
Rumpfes,  von  denen  sich  Fortsätze  durch  die  Zwischenwirbellöcher  in  den 
Wirbelkanal  erstreckten,  noch  ein  Angiom  des  Rückenmarkes  vorhanden. 
Auch  Henningsen  (16)  beobachtete  ein  kongenitales  Lipom  an  der 
Ferse  eines  12jährigen  Mädchens.  Ob  der  von  Häckel  (12)  beschrie- 
bene Fall  von  Lipom  der  Brustdrüse  bei  einem  14jährigen  Mädchen 
auch  noch  zu  den  kongenital  angelegten  Tumoren  gerechnet  werden 
darf,  muss  wohl  dahingestellt  bleiben.  —  Auf  die  kongenitale  Anlage 
der  echten  Nierenlipome  ist  bereits  oben  hingewiesen;  ausser  der 
Topographie  und  dem  Bau  spricht  dafür  noch  die  relativ  häufige 
Kombination  mit  Leiomyomen,  welche  ich  2 mal  beobachtete,  und  die 
Neigung  zur  sarkomatösen  Entartung  und  der  aufiallend  hohe  Gly- 
kogengehalt,  die  ich  wenigstens  einmal  feststellen  konnte*).  —  In  Bezug 
auf  die  Heredität  hat  Blaschko  (3)  einen  Fall  berichtet,  der  besonders 
insofern  interessant  ist,  als  nur  die   männUchen  Mitglieder   einer  Familie 


1)  Vir  eh.  Archiv.    Bd.  105. 
i)  Zieglers  Beiträge.    Bd.  16. 

3)  Vir  eh.  Arch.    Bd.  132. 

4)  Virch.  Arehiv.  Bd.  135. 


Geschwülste,  Lipome.  317 

an  multiplen  Lipomen  der  verschiedensten  Körperstellen  litten,  während 
die  weiblichen  Mitglieder  der  Familie  in  auf-  und  absteigender  Linie  Völlig 
frei  blieben.  Dabei  begann  bei  allen  die  Entwickelung  der  Geschwülste 
erst  mit  der  Pubertät.  Stoll  konnte  unter  129  Fällen  von  Lipombildung  nur 
einmal  mit  Sicherheit  nachweisen,  dass  der  Vater  einer  mit  Lipom  behafteten 
Patientin  ebenfalls  ein  Lipom  der  Scapula  besass.  Solche  Fälle  sind  natür- 
lich für  die  Heredität  völlig  unbeweisend,  da  es  sich  um  ein  rein  zu- 
fälliges Zusammentreffen  handeln  kann.  Beweisender  dürfte  der  Fall  von 
Blaschko  wegen  seiner  Eigenart  sein. 

ad.  4.  Die  Angaben  über  die  Multiplizität  der  Lipome  sind  sehr  ver- 
scliieden.  Während  Stoll  unter  139  Fällen  aus  der  Tübinger  chirur- 
gischen Klinik  nur  6mal  und  Henningsen  unter  109  Fällen  der  Kieler 
Klinik  ebenfalls  nur  6mal  multiple  Lipome  fand,  koimte  Haferkorn  (13) 
aus  der  Litteratur  80  Fälle  zusammenstellen  und,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  scheinen  die  echten  Lipome  der  Niere,  wie  auch  aus  Aisbergs  (1), 
Mono d  8  und  Selters  Fällen  hervorgeht,  ausschliesslich  multipel  vor- 
zukommen. Eine  ganz  besonders  auffallende  Erscheinung  ist  es  aber,  dass 
ein  grosser  Teil  der  multiplen  Lipome  symmetrisch  auftreten.  Langer 
(22)  hat  6  derartige  Fälle  beschrieben  und  Haferkorn  stellte  fest, 
dass  unter  84  Fällen  von  multiplen  Lipomen  38  mal  ein  symmetrischer 
Sitz  vorhanden  war.  Dass  dabei  das  Volumen  der  Tumoren  ein  recht  be- 
deutendes sein  kann,  zeigt  der  Fall  von  Hallopeau  und  Jeanseime  (14), 
wo  im  Verlaufe  eines  Ikterus  sich  äusserst  rapide  grosse  Lipome  in  der 
Parotidengegend  in  symmetrischer  Verteilung  entwickelten.  In  Bezug  auf 
die  Ursache  der  symmetrischen  Anordnung  sind  alle  Autoren  mehr  oder 
weniger  entschieden  der  Meinung,  dass  nervöse  Einflüsse  dabei  eine  Rolle 
spielen.  Antony  (2),  ßucquoy  (5),  Dartigolles  (6),  auch  Köttnitz 
heben  gerade  das  nervöse  Moment  stark  hervor.  In  Bucquoys  Fall,  wo 
die  Tumoren  Warzengrösse  besassen,  aber  nicht  scharf  abgegrenzt  erschienen, 
bestand  daneben  eine  hartnäckige  Ischias  und  Dartigolles  (6)  Patientin 
war  nicht  nur  neuropathisch  belastet,  sondern  litt  auch  an  Migräne  und 
rheumatischen  Schmerzen;  auch  waren  die  Menses  seit  der  Entwickelung 
der  Tumoren  ausgeblieben.  Auch  bei  den  Patientinnen  von  Köttnitz 
bestanden  nervöse  Beschwerden;  bei  einer  65jährigen  Frau,  die  auch  an 
rheumatischen  Schmerzen  litt,  waren  im  Alter  von  27  Jahren  zugleich  mit 
dem  Aufhören  der  Menses  an  den  Armen,  Beinen  und  Rumpf  symmetrische 
Lipome  ztit  Entwickelung  gelangt  und  auch  bei  einer  53  jährigen  Patientin 
waren  Menopause  und  Entwickelung  symmetrischer  Lipome  annähernd  zu- 
sammengefallen. Köttnitz  meint  daher,  dass  es  sich  um  eine  „Tropho- 
neurose"  handle.  Desnos  und  Potain  (7),  welche  zwar  das  nervöse 
Moment  nicht  ganz  zurückweisen  wollen,  glauben,  dass  die  symmetrischen 


318  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Lipome  den  rheumatischen  Ödemen  oder  Pseudolipomen  nahe  stehen. 
Ganz  besonders  spräche  dafür  das  geradezu  plötzliche  Auftreten  der  Tumoren, 
wie  es  Potain  in  einem  Falle  beobachtete,  und  die  Thatsache,  dass  sie 
mitunter  auch  spontan  wieder  verschwinden.  Da  übrigens  die  mikroskopi- 
sche Untersuchung  in  dem  Potain  sehen  Falle  das  Vorhandensein  echten 
Fettgewebes  ergab,  so  kann  den  Cirkulationssträngen  doch  nur  im  Sinne 
Unnas  eine  Bedeutung  zugemessen  werden,  dass  durch  starke  Stauung 
der  fetthaltigen  Lymphe  mehr  Bindegewebszellen  zur  Fettaufapeicherung 
veranlasst  werden;  so  würden  sich  dann  sowohl  die  Beziehungen  zum 
Rheumatismus,  wie  zu  nervösen  Einflüssen  erklären  lassen,  ohne  Zuhilfe- 
nahme eines  unbewiesenen  mystischen  trophischen  Einflusses  der  Nerven. 

ad.  5.  Was  das  Alter  anbetrifft,  in  dem  die  Lipome  am  häufigsten 
auftreten,  so  zeigt  sich  fast  immer  eine  Bevorzugung  des  mittleren  Lebens- 
alters; nach  Haferkorn  standen  die  meisten  Patienten  in  einem  Alter 
von  30 — 50  Jahren,  und  auch  Henningsen  fand  unter  seinen  109  Pa- 
tienten 81  im  Alter  von  30— 60  Jahren.  Stoll  fand  die  grössten  Prozent- 
sätze im  3.  und  4.  Jahrzehnt  (23  und  29®/o),  im  3.  bis  5.  Jahrzehnt  zu- 
sammen 67®/o,  und  Künne  (21)  hält  bei  den  Lipomen  der  oberen  Luft- 
wege, von  denen  er  50  zusammenstellte,  einen  Einfluss  des  Alters  für 
unverkennbar,  in  dem  nur  Erwachsene,  ja  teilweise  Leute  im  höheren 
Alter  betroffen  waren.  —  In  Bezug  auf  das  Geschlecht  variieren  die  An- 
gaben; Hafer  körn  meint,  dass  bei  den  solitären  Lipomen  das  weibliche, 
bei  den  multiplen  das  männliche  Geschlecht  prävaliere,  Stoll  fand  zwar 
das  letztere  bei  allerdings  geringerem  Material  ebenfalls,  die  Unterschiede 
zwischen  der  Beteiligung  der  weiblichen  und  männlichen  Patienten  bei  den 
solitären  Lipomen  waren  jedoch  gering  (53,95  und  46,04 ®/o),  auch  Hen- 
ningsen fand  das  weibliche  Geschlecht  etwas  häufiger  befallen  (67:42). 
Die  Unterschiede  in  den  verschiedenen  Statistiken  liegen  z.  T.  wohl 
daran,  dass  sehr  verschiedenartiges  Material  benutzt  wurde,  so  scheint 
ja  nach  Steinheil  bei  den  Lipomen  der  Hände  und  Finger  die 
männUche  Bevölkerung  ein  bei  weitem  grösseres  Kontingent  zu  stellen, 
wie  die  weibhche,  was  durch  die  bei  ersteren  häufiger  vorhandenen  Ge- 
legenheitsursachen verständlich  würde.  Ob  bei  den  multiplen  Lipomen 
wirklich  die  Männer  in  erhebUch  grösserer  Anzahl  beteiligt  sind,  müsste 
wohl  auch  noch  genauer  festgestellt  werden;  bei  den  symmetrischen  Lipomen 
scheint  das  jedenfalls  nicht  der  Fall  zu  sein.  Eine  Erklärung  würde  aber 
vielleicht  gegeben  werden  können  durch  die  Beobachtung  Blaschkos 
über  die  nur  bei  den  männUchen  Mitgliedern  einer  Familie  nachweisbare 
Heredität. 

Über  die  histiologische  Struktur,  die  Neigung  zur  Erweichung  und 
Verkalkung —  alles  Dinge,  die  schon  vonVirchow  eingehend  geschildert 


Geschwfilste,  Xanthoine.  319 

wurden  —  liegen  neuere  Beobachtungen  nicht  vor;  nur  ein  Fall  von  von 
Bünau  (4)  sei  hier  noch  erwähnt,  welcher  in  einem  seit  15  Jahren  bestehen- 
den gestielten  I-ipom  der  Schenkelbeuge  dicht  unter  der  Oberfläche  mehrere 
mit  öliger  Flüssigkeit  gefüllte,  bis  fast  wallnussgrosse  Höhlen  auffand. 
Da  die  Wandung  der  Höhlen  nur  von  unverändertem  Fettgewebe  oder  stellen- 
weise auch  nur  vom  Bindegewebe  gebildet  war,  Nekrosen  und  Verkalkungen 
im  ganzen  Tumor  nicht  auffindbar  waren,  so  glaubt  von  Bünau,  dass  die 
Höhlen  nicht  wie  gewöhnlich  durch  partielle  Nekrosen,  sondern  dadurch 
entstanden,  dass  durch  häufig  wiederholte  Traumen  Fett  aus  den  Zellen  aus- 
gedrückt wurde  und  sich  zwischen  ihnen  ansammelte.  — 

Eine  eigenartige  zu  den  Lipomen  in  naher  Beziehung  stehende  Neo- 
plasmengruppe  bilden  die  Xanthome.  Wenn  auch  sowohl  über  histo- 
logische Struktur,  wie  Genese  und  Ätiologie  eine  Übereinstimmung  der 
Meinungen  bislang  nicht  erzielt  ist,  so  kann  doch  kaum  ein  Zweifel  darüber 
herrschen,  dass  der  Hauptbestandteil  der  Tumoren  fetthaltige  Zellen  sind. 
Inna  (41)  unterscheidet  allerdings  2  Formen:  a)  dasXanthom  der  Augen- 
lider mit  den  Unterabteilungen  Xanthoma  vulgare  und  Riesenzellenxan- 
thom,  und  b)  das  generalisierte  Xanthom.  Elrsteres  besteht  nach  seiner 
Meinung  keineswegs  aus  Fettzellen,  sondern  stellt  nur  einen  „Xanthomatosen 
Lvmphbahninfarkt"  dar,  d.  h.  die  Zellkerne  enthaltenden  Klumpen  sind 
nicht  fetthaltige  Zellen,  sondern  nur  Fettausgüsse  der  Lympf bahnen,  in 
welchen  die  uakten  Kerne  der  Endothelzellen  hineingeraten  sind  Obgleich 
ich  selbst  niemals  Gelegenheit  gehabt  habe,  Xanthome  zu  untersuchen,  so 
kann  ich  die  Unnasche  Auffassung  doch  nicht  für  richtig  halten.  Einmal 
gewinnt  er  seine  Resultate  mit  Methoden,  die  keineswegs  zuverlässig  ge- 
nannt werden  können  und  zweitens  zeigt  er  durch  den  Vergleich  mit  den  Lepra- 
zellen, dass  seine  Opposition  gegen  die  Zellnatur  der  Xanthomzellen  seiner 
Anschauung  über  die  Natur  der  Leprazellen  entspringt.  Die  Erklärung, 
wie  die  Kerne  der  Endothelzellen  in  die  Fettausgüsse  der  Lymphbahnen 
hineingelangen  ist  durchaus  unbefriedigend,  da  man  sonst  doch  auch  irgend- 
wo noch  unversehrte  ganze  Endothelzellen  neben  kernlosen  Fettklumpen 
liegen  sehen  müsste.  Auch  die  Thatsache,  dass  bei  Leprösen  in  den  Xantom- 
zeUen  Bacillenklumpen  gefunden  werden,  ist  keineswegs  mit  der  Zellnatur 
derselben  unvereinbar,  dehn  es  ist  durchaus  nicht  einzusehen,  warum  nicht 
auch  Xanthomzellen  Bacillen  aufnehmen  können.  Die  von  Unna  selbst 
zugestandene  Thatsache,  dass  es  sich  beim  Xanthoma  generalisatum  um 
eine  Wucherung  fetthaltiger  Zellen  handelt,  spricht  ferner  dafür,  dass  die 
Abweichungen,  die  sich  wohl  sowohl  in  formeller  Hinsicht,  wie  in  chemi- 
scher Beziehung  nachweisen  lassen,  nicht  prinzipieller  Natur  sind.  Man 
wird  sich  deswegen  der  von  Touton  (40),  Lehzen  und  Knauss  (23),  so- 
wie vor  allem  von  Török  (38,  39)  vertretenen  Meinimg  anschliessen  müssen, 


320  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

dass  das  Xanthom  eine  wirkliche  Geschwulst  ist,  die  durch  eine  Prolifera- 
tion von  embryonalen  Fettzellen  entsteht.  Dabei  ist  es  gleich,  ob  man 
wie  Touton  und  Knauss  diese  embryonalen  Fettzellen  als  Lymph- 
endothelien  bezeichnet,  oder  wie  Hallopeau  (15)  und  Török  schlechthin 
von  embryonalen  Fettzellen  spricht.  Auch  darin  besteht  bei  den  meisten 
Autoren  Einigkeit,  dass  der  auffallende  Fettgehalt  der  Zellen  nicht  von 
degenerativen  Vorgängen  herrührt.  Török  führt  zum  Beweise  dafür,  dass 
die  Xanthomzellen  identisch  mit  in  Entwickelung  begriffenen  Fettzellen 
sind,  noch  folgendes  an:  1.  Finden  sich  im  entwickelten  Fettgewebe  Zellen, 
die  grosse  Ähnlichkeit  mit  den  Xanthomzellen  haben,  2.  ist  die  Lagerung 
der  Xanthomzellen  um  die  Gefässe  herum  und  in  der  Adventitia  der  (k- 
fässe  selbst  durchaus  übereinstimmend  mit  den  von  Flemmings  ad  venu- 
tiellen  Fettzellen,  den  normalen  Vorstadien  der  ausgebildeten  Fettgewebs- 
zellen.  Auch  eine  besondere  Abart,  das  Riesenzellenxanthom  anzunehmen, 
deswegen  weil  mitunter,  wie  zuerst  Touton  gesehen  und  auch  Unna  an- 
giebt,  mehrkernige  Riesenzellen  im  Xanthom  vorkommen,  ist  nicht  begrün- 
det; besonders  ist  Unnas  Ansicht,  dass  das  Riesenzellenxanthom  einer 
durchaus  anderen  Gattung  von  Geschwülsten  angehöre  und  wahrschein- 
lich zu  den  lokalen  Infektionsgeschwülsten  gerechnet  werden  müsse,  völlig 
unbewiesen.  Das  Auftreten  der  Riesenzellen,  in  denen  die  Kerne  im  regel- 
mässigen Kreis  um  ein  trübes  Centrum  gestellt  sind,  welcher  selbst  noch 
von  einem  breiten  Protoplasmarande  umgeben  ist,  beweist  selbstverständ- 
lich nichts  für  eine  infektiöse  Entstehung,  während  die  gleiche  Lokalisation 
und  die  Übereinstimmung  der  klinischen  Erscheinungen  für  die  Zusammen- 
gehörigkeit mit  dem  Xanthoma  vulgare  spricht.  Auch  ein  besonderes  elasti- 
sches Xanthom,  über  das  bisher  nun  zwei  Beobachtungen  vonßalzer  und 
Chauffard  vorliegen,  anzuerkennen,  hält  Török  für  unnötig,  da  die 
Unterschiede  —  Degeneration  der  die  Hauptmasse  der  Geschwulst  dar- 
stellenden elastischen  Fasern  und  geringe  Anzahl  der  Xanthomzellen  — 
nicht  prinzipieller  Natur  sind.  —  Er  imterscheidet  daher  nur  zwei  Formen: 
das  vulgäre  und  das  diabetische  Xanthom.  — 

Wenn  auch  der  Lieblingssitz  des  vulgären  Xanthoms  die  Augenlider 
sind,  so  ist  doch  stets  eine  derartige  Vorliebe  zur  Multiplizität  und  Gene- 
rahsierung  vorhanden,  dass  es  nicht  angeht,  mif  Unna  das  generalisierte 
Xanthom  als  eine  besondere  Geschwulstart  von  der  vulgären  abzutrennen. 
Vor  allem  begann  auch  in  den  meisten  Fällen  von  generalisiertem  Xan- 
thom die  Erkrankung  an  den  Augenlidern  (Lehzen,  Stout(35)  u.  a.).  Für 
die  Auffassung,  dass  die  Xanthome  auf  eine  primäre  Entwickelungsstörung  zu 
beziehen  sind,  sprechen  nun  vor  allem  die  Beobachtungen  über  das  Xan- 
thome juvenile  und  familial.  Thibierge(36),  Feulard{10),  Török  (38,  39) 
haben  mehrere  derartige  Fälle   berichtet,   aber  auch  in  den  Fällen  von 


Geschwülste,  Xanthome.  321 

Lehzen  und  Knauss  konnte  beobachtet  werden,  dass  in  derselben 
Familie  noch  eine  etwas  jüngere  (9  jährige)  Schwester  von  der  gleichen 
Erkrankung  befallen  war.  In  Feulards  Fall'  handelte  es  sich  um  ein 
12  jähriges  Mädchen,  bei  dem  die  gelben,  erbsengrossen  Geschwülstchen  an 
der  Rückenfläche  beider  Hände  sassen;  im  Falle  von  Thibierge  wurden 
multiple,  sehr  ausgedehnte  Tumoren  bei  2  Brüdern  beobachtet,  von  denen 
der  eine  im  8.,  der  andere  im  14.  Lebensjahre  von  der  Krankheit  befallen 
wurde.  Thibierge  glaubt,  dass  bei  genauerer  Aufstellung  der  Anamnese 
das  FamiUeiixanthom  noch  viel  häufiger  zur  ärzthchen  Kenntnis  gelangen 
würde.  Wenn  schon  Hallopeau,  wie  oben  kurz  bemerkt,  die  Xan- 
thombildung  auf  die  Wuchenmg  embryonaler  Fettzellen  zurückführen  will 
und  dafür  sowohl  histologische,  wie  klinische  Gründe  anführt,  so  ge- 
schieht das  in  noch  höherem  Grade  von  Török,  dem  wir  besonders 
genaue  Untersuchungen  verdanken.  Er  betont  neben  dem  Vorkom- 
men des  Xanthoms  bei  mehreren  Mitgliedern  derselben  Generation  einer 
Familie  noch  die  nachweisbare  Heredität  und  giebt  den  Stammbaum 
mehrerer  Familien,  um  diese  Heredität  nachzuweisen.  Ferner  führt  er  das 
gleichzeitige  Vorkommen  anderer  kongenitaler  Erkrankungen,  besonders 
von  Naevis  rmd  Teleangiectasien  an.  Nach  ihm  handelt  es  sich  ledig- 
lieh um  eine  Vermehrung  der  Zahl  der  fixen  Bindegewebszellen,  die  sich  in 
Fettzellen  umwandeln,  ohne  dass  Entzündungs-  oder  Degenerationsvorgänge 
in  Erscheinung  träten.  Freilich  ist  das  ursächliche  Moment  der  Disposi- 
tion zur  Fettumwandlung  noch  unbekannt;  jedenfalls  handelt  es  sich  aber 
um  eine  allgemeine  Disposition,  da  das  Vorkommen  innerer  Xanthome  mehr- 
fach auch  durch  die  Sektion  festgestellt  ist,  so  im  Kehlkopf,  den  Bronchien, 
auf  dem  Endokard  (Knauss)  und  an  der  Milzkapsel.  Zweifelhaft  muss  es 
aber  noch  erscheinen,  ob  auch  in  der  Leber  Xanthome  vorkommen,  wie 
vielfach  —  und  auch  von  Török  —  angenommen  wird  und  besonders 
ob  der  häufig  bei  Xanthompatienten  vorhandene  Ikterus  auf  eine  Kom- 
pression der  Gallengänge  durch  Leberxanthome  zu  beziehen  ist.  Eine  von 
William  Frank  Smith  gemachte  Beobachtung,  der  in  der  perkutorisch 
vergrösserten  Leber  Knoten  fühlen  konnte,  ist  nicht  beweisend,  da  die 
histologische  Untersuchung  fehlte,  und  in  anderen  Fällen  ist  es  zweifel- 
haft, ob  es  sich  nicht  nur  mn  Fettinfiltration  der  Leberzellen  gehandelt  hat. 
Von  diesen  eigenartigen,  multiplen  Tumoren,  die  in  ihrem  eigentlichen 
Wesen  immer  noch  nicht  völlig  aufgeklärt  sind,  unterscheidet  sich  nun 
wesentlich  das  Xanthoma  diabeticorum.  Johnston  (18)  hat  dafür  klini- 
sche Gründe  angeführt;  besonders  das  plötzliche  Auftreten  der  Efflores- 
cenzen,  ihre  Festigkeit,  das  Freibleiben  von  Gesicht  und  Augenlidern  so- 
i^ie  die  rapide  Involution  der  Neubildungen.  Török  hat  dazu  noch  einige 
histologische  Gründe  angeführt;   es  soll  sich  nämUch   bei  dem  bei  Diabe- 

LobArsch-Ostertag,  Ergebniue.  U  Abteil.  21 


322  A]]gein.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

tikern  auftretenden  Xanthomen  um  einen  entzündlichen  Prozess  handeln, 
der  mit  einer  Rundzelleninfiltration  beginnt  und  mit  fettiger  Degeneration 
endet.  Freilich  haben  nicht  alle  diese  Unterscheidungsmerkmale  gleichen 
Wert  und  Unna  hat  deswegen  auch  das  Xanthoma  diabeticorum  mit  dem 
vulgären  identifiziert.  Sicher  scheint  es,  dass  das  rasche  Verschwinden 
auch  bei  Xanthomen  vorkommt,  die  unabhängig  von  Diabetes  entstehen; 
wie  ein  Fall  von  Hutchinson  (15)  beweist.  —  Dagegen  scheinen  mir  die 
von  Török  angegebenen  histologischen  Differenzen,  sowie  die  Thatsache, 
dass  das  Xanthoma  diabeticorum  vornehmlich  bei  älteren  Personen  beobachtet 
wurde,  für  eine  prinzipielle  Verschiedenheit  zu  sprechen.  Doch  muss 
man  zugeben,  dass  mangels  einer  genügenden  Klarheit  über  die  Entstehung 
des  Xanthoms  überhaupt,  die  Ansichten  noch  geteilt  sein  dürfen.  — 

3.  Myxome. 

Litteratur. 

1.  Berthenson,  GoDtrihntion  au  diagnostic  des  tumeors  cardiaqnes  primitives.  Myxome 
de  roreillette  gauche.    ArchiveS  de  möd.  exp^nment.  et  d'anaiomie  pathol.  1893.  p.  886. 

2.  Czapek,  Zur  pathologischen  Anatomie  der  primären  Herzgeschwfilste.  Prag.  med. 
Wochenschrift.  1891.  Nr.  39  n.  40. 

3.  Jürgens,  Zur  Kasuistik  der  primären  Herzgeechwülste.  Berliner  klin.  Wochenschrift. 
1891.  Nr.  42. 

4.  Eickhefel,  Zur  Histologie  und  zur  systematischen  Stellung  der  schleimigen  oder 
gallertigen  Gewehe  des  Menschen.    Virchows  Archiv.  Bd.  129.  S.  450. 

5.  Köster,  Sitzungsberichte  der  niederrheinischen  Gesellschaft  f.  Natur-  u.  Heilkunde.  1881. 

6.  Marchand,  Primäres  Myxom  des  linken  Yorhofes;  ältere  Kmbolie  des  linken,  frische 
Embolie  der  rechten  Arteria  fossae  Sylvii.    Berl.  klin.  Wochenschr.  1894.  Nr.  1. 

7.  Orth,  Über  Schleim  und  Schleimgeschwülste  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Blasenmole.  Nachrichten  von  der  königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Güttingen. 
Mathemat-physikal.  Klasse.  1895.  Heft  2.  S.  166. 

8.  Robin,  Note  sur  un  cas  de  myzome  du  coeur.  Archiv  de  m^d.  ezp^riment.  etc.  1893. 
S.  802. 

9.  Salzer,  Myxoma  lipomatodes  capsul.  adipos.  renis.  Wien.  klin.  Wochenschrift  1888. 
Nr.  8—10. 

10.   Thoma,  Lehrbuch.    Myxome. 

Über  die  Stellung  der  Myxome  im  onkologischen  Systeme  sind  die 
Ansichten  immer  noch  geteilt.  In  den  meisten  Lehrbüchern  werden  sie 
als  selbständige  Neubildungen  aufgefasst  und  Thoma  (10)  betrachtet  sie 
sogar  als  in  gewissem  Sinne  heteroplastische  Bildungen,  weil  sie  sich  von 
einem  Muttergewebe  entwickeln,  welches  beim  Erwachsenen  nicht  Schleim- 
gewebe ist.  Diese  Auffassung  würde  aber  nur  begründet  sein,  wenn  dem 
Schleimgewebe  die  Stellung  eines  besonderen  Gewebes  zukäme.  Das  ist 
bekanntlich  besonders  von  Köster  (5)  bestritten  worden.  Nach  ihm  ist 
es  völlig  identisch  mit  lockerem  oder  aufgequollenem  Bindegewebe,  dessen 
Mucingehalt  nur  durch  Zutritt  von  Serum  gequollen  ist.    Das  sogenannte 


Geschwülste,  Myxome.  323 

Schleimgewebe  entsteht  somit  durch  eine  ödematöse  Durchträukung  des 
Bindegewebes  oder  Fettgewebes,  wobei  die  Zellen  des  letzteren  ihren  Fett- 
gehalt einbüssen.  Es  sind  also  wesentlich  Cirkulationsstörungen ,  welche 
die  Umwandlungen  festeren  Bindegewebes  in  Schleimgewebe  bewirken. 
Die  Myxome  sind  weiter  nichts,  als  ödematöse  Fibrome  oder  Lipome,  und 
ihre  Häufigkeit  erklärt  sich  dadurch,  dass  die  dünnwandigen  Gefässe  der 
Geschwülste  eine  grössere  Durchlässigkeit  für  flüssige  Bestandteile  besitzen. 
Auch  Kickhefel  (4)  ist  der  Ansicht,  dass  das  Schleimgewebe  nur  eine 
besondere  Modifikation  anderer  Gewebsarten  ist;  es  ist  weder  morphologisch 
noch  histogenetisch  eine  Einheit,  sondern  alle  Bindegewebssubstanzen,  aber 
auch  Muskel  und  Nervengewebe  können  in  einen  Status  mucosus  versetzt 
werden.  Aber  die  Ursachen  des  Schleimigwerdens  der  Gewebe  sind  nach 
ihm  ganz  andere,  wie  Köster  annimmt.  Auf  die  Grawitzsche  Schlummer- 
zellenlehre gestützt,  meint  er  nachweisen  zu  können,  dass  das  Schleim- 
gewebe durch  ein  „Einschlummern"  des  Zellprotoplasmas  entsteht,  das 
Schleimgewebe  ist  sowohl  Vorstufe  von  Fettgewebe,  wie  von  Bindegewebe ; 
beide  Gewebsarten  können  aber  wiederum  in  Schleimgewebe  übergehen, 
indem  ihre  Fasern  erwachen,  sich  in  Saftspalten  umbilden  oder  sich  in 
körnige  bezw.  schleimige  Grundsubstanz  umbilden.  Bei  dem  Ödema  des 
Bindegewebes  dagegen  handelt  es  sich  nicht  um  einen  Übergang  von 
Zellen  in  mucinöse  Grundsubstanz,  sondern  um  ein  Erwachen  von  Kernen 
und  Zellen  und  einen  Untergang  derselben  durch  Auflösung  in  Ödem- 
wasser. Es  ist  unmöglich,  hier  die  Verfehltheit  der  ganzen  Schlummer- 
zellenlehre uud  ihre  durch  willkürliche  und  phantastische  Deutungen  er- 
möglichte Übertragung  auf  die  Entwickelung  des  Schleimgewebes  nachzu- 
weisen —  es  ist  hier  nur  von  prinzipieller  Wichtigkeit,  festzustellen,  dass 
auch  nach  diesen  Untersuchungen  Schleimgewebe  nur  eine  Modifikation 
verschiedener  Gewebe  ist  und  1.  als  embryonale  Vorstufe  von  Fett-  und 
Bindegewebe,  2.  als  eine  bei  atropischen  und  degenerativen  Vorgängen 
eintretende  Veränderung  von  Bindegewebssubstanzen  vorkommt.  Danach 
kann  man  auch  die  eigentlichen  Myxome  einteilen.  Für  einen  grossen 
Teil  derselben  ist  nach  meinen  Untersuchungen,  die  z.  T.  auch  mit 
Benutzung  der  neueren  Methoden  der  Schleimfärbung  vorgenommen  wur- 
den, die  Köstersche  Anschauung  entschieden  gerechtfertigt;  ödematöses 
Bindegewebe  ist  fast  immer  verhältnismässig  reich  an  Schleim  und  die 
von  Kickhefel  angegebenen  Unterschiede  sind  nicht  greifbare,  mikro- 
skopisch nachweisbare  Dinge,  sondern  subjektive  Deutungen  und  Aus- 
führungen wunderlicher  Ideen.  Ganz  besonders  die  oft  als  Myxome  be- 
zeichneten Polypen  der  Schleimhäute,  besonders  der  Nase,  in  denen  man 
ganz  typische  Stemzellen  auffinden  kann,  sind  nichts  als  ödematöse  Fibrome. 
Allerdings   hat  Orth  (8),  der  auch  neuere   Färbungsmethoden  (Thionin) 

21* 


324  Allgera.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

zum  Nachweis  des  Schleims  benutzte,  angegeben,  dass  die  ödema tosen 
Bindegewebsgeschwülste  kein  Mucin  enthalten  und  deswegen  auch  die  Auf- 
stellung einer  besonderen  Neoplasmengruppe,  der  Myxome,  für  gerecht- 
fertigt erklärt.  Ich  muss  aber  trotzdem  daran  festhalten,  dass  man  unter 
den  verschiedensten  Bedingungen  im  ödematösen  Bindegewebe  tinktoriell 
und  mikrochemisch  Mucin  nachweisen  kann.  Woran  es  liegt,  dass  man 
es  auch  wieder  untrer  scheinbar  gleichen  Bedingungen  vermisst,  vermag 
ich  allerdings  nicht  anzugeben.  Ebenso  sind  auch  manche  Myxome 
des  Herzens  und  der  Niere  ledigUch  umgewandelte  Fibrome  oder 
Lipome,  in  denen  durch  eine  in  Folge  lokaler  oder  allgemeiner  Ur- 
sachen eintretende  Cirkulationsstörung  die  ödematöse  Durchtränkung 
veranlasst  wurde.  So  deutet  auch  Czapek  (2)  seine  beiden  Fälle  von 
Myxomen  des  Herzens,  von  denen  der  in  der  Wand  des  linken  Ven- 
trikels sitzende  vom  subepikardialeu  Fettgewebe,  der  andere  auf  dem  Pa- 
pillarmuskal  liegende  vom  subendokardialen  Bindegewebe  ausgegangen  war. 
Und  auch  in  dem  Fall  von  Jürgens  (3)  Fibromyxom  des  linken  Vorhofs 
muss  die  partielle  myxomatöse  Umwandlung  auf  lokale  Ursachen  bezogen 
werden.  Das  gleiche  ist  wohl  auch  der  Fall  in  den  3  Fällen  von  Myxo- 
lipomen  der  Niere,  welche  Salz  er  (9)  beschreibt,  und  die  er  von  der  Fett- 
kapsel der  Niere  ableitet.  Doch  genügen  hier  die  anatomischen  Daten 
nicht  zu  einem  sicheren  Urteil.  Zweifelhafter  ist  das  in  den  Fällen  von 
Myxomen  des  Herzens,  welche  Berthenson  (1),  Robin  (7)  und  Marchand(6) 
beschrieben  haben.  Namentlich  in  dem  letzteren  Falle  ist  es  wohl  mög- 
lich ,  dass  es  sich  um  einen  kongenital  angelegten  Tumor  gehandelt  hat. 
Hierfür  würde  wenigstens  die  grössere  Selbständigkeit  und  ProUferations- 
fähigkeit  desselben  sprechen.  Marchand  fand  nämlich  mehrfach  Ge- 
schwulstembolien,  besonders  in  der  rechten  Art.  fossae  Sylvii  und  der  linken 
Art.  cerebr.  post. ;  die  in  letzteren  Gefässen  liegenden  Geschwulstmassen 
bildeten  ein  so  langes  cyUndrisches  Gewebsstück,  dass  es  wahrscheinlich 
ist,  dass  sie  durch  Wachstum  aus  einem  kleineren  Embolus  entstanden 
sind;  noch  auffallender  war  es,  dass  in  der  Art.  fossa  Sylvii  dort,  wo 
ebenfalls  Geschwulstmassen  lagen,  in  der  Wand  des  aneurysmatisch  er- 
weiterten Gefässes,  eine  Knochenplatte  lag.  Will  man  auch  diese  mit  der 
Verschleppung  des  Geschwulstmaterials  in  Zusammenhang  bringen,  so  wird 
es  noch  wahrscheinlicher,  dass  wir  es  hierbei  mit  embryonalem  Gewebe 
zu  thun  haben. 

In  Bezug  auf  regressive  Metamorphosen,  sowie  über  das  Myxom  der 
Chorionzotten  liegen  neuere  Beobachtungen  von  allgemein  pathologischem 
Interesse  nicht  vor,  da  die  eingehende  Arbeit  von  Marchand  über  den 
Bau  der  Traubenmole  erst  im  nächsten  Jahrgang  eingehendere  Besprech- 
ung finden  kann.     Nur  soviel  sei  hier  bemerkt,   dass  sowohl  nach  Mar- 


Geschwülste,  £Dcliondrome.  325 

chands,  wie  Orths  Untersuchungen   die  Traubenraole  nicht  mehr  als 
Myxom  des  Chorions  bezeichnet  werden  darf. 

4.  Enchondrome. 

Litteratur. 

1.  von  Dombrowski,  Onkologische  Beiträge.    Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie.  Bd.  32. 
S.  377.  1891.    1.  Chondroendotheliom  der  Haut 

2.  Hanau,  Verhandl.  der  Gesellsch.  deutsch.  Natnrf.  u.  Ärzte.  64.  Yersamml.  Bd.  II. 
1892.    Leipzig.  C.  W.  Vogel.  S.  161. 

3.  Käst  und  von  Recklinghausen,  Ein  Fall   von  Enchondrom  mit  ungewöhnlicher 
Multiplikation.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  118.  8.  1. 

3a.  Mohr,  Über  das  Enchondrom  des  Hodens.     Beitr.  z.  klin.  Chir.  Bd.  XII.  8.  833. 

4.  Putelli,  Über  Knorpelgeschwülste  des  Larynx.    Wien.  med.  Jahrbücher.  Nene  Folge. 
Bd.  m.  8.  351.  1889. 

5.  Steiner-Ribbert,    Über   die    Ecchondrosis  physalifora  spthenooccipitalis.     Gtbl.    f. 
allgem.  Pathol.  Bd.  V.  S.  457. 

6.  Steodel,  Multiple  Enchondrome  der  Knochen  mit  venOsen  Angiomen  der  Weichteile. 
Beitr.  zur  klin.  Chirurgie.  Bd.  8.  8.  503.  1892. 

7.  Virchow,  Über  multiple  Exostosen.    Verhandl.  der  Gesellschaft  deutscher  Natarf.  u. 
irzte.  64.  Versamml.  Bd.  II.  8.  159. 

8.  Zeroni,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Entstehung  und  Entwickelung .  des   Enchondrome 
der  Knochen.    Arbeiten  aus  dem  patholog.  Institut  in  Göttingen.    Berlin  1893.  8.  176. 

Unter  den  Enchondromen  haben  seit  längerer  Zeit  diejenigen  das 
Hauptinteresse  in  Anspruch  genommen,  welche  sich  in  Geweben  vorfinden, 
die  normalerweise  keinen  Knorpel  enthalten ;  denn  in  der  That  sind  solche 
Fälle  von  besonderem  Interesse  für  die  Geschwulsttheorie.  Speziell  bei  den 
Enchondromen  der  Knochen  stehen  sich  die  Meinungen  insofern  scharf 
gegenüber,  als  die  einen  die  Tumoren  als  embryonale  (kongenital  angelegte), 
die  anderen  als  erworbene  betrachten.  Besonders  Virchow  (7)  hat  die 
Ansicht  aufgestellt,  dass  die  Chondrome  der  Knochen  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle,  nicht  embryonalen  Ursprungs  sind;  im  Gegenteil  entstehen  sie  aus 
wachsendem  Knorpel  in  der  extrauterinen  Zeit,  häufig  erst  gegen  die  Puber- 
tätszeit; und  dasselbe  gilt  für  die  cartaliginösen  Exostosen.  Bei  der  Ent- 
stehung spielen  Störungen  in  der  Ossifikation,  vor  allem  die  Rachitis,  eine 
grosse  Rolle.  Bei  der  unregelmässigen  Verknöcherung  bleiben  Teile  des 
wachsenden  Knorpels  hinter  der  Ossifikationslinie ,  welche  ihre  knorpelige 
Beschaffenheit  behalten  und  später  in  ein  hyperplastisches  Wachstum  ge- 
raten ;  liegen  die  Knorpelinseln  central  in  der  Spongiosa,  so  werden  daraus 
Enchondrome,  liegen  sie  dagegen  peripherisch  in  der  Compacta,  so  entstehen 
Ecchondrosen,  aus  denen  weiter  Exostosen  sich  bilden  können.  Ein  aus- 
gezeichnetes Beispiel  für  seine  Ansicht  konnte  Virchow  zugleich  demon- 
strieren an  dem  Skelett  eines  ca.  20jährigen  Mädchens,  welches  in  der 
Jugend  rachitisch  gewesen  war,  und  an  dessen  Skelett  sich  eine  ungewöhn- 


326  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

liehe  Menge  knorpliger  Exostosen  und  ein  grosses  Chondrom  in  der  rechten 
Crista    ossis    ilei    vorfanden.     In  der    Diskussion  erwähnte   Hanau  (2) 
einen  Fall  von  multiplen  Exostosen  in  der  Tibia,  dem  Femur  und  den 
Fusswurzelknochen  eines  40 — 50jährigen  Mannes,  wo  wahrscheinlich  eine 
ähnliche  Ätiologie  bestand.     Auch  Käst  und  v.  Recklinghausen  (3) 
glauben,  dass  in  ihrem  Falle,   bei  dem  vorausgegangene  Rachitis  nicht 
nachweisbar  war,  Ossifikationsstörungen  zur  Zeit  der  Wachstumsperiode 
ätiologisch  von  Bedeutung  gewesen  sind.    In  dem  Falle  waren  zunächst 
im  Alter  von  3 — 4  Jahren  knotige  Verdickungen  an  sämtlichen  Fingern 
der  rechten  Hand  aufgetreten,  im  10.  Jahre  hatten  sich  dann  noch  an  den 
Fingern  der  andern  Hand  und  den  Zehen  weitere  Tumoren  entwickelt,  die 
bis  zum  15.— 16.  Jahre   langsam,  bis    zum  22.  Jahre   rascher  wuchsen, 
worauf  Stillstand  eintrat.     In  der  Haut  über  den  Geschwülsten  waren  die 
Venen  dilatiert,  und   ausserdem  fanden  sich   auch  noch  multiple  venöse 
Angiome  an  anderen  Stellen;  bei  der  genaueren  Untersuchung  der  Hand 
Hessen  sich  noch  äusserst  zahlreiche  venöse  Angiome  nachweisen,  die  in 
ihrem  ganzen  Verhalten  als  passive  Dilatationen  erschienen,  deren  „eigent- 
liche Grundbedingung  in  einem  mangelhaften  Wachstum  der  Gefässwan- 
dungen  und  in  einer  Schwäche   derselben  gegenüber  der  vom  Blutstrom 
ausgeübten  Belastung  zu  suchen  wäre."  v.  Recklinghausen  meint  daher, 
dass  diese  primäre  vaskuläre  Störung  die  Ursache  der  Ossifikatioustörung 
und  somit  der  Enchondrombildung  gewesen  ist.     In.  einem  äusserst  ähn- 
lichen,  von    Steudel   (6)   beschriebenen  Fall,  wo    ebenfalls   die  Enchon- 
drombildung  mit   dem    Knochenwachstum   im    innigsten   Zusammenhang 
stand,  glaubt  allerdings  Steudel  den  Zusammenhang  zwischen  Enchon- 
drom-  und  Angiombildung  umgekehrt   deuten  zu   müssen,   dahingehend, 
dass  die  Angiome  infolge  des  stärkeren  Wachstums  einzelner  Enchondrome 
entstanden.     Ob  in  diesem  Falle  eine  rachitische  Ossifikationsstörung  Ur- 
sache der  Geschwulstbildung  war,  konnte  nicht  sicher  festgestellt  werden. 
Die  anamnestische  Angabe,  dass  der  Patient  erst  nach  Ablauf  des  2.  Lebens- 
jahres laufen  lernte,  sowie  die  auch  am  Thorax  vorgefundenen  Verkrümm- 
ungen konnten  jedenfalls  dafür  sprechen.    Eine  sehr  gute  Bestätigung  der 
früheren  und  neueren  Beobachtungen  Virchows  liefert  dagegen  der  Fall 
von  Zeroni  (8),  welcher  in' dem  Femur  eines  rachitischen  Kindes  inner- 
halb der  Markhöhle  ein  kirschkerngrosses  und  ein  noch  etwas  kleineres 
hyalines  Enchondrom  vorfand,  das  vom  Rande  aus  zu  verknöchern  begann. 
Zeroni  stimmt  mit  Virchow  darin  überein,   dass  solche  Tumoren  von 
Knorpelzellennestem  ausgehen,  die  bei  der  rachitischen  Wachstumsstörung 
häufig  stehen  bleiben  können  und  glaubt,  dass  bei  genauerer  Untersuchung 
derartige  Wucherungen  übrig  gebliebener  Knorpelinseln  häufiger  zur  Be- 
obachtung gelangen  werden. 


Geschwülste,  £nchondrome.  327 

Während  somit  die  eben  besprochenen  Arbeiten  den  Beweis  liefern, 
dass  die  multiplen  Enehondrome  ohne  embryonale  Anlage  erklärt  werden 
können,  zeigen  die  neuesten  Untersuchungen  Steiners  und  Ribberts  (5), 
dass  die  Ecchondrosis  physalifora  aus  Chordaresten  entsteht,  also  embryo- 
nalen Ursprungs  ist,  wobei  möglicherweise  eine  Keimverlagerung  noch  eine 
Rolle  spielt,  da  die  Ecchondrosis  stets  unter  der  Dura  des  Clivus  entsteht, 
während  man  den  Chordarest  central  in  der  Knorpelfuge  erwarten  müsste. 
—  Dass  auch  die  seltenen  Chondrome  der  Haut  auf  eine  Keimverlagerung 
zurückzuführen   sind,   ist  sehr  wahrscheinlich,  wird  aber  immerhin  noch 
bestritten.      Unna  (Histopathologie)  beschreibt  ein  derartiges  subkutanes 
hyalines   Enchondrom   der  Oberlippe,   in  dessen  Peripherie  sich  Schleim- 
drüsen befanden  und  leitet  es  von  einem  versprengten  Keim  ab,  was  ja 
auch  gerade  bei  der  besonderen  Lokalisierung  äusserst  wahrscheinUch  ist. 
von  Dombro  wski  (1)  glaubt  dagegen  ein  ChondroendotheUom  der  rechten 
Ohrmuschel  einer  52jährigen  Frau,  welches  seit  der  Jugend  bestand,  auf 
eine  metaplastische  Umwandlung  von  Blut-  und  Lymphgefässendothelien 
m  Knorpelzellen  zurückführen  zu  können.     Die  Geschwulst  bestand  aus 
einzelnen  Läppchen,   welche  mikroskopisch  Blutgefässhöhlen   entsprachen, 
die  zum  Teil  echtes  Knorpelgewebe  enthielten;   es  sollen  nun  Übergangs- 
bilder zwischen  den  anfangs  epithelartige  Zelllagen  bildenden  EndotheUen 
und  den  Knorpelzellen  die  Metaplasie  von  Endothelzellen  in  Knorpelzellen 
beweisen.  —  Wenn   schon   aus   allgemein   pathologischen  Gründen   diese 
Ansicht   zurückgewiesen   werden   muss,  so  ist  sie  auch  für  den  einzelnen 
Fall  hier  keineswegs  auch  nur  einigermassen  wahrscheinlich  gemacht,  da 
die  beschriebenen  Bilder  viel  besser  und  einfacher  dahin  gedeutet  werden 
müssen,  dass  an  Knorpelinseln  stärkere  Blutgefässneubildung  stattgefunden 
hat.    Es  würde  also  auch  dieser  Fall  auf  eine  Verlagerung  von  Knorpel- 
substanz zurückgeführt  werden  müssen.  —  Ebenfalls  zu    den  embryonal 
angelegten  Enchondromen  gehören   diejenigen    des  Hodens,   welche  aber 
als  reine  Enehondrome  sehr  selten  sind.     Mohr  (3a),  der  selbst  einen  der- 
artigen Fall  beschrieb,  hat  ausserdem  nur  noch  11  Fälle  aus  der  Litteratur 
zusammenstellen  können. 

Was  nun  die  eigentUchen  hyperplastischen  Enehondrome  anbetrifft, 
80  sind  Beobachtungen  von  prinzipieller  Wichtigkeit  in  neuerer  Zeit  nicht 
gemacht.  Nur  Putellis  (4)  Angabe  über  die  Enehondrome  des  Kehlkopfs 
seien  noch  kurz  erwähnt,  da  es  sich  bei  den  acht  Fällen  echter  Enehondrome, 
die  Putelli  aus  der  Litteratur  und  eigener  Beobachtung  zusammenstellen 
konnte,  stets  um  Männer  zwischen  dem  38.  und  62.  Lebensjahre  handelte. 
Die  Ätiologie  bUeb  dunkel;  aber  das  Alter  spricht  wohl  nicht  gerade 
dafür,  dass  kongenitale  Anlage  bedeutungsvoll  war. 


328  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

5.  Osteome. 

Litteratur. 

1.  Ghiari,   Zar  Lehre  von   den   multiplen  Exostosen.     Prag.  med.  Wochenschr.   1892. 
Nr.  35. 

2.  Griffith,   Hereditäre   multiple   Ezostosenbildung.     Transactions  of  the  pathological 
Society  of  London.  Bd.  45. 

3.  Heymann,  Ein  Beitrag  zur  Heredität  seltener  G^schwulstformen  —  multiple  carti- 
laginöse  Exostosen.    Virchows  Arch.  Bd.  104.  S.  145. 

4.  Earewski,   Multiple   Exostosen  am  Schädel   und  Gesicht  mit  halbseitiger  Gesichts- 
atrophie.   Deutsch,  med.  Wochenschr.  1891.  Nr.  48. 

4a.  Mischaikoff,  Ober  Enochenbildung  in  der  Trachealschleimhaut.    Dissertation.  ZQrieh 
1894. 

5.  Nakel,  Ein  Fall  von  rechtsseitigem  StimhOhlenosteom.    Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie. 
Bd.  33.  1892. 

6.  Reinecke,   Über  die  Erblichkeit  der  multiplen  Wachstumsexostosen.     Beiträge  zur 
klin.  Chirurgie.    Bd.  7.  S.  657.  1891. 

7.  Ribbert,  Entstehung  der  Geschwülste.    Deutsch,  med.  Wochenschr.  1895. 

8.  Rubinstein,  Ein  Fall  von  multiplen  Exostosen  mit  WachstumsstOrung  der  Enocheo. 
Berlin,  klin.  Wochenschr.  Bd.  28.  Nr.  32.  1891. 

9.  Virchow,  Multiple  Exostosen.    Verhandl.   der  Gesellsch.   Schles.  Naturf.  u.  Ärzte. 
Bd.  n.  Leipzig  1892. 

10.   Zanda,  Über  die  Entwickelung  der  Osteome  der  Arachnoidea  spinalis.     Zieglers 
Beiträge.  Bd.  V.  1890. 


Den  multiplen  Enchondroinen  schliessen  sich  die  multiplen  Exostosen 
direkt  dadurch  an,  dass  sie  vielfach  aus  multiplen  Enchondromen  hervor- 
gegangen sind  oder  wenigstens  eine  knorpehge  Anlage  besitzen ;  auch  lässt 
sich  bei  ihnen  gleichfalls  die  Koincidenz  mit  Wachstumsstörungen  des  Kno- 
chens nachweisen.  So  gehören  denn  auch  die  Fälle  von  Chiari  (1)  — 
Hunderte  von  Exostosen  des  Skeletts  bei  einem  19  jährigen  Mädchen  neben 
Eiesenzellensarkom  —  Rubinstein  (8)  und  Virchow  (9)  mehr  in  das 
vorige  Kapitel  hinein.  Der  Fall  von  Karewski  (4),  wo  die  Exostosen  bei 
einem  13jährigen  Mädchen  nur  an  den  Schädel-  und  Gesichtsknochen  und 
im  Gehörgang  vorhanden  waren,  besitzt  zwar  insofern  besonderes  Interesse, 
als  am  Rurapfskelett  Spuren  alter  Rachitis  nachweisbar  waren;  ob  seine 
Entstehung  aber  in  gleicher  Weise  gedeutet  werden  darf,  wie  die  der  von 
den  Epiphysen  der  Röhrenknochen  ausgehenden  Exostosen,  muss  doch  noch 
dahingestellt  bleiben,  da  die  Entwickelung  der  Schädelknochen  eine  durch- 
aus abweichende  ist.  —  Für  eine  andere  Reihe  von  Exostosenbildungeu 
konnte  nun  aber  deutlich  ein  hereditärer  Einfluss  nachgewiesen  werden, 
so  dass  man  die  Frage  auf  werfen  muss,  ob  solche  Fälle  nicht  doch  im 
Sinne  der  Cohnheimschen  Hypothese  Verwertung  verdienen.  Zuerst  bat 
Heymann  (3)  einen  Fall  beschrieben,  wo  bei  einer  Familie  acht  Personen 


Geschwülste,  Osteome.  329 

dreier  aufeinander  liegender  Generationen  in  frühester  Jugend  von  mul- 
tiplen Exostosen  befallen  wurden  und  zwar  vorwiegend  die  männlichen 
Mitglieder.  Griff  ith  (2)  beobachtete  bei  einem  31  jährigen  Manne  multiple 
Exostosen  des  Femur  und  stellte  fest,  dass  ein  Bruder,  sowie  der  Vater 
und  Grossvater  desselben  an  der  gleichen  Erkrankung  litten.  Rein  ecke 
(6)  hat  aus  der  Litteratur  36  Fälle  zusammengestellt,  bei  denen  die  erbliche 
Anlage  der  multiplen  Exostosen  nachweisbar  war  und  zwar  konnte  die 
Heredität  Imal  bis  in  die  fünfte,  2 mal  bis  in  die  vierte,  15 mal  in  die 
dritte  und  12mal  bis  in  die  zweite  Generation  zurückverfolgt  werden. 
Reinecke  glaubt,  dass  hierdurch  die  Annahme  von  der  rachitischen  Ent- 
stehung der  Exostosen  widerlegt  würde.  Virchow  (9)  hat  nun  allerdings 
dagegen  eingewendet,  dass  die  ErbUchkeit  nicht  den  Begriff  des  Angeborenen 
in  sich  schliesst  und  dass  auch  erbliche  Störungen  oft  erst  im  späteren 
Leben  hervortreten.  Aber,  wenn  man  auch  zugeben  muss,  dass  die  Beob- 
achtungen über  die  Vererbung  von  Exostosen  nicht  im  stände  sind,  die 
positiven  Befunde  über  den  Einfluss  rachitischer  Knochenwachstums- 
störangen  zu  negieren,  so  ist  doch  andererseits  auf  Grund  unserer  jetzigen 
Kenntnisse  über  das  Wesen  der  Vererbung  anzunehmen,  dass  nur  solche 
Störungen  vererbbar  sind,  die  bereits  im  Keime  angelegt  waren.  Wir 
würden  deswegen  zu  der  Überzeugung  kommen  müssen,  dass  die  erblichen 
multiplen  Exostosen  kongenitalen  Ursprungs  sind,  wenn  man  nicht  etwa 
das  Vorkommen  in  einer  und  derselben  Familie  für  etwas  Zufälliges  halten 
will,  was  durch  gleiche  äussere  Ursachen  veranlasst  wäre.  Dagegen  spricht 
aber  die  Art  der  Vererbung,  ihre  relative  Häufigkeit  und  die  Thatsache, 
dass  durchaus  nicht  immer  in  diesen  Fällen  Rachitis  nachweisbar  war. 
Man  wird  also  in  der  That  die  erbUchen  Exostosen  von  den  durch  Rachitis 
erworbenen  abtrennen  müssen.  —  Zu  den  kongenital  angelegten  Osteomen 
gehören  nach  Ribbert  (7)  auch  die  multiplen  Osteome  der  Trachealschleim- 
haut,  wie  sieMischaikoff  (4a)  beschrieben  hat.  Hier  fand  man  nämlich 
die  Osteome  nicht  in  knöcherner  oder  knorpeliger  Verbindung  mit  den 
Tracheairingen,  sondern  sie  erschienen  allein  oder  im  Zusammenhang  mit 
Knorpelinseln,  eingesprengt  in  bindegewebige  Züge,  die  vom  Periost  in  die 
Schleimhaut  ausstrahlten.  Ribbert  glaubt  daher,  dass  diese  Tumoren 
aus  einer  abnormen  Anlage  des  die  Tracheairinge  bildenden  Gewebes  her- 
vorgehen. —  Für  andere  heteroplastische  Osteome,  wie  die  der  Arachnoidea 
spiralis,  ist  eine  andere  Erklärung  leicht  verständlich,  wie  sie  Zanda(lO) 
durch  seine  Untersuchungen  gegeben  hat.  Hier  beginnt  die  Tumorbildung 
init  einer  Wucherung  des  arachnoidealen  Bindegewebes  und  erst  wenn 
diese  neuen  Gewebszüge  mit  der  Dura  mater  verwachsen  sind,  beginnt  von 
dieser  her,  welche  ja  die  Rolle  vom  Periost  besitzt,  die  Bildung  von  Knochen- 
gewebe.   Es  handelt  sich  hier  also  auch  nicht  einmal  um  eine  Metaplasie, 


330  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

sondern  um  einen  Vorgang,  der  mehr  in  das  Gebiet  chronisch  entzündlicher 
Prozesse  hineingehört. 

6.  Myome. 

Litteratur. 
a)  Rhabdomyome. 

1.  Girode,   Präsence  de  fihres  musculairea  stri^s  dans  nne   paroie  nt^rine.    Comptes 
rendus.  12.  11.  1892. 

2.  Hanau,  Demonstrationen.    Gesellschaft  der  Ärzte  in  Zürich.     Sitzung   vom  24.  Juli 
1892.    Schweizer  Correspondenzhlatt.  1893.  S.  232. 

3.  Rihbert,  Beiträge  zur  Kenntnis   der  Rhabdomyome.    Vir  eh.  Arch.   Bd.  130.  S.  249. 

4.  Ried  er,   Über  eine  seltene  Geschwnlstbildung  des  Herzens.    Jahrb.  des  Hamburger 
Stadtkrankenhanses.    Bd.  I.  1890.  Bei  Vogel. 

5.  Wolfe nsberger,  Über  ein  Rhabdomyom  der  Speiseröhre.    Zieglers  Beitr.  Bd.  14. 

6.  Zenker,  Über  ein  Rhabdomyosarkom  der  Orbita.    Vi  roh.  Arohiv.  Bd.  120. 

Das  Vorkommen  von  Rhabdomyomen  oder  Rhabdomyosarkomen  hat 
stets  Gelegenheit  gegeben,  die  Frage  auf  zuwerfen,  ob  es  sich  um  meta- 
plastische oder  kongenital  angelegte  Neubildungen  handelt,  um  so  mehr, 
als  sie  meistens  in  Organen  gefunden  werden,  die  quergestreifte  Muskulatur 
nicht,  wohl  aber  glatte  Muskulatur  besitzen.  Ribbert  war  thatsächlich 
auch  früher  bei  der  Beschreibung  eines  Rhabdomyosarkoms  zu  der  An- 
sicht gekommen,  dass  es  sich  um  eine  meta plastische  Neubildung  handle; 
auf  Grund  umfassender  Untersuchungen  ist  er  jedoch  neuerdings  (3)  von 
dieser  Auffassung  zurückgekommen  und  hat  vielmehr  selbst  die  Momente 
zusammengestellt,  welche  für  eine  kongenitale  Anlage  der  Tumoren  sprechen. 
Er  hat  dabei  besonders  hervorgehoben,  dass  1.  die  quergestreiften  Muskeln 
dieser  Neubildungen  sowohl  in  ihren  histologischen  Eigentümlichkeiten,  wie 
in  ihrem  Wachstum  die  Verhältnisse  des  embryonalen  Muskelgewebes 
in  allen  wichtigen  Punkten  wiederholen  und  2.  die  Tumoren  meist 
angeboren  vorkommen  oder  wenigstens  in  früherer  Lebenszeit  sich  ent- 
wickeln und  3.  häufig  auch  noch  andere  Gewebsteile  wie  Knorpel  und 
epitheliale  Gebilde  in  ihnen  vorkommen.  Noch  eingehender  hat  Wolfens- 
berg er  (5)  die  Gründe  erörtert,  welche  für  die  kongenitale  Natur  der 
Rhabdomyome  sprechen.  Er  untersuchte  ein  von  Hanau  (2)  seciertes 
Rhabdomyosarkom  des  Ösophagus,  welches  nicht  nur  als  bisher  einziges 
Beispiel  eines  Rhabdomyoms  der  Speiseröhre,  sondern  auch  deswegen  von 
besonderem  Interesse  war,  weil  es  bei  einem  75jährigen  Mann  gefunden 
wurde.  Hier  werden  zunächst  alle  die  Gründe  ausführlich  angeführt, 
welche  gegen  eine  Metaplasie  sprechen,  vor  allem  aber  auch  überzeugend 
nachgewiesen,  dass  die  angeblichen  Übergangsbilder  besser  in  der  Weise 
gedeutet  werden,  dass  infolge   der  Infiltration  mit  Tumorzellen  glatte  und 


^Geschwülstei  Rhabdomyome.  331 

quergestreifte  Muskelelemente  durch  einander  gelagert  wurden.  Weiter 
macht  Wolf ensb erger  darauf  aufmerksam,  dass  die  Rhabdomyome  be- 
stimmte Lokalitäten  bevorzugen  und  zwar  solche,  bei  denen  kompliziertere 
entwickelungsgeschichtliche  Verhältnisse  vorliegen.  Unter  63  Fällen  kamen 
nicht  w^eniger  wie  38  auf  das  Urogenitalsystem  und  seine  Umgebung, 
7  auf  die  Halsgegend,  4  auf  Orbita  und  Umgegend.  Hanau  weist  darauf 
hin,  dfiss  der  Urogenitaltraktus  durch  Verschmelzung  zweier  Anlagen  ent- 
steht und  dass  bei  diesen  Kompositionen  besonders  leicht  ein  fremder  Keim 
mit  eingeschlossen  werden  kann,  wodurch  sich  die  Lokalisation  der  Timaoren 
erklären  würde.  —  Dass  auch  bei  den  homologen  Rhabdomyomen  des 
Myokards  es  sich  um  eine  embryonale  Anlage  handelt,  ist  schon  früher 
durch  Kolisko  nachgewiesen  worden,  welcher  zeigen  konnte,  dass  die 
entsprechenden  Geschwülste  in  Form  und  Anordnung  der  Zellen  genau 
mit  dem  Bilde  übereinstimmen,  welches  das  Herzfleisch  eines  ca.  4  Wochen 
alten  Embryos  darbot.  Der  Fall  von  Rieder  (4),  bei  dem  es  sich  um 
eben  Tumor  an  der  vorderen  Wand  des  Conus  arteriosus  dexter.  bei  einer 
24jährigen  Frau  handelte,  bot  sogar  geradezu  die  Verhältnisse  einer  kon- 
genitalen Missbildung  dar,  eine  wahre  Herzstenose,  wie  Weigert  es  be- 
zeichnete, die  mikroskopisch  den  Bau  des  Rhabdomyoms  zeigte.  —  Dass 
auch  die  Uterusrhabdomyome,  von  denen  auch  Hanau  einen  Fall  beob- 
achtete, kongenitalen  Ursprungs  sind,  ist  durch  die  Beobachtung  Girodes(l) 
äusserst  wahrscheinlich  geworden,  welcher  in  dem  Uterus  einer  24  jährigen 
Wöchnerin  an  der  hinteren  Wand  des  Fundus  eine  reichliche  Menge 
quergestreifter  Muskelfasern  entdeckte.  ~-  Was  Einzelheiten  der  in  Frage 
stehenden  Tumoren  anbetrifift,  so  sei  hier  nur  erwähnt,  dass  die  spindeligen 
Zellen,  welche  von  vielen  Beobachtern  für  Sarkomzellen  gehalten  werden, 
nach  Ribbert  (3),  Hanau  (2),  Wolfensberger  (5)  nicht  anderes  als 
junge  Muskelfasern  sind  und  dass  der  von  früheren  Autoren  (Marchand, 
Arnold)  nachgewiesene  Gehalt  der  Muskelfasern  an  Glykogen  nicht  immer 
bestätigt  werden  konnte  (Ribbert),  was  aber  zum  Teil  an  der  Härtung 
gelegen  haben  mag;  doch  mögen  auch  andere  hyaline  Einlagerungen  in 
den  embryonalen  Muskelfasern  vorkommen.  — 

b)  Leiomyome. 

Litteratur. 

1.  Arn  and,  Deux  cas  de  polypes  du  larynz  ä  r^p^tition   —   Myome.     Annales  de  la 
policlin.  de  Bordeaux.    Jiüi  1890. 

2.  Breus,   Ober   wahre  epithelfUhrende  Cystenbildung  in  Uterusmyomen.     Leipzig  und 
Wien  bei  Franz  De u ticke.  1893. 

3.  Büttner,   Ein  Fall  von  Myom   der  weibl.  Urethra.    Zeitschr.  f.  Geburtshilfe.  Bd.  28. 
S.  136.  1894. 

4.  Gottschalk,  Über  die  Histogenese  und  Ätiologie  der  Uterusmyome.   Arch.  f.  Gynäkol. 
Bd.  43.  S.  534. 


332  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

5.  Haaser,  Über  das  Vorkommen  von  Drttsenschläachen  in  einem  Fibromyom  des  ütems. 
Manch,  med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  10. 

6.  Hess,  Ein  Fall  von  multiplen  Dermatomyomen  an  der  Nase.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  120. 
8.  321.  1890. 

7.  Jadassohn,  Zur  Kenntnis  der  multiplen  Myome  der  Haut.    Ebenda.  Bd.  121.  S.  88. 
1890. 

8.  Kunze,   Zur  Kasuistik   der  Myome   des  Magens.    Arch.   f.  klin.  Chirurgie.   Bd.  40. 
8.  578.  1890. 

9.  Prochownik,  Zur  Ätiologie  der  Fibromyome.    Deutsche  med.  Wochenschr.  Bd.  28. 
Nr.  7.  1892. 

10.  V.  Recklinghausen,  Ober  Adenocysten  der  Uterustumoren  und  Überreste  des 
Wolf  sehen  Organs.  Sitzung  des  med.  naturwissenschaftl.  Vereins  in  Strassborg. 
19.  März  1893.    Deutsch,  med.  Wochenseh.  1893.  8.  825. 

11.  Reich,  Über  die  Mastzellen  in  Uterusmyomon.  Arbeiten  aus  dem  patholog. . Insütat 
in  Gottingen.  1893.  8.  216. 

12.  Ribbert,  Entstehung  der  GeschwOlste.     1895.  8onderabdruck.  8.  15. 

18.  ROsger,  Über  Bau  und  Entstehung  des  Myoma  uteri.  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  Bd.  18. 
8.  131.  1890. 

14.  8chottländer,  Über  drüsige  Elemente  in  Fibromyom en  des  Uterus.  Zeitschr.  für 
Geburtshilfe.  Bd.  27.  8.  321.  1893. 

15.  Uter,  Einiges  zur  Pathologie  der  Mucosa  corporis  uteri.  Gtbl.  f.  Gynftkol.  Bd.  XV. 
1891. 

16.  Vedeler,  Das  Myomprotozoon.    Ctbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  17.  Nr.  7  u.  8. 

17.  Wolters,  Über  multiple  Myome  der  Haut.  Arch.  f.  Dermatol.  Ergftnzungsheft. 
8.  413.  1898. 


Die  Struktur  der  Leiomyome  und  ihre  Entwickelung  ist  vorwiegend 
an  den  Uterusmyomen  studiert  worden,  da  sie  sowohl  die  häufigsten  Myome 
sind,  als  auch  das  grösste  klinische  Interesse  in  Anspruch  nehmen ;  erst  in 
zweiter  Linie  kommen  die  Myome  des  Magendarmtraktus  in  Betracht,  erst 
in  neuerer  Zeit  hat  man  auch  den  Myomen  der  Haut  grössere  Aufmerksam- 
keit geschenkt.  Von  anderen  Orten  kommen  nur  noch  die  Myome  der 
Scheide  in  Betracht,  über  die  neuere  Mitteilungen  nicht  vorliegen ;  ein  von 
Büttner  (3)  beschriebener  Fall  eines  grossen,  reinen  Myoms  der  Urethra 
bei  einer  40jährigen  Frau  dürfte  als  ein  Unikum  zu  betrachten  sein.  — 
Was  nun  die  Histogenese  der  Uterusmyome  anbetrifft,  so  hat  zuerst 
Roesger  (13)  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  die  erste  Anlage  des  Myoms 
von  der  Muskulatur  kleinster  Arterien  ausgeht;  daraus  soll  sich  auch  der 
„verfilzte"  Bau  der  Myome  erklären,  da  auch  die  einzelnen  Gefässäste 
vielfach  durch  einander  verschlungen  sind  und  am  fötalen  Uterus  keine 
lamellöse  Struktur  nachweisbar  ist;  das  spricht  auch  gegen  eine  kongenitale 
Entstehung  der  Myome,  da  ja  auch  thatsächlich  noch  nie  Uterusmyome 
kongenital  und  nur  sehr  selten  vor  dem  Eintritt  der  Menses  beobachtet 
worden  seien.  Auch  Gottschalk  (4),  welcher  nur  die  kleinsten  Anfänge 
von  Myombildung,  die  eben  noch  mit  blossem  Auge  sichtbaren  Knötchen 
von  knapp  Linsengrösse  untersuchte,  scheint  einen  Ausgang  der  Geschwülste 


Geschwülste,  Leiomyome.  333 

von  den  Arterien  anzunehmen;  denn  er  findet  stets  als  Grundstock  des 
Geschwulstkeimes  einen  auffallend  stark  gewundenen  Abschnitt  einer 
grösseren  Arterie,  deren  Lumen  durch  Wucherung  der  Wandelemente  an- 
nähernd oder  ganz  obUteriert  sein  kann.  Um  diese  proUferierenden  Elemente 
der  Arterie  —  auch  Adventitia  und  Intüna  sollen  an  der  Wucherung  be- 
teiligt sein  —  lagern  sich  die  peripheren  Muskelschichten,  genau  der  Ver- 
aufsrichtung  der  Kemarterie  folgend.  Über  die  Histogenese  der  Myome 
anderer  Organe  liegen  keine  besonderen  Mitteilungen  vor,  nur  Hess  (6), 
welcher  bei  einem  19  jährigen  Fräulein  mehrere  im  dritten  Lebensjahre  ent- 
standene warzenförmige  Myome  der  Nase  untersuchte,  macht  die  Angabe, 
dass  die  unregelmässig  gewundenen  Faserzüge  sich  direkt  in  die  Musku- 
latur der  peripherischen,  reichUchen  Arterien  verfolgen  Hessen,  und  er 
rechnet  daher  seine  Tumoren  geradezu  zu  den  Angiomyomen.  Dagegen 
konnte  an  den  multiplen  Dermatomyomen,  wie  sie  Ja  das  söhn  (7)  und 
Wolters  (17)  beschrieben,  der  Nachweis  geführt  werden,  dass  die  Wuche- 
rung der  Muskelfasern  von  den  Muskeln  der  Haarbälge  ausging.  Nament- 
lich Jadassohn  konnte  dies  in  einem  Falle  bereits  grob-anatomisch  de- 
monstrieren, denn  aus  jedem  der  kleinsten  Knötchen  ragte  ein  Lanugohaar 
hervor;  in  einem  der  von  Wolters  beschriebenen  beiden  Fälle  waren  diese 
Beziehungen  allerdings  nicht  so  eklatante,  indem  er  sowohl  die  Muskeln 
der  Haarbälge,  wie  der  Drüsen  und  Arterien  als  Matrix  der  Muskelzellen 
in  Anspruch  nimmt.  —  Über  die  Entstehung  der  Myome  des  Magendarm- 
traktus  und  des  Larynx,  von  denen  Kunze  (8)  und  Arnaud  (1)  Fälle 
beschrieben,  sind  keine  neueren  Mitteilungen  gemacht  worden;  nur  von 
älteren  Beobachtern  —  namentüch  Böttcher  (Virch.  Arch.  Bd.  104)  wird 
angeführt,  dass  es  sich  bei  vielen  Darrarayomen  um  eine  lokale  Hyper- 
plasie der  Längs-  und  Querfaserschicht  der  Darmmuskulatur  handelt.  — 
Nach  meinen  Erfahrungen  haben  die  Angaben  von  Roesger  und  Gott- 
schalk durchaus  Berechtigung,  insofern  sich  bei  den  kleinsten  Muskel- 
tumoren des  Uterus  der  beschriebene  Zusammenhang  mit  der  Gefäss- 
muskulatur  nachweisen  lässt,  ja  mitunter  sogar  noch  an  grösseren  Ge- 
sehwulstknoten die  Beziehungen  zu  den  Gefässen  in  eklatantester  Weise  her- 
vortreten. Es  ist  daher  in  der  That  wahrscheinlich,  dass  alle  oder  wenig- 
stens die  meisten  Uterusmyome  in  der  angegebenen  Weise  entstehen,  wenn 
auch  die  Meinung  Roesgers  (13),  dass  der  verfilzte  Bau  der  Myome 
durch  den  Verlauf  der  Blutgefässe  bedingt  ist,  nicht  Anspruch  auf  Allge- 
meingütigkeit  machen  kann.  Dass  auch  im  Magen  die  Myome  ihren  Ausgang 
von  der  Gefässmuskulatur  nehmen  können,  habe  ich  in  zwei  Fällen  mit  Sicher- 
heit beobachten  kömien;  es  handelte  sich  um  sehr  feste,  knapp  linsengrosse 
Neubildungen ,  die  bereits  auf  dem  Durchschnitt  ein  äusserst  feines  Lumen 
erkennen  liessen;  mikroskopisch  erwiesen  sie  sich  als  Myome,  deren  Muskel- 


334  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Züge  sich  um  eine  kleine, .  endarteritisch  verdickte  Arterie  gruppierten. 
Doch  liegt  es  mir  ferne,  diesen  Entstehungsmodus  für  alle  Myome  des 
Magendarmtraktus  annehmen  zu  wollen.  —  Was  weitere  Besonderheiten 
der  Myome  anbetrifft;  so  haben  die  neueren  üntersucher  den  Mastzellen 
eine  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Jadassohn  (7)  erwähnt  ihr 
reichliches  Vorkommen  in  den  Dermatomyomen,  Gottschalk  (4)  und 
Reich  (11)  haben  sie  in  den  Uterusmyomen  näher  untersucht;  ersterer 
schildert  sie  als  besonders  gross;  oft  in  chromatinreichen  Mitosen  begriffen; 
ihre  Granula  verlassen  die  Zellen,  dringen  wie  Samenkörner  nach  aussen 
und  lassen  sich  nach  allen  Richtungen  verfolgen,  wo  sie  sich  in  benach- 
barten Muskelzellen  verlieren.  Dass  Gottschalk  in  dem  Auftreten  der 
Mastzellen  in  der  Umgebung  der  Geschwulstknötchen  den  Beweis  für  eine 
Überernährung  der  Umgebung  sieht,  sei  hier  mehr  der  Kuriosität  wegen 
erwähnt.  Reich  hat  besonders  der  Topographie  der  Mastzellen  Beachtung 
geschenkt;  für  das  Auftreten  konnte  er  allerdings  eine  bestimmte  Gesetz- 
mässigkeit nicht  nachweisen ;  sie  sind  bald  reichlicher,  bald  spärlicher  vor- 
handen oder  fehlen  auch  ganz,  gleichviel  ob  es  sich  um  weiche  (ödematöse) 
oder  harte  Formen  handelt;  selbst  in  verkalkten  Myomen  waren  sie  noch 
nachweisbar;  dagegen  war  in  deren  Lagerung  eine  Gesetzmässigkeit  insofeme 
festzustellen,  als  sie  in  der  Adventitia  von  Arterien  und  Venen  resp.  der 
nächsten  Umgebung  der  Kapillaren  Hegen  und  sich  oft  reihenförmig 
der  Richtung  der  Gewebszüge  anschUessen.  Dass  sie  auch  aus  Muskelzellen 
hervorgehen,  wie  Reich  meint,  dürfte  wohl  etwas  zweifelhaft  sein.  Über 
ihre  Bedeutung  Hess  sich  nichts  Genaueres  eruieren.  In  den  Myomen  des 
Magens  und  Darmes  kommen  nach  meinen  Untersuchungen  Mastzellen  nur 
selten  und  dann  stets  sehr  spärlich  vor;  dagegen  habe  ich  sie  in  der  Um- 
gebung —  Mukosa  und  Submukosa,  aber  auch  in  der  Serosa  —  öfter 
sehr  reichlich  gefunden.  — 

Was  nun  die  Ätiologie  der  Leiomyome  anbetrifft,  so  stehen  auch 
hier  wieder  die  Ansichten  einander  gegenüber,  ob  kongenitale  Anlage  oder 
irritative  Zustände  verantwortlich  zu  machen  sind.  Gegen  die  erstere 
Annahme  kann  man,  wenigstens  bei  den  meisten  Myomen ,  das  Alter,  in 
welchem  sie  aufzutreten  pflegen,  geltend  machen.  Das  trifft  besonders  für 
die  Uterusmyome  anerkanntermassen  zu;  aber  auch  für  die  Myome  des 
Magendarmtraktus  scheint  es  zu  stinunen ;  so  handelte  es  sich  in  dem  Falle 
von  Kunze  —  einem  jener  seltenen  Fälle,  wo  der  Tumor  Mannsfaustgrösse 
besass  und  daher  kUnische  Symptome  gemacht  hatte  —  um  einen  52jährigen 
Mann.  In  einem  ähnlichen  Falle  multipler,  etwa  apfelgrosser  Myome  des 
Magens  meiner  Beobachtung  war  die  Patientin  über  60  Jahre  alt  und  im 
ganzen  habe  ich  unter  10  Myomen  des  Magens  und  Darms  8  Fälle  im 
Alter  von  50 — 73  Jahren  und  nur  2  Fälle  unter  50  Jahren.     Arnauds(l) 


Geschwülste,  Leiomyome.  335 

Patient  —  Myom  des  Larynx  —  war  30  Jahre  alt.  Abweichendes  Verhalten 
zeigen  in  dieser  Beziehung  die  Dermatomyome ,  in  dem  diese  Tumoren 
ausschliesslich  im  jugendlichen  Alter  aufzutreten  pflegen.  So  notiert 
Hess  (6)  die  Entstehung  im  3.,  Jadassohn  (7)  in  einem  Fall  im  1.,  im 
andern  im  19.,  Wolters  (17)  im  20.  bezw.  26.  Lebensjahre.  Aber  that- 
sächlich  beweist  weder  das  Auftreten  im  späten,  noch  das  im  jugendlichen 
Alter  für  oder  gegen  irgend  eine  Theorie.  Da  man  selbst  bei  der  Annahme 
einer  kongenitalen  Anlage  ohne  Zuhilfenahme  eines  besonderen  veran- 
lassenden Momentes  nicht  auskommt,  so  können  auch  die  erst  bei  Erwach- 
senen auftretenden  Tumoren  noch  auf  den  verirrten  Keim  bezogen  werden; 
und  der  eine  Fall  von  Wolters,  wo  bei  einem  20jährigen  Manne  im  Ver- 
laufe eines  Diabetes,  plötzlich  multiple  Myome  der  Haut  sich  entwickelten, 
könnte  in  dem  Sinne  gedeutet  werden,  dass  bei  vorhandener  kongenitaler 
Anlage  durch  den  Diabetes  die  Geschwulstbildung  veranlasst  wurde.  Wie 
steht  es  aber  mit  positiven  Beobachtungen,  welche  für  eine  kongenitale 
Anlage  der  Myome  verwertbar  wären?  Nach  dieser  Richtung  sind  eine 
Reihe  neuer  Beobachtungen  von  Haus  er  (5),  von  Recklinghausen  (10) 
Breus ,  (2)  u.  a.  verwertet  worden.  Es  handelt  sich  um  das  Vorkommen 
drüsiger  Gebilde  in  Uterusmyomen,  v.  Recklinghausen,  Hauser, 
Breus,  Schottländer  (14)  haben  in  Uterusmyomen  mit  CyUnder- 
epithel  ausgekleidete,  mitunter  cystisch  erweiterte  Hohlräume  gefunden  und 
Breus  (2)  hat  besonders  hervorgehoben,  dass  diese  Tumoren  sehr  grosse 
Dimensionen  annehmen  können ;  für  solche  Cysten,  die  im  Verlaufsgebiete 
des  Gärtner  sehen  Kanales  gelegen  sind,  nimmt  er  eine  Herkunft  von 
diesen  Gängen  an  *),  während  er  bei  im  Fundus  uteri  und  submukös  gelegenen 
Cystomyomen  im  Anschluss  an  ältere  Beobachtungen  von  Schröder  und 
Rüge  die  Möglichkeit  zulässt,  dass  es  sich  um  Abschnürungen  von  Uterin- 
drüsen handle,  v.  Recklinghausen  (10)  und  Hauser  (5),  welche  diese 
Möglichkeit  ebenfalls  in  Erwägung  ziehen,  sind  jedoch  anderer  Meinung; 
ersterer  glaubt,  dass  man  es  mit  in  die  Uterussubstanz  versenkten  Bruch- 
stücken des  Wolf f  sehen  Körpers  zu  thun  habe,  obgleich  er  sogar  in  einem 
Falle  die  unmittelbare  Berührung  eines  in  der  Muskulatur  gelegenen 
Drüsenstranges  mit  der  stark  hyperplastischen  Uterusschleimhaut  nach- 
weisen konnte.  Hauser  legt  einen  besonderen  Wert  darauf,  dass  es  sich 
in  seinem  Fall  um  ein  subseröses  Myom  handelte,  also  nicht  gut  mehr 
um  ein  Einwuchem  der  Schleimhautdrüsen  in  die  Muskulatur  handeln 
könne;    auch    ist    das    Vorkommen    von    flimmerepitheltragenden   Hohl- 


1)  Die  Kritik  Gottsohalks  (Gtbl.  f.  Gynäkol.  Bd.  18.  Nr.  6),  dasa  die  von  Breus 
l>e9chriebeneD  Tumoren  nur  Retentionscysten  des  Gartn ersehen  Ganges  wären  und  mit 
Myomen  nichts  zu  thun  hatten,  scheint  mir  zu  weitgehend. 


336  Allgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

räumen  bedeutungsvoll.  Er  möchte  daher  diese  Fälle  als  Mischgesehwülste 
ansehen,  ähnlich  den  Chondrosarkomen  des  Hodens;  wie  dort  Knorpel- 
zellen, so  hätten  sich  hier  Epithelzellen  (des  Müllerschen  Ganges)  im 
Embryo  verirrt.  Schottländer  (14)  hat  dagegen  für  seinen  Fall  mehr 
die  Auffassung  einer  postembryonalen  Einwucherung  von  Drüsenschläuchen 
aus  der  Schleimhaut  vertreten,  weil  die  Uterusschleimhaut  nachweislich 
in  Wucherung  begriffen  war  und  sich  auch  peripheriewärts  vom  Myom 
drüsige  Gebilde  in  der  Muskulatur  fanden.  Er  hält  es  daher  auch  für 
möglich,  dass  die  Drüsenwucherung  der  Schleimhaut  durch  den  Reiz  des 
Myoms  bedingt  wurde,  ßibbert  (12)  betont,  dass  auch  drüsenfreie  Par- 
tikeln von  Mukosa  in  die  Tiefe  gelangen  können  und  dass  die  drüsigen 
Partieen  durchaus  nicht  von  denWolff  sehen  Gängen  abzustammen  brauchen, 
sondern  auch  Abkömmlinge  der  Uterusschleimhaut  sein  können,  wie  er 
sie  in  einem  Falle  7 — 8  mm  in  der  Uteruswand  dicht  neben  einem  Myom 
gelegen  auffinden  konnte.  Hauser  meinte,  dass  die  Verlagerung  der  epi- 
theUalen  Gebilde  auch  für  eine  Verlagerung  von  Muskulatur  spräche, 
während  Schottländer  mehr  glauben  möchte,  dass  das  verlagerte  Epithel 
als  eine  Art  von  Fremdkörper  reizend  wirke.  Ribbert  glaubt  dagegen, 
dass  die  umgebende  Muskulatur  wegen  des  nahen  Zusammenhanges  mit 
den  epithelialen  Räumen  beim  Wachstum  des  Uterus  aus  ihrer  organi- 
schen Verbindung  wenigstens  insofern  gelöst  wurde,  dass  eine  selbständige 
Proliferation  stattfinden  konnte.  Ich  halte  es  noch  nicht  für  bewiesen, 
dass  das  Vorkommen  von  drüsigen  Gebilden  in  Uterusmyomen  stets  für 
deren  Genese  von  Bedeutung  ist.  Ich  habe  durchaus  nicht  sehr  selten  tief 
reichende  Uterindrüsen  gefunden,  die  so  gut  wie  ausnahmslos  von  etwas 
Bindegewebe  begleitet  weit  zwischen  Muskelbündel  hineinragten,  auch 
dann  wenn  die  Uterusschleimhaut  ganz  unverändert  war;  da  diese  Tief- 
lagerung eine  diffus  verbreitete  war  und  nicht  so  ganz  selten  vorkommt, 
ohne  dass  doch  dabei  die  Muskulatur  irgend  eine  Veränderung  zeigt,  so 
kann  das  Auftreten  von  Drüsen  in  Myomen  auch  ein  rein  zufälliges  Er- 
eignis sein,  in  dem  eben  die  wuchernden  Muskelfasern  die  abnorm  tief 
gelegenen  Drüsen  umschliessen ;  und  es  kann  sich,  wie  Ribberts  Befunde 
zeigen,  auch  zufällig  ereignen,  dass  das  Myom  noch  nicht  gross  genug 
geworden  ist,  um  die  Drüsen  zu  erreichen.  Auch  die  Beobachtung  Uters 
(15),  dass  im  Anschluss  an  adenomatöse  Wucherungen  der  Schleimliaut 
cirkumskripte  Fibromyombildung  stattfinden  kann,  könnte  dahin  verwertet 
werden,  dass  bei  Wucherung  tiefer  gelegener  Drüsen  durch  sekundäre 
Muskelwucherung  leicht  eine  Abschnürung  von  Drüsenpartien  eintritt. 
Wo  man  also  auch  ausserhalb  des  Cystomyoms  in  der  Muskulatur  Drüsen 
oder  sonstige  Schleimhautbestandteile  findet,  scheint  mir  der  genetische 
Zusammenhang  mit  der  Schleimhautverlagerung  und  der  Myombildung  nicht 


Geschwülste,  Leiomyome.  337 

nachgewiesen ;  anders  liegt  es  allerdings,  wenn  ausschliesslichin  einem, 
namentlich  subserösen,  Myom  die  epithelialen  Nester  gefunden  werden. 
Dass  aber  auch  im  Sinne  Hausers  und  Ribberts  eine  mit  der  Epitliel- 
verlagerung  in  Zusammenhang  stehende  Verlagerung  glatter  Muskulatur 
von  Bedeutung  sein  kann,  ist  wohl  anzunehmen  und  ein  «euerdings  von 
mir  beobachteter  Fall  von  Myom  des  Magens,  in  dem  sich  Pankreasläpp- 
clien  und  gewucherte  Pankreasausführungsgänge  vorfanden,  ist  geeignet, 
diese  Entstehungsweise  auch  für  die  Magenmyome  zuzulassen. 

Die  Reizungstheorie  wird  dagegen  lebhaft  von  Gottschalk  (4)  ver- 
treten. Er  legt  dabei  ein  grosses  Gewicht  auf  einen  besonderen  histo- 
logischen Befund.  In  den  kleinsten  Geschwulstknötchen  fand  er  nämlich 
zwischen  den  Muskelzellen  noch  auffallend  chromatinreiche ,  vielgestaltige 
Kerne  im  Grundgewebe  diffus  eingelagert,  welche  er  1.  von  den  präexi- 
stierenden Muskelzellkernen,  2.  von  den  Lymphgefässen  (?)  und  3.  von  den 
Mastzellen  ableitet.  (Mir  ist  es  nicht  recht  klar  geworden,  um  was  für 
Gebilde  es  sich  eigentlich  handelt;  ich  habe  auch  in  kleinen  Myomen  der- 
artiges nicht  zu  sehen  bekommen).  Sie  gelten  ihm  als  ein  bedeutungs- 
volles Charakteristikum  der  Geschwulstanlage  und  beweisen,  dass  die 
Myome  irritativen  Ursprungs  sind.  Cirkulationsstörungen  allein  können  nur 
als  prädisponierende  Momente  wirken,  zu  denen  noch  unmittelbare  Reize 
hinzutreten  müssen.  Diese  Reize  gehen  1.  von  der  Arterienwand  aus  — 
hochgradig  gewundner  Verlauf  der  Kernarterie  (mechanischer  Reiz),  ferner 
pathologisch-anatomische  Veränderungen  der  Arterienwand  (z.  B.  bei  Syphilis), 
2.  vom  Blute  aus  und  sind  a)  chemischer  Natur,  b)  parasitärer  Natur; 
doch  sollen  Spaltpilze  dabei  nicht  in  Betracht  kommen,  sondern  „Cytoden 
älmliche  grosse  kernlose  Plasmaklümpchen*',  wie  sie  Gottschalk  in  klein- 
sten Knötchen  fand.  Die  Ansicht,  dass  durch  allgemeinere  von  den  Blut- 
gefässen aus  sich  fortpflanzende  Reize  Fibromyombildung  bewirkt  wird, 
teilt  auch  Prochownik  (9),  welcher  über  4  Fälle  berichtet,  wo  der  Zu- 
sammenhang mit  Syphilis  zweifellos  erschien.  Doch  möchte  ich  der  An- 
gabe, dass  nach  antiluetischer  Behandlung  eine  geringe  Verkleinerung  der 
Myome  eintrat,  keine  allzugrosse  Bedeutung  beimessen.  —  Im  übrigen 
lässt  sich  gegen  die  Ausführungen  Gottschalks  manches  einwenden. 
Sicht  nur  bedeuten  seine  letzten  Angaben  einen  phantastischen  Über- 
griff in  das  Reich  der  Spekulationen,  sondern  auch  die  übrigen  Be- 
obachtungen und  Ausführungen  sind  noch  sehr  bestätigungsbedürftig. 
Freilich  ist  es  schwer,  die  Angaben  direkt  zu  kontrolieren,  da  auch  die 
interstitiellen,  freien  Kerne  nur  in  den  kleinsten  Knötchen  wahrnehmbar 
sein  sollen;  ich  selbst  habe  unter  erbsgrosse  Myome  noch  nicht  zur 
Untersuchung  erhalten;  aber  auch,  wenn  man  die  Beobachtungen  zu- 
giebt,  ist  es  unverständlich,  wieso  sie  die  irritative  Natur  der  Myome  be- 

Labaisch-OBtertag,  ErgebiusM  Abteil.  II.  22 


338  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

weisen  sollen.  So  sehr  auch  allgemein  pathologische  Gründe  für  die  ätio- 
logische Bedeutung  irritativer  Vorgänge  bei  den  Uterusmyomen  sprechen, 
so  ist  doch  der  Versuch  Gottschalks,  hierfür  einen  anatomischen  Beweis 
zu  erbringen,  als  missglückt  zu  betrachten.  —  Ebensowenig  sind  die  An- 
gaben Vedelers  (16)  über  „das  Myomsporozoon"  als  Erreger  der  Myome 
irgendwie  beweiskräftig;  namentlich  muss  gegen  sein  Verfahren,  das  Vor- 
kommen von  Sporozoen  in  bösartigen  Neubildungen  als  eine  gesicherte 
Thatsache  zu  behandeln,  protestiert  werden.  — 


7.  Gliome  und  Neurome. 

Li  tteratur. 

1.  Birch-Hirschfeld,  Grandriss  der  allgem.  Pathologie. 

2.  Buchholtz,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Himgliome.    Arch.  f.  Psychiatrie.  Bd.  22.  S.  385. 
1890. 

8.   Eisenlohr,  Beitrag  zar  Kenntnis  der  Gliome  der  Netzhaut.    Yirch.  Arch.  Bd.  128. 
S.  429. 

4.  Goldmann,  Beitrag   zur    Lehre  von  den  Nenromen.     Beiträge  zur   klin.    Chirargie. 
Bd.  10.  S.  18.  1893. 

5.  Francotte,   jßtudes  sur  l'anatomie  pathologiqae   de   la   mobile   ^pini^re.     Arch.  de 
neurol.  Bd.  XX.  Nr.  56—58.  1890. 

6.  Hochhaus,   Zur   Kenntnis    des    Rückenmarksgliom.     Deutsch.   Arch.    f.   klin.  Med. 
Bd.  47.  S.  603. 

7.  Hoff  mann,  Zur  Lehre  von  der  Syringomyelie.    Deutsch.  Zeitschr.  f.  Nervenheilkande. 
Bd.  III.  S.  1.  1892. 

8.  Kronthal,   Zur  Pathologie  der  Höhlenhildung  im  Rückenmark.    Neurolog.  Gentralbl. 
Bd.  VIII.  S.  889. 

9.  LacroixetBornaud,  Observation  pour  servir  h  Thistoire  du  n^vrome  plexiforme 
amy^Iinique.    Arch.  de  mdd.  expör.  1890.  Nr.  3. 

10.  Miura,  Über  Gliom  des  Rflckenmarks  und  Syringomyelie.    Zieglers  Beitr.  Bd.  XL 
8.  91. 

11.  Pilliet,   Nävrome  atypique  de  Tenc^phale.    Bullet,  de  la  soc.  anatom.  Bd.  64.  S.425. 
1889. 

12.  Stroebe,   Zur  Entstehung  der  Gehimgliome.    Ctbl.   f.  allgem.  Pathol.  Bd.  V.  S.  855. 
18.   Thoma,  Lehrbuch  der  allgem.  Pathologie.    8.  661. 

14.  Wintersteiner,  Wien.  med.  Wochenschr.  1894.  Nr.  27. 

15.  Ziegler,  Allgem.  Pathologie.    8.  Auflage. 


Über  die  Gliome  haben  die  Mitteilungen  der  letzten  Jahre  einige  Auf- 
klärungen gebracht.  In  histologischer  Beziehung  ist  namentlich  durch 
neue  Untersuchungsmethoden  bestätigt  worden,  dass  ein  Teil  der  Gliome 
sehr  reich  an  Fasern,  aber  arm  an  Kernen  ist,  ein  anderer  Teil  dagegen 
nur  aus  grösseren  dichtgedrängten  Zellen  besteht,  zwischen  denen  die 
Zwischensubstanz  schwer  zu  erkennen  ist.  Weigert  hatte  anfangs  bei 
Zuhilfenahme  seiner  neuen  Färbungsmethode  (Ctbl.  f.  allgem.  Pathol.  Bd.  I) 


Geschwülste,  Gliome  nnd  Nearoine.  339 

augegeben,  dass  in  den  Gliomen  des  Grosshirns  Gliafasern  fast  vollkommen 
vermisst  werden,  während  bei  der  diffusen  Gliawucherung,  wie  man  sie  bei 
Syringomyelie  findet,  reichlich  faserige  Neuroglia  aufzufinden  ist;  er  hat 
jedoch  später  (Anatom.  Anzeiger)  auch  in  echten  Gliomen  reichlich  Gliafasern 
nachweisen  können  und  das  gleiche  ist  Stroebe  (12)  bei  Anwendung  der 
Mal lory sehen  Färbung  in  einem  Gehirngliom  geglückt.  Auch  frühere 
Autoren  konnten  bei  frischer  Untersuchung  reichlich  Gliafasern  und  Spinnen- 
zellen in  Gliomen  entdecken,  z.  B.  Buchholtz  (2).  Die  Hauptfrage, 
welche  immer  noch  mit  im  Vordergrund  des  Interesses  steht,  sind  die  Be- 
ziehungen des  Glioms  zur  difEusen  Gliomatose  und  zur  Syringomyelie.  — 
Die  meisten  Untersuchungen  stehen  hier  auf  dem  Standpunkt,  dass  beide 
Prozesse  trotz  oft  bedeutender  anatomischer  Verschiedenheiten  genetisch 
zusammengehören.  Zum  Beweise  wird  vor  allem  angeführt,  dass  bei  der 
eigentlichen  Gliombildung  des  Rückenmarks  häufig  Syringomyelie  beob- 
achtet wird  und  dass  ferner  bei  Syringomyelie  regelmässig  mehr  oder 
weniger  ausgesprochene  Gliawucherung  besteht.  Kronthal  (8)  hatte  die 
Auffassung  begründet,  dass  durch  jede  Raumbeschränkung  im  Wirbelkanal 
der  das  Rückenmark  durchziehende  Flüssigkeitsstrom  eine  Stauung  erfährt 
und  dadurch  eine  Erweiterung  des  Centralkanals  und  eine  zur  Gliawuche- 
rung führende  Ernährungsstörung  des  Markes  bedingt  würde.  Sowohl 
anatomische  Befunde,  wie  die  Ergebnisse  von  Experimenten  schienen  diese 
Auffassung  wesentlich  zu  stützen  und  auch  ein  von  Francotte  (5)  mit- 
geteilter Fall  —  Gliomatose  bei  Kompression  des  Rückenmarkes  —  durfte 
im  Sinne  Kronthals  verwertet  werden.  Miura  (10)  hat  sich  dagegen 
für  eine  strenge  Scheidung  zwischen  der  eigentlichen  Gliombildung  und 
der  unter  verschiedenen  Bedingungen  auftretenden  diffusen  Gliomatose  aus- 
gesprochen. Er  weist  darauf  hin,  dass  auch  reine  Gliome  des  Rücken- 
markesohne Höhlenbildung  vorkommen,  Hochhaus  (6)  hat  einen  derartigen 
Fall  beschrieben  und  Miura  selbst  beobachtete  ebenfalls  einen.  Solche 
Fälle  gehören  aber  prinzipiell  zusammen  mit  denjenigen,  in  welchen  durch 
Zerfall  der  Geachwulstelemente  eine  Höhlenbildung  und  somit  Syringomyelie 
eintritt;  sie  stehen  als  seltene  Fälle  im  Gegensatz  zu  der  häufigsten  Art 
der  Entstehung  von  Syringomyelie,  wo  die  Höhle  durch  Zerfall  einer  ein- 
fachen GHawucherung  entsteht.  Histologisch  unterscheiden  sich  diese  ver- 
schiedenen Formen  dadurch,  dass  bei  der  echten  Gliombildung  die  Epithe- 
lien  des  Centralkanals  sich  passiv  verhalten,  und  der  faserige  Bau  sehr 
zurücktritt,  auch  die  Neubildung  diffus  zwischen  alle  Gewebselemente  ein- 
wuchert, während  bei  der  diffusen  Gliomatose  mit  Syringomyelie  die 
EpitheHen  stets  in  Wucherung  begriffen  sind,  die  faserige  Struktur  ohne 
weiteres  hervortritt  und  die  übrigen  Gewebsteile  nur  verdrängt,  nicht  durch- 
wuehert  werden.     In  etwas  schwächt  nun  freilich  Miura  den  prinzipiellen 

22* 


340  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Gegensatz  ab,  wenn  er  es  für  möglich  erklärt,  dass  aus  einer  ursprünglich 
einfachen  Neurogliawucherung  ein  wirkliches  Gliom  entsteht.  Ich  halte  die 
histologischen  Unterschiede,  die  Miura  angiebt,  nicht  für  durchgreifend; 
dass  auch  bei  echten  GHomen  die  Gliafasern  vermehrt  sein  können,  zeigen 
die  bereits  vorher  erwähnten  Angaben  Weigerts  und  Stroebes;  und 
auch  das  Verhalten  des  Centralkanals  ist  kein  konstantes.  Zudem  kann 
auch  eine  durch  Raumbeschränkimg  im  Wirbelkanal  entstehende  Glia- 
wucherung  sehr  cirkumskript-tumorartig  sein,  wie  ich  selbst  vor  kurzem  in 
einem  Fall  von  Echinokokkus  des  Duralsackes  beobachtet  habe.  Die  Unter- 
schiede zwischen  Miuras  erstem  und  zweiten  Falle  scheinen  mir  mehr 
darauf  zu  beruhen,  dass  sein  Gliom  bereits  den  Gliosarkomen  nahestehend 
und  daher  reichlichere  Zellwucherung  und  substituierendes  Wachstum  zeigte. 
—  Gegen  Miuras  Auffassung  sprechen  auch  die  ausgezeichneten  Unter- 
suchungen von  Hoff  mann  (7),  die  hier  nur  kurz  erwähnt  werden  sollen. 
Zwar  ist  Hoffmann  auf  Grund  seiner  reichhaltigen  Untersuchungen 
zu  der  Überzeugung  gekommen,  dass  man  sowohl  aus  klinischen,  wie  ana- 
tomischen Gründen  die  Syringomyelie  einteilen  kann  in  a)  primäre  Gliose 
des  Rückenmarks  und  b)  centrale  Gliomatose;  aber  er  behauptet  nicht, 
dass  es  sich  um  völlig  differente  Dinge  handelt,  sondern  betont  vielmehr 
ganz  bestimmt,  dass  beide  dieselbe  Genese  und  den  gleichen  Ausgangs- 
punkt haben.  In  beiden  Fällen,  die  auch  thatsächlich  neben  einander  vor- 
kommen, handelt  es  sich  um  kongenitale  EntwickelungsanomaUeen,  die  sich 
im  Zurückbleiben  von  Nestern  embryonalen  Gewebes  in  der  Schliessungs- 
linie des  Centralkanals  äussern.  Stets  beginnt  der  Prozess  an  der  hinteren 
Wand  des  Centralkanals  mit  einer  Wucherung  der  auskleidenden  Epithelien 
und  der  subepithelialen,  epithelioiden  Zellen;  allmählich  kommt  es  unter 
Gefässneubildung  zu  peripherer  Ausbreitung  des  Prozesses,  wobei  sehr 
rasch  Zerfall  und  Höhlenbildung  eintritt.  Gehen  Zerfall  und  Wucherung 
proportional  nebeneinander  her,  so  kann  es  gar  nicht  zur  Bildung  grösserer 
Tumoren  kommen;  der  ganze  Unterschied  zwischen  primärer  GUose  und 
Gliombildung  würde  also  nur  darauf  beruhen,  dass  bei  letzterer  die  Zell- 
wucherung längere  Zeit  überwiegt.  In  interessanter  Übereinstimmung  mit 
diesen  von  Hoffmann  entwickelten  Ansichten  steht  die  Beobachtung 
Stroebes  (12),  welcher  in  einem  apfelgrossen  Gliom  des  Hinterhaupt- 
lappens mit  regelmässigem  hohen,  z.  T.  flimmernden  Cylinderepithel  aus- 
gekleidete Hohlräume  auffand,  die  er  mit  Recht  als  während  der  Em- 
bryonalzeit entstandene  seitliche  Aussackungen  des  Gehimventrikels  {bezw. 
Neuralrohres)  auffasst.  Er  vertritt  daher  die  Meinung,  welche  viel  innere 
Wahrscheinlichkeit  besitzt,  dass  durch  die  Ausstülpung  des  Ventrikelepithels 
auch  die  nach  aussen  von  ihm  gelegene  Gliaschicht  mit  ausgestülpt  wurde 
und  von  diesen  embryonal  verlagerten  Zellen  die  GUombildung  den 


Geschwülste,  Gliome  und  Neurone.  341 

Ausgang  nahm.  Einen  Fall  von  symmetrischer  kongenitaler  Gliom bildung. 
der  ebenfalls  im  Sinne  von  Hoffmann  und  Stroebe  verwertet  werden 
kann,  habe  ich  vor  kurzem  bei  einem  Neugeborenen  mit  Meningocele  be 
obachtet.  Es  bestand  sehr  starker  Hydrocephalus  internus  und  im  Epen 
dym  beider  Ventrikel  mehrere  erbsengrosse,  symmetrisch  sitzende  Her 
vorragungen,  die  sich  mikroskopisch  als  gliomatöse  Wucherungen  ergaben 
--  In  Bezug  auf  die  besondere  Struktur  der  Gliome  giebt  Thoma  (13)  an 
dass  man  5  verschiedene  Formen  unterscheiden  könne,  Glioma  moUe 
durum,  teleangiectaticum,  cystoides  imd  Psammoglioma. 

Die  Gliome  des  Auges,  welche  Ei senl oh r  (3)  von  den  Mesodermzellen 
des  Glaskörpers  ableiten  will,  die  in  der  Umgebung  persistierender  foetaler  Ge- 
fasse  zu  üvuchem  beginnen,  werden  jetzt  ziemlich  allgemein  von  den  Gliomen 
des  Centralnervensystems  abgetrennt,  mit  denen  sie  in  der  That  auch  nichts 
zu  thun  haben.  Es  handelt  sich  immer  um  den  Sarkomen  nahestehende 
Tumoren,  welche  allerdings  auch  bekann termassen  angeboren  oder  kon- 
genital augelegt  sind.  Ein  Beweis  dafür  scheint  auch  die  Beobachtung 
Wintersteiners  (14)  zu  sein,  der  für  das  Gliom  der  Retina  einen  Aus- 
gang von  verlagerten  Teilen  der  Retina  annimmt,  die  er  in  5  Fällen  in 
Gestalt  von  röhrenförmigen  Cylindern  und  Zellhaufen  nachweisen  konnte.  — 
Über  Neurome  liegen  sehr  wenige  Mitteilungen  vor,  welche  auch  durch- 
aus nicht  sehr  geeignet  sind,  imser  Wissen  über  diese  Geschwulstart  zu 
bereichern.  Ob  das  von  Lacroix  und  Bonnaud  (9)  beschriebene  plexi- 
forme marklose  Neurom  überhaupt  aus  Nervenfasern  bestand,  erscheint 
sehr  zweifelhaft.  Es  wurde  in  der  Schultergegend  eines  12iährigen  Knaben 
gefunden  und  soll  aus  hypertrophischen  marklosen  Nervenfasern  bestanden 
haben ;  da  aber  gerade  marklose  Nervenfasern  sehr  wenig  charakteristische 
Eigenschaften  besitzen  und  daher  leicht  mit  Bindegewebsfasern  verwechselt 
werden  können,  ist  es  leicht  möglich,  dass  es  sich  um  ein  Nervenfibrom 
gehandelt  hat.  Die  Angaben  von  Klebs  (AUgem.  Pathologie),  dass  in  den 
multiplen  und  plexiformen  Neuromen  Wucherungen  von  Nervenfasern,  und 
zwar  niarklosen  Fasern,  vorkommen,  sind  durch  die  oben  hervorgehobenen 
Beobachtungen  Garr^s,  Goldmanns  u.  a.  genügend  widerlegt.  Aber 
auch  für  die  Amputationsneurome,  die  auch  Birch- Hirschfeld  (1)  noch 
zu  den  echten  Neuromen  rechnet,  ist  eine  Neubildung  von  Nervenfasern 
keineswegs  nachgewiesen.  Goldmann  (4)  hat  vielmehr  direkte  Angaben 
darüber  gemacht,  dass  die  Nervenelemente  des  Amputationsneuroms  von 
den  ursprüngliclien  Fasern  des  Nervenstammes  abzuleiten  sind,  welche  in 
verschiedener  Querschnittshöhe  die  Zusammenfassung  zu  sekundären  Bündeln 
verloren  haben ;  die  Endanschwellung  beruht  demnach  im  wesentlichen  auf 
einer  Wucherung  des  Nervenbindegewebes,  und  von  einem  Regenerati ons- 
versuch  der  durchschnittenen  Nerven  kann  nur  insofern  die  Rede  sein,  als 


342  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ein  Längswachstum  der  alten  Fasern  nachweisbar  ist.  Ich  kann  mich 
diesen  Ausführungen,  die  im  Gegensatz  stehen  zur  älteren  Virchowschen, 
neuerdings  durch  Gottsacker  (Über  Stumpf neurome,  Dissertat.  Bonn  1889} 
gestützten  Ansicht,  nur  anschliessen ;  in  mehreren  Amputationsneuromeu, 
die  ich  in  neuerer  Zeit  sehr  genau  untersuchen  konnte,  habe  ich  nichts 
von  Nervenneubildung,  wohl  aber  erhebliche  Bindegewebs  Wucherung  ge- 
funden, so  dass  ich  ebenfalls  der  Überzeugung  bin,  dass  der  eigentliche 
Tumor  des  Stumpfneuroms  nicht  durch  Nervenwuchenmg  hervorgebracht 
wird.  —  Andere  Fälle  von  Neuromen,  so  auch  Zieglers  (15)  Neuroglioma 
ganglionare,  welches  auf  Entwickelungsstörungen  bezogen  werden  soll,  sind 
ebenfalls  zweifelhaft.  Thoma(13)  hat  gezeigt,  dass  das  Bild  des  Neuroraa 
ganglionare  bei  diffuser  Gliawucherung  leicht  entsteht  und  dass  dann  das 
Gliom  reich  an  Ganglienzellen  und  Nervenfasern  ist,  welche  aber  nur  Reste 
des  Mutterbodens  darstellen.  Ein  von  Pilliet  (11)  beschriebenes  „atypi- 
sches Neurom"  des  Gehirns  bei  einem  l'/4Jährigen  Kinde  scheint  ebenfalls 
nur  ein  Gliom  oder  Gliosarkom  gewesen  zu  sein,  denn  die  Deutung  grosser 
runder  Zellen  ohne  Ausläufer  als  unentwickelte  Ganglienzellen  dürfte  sehr 
gewagt  sein.  —  Es  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Existenz  eines  echten  Neu- 
roms, d.  h.  einer  Neubildung,  die  vorwiegend  aus  gewucherten  Nervenele- 
menten besteht,  überhaupt  noch  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben  ist  und 
dass  sie,  wenn  sie  überhaupt  vorkommt,  zu  den  allerseltensten  Neoplasmen 
gehört.  — 

8.  Hämangiom  und  Lymphangiom. 

Litteratur. 

1.  Barbacci,  Multiple  Lymphangiome  der  Milz.    Lo  sperimeotale  1891. 

2.  Bayer,  Über  die  Bedeutang  des  Fettgewebes  für  den  Aufbau  lymphatischer  Neu- 
bildungen.    Prag.  Zeitschr.  f.  Heilkunde.  Bd.  XII.  S.  517. 

3.  B  e  n  e  k  e ,  Kasuistische  Beiträge  zur  Geschwulstlehre.  III.  Zur  Genese  der  Leberangiome. 
Vir  eh.  Arch.  Bd.  119.  S.  76. 

4.  Eisenreiter,  Über  kavernöse  Angiome  am  Halse.  Münch.  med.  Abhandl  Bd.  8 
S.  8.  1894. 

5.  Guttmann,  F.,  Über  Lymphangioma  cavernosum.  Deutsch,  med.  Wochenschr.  Nr. 4. 
1890. 

6.  Hang,  Lymphangiofibrom  der  Tragnsgegend.  Archiv  f.  Ohrenheilkunde.  Bd.  82.  S.  151. 
1891. 

7.  Hildebrandt,  Über  multiple  kavernöse  Angiome.  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie. 
Bd.  30.  1889. 

8.  Kruse,  Über  Chylangioma  cavernosum.    Virch.  Arch.  Bd.  125.  S.  488. 

9.  Krynski,  Über  Lymphangiome.  Beiträge  zur  pathol.  Anatomie  u.  klin.  Med.  als 
Festschr.  zum  70.  Geburtstage  des  Herrn  Prof.  Dr.  Brodowski  in  Warschau.  189.3. 
(Polnisch.)    Referat  im  Ctbl.  f.  allg.  Pathol.  Bd.  V.  S.  270. 

10.   vonLesser,    über  Lymphangioma   diffussum   multiplex.    Deutsche  Zeitschr.  f.  Cbir. 
Bd.  34.  1892. 


Geschwülste,  Hämangiom.  343 

11.  von  Lesser  n.  Beneke,  Ein  Fall  von  Lympbangioma  tuberosum  multiplex.  Vircb. 
Arch.  Bd.  123.  S.  86. 

12.  Lacke,   Ein  Fall  von  Angioma  ossificans  in  der  Highmorsböble.    Deutsche  Zeitscbr. 
f.  Chirurg.  Bd.  80. 

13.  Muscatello,  Über  das  primäre  Angiom  der  willkürlichen  Muskeln.    Vircb.  Arch. 
Bd.  135.  S.  277. 

13a.  Markwald,  Ein  Fall  von  Angioma  oavemosnm  ovarii.    Vircb.  Arch.   Bd.  137.  S  175. 

14.  Samter,  Ober  Lymphangiome  der  Mundhöhle.    Arch.  f.  klin.  Chirurg.  Bd.  41.  S.  829. 

15.  Thoma,  Lehrbuch  der  allgem.  Pathologie.  Bd.  L 

16.  Ziegler,  Lehrbuch  der  allgem.  Pathologie.    8.  Aufl. 


Die  grössere  Anzahl  der  nQueren  Arbeiten,  welche  sich  mit  den 
Hämangiom  e  n  beschäftigen,  sind  wesentlich  kasuistischer  Natur.  Sie  bieten 
allgemeinpathologisch  nur  insofern  Interesse,  als  sie  zu  einzelnen  wich- 
tigeren Fragen  Stellung  nehmen.  Dass  die  Angiome  häufig  angeborene 
Neubildungen  sind,  ist  bekanntlich  schon  von  Virchow  hervorgehoben 
worden,  der  nicht  nur  auf  das  Vorkommen  der  angeborenen  Naevi  tele- 
angiectodes  hinwies,  sondern  vor  allem  auch  bei  den  sogenannten  fissu- 
ralen  Angiomen  den  Nachweis  führte,  dass  sie  zum  mindesten  in  der  An- 
lage auf  Entwickelungsstörungen  zurückzuführen  seien  ^).  Diese  Ausfüh- 
rungen sind  auch  für  die  weiteren  Beobachtungen  massgebend  gewesen. 
Freilich  muss  man  bei  allen  diesen  Tumoren  ebenfalls  unterscheiden  zwischen 
echten  Neubildungen  und  einfachen  Gefässerweiterungen  und  Hypertro- 
phieen.  Wenn  auch  schliesslich  die  Hämangiome  von  den  verschiedensten 
Gefässen  und  Gefässbezirken  ausgehen  können,  so  sind  doch  namentlich 
die  der  Haut  in  erster  Linie  als  Ausgangspunkte  bekannt,  während  z.  B. 
die  echten  Hämangiome  der  Muskulatur  zu  den  grössten  Seltenheiten 
gehören.  Muscatello  (13)  hat  in  neuerer  Zeit  die  spärliche  Kasuistik 
durch  drei  interessante  Fälle  vermehrt,  in  denen  sich  jedesmal  mit  Sicher- 
heit nachweisen  liess,  dass  ausgedehnte  Neubildung  von  Muskelgefässen 
vorlag.  Er  unterscheidet  vier  verschiedene  Arten :  1.  kapilläre,  2.  arterielle, 
3.  venöse  und  4.  kavernöse  Angiome.  Das  Wachstum  ist  meist  langsam 
und  oft  symptomlos;  doch  giebt  es  auch  solche,  die  sich  durch  rasches  Wachs- 
tum auszeichnen,  wobei  meistens  auch  eine  stärkere  Endothelwucherung  an 
den  neugebildeten  Gefässen  auffällt.  Die  quergestreifte  Muskulatur  verhält 
sich  dabei  meist  passiv,  während  eine  Wucherung  glatter  Muskelfasern  nicht 
nur  in  der  Adventitia  von  Venen  und  Arterien,  sondern  auch  im  intersti- 
tiellen Bindegewebe  beobachtet  wird.  —  An  anderen  Stellen  des  Körpers 
kann  sich  aber  zur  Neubildung  der  Blutgefässe  auch  Neubildung  anderer 
Gewebe  in  hervorragendem  Masse  gesellen.  So  ist  ja  namentlich  bei 
Liponnen   oft    genug    reichlich  Neubildung    von    Blutgefässen    beobachtet 


n  Geschwülste.  Bd.  III.  S.  345  ff. 


344  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

worden.  Dass  aber  auch  andere  Gewebe  sich  an  der  Wucherung  beteili- 
gen, zeigt  der  Fall  von  Lücke  (12),  welcher  bei  einer  26  jährigen  Patientin 
ein  ossifizierendes  Angiom  der  Highmorshöhle  exstirpierte.  Nach  der  Be- 
schreibung war  das  Angiom  so  vollkommen  von  neugebildeten  Knochen- 
bälkchen  durchwachsen,  dass  es  einem  spongiösen  Knochen  glich,  dessen 
Markräume  innerhalb  starren  Bindegewebes  reichUch  erweiterte  Kapillaren 
und  Venen  enthielten.  Man  wird  annehmen  müssen,  dass  durch  die  Aus- 
bildung des  Angioms  auch  eine  Wucherung  des  Knochengewebes  angeregt 
wurde  und  somit  es  sich  um  zwei  in  einander  wachsende  Geschwülste 
handelte. 

Mehrfache  Bearbeitung  hat  in  neuerer  Zeit  das  Angioma  cavemosuni 
gefunden.  Speziell  vom  kavernösen  Angiom  der  Leber  hat  Ziegler  (16) 
die  Anschauung  entwickelt,  dass  es  aus  den  Reihen  der  eigentlichen 
Geschwülste  zu  streichen  sei  und  als  eine  einfache  Substitution  des  zu 
Grunde  gehenden  Lebergewebes  betrachtet  werden  müsse.  Zum  Beweise 
hat  er  namentlich  die  Untersuchung  eines  Falles  angeführt,  in  dem  un- 
zählige Angiome  von  Punkt-  bis  Wallnussgrösse  vorhanden  waren  und 
sich  alle  Übergänge  von  der  Dilatation  einer  einzigen  Kapillare  bis  zur 
kavernösen  Metamorphose  ganze  Läppchen  verfolgen  liessen.  Beneke  (3) 
hat  sich,  wie  viele  andere  Autoren,  Zieglers  Auffassung  angeschlossen 
und  noch  näher  einen  Fall  beschrieben,  welcher  Aufklärung  darüber  geben 
soll,  weshalb  so  oft  die  Kapillarerweiterung  bezw,  Ijeberzellenatrophie  lokal 
bleibt.  Es  handelte  sich  nämlich  um  eine  lokale  vollständige  Gallenstau- 
ung, welche  die  lokale  Leberzellenatrophie  hervorgerufen  hatte  und  es 
kann  daher  zugegeben  werden,  dass  eine  solche  Gallenstauung  die  Eut- 
wickelung  eines  Angioms  bedingen  kann,  doch  hebt  Beneke  selbst  her- 
vor, dass  dies  nicht  die  regelmässige  Ursache  der  Angiombildung  ist.  — 
Als  Stütze  für  die  Ziegler  sehe  Auffassung  muss  auch  die  Beobachtung 
angesehen  werden,  dass  die  kavernösen  Angiome  in  atrophischen  Lebern 
älterer  Leute  verhältnismässig  häufig  gefunden  werden.  —  Thoma  (15) 
hat  deswegen  die  kavernösen  Lebertumoren  geradezu  als  senile  Angiome 
bezeichnet.  —  Ein  Teil  der  an  anderen  Stellen  vorkommenden  kavernösen 
Angiome  sind  jedoch  sicher  echte  Neubildungen  und  ebenfalls  kongenitalen 
Ursprungs.  So  hat  namentlich  Eisenreiter  (14)  für  die  sehr  seltenen 
kavernösen  Angiome  am  Halse,  von  denen  er  selbst  einen  hühnereigrossen 
Tumor  bei  einem  6  Monat  alten  Kinde  beobachtet  konnte,  auch  aus  der 
Litteratur  nachweisen  können,  dass  sie  fast  immer  kongenital  sind.  Von 
12  Fällen,  die  er  überhaupt  zusammenstellen  konnte,  waren  10  sicher  kon- 
genitalen Ursprungs,  üb  es  sich  dagegen  in  dem  Fall  von  Markwald 
(13a),  eines  sehr  seltenen  Angioma  cavernosum  ovarii,  um  eine  echte  Prolifera- 
tionsgeschwulst  gehandelt  hat,  muss  trotz  der  Wucherungen   von  Gefäss- 


Geschwalete,  HämaDgiome.  345 

«ndothelien  zweifelhaft  bleiben.  —  Während  Ziegler  die  verschiedenen 
Arten  der  Angiome  von  einander  trennt  und  3  Arten  unterscheidet,  die 
man  als  kongenitale  und  proliferative  Angiome,  sowie  degenerative 
Gefässektasieen  bezeichnen  könnte,  macht  Thoma  den  Versuch,  die  Ent- 
stehung der  verschiedenen  Angiome  einheitlich  von  histomechanischen 
Gesichtspunkten  aus  zu  erklären.  Er  unterscheidet  nach  der  Entstehung 
4  Arten:  1.  die  fissuralen  (kongenitalen)  Angiome,  2.  die  neuropathischen, 
3.  die  senilen  und  4.  die  traumatischen  Angiome;  nach  der  histologi- 
schen Struktur  3  Arten:  1.  das  Hämangioma  teleangiectaticum,  die  Tele- 
angiektasie ausgezeichnet  durch  reichliche  Entwickelung  von  Kapillaren; 
2.  Tumor  vasculosus  arterialis,  aus  zahlreichen  kleinen  Arterien  bestehend, 
bei  relativ  schwacher  Entwickelung  von  Kapillaren  und  Venen ;  3.  Häman- 
gioma cavemosum,  zeigt  zahlreiche  kavernöse  mit  Endothel  ausgekleidete 
Bluträume,  die  zwischen  die  Verzweigungen  von  Venen  und  Arterien  ein- 
geschaltet sind.  Während  bei  der  sogenannten  Teleangiektasie  eine  Neu- 
bildung von  Kapillaren  evident  ist,  kann  man  beim  Tumor  cavernosus 
und  vasculosus  arteriosus  Kapillameubildimg  ausschliessen;  ja  es  kann  sogar 
eine  Verminderung  der  zwischen  Venen  und  Arterien  eingeschalteten  Kapil- 
laren nachweisbar  sein.  Nach  Thoma  hängt  nun  eine  Kapillameubildung 
ab  von  dem  in  der  Kapillarlichtung  herrschenden  Blutdrucke  und  dem 
Verhalten  der  umgebenden  Gewebe.  Bei  der  besonderen  Stellung,  welche 
ein  Kapillarnetz  am  Rande  sich  bildender  oder  sich  schliessender  Orifi- 
zien  einnimmt,  wird  es  leicht  verständlich,  dass  Störungen  der  Druckver- 
bältnisse  eintreten  und  somit  Kapillameubildung  eintritt;  ebenso  können 
vasomotorische  Störungen,  durch  die  der  Blutdruck  in  Arterien  und  Kapil- 
laren gesteigert  wird,  bei  längerer  Dauer  zur  Gefässneubildung  führen  und 
somit  die  Entstehung  der  fissuralen  und  neuropathischen  Angiome  hervor- 
bringen. Weiter  kommt  aber  auch  das  Flächenwachstum  der  Gefässe  in 
Betracht,  welches  nach  Thomas  erstem  histomechanischen  Prinzipe  von 
der  Stromgeschwindigkeit  des  Blutes  abhängt.  Eine  Änderung  in  den 
Grenzwerten  des  Blutdruckes  und  der  Blutgeschwindigkeit,  welche  T  ho  ma  als 
Normaldruck  und  Normalgeschwindigkeit  bezeichnet,  werden  also 
für  die  Bildung  der  Angiome  und  ihre  besondere  Art  von  entscheidender 
Wichtigkeit  sein.  Wird  Blutdruck  und  Geschwindigkeit  vermehrt,  so  wird 
es  zur  Bildung  einer  Teleangiektasie  mit  weiten  Kapillaren  kommen, 
während  bei  Verminderung  der  Normalgeschwindigkeit  in  den  Kapillaren 
sich  eine  Teleangiektasie  mit  engen  Kapillaren  ausbildet.  —  So  lassen 
sich  durch  die  Variationen  der  histomechanischen  Bedingungen  alle  drei 
Grundformen  der  Angiome  leicht  ableiten  und  durch  graduelle  Verschie- 
denheiten dieser  Variationen  die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Formen,  das 
Mehr  oder    Weniger  der  Kapillarneubildung  und  Kapillarerweiterung  er- 


346  AUgem.  pathol.  Morphologie  uiid  Physiologie. 

klären.  — Die  Thomaschen  Erklärungsversuche  sind  entschieden  sehr  be- 
merkenswert und  vielleicht  auch  für  solche  Fälle  heranzuziehen,  wo  es 
sich  um  Erkrankungen  ganzer  Gefässgebiete  handelt.  So  konnte  z.  B. 
Hildebrand  (7)  bei  einer  21]älirigen  Patientin  die  ganze  linke  obere 
Extremität  mit  kavernösen  Angiomen  geradezu  übersäet  finden;  die  Erkran- 
kung reichte  bis  in  das  3.  Lebensjahr  zurück ;  an  den  grösseren  Angiomen 
konnten  zwei  eintretende  Gefässe  nachgewiesen  werden,  von  denen  das 
eine  von  einer  grossen  subkutanen  Vene  abging,  das  andere  am  entgegen- 
gesetzten Pole  gelegene  als  Arterie  aufgefasst  werden  musste.  Es  handelte 
sich  also  um  die  Erkrankung  eines  abgeschlossenen  zwischen  Arterie  und 
Vene  eingeschalteten  Kapillarbezirkes,  in  dem  sowohl  durch  die  Ver- 
änderung des  Blutdruckes  als  der  Blutgeschwindigkeit  die  gefundenen  Ver- 
änderungen hervorgebracht  sein  konnten. 

Ganz  ähnliche  Fragen,  wie  bei  den  Hämangiomen  treten  uns  auch 
bei  den  Lymphangiomen  entgegen.  Dass  auch  diese  Neubildungen 
kongenitalen  Ursprungs  sind,  ist  lange  bekannt  und  besonders  für  die 
Makroglossie  angegeben  worden,  bei  welcher  sich  bekanntlich  ausgedehnte 
Lymphangiektasieen  und  oft  auch  Hämolymphangiome  vorfinden;  so  fand 
auch  Samter  (14)  in  einem  Fall  von  Makroglossie  cystische  Lymphangiome 
der  Zunge.  Auch  andere  Beobachter  konnten  das  kongenitale  Auftreten 
von  Lymphangiomen  durch  interessante  Fälle  bestätigen;  so  demonstrierte 
P.  Guttmann  (5)  einen  Fall  von  grossem  Lymphangioma  cavernosum 
des  Kopfes  und  Halses  bei  einem  Neugeborenen.  Der  Tumor  bestand  aus 
zahlreichen  cystischen  Hohlräumen,  deren  Inhalt  aus  eiweissreicher  Flüssig- 
keit, Fibrin,  Lymphkörperchen  und  roten  Blutscheiben  bestand.  Hang 
(6)  beobachtete  bei  einem  12jährigen  Mädchen  ein  Lymphangiofibrom  der 
Tragusgegend,  welches  schon  seit  der  Geburt  bemerkt  worden  war;  beson- 
ders interessant  erscheint  es,  dass  zugleich  an  den  Ohrmuscheln  eine  Fistula 
auris  congenita  vorhanden  war.  —  Auch  Kr^nski  (9)  sucht  die  Ursache 
der  Lymphangiombildung  in  kongenitalen  lokalen  Veränderungen  der  Ge- 
fässwände  und  weist  ebenfalls  auf  das  häufige  kongenitale  Vorkommen 
bezw.  Auftreten  im  jugendlichen  Alter  hin.  Er  glaubt  nicht,  dass  etwaige 
centripetale  Hindernisse  im  Lymphkreislaufe  in  ursächliche  Beziehungen 
zur  Lymphangiombildung  zu  bringen  sind.  —  Ob  man  es  bei  den  Lymph- 
angiomen stets  mit  einer  Neubildung  von  Lymphgefässen  zu  thun  hat,  ist 
ebenfalls  noch  strittig,  v.  Lesser  (lOj  hat  sich  am  entschiedensten  da- 
gegen ausgesprochen,  dass  aus  einer  einfachen  Lymphstauung  Lymph- 
angiome hervorgehen  könnten,  sondern  er  sieht  sogar  die  diffusen  Lymph- 
angiome, von  denen  er  einen  Fall  mit  multiplem  Auftreten  bei  einem 
67jährigen  Manne  untersuchen  konnte,  als  echte  Neubildungen  an;  schon 
der  Umstand,  dass  sich,  wie  in  dem  untersuchten  Falle,  venöse  Kavernome 


Geschwülste,  Lymphangiome.  347 

mit  Lymphangiomen  vergesellschaften  können,  weist  auf  einen  ähnlichen 
Entstehuugsmodus  hin.  Da  weder  Unterbindung  des  Ductus  thoracicus, 
noch  Verlegung  grosser  Lymphstämme  zur  Lymphangiombildung  führen, 
so  kann  der  Lymphstauung  höchstens  ein  begünstigender  Einfluss  für  die 
Ausbildung  der  Lymphangiome  zugeschrieben  werden.  Auch  Krynski 
meint,  dass  in  den  Lymphangiomen  ausser  Erweiterung  der  normalen 
Lymphgefässe  und  -räume  stets  Neubildung  solcher  vorhanden  ist,  und 
Beneke  (11)  bringt  in  einem  mit  von  Lesser  zusammen  beobachteten 
Falle,  dessen  anatomische  Untersuchung  er  machte,  den  Nachweis,  dass 
das  Lymphangioma  tuberosum  multiplex  (Kaposi)  ebenfalls  auf  Neubildung 
von  Lymphgefässen  beruht.  Er  fand  in  der  Kutis  kugelförmige  Hohlräume, 
(leren  Wand  von  dicht  gestellten  platten  Zellen  gebildet  wurde;  wenn 
schon  aus  der  Dichtigkeit  der  Aneinanderlagerung  der  Endothelien  auf 
lebhafte  Wucherung  derselben  geschlossen  werden  durfte,  so  ging  das 
weiter  daraus  hervor,  dass  die  hyalinen  Ausfüllungen  der  neugebildeten 
Hohlräume  durch  eine  hyaline  Umwandlung  rasch  wuchernder  Endothelien 
entstanden  sein  mussten.  Auch  Bayer  (2)  vertritt  die  Auffassung,  dass 
die  kavernösen  Lymphangiome  sich  durch  Zellwucherungen  bilden.  Er 
verlegt  die  erste  Anregung  zur  Entstehung  der  Tumoren  in  die  perivas- 
kulären Lymphräume,  in  denen  zunächst  eine  Wucherung  der  Perithelien 
eintreten  soll;  dann  treten  Rundzellen  auf  und  das  mit  dem  Bindegewebe  der 
Gcfässcheiden  zusammenhängende  Fett-  und  lockere  Zellgewebe  beteiligt 
sich  durch  Kemvermehrung  und  Vergrösserung  der  Zellen  an  der  Wuche- 
ning.  Auf  die  weiteren  Beziehungen,  welche  nach  Bayer  sich  zwischen 
der  Wucherung  der  Lymphgefässzellen  und  des  Fettgewebes  ergeben  sollen, 
kann  hier  nicht  näher  eingegangen  werden,  da  die  Bayerschen  Anschau- 
ungen hier  nur  so  weit  in  Betracht  kommen,  als  sie  überhaupt  die  Bil- 
dung der  Lymphangiome  auf  Zellwucherungen  zurückführen.  Weniger 
entschieden  tritt  Samter  für  den  proliferativen  Charakter  der  Lymph- 
angiome ein;  unter  7  Lymphangiomen  der  Mundhöhle,  die  er  unter- 
suchen konnte,  befanden  sich  5  warzen-  und  knotenförmige,  die  gegen 
die  gesunde  Schleimhaut  scharf  abgegrenzt  waren  und  kleinste  steck- 
uadelkopfgrosse  bis  hirskorngrosse  wasserklare  Bläschen  enthielten.  Ihre 
Genese  konnte  nicht  ganz  aufgeklärt  werden.  Mitunter  war  Lymph- 
gefässneubildung  evident,  in  anderen  Fällen  schien  es  sich  nur  um  Erwei- 
terungen von  Lymphgefässen  zu  handeln,  während  endlich  auch  Kom- 
bination beider  Momente  vorhanden  waren.  Ich  glaube,  dass  die  Ver- 
bältnisse bei  den  Lymphangiomen  nicht  wesentlich  anders  liegen,  wie  bei 
den  Hämangiomen,  d.  h.  dass  auch  hier  Fälle  von  scheinbaren  Neubildungen 
vorkommen,  die  nur  durch  Erweiterung  präexistierender  Lymphräume  und 
^•hwund  des  Zwischengewebes  zurückzuführen  sind.     Seltenere  Lokalisa- 


348  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

tionen  von  Lymphangiomen  werden  von  Barbacci  (1)  und  Kruse  (8) 
mitgeteilt.  Ersterer  fand  in  der  Milz  eines  an  chronischer  Lungentuber- 
kulose verstorbenen  Individuums  mehrere  zwischen  Stecknadelkopf-  und 
haselnussgrosse  Geschwülste,  welche  aus  einem  System  mit  einander  kom- 
munizierender Kammern  bestanden  und  fadenziehende  gelbliche  Flüssig- 
enthielten. Die  Höhlen  waren  mit  einer  kontinuierlichen  Schicht  platter 
Endothelien  ausgekleidet  und  enthielten  Fibrin  und  Lymphzellen.  Ähn- 
liche Neubildungen  sollen  bisher  nur  2  mal  von  Fink  beobachtet  worden 
sein.  Ob  es  sich  wirkhch  um  Lymphangiome  gehandelt  hat,  kann  man 
nach  den  Untersuchungen  Reugglis*)  noch  für  zweifelhaft  halten;  denn 
er  konnte  im  Anschluss  an  Ribbert  die  Hohlräume  von  abgeschnürtem 
Peritonealepithel  ableiten;  auch  ich  habe  dicht  unter  der  Milzoberfläche 
2  mal  Cysten  beobachtet,  die  mit  niedrigem  Endo-  oder  Epithel  ausgekleidet 
waren  und  hyaline  Massen  und  Lymphzellen  enthielten,  die  ja  aber  selbst- 
verständlich auch  erst  später  eingewandert  sein  konnten.  Die  oberfläch- 
liche Lage  der  Cysten  in  Barbaccis  und  in  meinen  Fällen  könnte  dafür 
sprechen,  dass  sie  Reugglis  Fall  an  die  Seite  zu  stellen  wären;  freilich 
würde  für  Barbaccis  Fall  die  kavernöse  BeschafEenheit  der  Neubildung 
mehr  in  seinem  Sinne  zu  verwerten  sein.  Kruse  beschreibt  einen  Fall 
von  kavernösem  Chylangiom  des  Dünndarms  bei  einem  75jährigen  Mann. 
Die  cystischen  Gebilde,  welche  dünnen,  milchweissen  Inhalt  enthielten, 
bestanden  aus^  kleinen  Hohlräumen  mit  unregelmässigen  Septen ,  welche 
mit  einer  Lage  platter  Zellen  (Endothelien)  ausgekleidet  waren.  Eine  Kom- 
munikation mit  centralen  Zottengefässen  war  nicht  nachzuweisen.  Kruse 
hat  gemäss  der  herrschenden  Auffassung  gewiss  Recht,  wenn  er  seine 
Cysten  als  kavernöse  Chylangiome  ansieht.  Mir  ist  es  aber  auf  Grund  der 
Untersuchung  von  3  Fällen  zweifelhaft  geworden,  ob  die  herrschende  Auf- 
fassung die  richtige  ist  und  ob  nicht  zum  mindesten  ein  Teil  dieser  mit 
milchiger  Flüssigkeit  angefüllter  Cysten  als  Cysten  der  Lieberkühnschen 
Drüsen  anzusehen  ist.  Das  hier  weiter  auszuführen  würde  natürlich  zu 
weit  führen. 

9«  Sarkome. 

a)  Bau,  Entwickelong  und  feinere  Anatomie  der  Sarkome. 

Litteratur. 

1.  Beneke,  Zar  Lehre  von  der  VerspreDgung  von  Nebennierenkeimen  in  die  Niere  nebst 
Bemerkungen  zur  allgemeinen  Onkologie.    Ziegl.  ßeitr.  Bd.  9.  S.  440.  1891. 

2.  Hansemann,   Studien  über  die  Spezifizität,   den  Altruismus   und   die  Anaplasie  der 
Zellen.    Berlin.    A.  Hirschwald.     1893. 


1)  Multiple  Cysten  der  Milz.    Dissertation.     Zürich  1894. 


Geschwülste,  Sarkome.  349 

3.  Siegbert  von  Henkelomm,    Sarkome   und   plastische   Entzündung.    Virch.    Arch. 
Bd.  107.  S.  393.  1887. 

4.  Klebs,  AUgem.  Pathologie.  Abschnitt  Sarkome.  Bd.  II.  S.  711.  1889. 

5.  Labarsch,   Beiträge   zur  Histologie   der  yon   versprengten   Nebennierenkeimen   aus- 
gehenden Nierengeschwülste.    Virch.  Arch.  Bd.  135.  S.  149.  1894. 

6.  Vital is  Müller,  Über  celluläre  Vorgänge  in  Geschwülsten.    Virch.   Arch.  Bd.   130. 
S.  512.  1893. 

7.  Steinhaus,  über  abnorme  Einschlüsse  in  den  Zellkernen  menschlicher  Gewebe.  Centrbl. 
f.  aUgem   Pathologie.  Bd.  II.  S.  593.  1891. 

8.  Stroebe,  Über  Kernteilung  und  Riesenzellenbildung  im  Knochenmark.     Ziegl.  Beitr. 
Bd.  7.  S.  339.   1890. 

9.  Derselbe,  Zur  Kenntnis  verschiedener  cellulärer  Vorgänge  und  Erscheinungen  in  Ge- 
schwülsten.   Ziegl.  Beitr.  Bd.  XI.  S.  1.  1892. 

10.  Unna,  Die  Uistopathologie  der  Haut.    Berlin  1894. 


Während  von  Virchow  und  in  neuester  Zeit  auch  noch  von 
Klebs  (4)  und  Thoma  (Lehrbuch)  die  Sarkome  und  Carcinome  als  cel- 
luläre Geschwülste  bezeichnet  werden,  deren  charakteristische  Merkmale  in 
dem  Überwiegen  der  Zellen  vor  der  Intercellularsubstanz  bestehen,  ist  von 
ßeneke  (1),  Hansemann  (2)  und  Lubarsch  (5)  die  Auffassung  ver- 
treten worden,  dass  auch  die  Sarkome  komplizierter  gebaute  Neubildungen 
sind,  bei  denen  man  ein  Geschwulststroma  und  Geschwulstparenchym  unter- 
scheiden kann.  Beneke  hat  folgendes  ausgeführt  und  Hansemann  ist 
ihm  später,  scheinbar  ohne  Benekes  Angaben  zu  kennen,  darin  gefolgt. 
Jedes  Sarkom  besitzt  ein  Sarkomgerüst  und  einen  Sarkomkörper;  nur 
letzterer  ist  das  wuchernde  Element,  mögen  es  nun  Nebennieren,  Knochen-, 
Knorpel-  oder  einfache  Bindgewebszellen  sein.  Schon  durch  die  erste  Zell- 
wucherung muss  eine  Reaktion  der  Umgebung  hervorgerufen  werden,  es 
muss  gegen  sie  ein  stärkerer  Saftstrom  gehen,  wodurch  dann  namentlich 
eine  Neubildung  von  Kapillaren  erzeugt  wird.  Diese  Verhältnisse  sind  da 
am  leichtesten  zu  übersehen,  wo  morphologisch  die  Parenchymzellen  von 
deu  Stromazellen  gut  geschieden  sind  —  bei  Hypernephrosarkomen,  Chon- 
fbo-,  Osteo-  und  Angiosarkomen ,  während  es  bei  den  Fibrosarkomen  und 
vielen  typischen  Spindelzellensarkomen  schwer  fällt  ^  dieses  Verhältnis  zu 
demonstrieren.  Hansemann  (2)  hebt  in  gleicher  Weise  hervor,  dass  man 
bei  allen  echten  Sarkomen  —  von  denen  er,  wie  wir,  die  Lymphsarkome  mit 
Recht  trennt  —  gerade  wie  bei  den  Carcinomen  zweierlei  Gewebe  deut- 
lich unterscheiden  kann:  ein  gefässführendes,  als  Stützsubstanz  dienendes 
Stroma  und  ein  Parenchym,  nachdem  wir  dem  Tumor  den  Namen  geben  — 
als  Chondro-,  Osteo-,  Glio-  u.  s.  w.  Sarkom.  Genau  wie  B  ene  k  e  (1)  sieht  er  den 
Grund  für  das  nicht  immer  deutliche  Hervortreten  dieser  beiden  Tumor- 
bestandteile in  der  nahen  Verwandtschaft  der  beiden  Bindegewebsarten, 
wie  bei  den  Fibro-  und  Myxosarkomen ;    ist  dagegen  die  Verwandtschaft 


350  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

eine  sehr  entfernte,  wie  bei  den  Gefässepithelien  und  dem  Bindegewebe, 
so  entstehen  die  scharf  geschiedenen  alveolären  Geschwülste,  die  man  nach 
seiner  Ansicht  mit  derselben  Berechtigung  zu  den  Carcinomen  rechnen 
kann  und  vielleicht  muss.  Gegen  diese  Auffassung  habe  ich  bereits  früher 
(5)  Einspruch  erhoben.  Wenn  ich  auch  im  ganzen  die  Beobachtungen 
von  Beneke  und  Hansemann  bestätigen  kann,  dass  bei  den  meisten 
Sarkomen  ein  gefässhaltiges  Stützgewebe  von  den  Parenchymzellen  unter- 
scheidbar ist,  so  habe  ich  doch  andrerseits  hervorheben  müssen,  dass  diese 
Eigenschaft  durchaus  nicht  nur  den  Carcinomen  und  Sarkomen  zukommt, 
sondern  auch  bei  anderen  einfach-histioiden  Neubildungen  nachweisbar  ist, 
wie  z.  B.  den  Fibromyomen  des  Uterus.  Liegt  doch  in  dem  Nachweis  eines 
besonderen  Geschwulststromas  auch  der  Hauptangelpunkt  der  Klebschen 
Lehre  von  der  Holoblastose ;  zweifellos  hat  er  darin  Recht,  dass  bei  jeder 
autonomen  Neubildung  ausser  der  eigentlichen  Geschwulstzellenwucherung 
eine  Blutgefässneubildung  nachweisbar  ist  und  Beneke  (2)  scheint  seine 
Auffassung  auch  selbst  verallgemeinem  zu  wollen,  wenn  er  S.  464  seiner 
Arbeit  darauf  hinweist,  dass  durch  seine  Beobachtungen  die  Einheitlichkeit 
aller  echten  Tumoren  gezeigt  würde.  Aber  der  Schluss  von  Hanse- 
mann,  dass  die  alveolären  Sarkome  mit  derselben  Berechtigung  zu  den 
Carcinomen  gerechnet  werden  könnten  oder  müssten,  würde  unmittelbar 
dazu  führen  müssen,  sämtliche  Sarkome  zu  den  Krebsen  zu  stellen.  Denn 
nach  den  eigenen  Ausführungen  Hansemanns  besteht  der  ganze  Unter- 
schied zwischen  den  Fibrosarkomen  und  Alveolärsarkomen  bezw.  Endo- 
theliomen  darin,  dass  bei  letzteren  der  Unterschied  zwischen  Sarkomparenchym 
und  Stroma  deutlicher  hervortritt  infolge  der  grösseren  Verschiedenheit 
der  beiden  Zellarten.  Der  Unterschied  zwischen  echten  Carcinomen  und 
Alveolärsarkomen  bezw.  Peri-  und  Endotheliomen  ist  vielmehr  sowohl  ein 
morphologischer,  wie  biologischer.  Der  morphologische  hegt  darin,  dass 
bei  den  Carcinomen  —  auch  bei  den  medullärsten,  stromaärmsten  Formen 
—  das  Stroma  nie  ausschliesslich  aus  Blutgefässen  besteht,  während 
dies  bei  den  genannten  Sarkomformen  die  Regel  ist.  Freilich  kann  auch 
eine  geringfügige  Bindegewebswucherung  um  die  Gefässe  an  einzelnen 
Stellen  der  Geschwulst  beobachtet  werden;  in  den  meisten  Fällen  bekommt 
man  aber  überwiegend  oder  ausschliesslich  die  bekannten  Angiosarkom- 
bilder,  die  sich  speziell  von  den  Carcinomen  dadurch  unterscheiden,  dass 
das  Stroma  nur  von  Gefässen  gebildet  wird.  Ein  solches  Bild  allein  beweist 
bereits,  dass  es  sich  nicht  um  epitheliale  Neubildung  im  gewöhnlichen 
Sinne  (d.  h.  von  Deck-  und  Drüsenepithelien  ausgehende  Bildung)  handeln 
kann,  weil  bei  diesen  stets  die  Wucherung  des  Bindegewebes  bei  der 
Stromabildung  überwiegt  und  die  der  Gefässe  zurücktritt.  Deswegen  ist 
es  gar  nicht  nötig,  erst  die  jüngsten  Stellen,  an  denen  eventuell  der  Über- 


Geschwülste,  Sarkome.  351 

gang  normalen  Gewebes  in  Geschwulstgewebe  aufgefunden  werden  kann, 
Aufzusuchen,  sondern  es  genügt  zu  differentiell  -  diagnostischen  Zwecken 
darauf  zu  achten,  ob  überall  oder  wenigstens  vorwiegend  in  der  Geschwulst 
das  Stroma  von  Blutgefässen  allein  oder  Bindegewebe  gebildet  wird.  Dass 
auch  dann  noch  Fälle  vorkommen  können,  in  denen  es  schwer  ist,  zu 
entscheiden,  ob  man  es  mit  einem  echten  Carcinom  zu  thun  hat  oder  nicht, 
muss  man  Hanse  mann  ohne  weiteres  zugeben.  Aber  ebensowenig,  wie 
man  in  der  Botanik  oder  Zoologie  eine  Einteilung  in  verschiedene  Arten 
und  Unterarten  aufgiebt,  weil  an  den  Grenzgebieten  einige  strittige  Formen 
vorkommen,  könnte  es  für  die  Geschwulstlehre  einen  Nutzen  bringen,  den 
Unterschied  zwischen  Alveolärsarkomen  und  Carcinomen  ganz  aufzugeben, 
weil  es  immer  einige  Fälle  geben  wird,  über  die  eine  Einigung  schwer  er- 
zielt werden  kann ;  da  vor  allem  die  Konsequenzen  zu  sehr  grossen  Übel- 
ständen  führen  würden  und  man  dann  jedes  —  auch  nicht  sarkomatöses 
—  Pen-  oder  Endotheliom  als  Carcinom  oder  wenigstens  Adenom  be- 
zeichnen müsste  imd  damit  den  Begriff  der  Drüse  wesentlich  abändern 
würde.  Auch  noch  ein  zweites  morphologisches  Differenzierungsmerkmal 
zwischen  Carcinom  und  Arveolärsarkom  sei  hier  angeführt,  welches  schon 
von  Waldeyer  angegeben  war  und  von  Beneke  wieder  verwertet  wor- 
den ist;  das  ist  die  Thatsache,  dass  in  vielen  Alveolärsarkomen  die  Zellen 
nicht  einfach  durch  Kittsubstanz,  sondern  durch  spärliche  Intercellular- 
substanz  sich  miteinander  zusammenfügen.  Aber  dieses  Kriterium  ist  mit 
Vorsicht  dahin  zu  gebrauchen,  dass  es  zwar  beweist,  dass  es  sich  nicht 
um  Carcinom  handelt,  während  das  Fehlen  von  Intercellularsubstanz  da- 
gegen nicht  beweist,  dass  es  sich  nicht  um  Sarkom  handeln  kann.  Da 
kommt  dann  aber  die  Berücksichtigung  des  Verhaltens  des  Geschwulst- 
stromas dazu.  Um  auf  den  2.  mehr  biologischen  Grund  einzugehen,  der 
zur  Aufrechterhaltung  der  Unterscheidung  zwischen  Sarkom  und  Carcinom 
zwingt,  so  habe  ich  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  trotz  grösster  morpho- 
logischer Ähnlichkeit  die  Blut-  und  Lymphgefässepithelien  physiologisch 
eine  andere  Bedeutung  haben,  wie  Deck-  und  Drüsenepithelieu.  Mag  auch 
der  Unterschied  kein  ganz  prinzipieller  mehr  sein,  nachdem  durch  Heiden- 
hain nachgewiesen  ist,  dass  die  Lymphbildung  kein  reiner  Filtrations Vor- 
gang ist,  sondern  auch  hier  eine  Art  von  Zellsekretion  mitspielt,  so  bleibt 
doch  namentlich  den  Drüsenepithelien  gegenüber  der  wesentliche  Unter- 
schied bestehen,  dass  diese  in  präformierte  Räume  spezifische  Substanzen 
absondern. 

Während  durch  die  eben  hervorgehobenen  Punkte  die  Unterscheidung 
zwischen  Sarkom  und  Carcinom  gesichert  ist,  bleibt  es  auf  der  anderen 
Seite  noch  übrig,  die  Abgrenzung  gegenüber  dem  Fibrom  und  den  ent- 
zündlichen  Neubildungen    vorzunehmen.     Was   die   Unterscheidung   vom 


352  AUgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

Fibrom  anbetrifft,  so  ist  die  Grenze  zum  Sarkom  keine  ganz  scharfe,  da 
alles  auf  das  Verhältnis  zwischen  Zellen  und  Intercellularsubstanz  an- 
kommt, wobei  auch  noch  Rücksicht  auf  den  Mutterboden  genommen 
werden  muss.  So  sind  z.  ß.  die  reinen  Fibrome  des  Ovariums,  in  dem 
normalerweise  sehr  zellreiches  Bindegewebe  vorhanden  ist,  meist  so  zell- 
reich, dass  man  sie  in  einem  anderen  Organ  ohne  weiteres  als  Fibro- 
sarkome  bezeichnen  würde.  Siegbert  v.  Heukelomm  (3)  hat  auch  noch 
angegeben,  dass  bei  den  eigentlichen  Sarkomen  die  Intercellularsubstanz 
völlig  homogen  und  nie  fibrillär  ist,  so  dass  bei  dem  Vorhandensein  fibril- 
lärer.  Zwischensubstanz  die  Diagnose  auf  Fibrom  oder  Fibrosarkom  gestellt 
werden  müsse.  Er  sieht  ferner  den  Unterschied  gegenüber  der  plastischen 
Entzündung  1.  darin,  dass  bei  den  Sarkomen  die  alten  Bindegewebszelleu 
fehlen  und  in  ihnen  die  Zellen  eine  Vorliebe  zur  atypischen  Teilung  und 
Riesenzellenbildung  besitzen,  2.  die  verschiedenen  Zellformen  in  den  Sar- 
komen ausgeprägter  und  kräftiger  differenziert  sind,  als  die  analogen  For- 
men bei  der  entzündUchen  Neubildung.  Weiter  betont  er,  dass  den  Sar- 
komzellen die  Fähigkeit  der  Gewebsbildung  völhg  abgeht  und  sie  daher 
den  vielfach  für  sie  angewandten  Ausdruck  der  „embryonalen  Bindege- 
webszellen*' nicht  verdienen  und  auchBeneke  (1)  hat  bereite  darauf  hin- 
gewiesen, dass  die  für  das  Bindegewebe  charakteristische  Funktion,  die  Em- 
pfindlichkeit gegen  Fremdkörper  und  die  daraus  folgende  Neigung  zur  Or- 
ganisation den  Sarkomzellen  abgeht.  Klebs  (4)  bestreitet  das  allerdings 
und  meint,  dass  eine  Umwandlung  von  Sarkomzellen  in  gewebsbildeude 
Elemente  keineswege  ausgeschlossen  wäre,  da  man  namentlich  bei  den  Epu- 
liden  Rückbildungsvorgänge  wahrnehmen  könne.  Auch  Hanau  steht  im 
wesentlichen  auf  dem  Standpunkt  Benekes  und  Heukelomms,  wenn  er 
durch  seinen  Schüler  Wolfensberg  er  ^)  erklären  lässt,  dass  das  Spindel- 
zellensarkom keine  rund-  und  epitheloidzelhge  Vorstufe  hat,  wie  das  Spindel- 
zellengewebe der  Bindegewebsregeneration.  Klebs  glaubt  dagegen  zur 
Unterscheidung  einen  grösseren  Wert  auf  den  Gefässreichtum  mid  die  Be- 
schaffenheit der  Blutgefässe  legen  zu  sollen,  welche  sehr  weit  und  klaffend 
zu  sein  pflegen;  Hansemann  (2)  führt  auch  an,  dass  bei  vielen  Sarkomen 
den  Gefässen  besondere  Wandungen  fehlen,  so  dass  das  Blut  einfach  in 
den  Hohlräumen  der  Geschwulst  selbst  cirkuliert.  —  Ich  glaube,  dass  die 
meisten  der  angeführten  Punkte  cum  grano  salis  zur  differentiellen  Diag- 
nose verwertet  werden  können.  Am  wenigsten  Bedeutung  möchte  ich  noch 
dem  von  Heukelomm  so  stark  betonten  Mangel  an  Lymph bahnen  zu- 
schreiben, wodurch  er  auch  in  gewisser  Beziehung  die  enorme  Proliferations- 
fähigkeit  der  Sarkomzellen  erklären  will;  denn  es  ist  dieser  Mangel  durch- 


1)  Über  ein  Rhabdomyom  der  Speiseröhre.    Ziegl.  Beiträge.  Bd.  XV.  1894. 


Geschwülste,  Sarkom.  353 

aus  nicht  in  allen  Sarkomen  vorhanden,  vielmehr  lässt  sich  nicht  selten 
in  ein  und  demselben  Sarkom,  besser  aber  noch  bei  dem  Vergleich  pri- 
märer Herde  mit  Recidiven  nachweisen,  dass  der  Mangel  der  Lymph- 
bahnen nicht  die  Ursache,  sondern  die  Folge  der  starken  Zellwacherung 
ist.  —  Die  Beschaffenheit  der  Blutgefässe  ist,  wie  Klebs  selbst  zugiebt,  nicht 
in  allen  Sarkomen  gleichartig  und  ich  möchte  noch  hinzufügen,  dass  klaf- 
fende dünnwandige  Gefässe  auch  im  Granulationsgewebe  vorkommen. 
Trotzdem  kann  das  Verhalten  der  Blutgefässe  unter  Umständen  diiferen- 
tialdiagnostisch  von  grossem  Werte  sein.  Das  ist  besonders  der  Fall, 
nach  meiner  Meinung,  bei  obhterierenden  Angiomen  jugendlicher  Personen. 
Schon  an  und  für  sich  fällt  es  bei  grösseren  Angiomen  jugendlicher  Indi- 
viduen auf,  dass  sich  zwischen  den  neugebildeten,  sehr  dickwandigen  und 
engen  Kapillaren  ein  an  Spindelzellen  äusserst  reiches  Gewebe  befindet,  so 
dass  an  vielen  Stellen  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  Sarkomgewebe  entsteht. 
Icli  habe  nyin  vor  einiger  Zeit  einen  sehr  blutreichen,  polypösen  Tumor 
der  Rückenhaut  eines  Kindes  und  einen  grauroten,  ziemüch  festen  Tumor 
der  Milz  eines  14  Jahre  alten  Mädchens  untersucht,  die  zunächst  durch- 
aus den  Eindruck  von  Spindelzellensarkomen  machten,  sich  aber  bei  ge- 
nauster Untersuchung  doch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als  obliterierende 
Angiome  entpuppten.  Namentlich  bei  dem  Tumor  der  Rückenhaut  machte 
der  klinische  Verlauf  die  Annahme  unmögüch,  dass  wirklich  ein  Spindel- 
zellensarkom bestand,  und  in  beiden  Fällen  bestand  der  ganze  Unterschied 
gegenüber  den  gewöhnUchen  Spindelzellensarkomen  in  der  ausgeprägten 
Engigkeit  und  Dicke  der  Kapillaren,  welche  in  sehr  grosser  Menge  in  den 
Neoplasmen  vorhanden  waren.  Ähnüches  gilt  auch  von  den  sogenannten 
Riesenzellensarkomen  des  Zahnfleisches,  die  bekanntlich  durchaus  gut- 
artige Neubildungen  sind,  und  nur  histologisch,  aber  nicht  biologisch,  mit 
echten  Sarkomen  übereinstimmen;  auch  kommt  es  hier  wirklich  mitimter 
vor,  dass  eine  Art  von  Granulationsgewebe  gebildet  wird,  wie  ich  neuUch 
in  einer,  dickwandige  Gefässe  mit  verkalkter  Wandung  enthaltenden 
Epulis  gesehen  habe.  Ich  glaube  daher,  dass  auch  diese  Epuliden  eigent- 
lich von  den  Sarkomen  zu  trennen  sind.  —  Somit  dürfte  in  der  That  der 
Mangel  der  Organisation  ein  wesentliches  Charakteristikum  der  Sarkome  sein. 
Was  nun  die  Entwickelung  der  Sarkome  anbetrifft,  so  ist  bekanntlich 
Ackermann^)  so  weit  gegangen,  alle  Sarkome  von  einer  Wucherung  der 
Gefässwandungen  ableiten  zu  wollen  und  auch  Klebs  (4)  scheint  auf 
diesem  Standpunkt  zu  stehen,  wenn  er  die  besondere  Bezeichnung  „Angio- 
sarkome''  verwirft,  weil  alle  Sarkome  in  ihren   früheren  Entwickelungs- 


1)  Zar  Histologie  und    Histogenese   der  Sarkome.     Volkmanns   Sammlung  klin. 
Vorträge.    Nr.  233  u.  34. 

Labarseh-Ostertftg,  Ergebuisge  Abteü.  U.  23 


354  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

iBtadien  Augiosarkome  wären.  Beneke  (1)  ist  dieser  Ansicht  besonders 
entschieden  entgegengetreten,  indem  er  auseinandersetzt,  dass  auch  die  neuge- 
bildeten Gefässe  in  Sarkomen  nicht  sarkomatös  erkranken,  sondern  durch 
Kernform,  Grösse  und  Gestalt  der  Zellen  von  den  eigeutUchen  Sarkom- 
zellen scharf  unterschieden  sind.  Nur  dadurch,  dass  die  Sarkomzellen 
unmittelbar  dicht  den  jungen  Kapillaren  anliegen,  würde  das  Bild  einer 
sarkomatös  gewucherten  Gewässwand  vorgetäuscht,  zumal  die  Sarkomzellen 
in  der  Nälie  der  Gefässe  infolge  der  guten  Ernährung  besonders  gut 
sich  entwickelten.  Dadurch,  dass  der  Sarkomstrang  mit  seinem  centralen 
Gefäss  einem  vorwuchemden  Gefäss  analog  ist  und  die  ganze  Geschwulst 
sich  aus  solchen  Strängen  aufbaut,  würde  das  Bild  einer  sarkomatösen 
Gefässwandwucheruug  vorgetäuscht.  Wäre  das  aber  wirklich  der  Fall,  so 
müssten  auch  die  Endothelien  sarkomatös  erkranken,  w^as  aber  abgesehen 
von  dem  metastasierenden  „Endothelioma  intravasculare"  nie  der  Fall  sei, 
indem  man  zwar  Schwellungen  der  Endothelzellen,  aber  keine  der  Sarkom- 
wucherung analoge  Teilung  wahrnimmt.  So  gerechtfertigt  B  e  n  e  k  e  s  Opposition 
ist,  wenn  sie  Ackermanns  Ansicht  als  zu  weitgehend  und  exklusiv  bekämpft, 
so  sehr  scheint  sie  mir  doch  über  das  Ziel  hinauszuschiessen ,  wenn  sie 
nur  den  Tumoren,  welche  durch  Wucherung  von  Gefässendothelien  ent- 
stehen, den  Charakter  als  Angiosarkome  zugestehen  will ,  denn  ebenso  wie 
die  Endothelien  besitzen  auch  die  Perithelien  die  Fähigkeit  der  Wuche- 
rung und  es  können  von  ihnen  zunächst  Gefässe  gebildet  werden,  welche 
für  die  Geschwulstentwickelung  bestimmend  sind,  ohne  dass  daran  stets  auch 
eine  Wucherung  der  Endothelien  anzuschliessen  braucht.  Wenn  man 
auch  zugeben  muss,  dass  die  Annahme  der  Verschleppung  ganzer  Gefäss- 
wandkeime  für  die  Erklärung  des  übereinstimmenden  Baues  der  Meta- 
stasen etwas  gezwungen  ist,  so  scheint  doch  besonders  der  morphologische 
Charakter  vieler  Angiosarkome  auf  eine  derartige  Beziehung  zu  den  Peri- 
thelien hinzuweisen.  Ich  gebe  gern  zu,  dass  ein  grosser  Teil  der  perivas- 
kulären Sarkome  nicht  echte  Angiosarkome  sind,  d.  h.  vor  allem  diejenigen, 
welche  Rund-  oder  Spindelzellensarkome  mit  Intercellularsubstanz  sind; 
solche  aber,  welche  ganz  nach  Art  von  Endotheliomen  aus  epithelartigen, 
nur  durch  Kittsubstanz  verbundenen  Zellen  bestehen,  die  sich  als  ein 
Mantel  um  Gefässe  mit  mehr  oder  weniger  normalen  EndotheUen  lagern, 
können  nach  meiner  Meinung  nicht  gut  anders,  wie  durch  Wucherung  von 
Adventitiazellen  erklärt  werden.  Auch  bei  dieser  Ansicht  kann  man  ruliig 
den  Ausführungen  Benekes  beistimmen,  welcher  die  mit  der  Gefässanord- 
nung  der  primären  Tumoren  übereinstinamenden  Gefässbildung  in  den 
metastasischen  Knoten  nicht  auf  die  Verschleppung  eines  Gefässkeimes 
zurückführen,  sondern  durch  die  gleichen  für  die  Gefässbildung  bestimmen- 
den Momente  erklären  will. 


GeschwOlste,  Sarkom.  355 

Die  feinere  Anatomie  der  Sarkomzellen  ist  von  den  verschiedensten 
Seiten  einem  genaueren  Studium  unterworfen  worden,  z.  T.  in  der  Hoff- 
nung bereits  an  den  einzelnen  Zellen  Charakteristica  zu  finden,  welche 
eine  Unterscheidung  gegenüber  ähnlichen  Zellen  (anderer  Txmioren  und 
der  entzündUchen  Neubildungen)  gestatten  würden.  Die  Darstellung  dieser 
Untersuchungen  geschieht  am  besten  in  der  Weise,  dass  wir  zunächst  be- 
trachten 1.  den  Kern  der  Sarkomzellen  im  ruhenden  Zustand ,  2.  das  Proto- 
plasma der  Sarkomzellen ,  3.  den  Teilungsmodus  der  Sarkomzellen,  4.  die 
Leukocyten  in  Sarkomen. 

ad.  1.  Wenn  Pfitzner  (Virch.  Arch.  Bd.  103)  die  Kerne  der  Ge- 
schwulstzellen  als  chromatinarm  bezeiclmete  und  darin  eine  Annäherung 
an  den  Typus  embryonaler  Kerne  sehen  wollte,  so  ist  dem  besonders  wohl 
für  die  Sarkome  widersprochen  worden.  Sowohl  vonHeukelomm  (3)  wie 
Kleb 8  (4)  und  Beneke  (1)  heben  den  grossen  Chrom atingehalt  der  Sar- 
komzellkeme  hervor.  Klebs  und  Heukelomm  scliildern  die  Kerne  als 
auffallend  gross;  ihre  Form  ist  entsprechend  der  Zellform,  bald  elliptisch, 
bald  dreieckig,  bald  rund  oder  auch  viereckig.  Die  Angabe  Heukelomms, 
dass  eine  Kemmembran  fehlt,  wird  von  Klebs  mit  Recht  bestritten;  auch 
ich  habe  stets  deutliche  Kernhülle  nachweisen  können,  wenn  die  Zellen 
noch  gut  erhalten  waren.  Der  Kerninhalt  ist  je  nach  dem  Alter  der  Kerne 
und  Zellen  verschieden ,  in  ganz  jungen,  stark  wuchernden  Sarkomen  stets 
äusserst  chromatinreich,  in  Form  von  dicht  gelagerten,  kleinen  annähernd 
gleich  grossen  Kömern.  Später  nimmt  der  Chromatingehalt  ab  und  es 
tritt  ein  zierüches  Fadennetzwerk  hervor,  das  sich  nur  schwer  färbt;  da- 
neben sind  1 — 2  Kernkörperchen  vorhanden.  Die  Hyperchromatose, 
welche  Klebs  auf  eine  zu  reichliche  Aufnahme  der  aus  Leukocytenkemen 
stammenden  Chromatinsubstanz  beziehen  will,  bildet  nach  seiner  Meinung 
in  Sarkomen  die  Regel.  Hiergegen  hat  sich  Stroebe  (9)  gewendet,  indem 
er  einerseits  angiebt,  dass  die  verschiedenen  Sarkome  und  im  einzelnen 
Falle  die  verschiedenen  Geschwulstpartieen  den  allervari abeisten  Chromatin- 
gelialt  aufweisen,  andererseits  auch  der  Auffassung  widerspricht,  dass  die 
Hypercliromatose  durch  eine  vermehrte  Aufnahme  von  Kernchromatin  zu 
Stande  kommt.  Indem  er  zunächst  darauf  hinweist,  dass  ein  der  Hyper- 
chromatose sehr  ähnlicher  Zustand  mit  Pfitzners  „morphologischer" 
Kemdegeneration  identisch  ist,  trägt  er  eine  Reihe  von  Beobachtungen 
zusammen,  die  dafür  sprechen,  dass  die  Hyperchromatose  der  Geschwulst- 
zellen ebenfalls  auf  einem  regressiven  Vorgang  beruht.  Die  schon  von 
Klebs  hervorgehobene  Beobachtung,  dass  die  hyperchromatischen  Kerne 
meistens  herdförmig  vorkommen  und  in  der  Nähe  von  Leukocytenanhäu- 
fungen  liegen,  deutet  Stroebe  nicht  mit  Unrecht  dahin,  dass  die  Leuko- 
cyten sich  eben  deswegen  in  der  Nähe  der  hyperchromatischen  Kerne  an- 

23* 


356  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

häufen,  weil  hier  sich  Zellzerfall  ausbildet.  Weiter  weist  er  auf  die  Ver- 
änderungen des  Protoplasmas  (Schrumpfung,  schollige  Zerklüftung,  fettige 
Entartung)  hin,  die  sich  besonders  häufig  in  Zellen  mit  hyperchromatischen 
Kernen  findet.  Hansemann  hat  zwar  mit  Recht  auseinandergesetzt, 
dass  man  1.  den  Chromatinreichtum  eines  ruhenden  Kernes  nur  schwer 
richtig  beurteilen  kann  und  2.  nicht  gut  festzustellen  ist,  was  aus  einem 
ruhenden  chromatinreichen  Kerne  wird,  ob  er  der  Chromatolyse  anheim- 
fällt oder  sich  noch  zur  Teilung  anschicken  wird  und  auch  Pfitzner 
(a.  a.  0.  S.  290)  hat  auf  die  grosse  Ähnlichkeit  mancher  Kemdegeneratiou 
mit  Frühformen  der  Mitose  aufmerksam  gemacht  —  immerhin  scheint  mir 
doch  die  Stroe besehe  Ansicht  den  Thatsachen  am  meisten  zu  entsprechen. 
Abgesehen  davon,  dass  in  der  That  in  vielen  Zellen  mit  Hyperchromatose 
der  Kerne  deutliche  regressive  Veränderungen  am  Zellinhalt  auftreten, 
lässt  sich  zeigen,  dass  die  Hyperchromatose  ausser  in  Sarkomen  vornehm- 
lich unter  Bedingungen  auftritt,  bei  denen  ein  Zellzerfall  oder  wenigstens 
sicher  keine  Zellneubildung  stattfindet.  Ich  habe  z.  B.  gezeigt,  dass  die 
unter  verschiedenen  krankhaften  Bedingungen  oder  experimentell  auf  dem 
Blutwege  verschleppten  Leber-  und  Placentarzellen  schon  nach  wenigen 
Tagen  ausgesprochene  Hyperchromatose  erkennen  lassen,  an  die  sich  stets 
Chromatolyse  anschliesst;  ferner  habe  ich  Hyperchromatose  beobachtet 
1.  in  anämischen  Infarkten  von  Kaninchen  im  Beginn  der  Nekrose  und 
weit  entfernt  von  denjenigen  Partieen,  in  denen  Mitosen  beobachtet  wer- 
den, 2.  in  zertrümmerten  oder  stehen  gebliebenen  Herzmuskelfasem  bei 
Herzinfarkten  und  Herzschwielen,  3.  in  manchen  Herzmuskelfasern  bei 
der  braunen  Atrophie  des  Myokards.  Hiermit  stimmen  auch  die  Beob- 
achtungen von  H.  Schmaus  und  Albrecht  ^)  überein,  welche  mit  Sicher- 
heit durch  experimentelle  Untersuchungen  den  Nachweis  führten,  dass  es 
Formen  der  Kemdegeneration  giebt,  bei  welchen  eine  Umlagerung  des 
Chromatins  das  wesentliche  ist  und  sowohl  die  Kemwand-  wie  die 
Gerüslhyperchromatose  eine  grosse  Rolle  spielt.  Freilich  betonen  auch  sie, 
dass  es  Kernwandhyperchromatosen  giebt,  an  denen  noch  keine  Degene- 
rationserscheinungen wahrzunehmen  sind.  Geht  schon  aus  meinen  und 
Schmaus  Beobachtungen  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die  Kemhyperehro- 
matose  in  vielen  Fällen  ein  degenerativer  Prozess  ist,  so  wird  das  für  die 
Neoplasmen  im  besondern  noch  durch  folgende  Momente  bewiesen:  1.  man 
findet  ausgesprochenste  Hyperchromatose  in  Sarkomen  mit  wenigj  Mitosen 
meist  an  der  Oberfläche,  wo  durch  allerlei  äussere  Einflüsse  der  Zellzerfall 
zuerst  beginnt.  2.  Auch  in  nicht  destruierenden  Neubildungen  (Papillomen  etc.) 
findet  man   hyperchromatische   Kerne,  aber   imr  an  solchen  Stellen,  wo 


1)  Ober  Earyorrhexis.     Vir  eh.  Arch.  Bd.  138.    Supplementfaeft.  S.  1. 


Geschwfllste,  Sarkom.  357 

durch  äussere  Reize  (z.  B.  therapeutische  EingrifiEe)  ein  Zellzerfall  einge- 
leitet wird.  Wenn  somit  die  in  den  Sarkomen  so  besonders  häufige  Hyper- 
chromatose  weder  ein  progressiver  Vorgang  ist,  noch  etwas  Spezifisches 
darstellt,  so  möchte  ich  doch  hervorheben,  dass  sie  in  diagnostischer  Be- 
ziehung von  Wert  sein  kann,  denn  sie  fehlt  in  Sarkomen  fast  niemals, 
wird  jedenfalls  in  keiner  andern  Geschwulst  so  häufig  gefunden,  wie  in 
Sarkomen,  so  dass  sie  neben  anderen  Momenten  thatsächlich  zur  Diagnose 
mit  benutzt  werden  kann.  Was  die  Kernkörperchen  der  Sarkomzellen 
anbetrifft,  so  hebt  Klebs  hervor,  dass  sie  in  jungen,  stark  wuchernden 
Sarkomen  stets  und  zwar  oft  doppelt  vorhanden  sind,  und  das  sie  inten- 
sive Färbbarkeit  besitzen.  Von  anderen  Autoren  ist  den  Kernkörperchen 
wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden ;  ich  habe  (5)  darauf  hingewiesen, 
dass  sie  in  den  hypernephroiden  Sarkomen  der  Niere  sich  dadurch  be- 
sonders auszeichnen,  dass  sie  mit  sauren  Anilinfarbstoffen  abweichend  vom 
Kern  gefärbt  werden  können  und  dass  eine  Doppelfärbung  von  Kern  und 
Kernkörperchen  hier  leicht  gelingt.  Wenn  in  diesem  besonderen  Falle 
diese  Eigentümlichkeit  auf  die  Abstammung  der  Zellen  hindeutet,  so  möchte 
ich  an  dieser  Stelle  darauf  anfmqpksam  machen,  dass  auch  bei  anderen 
Sarkomen  eine  verschiedene  Färbung  von  Kern  und  Kernkörperchen  ge- 
lingt z.B.  mit  der  Weigertschen,  Biondischen,  Russeischen  Methode; 
nur  verhalten  sich  dabei  die  Kernkörperchen  in  den  verschiedenen  Zellen 
derselben  Geschwulst  verschieden;  einzelne  nehmen  die  Farbe  der  Kerne, 
andere  dagegen  die  Farbe  der  Stützsubstanzen  an.  Man  kann  daraus 
wohl  schliessen,  dass  auch  die  Kernkörperchen  in  den  Sarkomzellen  sich 
in  verschiedenen  Lebenszuständen  befinden,  die  wahrscheinlich  auch  regres- 
siver Natur  sind.  Mitunter  färben  sich  sogar  einzelne  Teile  der  Kern- 
körperchen verschieden ,  so  dass  die  Peripherie  sich  mit  dem  sauren,  das 
Centrum  mit  dem  basischen  Anilinfarbstoff  tingiert  oder  auch  umgekehrt. 
ad.  2.  Was  die  Struktur  des  Protoplasmas  der  Sarkomzellen  anbe- 
trifft, so  ist  es  schwer  etwas  allgemeines  darüber  festzustellen.  Schon  die 
Form  der  Sarkomzellen  ist  bekanntermassen  sehr  verschieden,  so  dass  man 
Rund-,  Spindel-  und  Riesenzellensarkome  unterscheidet;  bei  der  Struktur 
des  Protoplasmas  kommt  noch  dazu,  dass  es  je  nach  Alter  und  Prolifera- 
tionsfähigkeit  der  Geschwulst  verschiedenartig  sein  kann.  Wennz.  B.  van 
Heukelomra  das  Protoplasma  der  Sarkomzelle  als  lichtopak  und  das  Eosin 
„lichtgraurot"  gefärbt  bezeichnet,  so  ist  das  eine  recht  weit  getriebene 
Schematisierung;  da  man  in  nicht  wenigen  Sarkomen  kaum  eine  Zelle  zu 
treffen  braucht,  welche  dieser  Beschreibung  entspricht.  Wichtiger  und 
richtiger  ist  es,  wenn  er  hervorhebt,  dass  die  Abspaltung  fibrillärer  Inter- 
cellularsubstanz  nur  bei  langsam  wachsenden  Fibrosarkomen  zu  beobachten 
war.    Ich  halte  das  sogar  für  eine  Thatsache  von  prinzipieller  Bedeutung 


358 


AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 


und  habe  dem  Verhalten  der  Sarkomzellen  nach  dieser  Richtung  besondere 
Aufmerksamkeit  geschenkt  an  Präparaten  die  möglichst  lebensfrisch  in 
Flemmingscher,  Zenkerscher  oder  Altmannscher  Flüssigkeit  fixiert 
waren.  Es  haben  sich  dabei  im  wesentlichen  drei  Typen  von  Sarkom- 
zellen  ergeben,  die  schematisiert  nebenbei  abgebildet  sind. 

Typus  1  kommt  nur  in  Fibrosarkomen  und  auch  dort  nur  in  den 
festesten,  zellärmeren  Partieen  vor;  entspricht  im  wesentlichen  dem  Typus 
normaler  Bindegewebszellen ;  besonders  in  Präparaten,  die  nach  Flemming 
oder  Reinke  mit  Gentiana-Orange  gefärbt  sind,  sieht  man  während  der 

i;  2. 


3a. 


2  a. 


Mitose  die  fädige  Struktur  des  Protoplasmas;  zwischen   den  Fäden  feine 
Korachen;  auch  in  Altmann-Präparaten  demonstrierbar. 

Typus  2.  In  festeren  Spindelzellensarkomen  vorkommend;  ausge- 
sprochene Granularstruktur  des  Protoplasmas,  nur  in  der  Peripherie 
kleine,  dünne  Fäden  nachweisbar;  sowohl  in  der  ruhenden,  wie  in  der 
sich  teilenden  Zelle.  Während  der  Teilung  (2  a)  ziehen  sich  die  Körner 
etwas  zurück,  so  dass  um  den  Kern  herum  eine  lichte  Zone  bleibt. 

Typus  3.  In  sehr  vielen  Sarkomen,  besonders  auch  in  Riesen- 
zellensarkomen vorkommend.  Das  Protoplasma  grob  und  fein  granuliert, 
nirgends  fibrilläre  Struktur  nachweisbar.  Die  Granulierung  im  Ruhezustand 
sehr  dicht,  wird  während  der  Teilung  erheblich  lockerer;  die  Granula  \ie\- 
fach  nur  noch  in  der  äussersten  Peripherie  angehäuft  {3  a). 

In  ein  und  demselben  Sarkom  können  alle  drei  Typen  vorkommen, 
Typus  3  am  häufigsten  in  rasch  wachsenden  Sarkomen  mit  vielen  Mito- 
sen. —  Die  prinzipielle  Bedeutung  dieser  Befunde  scheint  mir  darin  zu 
liegen,  dass  der  Mangel  der  Intercellularsubstanz  durch  die  ver- 
änderte Fähigkeit  der  Zelle  bedingt  ist,  welche  in  der  Abweichung 
von   der  normalen  Struktur  der  Bindegewebszelle  ihren  morphologischen 


Oeschwfilste,  Sarkom.  359 

Ausdruck  findet.  Und  man  könnte  dann  daran  denken,  dass  eine  fibril- 
läre  Intercellularsubstanz  deswegen  nicht  gebildet  werden  kann,  weil  die 
Proliferation  der  Zellen  eine  überstürzte  ist  und  somit  jede  einzelne  Zelle 
nicht  Zeit  findet,  den  Höhepunkt  ihrer  funktionellen  Ausbildung  zu  er- 
reichen. Freilich  ist  es  auch  bei  diesen  Befunden  recht  schwer  festzu- 
stellen, was  bereits  in  das  Gebiet  der  Zelldegeneration  hineingehört;  doch 
glaube  ich,  dass  die  Formen,  die  man  nur  in  ganz  jungen  Knoten  und 
nur  bei  Anwendung  der  oben  genannten  Methode  zu  sehen  bekommt, 
einigermassen  der  Norm  entsprechen.  Ajiders  ist  es  allerdings  mit  den 
Granulationen,  die  man  auch  bei  gewöhnlicher  Konservierung  zu  sehen 
bekommt,  wobei  dann  auch  die  Grössenunterschiede  der  einzelnen  Granu- 
lationen bedeutender  zu  sein  pflegen.  Hier  tritt  die  Veränderung  des  Zell- 
inhalts auch  dadurch  hervor,  dass  die  Granula  verschiedene  Tinktions- 
fiihigkeit  besitzen  können.  —  Die  übrigen  Besonderheiten,  die  man  oft 
genug  am  Protoplasma  der  Sarkomzellen  antrifft,  wie  Vakuolenbildung, 
Zerklüftung,  Auftreten  von  Hyalin  und  Fetttröpfchen,  gehören  in  das  Ge- 
biet der  regressiven  Veränderungen.  Die  Pigment-  und  Glykogenbildung 
dagegen  scheinen  der  Ausdruck  eines  besonders  gearteten  Stoffwechsels 
zu  sein.  Während  auf  die  pigmentierten  Sarkome  unten  noch  näher  ein- 
gegangen werden  muss,  sei  bezüglich  der  Glykogenbildung  in  der  Haupt- 
sache auf  das  Kapitel  über  die  Glykogendegeneration  verwiesen.  Nur  das 
sei  hier  noch  festgestellt,  dass  Glykogen  in  Knochen-  und  Hodensarkomen 
fast  regelmässig  vorkommt  und  dass  es  der  Ausdruck  einer  embryonalen 
Abstammung  zu  sein  scheint.  Nicht  aber  lassen  sich  direkte  Beziehungen 
zur  Mächtigkeit  der  ProHferation  nachweisen,  indem  sowohl  in  äusserst 
rasch  wachsenden  Sarkomen  Glykogen  fehlen,  als  auch  in  nur  massig 
schnell  wachsenden  vorhanden  sein  kann.  Ob  die  Meinung  vonA.  Brault 
(Society  d'anatomie  d.  Paris,  9.  Nov.  94)  dass  die  Menge  des  Glykogens  der 
Proliferationskraft  der  Neubildung  entspricht,  richtig  ist,  dürfte  auch  noch 
näher  zu  untersuchen  sein. 

ad  3.  Was  den  Teilungsmodus  der  Sarkomzellen  anbetrifft,  so  ist 
besonders  der  indirekten  Kernteilung  und  der  Kemfragmentierung  Auf- 
merksamkeit geschenkt  worden.  Die  indirekte  Kernteilung  kommt  in  Sar- 
komen, wie  in  fast  allen,  besonders  rasch  wachsenden  Neubildungen,  in 
ausgedehnter  Weise  vor.  Klebs  hat  allerdings  angegeben,  dass  er  in  Sar- 
komen viel  spärUcher  Mitosen  auffinden  konnte,  wie  in  Carcinomen ;  wenn 
er  selbst  schon  keinen  so  grossen  Wert  darauf  legte,  so  haben  die  Unter- 
suchungen von  Stroebe,  Vitalis  Müller  u.  a.  gezeigt,  dass  auch  in  Sar- 
komen die  indirekte  Zellteilung  die  grösste  Rolle  spielt.  Ich  selbst  kann 
auch  nur  bestätigen,  dass  man  gerade  in  Sarkomen  eine  ungeheuere  Menge 
von  Mitosen  finden  kann;  es  hängt  das  aber,  wie  immer,  auch  davon  ab. 


360  All  gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

in  welchem  Stadium  der  Geschwulstentwickelung  die  Untersuchung  vor- 
genommen wird.  —  Bezüglich  der  Lagerung  der  Karyomitosen  innerhalb 
der  Sarkome  hatStroebe  (9)  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  wenigstens 
mitunter  die  Mitosen  nicht  diffus  in  der  Geschwulst  hegen,  sondern  Be- 
ziehungen zu  den  Blutgefässen  oder  (bei  den  Alveolärsarkomen)  zu  den 
Stromazügen  erkennen  lassen.  So  schildert  er  ein  kleinzelliges  Rundzellen- 
sarkom, das  besonders  an  den  Endothelien  der  kleinen  Grefässe  imd  den 
Zellen  der  ihnen  zunächst  anliegenden  Geschwulstpartieen  reichlich  Kern- 
teilungen darbot,  sowie  ein  plexiformes  Angiosarkom  der  Schilddrüse,  in 
dem  die  centralen,  den  Blutgefässen  direkt  anliegenden  Geschwulstzellen 
die  grösste  Anzahl  von  Mitosen  aufwiesen.  Er  glaubt  sogar,  dass  die  peri- 
phere Lagerung  der  Karyokinesen  in  den  Sarkomzellzügen  in  manchen 
Fällen  als  Unterscheidungsmerkmal  dienen  kann  bei  der  „oft  recht  schwie- 
rigen Diflferentialdiagnose  zwischen,  Carcinom  und  Alveolarsarkom".  Ich 
muss  auf  Grund  meiner  Erfahrungen  die  Stroebeschen  Beobachtungen 
bestätigen,  wenigstens  für  manche  Fälle;  aber  es  kommen  auch  Augiosar- 
kome  vor,  in  denen  die  Kernteilungen  ganz  unregelmässig  verteilt  liegen, 
wie  das  vor  allem  in  den  Sarkomen,  die  nicht  in  so  engen  Beziehungen 
zu  den  Blutgefässen  stehen,  geradezu  die  Regel  ist.  —  Ein  grösseres  Inter- 
esse haben  diejenigen  Mitosen  in  Anspruch  genommen,  welche  als  „patho- 
logische'', von  dem  gewöhnlichen  Typus  abweichende  bezeichnet  werden. 
Schon  Heukelomm  hat  in  Sarkomen  eine  „atypische"  Kernteilung  be- 
schrieben, die  zur  Bildung  von  Riesenzellen  führen  soll  und  wobei  die 
Kemfiguren  Kugelsegmente  bilden  sollen,  deren  konvexe  Seiten  einander 
zugekehrt  sind  und  die  manchmal  noch  mit  einzelnen  Fäden  anemander- 
hängen;  aber  Klebs  hat  mit  Recht  diesen  Beobachtungen  wiedersprochen, 
da  es  sehr  zweifelhaft  ist,  ob  die  beschriebenen  auf  Fig.  5—11  abgebil- 
deten Kernteilungen  wirkliche  Mitosen  gewesen  sind.  —  Er  hat  dagegen 
selbst  zuerst  auf  das  Vorkommen  atypischer  Mitosen  aufmerksam  gemacht, 
ohne  allerdings  gerade  in  Sarkomen  denselben  eine  grössere  Rolle  zuzu- 
weisen. Später  ist  die  Frage  eine  brennende  geworden  durch  dieHanse- 
mannschen  Untersuchungen,  welcher  in  Carcinomen  drei  Arten  von  atypi- 
schen Mitosen  beobachtete,  welche  er  für  charakteristisch  für  diese  Tumor- 
gattung hält.  Es  sind  das  1.  die  asymmetrischen  Mitosen,  2.  hypochroma- 
tische  Mitosen,  3.  Mitosen  mit  versprengten  Chromosomen.  —  Ohne  hier 
bereits  auf  die  weitschauenden  theoretischen  Erörterungen  Hansemanns 
näher  einzugehen,  sei  folgendes  hervorgehoben.  Unter  asymmetrischen  Mi- 
tosen versteht  Hansemann  solche  Teilungen,  bei  denen  zwei  Tochter- 
zellen von  verschiedener  Chromosomenzahl  gebildet  werden  und,  wenn  die 
Zellteilung  schon  eingetreten  ist,  Zellen  von  verschiedener  Grösse  entstehen. 
Hypochromatische  Mitosen  sind  solche  mit  auffallend  geringer  Anzahl  von 


Geschwülste,  Sarkom.  3g X 

Chromosomen,  während  eine  Versprengung  von  Chromosomen  zwar  auch 
unter  normalen  Verhältnissen  vorkommt,  aber  dann  als  pathologisch  be- 
trachtet werden  muss,  wenn  die  versprengten  Chromosomen  ganz  ausser- 
halb der  Teilungsfigur  oder  sogar  des  Teilungsraumes  liegen.  —  Während 
Hansemann  in  neuerer  Zeit  selbst  angiebt,  die  hypochromatischen  Formen 
und  die  Verirrung  von  Chromosomen  in  Carcinomen  und  Sarkomen  ge- 
funden zu  haben,  hält  er  noch  daran  fest,  dass  die  asymmetrische  Mitose 
nur  in  Carcinomen  vorkommt.  Entgegengesetzte  Angaben  liegen  da- 
gegen von  Stroebe  und  Vitalis  Müller  vor,  von  denen  letzterer  aller- 
<üngs  nicht  ganz  sicher  ist,  ob  die  in  zwei  Sarkomen  gefundenen  Mitosen 
echte  asymmetrische  waren.  Ich  selbst  glaube  dagegen  mit  Sicherheit  mehr- 
mals in  Sarkomen  asymmetrische  Mitosen  gefunden  zu  haben  und  zwar 
1.  in  einem  Riesenzellensarkom  der  Schilddrüse,  2.  in  einem  Angiosar- 
kom  der  Parotis  und  3.  in  einem  grosszelhgen  Sarkom  der  Oberschenkel- 
muskulatur.  Hypochromatische  Formen  und  Versprengung  von  Chro- 
mosomen habe  ich  sogar  verhältnismässig  oft  in  primären  und  meta- 
statischen Sarkomen  gefunden  und  zwar,  um  so ,  reichlicher,  je  rascher 
das  Wachstum  der  Geschwulst  war.  —  Auf  die  biologische  Bedeutung  der 
pathologischen  Mitosen  soll  hier  nicht  näher  eingegangen  und  in  dieser 
Beziehung  auf  das  Carcinomkapitel  verwiesen  werden.  —  Dass  neben  dieser 
bald  reichlicher,  bald  spärlicher  vorhandenen  indirekten  Kernteilung  auch 
amitotische  Kernteilung  in  Sarkomen  vorkommt,  darauf  haben  in  Bestätigung 
von  J.  Arnolds  Beobachtungen  besonders  Stroebe  und  V.  Müller  wieder 
hingewiesen.  Und  zwar  tritt  die  amitotische  Kernteilimg  sowohl  als  direkte 
Segmentierung,  wie  als  indirekte .  Fragmentierung  auf.  Stroebe  hat 
^Iche  Formen  vor  allem  in  Sarkomen  gefunden  und  es  ist  wohl  kein 
Zweifel,  dass  wenigstens  ein  Teil  der  Sarkomriesenzellen  durch  indirekte 
Kemfragmentierung  entsteht.  V.  Müller  ging  näher  auf  die  biologische 
Bedeutung  der  amitotischen  Kernteilung  ein,  ohne  jedoch  zu  einem  be- 
stimmten Resultat  zu  kommen.  Es  scheint  aber  nach  den  neueren  Unter- 
suchungen von  Schmaus  und  E.  Albrecht  sicher,  dass  vieles  auch  von 
iStroebes  Beobachtungen  in  das  Gebiet  der  Karyorhexis  hineingehört, 
wobei  ja  entschieden  Formen  auftreten,  die  grosse  Ähnlichkeit  mit  Mitosen 
haben  können;  so  gehören  wohl  in  der  ersten  Arbeit  Stroebes  die  Figuren  6 
bis  8  auf  Tafel  IX  sicher  in  das  Gebiet  der  Karyorhexis.  Wenn  somit 
diesen  Bildern  eine  mehr  regressive  Bedeutung  zugesprochen  werden  soll, 
50  ist  es  doch  nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  zunächst  einer  Zellvermehrung 
dienen  sollen,  aber  infolge  der  überstürzten  Art  der  Teilung  bald  zu 
Grunde  gehen.  — 

ad  4.     Dem  Auftreten   der  Leukocyten  in   bösartigen   Neubildungen 
und  vor  allem  in  Sarkomen  ist    schon  von  Siegbert  van  Heukelomm 


362  Allgem.  pathol.  Morphologie  nud  Physiologie. 

grössere  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden.  Er  unterscheidet  zwei  Arten 
von  Leukocyten ;  solche  mit  intensiv  färbbaren  runden  Kernen  und  lichtem 
Protoplasma  und  solche,  deren  Kerne  verschiedenartig  gestaltet  sind, 
Bisquitform  aufweisen  und  nach  seiner  Auffassung  als  absterbende  Ge- 
bilde aufzufassen  sind;  in  rein  sarkomatösen  Tumoren  will  er  sie  nur 
spärlich  gefunden  haben,  während  sie  um  so  häufiger  vorkommen,  je  mehr 
sich  die  Tumoren  den  Fibrosarkomen  näherten.  Doch  beruht  diese  An- 
gabe wohl  nur  auf  der  zu  geringen  Anzahl  der  untersuchten  Tumon^n; 
im  allgemeinen  gilt  auch  für  das  Auftreten  der  Leukocyten  in  Sarkomen, 
dass  sie  um  so  reichlicher  vorhanden  sind,  je  zellreicher  die  Neubildung 
und  je  rascher  daher  lokale  Zerfallsherde  auftreten.  Klebs  und  Stroebe 
beziehen  zwar  ihre  Angaben  über  das  Auftreten  von  Leukocyten  in  Tumoren 
hauptsächlich  auf  Carcinome,  doch  giebt  Stroebe  (9,  S.  15)  ausdrücküch 
an,  dass  er  auch  in  den  verschiedensten  Sarkomen  vereinzelte  oder  auch 
herdweise  gruppierte  Leukocyten  gefunden  habe;  und  Klebs  hat  be- 
kanntlich seine  Beobachtungen  über  das  Auftreten  von  weissen  Blutkörper- 
chen in  Geschwulstzellen  verallgemeinert  und  zur  Theorie  der  autonomen 
Neubildungen  verwenden  wollen,  indem  er  annimmt,  dass  die  in  fixe  Ge- 
webszellen einwandernden  weissen  Blutzellen  befruchtend  einwirken  und 
ihr  Chromatin  zum  Aufbau  neuen  Zellmaterials  hergeben.  Die  Klebs- 
schen  Beobachtungen  über  das  Auftreten  von  Leukocyten  in  Geschwulst- 
und  Stromazellen  hat  Stroebe  durchaus  bestätigt  und  in  Anschluss  an 
Nikikoroff  unter  dem  Namen  der  Phagocytose  zusammengefasst.  Da  er 
aber,  ebenso  wie  Klebs,  seine  Beobachtungen  nur  an  Carcinomen  ge- 
macht hat,  soll  erst  dort  genauer  darauf  eingegangen  werden.  Hier  möchte 
ich  nur  darauf  hinweisen,  dass  man  die  gleichen  Beobachtungen  auch  in 
den  verschiedensten  Sarkomen,  am  reichlichsten  nach  meinen  Erfalirungen 
in  perivaskulären  Sarkomen  und  Endotheliomen  machen  kann;  und  dass 
man  ganz  allgemein  betrachtet  diese  P>scheinung  dort  am  ausgedehntesten 
wahrnimmt,  wo  irgend  welche  regressive  Prozesse  in  den  Geschwülsten 
sich  abspielen.  —  Der  besonderen  Art  der  in  Sarkomen  auftretenden 
Leukocyten  ist  verhältnismässig  wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden, 
wenn  man  von  den  Angaben  Unnas  (10)  über  das  Vorkommen  von  Plasraa- 
zellen  in  Sarkomen  absieht.  Freilich  hält  ja  Unna  selbst  die  Plasmazellen 
nicht  für  Leukocyten,  sondern  für  Bindegewebszellen,  die  sich  amitotisch 
geteilt  hätten  und  ferner  ist  es  schwer  seinen  Begriff  der  Plasmazellen  fest- 
zulegen, da  er  fast  alle  Zellen,  deren  Protoplasma  sich  nach  seiner  Methylen- 
blaumethode intensiv  färbt,  als  Plasmazellen  bezeichnet.  Hält  man  sich 
aber  nur  an   seine  älteren  Angaben  und  an  das,  was  von  Mar  schal  köM 

1)  Über  die  sogenaonten  PlasmazelleD.     Arch.   f.  Dermatol.  und   Syphilis.    Sonder- 
abdruck. 


Geschwülste,  Sarkom.  363 

als  Krümelzellen  bezeichnet,  so  ist  es  wohl  doch  kaum  zweifelhaft,  dass  es 
sich  um  Leukocyten  handelt;  denn  das  von  v.  Marschalkö  hierfür  an- 
geführte ßeweismaterial  erscheint  nahezu  erdrückend.  Diese  Zellen  IBnden 
sich  nun  nach  Unna  in  Spindelzellensarkomen  verhältnismässig  selten 
oder  sogar  gar  nicht  im  eigentUchen  Sarkomgewebe ;  sondern  sind  nur  an 
der  Grenze  zum  gesunden  Gewebe  vorhanden.  Auch  von  Marse halkö 
giebt  an,  die  Plasmazellen  oder  Krümelzellen,  wie  er  sie  nennt,  nur  um  die 
erfasse  herum  in  richtigen  leukocytären  Infiltraten  gefunden  zu  haben. 
Stets  aber  wurden  sie  unvermittelt  ohne  jeglichen  Übergang  zu  den  Ge- 
schwulstzellen gefunden.  Es  wird  damit  und  durch  weitere  Beobachtungen 
die  Angabe  Unnas  widerlegt,  dass  bei  den  Rundzellensarkomen  die  Plasma- 
zellen „ein  regelmässiges  Vorstadium  der  Sarkomzellen"  bilden;  was  ja 
schon  ohne  weiteres  ausgeschlossen  werden  dürfte,  nachdem  Marschalkö 
die  leukocytäre  Natur  der  Unna  sehen  Plasmazellen  erwiesen.  —  Aber 
ausser  diesen  nur  ausnahmsweise  und  hauptsächlich  in  der  Peripherie  von 
Sarkomen  vorkommenden  Leukocyten  findet  man  noch  andere  Leukocyten 
nicht  so  selten  in  den  verschiedenartigsten  Sarkomen  und  zwar  vor  allem 
auch  Zellen  mit  acidophiler  Granulierung;  oft  allerdings  sehr  spärlich 
und  nur  in  direktester  Beziehung  zu  Blutgefässen  oder  grösseren  Zerfalls- 
herden; mitunter  aber  auch  zahlreicher  und  diffus  zwischen  Sarkomzellen 
zerstreut  und  ohne  dass  direkte  Nekrosen  nachweisbar  sind.  Freilich  handelt 
es  sich  auch  dann  wohl  um  einen  Vorgang,  der  durch  eine  positive 
(.Tiemotaxis  veranlasst  wird,  wie  auch  daraus  hervorgeht,  dass  auch  inner- 
halb der  Gefässe  eine  Ansammlung  von  Leukocyten  nachweisbar  ist.  Je 
einfacher  die  Form  der  Sarkome  und  je  gleichmässiger  die  Zellform,  wie 
das  bei  Fibrosarkomen  und  Spindelzellensarkomen  vorkommt,  um  so  spär- 
licher ist  die  Zahl  der  Leukocyten;  sobald  jedoch  eine  ausgesprochene 
Polymorphie  der  Zellen  eintritt  und  gar  Hyperchromatose  und  indirekte 
Kernfragmentierung  zu  beobachten  ist,  werden  Leukocyten  so  gut  wie  nie- 
mals vermisst.  Man  wird  wohl  mit  Recht  daraus  schliessen  dürfen,  dass 
die  Einwanderung  und  Ansammlung  von  Leukocyten  durch  Stoffe  veran- 
lasst wird,  die  beim  beginnenden  und  vollendeten  Zerfall  von  Geschwulst- 
zellen frei  werden;  damit  stimmt  es  auch  überein,  dass  man  in  deutlich 
zerfallenen  Geschwulstpartieen  wohl  regelmässig  Leukocyten  antrifft,  und 
dass  man  die  Erscheinungen  der  Phagocytose  besonders  reichlich  an  solchen 
Zellen  beobachten  kann,  welche  regressive  Veränderungen  an  den  Kernen 
(Karyorhexis  und  Karyolysis)  erkennen  lassen.  —  Dass  sich  die  Leukocyten- 
infiltration  zur  richtigen  Eiterung  steigern  kann,  wird  natürlich  auch  be- 
obachtet; entweder  dadurch,  dass  Mikroorganismen  von  aussen  her  in  das 
Sarkom  einwandern,  oder  dass  von  grösseren,  namentlich  an  Hämorrhagieen 
abschliessenden  Nekrosen  aus  eine  sich  bis  zur  Eiterung  steigernde  Leuko- 


364  Allgem.  patbol.  Morphologie  and  Physiologie. 

cj^enauswanderung  angeregt  wird.  —  Wovon  es  abhängt,  dass  das  eine 
Mal  hauptsächlich  einkernige  Leukocyten  mit  nur  unregelmässig  granuliertem 
Protoplasma  einwandern,  das  andere  Mal  acidophile  Zellen  austreten,  lässt 
sich  noch  nicht  feststellen.  Bemerkenswert  ist  nur,  dass  sich  nicht  selten  neben 
den  acidophilen  Zellen  auch  Russeische  Fuchsinkörperchen  im  Sarkomge- 
webe vorfinden.  —  Ausser  richtigen  Leukocyten  findet  man  auch  noch  Wan- 
derzellen, die  wohl  sicher  von  Bindegewebszellen  abstammen,  die  echten 
( Wald  ey  er  sehen)  Plasma-  undEhrlichschen  Mastzellen,  welche  sich  von 
Leukocyten  erstens  durch  Form  und  Lagerung  des  Kerns,  sowie  durch  die 
bald  eckige,  bald  länglichspindehge  Gestalt  des  Zellleibes  unterscheiden.  Sie 
sind  fast  ausnahmslos  um  die  Blutgefässe  herumgruppiert,  finden  sich, 
wenn  auch  sehr  selten,  in  Spindelzellensarkomen,  wo  sie  dann  die  Ab- 
grenzung des  Geschwulststromas  erleichtern;  am  häufigsten  habe  ich  sie 
in  Angiosarkomen  beobachtet ;  sie  zeigen  ausgeprägte  grobe  Granulierung, 
bei  Färbung  mit  basischen  AniUnfarbstofFen  (besonders  Sahlischem  Borax- 
methylenblau); mitunter  sind  sie  aber  auch  amphophil,  indem  die  Granula 
auch  durch  saure  Anilinfarbstoffe  gefärbt  werden  können,  wie  ich  namentlich 
in  einem  an  Elephantiasis  faciei  anschliessenden  Gesichtssarkom  beobachten 
konnte.  In  zwei  Fällen  von  Cylindrom  der  Parotis  fand  ich  in  der  Nähe 
von  Gefässen  Mastzellen,  deren  Granula  ausgesprochene  Gentianaamyloid- 
reaktion  gaben  (nicht  aber  die  Jodreaktion).  — 

b)  Die  speziellen  Formen  der  Sarkome. 

Es  würde  wenig  Zweck  haben  hier  nochmals  auf  alle  bekannten 
Zellformen  der  Sarkome  einzugehen,  zumal  unsere  Kenntnisse  über  die 
Rundzellen-  und  Spindelzellensarkome  nicht  wesentlich  gefördert  worden 
sind.  Dagegen  erscheint  es  wünschenswert,  hier  die  besonderen  Unterarten 
der  Sarkome,  die  kompliziertere  Verhältnisse  darbieten,  zu  besprechen: 
1.  Die  Riesenzellensarkome;  2.  die  Angiosarkome  mit  ihren  Unterarten: 
Myxosarkome,  Cylindrome,  Endotheliome;  3.  die  Melanosarkome;  4.  Miseh- 
formen. 

1.   Die   Riesenzellensarkome. 

Litteratur. 

1.  Arnold,  Über  Kernteilung  und  vielkernige  Zellen.     Virch.  Archiv.  Bd.  98. 

2.  Krückmann,   Über  Fremdkörpertaberkulose  und  Fremdkörperriesenzellen.     Virch. 
Arch.  Supplementheft  zu  Bd.  138.  S.  118. 

3.  Manz,  Ober  Riesenzellen sarkome  der  weibl.  Brustdrüse.   Beitr.  z.  klin.  Chirurg.  Bd.  Xlll. 
S.  66. 

4.  Miura,  M.,   Das  primäre  Riesenzellensarkom   der  Aorta  thoracica.    Internat.  Beitrag 
zur  wissenschaftl.  Med.  Bd.  IL  S.  247. 

5.  Stroebe,  1.'  c.    Siehe  S.  348. 

6.  Thoma,  Lehrbuch.  S.  708. 


Geschwülste,  Sarkom.  3(35 

Unter  den  verschiedenartigen  Sarkomen  waren  schon  frühzeitig  die- 
jenigen aufgefallen,  welche  sich  durch  Reichtum  an  Riesenzellen  auszeich- 
neten.    Dabei  Hess  sich  stets  feststellen,  dass  die  Riesenzellen  in  ihrem 
ganzen  V^erhalten  mit  den  Knochenmarksrieseuzellen  übereinstimmten  und 
dass  neben  ihnen  stets  noch  andere  Zellen  —  rundliche,  platte  oder  spin- 
delige —  die  Hauptmasse  des  Tumors  ausmachten.     Da  man  die  Riesen- 
zellen zunächst  nur  in  Knochensarkomen  —  myelogenen  oder  periostalen 
—  fand,  so  nahm  man  keinen  Anstand,  sie  als  Knochenmarksriesenzellen 
anzusehen  und  auch  noch  jetzt  wird  in  den  Lehrbüchern  fast  ausschliess- 
lich angegeben,  dass  Riesenzellen  nur  in  Knochensarkomen  vorkommen, 
nur  Thema   (6)    bemerkt   gelegentlich,   dass    auch   in   Mammasarkomen 
Riesenzellen  beobachtet  werden,  ohne  sich  jedoch  über  die  Bedeutung  der 
Zellen  in  diesen  Tumoren  irgendwie  auszusprechen.     Wohl  beeinflusst  durch 
Ziegler,   der  zuerst  sämtliche  Riesenzellen  von  dem  Gesichtspunkt  der 
Fremdkörperwirkung  aus   betrachtete,    hat  Stroebe  (5)    gelegentlich  die 
Bemerkung  gemacht,   dass  das  Auftreten  von  Riesenzellen  in  bösartigen 
Geschwülsten    auf    eine    Fremdkörperwirkung    bezogen    werden    könnte. 
Bestimmter  ist  diese  Auffassung  dann  von  Krückmann  (2)  entwickelt 
worden,    welcher  2  Fälle  von  Riesenzellenbildung  in  Sarkomen  beschrieb, 
und  hierbei  zu  der  Meinung  kam,   dass  die  Riesenzellenbildung  nicht  zu 
dem  Wesen  der  Geschwulst  gehörte,   sondern   ein  lediglich  zufälliges  At- 
tribut derselben  bildete  und  auf  Fremdkörperwirkung  zurückzuführen  war. 
In  dem  ersten  Falle  —  einem  Riesenzellensarkom  der  Scliilddrüse  —  wird 
diese  Auffassung  begründet  1.  dadurch,  dass  die  unvermittelt  im  Tumor 
auftretenden  Riesenzellen   nicht  diffus,   sondern   auf   wenige  Stellen   der 
Geschwulst   beschränkt   liegen,    2.    dass   sie    vorwiegend   den  Typus   der 
Riesenzellen  mit  wandständigen  Kernen  zeigen  und  3.  fast  ausscliliesshch 
in  der   Nähe   von   Pigmenthaufen    liegen    und   selbst    Blutpigment    und 
Glykogenschollen  enthalten.     Im  2.  Falle  —  einem  sarkomatösen  Tumor 
der    Halsgegend    mit     ausgedehnter    hyalin  -  amyloider  Degeneration   — 
hatten    sich    die    Riesenzellen    f«ist    ausnahmslos    um    die  hyalinen  und 
amyloiden  Schollen  gebildet,  denen  sie  kappenförmig  aufsassen;  auch  ent- 
luelteu  sie  vielfach  in  ihrem  Protoplasma  amyloide  Stränge  und  Kugeln,  so 
dass  es  am  wahrscheinUchsten  erscheint,  die  Riesenzellen  als  Fremdkörper- 
riesenzellen aufzufassen,  die  sich  deshalb  bildeten,  weil  das  zu  resorbierende 
Material   sich   als   eine   äusserst   widerstandsfähige,    unverdauliche    Masse 
erwies.  —  Wenn  auch  diese  Fälle  zunächst  Ausnalimen  sind,  so   bringen 
sie  doch  den  prinzipiell  wichtigen  Nachweis ,  dass  auch  in  Sarkomen  das 
Auftreten  von  Riesenzellen  ein  mehr  zufälliges,  nicht  zum  Wesen  der  Neu- 
bildung gehöriges  Ereignis  sein  kann.     Aber,  wie  Krückmann  bereits 
angedeutet,  bin  ich  geneigt,  auch  für  andere  Fälle  die  Auffassung  zu  ver- 


366  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

treten,  dass  alle  diejenigen  Geschwulstzellen  sich  zu  Riesenzellen  um- 
wandeln können,  denen  schwer  resorbierbare  Substanzen  zugeführt  werden; 
so  dass  zwar  eine  rasch  aufeinanderfolgende  Teilung  der  Kerne,  aber  keine 
Protoplasmateilung  eintritt.  Man  würde  dadurch  das  so  häufige  Vor- 
kommen von  mehrkernigen  und  Riesenzellen  in  Sarkomen  der  verscliie- 
densten  Organe  erklären  können,  wie  auch  A  r nold  (1)  schon  beobachtet  hatte. 
Trotzdem  ist  in  der  Beurteilung  des  Vorkommens  von  ausgesprochenen 
Riesenzellensarkomen  an  ungewöhnlichen  Orten  Vorsicht  geboten  und  vor 
allem  auf  den  Typus  der  Riesenzellen  grosses  Gewicht  zu  legen.  Wenn  z.  B. 
Miura  (4)  ein  primäres  Riesenzellensarkom  der  Aorta  thoracica  beschreibt 
mit  zahlreichen  Knochenmarkriesenzellen  in  einem  Falle,  wo  auch  Tu- 
moren im  Femurkopf  und  4.  Lendenwirbel  vorhanden  waren,  so  ist  es 
doch*  bei  weitem  das  wahrscheinUchste ,  dass  es  sich  um  einen  metasta- 
tischen Tumor  der  Aorta  nach  primärem  Knochensarkom  handelte.  — 
Was  die  Entstehung  und  Bildung  der  Riesenzellen  anbetrifft,  so  hat  schon 
Arnold  angegeben,  dass  die  mehrkernigen  Zellen  sich  durch  Teilung  des 
einfachen  Kernes  einer  Zelle  sowohl  nach  dem  Modus  der  indirekten  Seg- 
mentierung, als  dem  der  indirekten  Fragmentierung  bilden;  doch  lassen 
sich  auch  am  Protoplasma  randständige  und  endogene  Abfurchungen 
nachweisen.  Stroebe  hat  diese  Beobachtungen  bestätigt,  aber  auch  in 
einigen  Fällen  von  Knochensarkomen  feststellen  können,  dass  ein  Teil  der 
Riesenzellen  durch  typische  mitotische  Karyokinese  entsteht;  und  auch 
Klebs  giebt  an,  in  den  Riesenzellen  von  Knochensarkomen  Mitosen  ge- 
funden zu  haben,  denen  er  wegen  ihrer  Grösse  den  Namen  der  Ries^^n- 
mitosen  gegeben  hat.  Wenn  Stroebe  meint,  dass  ein  Teil  der  Riesen- 
zellen auch  durch  Zusammenfliessen  von  Geschwulstzellen  entsteht,  so 
scheinen  mir  seine  diesbezüglichen  Beobachtungen  und  Abbildungen  zum 
mindesten  nicht  völlig  beweisend,  da  die  vielkernigen,  mit  zahlreichen 
langgestreckten  Fortsätzen  versehenen  Protoplasmamassen  immerhin  eben 
fertige  Riesenzellen  sind  und  die  Fortsätze  durch  aktive  Bewegung  der 
Zellen  entstanden  sein  können.  Dagegen  glaube  ich  mit  Stroebe,  dass 
ein  Umbildung  von  Kapillaren  in  Riesenzellen  vorkommt.  Manz  (3),  der 
2  Riesenzellensarkome  der  Brustdrüse  untersuchte,  nimmt  eine  doppelte 
Entstehung  der  Riesenzellen  an;  ein  Teil  derselben  entsteht  aus  wuchern- 
den Elementen  dul-ch  vermehrte  Kernteilung,  ein  anderer  aus  degenerieren- 
dem Tumorgewebe  durch  Konfluenz  des  Protoplasmas  absterbender  Zellen. 

2.  Angiosarkome  (Myxosarkome,  Cylindrome,  Endotheliome,  Psammome). 

Litteratur. 

1.   Battaglia,  Ricerche  microscopiche  sul  un  tumor  cerebrale,  contribazione  al  studio 
del  cilindroma.    Giomale  iotemazionale  delle  scienze  mediche.  1890.  S.  18. 


OeschwOlste,  Sarkom.  367 

"L  Branu,  Über  die  Endotheliome  der  Haut.    Arch.  f.  klin.  Chirurg.  Bd.  43.  1892.  S.  196. 

3.  Braanschweig,   Die   primären  Geschwülste   des  SehDorvens.     Arch.   f.  Ophthalm. 
Bd.  39.  Heft  4.  S.  1. 

4.  Carter,  A  case  of  cylindroma  of  brain.    Joum.  of  pathol.  and  bacteriol.  Bd.  I.  8.384. 
0.  Driessen,   Untersach angen  Aber  glykogenreiche  £ndotheliome.    Zieglers  Beiträge. 

Bd.  12.  S.  65. 

6.  Eckardt,  Über   endotheliale  Eierstockstumoren.     Zeitschr.  f.  Geburtshilfe  u.  Gynäk. 
Bd.  XVI.  Heft  2. 

7.  Ernst,  Über  Psammome.    Zieglers  Beitr.  Bd.  XI.  234. 

8.  Franke  1,  A.,  Über  primären  Endothelkrebs  der  Pleura.    Verhandl.  des  XI.  Kongr.  f. 
innere  Med.  Wiesbaden  1892. 

9.  Franke,  Beiträge  zur  Geschwulstlehre.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  121.    S.  444. 

10.  V.  Hippel,   Beitrag  zur  Kasuistik  der  Angiosarkome.    Ziegi.  Beitr.  Bd.  14.  S.  370. 

11.  Kleb 8,  £.,  Handbuch  d.  allgem.  Pathol.  Bd.  II.    Kap.  Endotheliom.    S.  624. 

12.  Lubarsch,  Über  die    Geschwulstbezeichnung  .Cylindrom*.    Virch.  Arch.   Bd.   122. 
S.  573. 

13.  Derselbe,  Beiträge   zur  Histologie    der  von  versprengten  Nebennierenkeimen   aus- 
gehenden Nierengeschwülste.    Virch.  Arch.  Bd.  135.  S.  149. 

U.  Lücken,  Über  Angiosarkom.    Deutsche  med.  Wochenschr.  Bd.  XVII.  Nr.  40. 

15  Marchand,   Über   ein    Endotheliom  mit   hyalinen    Kugeln  (Cylindrom)   des   antrum 
Highmori.    Ziegl.  Beitr.  Bd.  XIII.  S.  477. 

15a.  Neelsen,   Untersuchungen  über  den  Endothelkrebs.    Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med. 
1882.  Bd.  31.  S.  375. 

16  V.  Ohlen,   Beitrag  zur  Kenntnis    der  Parotisgeschwülste  (Cylindroma  und  Chondro- 
myxoma  endotheliale).    Ziegl.  Beitr.  Bd.  XIII.  S.  450, 

17.  Pal  tauf,  R.,  Über  Geschwülste  der  Glandula  carotioa  etc.    Ziegl.  Beitr.   Bd.  XI. 
S.  260. 

18.  De  Paoli,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  primären  Angiosarkome  der  Niere.    Ziegl.  Beitr. 
Bd.  Vni.  S.  140. 

19.  Saltzmann,  Studien  über  das  Myxosarkom  des  Sehnerven.     Arch.  f.  Ophthalmoi. 
Bd.  39.  IV.  S.  94. 

20.  Salz  er,  Über  ein  primäres  tubulöses  Angiosarkom  des  Sehnerven.    Arch.  f.  Ophtalmol. 
Bd.  38.  3.  S.  32. 

*21.  Siegert,    Zur  Histiogenese  des  primären  Lungenkrebses.     Virch.    Arch.    Bd.   134. 
S.  287. 

Der  von  Kolaczek  auf  Waldeyers  Veranlassung  eingeführte  BegrifE  der 
Angiosarkome  ist  in  neuerer  Zeit  vielfach  der  Gegenstand  kritischer  Erörte- 
rung gewesen.  Schon  Golgi  hatte  dafür  den  Namen  „Endotheliom''  ganz  all- 
gemein einführen  wollen  und  auch  Franke  (9)  hat  bei  Besprechung  eines 
sogenannten  Cylindroma  der  Speicheldrüse  sich  gegen  die  Bezeichnung  „An- 
giosarkom" gewendet  und  den  Namen  Endothelioraa  intravasculare  vor- 
geschlagen, da  die  Geschwulst  stete  von  den  Endothelien  ausginge.  Auch 
Marchand  und  Eckardt  (6)  hatten  bereits  vorher  für  eine  bestimmte 
Gruppe  von  Eierstocksgeschwülsten  den  Namen  „Angiosarkom"  abgelehnt 
und  dafür  die  Bezeichnimg  Endothelioma  intravasculare  bezw.  lymphati- 
cum  vorgeschlagen.  Lücken  (14)  dagegen  betont,  dass  ein  Teil  der  in 
Frage  stehenden  Neubildungen  auch  von  den  Adveutitiazellen,  dem  Peri- 
thel, ausginge,  und  daher  die  Bezeichnung  Angiosarkom  durchaus  gerecht- 


368  Al]gezn.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

fertigt  wäre;  beteiligen  sich  aber  auch  die  Endothehen  der  Blutgefässe  an 
der  Neubildung,  so  empfehle  sich  die  von  Bizozzero  vorgeschlagene  Be- 
nennung Angiüsarkoma  endothelioides.  v.  Hippel  (10)  geht  seinerseits  wieder 
so  weit,  die  Bezeichnung  Endotheliom  zu  beanstanden;  er  will  das  Endo- 
theliom  unter  dem  allgemeinen  Begriff  des  Angiosarkoms  rubrizieren  und 
dann  zwei  Arten  von  Angiosarkomen  unterscheiden:  1.  das  Hämangiosar- 
kom,  welches  von  den  Blutgefässwandungen  und  zwar  fast  regelmässig 
den  Adventitiftzellen  ausgeht  und  2.  das  Lymphangiosarkom,  bei  dem  die 
Geschwulstzellen  von  den  Endothelien  der  Lymphgefässe  und  Saftbahnen 
abstammen  sollen.  —  Letztere  Ansicht  halte  ich  nicht  für  haltbar;  wenn 
man  auch  durchaus  zugeben  kann,  dass  der  Begriff  des  Angiosarkoms 
aufrecht  erhalten  werden  muss,  so  ist  es  zu  weit  gegangen,  das  Endothe- 
liom nur  als  Unterabteilung  der  Angiosarkome  gelten  lassen  zu  wollen. 
Denn  es  giebt,  wie  namentUch  Klebs  (11),  aber  auch  Braun  (2)  ausge- 
führt haben,  Endotheliome,  die  nicht  als  Sarkome  angesehen  werden  dürfen. 
Klebs  spricht  geradezu  von  Endothelio-Fibromen.  Andererseits  ist  es 
durchaus  richtig,  dass  es  Angiosarkome  giebt,  bei  denen  nicht  die  Endothel- 
zellen,  sondern  die  Perithelien  die  wuchernden  Elemente  bilden,  wie  man 
andererseits  auch  solche  finden  kann,  bei  denen  sowohl  Perithelien,  wie 
Endothelien  —  letztere  allerdings  weit  geringfügiger  —  proliferieren.  Man 
kann  deswegen  wohl  dem  Vorschlag  v.  Hippels  zustimmen  und  die  An- 
giosarkome in  Häm-  und  Lymphangiosarkome  einteilen,  muss  aber  daneben 
die  Endotheliome  als  nicht  sarkomatöse  Geschwülste  bestehen  lassen.  Man 
würde  dann  zu  einer  befriedigenden  Einteilung  gelangen,  wenn  man  unter 
Berücksichtigung  der  endotheUalen  Sarkome  die  Angiosarkome  einteilte  in 

I.  Hämangiosarkome 

a)  intravaskulare   (endothehoides)   entsprechend    dem    Endothelioma 
vasculare  Ackermanns  und  anderer  Autoren. 

b)  perivaskuläre. 

II.  Lymphangiosarkome  entsprechend  dem  Endothelioma  lymphaticum 
und  daneben  noch  den  Ausdruck  „EndotheUome"  für  die  endothelialen, 
nachweisbar  nicht  sarkomatösen  Geschwülste  reservierte.  Als  charakte- 
ristische Merkmale  würde  man  für  die  Hämangiosarkome  dann  angeben 
müssen  1.  den  Reichtum  an  Blutgefässen,  2.  das  Auftreten  von  imi  die 
Blutgefässe  angeordneten  und  in  ihrer  Anordnung  durch  den  Verlauf  der 
Blutgefässe  bestimmten  Zellzügen  mit  spärlicher  Intracellularsubstanz.  Da 
an  den  Gefässwänden  der  Angiosarkome  wohl  ausnahmlos  schleimige  oder 
hyaline  Entartung  eintritt,  welche  sich  auch  noch  weiter  auf  andere  binde- 
gewebige Teile  erstrecken  kann,  so  liefern  die  Angiosarkome  naturgemäss 
ein  grosses  Kontingent  zu  der  Klasse   der  Myxosarkome  und  Cylin- 


Geschwülste,  Sarkom.  369 

drome.     Freilich  sind  durchaus  nicht  alle  Myxosarkome  Angiosarkome 
indem,  wie  das  schon  bei   der  Besprechung  der  Myxome  hervorgehoben 
wurde,  in  jeder  bindegewebigen  Neubildung  durch  Cirkulationsstörungen, 
insbesondere  ödematöse  Durchtränkung,  eine  Umwandlung  von  Bindegewebe 
in  Schleimgewebe  stattfinden  kann.   Unter  den  Myxoangiosarkomen  haben 
in  neuerer  Zeit  die  plexiformen  Geschwülste  der  Sehnerven  grösseres  Inter- 
esse in  Anspruch   genommen,  die  namentlich  Braunschweig  (3)  einer 
monographischen  Bearbeitung  entworfen  hat.   Ganz  allgemein  von  Braun- 
schweig, Salzmann  (19)  und  Salzer  (20)  wird  hervorgehoben,  dass  die 
in  Frage  stehenden  Neubildungen  nur  bei  Kindern  oder  Personen  unter 
20  Jahren  vorkommen.    Braunschweig  hält  die  Krankheitsanlage   für, 
wenn  nicht  stets,  so  doch  häufig  embryonal.     Salz  er  hebt  sogar  hervor, 
dass  die  Tumoren   ausschliessUch   im  Kindesalter  vorkommen   und   nicht 
selten  kongenital  sind,  von  Heredität  war  jedoch  nichts  nachweisbar.    In 
anatomischer  Beziehung    bezeichnet   Salz  er   die  Geschwülste    als    tubu- 
löse  Angiosarkome,    welche   von   Blut-   oder   Lymphgefässen    ihren  Aus- 
gang nehmen,  häufiger  von  ersteren;  wobei  übrigens  die  Perithelien  in 
erster  Linie  als  wuchernde  Elemente  in  Betracht  kommen.   Auch  Braun- 
schweig' deutet  das  an,  wenn  er  die  Tumoren  als  Myxosarkome,,  seltner 
endotheliale  Geschwülste  bezeichnet.   Regelmässig  sind  an  den  Zellcylindern 
und  Gefässwandungen   Degenerationserscheinungen    nachweisbar,  welche 
bald  als  myxomatöse,  bald  als  hyaline  bezeichnet  werden.  In  dieser  Beziehung 
nähern  sich  die  Tumoren  bereits  den  unter  dem  Namen  „Cylindrome'* 
zusaramengefassten   Neubildungen ,    welche    überhaupt   nicht   durch   eine 
scharfe  Grenze  von  den  Myxosarkomen  getrennt  werden  können.   Sie  sind 
bekanntlich  besonders  häufig  in  den  Speicheldrüsen,  aber  auch  in  anderen 
Organen  im  Gehirn  [Battaglia  (1),  Carter  (4)]  der  Highmorshöhle 
Marchand  (15)]  etc.  beobachtet  worden  und  auch  die  von  Paltauf  (17) 
beschriebenen  Tumoren  der  Glandula  carotica  stehen  ihnen  zum  mindesten 
nahe.  Während  Franke  noch  den  Versuch  macht ,  die  Bezeichnung  CyUn- 
Jrom  nur  für  eine  besondere  Geschwuistgattung  zu  reservieren,  die  er  als 
EudotheUoma  intravasculare  hyalogenes   charakterisiert,   ist  von  den  ver- 
schiedensten Seiten,  wie  schon  früher  von  Virchow,  die  Ansicht  verfochten 
worden,  dass  unter  dem  Namen  Cylindrom  verschiedenartige  Neubildungen 
zusammengefasst  worden  sind;  Ziegler  (Lehrbuch)  hat  deswegen  geradezu 
eine  Trennung  vorgenommen,   indem  er   von  einem  Sarcoma  und  Carci- 
noma cyUndromatosum  spricht.  Am  schärfsten  hat  sich  wohl  Lubarsch  (12) 
dagegen  ausgesprochen,  unter  Cylindromen  eine  einheitliche  Geschwulst- 
gattung aufstellen  zu  wollen,  wenn  er  ausführt,  dass  für  die  Aufstellung 
des  Cylindrombegriffs  das  Vorhandensein  kugeliger  und  verzweigter  hya- 
liner Bildungen  massgebend  gewesen  ist,  so  dass  vielfach  durchbrochene 

Lnbarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteilung  II.  24 


370  Allgem.  patho].  Morphologie  und  Physiologie 

(plexiform  angeordnete)  Zellzüge  entstehen.  Er  betont  dann,  dass  derartige 
hyaline  Veränderungen  des  Geschwulststromas  und  Parenchyms  sowohl  in 
Sarkomen,  wie  Carcinomen  und  Endotheliomen  vorkommen  imd  schlägt 
deswegen  vor,  nicht  mehr  von  Cyündromen  schlechthin,  sondern  von  Sar- 
coma,  Carcinoma,  Endothelioma  cylindromatosum  zu  sprechen.  Freilieh 
darf  man  nicht  mit  Klebs  der  Meinung  sein,  dass  hyaline  Bildungen  nur 
in  Tumoren  parablastischer  Abstammung  auftreten  können.  Sicher  ist  es 
auch,  dass  die  glänzenden  Schollen,  Kugeln  und  verzweigten  Cylinder. 
welche  den  cylindromatösen  Tumoren  ihr  charakteristisches  Aussehen  ver- 
leihen, nicht  nur  auf  hyaline  Entartung  zurückzuführen  sind,  sondern  z.  T. 
aus  echtem  Schleimgewebe  bestehen,  wie  das  auch  aus  den  Fällen  von 
ßattaglia  und  Carter,  besonders  aber  den  Ausführungen  von  Ohlens  (IG) 
hervorgeht,  der  einen  Teil  seiner  Tumoren  geradezu  als  Chondromyxoma 
endotheliale  bezeichnet  und  die  Entstehung  der  Zellschläuche  aus  knorp- 
liger und  schleimiger  Grundsubstanz  nachweisen  konnte.  Bezüglich  der 
Entstehung  der  hyaUnen  Bildungen  kommt  v.  0hl en  zu  dem  Ergebnis, 
dass  2  verschiedene  Entstehungsweisen  zu  unterscheiden  sind:  1.  eine  intra- 
celluläre,  wobei  die  hyaline  Substanz  in  Vakuolen  der  Zelle  abgelagert 
wird ,  und  2.  eine  Ausscheidung  hyaliner  Substanz  aus  den  Zellen  in  noch 
tehende  oder  erst  durch  die  Ausscheidung  hervorgerufene  feine  Kanälchen. 
Auch  Marchand  (15)  vertritt  ähnliche  Ansichten.  Er  konnte  in  einem 
Tumor  der  Ilighniorshöhle  in  runden  und  länglichen  Räumen  hyaline 
Kugeln  und  Blasen  finden,  von  denen  er  erstere  sicher  als  Zellprodukte  an- 
sieht; die  Blasen  stammten  zwar  teilweise  wohl  auch  von  den  Gesch^Tilst- 
zellen  ab,  da  sich  Cbergangsbilder  von  vergrösserten  Zellen  bis  zu  den 
hyahnen  Blasen  nachweisen  liessen,  doch  glaubt  Marchand,  dass  ein 
Teil  der  Blasen  auch  von  den  hyalin  und  schleimig  gequollenen  Teilen 
des  Stromas  ausgeht.  Die  Fälle  von  de  Paoli  (18)  zeigen  zum  Teil  eine 
gleiche  Entstehungsweise  der  glänzenden  Bildungen,  wie  v.  Ohien  und 
Marcliand  angeben,  doch  hat  hierLubarsch  (13),  welcher  auch  die  Tu- 
moren de  Paolis  als  hypernephroide  Geschwülste  angesehen  wissen  \\ill, 
auf  die  Möglichkeit  hingewiesen,  dass  es  sich  um  Glykogen  gehandelt  habe. 
In  Driessens  (5)  Fällen  von  glykogenreichen  Endotheliomen  des  Knochens 
und  der  Niere  ist  das  sicher  der  Fall,  doch  können  diese  Neubildungen 
nach  ihrem  ganzen  Bau  nicht  zu  den  eigentlichen  Cylindromen  gestellt 
werden.  Jedenfalls  ist  es  durch  die  neueren  Untersuchungen  wohl  sicher 
gestellt,  dass  1.  die  Cylindrome  nicht  einheitlicher  Entstehung  sind,  2.  die 
hyalinen  Schollen  und  Cylinder  sich  in  verschiedener  Weise  bilden  können*). 


1)  Ich  habe  das  (dieser  Band  S.  211)  dahin  formuliert,  dass  das  in  den  Cylindromen 
vorkommende  Hyalin  1.  ein  sekretorisch,  bezw.  degenerativ  intracellulär  gebildetes,  2.  ein 
extracclluhir  entstandenes  Koagulationshyalin  ist. 


Geschwülste.  Sarkom.  371 

Im  besonderen  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  die  Thatsache, 
«iass  wohl  alle  Angiosarkome  und  Endotheliome  den  Beginn  einer  hyalinen 
Entartung  aufweisen,  für  die  Theorie  der  hyalinen  Degeneration  von  Wichtig- 
keit ist  imd  wie  die  von  mir  gefundene  Thatsache,  dass  nicht  selten  in 
den  Cylindromen  auch  amyloide  Degeneration  auftritt,  eine  gute  Illustration 
für  den  Satz  von  Recklinghausens  bildet,  dass  zwischen  schleimiger, 
hyaliner  und  amyloider  Entartung  scharfe  Grenzen  nicht  bestehen.  (Vergl. 
hierüber  diesen  Band  S.  218,  219).  Mehrfach  wurde  auch  erörtert,  ob  die 
Endotheliome  und  Cylindrome  als  wirklich  bösartige  Neubildungen  ange- 
sehen werden  dürfen.  Aus  dem  vorher  Ausgeführten  geht  schon  hervor, 
«Icoss  eine  allgemeine  Beantwortung  dieser  Frage  nicht  möglich  ist,  aber 
ich  glaube  auch  kaum,  dass  sie  für  diese  Geschwülste  eines  einzelnen  Or- 
gaus allgemein  beantwortet  werden  kann.  Carter  hat  z.  B.  die  Cylindrome 
des  Gehirns  für  gutartig  erklärt,  während  ihnen  Battaglia  gerade  den 
Namen  Angiomyxosarkome  beilegt.  Nur  das  kann  man  im  allgemeinen 
als  sicher  hinstellen,  dass  die  überwiegende  Anzahl  der  in  Frage  stehenden 
Neubildungen  verhältnismässig  langsam  wächst  und  dass  sie  im  ganzen 
keine  Neigung  zur  Metastasenbildung  zeigen.  Das  gilt  sowohl  für  die  Ge- 
schwülste mit  ausgesprochener  CyUndromstruktur,  wie  für  die  eigentlichen 
Endotheliome.  Braun  (2)  hat  deswegen  zur  kHnischen  Differentialdiagnose 
zwischen  Carcinomen  und  Endotheliomen  der  Haut  gerade  hervorgehoben, 
dass  letztere  langsam  wachsen,  zwar  regionäre  Recidive  aufweisen,  aber 
Lymphdrüsen  und  weitere  Metastasen  nur  ganz  ausnahmsweise  hervor- 
bringen. Das  gilt  entschieden  auch  für  die  Myxoangiosarkome  und  Cylin- 
drome der  Speicheldrüsen,  von  denen  Metastasen  kaum  jemals  bekannt 
geworden  sind.  Doch  habe  ich  wenigstens  Lymphdrüsenmetastasen  bei 
verschiedenen  Cylindromen  beobachtet. 

In  gewisser  Beziehung  schliessen  sich  die  Psammome  den  Cylin- 
dromen direkt  an.  Auch  deswegen,  weil  die  Bezeichnung  der  Geschwulst 
von  einem  mehr  zufälligen  Attribut  herrührt  und  man  streng  genommen 
Psammofibrome,  Psammogliome,  Psammosarkome,  -Ade- 
nome und  -Carcinome  unterscheiden  müsste,  wie  das  z.  B.  auch 
Thoma  teilweise  thut.  Weiter  besteht  auch  darin  eine  grosse  Almlich- 
keit  mit  Cylindromen,  dass  wenigstens  der  grösste  Teil  der  als  Psam- 
mome bezeichneten  Neubildungen  in  das  Gebiet  der  Angiosarkome  und 
-Fibrome  hineingehört  und  der  Bildung  der  geschichteten  Kalkkonkre- 
mente eine  hyaline  Entartung  von  (iefässwänden  und  Geschwulstzellen 
vorausgeht.  Ernst  (7)  hat  das  ja  in  neuerer  Zeit  besonders  für  die  eigent- 
lichen Psammome  des  Dura  mater  wieder  mit  Hilfe  der  van  Gieson- 
«lien  Färbung  sehr  deutlich  nachgewiesen.  Während  in  seinen  Fällen 
die  Bildung  der  Psammomkugeln  durch  hyaline  Umwandlung  von  Gefäss- 

24* 


372  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Wandungen  bei  weitem  überwog,  tritt  dagegen  in  den  Cystopsammoade- 
nomen  und  -Carcinomen  der  weiblichen  Geschlechtsorgane  mehr  die  Bil- 
dung aus  absterbenden  epithelialen  Zellen  (Marchand,  Flaischlen, 
Pfannenstiel  ni.  a.)  oder  aus  hyalinen,  aus  den  Zellen  ausgeschiedenen 
Kugeln  und  Klumpen  (Bizozzero,  Lubarsch)  inden  Vordergrund. 

Eine  besondere  Stellung  nehmen  endlich  unter  den  Endotheliomeü 
die  Neubildungen  ein,  welche  von  E.  Wagner,  A.  Thierfelder  und 
Neelsen  u.  a.  als  Endothelkrebse  beschrieben  worden  sind.  Wenn  auch 
die  Bezeichnung  Endothelkrebs  keine  glückliche  ist,  da  wir  unter  Krebsen 
bekanntlich  jetzt  nur  epitheliale  Neubildungen  verstehen,  ist  es  doch  nicht 
erlaubt  die  z.  T.  sehr  sorgfältigen  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand 
ganz  zu  ignorieren  oder  zu  bezweifeln,  wie  das  mehrfach  geschehen  ist 
Auch  Orth  nimmt  in  seinem  Lehrbuch  (Bd.  1,  S.  278,  571,  486)  eine 
etwas  skeptische  Stellung  dazu  ein,  wenn  er  die  Frage  des  Endothelkrebses 
für  noch  nicht  genügend  geklärt  ansieht  und  mehrfach  bemerkt,  dass 
manches  echte  Carcinom  als  Endothelkrebs  bezeichnet  sein  mag.  Freilich 
ist  ein  gewisser  Scepticismus  deswegen  berechtigt,  weil  eine  verhältnis- 
mässig grosse  Anzahl  von  Fällen  aus  Rostock  berichtet  sind,  wo  leider 
die  Sektionen  nicht  immer  vollständig  gemacht  werden  können  und  auch 
z.  T.  in  den  beschriebenen  Fällen  nicht  vollständig  gemacht  wurden. 
Sicherlich  ist  eine  besondere  Vorsicht  in  solchen  Fällen  angebracht,  wo 
nicht  nur  diffuse  Verdickungen  der  serösen  Häute  vorliegen,  sondern  echte 
knotenförmige  Neubildungen  in  den  serösen  Häuten,  Lunge  und  Leber 
erscheinen,  deren  histologische  Struktur  mit  Cylinderepithelkrebsen  fast 
vollständig  übereinstimmen  kann.  In  solchen  Fällen  wird  es  vor  allem 
durchaus  nötig  sein  durch  die  genaueste  und  vollständigste  Sektion  das 
Vorhandensein  eines  echten  primären  Epithelkrebses  auszuschliessen. 
Denn  die  histologischen  Unterschiede,  welche  vielfach  betont  werden,  sind 
nicht  immer  evident.  Handelt  es  sich  allerdings  um  Fälle,  wie  A.  Fran- 
ke 1  (8)  neuerdings  einen  beschrieben  hat,  so  liegen  die  Verhältnisse  recht 
einfach  und  deutlich.  Hier  bestanden  nun  derbschwartige,  milch  weisse 
Verdickungen  und  netzartige  Vertiefungen  der  beiden  Pleurablätter,  nirgends 
Knoten-  oder  Knollenbildungen.  Auch  liess  sich  mikroskopisch  aufs 
deutlichste  demonstrieren,  dass  die  Endothelien  der  Lymphspalt^n  zu 
grossen  polymorphen  Zellen  umgewandelt  waren,  welche  in  Strängen 
z.  T.  krebsalveolenartig  angeordnet  waren.  Keinem  Zweifel  unterliegt  es 
auch,  dass  differentialdiagnostisch  gegenüber  dem  Carcinom  der  Nachweis 
von  Wichtigkeit  ist,  dass  die  LymphgefässendotheUen  völlig  in  die  Ge- 
schwulstwucherung aufgehen,  während  bei  einem  sich  in  den  Ljrmph- 
spalten  weiterverbreitenden  Carcinom  daneben  die  LymphgefässendotheUen 
ei'halten   sind,   komprimiert,   allenfalls   auch    hydropisch  gequollen,    aber 


Geschwülste,  Sarkom.  373 

üicht  gewuchert  erscheinen,  wie  das  schon  von  Neelsen  (15a)  eingehend 
auseinander  gesetzt  ist  und  neuerdings  auch  von  Siegert  (21)  für  die 
Lymphangitis  carcinomatosa  der  Pleura  und  Lungen  betont  wird.  Aber 
es  giebt  eben  Fälle,  wo  diese  difEerential  diagnostischen  Merkmale  nur 
mit  den  grössten  Schwierigkeiten  nachgewiesen  werden  können  oder  sogar 
infolge  völligen  Zugrundegehens  der  Lymphgefässendothehen  bei  vorge- 
schrittenen Krebsen  ganz  in  Stich  lassen.  Es  genügt  hier  wohl  der  Hin- 
weis, dass  selbst  bei  Anwendung  der  Versilberungsmethode  einem  Unter- 
sucher wie  Koste  r  bei  primären  Carcinomen  Bilder  zu  Gesicht  kamen, 
die  ihn  zur  Aufstellung  der  bekannten  Ansicht  über  die  Abstammung  der 
Krebsepithelien  von  Lymphgefässendothehen  veranlassten.  Deswegen  wird 
es  immer  von  eminenter  Wichtigkeit  sein,  neben  der  histologischen  Unter- 
suchung die  grob-anatomische  Untersuchung  mit  besonderer  Genauigkeit  vor- 
zunehmen. Ich  verfüge  nun  unter  Anwendung  dieser  Kautelen  über  3  Fälle, 
welche  durchaus  nicht  anders,  wie  als  primäre  Endothelkrebse  angesehen  wer- 
den dürfen.  Der  eine  ein  Endothelkrebs  der  Pleura  und  Lunge  mit  Metastasen 
m  der  Leber  (S.  N.  32,  1891/92),  der  zweite  Fall  ein  primärer  Endothel- 
krebs des  Peritoneum  mit  Metastasen  in  den  retroperitonealen  Lymph- 
knoten (S.  N.  76,  1892/93)  und  der  dritte  Fall  ein  primärer  Endothelkrebs 
des  peribronchialen  Gewebes  ohne  stärkere  Beteiligung  der  gesamten  Pleura 
(S.  N.  98,  1894/95).  In  zweien  dieser  Fälle  wurde  nicht  nur  die  Sektion  in 
vollständigster  Weise  gemacht,  sondern  auch  solche  Stellen  des  Körpers 
auf  primäre  Carcinome  untersucht  (Nasenhöhle,  Stirnhöhlen  und  Highmors- 
höhle), die  nach  Sitz  und  Ausbreitung  der  Tumoren  kaum  als  primäre 
Krebse  in  Betracht  kommen  konnten.  In  allen  Fällen  waren  wohl  hier 
und  da  Stellen  zu  finden,  wo  kaum  eine  Verwechselung  mit  Carcinomen 
möglich  war;  besonders  gilt  das  von  dem  Endothelkrebs  des  Peritoneum, 
in  dem  auch  vorwiegend  diffuse  retrahierende  Verdickungen  und  nur  wenige 
Knoten  vorhanden  waren.  Dagegen  wiesen  die  Lebermetastasen  des  Pleura- 
endothels die  allergrösste  Ähnhchkeit  mit  Carcinomknoten  auf,  besonders 
dadurch,  dass  liier  die  Zellen  teilweise  geradezu  wie  hohe  Cylinderepithelien 
aussahen,  und  es  in  der  Leber  bekanntlich  schon  normalerweise  schwer 
genug  ist  die  Lymphgefässendothehen  nachzuweisen.  Am  eigenartigsten 
war  aber  der  dritte  Fall,  der  auch  in  seinen  klinischen  Symptomen 
mit  den  Endothelkrebsen  der  Pleura  übereinstimmte.  Thatsächlich  bestan- 
den auch  ausgedehnte  schwartenartige  Verdickungen  der  Pleura,  die  aber 
glatt  waren,  und  zwar  hier  und  da  Schwellung  und  geringe  Wucherung 
der  LympfgefässendotheUen,  nirgends  aber  die  deutlichen  Bilder  des  Eudo- 
thelkrebses  erkennen  Hessen ;  dagegen  befand  sich  dicht  am  Hilus,  um  einem 
grösseren  Bronchus  herum,  eine  fast  knotenförmige  weissliehe  Tumormasse, 
die  allerdings  an  emer  Stelle  den  Bronchus  geradezu  ringförmig  umgab. 


374  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Hier  fanden  sieli  mikroskopisch  die  deutlichsten  Bilder  des  Endothelkrebses. 
die  auch  noch  weiter  im  Unterlappen  an  zahlreichen  Lymphgefässen,  aller- 
dings weniger  deutlich  auffielen  und  auch  teilweise  in  Form  von  gelbhcheii 
Streifen  schon  makroskopisch  sichtbar  waren.  Es  handelte  sich  hier  um 
eine  seltenere  Form  des  Endothelkrebses  der  Lunge,  wo  die  Wucherung  am 
stärksten  die  gröberen  peribronchialen  Lymphgefässe  befallen  hatte,  während 
man  sonst,  wie  auch  Siegert  angiebt,  entweder  die  oberflächlichen  pleuralen 
Lymphbahnen  oder  die  inneren  pulmonalen  ergriffen  sieht.  —  Lnmer  aber  han- 
delt es  sich  —  und  das  stimmt  auch  für  unsere  Fälle  —  um  eine  Erkrankung 
des  Lymphgefässsystems,  so  dass  man  eigentlich  nicht  von  Metastasen  reden 
dürfte,  sondern  von  einer  diffusen  Ausbreitung  oder  Generalisation,  die  aber 
selbstverständlich  auch  verschiedene  Dimensionen  annehmen*  kann.  Freilich 
halte  ich  es  deswegen  noch  nicht  für  erlaubt  mit  Ne eisen  und  Fränkel 
den  Prozess  ohne  weiteres  als  einen  chronisch  entzündUchen  oder  gar  infek- 
tiösen (Ne  eisen)  aufzufassen,  wenn  ja  auch  sicherlich  viele  Analogieen  zu 
den  infektiösen  Prozessen  vorhanden  sind.  Denn  die  im  Gefolge  verschieden- 
artiger Entzündungen  auftretenden  Wucherungen  von  Lymphgefässendo- 
thelien  (Baumgartens  Lymphangitis  hyperplastica)  unterscheiden  sich 
doch  vor  allem  durch  ihre  rein  lokale  Ausbreitung  und  völlige  sekundäre 
Bedeutung  von  den  sogen.  Endothelkrebsen.  —  Warum  gerade  in  Ro- 
stock die  Endothelkrebse  so  häufig  sind,  darüber  lässt  sich  natürlich  bei 
der  völligen  Unkenntnis  über  die  Ätiologie  nichts  aussagen.  Das  aber  sei 
hier  bemerkt,  dass  nach  meinen  Erfahrungen,  gerade  in  Rostock  mannig- 
fache abweichende  Erscheinungen  an  bösartigen  Neubildungen  auftreten 
und  Tumoren,  die  an  anderen  Orten  zu  den  Seltenheiten  gehören,  gerade 
in  Meklenburg  relativ  häufig  vorkommen. 

3.  Die  Melanosarkome. 
Litteratur. 

1.  Abel,  John,  Bemerkungen  über  die  tierischen  Mel annine  und  das  Hämosiderin.  Vircb. 
Arch.  Bd.  120. 

2.  Berdez  und  Nencki,  Über  die  Farbstoffe  der  melanotischen  Sarkome.  Arch.  f. 
experiment.  Pharmakol.  u.  Pathol.  Bd.  20.  S.  346. 

3.  Brandl  und  Pfeiffer,  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Farbstoffs  melanotischer  Sarkome 
nebst  Bemerkungen  Über  einige  Eigenschaften  der  sogenannten  melanogenen  Substanz 
im  Harn.    Zeitschr.  f.  Biologie.  Bd.  26.  S.  348. 

4.  B runer,  Ein  Fall  von  Melanosarkom  der  Choroidea.   Inaug.-Dissertation.  München  1890. 

5.  Green,  Über  Naevi  pigmertosi  und  deren  Beziehung  zum  Melanosarkom.  Vir  eh. 
Arch.  Bd.  134.  S.  331 

6.  Hennig,  Über  Kombination  einer  Hypertrichosis  mit  Pigmentsarkom.  Berichte  der 
med.  Gesellsch.  in  Leipzig.    Schmidts  Jahrb.  Bd.  244.  8.  264. 

7.  Hamburger,  Ein  Tumor  an  der  Pleura  diaphragmatica  einer  Kuh  imd  eine  Bemerk- 
ung über  das  Pigment  von  Melanosarkomen.     Vir  eh.  Arch.  Bd.  117.  S.  427. 

8.  L  a  n  z .  Experimenteller  Beitrag  zur  Frage  der  Übertragbarkeit  melanotischer  Geschwülste. 
Festschr.  z.  25 jähr.  Doktorjubiläum  von  Th.  Kocher.  S.  299. 


Geschwttlste,  Sarkom.  375 

9.  Lehmann,  Demonstration  eines  Falles  von  Melanosarkom.   Deutsch,  med.  Wochenschr. 
1892.  Nr.  43. 

10.  Mörner,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  1887.  Bd.  21.  S.  66. 

11.  Oppenheimer,  Beiträge  zur  Lehre  der  Pigmentbildong  in  melanotischen  Geschwülsten. 
Virch.  Arch.  Bd.  107.  S.  515. 

12.  Rindfleisch  und  Harris,  Eine  melanotische  Geschwulst  des  Knochenmarkes 
Virch.  Arch.  Bd.  103.  S.  344. 

13.  Schmidt,  M.  B.,  Über  die  Verwandtschaft  der  hämatogenen  und  autochthonen  Pig- 
mente und  deren  Stellung  zum  sogenannten  Hämosiderin.  Virch.  Arch.  Bd.  115. 
8.  397. 

U.  Talko,  Ein  Fall  von  Goloboma  nervi  optici  et  melanoma  processua  ciliaris.  Klin. 
Mouatsbl.  f.  Augenheilkunde.  Bd.  30.  S.  134. 

15.  Unna,  Naevi  und  Naevi  carcinome.    Berl.  klin.  Wochenschr.  Bd.  30.  Nr.  1. 

16.  Wallach,  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom  Melanosarkom.    Vir  oh.  Arch.  Bd.  119.  S.  175. 
IT.   Walter,  Ein  Fall  von  primärem  Melanosarkom  der  Orbita.     Zehenders  klin.  Monats- 

blatt  f.  Augenheilkunde.  1893.  S.  357. 


Wie  früher  so  steht  in  der  Lehre  von  den  melanotischen  Neubildungen 
die  Frage  nach  der  Herkunft  des  Pigmentes  im  Vordergrund  des  Interesses. 
Wird  das  Pigment  aus  dem  Blutfarbstoff  gebildet  oder  entsteht  es  durch 
eine  metabolische  Thätigkeit  der  Sarkomzellen?  Die  erste  Auffassung  ist 
bekanntlich  zuerst  von  Langhans  näher  begründet  worden,  der  bei  seinen 
grundlegenden  Untersuchungen  über  Pigmentbildung  auch  die  Melano- 
sarkome  in  das  Bereich  seiner  Untersuchungen  zog,  und  folgende  Punkte 
als  Beweise  für  seine  Ansicht  in  den  Vordergrund  stellte.  1.  Die  Form 
des  Pigmentes;  2.  die  Verteilung,  die  vielfach  derartig  ist,  dass  nur  die 
dicht  um  die  dünnwandigen  Gefässe  herumhegenden  Geschwulstzellen  Pig- 
ment enthalten,  während  die  entfernter  liegenden  völHg  unpigmentiert  sind. 
Wenn  diese  beiden  Punkte  auch  eine  gewisse  Stütze  für  die  erste  Auf- 
fassung boten  und*  sich  die  Anschauung  von  der  hämatogenen  Entstehung 
des  melanotischen  Pigmentes  grosser  Verbreitung  erfreute,  so  waren  es  doch 
zwei  Momente,  welche  der  entgegengesetzten  Auffassung  zu  Hilfe  kommen, 
1.  die  chemische  Untersuchung  des  Farbstoffs,  welche  keine  Übereinstim- 
mung mit  dem  Blutfarbstoff  ergab ;  2.  der  negative  Ausfall  der  Eisenreaktion 
in  mikroskopischen  Schnitten  der  melanotischen  Tumoren.  Die  eingehende 
chemische  Untersuchung  des  melanotischen  Pigmentes  aus  metastatischen  Me- 
lanosarkomen  der  Milz  und  Leber  vom  Menschen  und  von  Pferden  führte 
nämlich  Berdez  und  Nencki  (2)  zu  dem  Resultat,  dass  nicht  die  geringste 
chemische  Beziehung  zwischen  den  Farbstoffen  der  melanotischen  Sarkome 
und  dem  Blutfarbstoff  bestehen;  das  Hämatin  enthält  Eisen,  aber  keinen 
Schwefel,  der  namentlich  in  den  Sarkomen  menschlicher  Organe  bis  zu 
Kjo/o  betragen  kann.  Die  Formel,  welche  Berdez  und  Nencki  für  das 
von  ihnen  Phymatorhusin  genannte  Pigment  aus  dem  menschlichen  Sarkom 
tinden  konnten,  lautet  C42HgßN7S303,  während  das  Ilippomelanin  (der  schwarze 


376  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Farbstoff  aus  den  Melanosarkomen  eines  Schimmels)  die  Zusammensetzung 
C42H86N7SOt7  zeigte.  Da  sie  ferner  berechnen  konnten,  dass  in  dem  K()q>er 
des  am  Melanosarkora  verstorbenen  Menschen  mindestens  500  g  Schwefel 
vorhanden  war,  ungerechnet  alle  die  Mengen,  die  durch  den  Harn  ausge- 
schieden wurden,  so  kommen  sie  zu  dem  Schluss,  daas  der  Farbstoff  durch 
einen  gewissen  Stoffwechsel  aus  dem  Körpereiweiss  gebildet  wird  und  sie 
vergleichen  den  Vorgang  geradezu  mit  der  physiologischen  Liquidation 
des  Gewebseiweisses  in  der  Laichzeit  des  Rheinlachses.  —  Da  die  Ergeb- 
nisse der  B er dez-Nencki  sehen  Untersuchungen  sich  wesentlich  auf 
zwei  Fälle  stützten,  so  konnte  es  an  Opposition  nicht  fehlen.  So  geben 
denn  auch  Mörner  (10),  Brandl  und  Pfeiffer  (3)  und  Wallach  (li)] 
an,  aus  Melanosarkomen  einen  eisenhaltigen  Farbstoff  isoliert  zu  haben. 
Mörner  will,  sowohl  in  einem  Melanosarkom,  wie  im  Pigment  des  Urins, 
den  er  von  einem  Patienten  mit  multiplen  Melanosarkomen  erhalten  hatte 
0,2®/o  Eisen  nachgewiesen  haben,  Brandl  und  Pfeiffer  sogar  0,52V 
und  auch  Wallach  behauptet  aus  reinem  Pigment  eines  melanotischen 
Tumors,  der  ihm  von  Rindfleisch  übergeben  war,  mittels  einer  beson- 
deren Methode  Eisen  dargestellt  zu  haben,  ohne  jedoch  quantitative  An- 
gaben zu  machen;  Mörner  meint  sogar,  dass  das  Fehlen  von  Eisen 
in  den  Untersuchungen  von  Berdez  und  Nencki  nur  auf  die  Behand- 
lungsweise  mit  lO^/o  Salzsäure  zurückzuführen  sei.  Andererseits  haben 
Landwehr  und  Miura,  femer  auch  Hamburger  (7)  die  Angaben 
Nenckis  über  das  Fehlen  von  Eisen  in  den  Melanosarkomen  bestätigt  und 
auch  Mörner,  sowie  Brandl  und  Pfeifer  haben  den  oft  sehr  bedeuten- 
den Gehalt  an  Schwefel  zugeben  müssen,  Abel  (1)  hat  dann  nachgewiesen, 
dass  der  geringe  P^isengehalt,  welcher  in  den  Präparaten  Mörners  neben 
anderen  anorganischen  Bestandteilen  vorhanden  war,  eben  aus 
der  Asche  stamme ,  wie  man  auch  aus  tierischen  Kohlehydraten,  Glykogen 
und  tierischem  Gummi  nur  schwer  das  Eisen  entfernen  könne.  Nencki 
hat  dann  weiter  noch  den  Nachweis  geführt,  dass  das  Pigment  in  mensch- 
lichen Sarkomen  nicht  immer  gleichartig  ist,  sondern  in  einem  Falle,  wo 
der  primäre  Herd  im  Auge  gesessen  hatte,  mehr  mit  dem  Choroidealpigment 
in  der  Zusammensetzung  übereinstimmte,  während  das  von  melanotischen 
Hautgeschwülsten  eines  Schimmels  gewonnene  Hippomelain  fast  gar  nicht 
von  dem  Melanin  der  Rosshaare  abwich.  —  Man  wird  deswegen  durchaus 
zu  dem  Schlüsse  kommen  müssen,  dass  die  Elementaranalyse  des  Pigmentes 
melanotischer  Tumoren  keine  Stütze  für  die  hämatogene  Abkunft  des  Pig- 
mentes darbietet.  —  Andererseits  ist  man  aber  nicht  müde  geworden,  das 
melanotische  Pigment  der  Eisenreaktion  zu  unterv^'erfen  und  durch  einen 
etwaigen  positiven  Ausfall  der  Reaktion  den  Beweis  von  der  Abstammung 
aus  dem  Blutfarbstoff  zu  erbringen.  Zwar  war  ja  durch  die  Untersuchungen 


Geschwülste,  Sarkom.  377 

M.  B.  Schmidts  (13)  der  Beweis  erbracht,  dass  auch  echtes  häinatogenes 
Pigment  wieder  eisenfrei  werden  kann  oder  das  Eisen  jedenfalls  nicht  als 
Eisenalbuminat  oder  Eisenoxydsalz  zu  enthalten  braucht  (so  dass  die  Eisen- 
reaktion negativ  ausfällt),  aber  immerhin  musste  doch  nach  den  herrschen- 
den Anschauungen  in  dem  positiven  Ausfall  der  Eisenreaktion  eine  Stütze 
der  alten  Langhans  sehen  Ansicht  gefunden  werden.  Perls  und  viele 
andere  hatten  sich  zwar  vergeblich  Mühe  gegeben,  in  Melanosarkomen  die 
Eisenreaktion  zu  erzielen,  aber  in  neuerer  Zeit  liegen  doch  positive  An- 
gaben vor.  So  beschreibt  Rindfleisch  und  Harris  (12)  in  einem  meta- 
statischen Melanosarkom  der  Leber  spindelige  Zellen  mit  diffusem,  die 
Eisenreaktion  gebenden  Pigment,  Hamburger  fand  in  einem  von  ihm 
als  Chondrofibromelanosarkom  bezeichneten  Tumor  der  Pleura  einer  Kuh 
in  der  Nähe  eines  grösseren  Blutungsherdes  innerhalb  der  Sarkomzellen 
eisenhaltiges  Pigment,  und  Walter  (17)  beschreibt  in  einem  Sarkom  der 
Orbita  wie  schon  vorher  Vossius  in  Melanosarkomen  der  Choroidea  und 
Konjunktiva,  eisenhaltiges  Pigment  besonders  an  der  Grenze  der  Neu- 
bildung, während  Bruner  (4)  bei  einem  Fall  von  Melanosarkom  der 
Choroidea  die  hämatogene  Entstehung  mehr  morphologisch  beweisen  will, 
iu  dem  er  alle  Übergänge  von  den  ausgetretenen  roten  Blutkörperchen 
zu  den  Pigmentschollen  auffindet.  Es  fragt  sich  nur,  ob  diese  immerhin 
spärlichen  positiven  Fälle  gegen  die  Untersuchungen  von  Berdez-Nencki 
ins  Gewicht  fallen  können.  Dazu  sei  zunächst  bemerkt,  dass  in  der  über- 
wiegenden Anzahl  von  melanotischen  Tumoren  —  gleichviel  ob  Melano- 
tibrome,  eigentliche  Naevi  oder  Melanosarkome  —  die  Eisenreaktion  negativ 
ausfällt.  Ich  habe  seit  vielen  Jahren  keine  meJanotische  Geschwulst 
untersucht,  ohne  die  Eisenreaktion  auszuführen,  und  doch  nur  3 mal  im 
ganzen  ein  positives  Ergebnis  gehabt.  Diese  Fälle  setzen  mich  gut  in  den 
Stand,  die  Angaben  der  anderen  Autoren  zu  beurteilen.  Es  ist  an  und 
für  sich  auffallend,  dass  kein  einziger  Autor  etwa  an  sämtlichen  pigmen- 
tierten Zellen  die  Eisenreaktion  erhalten  hat:  immer  sind  es  n^r  vereinzelte 
Stellen,  wo  die  Reaktion  positiv  ausfiel,  oder,  wie  das  auch  vorkommt, 
liegt  das  eisenhaltige  Pigment  gar  nicht  in  dem  eigentlichen  Geschwulst- 
parenchym,  sondern  im  Geschwulststroma.  Findet  man  in  gefärbten  Sarkomen 
eisenhaltiges  Pigment,  so  liegen  zwei  Möglichkeiten  vor:  entweder  es  handelt 
sieh  um  Blutungen,  die  in  den  melanotischen  Sarkomen  um  so  eher  vor- 
kommen können,  als  sie  typische  Angiosarkome  sind,  oder  es  handelt  sich 
überhaupt  nicht  um  melanotische  Tumoren,  sondern  um  Sarkome,  in  deren 
Stroma  es  zu  ausgedehnteren  Blutungen  gekommen  ist.  Der  letztere  Fall 
scheint  mir  vorhanden  zu  sein,  in  den  Fällen  von  Rindfleisch  und 
Harris,  von  Hamburger  und  von  Walter,  wo  auch  nach  den  Be- 
schreibungen das  Pigment  nicht   in  den   mehr  endothelialen    Zellen    des 


378  Allgem.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Parenchyms,  sondern  den  mehr  spindeligen  des  Stromas  lag.  Ich  habe 
vor  kurzem  einen  ganz  ausgezeichneten  derartigen  Fall  beobachtet.  Es 
handelte  sich  um  ein  scheinbar  melanotisches  Sarkom  des  Augenhinter- 
grundes, das  sich  namentlich  um  die  Papille  herum  und  bis  dicht  an  die 
Augenmuskeln  ausgebreitet  hatte.  Mikroskopisch  war  es  ein  ausgeprägtes 
Angiomyxosarkom  mit  reichlicheren  Blutungen  und  Blutpigment,  welches  iii 
ausgezeichneter  Weis^  die  Eisenreaktion  gab;  aber  nirgends  lag  das  Pig- 
ment in  den  eigentlichen  Geschwulstzellen,  sondern  stets  im  Geschwulst- 
stroma und  auch  weiter  entfernt  zwischen  den  Muskelbündeln  in  wuchernden 
spindeligen  und  rundlichen  Zellen.  Ganz  besonders  interessant  war  es 
aber,  dass  die  Metastase  des  Tumors  in  den  Lungen  vollkommen  pigment- 
frei war.  Nun  glaube  ich  gern,  dass  nicht  alle  Fälle  so  rein  sind,  wie  der 
erwähnte,  obgleich  in  den  meisten  Fällen  die  Beschreibung  über  das  eisen- 
haltige Pigment  in  den  „Sarkomzellen"  eine  so  summarische  ist,  dass  Zweifel 
daran,  ob  es  wirklich  in  den  Sarkomzellen  lag,  nur  zu  berechtigt  sind; 
aber  auch  wenn  wirklich  das  eisenhaltige  Pigment  wohl  in  dem  eigentlichen 
Geschwulstparenchym  gefunden  ist,  —  ich  habe  es  nie  dort  gesehen  —  so 
könnte  es  dorthin  gelangt  sein  entweder  aus  Wanderzellen  importiert,  oder 
von  den  beweglichen  jungen  Geschwulstzelleu  selbst  aus  roten  Blutkörper- 
chen fabriziert.  Aber  es  würde  sich  dann  um  etwas  handeln,  was  nicht 
zumWesen  der  Neubildung  gehört,  sondern  ein  rein  zufälliges, 
seltenes  accidentelles  Ereignis  ist.  Wir  würden  dann  eben  aus 
diesen  vereinzelten  Ausnahmen  nicht  auf  die  Genese  des  Pigmentes  in  den 
eigentlichen  Pigmentsarkomen  schliessen  dürfen.  —  Von  grosser  Wichtig- 
keit für  diese  Frage  ist  es,  ob  die  melanotischen  Tumoren  nur  von  solchen 
Stellen  ausgehen  können,  an  denen  schon  normalerweise  melanotisches 
Pigment  vorkommt  (Choroidea,  Haut),  oder  ob  sie  auch  in  anderen  Organen 
sich  primär  entwickeln.  Die  meisten  Autoren  verneinen  das  letztere  und 
man  wird  wohl  mit  Recht  sagen  dürfen,  dass  sichere  Beweise  hierfür  nicht 
vorUegen.  Der  Fall  von  Rindfleisch  und  Harris  ist  sicher  unbeweisend; 
denn  hier  wo  angeblich  der  Primartumor  im  Knochenmark  gesessen  haben 
soll,  war  ein  kleiner  Geschwulstkuoten  in  der  Bauchhaut  vorhanden,  frei- 
lich nach  Rindfleischs  Angabe  „sicher  metastatisch''.  Leider  sind  Gründe 
dafür  nicht  angegeben,  und  da  unter  Umständen  die  Entscheidung,  ob  ein 
melanotischer  Hauttumor  primär  oder  metastatisch  ist,  grosse  Schwierig- 
keiten machen  kann,  wird  man  berechtigt  sein,  das  erstere  anzunehmen.  — 
Was  die  Metastasen  der  Melanosarkome  anbetrifft,  so  sei  hier  bemerkt, 
dass  man  mitunter  in  einem  Organ  nur  unpigmentierte,  in  einem  anderen 
Organ  vorwiegend  pigmentierte  Metastasen  antrifft;  so  habe  ich  in  einem 
Falle  von  Melanosarkom  der  Haut  unpigmentierte  Metastasen  in  Lymph- 
knoten und  Netz,   pigmentierte   in  der  Leber  gefunden.    Solche  Befunde 


Geschwülste,  Sarkom.  379 

sind  zwar  mehrdeutig,  aber  sie  sprechen  doch  auch  nicht  gerade  für  die 
hämatogene  Theorie.  Auch  Oppenheimer  hat  einen  Fall  beschrieben,  in 
dem  der  primäre  Tumor  und  eine  grosse  Anzahl  von  Metastasen  fast  völlig 
uupigmentiert  waren,  während  eine  Gehirnmetastase  aus  einer  sepiafarbenen 
Masse  bestand.  Da  aber  sowohl  in  meinem  Falle,  wie  in  dem  von  Oppen- 
heimer auch  die  unpigmentierten  Tumoren  Angiosarkomo  waren,  kann 
man  eigen tUch  nicht  meinen,  dass  hier  die  Gelegenheit  zu  Blutungen  ge- 
fehlt habe;  sondern  aus  durchaus  unbekannten  Gründen  muss  den  Zellen 
an  bestinunten  Körperteilen  die  Fähigkeit  zur  metaboUschen  Umwandlung 
von  Zelleiweiss  in  Pigment  gefehlt  haben.  Jedenfalls  weisen  alle  oben 
angeführten  Gründe  und  vor  allem  der  starke  Schwefelgehalt  des  Melanins 
darauf  hin,  dass  das  Pigment  durch  eine  spezifische  Zellthätigkeit  gebildet 
wird  aus  eiweisshaltigem  Material,  das  wohl  vom  Blute  aus  den  Geschwulst- 
zellen zugeführt  wird.  Die  von  Langhans  hervorgehobene  Thatsache, 
die  ja  in  der  That  auffallend  genug  und  oft  sein*  scharf  nachweisbar  ist, 
dass  die  dicht  um  die  Gefässe  herumgelegenen  Zellqn  der  Neubildung  am 
meisten  Pigment  enthalten,  kann  dann  dadurch  erklärt  werden,  dass 
diese  Zellen  die  betreffenden  Stoffe  am  direktesten  und  reichlichsten  zu- 
geführt erhalten.  Auch  die  von  mir  gefundene  Thatsache,  dass  in  melanoti- 
sehen  Neubildungen  niemals  Glykogen  vorkommt,  spricht  dafür,  dass  es 
sich  bei  der  Bildung  des  raelanotischen  Pigmentes  um  eine  spezifische  Ände- 
rung des  Stoffwechsels  der  Zelle  handelt.  — 

Was  den  besonderen  Bau  der  Melanosarkome  anbetrifft,  so  ist  oben  schon 
verschiedentlich  darauf  hingewiesen  worden,  dass  es  meist  alveolär  gebaute 
Angiosarkome  sind.  Diese  längst  bekannte  Thatsache  hat  Unna  (15)  dazu 
veranlasst,  die  Behauptung  auszusprechen,  dass  die  von  Naevis  ausgehenden 
bösartigen  Neubildungen  nicht  Sarkome,  sondern  Carcinome  sind.  Man 
?oll  nämlich  bei  der  Untersuchung  von  pigmentierten  Naevis  von  Neuge- 
borenen nachweisen  können,  dass  die  Naevizellen  vom  Deckepithel  abge- 
schnürte Epithelzellen  sind.  Unnas  Angaben  sind  wesentUch  Behauptungen, 
aber  keine  Beweise;  weder  sind  seine  Beschreibungen  genügend,  um  die 
epitheliale  Natur  der  Naevizellen  zu  erweisen ,  noch  hat  er  seine  Behaup- 
tungen durch  Abbildungen  belegen  können.  Ich  habe  genügend  Fälle  von 
Naevis  Neugeborener  und  ganz  jugendlicher  Individuen  untersucht  und 
kann  nur  in  Übereinstimmung  mit  den  Angaben  aller  älteren  Autoren  an- 
geben, dass  die  Zellen  der  Naevi  in  keinem  Punkte  mit  den  Epithelzcllen 
der  Epidermis  übereinstimmen.  Green  (5)  hat  ferner  mit  Recht  darauf 
hingewiesen,  dass  zwischen  der  Pigmentierung  der  Rete-  und  der  Naevi- 
zellen gar  keine  Beziehungen  bestehen,  so  dass  bei  reichlichem  Pigment- 
gehalt der  Retezellen  die  Naevizellen  ganz  uupigmentiert  sein  können 
und  umgekehrt.  Man  dürfte  demnach  berechtigt  sein,  Unnas  Auffassmig 


380  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

als  in  der  Luft  schwebend  zu  bezeichnen.  Über  die  weiteren  Beziehungen 
zwischen  Naevis  und  Melanosai'komen  sind  wir  in  neuerer  Zeit  nicht  näher 
aufgeklärt  worden.  Fälle,  wie  sie  Hennig  (6)  berichtet  über  Kombination 
von  Hypertrichosis  mit  Pigmentsarkom  bei  einem  4  jährigen  Mädchen,  zeigen 
nur  in  evidentester  Weise,  wie  eine  Art  von  angeborenen  Missbildungen 
sich  mit  Pigmentsarkomen  verbinden  können.  Der  Fall  Talkos  (14),  wo 
bei  einem  5jährigen  Knaben  mit  doppelseitigem  Sehnervenkolobom  am 
Processus  ciliaris  ein  2  mm  grosser  schwarzer  Körper  hing,  der  als  ein 
gutartiges  Melanosarkom  bezeichnet  wird,  ist  wegen  Mangel  histologischer 
Details  nicht  gut  verwertbar.  —  Die  Versuche  von  Lanz;(8)  Melanosarkome 
des  Menschen  auf  Tiere  zu  übertragen,  hatten  keinen  Erfolg.  Wenn  er 
bei  einem  Meerschweinchen,  das  1^/2  Monate  nach  Injektion  von  Geschwulst- 
massen in  die  Milz  ausgedehnte  Pigmentierung  im  ganzen  Körper  beob- 
achtete, so  ist  dieses  Resultat  wohl  so  zu  erklären,  dass  die  eingespritzten 
Tumormassen  eine  Art  chronischer  Intoxikation  mit  nachfolgendem  Blut- 
zerfall hervorbrachten. 

4.  Mischgeschwülste. 

Litteratur. 

1.  Ben  ecke,  Zieglers  Beiträge.  Bd.  8. 

2.  Hansemann,  Über  Spezifizität,  den  Altruismus  und  die  Anaplasie  der  2iellen.  Berlin 
1893.    A.  Hirschwald. 

3.  Klebs,  Allgem.  Pathol.  Bd.  IL 

4.  Liebmann,  Über  einen  Fall  von  Myocarcinom  des  Uterus.    Virch.  Arch.  Bd.  117. 
S.  82. 

5.  Lubarsch,  Virch.  Arch.  Bd.  185. 

6.  Thoma,  Lehrbuch  der  allgem.  pathol.  Anatomie.  Bd.  L 

7.  Tilg  er,  Über  primäres  Magensarkom.     Virch.  Arch.  Bd.  183.  S.  183. 

Die  Frage  über  das  Vorkomtpen  von  Mischgeschwülsten  wird  sich 
auch  im  allgemeinen  am  besten  bei  den  Sarkomen  erledigen  lassen,  weil 
gerade  bei  diesen  sich  die  häufigsten  Angaben  über  Mischgeschw^ülste  vor- 
finden. —  Man  hat  früher  das  Gebiet  der  Mischgeschwülste  entschieden  zu 
weit  ausgedehnt  und  es  unterliegt  jetzt  keinem  Zweifel,  dass  ein  Teil  der 
Beobachtungen  auf  mangelhafte  Untersuchungsmethoden  zurückzuführen 
sind.  Während  man  früher  Mischungen  zwischen  Sarkomen  und  Adenomen, 
Carcinomen  und  Sarkomen  nicht  für  so  selten  hielt,  beschränkt  man  sich 
jetzt  mehr  darauf  die  Mischgeschwülste  nur  innerhalb  enger  Grenzen  zu- 
zulassen, indem  man  wohl  innerhalb  der  Gruppe  der  Bindesubstanzge- 
schwülste Übergänge  von  der  einen  Gewebsform  in  die  andere  zulässt,  da- 
gegen Mischungen  zwischen  epithelialen  und  Bindegewebsgeschwülsten  für 
äusserst  selten  hält.  —  Immerhin  giebt  es  Autoren,  welche  eine  Variation 


GesohwOlate,  Sarkom.  381 

der  Geschwulsttypen  in  ausgedehnterer  Weise  zulassen ;  so  ist  ja,  wie  schon 
oben    bemerkt,   Klebs  (3)   Theorie  von  der  Holoblastose  geradezu  darauf 
zugeschnitten,  das  Auftreten  von  Mischformen  erkläriich  zu  machen.  Wenn 
in  der  That  jede  autonome  Neubildung  mit  einer  Wucherung  sämtlicher 
Gewebselemente  beginnen  würde,   könnten   sich   die  verschiedenartigsten 
Kombinationsgeschwülste  ohne  jede  Einschränkung  entwickeln   und  man 
müsste  nur  die  Frage  auf  werfen,   warum   das  nicht  sehr  viel  häufiger  ge- 
schieht.    Inwieweit  Klebs  Anschauung  von  der  Holoblastose  anerkannt 
werden  darf,  darüber  ist  bereits  oben  S.  297  eingehend  abgehandelt  worden.  — 
Wenden  wir  uns  in  erster  Linie   zu  den  sarkomatösen  Mischgeschwülsten, 
so  ist  es  hier  ja  verhältnismässig  oft  auffallend,  dass  die  Geschwulst  aus 
verschiedenen  Gewebsarten  zu  bestehen  scheint.     Neben  typischen  binde- 
gewebigen Elementen  finden  sich  Knorpel-,  Knochen-,  Decidua-,  Neben- 
nieren-, Muskelzellen  etc.,  so  dass  man  auch  hier  wieder  geneigt  sein  könnte 
echte  Mischgeschwülste  anzunehmen.     Die  Auseinandersetzungen,  welche 
aber  neuerdings  von  Benecke  (1),  Hansemann  (2)  und  Lubarsch  (5) 
über  das  Verhältnis  zwischen  Geschwulststroma  und  Geschwulstparenchym 
gemacht  worden  sind,  sind  wohl  geeignet  diese  Dinge  wesentlich  zu  ver- 
einfachen. Auch  bei  einem  Osteosarkom  besteht  das  Geschwulstparenchym 
nur  aus  Knochenelementen,    die  rein   bindegewebigen  Elemente  gehören 
dem  Stroma  an,  das  aus  gewucherten  und  stehen  gebUebenen  Stützsubstanzen 
des  Muttergewebes  besteht.    Und  auch  bei  den  kompüziertesten  derartigen 
Neubildungen,  den  Osteoidchondromen,  Osteoidsarkomen  und  Osteoidchondro- 
sarkomen hegen  die  Verhältnisse  im  wesentlichen  nicht  anders,  indem  hier 
nur  verschiedene  Altersstufen  ein  und  derselben  Gewebsart  vorliegen.   Das- 
selbe gilt  auch  für  die  Myxolipome,  Myxofibrome  und  Myxosarkome,  ab- 
gesehen davon,  dass  hier  der  myxomatöse  Typus  durch  sekundäre  Cirkulations- 
störungen  hervorgebracht  werden  kann.     Man  kann  dann  ganz  allgemein 
die  Hypothese  aufstellen,  wie  das  besonders  Birch-Hirschfeld  gethan 
bat,  dass  zu  jeder  besonderen  Art  des  Bindegewebes  ein  sarkomatöser  Typus 
gehört.    Man  müsste  dann  annehmen,  dass  die  verschiedenen  später  scharf 
differenzierten  Gewebsarten  in  ihrem  embryonalen  Typus  mehr  oder  weniger 
mit  einander  übereinstimmen  und  dass  auch  Chondro-  und   Osteoblasten 
mit  einfachen  Fibroblasten  morphologisch  fast  völlig  übereinstimmen  können. 
Finden  wir  also  in  einer  Geschwulst  nebeneinander  Knochen-,  Osteoid-, 
Knorpel-  und    Sarkomgewebe,  so  haben  wir  es  nicht  mit  einer  Mischung 
von  Chondromen,  Osteomen  und   Sarkomen  zu  thun,   sondern  mit  ver- 
schiedenen Altersstufen  eines  und  desselben  Gewebes,  die  nur 
auf  einen  so  engen  Raum  vereinigt  sind,  dass  grobe  und  aiiffallende  Gegen- 
sätze entstehen.    Dasselbe  gilt  wohl   auch  für  die  Myosarkome,   besonders 
die  Rhabdomyosarkome,   wo   die    sarkomatösen    Zellen    zum    Teil    nichts 


382  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

anderes  als  undifferenzierte  Muskelzellen  sind,  wie  schon  daraus  hervor- 
geht, dass  man  mitunter  an  den  spindelzelligen  Elementen  beginnende 
Querstreifung  beobachtet  hat.  Eine  andere  Gruppe  von  Mischgeschwülsten, 
z.  B.  Fibro-  und  Myosarkome,  entsteht  vielleicht  dadurch,  dass  ein  ein- 
faches Myom  oder  Fibrom  sarkomatös  degeneriert,  wie  das  z.  B.  Tilg  er 
(7)  für  seinen  Fall  von  Fibrosarkom  des  Magens  annimmt.  Doch  wird 
diese  Frage  der  Umwandlung  gutartiger  Bindegewebsgeschwülste  in  Sar- 
kome weiter  unten  näher  besprochen  werden.  —  Anders  liegen  die  Ver- 
hältnisse nun  jedenfalls  dort,  wo  sich  in  einer  Neubildung  bindegewe]>ige 
und  epitheUale  Elemente  mit  einander  kombinieren.  Das  ist  bekannt- 
Uch  vor  allem  der  Fall  bei  den  Neubildungen,  die  den  einfachen  Hyper- 
plasieen  am  nächsten  stehen  und  zum  Teil  in  evidentester  Weise  auf 
entzündlicher  Basis  entstehen,  wie  die  polypösen  und  papillären  Gewächse 
der  Haut  und  Schleimhäute,  ferner  aber  auch  bei  den  Fibromadenonieu 
der  Mamma,  wo  bekanntlich  sowohl  die  reinen  Fibrome,  wie  die  reinen 
Adenome  zu  den  grössten  Seltenheiten  gehören.  Aber  auch  hier  liegen  die 
Verhältnisse  so,  dass  die  eine  Gewebsart  in  erster  Linie  wuchert  und  die 
Wucherung  des  anderen  nur  ganz  sekundär  ist;  so  ist  gerade  bei  denFibroni- 
adenomen  der  Mamma  oft  am  eigentlichen  Drüsengewebe  eher  Atropliie 
und  Kompression  nachweisbar,  nur  die  Ausführungsgänge  erscheinen  ver- 
zerrt und  in  geringfügiger  Weise  gewuchert.  —  EndUch  kommen  in  der 
That  echte  und  komplizierte  Mischgeschwülste  vor,  die  schon  den  tera- 
toiden  Bildungen  nahe  stehen  oder  wenigstens  in  klarster  Weise  auf  eine 
Verlagermig  embryonaler  Keime  zurückzuführen  sind,  wie  die  komplizierten 
Tumoren  der  Speicheldrüsen  und  des  Hodens,  sowie  seltenere  Geschwülste 
des  Uterus  und  der  Niere.  (Orths  Chondro-rhabdomyosarkom  des  Uterus, 
Birch-Hirschfelds  Myxoadenosarkom  der  Niere.)  Aber  auch  hier  können 
die  Dinge  so  liegen,  dass  erst  die  eine  Gewebsart  sekundär  durch  die  Wuche- 
rung der  anderen  zur  Proliferation  angeregt  wird  und  nicht  von  vornherein 
beide  Gewebe  gleichmässig  wuchern.  So  fand  ich  kürzlich  in  einem  Falle 
von  grossen  Myomen  des  Uterus  im  Magen  am  Pylorus  einen  über  kirscli- 
grossen,  unter  der  Schleimhaut  gelegenen  ziemlich  weichen,  grauweissen 
Tumor  von  deutlich  streifigem  Baue,  der  sich  histologisch  als  ein  Cysto- 
adenomyom  heraustellte,  d.  h.  es  handelte  sich  um  ein  aberriertes  Pankreas, 
das  submukös  gelegen  war  und  dessen  mit  hohem  Cy  lind  erepithel  ausge- 
kleideten Ausführungsgänge  in  erheblicher  Weise  proliferiert  waren  und  auch 
ihrerseits  wieder  eine  Wucherung  der  sie  umgebenden  Muskulatur  bewirkt 
hatten.  Eine  ähnliche  sekundäre  Wucherung  von  Muskulatur  mag  auch 
in  dem  Falle  von  Myocarcinom  Liebmanns  (9)  vorgelegen  haben,  in  dem 
man  aber  von  einer  echten  Mischgeschwulst  ebensowenig  reden  darf,  wie 
etwa  die  Schlussfolgerungen  Liebmanns  über  Entstehung  der  Cdrcinom- 


Geschwülste,  Sarkom.  383 

epithelien  aus  glatten  Muskelfasern  Anrecht  auf  Billigung  haben.  —  Wir 
könnten  also  zu  dem  Resultate  kommen,  dass  das  histologische  Bild  von 
Mischgeschwülsten  auf  verschiedene  Art  entstehen  kann:  1.  durch  erheb- 
liche histologische  Differenz  von  Geschwulstparenchym  und  Geschwulst- 
stroma; 2.  durch  verschiedene  Entwickelungszustände  ein  und  derselben 
(lewebsart;  3.  durch  Umwandlung  gutartiger  Bindesubstanzgeschwülste  in 
sarkomatöse;  4.  durch  eine  Art  von  primärer  allgemeiner  hyperplastischer 
Wucherung;  5.  durch  embryonale  Gewebstransplantationen. 

e)  Einflnss  und  Bedentnng  der  Sarkome  für  den  GesamtorKanismns. 

Litteratur. 

1.  Alezander,  De  la  leucocytose  dans  les  cancferes.    Paris  1887. 

2.  Chetchovski,  Rapides  Wachstum  eines  latenten  Pleurasarkoms  unter  den  Einfluss 
eines  akuten  Gelenkrheumatismus.    Gazetta  lekarska.  8.  1892. 

3.  Ebstein,  Das  chronische  Rückfallfieber.     Berl.  klin.  Wochenschr.  1887.  Nr.  31. 

4.  Hammer,  Primäre  sarkomatöse  Ostitis  mit  chronischem  Rückfallfieber.  Vir  eh.  Arch. 
Bd.  137.  S.  280. 

4a.  Jahn,  Ein  Fall  von  rascher  Rückbildung  von  Sarkomen  nach  künstlicher  Frühgeburt. 
Ctbl.  f.  Gynäkol.  Bd.  18.  Nr.  23. 

5.  Käst,  Über  Rückfallfieber  bei  multipler  Sarkombildung  und  über  das  Verhalten  der 
Körpertemperatur  bei  malignen  Tumoren  im  allgemeinen.  Jahrb.  der  Hamburg.  Staats- 
krankenanatalten.  1890.  Sonderabdruck. 

6.  von  Limbeck,  Grundriss  der  klinischen  Pathologie  des  Blutes.    Jena  1892. 

7.  Pel,  Pseudoleukämie  oder  chron.  Rückfallfieber.    Berl.  klin.  Wochenschr.  1887.  Nr.  35. 
$.  Puritz,  Über  Sarkom  mit  sogenanntem   chronischen  Rückfallfieber.     Vir  eh.   Arch. 

Bd.  126.  S.  312. 
9.  Reinbach,  Über  das  Verhalten  der  Leukocyten  bei  malignen  Tumoren.    Arch.  f.  klin. 
Chir.  Bd.  46.  S.  486. 

10.  Roth,  Über  einen  Fall  von  Sarkom  verbunden  mit  hämorrhagischer  Diathese.  Mitt«il. 
ans  der  Tübinger  Poliklinik.  Bd.  II.  S.  59. 

11.  Schmidt,  G.  B.,  Über  das  Angiosarkom  der  Mamma.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie.  Bd.  3G. 
S.  421. 

12.  Spronck,  Tumeurs malignes  et  maladies  infectienses.  Annales  de  l'Institut  Pasteur. 
1892. 

Die  Bedeutung  der  Sarkome  für  den  Gesamtorganismus  ist  eine  der- 
artig verschiedene,  dass  man  kaum  die  Frage  allgemein  beantworten  kann, 
ob  Sarkome  bösartige  Neubildungen  sind  oder  nicht.  Es  ist  vielmehr  sicher, 
(lass  es  Neubildungen  giebt,  die  wir  anatomisch-histologisch  durchaus  nicht 
anders  wie  als  Sarkome  bezeichnen  können  und  die  doch  keine  irgendwie 
nennenswerte  Malignität  besitzen ;  das  sind  vor  allem  die  als  Epulidcn  bezeich- 
neten Riesenzellensarkome  und  manche  Sarkome  der  Speicheldrüsen,  die  dem 
Kliniker  oft  als  Chondrome  imponieren;  Neubildungen,  die  zwar  hier  und  da 
eine  gewisse  Neigung  zum  Recidivieren  besitzen,  aber  niemals  Metastasen 
machen.  Unter  den  Sarkomen  des  Knochens  nehmen  dann  noch  die  Riesen- 
7^ellensarkonie  eine  besondere  Stellung  ein,  indem  sie  ebenfalls  sehr  häufig  lokal 


384  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

bleiben  und  keine  Neigung  zur  Metastasenbildung  aufweisen.  —  Wenn 
aber  schon  in  dieser  Hinsicht  grössere  Unterschiede  zwischen  den  Sarkom- 
formen herrscheu,  so  gilt  das  noch  mehr  von  den  feineren  und  weniger 
auffälligen  Veränderungen,  die  im  Körper  unter  dem  Einflüsse  der  Sarkom- 
wucherungen vor  sich  gehen  können.  Es  sind  daher  unsere  Kenntnisse 
hierüber  noch  äusserst  lückenhaft;  auch  fehlt  es  vor  allem  noch  an  ge- 
naueren Stoffwechseluntersuchungen  bei  Sarkomatösen.  —  Einiges  vermögen 
wir  über  das  Verhalten  des  Blutes  bei  Sarkomkranken  auszusagen.  Es 
kommen  hier  in  Betracht  1.  die  Abnahme  der  roten  und  2.  die  Zunahme 
der  weissen  Blutkörperchen.  — 

ad  1.  Nachdem  schon  Haeberlein  auf  das  Vorkommen  von  Anämie 
bei  malignen  Tumoren  aufmerksam  gemacht,  ohne  aber  schärfer  zwischen 
Sarkomen  und  Carcinomen  zu  unterscheiden,  hat  G.  B.  Schmidt  (11) 
für  Mammatumoren  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  sich  das  histologisch 
dem  Carcinom  so  ausserordentlich  ähnliche  Angiosarkom  von  ersterem 
gerade  durch  den  Mangel  an  Kachexie  und  Anämie  imterscheidet.  Während 
bei  Frauen  mit  Mammacarcinom  der  Hämoglobingehalt  des  Blutes  60  bis 
65®/o  und  weniger  betrug,  war  derselbe  bei  Frauen  mit  Angiosarkom  85  bis 
86  ^/o  (normaler  Hämoglobingehalt  der  Frauen  90  °/o),  also  annähernd  normal 
V.  Limbeck  (6)  fand  jedoch  in  einem  Falle  von  Sarkom  der  Lymphdrüsen 
die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  bis  auf  1280000  im  cbmm  gesunken 
imd  in  einem  anderen  Falle,  der  von  ihm  als  Carcinom  der  hnken  Niere 
bezeichnet  wird,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  ein  Sarkom  war, 
2V2  MiUion  roter  Blutkörperchen.  Auch  in  dem  Falle  von  Roth  (10),  wo 
das  Sarkom  am  Kreuzbein  sass,  kam  es  zu  ausgedehnteren  Zerfall  roter 
Blutkörperchen;  doch  fehlen  hier,  wie  in  allen  anderen  Fällen  nähere  An- 
gaben über  morphologische  Veränderungen  der  roten  Blutkörperchen.  Nur 
Hammer  (4)  erwähnt  in  seinem  Falle  massige  Poikilocytose,  ebenso  Rein- 
bach  in  einigen  Fällen,  wie  er  auch  stets  Verminderung  des  Hämoglobiii- 
gehalts  konstatierte.  — 

ad  2.  Eine  richtige  Leukocytose  ist  bei  Sarkomen  verhältnismässig 
häufig  beobachtet  worden.  Schon  Hayem  (4a)  fand  in  7  Fällen  von  Osteo- 
sarkom 19500  weisse  Blutkörperchen  im  cbmm  als  Mittelwert,  Alexander 
(1)  hat  in  seinem  Falle  von  Osteosarkom  der  Wirbelsäule  und  des  Stemuni 
52700,  V.  Limbeck  bei  Lymphosarkomen  38000  und  in  dem  oben  er- 
wähnten Falle  von  Nierensarkom  sogar  80514  Leukocyten  im  cbmm  be- 
obachtet. Reinbach  (9)  fand  unter  20  Fällen  von  Sarkomen  16  mal  die 
polynukleären  Zellen  oder  Lymphocyten  vermehrt,  in  einem  Fall  von 
Lymphosarkom  auch  eine  enorme  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  und 
den  Befund  der  Markzellon.  Bestimmte  Beziehungen  zwischen  Schwere  der 
Erkrankungen  und  Schwere  der  Blutveränderung  konnte  Reinbach  niclit 


Geschwülste,  Sarkom.  385 

feststelleu.  —  Ausser  diesen  Veränderungen  des  Blutes,  welche  ja  auch 
durchaus  noch  nicht  geuügend  studiert  sind,  haben  in  neuerer  Zeit  beson- 
ders eigentümliche  Fiebererscheinungen  bei  Sarkomkranken  das  Interesse 
erregt.  Nachdem  zuerst  Ebstein  (3)  unter  dem  Namen  „chronisches 
Rückfallfieber*'  eine  Erkrankung  beschrieben  hatte,  welche  durch  das  Auf- 
treten von  13—14  Tage  dauernden  Fieberanfällen  mit  nachfolgenden  10 
bis  11  Tage  währenden  fieberfreien  Intervallen  charakterisiert  ist,  wies  Pel 
(7)  nach,  dass  man  es  mit  einer  besonderen  Form  der  Pseudoleukämie  zu 
thun  habe,  wie  namentlich  aus  den  Sektionsbefunden  (Lymphdrüsen-, 
Milz-  und  Leberhyperplasie)  hervorging.  In  der  That  haben  auch  die 
weiteren  Fälle  von  Puritz  (8),  Hammer  und  Käst  (5)  die  Thatsache  be- 
stätigt, dass  die  eigentümliche  Form  des  Fiebers  vor  allem  bei  Lympho- 
sarkomatosis  vorkommt;  und  alle  histologischen  Beschreibungen,  wie  be- 
sonders die  von  Hammer,  zeigen,  dass  wir  es  mit  den  Neubildungen  zu 
thun  haben,  die  bald  als  Myelome,  maligne  Lymphome  oder  Lymphosarkome 
bezeichnet  werden.  Käst  hat  freilich  behauptet,  dass  bei  bösartigen 
(Geschwülsten,  Sarkomen  sowohl  wie  Carcinomen  und  zwar  auch  solchen, 
die  nicht  geschwürig  zerfallen  sind,  ausnahmsweise  Temperatursteigerungen 
erheblichen  Grades  vorkommen  können.  Unter  den  von  ihm  näher  ange- 
gebenen vier  Fällen  (7  jähriger  Knabe  mit  Lymphomen  der  Lymphknoten 
und  der  Lunge;  16 jähriger  Knabe  mit  metastasierendem  Knochensarkom ; 
1<S  jähriges  Mädchen  mit  Rundzellen sarkom  der  Thymus  und  35  jähriger  Mailn 
mit  allgemeiner  Lymphdrüsensarkomatose)  befindet  sich  jedoch  kein  einziger, 
der  nicht  in  das  Gebiet  des  Lymphosarkoms  hineingehört.  Das  ist  des- 
wegen wichtig,  weil  die  Lymphosarkome  nach  meiner  Überzeugung  von 
den  eigentlichen  autonomen  Neubildungen  zu  trennen,  und  infektiösen 
oder  bakteriell-toxischen  Ursprungs  sind.  Wenn  man  auch  Käst  darin 
Recht  geben  mag,  dass  bei  verschiedenartigen  Neubildungen  durch  Zerfall 
der  Neubildung  oder  auch  durch  die  schubweise  intermittierende  Art  der 
Invasion  von  Geschwulstmetastasen  Fieber  erzeugt  werden  kann,  so  bleibt 
d(xh  vorläufig  die  Thatsache  übrig,  dass  das  typische  Bild  des  chronischen 
Kückfallfiebers  vornehmlich  bei  Lymphosarkomen  beobachtet  wird.  Das 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  wir  es  hier  mit  der  Wirkung  eines  si)ezifischen 
Agens  zu  thun  haben,  eventuell  also  die  Fieberbewegungen  mit  der  Ver- 
schleppung noch  unbekannter  Mikroorganismen  oder  der  Anhäufung  ihrer 
Stoffwechselprodukte  zusammenhängen.  Auch  für  die  obenerwähnte  Leuko- 
cytose  und  Ohgocythämie  gilt  ähnliches,  indem  wenigstens  die  grösste  An- 
zahl der  Beobachtungen  sich  auf  die  Lymphosarkome  bezieht;  es  würden 
in  diesen  Fällen  die  Leukocytose  und  Anämie  auf  eine  Linie  mit  den  infek- 
tiösen und  toxischen  Blutveränderungen  zu  steilen  sein.  Ahnliches  ist.  auch 
'1er  Fall,  wenn  die  Blutveränderungen  an  Verjauchung  und  \'ereiterung  von 

Lnbarach-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  25 


386  Allgem.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Neubildungen  anschliesst.    Doch  seheint  es  auch  Fälle  zu  geben,  wo  ohne 
schwere  Zerstörungen   der   Tumoren,   eventuell  nur   bei  rein  regressiven 
Veränderungen   Leukocytose    eintritt;  diese   Fälle  sind  dann  jedenfalls  so 
zu  erklären,  dass  auch  bei  aseptischem  Zerfall  von  Zellen  Stoffe  frei  werden, 
welche  positiv  chemotaktisch  wirken.    Ob  auch  der  Sitz  der  Tumoren  — 
in  den  blutbereitenden  Organen  —  von  Bedeutung  für  das  Zustandekommen 
der  Blutveränderungen  ist,  bedarf  jedenfalls  noch  genauerer  Untersuchmig. 
Alle  diese  Fragen  werden  erst  durch  viel  zahlreichere,  durch  genaue  Sektions 
befunde  und  mikroskopische  Untersuchungen  kontrollierte  Untersuchungen 
ihrer  definitiven  Lösung  näher   gebracht  werden  können  imd  vor  allem 
wird  es  dabei  nötig  sein,  zwischen  den  Lymphosarkomen  und  den  echten 
Sarkomen    eine    scharfe   Trennung    vorzunehmen.    —    Dass    umgekehrt 
aber    auch    das    lokale    Wachstum    und    die    Ausbreitung   der   Sarkome 
durch  Veränderungen  des  Gesamtorganismus  beeinflusst  werden,  zeigt  der 
Fall  von  Chetchovski   (2).     Bei  einem    19jährigen    Mädchen   war   der 
Oberschenkel  wegen  Spindelzellensarkom  amputiert  worden;  als  9  Monate 
darauf  die   sich  völlig  wohl  fühlende  Patientin  einen  fieberhaften  Gelenk- 
rheumatismus acquirierte,  stellten  sich  allmählich  starke  Beschwerden  seitens 
der  Respirationsorgane  ein,  so  dass  die  Diagnose  auf   Lungenmetastasen 
gestellt  wurde.     In  der  That  fanden  sich  bei  der  Sektion  in  den  Lmigen 
zahlreiche  Metastasen   vor,    deren  Wachstum    augenscheinlich    durch  die 
fieberhafte    Krankheit    begünstigt    wurde.      Dass    durch   Bakterientoxine 
der  Zerfall  von  Sarkomen  beschleunigt  werden  kann,   das  zeigen  ja  auch 
die   Versuche  Sproncks  (12)  über  den   Einfluss   der  Erysipeltoxine  auf 
(he    Entwickelung    bösartiger   Neubildungen;    ob   aber   wärkhch   dadurch 
eine  völlige  Heilung  derselben  erzielt  werden  kann,  wie  es  von  manchen 
amerikanischen  und  deutschen  Ärzten  nicht  nur  erhofft  wird,  sondern  so- 
gar angeblich   beobachtet  sein  soll,    muss  vorläufig  noch  sehr  bezweifelt 
werden.  —   Ob  auch  physiologische  Veränderungen   des  Körpers  für  die 
Entwickelung  der  Sarkome  bedeutungsvoll  sind,   muss  ebenfalls  noch  un- 
entschieden gelassen  werden.     Manche  Angaben,  über  rapides  Wachstimi 
würde  ja  dafür  sprechen  und  ein  Fall  von  Jahn  (4a),  wo  sich  nach  künst- 
licher Frühgeburt,    ein  Sarkom  der   rechten  Achselhöhle  und  zahlreiche 
Metastasen  zurückbildeten,  würde  in  diesem  Sinne  gedeutet  werden  können. 
Doch  ist  der  Fall  aus  Mangel  genauer  anatomischer  Angaben  nicht  gut 
zu  verwerten.  — 

d)  Ätiologie  der  Sarkome. 

Litteratur. 

1.   Aldibert,    Dela  Chirurgie  du  rein  chez  Tenfant.    Revue   mens,  des  malad,  de  Tenf. 
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GeschwOlste,  Sarkom.  387 

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f.  Heilkunde.  Bd.  15.  S.  141. 

%  25* 


388  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Für  die  Ätiologie  der  Sarkome  sind  die  gleichen  Faktoren  in  An- 
spruch genommen  worden,  wie  für  die  meisten  anderen  autonomen  Neu- 
bildungen. Wir  werden  hier  also  zu  betrachten  haben  1.  die  Bedeutung 
embryonaler  Keimesverirrung  (Cohnheimsche  Theorie);  2.  die  Bedeutung 
entzündlicher  und  traumatischer  Schädlichkeiten,  im  besonderen  kommt 
dann  noch  hinzu  3.  die  parasitäre  Ätiologie  und  4.  die  Frage,  die  bei  allen 
bösartigen  Neubildungen  in  Betracht  zu  ziehen  ist,  der  Umwandlung  gut- 
artiger Neubildungen  in  Sarkome.  — 

ad  1.  Fast  von  allen  Autoren  wird  zugegeben,  dass  die  Cohnheimsche 
Theorie,  wenn  sie  überhaupt  anerkannt  werden  kann,  in  erster  Linie  für 
die  Sarkome  von  Bedeutung  ist.  Freilich  hat  sich  mancher  durch  den 
histologischen  Charakter,  welcher  als  „embryonaler"  Typus  bezeichnet  wird, 
dazu  verführen  lassen,  auch  eine  embryonale  Entstehung  anzunehmen. 
Wir  haben  aber  schon  oben  darauf  hingewiesen,  dass  der  Ausdruck  „em- 
bryonaler Typus''  infolge  seiner  Vieldeutigkeit  besser  vermieden  und  durch 
den  Ausdruck  „unfertige  Beschaffenheit"  ersetzt  werden  sollte;  da  that- 
sächlich  wohl  für  sämtliche  Sarkome  die  unfertige  BeschaiBEenheit  der  zelligen 
Elemente  das  Charakteristische  ist.  Was  dann  die  Entstehung  der  Sarkome 
aus  embryonal  unverbrauchten  Keimen  anbetrifft,  so  hat  schon  Cohnheim 
dafür  folgende  Momente  geltend  gemacht:  a)  das  relativ  häufige  Vorkommen 
von  Sarkomen  bei  jugendlichen  Individuen,  b)  die  Beziehungen  der  melano- 
tischen  Sarkome  zu  den  angeborenen  Pigmentflecken,  c)  die  sarkomatösen 
Mischgeschwülste  der  Speicheldrüsen  und  Hoden.  —  Auch  in  der  neueren 
Zeit  bewegen  sich  die  Untersuchungen  in  gleicher  Richtung;  nur  haben 
sich  die  Beobachtungen  über  angeborene  und  im  frühen  Kindesalter  auf- 
tretende sarkomatöse  Neubildungen  erhebhch  vermehrt.  Dabei  ist  es  in 
gewisser  Beziehung  von  prinzipieller  Wichtigkeit,  dass  die  grösste  Anzahl 
der  angeborenen  und  im  jugendlichen  Alter  auftretenden  Sarkome  am 
Urogenitalapparat  beobachtet  wird,  wo  die  Entwickelungsvorgänge  besonders 
kompUzierte  sind.  Namentlich  in  den  Nieren  ist  die  Zahl  der  im  jugend- 
lichen Alter  auftretenden  Sarkome  relativ  sehr  gross.  Ich  habe  im  ganzen 
aus  der  neueren  Litteratur  136  derartige  Fälle  zusammenstellen  können, 
wobei  ich  nur  diejenigen  mitgerechnet  habe,  wo  die  anatomische  Diagnose 
direkt  auf  Sarkom  oder  Adenosarkom  gestellt  ist  und  diejenigen,  die 
meiner  Meinung  nach  zwar  ebenfalls  auf  Grund  der  histologischen  Be- 
schreibung zu  den  Sarkomen  gehören,  aber  von  den  Autoren  als  Carciuome 
oder  Adenome  bezeichnet  worden  sind,  fortgelassen  habe.  Den  grössten 
Anteil  nehmen  dabei  die  Sarkome  der  Niere  ein,  von  denen  Aldibert  (1) 
45und  Döderleinund  Birch-Hirschfeld(7)  40  zusammengestellt  haben; 
es  kommen  dann  noch  dazu  je  1  Fall  von  Borchard  (3),  J.  Israel  (14), 
Malcolm   (18),    Pick  (21),   Salomoni  (25)  und   Verhoef  (29).      Unter 


Geschwülste,  Sarkom.  389 

<liosen  Fällen,  bei  denen  nicht  überall  genauere  Altersangabe  vorhanden 
ist,  waren  8  im  Alter  von  4  Tagen  bis  20  Monaten,  18  im  Alter  von  2 
bis  3  Jahr  8  Monat,  16  bis  zu  6  Jahren  und  4  bis  zu  14  Jahren.  Die 
grösste  Anzahl  dieser  Neubildungen  gehören  in  die  Gruppe  der  hyper- 
nephroiden  Sarkome,  wie  aus  der  Übereinstimmung  in  der  histologischen 
Struktur  mit  den  sicher  von  aberrierten  Nebennierenkeimen  ausgehenden 
Sarkomen  Erwachsener  hervorgeht.  Dass  thatsächlich  nicht  so  selten  aus 
aberrierten  Nebennierenkeimen  gutartige  und  bösartige  Neubildungen  hervor- 
gehen können,  ist  bekanntlich  zuerst  von  Grawitz  behauptet,  von  den  ver- 
schiedensten Seiten  bestätigt  und  gegenüber  neueren  Angriffen  von  D  ri  esse  n 
und  Sudek  durch  Askanazy  und  Lubarsch  verteidigt  worden.  Freilich 
bleibt  es  auch  hier  noch  immer  unklar,  warum  die  destruierende  Wucherung 
oft  erst  im  späteren  Lebensalter  auftritt  und  durchaus  nicht  alle  aberrierten 
Keime  gleichmässig  befällt.  So  haben  Be necke  und  Lubarsch  in  Fällen 
von  hypernephroiden  Sarkomen  der  Niere  daneben  noch  unveränderte, 
nicht  gewucherte  Nebennierenkeimc  in  derselben  Niere  oder  an  anderen 
Stellen  der  Bauchhöhle  gefunden;  und  bei  der  ausserordentlichen  Häufig- 
keit, mit  der  aberrierte  Nebennierenkeime  im  Körper  angetroffen  werden, 
muss  immer  noch  nach  einem  besonderen  Grund  gesucht  werden,  warum 
im  einzelnen  Falle  sich  ein  stärkeres  Wachstum  anschliesst.  Ribbert  (23) 
meint  nun,  diiss  aus  den  aberrierten  Nebennierenkeimen  nur  dann  ( Ge- 
schwülste entstehen,  w^enn  aus  den  verlagerten  Abschnitten  einzelne  Zellen 
oder  Zellgruppen  abgetrennt  wx»rden;  wobei  er  sich  auf  eine  Beobachtung 
von  Ricker  beruft,  dass  in  einem  Falle  von  Struma  suprarenalis  aberrans 
keine  scharfe  Abgrenzung  gegen  die  Nierenrinde  vorhanden  war,  und 
mehrere  kleine  Haufen  von  Nebennierenzellen  in  dem  Nierengewebe  mitten 
zwischen  Harnkanälchen  lagen.  Ich  möchte  dieser  Beobachtung  keine 
allzugrosse  Bedeutung  beimessen,  da  es  durchaus  nicht  selten  von  mir 
beobachtet  worden  ist,  dass  die  aberrierten  Nebennierenkeime  nicht  durch 
eine  bindegewebige  Kapsel  vom  Nierengewebe  abgegrenzt  sind  (das  hat 
auch  schon  Grawitz  angegeben),  und  gerade  in  dem  einen  Fall,  wo  ich 
in  einer  von  hypernephroiden  Sarkomen  eingenommenen  Niere  noch  un- 
verändertes Nebennierengewebe  finden  konnte,  war  keine  Abgrenzung  von 
«ler  Nierensubstanz  durch  eine  bindegewebige  Kapsel  vorhanden.  Also 
auch  hier  muss  noch  etwas  Besonderes  angenommen  werden,  was  den  An- 
stoss  zur  schrankenlosen  Wucherung  giebt.  —  Ausser  diesen  von  aber- 
rierten Nebennierenteilen  ausgehenden  Sarkomen  werden  auch  solche  be- 
obachtet, die  mehr  oder  weniger  ausgeprägt  zur  Gruppe  der  Teratome 
gehören,  so  vor  allem  diejenigen,  die  auch  quergestreifte  Muskulatur  ent- 
halten.    Auch  die  Fälle   von  Döderlein-Birch-Hirschfeld   und  von 


390  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Hansemann^),  welche  als  Adenomyosarkome  bezeichnet  wurden,  ge- 
hören in  diese  Gruppe  von  sarkomatösen  Neubildungen,  die  aber  an  die 
teratoiden  grenzen  und  Birch-Hirschfeld  hat  direkt  die  Meinung  aus- 
gesprochen, dass  die  beobachteten  Tumoren  von  Resten  des  Wölfischen 
Körpers  ausgehen,  wofür  auch  der  überwiegende  Befund  bei  weiblichen 
Individuen  spricht,  bei  denen  ja  der  Wolffsche  Körper  als  ein  über- 
schüssiges Organ  betrachtet  werden  muss.  Ein  anderer  von  Hildebrand 
beschriebener  Fall  —  Kombination  von  Cystenniere  mit  Sarkombildung 
—  mag,  wie  der  Verf.  meint,  auf  eine  mangelhafte  Vereinigung  der  Mark- 
und  Kindensubstanz  zurückzuführen  sein.  Auch  ein  Leiomyoliposarkora 
der  Niere,  das  Lubarsch  beobachtete,  wird  von  ihm  wegen  des  Befundes 
von  glatter  Muskulatur  als  ein  embryonaler  Tumor  gedeutet.  —  Während 
somit  die  von  aberrierten  Nebennierenkeimen  in  der  Niere  auftretenden 
Sarkome  relativ  häufig  sind,  werden  ähnliche  Neubildungen  in  der  Neben- 
niere selbst  nur  selten  beobachtet;  und  namentlich  als  kongenitale  Tumoren 
als  äusserste  Raritäten  angesehen.  Einen  solchen  Fall,  der  von  Virchow 
als  rundzelliges  Sarkom  benannt  wurde,  hat  Cohn  (6)  bei  einem  9 monat- 
lichen Kinde. beschrieben.  Häufiger  sind  dagegen  wieder  die  bei  jugend- 
lichen Individuen  auftretenden  Sarkome  der  Prostata  und  Harnblase.  So 
hat  Barth  (2)  einen  Fall  von  Prostatasarkom  bei  einem  '/*  jährigen  Knaben, 
einen  anderen  bei  einem  16jährigen  Jüngling  beobachtet  und  hervorge- 
hoben, dass  nicht  weniger  als  die  Hälfte  aller  Fälle  von  Prostatasarkom 
Kinder  im  Alter  von  1 — 8  Jahren  betrifft.  Steinmetz  (26)  hat  in  einer 
sorgfältigen  Statistik  über  die  Geschwülste  der  Harnblase  im  Kindesalter 
unter  32  Tumoren  15  Sarkome  gefunden  und  selbst  einen  Fall  bei  einem 
2^/4  Jahre  alten  Knabeii  beobachtet;  das  jüngste  Kind  war  IV2,  das  älteste 
13  Jahre  alt;  in  einem  Falle  handelte  es  sich  um  ein  Rhabdomyom,  also 
eine  sicher  kongenital  angelegte  Neubildung;  unter  den  von  Steinmetz  als 
„Schleimpolypen"  angeführten  Fällen  findet  sich  ein  von  Winkel  zufällig 
bei  einem  neugeborenen  Mädchen  gefundener,  wo  die  mikroskopische  Unter- 
suchung unterlassen  ist,  also  auch  eine  sarkomatöse  Neubildung  vorge- 
legen haben  kann.  —  Fast  ebenso  häufig  wird  das  primäre  Scheidensarkom 
bei  Kindern  angetroffen.  Frick  (12)  hat  neuerdings  16  derartige  Fälle 
zusammengestellt,  wozu  noch  3  von  Kolisko  (16)  untersuchte  hinzu- 
kommen ;  hiervon  waren  10  im  Alter  von  24  Stunden  bis  2V»  Jahren,  5  im 
Alter  von  3 — 4,  und  nur  eins  über  4  Jahre  alt  (5^/2);  der  kongenitale  Ur- 
sprung ist  hier  vor  allem  dadurch  gesichert  worden,  dass  Haus  er  (13) 
und  Kolisko  in  einigen  Fällen  quergestreifte  Muskulatur  innerhalb  der 
Tumoren  auffanden.  —  Wenn  sich  somit  aus  dieser  ja  sicher  noch  keines- 


1)  Berl.  klin.  Wochenschr,  1894.  Nr.  31. 


öeachwttlste,  Sarkom.  391 

vfegs  vollständigen  Übersicht  ergiebt,  dass  namentlich  im  Urogenitaltraktus 
verhältnismässig  häufig  sarkomatöse  Neubildungen  in  ganz  jugendlichem 
Alter  beobachtet  werden,  so  wird  eine  vorurteilsfreie  Kritik  doch  einge- 
stehen müssen,  dass  nur  in  einer  Minderzahl  der  Fälle  dadurch  die  kon- 
genitale Anlage  der  Neubildungen  sicher  bewiesen  ist;  das  gilt  eigent- 
lich nur  für  die  Fälle,  wo  entweder  das  Auftreten  der  Neubildung  von 
Geburt  an  oder  in  den  ersten  Lebensmonaten  festgestellt  wurde  oder 
solche  Gewebsarten  aufgefunden  wurden,  die  nur  durch  eine  Keimes- 
aberration an  Ort  und  Stelle  gelangt  sein  konnten.  In  allen  anderen 
Fällen  muss  man  dagegen  a  priori  die  Möglichkeit  zugestehen,  dass 
die  Neubildungen  ohne  irgend  eine  kongenitale  Anlage  im  Anschluss 
an  äussere  Schädlichkeiten  entstanden.  Nun  muss  man  freilich  da- 
rauf hinweisen,  dass  auch  darin,  dass  Tumoren  in  späteren  Jahren 
oder  sogar  erst  im  höheren  Lebensalter  bemerkbar  werden,  noch 
kein  Gegengrund  gegen  die  kongenitale  Entstehung  liegt.  Denn  nicht 
wenige  der  sicher  kongenital  angelegten  Neubildungen  (z.  B.  Hanau- 
Wolfensbergers  Rhabdomyosarkom  der  Speiseröhre  bei  einem  75jähr. 
Mann)  sind  erst  im  höheren  Lebensalter  bemerklich  geworden  und  von 
den  hypernephroiden  Sarkomen  scheint  es  nach  meinen  Zusammenstel- 
lungen geradezu  die  Kegel  zu  sein,  dass  sie  erst  im  Alter  von  50 — 79 
Jahren  klinische  Erscheinungen  hervorrufen.  Man  muss  deswegen  auch 
die  Möglichkeit  offen  lassen,  dass  auch  die  später  als  im  Kindesalter  auf- 
tretenden Sarkome  auf  kongenitaler  Anlage  beruhen  und,  wenn  z.  B. 
primäre  Scheidensarkome  sich  im  Anschluss  an  Gravidität  oder  Puerperium 
entwickeln,  ist  es  durchaus  mögUch,  dass  hierdurch  den  kongenital  ver- 
lagerten Zellen  nur  ein  Anstoss  zur  vermehrten  Wucherung  gegeben  wurde  ^). 
Auch  für  die  so  seltenen  Sarkome  des  Dünndarms,  die  nach  Madelung 
am  häufigsten  im  Alter  von  30—40  Jahren  angetroffen  werden,  ist  des- 
wegen eine  kongenitale  Anlage  keineswegs  ausgeschlossen,  zumal  Balz  er  (2a) 
auch  einen  Fall  bei  einem  4jährigen  Knaben  und  Stern  ein  kon- 
genitales Dünndarmsarkom  beobachtet  hat.  —  Von  sehr  grosser  Wich- 
tigkeit wäre  es  natürlich,  wenn  man  irgend  welche  sichere  Anhalts- 
punkte zur  Trennung  der  kongenital  angelegten  und  erworbenen  Sar- 
kome besässe.  Aber  abgesehen  davon,  dass  die  erstere  MögUchkeit 
gerade  bei  Sarkomen  niemals  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  kann, 
sind  derartige  durchschlagende  Differenzen  noch  nicht  aufgefunden. 
Birch-Hirschfeld  hat  allerdings  darauf  hingewiesen,   dass  sicher  ange- 


1)  Das  ist  z.  B.  sehr  wabrscheinlich  in  einem  von  Kalustow  (Arch.  f.  Gynäkol. 
Bd.  40,  S.  499)  beschriebenen  Falle,  wo  sich  ein  Angiosarcoma  haemorrhagicum  bei  einer 
23 jähr.  Fran  im  Anschluss  an  2  Geburten  und  2  Aborte  entwickelte. 


392  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Pathologie. 

borenen  Neubildungen  der  Niere  ein  langsameres  Wachstum  und  eine 
geringere  Neigung  zur  Metastasenbildung  zukommt;  das  ist  aber,  wie 
Birch-Hirschfeld  selbst  auseinandersetzt,  mehr  zur  Unterscheidung  vom 
Carcinom  von  Bedeutung.  Auch  für  die  hypernephroiden  Tumoren  trifft 
ja  namentlich  das  anfänglich  sehr  langsame  Wachstum  (durchschnittlich 
3—10  Jahre,  in  einem  Falle  vielleicht  30  Jahre  [Lu barsch])  zu,  doch 
besteht  hier  gerade  namentlich,  wenn  es  sich  um  ältere  Individuen  handelt, 
eine  entschiedene  Neigung  zur  Metastasenbildung.  —  Über  die  Beziehungen 
der  Pigmentnaevi  zu  den  Melanosarkomen  ist  schon  oben  einiges  bemerkt. 
So  allgemein  die  Annahme  ist,  dass  Melanosarkome  aus  PigmentOeckeii 
hervorgehen,  so  wenig  ganz  sichere  Beobachtungen  giebt  es  doch  darüber. 
Ein  interessanter  derartiger  Fall,  der  verhältnismässig  beweisend  ist,  wird 
von  Martens(19)  mitgeteilt.  Da  derselbe  weiter  unten  in  der  Zusammen- 
stellung von  Schimmelbusch  ausführlicher  erwähnt  wird,  sei  hier  nur 
kurz  darauf  verwiesen. 

ad  2.  Welche  Bedeutung  entzündliche  und  traumatische  Schädlich- 
keiten für  die  Entstehung  der  Sarkome  besitzen,  ist,  wie  aus  den  obigen 
Ausführungen  hervorgeht,  besonders  schwer  zu  beurteilen.  Darüber  kaini 
ja  kein  Zweifel  herrschen,  dass  nicht  selten  im  Anschluss  an  Traumen 
eine  äusserst  rapide  Entwickelung  von  Sarkomen  beobachtet  wird  —  der- 
artige Fälle  sind  z.B.  von  Th.  Smith,  Bessel-Hagen*),  Middeldorpf 
u.  a.  auch  bei  jugendlichen  Individuen  beobachtet  worden.  Aber  da  es 
sich  vielfach  bei  diesen  Beobachtungen  um  innere  Sarkome  handelt,  ist 
sehr  wohl  die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  das  Trauma  nur  das  Wachs- 
tum eines  bis  dahin  latenten  Sarkoms  beschleunigt  hat,  nicht 
aber  die  Ursache  der  Sarkombildung  war.  Auch  grössere  statistische 
Untersuchungen  haben  bis  jetzt  kein  einwandsfreies  Material  geliefert. 
Die  mühevollen  Zusammenstellungen  Löwenthals  (17),  der  800  Fälle, 
darunter  316  Sarkome  aufzählt,  wo  eine  traumatische  Ätiologie  sichergestellt 
sein  soll,  sind  leider  zu  unkritisch,  um  neues  Licht  in  die  schwierige  Frage 
zu  bringen.  Ganz  allgemein  kann  man  aber  wohl  sagen,  dass  Traumen 
und  Entzündungen  allein  als  Ursache  von  Sarkombildungen  nicht  genügend 
sind ;  sondern  höchstens  unter  bestimmten  —  uns  noch  unbekannten  Vor- 
aussetzungen —  bedeutungsvoll  sein  können.  Statistische  Untersuch- 
ungen darüber  hätten  höchstens  dann  einen  Wert,  wenn  sie  durch  Zu- 
sammenstellungen ergänzt  würden,  welche  zeigen,  wie  oft  nach  Traumen 
und  Entzündungen  keine  Sarkombildung,  oder  überhaupt  keine  Tumor- 
bildung eintritt.  ~ 

ad  3.     Was   die  parasitäre  Ätiologie  der  Sarkome  anbetriflEt,   so  lag 


V)  Ein  ulceröaes  Sarkom  des  Jejunum  bei  einem  Kinde.    Virch.  Arch.  Bd.  99.  Ö.  99. 


Geschwülste,  Sarkom.  393 

ts  ja  in  der  That  uach  Entdeckimg  der  Erreger  der  infektiösen  Granu- 
latiousgeschwülste  nahe,  auch  für  die  Sarkome  nach  pflanzlichen  Erregern  zu 
suchen.     Es  ist  hier  unnötig,    auf  alle  die  verfehlten  derartigen  Versuche 
voQ  Izquierdo,   Schill  u.  a.  näher  einzugehen;  es  genügt  festzustellen, 
dass  noch  für  keine  Sarkomart  Spaltpilze  mit  irgendwelcher  Sicherheit  als 
Erreger  nachgewiesen  sind.     Eine    eigenartige  Anschauung   vertritt  von 
Esmarch  (IIa),  der  eine  Beziehung  zwischen  Syphilis  und  Sarkombildung 
beobachtet  haben  will.     Als  Begründung  kann  er  freilich  nur  das  anführen, 
«lass  manche  Sarkome   nach    aiitisyphilitischen  Kuren   Besserung  zeigten 
und  bei  einer  Anzahl  Sarkomatöser  auch  voraufgegangene  Syphilis  fest- 
gestellt werden  konnte.     Natürlich  ist  das  alles  sehr  vieldeutig  und  auch 
gar  nicht  ausgeschlossen,  dass  hier  und  da  wohl  ein  Gumma  als  Sarkom 
ungesehen   wurde.     Jedenfalls  kann  man   mit  Sicherheit   sagen,   dass  an 
syphilitische    Neubildungen    viel    häufiger    noch    Carcinome  als   Sarkome 
an^chliessen.  —  Auch  die  Bemühungen   der  neuesten  Zeit,  in   Sarkomen 
Protozoen  nachzuweisen  und   als  Erreger  dieser  Neubildungen  anzuschul- 
digen, sind   noch  von  keinem  Erfolg  gekrönt  gewesen.     Zwar  haben  J. 
Clarke  (4,   5),  Pawlowsky  (20),  Lindsay  Stewen   und   Brown  (28), 
V  edel  er  (29)  u.  a.  ausführliche  Beschreibungen  über  das  Vorkommen  von 
Protozoen  in  Sarkomen  gegeben  und  V edel  er  hat  sogar  die  Behauptung  auf- 
gestellt,   dass    die   Sarkomsporozoen    morphologisch    von    den  in  Platten- 
uud  Cylinderepithelcarcinomen  vorkommenden  Protozoen  zu  unterscheiden 
seien.    Es  ist  unnötig,  hier  eine  genauere  Schilderung  der  von   den  ge- 
nannten Autoren  beschriebenen  Bildungen  zu  geben;   denn  es  ist,  wie  die 
Abbildungen  in  den  betreffenden  Arbeiten  zeigen,   nicht  möglich  sie  von 
den  bei  Carcinomen   vorkommenden  Formen   zu  unterscheiden,    wie  im 
<  Gegensatz  zu  V  edel  er  versichert  werden  kann;  es  ist  das  um  so  weniger 
möglich,    als  man   überhaupt   noch   ausser  sümde  ist,  einen  besonderen 
Typus  von    „Carcinomprotozoen''    aufzustellen;    es    macht   vielmehr    die 
grössten  Schwierigkeiten,   die  verschiedeneu   Schilderungen   der  einzelnen 
Autoren  auch  nur  annähernd  mit  einander  in  Übereinstinnnung  zu  bringen. 
Indeno  hier  auf  die  eingehende  Darstellung   der  sogen.  Carcinomprotozoen 
verwiesen  wnrd,  sei  nur  noch  betont,  dass  auch  die  Sarkomprotozoen  durch 
die  verschiedensten  Zell-  und  Kerndegenerationen  (Karyorhexis  und  Karyo- 
lysis)  etc.  hervorgebracht  sind.     Allerdings  liegt  neuerdings  eine  fragmen- 
tarische Mitteilung  vor,  die,  falls  sie  sich  bestätigen  sollte,  von  der  grössten 
Ifedeutung  wäre.    Jürgens  hat  nämlich  mitgeteilt,  dass  er  in  einem  Endo- 
theliom  des  Gehirns  vom  Menschen  Coccidien  fand,  und  nach  Überimpfung 
von  Tumorstückchen  auf  Kaninchen  die  Tiere  an  allgemeiner  Coccidiose  mit 
Tnmorbildung  zu  Grunde  gehen  sah.     Gegenüber  der  ganz  kurzen  Notiz, 
<lie  bis  jetzt  hierüber  vorliegt,  ist  es  schwer  einen  kritisch  gerechtfertigten 


394  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

Standpunkt  einzunehmen.  Nur  das  sei  hier  bemerkt,  dass  die  positive 
Übertragung  von  beim  Menschen  vorkommenden  Protozoen  auf  Kaninchen 
auch  zoologisch  ein  vollständiges  Novum  darstellen  würde;  denn  bis  jetzt 
haben  alle  Versuche  gezeigt,  dass  die  parasitären  Protozoen  sich  so  ausser- 
ordentlich eng  dem  Wirtskörper  anpassen,  dass  es  nicht  mal  möghch  ist, 
sie  im  Körper  der  verwandtesten  Tierspecies  zur  Weiterentwickelung  zu 
bringen.  —  Andere  Angaben  über  Befunde  parasitärer  Organismen  in 
Sarkomen  verdienen  noch  weniger  Beachtung.  Wenn  z.  B.  Busse  über 
die  gelungene  Züchtung  von  Zelleinschlüssen  in  (Geschwülsten  berichtete, 
so  hat  sich  später  mit  Sicherheit  herausgestellt,  dass  die  auffälhgen  Ge- 
bilde Sprosspilze  waren  und  ob  es  sich  überhaupt  um  ein  Riesenzellen- 
sarkom handelte,  muss  ebenso  unentschieden  bleiben,  wie  die  Frage,  ob 
die  Sprosspilze  irgend  welche  pathogene  Bedeutung  besessen  haben.  - 
Für  die  Frage  der  infektiösen  Natur  der  Sarkome  war  es  ja  in  erster 
Linie  von  Wichtigkeit,  ob  es  gelänge,  eine  Übertragung  derselben  hervor- 
zubringen. Trotz  zahlreiclier  Versuche  ist  die  Ausbeute  auch  noch  sehr 
gering.  Es  liegen  auffallenderweise  bis  jetzt  nur  Mitteilungen  über  ge 
lungene  Übertragungen  von  Fibrosarkomen  von  Ratten  auf  Ratten  vor, 
über  die  zuerst  v.  Eiseisberg  (10)  und  dann  Duplay  und  Cazin  (!>) 
berichteten,  v.  Eiseisberg  implantierte  ein  an  der  Schulter  sitzendes 
Fibrosarkom  einer  Ratte  in  die  BaucUiöhle  einer  anderen  und  fand  bei 
dem  fünf  Monate  später  erfolgtem  Tode  einen  hühnereigrossen,  höckerigen 
Tumor  in  den  Blättern  des  Mesenteriums  eingebettet.  Duplay  und 
Cazin  hatten  unter  ausserordentlich  zahlreichen  Versuchen  nur  einen 
l)Ositiven  Erfolg  und  zwar  mit  einem  Fibrom  der  Mamma,  welches  sie  von 
einer  weissen  Ratte  auf  eine  andere  verimpften.  Als  neun  Monat  später 
der  Tod  eintrat,  hatte  der  Tumor  ^/s  des  Totalgewichts  der  Ratte  ange- 
nommen. —  Die  Versuche  sind  natürlich  nicht  eindeutig  und  beweisen 
nicht  ohne  weiteres  für  eine  infektiöse  Entstehung.  Auffallend  ist  es  ja 
überhaupt,  dass  mit  Ausnahme  des  einen  positiven  Versuchs  von  Wehr, 
bis  jetzt  nur  an  Ratten  gelungene  Übertragungen  von  Neubildungen  vor- 
gekommen sind,  so  dass  man  fast  glauben  könnte,  dass  Ratten  eine  be- 
sondere Disposition  für  Geschwulstentwickelung  besitzen.  Immerhin  liegen 
die  Verhältnisse  hier  nicht  so  klar,  wie  in  den  Carcinomübertragungen 
Hanaus,  da  eine  Transplantation  von  Bindegewebszellen  normalerweise 
nicht  so  ohne  weiteres  gehngt,  wie  die  von  EpitheUen;  es  ist  aber  auch 
gar  nicht  auszuschliessen,  dass  es  sich  sowohl  in  v.  Eiseisbergs,  wie 
Duplays  und  Cazins  Fall  um  irgend  eine  infektiöse  Bildung  gehandelt 
hat,  die  nur  histologisch  einem  Fibrom,  bezw.  Fibrosarkom  sehr  ähnelte. 
Bei  dem  Mangel  genauerer  Angaben  über  die  Zusammensetzung  der  Neu- 
})ildung  läs.st  sich  ein  sicheres  Urteil  vorläufig  nicht  abgeben. 


Geschwülste,  Sarkom.  395 

ad    4.     Ob   gutartige    Neubildungen    sich   in   bösartige   umwandeln 
können,  ist  eine  Frage,  die  zwar,   namentlich  von  Praktikern  vielfach  dis- 
kutiert  worden   ist,   aber  infolge   unserer   ünbekanntschaft  mit  der  Ätio- 
logie der  Neubildungen  schwer  zu  einer  sicheren  Entscheidung  gebracht 
werden  kann.     Bei  den  Sarkomen  liegt  es  vielleicht  besonders  nahe,   eine 
derartige    Umwandlung  für  möglich  zu   halten.     Da  wir  berechtigt  sind, 
anzunehmen,   dass   das    Sarkomgewebe    ein    unfertiges  Stadium    der  ver- 
H-hiedeuartigsten  Bindesubstanzen  darstellt  und  wir  nicht  selten  in  einer 
sarkomatösen  Neubildung  neben  dem  eigentlichen  Sarkomgewebe  ausge- 
prägte, fertige  Bindesubstanz  (Binde- ,  Knorpel- ,  Knochengewebe  u.  s.  w.) 
zu  sehen  bekommen,  wäre  es  a  priori  wohl  denkbar,  dass  die  sarkomatösen 
(iewebsteile  nur  einen  Rückschlag  in  das  unfertige  (embryonale)  Stadium 
<ler  ausgebildeten  Gewebsart  darstellen.     Kommt   dann  die  klinische  Be- 
obachtung dazu,   dass  ein  seit  längerer  Zeit  beobachteter  Tumor  weicher 
wird  und    rapide  wächst,   so  scheint  die  Umwandlung  der  gutartigen  in 
•lie  sarkonaatöse  Neubildung  sicher  zu  sein.     Aber  es  liegt  auf  der  Hand, 
dass  diese  Deutung  keineswegs  zwingend  ist;  es  ist  vielmehr  möglich  und 
'^ugar  wahrscheinlicher,  dass  wenn  wir  in  einer  Neubildung  unfertige  (sarko- 
matöse)  und  ausgebildete  Bindesubstanz  finden,  letzteres  nur  ein  anderes 
Stadium  des   sarkomatösen    Gewebes  darstellt,    das  ausnahmsweise   seine 
vollkommene  Ausbildung  erreicht  hat  und   auch  plötzlich  oder  allmählich 
eintretendes  rascheres  Wachstum  kann  in  einem  von  Anbeginn  an  sarko- 
lüutösen  Tumor  durch    besondere  Verhältnisse   eintreten.     Man  hat  des- 
wegen immer  von   neuem  nach  schärferen  Beweises  für  die  sarkoraatöse 
Im  Wandlung  gutartiger  Tumoren  gesucht  und  sie  in  histologischen  Über- 
^'angsbildem   zu  sehen   geglaubt.     So   beschreibt   Tilger   (Virch.    Arch. 
M.  133)  einen  Fall  von  Umwandlung  eines  Magenfibroms  in  ein  Sarkom, 
wo  sich  „der  Übergang  vom  Fibrom  zu  echtem  sarkomatösen  Gewebe  mit 
;iro8ser Deutlichkeit  verfolgen'*  liessundWestphalen  (Virch.  Arch.  Bd.  110 
u.  114)  beobachtete  in  2  Fällen  von  multiplen  Fibromen  der  Nerven  daneben 
auch  sarkomatöse  Tumoren  der  Nervenscheiden,  welche  er  als  sarkomatös  ent- 
artete Fibrome  ansieht.    Es  ist  ferner  in  letzterer  Zeit  die  sarkomatöse  Um- 
wandlung besonders  häufig  an  Uterussarkomen  studiert  worden,  von  denen 
>ehon  früher  behauptet  wurde,  dass  sie  aus  Myomen  sich  entwickeln.    Dabei 
i^t  es  ganz  ausserordentüch  interessant,  dass  fast  jeder  einzelne  Untersucher 
'lie  Untersuchungen  seiner  Vorgänger  für  unbeweisend  hält.  Ganz  allgemein 
wird  jetzt  zugegeben,  dass  die  früher  so  häufigen  Angaben  über  das  Neben- 
t'inandervorkommen  von  sarkomatösen  und  myomatösen  Stellen  in  Uterus- 
tumoren wenig  beweiskräftig  sind.     v.  Kahl  den  (15)  hat  deswegen   ge- 
radezu gemeint,    dass  es  ihm   „zum  erstenmal  gelungen  sei,  den  direkten 
liistologischen  Beweis  von  dem   Übergang  eines  Myoms  in   Sarkom*'    zu 


396  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

erbringen;  Pick  (22)  hat  das  aber  wieder  in  Zweifel  gezogen  und  mit 
Recht  daraufhingewiesen,  dass  in  dem  Falle  v.  Kahldens  sich  stets  zwei 
scharf  begrenzte  Territorien  von  glatten  Muskelzellen  einerseits  und  kleinen, 
dichtgedrängten,  intensiv  gefärbten  Spindel-  (Sarkom-)  zellen  andrerseits  vor- 
fanden, während  man  zum  Beweise  des  Übergangs  von  Muskel-  in  Sarkoin- 
zellen  eine  innige  Durchmischung  der  einzelnen  Formen  untereinander 
verlangen  müsse.  Nun  glaubt  Pick,  dass  dies  ihm  und  Williams  (Hi^i 
in  einigen  P'ällen  gelungen  sei.  Williams  beobachtete  bei  einer  47 jähr. 
Frau  einen  Tumor,  den  er  als  Myoma  sarcomatodes  uteri  bezeichnet.  Die 
Kapsel  des  Tumors  bestand  aus  ganz  normaler  Uterusmuskulatur;  die 
periphersten  Schichten  zeigten  den  Bau  eines  Uterusmyoms  mit  spärlichen 
sarkomatösen  Stellen;  im  Centrum  wurde  der  sarkomatöse  Bau  ausj];e- 
prägter  und  hier  fanden  sich  Bilder,  die  als  deutliche.  Übergänge  von 
Myom-  in  Sarkomgewebe  gedeutet  wurden.  Neben  normalen  Muskelzellen 
ersclüenen  solche  mit  erheblich  vergrösserten  Kernen  oder  auch  karyo 
kinetischen  Teilungsfiguren;  die  Zellen  liegen  dicht  gedrängt  aneinander 
und  es  erscheinen  Riesenzellen,  die  ebenfalls  aus  glatten  Muskelzellen  her- 
vorgegangen sein  sollen.  Ähnliches  beschreibt  Pick.  Nach  seiner  Mei- 
nung wird  in  dem  von  ihm  beobachteten  Falle  von  Uterussarkom  bei 
einer  41  jähr.  Frau  die  Umwandlung  der  glatten  Muskelfasern  in  Sarkom- 
und  Myomzellen  bewiesen  1.  dadurch,  dass  die  Sarkomzellen  ganz  regellos 
zwischen  Muskelzellen  angetroffen  werden,  2.  dadurch  dass  die  Sarkom- 
faserzüge eine  unmittelbare  Fortsetzung  der  Muskelzüge  darstellen,  wie  es 
Fig.  2  beweisen  soll,  3.  dadurch,  dass  die  in  den  Muskelbündeln  vor- 
handenen Kernformationen  leicht  alle  Übergänge  von  der  dunkeltingierten 
Stäbchenform  zu  der  blassgefärbten,  leichtgranuHerten  rundlichen  Eigestalt 
der  SarkomzcUenkerne  darbieten.  W^enn  Pick  auf  Grund  derartiger  Bilder 
zu  dem  Schluss  kommt,  dass  die  Produktion  der  Sarkom-  (und  Myxom) 
Zellen  in  durchaus  eindeutiger  Weise  von  den  Muskelzellen  dej^ 
Myoms  abzuleiten  sei'',  so  hätte  ihn  eigentlich  das  Schicksal  seiner  Vor- 
gänger vor  allzu  grosser  Sicherheit  warnen  sollen.  Ich  kann  weder  in  den 
Ausführungen  Williams,  noch  denen  Picks  zwingende  Beweise  für  die 
behauptete  Metaplasie  sehen;  alle  ihre  Beobachtungen  lassen  sich  ohne 
irgend  welchen  Zwang  auch  anders  erklären.  Was  zunächst  die  Riesen- 
zellen Williams  anbetrifft,  so  begreife  ich  durchaus,  dass  er  hie  und  da 
den  subjektiven  Eindruck  haben  konnte,  als  wären  sie  aus  Muskelzellen 
entstanden;  aber  irgend  einen  objektiven  Beweis  hat  er  dafür  nicht  an- 
führen können.  Auch  sämtliche  übrigen  Bilder  von  Williams  und  Pick 
erlauben  eine  andere  Deutung.  Dass  in  Fig.  2  von  Pick  die  Sarkomzell- 
züge die  gleiche  Richtung  einschlagen,  wde  die  Muskelzüge,  müsste  selbi^t- 
verständlich  auch  der  Fall  sein ,   wenn  das  sarkomatöse  Gewebe  aus  dem 


Geschwülste,  Sarkom.  397 

interstitiellen  Bindegewebe  hervorgegangen  wäre.  Und  in  Fig.  3  sehe  ich 
uichts,  wie  teils  gequollene  Muskelzellen,  teils  polymorphe  Sarkomzellen. 
Dass  Sarkomzellen  oft  genug  Muskelzellen  geradezu  zum  Verwechseln 
ähnlich  sehen,  ist  eine  oft  genug  betonte  Thatsache;  und  namentlich  in 
Sflmitteu  gehärteter  Objekte  erscheint  es  mitunter  geradezu  unmöglich, 
t'ine  sichere  Differenzierung  zu  treffen,  während  es  an  den  isolierten  Zellen 
noch  eher  möglich  wäre.  Ich  glaube  überhaupt,  dass  Übergangsbilder  in 
•1er  pathologischen  Histologie  eine  viel  bescheidenere  Rolle  von  mehr  sub- 
jektivem Werte  spielen  müssen,  als  in  der  Embryologie;  denn  bei  letzterer 
bilden  sie  ein  Hilfsmittel,  das  vor  allem  durch  die  vergleichende  Ent- 
wickelungsgeschichte  und  die  stete  Vergleichung  gleicher  Objekte  aus  ver- 
>ehiedenen  Stadien  kontrolliert  werden  kann.  In  der  pathologischen  Histo- 
logie sind  wir  namentlich  bei  den  Neubildungen  völlig  ausser  stände, 
auch  nur  einigermassen  mit  Sicherheit  das  Alter  derselben  zu  bestimmen 
und  deswegen  ist  es  so  schwierig  zu  sagen,  was  Früh-  und  was  Alters- 
stadium der  Geschwulstzellen  ist.  Dazu  kommen  endlich  noch  alle  mög- 
liclieii  Degenerationszustände ,  welche  die  Bilder  ungemein  komplizieren. 
I)iibei  darf  man  natürlich  nicht  nur  an  die  grossartigen  Degenerationen 
«lenken,  sondern  an  die  eben  beginnenden,  die  noch  nicht  genügend  in  ihren 
Einzelheiten  studiert  sind;  wie  schwer  es  hier  ist  regressive  und  progressive 
Vorgänge  auseinanderzuhalten,  zeigen  die  neueren  Beobachtungen  über  die 
Karyorhexis,  wo  eine  ganze  Reihe  von  Formen  mit  atypischen  Karyomitosen 
oder  Kemsegmentationen  übereinstimmen.  —  Alle  diese  Auseinandersetz- 
ungen sollen  keineswegs  zu  dem  Resultat  führen,  dass  sich  Uterusmyome  — 
öder  überhaupt  gutartige  Tumoren  —  nicht  in  Sarkome  umwandeln  können. 
Aber  sie  sollen  zeigen,  dass  die  Frage  nicht  durch  histologische  Be- 
obachtungen allein  entschieden  werden  kann;  sondern  es  handelt  sich  viel- 
mehr um  eine  allgemein  pathologische  Frage,  die  sich  mit  Sicherheit  erst  wird 
entscheiden  lassen,  w^enn  man  über  Entstehungsweise  und  Ätiologie  der 
Neoplasmen  besser  aufgeklärt  ist,  wie  jetzt.  Freilich  giebt  es  kaum  eine 
Theorie,  mit  der  man  nicht  die  Auffassung  von  der  Umwandlung  gut- 
artiger in  bösartige  Neubildungen  in  Einklang  bringen  könnte;  aber  vor- 
läufig sind  wir  hier  noch  nach  allen  Richtungen  auf  hypothetischem  Ge- 
t»iet.  Aber  wenn  man  selbst  annehmen  wollte,  dass  ein  Uterusmyom  sich 
mal  in  ein  Sarkom  umwandelt,  bleibt  es  wahrscheinlicher,  dass  interstitielle 
Bindegewebszellen  sarkomatös  entarten,  als  dass  man  eine  Metaplasie  von 
Muskelzellen  annehmen  dürfte.  Ich  wenigstens  könnte  mir  überhaupt 
nicht  denken,  welche  histologische  Bilder  hierfür  objektive  Beweise  er- 
bringen könnten.  — 


398  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ß.  £pit]ieliale  Neabildaogen. 

In  der  nachfolgenden  Abhandlung  über  die  epithelialen  Neubildung^  ii 
ist  naturgemäss  der  Hauptnachdruck  auf  die  Carcinome  gelegt  worden; 
doch  soll  mit  einem  kurzen  Überblick  über  die  anderen  epithelialen  Neu- 
bildungen begonnen  werden;  wobei  auf  Vollständigkeit  kein  Anspruch  er- 
hoben werden  kann,  da  der  Verfasser  aus  Mangel  an  Zeit  nicht  alle  lu- 
merkenswerten  Arbeiten  sich  in  wünschenswerter  Weise  zugänglich  niacheii 
konnte.  Es  sei  in  dieser  Beziehung  auf  den  folgenden  Jahrgang  verwiest  n, 
wo  alle  Lücken  nach  Möglichkeit  ausgefüllt  werden  sollen.  — 

I.  Epitheliome  und  Papillome. 

Litterat  ur. 

1.  d'Aulnay,   Traitement   des    v^g^tations    genitales   chez  la   feromo.     Bataille   et   Co. 
Paris  1893. 

2.  Hocker,  Zur  Lehre  von    den  gutartigen  centralen  Epithelialgeschwülsten  der  Kiefor- 
knochen.    Arcb.  f.  klin.  Chirurg.  Bd.  47  S.  52 

3.  Bonorden,  über  ein  meningeales  Cholesteatom  mit  Haaren  und  Talgdrfiaen.    Ziegl. 
Beitr.  Bd.  XI.  S.  892. 

4.  Bornemann,   Fälle  von   multiplen   Larynxpapillomen  bei    Kindern.     Deutsch,   med. 
Wochenschr.  Bd.  XVII.  Nr.  15. 

5.  Garel,  Papillome  du  larynx  chez  Tenfant.    Revue  de  laryngol.  XII.  1891. 

6.  Hansemann,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1894.  Nr.  1. 

7.  Israel,  0.,   Epithelioma  folliculare  cutis.    Festschr.    f.  R.   Virchow.     Berlin  1S91. 
G.  Reimer. 

8.  Kromayer,  K.,  Die  Histogenese  der  MoUuskumkörperchen.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  1^2. 
S.  62. 

9.  Kruse,   A.,  Über  die  Entwickelung  cystischer  Geschwülste  im  Unterkiefer.    Vi  roh. 
Arch.  Bd.  124.  S.  137. 

10.  Kürsteiner,   Beitr.  zur  pathol.  Anatomie  der  Papillome  und  papillomat  Krebse  von 
Harnblase  u.  Uterus.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  130.  S.  463. 

11.  Lange,  Ein  Fall  von  multiplen  Papillomen  an  Tonsille,  Zunge  und  Epiglottis.   Deutsch. 
Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  40.  S*  463. 

12.  Landermann,    Condylom  ata  acnminata  im   Kindesalter.     Wien.  med.   Wochenschr. 
1891.  Nr.  21. 

13.  Macallum,  Joum.  of  cutan.  and  genit.  dis.  1892.  S.  1893. 

14.  Massin,   Ein  Fall  von  angeborenem  Epitheliom  entstanden,   aus  dem  Schmelzorgan. 
Vir  eh.  Arch.  Bd.  136.  S.  328. 

15.  Mingazzini,   Sul  moUusco  contagioso  e  snl  vajolo  dei  polli.    Policlin.  L  15.  S.  Hoö. 

16.  Neisser,  Über  die  parasitäre  Natur  des  Molluscum  contagiosum.    Monatsh.  f.  prakt 
Dermatol.  1882.  8.  17. 

17.  Derselbe,  Über  das  Epithelioma  (sive  Molluscum)  contag.    Vierteljahrschr.  f.  Dermatol. 
u.  Syph.  Bd.  15.  S.  553;  femer  Verhandl.  der  deutsch,  dermatol.  Gesellsch.  1892.  S.  90. 

18.  Derselbe,   Über  Molluscum  contagiosum.     Sonder- Abdruck  aus  den   Verhandl.  des 
4.  deutschen  Dermatol.  Kongr. 

19.  Pecirka,  Sur  les  papillomes  de  la  peau.  Sbomik  l&kerska.    Prag  1891. 

20.  Petersen,   Über  die  sogenannten  „Psorospermien*  der  Darierschen   Krankheit    CtU. 
f.  Bakteriol.  Bd.  14.  S.  477. 


Epitheliome,  Papillome.  399 

21.  Pick,  Arch.  f.  Dermatol. 

22.  Pilliet,  Deux  cas  d'^pithelioma  calcifi^.    Bnllet.  de  la  soc.  anatom.  des  Paris.  1890. 
Nr.  13. 

23.  Ravolgi,  Psorospermois  cutis.    Monatsh.  f.  prakt.  Dermatol.  Bd.  18.  S.  165. 

34.  Siegert,  Über  primäre  Geschwulst«  der  onteren  Luftwege.    Virch.  Arch.  Bd.  129. 

S.  413. 
2.').  Tarni  er,  Y^g^tations  valvovaginales  de  la  grossesse.    Semaine  med.  Xll.  1892.  Nr.  6. 
%.  Török  und  Tommasoli,   Ober  das  Wesen  des  Epithelioma  contagios.    Monatsh.  f. 

prakt  Dermatol.  1890.  Bd.  I.  Nr.  4. 
27.  Touton,   Beitrag  zur  Lehre  von   der  parasitären  Natur  des  Molluscum  contagiosum. 

Sonder-Abdr.  aus  d.  Verhandl.  des  4.  deutsch.  Dermatol.-Kongresses. 
2^.  Unna,  Die  Histopathologie  der  flaut.     1894. 

29.  Wagen  mann,  Über  ein  Papillom   der  Konjunktiva  mit   ausgedehnter  Bildung    von 
Becherzellen.    Arch.  f.  Ophthalmol.  Bd.  40.  S.  250. 

30.  Ziegler,  Lehrbuch.  8.  Aufl.  1895. 

U.  Zimmermann,  W.,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  pathol.  Anatomie  der  polypoiden  Neubil- 
dungen der  Konjunktiva.    Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilkunde.  Bd.  82. 


Die  nicht-krebsigen  epithelialen  Neubildungen,  welche  nicht  gerade 
einen  drüsigen  Bau  besitzen  und  deswegen  zu  den  Adenomen  gerechnet 
werden,  erfreuen  sich  in  der  Litteratur  einer  verhältnismässig  geringfügigen 
Berücksichtigung.  Schon  ihre  Benennung  ist  eine  etwas  strittige;  die 
Franzosen,  die  den  Ausdruck  Epitheliom  häufig  gebrauchen,  pflegen  da- 
runter gerade  auch  krebsige  Neubildungen  zu  verstehen,  so  dass  die  Be- 
nennung in  der  deutschen  Litteratur  sich  keinen  rechten  Eingang  hat  ver- 
schaffen können  und  nur  für  ein  eng  begrenztes  Gebiet  epithelialer  Neu- 
bildungen in  Gebrauch  ist.  Die  häufigere  Benennung  „Papillom"  ist  eine 
rein  morphologische,  von  mancher  Seite  angefochtene,  die  auch  nur  für 
«lie  zusammengesetzteren  Neubildungen  passt,  bei  denen  sowohl  eine  Wuche- 
rung von  Bindegewebe  wie  von  Epithelien  vorhanden  ist.  Gerade  des- 
wegen, weil  die  Wucherung  beider  Gewebsarten  in  sehr  verschiedener  Weise 
ausgeprägt  ist  und  bald  die  des  Bindegewebes,  bald  die  der  Epithelien 
überwiegt,  sind  sie  von  den  einen  als  „papilläre  Fibrome''  (Klebs),  von 
den  andern  als  „papilläre  Epitheliome"  bezeichnet  worden.  Es  ist  auch 
hier  nicht  zweckmässig,  auf  die  genauere  Struktur  dieser  Bildungen  ein- 
zugehen, da  ich  bei  den  Carcinomen  im  Anschluss  an  Ribberts  Ausf üh- . 
mngen  und  die  Arbeit  seines  Schülers  Biedermann  noch  darauf  zu 
sprechen  komme.  —  Hier  sei  in  erster  Linie  derjenigen  Tumoren  gedacht, 
die  fast  allein  in  der  deutschen  Litteratur  den  Namen  „Epitheliome" 
tragen  und  in  neuerer  Zeit  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Ätiologie  mannig- 
fache Bearbeitung  gefunden  haben.  Es  ist  das  sogen.  Epithelioma  oder 
Molluscum  contagiosum.  Bekanntlich  handelt  es  sich  hierbei  um  eine 
im  grossen  und  ganzen  gutartige  Krankheit,  wenn  auch  die  Tumoren 
nicht  selten  in  grosser  Anzahl  vorhanden  sein  können.    Die  Geschwülste 


400  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

sind  weich,  selten  über  erbsengross  und  zeigen  in  der  Mitte  eine  trichter- 
förmige Öffnung,  welche  einem  Haarfollikel  entspricht,  um  den  sich  die 
Geschwülste  gruppieren;  auf  Druck  kann  man  aus  dieser  centralen  Ein- 
ziehung eine  breiige  Masse  entleeren,  welche  die  Molluskumkörpercheii 
enthalten.  Zwei  Punkte  sind  es  nun,  welche  immer  noch  umstritten  sind: 
1.  die  Histogenese  des  Epithelioma  molluscum  und  2.  die  Bedeutung  uiul 
Natur  der  Molluskumkörperchen.  —  In  Bezug  auf  die  Histogenese  hat  vor 
allem  Ne isser  (9 — 11)  ausgeführt,  dass  es  sich  um  eine  epidermoidale 
Wucherung  handelt,  welche  von  den  untersten  Epithelschichten  ausgeht. 
Von  anderer  Seite  wird  dagegen  immer  noch  die  Meinung  vertreten,  da?s 
die  Epithelwucherung  von  den  Follikelepithelien  den  Ausgang  nimmt. 
Wenn  auch  die  von  Kaposi  lang  festgehaltene  Meinung,  dass  das  Mol- 
luscum contag.  nichts  als  eine  Degeneration  der  Talgdrüsen  sei,  nirgends 
mehr  Unterstützung  findet,  so  hat  doch  besonders  0.  Israel  (3)  auf  Grund 
der  Untersuchung  einiger  Fälle  die  Eutwickelung  aus  Follikelepithelien 
in  den  Vordergrund  stellen  wollen.  Er  führt  dafür  folgendes  an:  1.  lässt 
sich  der  lappige  Bau  der  betr.  Neubildungen  am  besten  erklären,  wenn 
man  sie  von  den  Follikeln  ableitet;  2.  soll  man  öfter  in  der  centralen 
Delle  der  Tumoren  ein  zartes  Haar  nachweisen  können;  3.  ist  die  That- 
sache,  dass  die  eigentUche  Epidermis  oft  atropisch  über  dem  Tumor  er- 
scheint, nur  dann  zu  verstehen,  wenn  die  Wucherung  von  den  sub- 
epidermoidal  gelegenen  Epithelien  ausgeht.  Israel  hat  deswegen  auch 
für  die  von  ihm  näher  untersuchten  3  Neubildungen  die  Benennung 
„Epithelioma  follicuhire  cutis''  vorgeschlagen.  Gegen  diese  Auffassung 
ist  besonders  Neisser  (11)  aufgetreten.  Ein  Hauptargument  besteht  für 
ihn  darin,  dass  es  auch  durch  Serienschnitte  nicht  gelingt,  direkt  einen 
Zusammenhang  zwischen  den  HautfoUikeln  und  der  Epithelwucherung 
nachzuweisen;  weiter  spricht  dagegen  die  auch  von  Kromayer  (4)  zu- 
gegebene ausgesprochene  Fibrillarstruktur  der  MoUuskumepitheUen,  welche 
an  den  Zellen  der  HaarfolHkel  nur  schwer  und  undeutUch  und  denen  der 
Talgdrüsen  gar  nicht  zu  demonstrieren  ist;  auch  bestreitet  Neisser,  dass 
man  in  der  MoUuskumdelle  ein  Haar  nachweisen  kann  und  glaubt,  dass 
auch  der  lappige  Bau  und  die  ausgesprochene  Zapfenbildung  nicht  durcli 
die  Israel  sehe  Annahme  einer  Abstammung  von  HaarfolUkeln  erklärt 
wird.  EndHch  bezweifelt  er,  dass  zwei  von  den  Israelschen  Tumoren 
überhaupt  zum  Molluscum  contagiosum  gehören  und  bezeichnet  den  ersten 
Israelschen  Tumor  als  ein  durchaus  atypisches  Molluskum.  Man  \nrd 
Neisser  darin  Recht  geben  müssen,  dass  die  Israelschen  Untersucli- 
imgen  nicht  geeignet  sind,  ein  sicheres  Bild  von  der  normalen  Eutwicke- 
lung des  Epithehoma  contagiosum  zu  geben,  da  sie  zum  mindesten  atypisclie 
Neubildungen  darstellen;   auch   das  dürfte  kaum   zu  bestreiten  sein,  dass 


Epithelioinc,  Papillome.  401 

<]pr  lappige  Bau    der  Neubildungen    ganz   gut   durch   eine   Vergnisserung 
der  präformierten   Rete-Einsenkungen    erklärt  werden  kann.    Doch  geht 
übrigens    auch    Ne isser    nicht    so    weit,    eine  Beteiligung   der    Follikel 
vollkommen  ausschliessen  zu  wollen;  er  selbst  hat  sie  nur  nie  beobachtet 
und  es  ist  wahrscheinlich,   dass  sie  eben   nur  in  atypischen  Fällen  vor- 
kommt.    Von  prinzipieller  Wichtigkeit  ist  es  aber  —  und  das  wird  wohl 
von  allen  Untersuchern  zugegeben  —  dass  im   Gegensatz  zu  den  eigent- 
lichen papillären  Neubildungen  das  Bindegewebe  am  Aufbau  der  Tumoren 
so  gut  wie  unbeteihgt  ist  und  man  es  thatsächlich  mit  einer  rein  epi- 
thelialen Neubildung  zu  thun  hat.   —   Am  meisten   und  heftigsten 
umstritten  ist  die  Frage  nach  der  Natur  und  Bedeutung  der  Molluskuni- 
kürperchen ;  welche  mit  den  auffallendsten  Bestandteil  dieser  Neubildungen 
ausmachen.     Virchow    ist  bekanntlich  der   erste  gewesen,   welcher  die 
Ähnlichkeit  der  Molluskumkörperchen  mit  den  Coccidien  der  Kaninchen- 
leber hervorgehoben  hat  und  auch  eine  Zeit  lang  daran  dachte,   dass  sie 
„die  Elemente  seien,  welche  die  Vermittler   des   Kontagion    ausmachen'' 
(21.  Dez.   1864, 'vgl.  Berlin,   klin.   Wochenschr.    1865.   S.  36)»).     Seitdem 
hal>en  Bollinger,    Neisser,   Rivolta    und   viele   andere  unermüdlicli 
die  Anschauung  verfochten,  dass  die  in  den  Epitheliomen  von  Tieren  und 
Menschen  vorkommenden   auffallenden  Gebilde  protozoenartige  Parasiten 
und  die  Erreger  der  Neubildung  sind.     Auf  der  anderen  Seite   wird  von 
Hansemann  (2),  O.  Israel  (3),  Kromayer  (4),  Macallum  (6),  Peter- 
sen (12),  Török  und  Tommasoli  (17),   sowie  Unna  (lU)  diese  Autfas- 
sung bekämpft  und  hervorgehoben,   dass   es  sich  nur  um   allerdings  be- 
sonders eigenartige  Epitheldegenerationen    handelt.    —  Es   kann    keinem 
Zweifel  unterliegen,   dass  die  Beurteilung  der  in  den  Epithelien  liegenden 
K<jrper    eine  sehr   schwierige  ist.     In  seiner  ersten   ausführlichen    Arbeit 
j^childert  Neisser  die  Verhältnisse  folgendermassen.     An  den  gewucherten 
Epithelien,  welche  als  mächtige,   nach  unten  sich    verbreiternde  Kolben 
und  Stränge   in    die  Tiefe   ragen,   kann    man    mehrere  Schichten   unter- 
scheiden:  die  oberste  zeigt  normale,  verhältnismässig  schmale  Epithelien 
mit  grossen  Kernen  und  spärlichen  Mitosen;  in  der  nächstfolgenden  Schicht, 
aber  bis  in  die  tiefsten  Epithelzapfen  reichend,  wenngleich  nicht  alle  Zellen 
iK'fallen  werden,   sieht  man  neben  dein  Kern   helle  kleine  Tropfen  und 


1)  Nei88er(10)hat  somit  nicht  Recht,  wenn  er  K leb s  als  den  ersten  bezeichnet,  der 
die  parasitenartige  Natur  der  Molluskumkörper  ^angedeutet"  hat,  da  seine  Arbeit.  3  Jahre 
später  erfolgte,  als  die  Virchow  s.  Trotzdem  kann  man  letzteren  nicht,  wie  es  von 
Neisser  geschieht,  als  einen  Verfechter  der  Coccidiennatur  der  Molluskumkörperchen  an- 
fuhren. Denn  in  seiner  ausführlichen,  späteren  Publikation  (sein  Archiv  ßd.  33.  S.  151) 
erklärt  er  ansdrQcklich,  dass  er  , nichts  wahrgenommen  habe,  was  auf  einen  solchen  (parasi- 
tkren)  Ursprung  hinweise.* 

Liibar<;ch  •OstortA  {;,  Er^obniAse  Abteil.  II.  26 


402  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

Kügelchen,  welche  oft  den  Kern  halbmondförmig  einbuchten,  aber  hier 
und  da  auch  zwischen  den  Zellen  liegen.  An  IsoUerpräparaten  erscheinen 
sie  als  ovale,  an  beiden  Enden  zugespitzte  Körpercheu,  mit  einer  nicht 
konstant  nachweisbaren  dunkleren,  als  Kern  gedeuteten  Zusammen- 
ballung des  Protoplasmas.  Die  (yrösse  der  Gebilde  ist  verschieden;  je 
grösser  sie  werden,  um  so  mehr  wird  der  Zellkern  zur  Seite  gedrängt  uiul 
kleiner;  die  Zellwand  und  das  Zellprotoplasma  verhornt  und  schliesslich 
bleibt  eine  glänzende,  fast  homogene  rundlich  bis  ovale,  mit  einem  einge- 
drückten Kern  versehene  Masse  zurück,  welche  das  sog.  MoUuskumkörper- 
chen  darstellt  und  nach  Neisser  als  verhornte,  kernresthaltige  mit  den 
Parasiten  angefüllte  Epithelzelle  aufzufassen  ist.  Den  Entwickelungsgang 
stellte  sich  Ne isser  folgendermassen  vor:  zuerst  tritt  in  der  Nähe  des 
Zellkerns  eine  trübe,  feinkörnige,  hüllenlose  Scholle  auf,  welche  aus  hellen, 
ungemein  kleinen,  wandungslosen  Körperchen  zusammengesetzt  ist.  Sie 
stellt  das  Stadium  der  hüllenlosen  Gregarine  dar;  allmählich  grup- 
piert sich  die  gleichmässige  Trübung  zu  kleinen  dunklen  Kügelchen,  aus 
denen  wiederum  die  hellen,  glänzenden,  ovalen  Gebilde  hervorgehen,  die 
oft  in  der  Zahl  von  7,  8,  10  oder  mehr  Individuen  in  der  Zelle  hegen. 
(Stadium  der  Sporulation.)  Diese  Sporen  sollen  bei  Osmiumbehand- 
lung besonders  im  Centrum  eine  schwärzlich  graue  Substanz,  ja  mitunter 
einen  deuthchen,  scharf  konturierten  Kern  erkennen  lassen.  Ob  ein 
weiteres  Entwickelungsstadium ,  vor  allem  ein  Encystierungsprozess 
vorkommt,  bUeb  zunächst  zweifelhaft.  Doch  hat  Neisser  später  rait 
grosser  Bestimmtheit  angegeben,  dass  die  glänzenden  Körperchen  inner- 
halb jeder  einzelnen  Zelle  durch  eine  besondere,  scharfe  Kontur  vom 
übrigen  Protoplasma  abgegrenzt  werden,  also  eine  deutliche  Sporen- 
cystenwand  vorhanden  ist.  Am  beweisendsten  für  die  parasitäre  Natur 
scheinen  ihm  in  neuester  Zeit  diejenigen  Bilder,  die  er  an  feinen  Gefrier- 
mikrotomschnitten gewann,  die  er  in  gewöhnlichem  Wasser  oder  in  ganz 
verdünnter  Sublimatlösung  untersuchte;  hier  sieht  man  nämlich  in  den 
tiefsten  Epithellagen  in  den  Zellen  eine  krümlige,  diffus  kömige  Masse, 
aus  der  allmählich  scharf  begrenzte  Körper  hervorgehen,  die  schliesslich  in 
den  oberen  Epithelschichten  sich  zu  scharf  begrenzten,  homogen  glänzenden, 
bald  rundlichen,  bald  ovalen  Körpern  differenzieren.  Diese  Bilder,  die  man 
in  gleicher  Deutlichkeit  auch  bei  Härtung  in  Osmium-Palladiumlösung  er- 
hält, sollen  mit  grösster  Sicherheit  zeigen,  dass  man  es  mit  organisierten, 
sich  fortentwickelnden  Gebilden  zu  thun  hat.  Mit  diesen  Schilderungen 
Neissers  stimmen  noch  am  besten  die  von  Touton  (18)  überein  und 
auch  Ziegler  (30)  schliesst  sich  im  wesentUchen  Neisser  an.  Touton 
untersuchte  in  der  Weise,  dass  er  die  mit  scharfem  Löffel  entfernten  Par- 
tikel eines  Mollusc.  contag.  von  der  Supraorbitalgegend  in  kleine  Schälchen 


Epitlieliome,  Papillome. 


403 


«f 


mit  physiologischer  Kochsalzlösung  legte,  unter  einer  Glasglocke  ofEen 
stehen  Hess  und  dann  nach  1—4  Wochen  untersuchte.  Er  beschreibt 
dann  in  Präparaten,  die  ca.  1  Monat  nach  dem  Einlegen  in  die  Kochsalz- 
lösung untersucht  wurden,  „in  kleineren  oder  grösseren  Gruppen  zusammen- 
liegende, 10 — 15  //  im  Durchmesser  haltende  rund- 
lich-ovale, stumpf-keilförmige,  auch  mehr  quadrati- 
sche und  rechteckige  Körper  mit  abgerundeten 
Ecken",  von  denen  die  meisten  eine  zarte  Mem- 
i)ran  besitzen,  einzelne  aber  hüllenlos  sind;  das 
Protoplasma  ist  fein  granuliert;  in  der  Mitte  oder 
auch  an  der  -Peripherie  findet  sich  ein  in  einem 
hellen  Fleck  liegendes  rundes  homogenes  Körperchen. 
Einzelne  dieser  Körper  besitzen  auch  feinere  oder 
gröbere  Fortsätze  mit  bald  dickeren,  bald  dünneren 

( Tranulis.  Die  grössten  Gebilde  sind  mehr  eiförmig  von  40—50  /<  Grösse 
und  kräftigerer  Membran.  In  ihnen  treten  grössere  Körner  auf,  die  bei 
Jo<lzusatz  braun  erscheinen  und  deswegen  als  „Gregarinenkömer*'  be- 
zeichnet werden;  ebenso  wird  immer  mehr  eine  Differenzierung  zwischen 
einem  gröberen  granulierten  Ento-  und  einem  fein  granulierten  Ektoplasma 
deutlich.  (Fig.  B  2  a— c.)  Touton  führt  des  näheren  aus,  wie  alle  diese 
Formen  bis  in  Einzelheiten  hinein  Übereinstimmung  mit  Coccidien-  und 
iiregarinenformen  darbieten.     In  kürzere  Zeit  macerierten  Stückchen  findet 


Fif.  A  (nach  Neisser.) 


a 


Fig.  B  (iiAoh  ToQton.) 

man  endhch  Epithelzellen,  welche  grosse  homogene  Körper  enthalten,  wie 
sie  auf  Fig.  3  abgebildet  sind.  Zwar  verschwindet  in  diesem  Stadium  der 
Kern,  aber  der  Nachweis  einer  Sporenbildung  gelang  nicht,  was  im  Gegen- 
satz zuNeissers  Angaben  hervorgehoben  werden  muss.  Dagegen  glaubt 
Israel,  dass  in  der  Kochsalzlösung  eine  Vermehrung  der  Parasiten  statt- 
fand, da  er  die  kleinsten  von  ihnen  oft  in  grossen  Rasen  frei  antraf,  während 
^sie  in  den  Zellen  nur  in  kleinerer  Anzahl  (3—5)  zu  finden  waren;  eine 
Angabe,  die  wiederum  von  Neisser  nicht  bestätigt  werden  konnte.  Im 
übrigen  aber  stimmen  beide  Autoren  darin  überein,  dass  die  beschriebenen 
Gebilde  als  Parasiten  und  zwar  als  Sporozoen  angesehen  werden  müssen, 
welche  den  Coccidien   am  nächsten  stehen.     Andere   Autoren,   wie  z.   B. 

26* 


404  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

L.  Pfeiffer  und  Mingazzini  (8),  weichen  nicht  nur  in  der  Beschreibung 
der  Einzelheiten  vielfach  sehr  bedeutend  von  Neisser  und  Touton  ab, 
sondern  sind  auch  mit  der  Klassifizierung  nicht  einverstanden.  Pfeiffer 
glaubt,  dass  es  sich  weder  um  Coccidien  noch  Gregarinen  handelt,  sondern 
um  Amöbosporodien  und  Mingazzini  bezweifelt  sogar  die  tierische 
Natur  der  Parasiten,  nach  ihm  vermehren  sich  die  Parasiten  in  den  Epi- 
thelien  durch  Knospung;  eine  Sporenbildung  soll  nur  im  Darm  von  In- 
sekten stattfinden,  wo  sie  aus  der  Erde  hingelangen;  er  vermutet,  dass  es 
sich  um  einen  zur  Familie  der  Chitridiaccen  gehörigen  Pilz  handelt  und 
giebt  an,  dass  er  sowohl  in  reinem  sterilisierten  Wasser,  als  auch  in  Wasser, 
dem  Exkremente  von  Tauben  zugefügt  sind,  leicht  gezüchtet. werden  kann. 
—  Neben  den  speziellen  Beobachtungen  sind  es  eine  Reihe  von  allge- 
meinen Gründen,  die  Neisser,  Touton  und  viele  andere  Dermatologen 
dazu  bestimmen,  die  Molluskumkörperchen  für  Parasiten  zu  halten.  In 
erster  Linie  gehört  dahin  die  wohl  nicht  zu  bezweifelnde  Thatsache,  dass 
das  Epithelioma  wirklich  kontagiös  ist;  nach  älteren  Versuchen  von  Haab 
und  Vidal  ist  neuerdings  wohl  durchaus  einwandsfrei  von  Pick  (12)  der 
Beweis  erbracht  worden,  dass  es  sich  um  eine  übertragbare  Krankheit  mit 
langer  Inkubationszeit  handelt.  Weiter  führt  Neisser  folgende  Gründe  an: 
1.  Da  die  Epithelwucherung  beim  Molluscum  contag.  sowohl  von  der  bei 
der  Carcinombildung,  wde  der  aller  entzündlichen  Epithelhyperplasieen  prin- 
zipiell verschieden  ist  und  nicht  auf  innerer,  angeborener  Anlage  beniht, 
muss  sie  auf  einer  äusseren  Ursache  beruhen,  die  bei  einem  Gebilde,  das 
kontagiös  und  inokulabel  ist,  eine  parasitäre  sein  muss.  2.  Es  ist 
unmöglich,  das  Auftreten  der  beschriebenen  Gebilde  durch  die  Degene- 
rationshypothese zu  erklären,  wie  schon  daraus  hervorgeht,  dass  man  ähn- 
liches bei  bekannten  Zelldegenerationen  nicht  zu  sehen  bekommt  uml 
auch  unter  den  verschiedenen  Autoren,  die  eine  Zelldegeneration  annehmen, 
keine  Übereinstimmung  über  die  Natur  derselben  besteht,  vielmehr  die 
einen  sie  als  kolloide,  die  anderen  als  hyaline  oder  homartige  Degeneration 
bezeichnen.  —  Touton  fügt  noch  hinzu,  dass  der  Vergleich  mit  den  bei 
Hühnern  und  Tauben  vorkommenden  ^Epitheliomen,  „welche  sicher  durch 
Gregarinen  verursacht  sind'',  sehr  für  die  Protozoennatur  spricht,  ferner 
auch  der  Umstand,  dass  reichliche  Molluskum-Eruptionen  nicht  selten  bei 
Leuten  vorkommen,  die  nach  länger  dauernden  Hautmacerationen  kräftige 
Wasserapplikationen  durchgemacht  haben  und  bekanntermassen  Gregarinen 
und  Coccidien  im  Wasser  gut  gedeihen  können. 

Wenn  wir  bei  der  Kritik  zunächst  auf  die  beiden  letzten  Punkte 
eingehen  wollen,  so  sei  hervorgehoben,  dass  der  letzte  Punkt  doch  höch- 
stens für  die  Pathogenese  von  Bedeutung  sein  könnte,  w^enn  die  parasitäre 
Natur  der    Affektion    und   der    gefundenen  Gebilde   völlig  sicher  gestellt 


Kpitheliomo,  Papillome.  4Q5 

wiire.  Ciegen  die  Ansiclit,  dass  bei  den  Epitheliomen  der  C;efiügel[)oeken 
„sicher  Gregarinen''  die  Ursache  der  Erkrankung  sind,  muss  aber  ent- 
schieden Front  gemacht  werden.  Auch  hier  liegen  die  Verhältnisse  nocli 
keineswegs  klarer,  wie  beim  Epithelioma  contag.  des  Menschen;  die  An- 
piben  L.  Pfeiffers  sind  z.  T.  ganz  unzuverlässig;  hier  ist  es  vielmehr 
völlig  sicher,  dass  ein  Teil  der  von  ihm  als  Entwickelungstadien  des  Para- 
siten gedeuteten  Formen  Leukocyten  oder  degenerierte  Epithelien  sind; 
und  auch  die  Angaben  anderer  Beobachter  (Bollinger,  Rivolta,  Min- 
gazzini)  stimmen  unter  einander  weder  in  Einzelheiten,  noch  in  der  all- 
gemeinen Auffassung  überein;  man  ist  wohl  berechtigt,  die  grosse  Ver- 
wandtschaft der  beim  Menschen  und  Vögeln  vorkommenden  AfEektionen 
zu  betonen  und  den  Satz  aufzustellen,  dass,  wenn  die  eine  Affektion  durch 
Sporozoen  hervorgebracht  ist,  es  auch  die  andere  sein  muss.  Aber  die 
unsicheren  Beobachtungen  bei  den  Geflügelpocken  zur  Stütze  der  unsicheren 
oder  wenigstens  vieldeutigen  Beobachtungen  beim  Menschen  zu  verwerten, 
ist  eine  Unmöglichkeit.  —  Wenden  wir  uns  zuNeissers  Argumentationen, 
so  wird  man  ihm  in  seinen  Ausführungen  bis  ins  einzelne  beistimmen 
können,  ohne  doch  zugeben  zu  müssen,  dass  die  Molluskumkörperchen  die 
mit  Recht  postulierten  Parasiten  sind.  Auch  bei  anderen  Krankheiten  (den 
akuten  Exanthemen,  Syphilis  etc.)  nehmen  wir  mit  vollstem  Recht  an,  dass 
Mikroparasiten  die  Erreger  der  Erkrankung  sind,  ohne  uns  doch  davon 
abhalten  zu  lassen,  die  einzelnen  Befunde  sachlich  zu  beurteilen.  So  lange 
es  gilt,  überhaupt  erst  die  Protozoennatur  der  beschriebenen  Gebilde  zu 
beweisen,  kann  also  in  der  Kontagiosität  des  Leidens  ein  unterstützender 
Grund  nicht  gesehen  werden.  Ebensowenig  stichhaltig  erscheint  der  zweite 
(jrund  Neissers.  Man  muss  ihm  zwar  darin  Recht  geben,  dass  unter 
den  verschiedenen  Autoren,  welche  von  Zelldegeneration  sprechen,  eine 
Übereinstimmung  über  die  Art  der  Zelldegeneration  nicht  besteht;  aber  das 
beweist  nur,  dass  die  üblichen  Ausdrücke  „hyalin'',  „kolloid"  oder  hornartig 
zu  vage  sind  und  auch  thatsächlich  auf  den  vorliegenden  Prozess  nicht  zu- 
treffen. Beachtenswerter  erscheint  daher  der  Versuch  Kromayers  (4)  die 
besonderen  eigenartigen  Formen  durch  einen  Zerfall  der  Epithelfasern  zu 
erklären  und  das,  was  Neisser  dagegen  einwendet,  ist  nicht  gerade  sehr 
viel,  wenn  man  ihm  vielleicht  auch  darin  Recht  geben  mag,  dass  nicht 
sämtliche  Fonnen  in  der  von  K  rom  ay  e  r  angedeuteten  Weise  erklärt  werden 
können.  Die  Haupteinwendungen  gelten  aber  der  eingreifenden  Methode 
Kromayers;  und  da  möchte  ich  doch  bemerken,  dass  man  ganz  ähnliche 
Bilder  auch  mit  der  Alt  mann  sehen  Granularmethode  erhalten  kann. 
Weun  man  also  auch  zugeben  muss,  dass  die  Degenerationshypothese 
Lücken  aufweist,  so  steht  es  doch  mit  der  Protozoenhypothese  nicht  viel 
besser;  hier  sind  sogar  über  prinzipielle  Punkte  noch  mannigfache  Differenzen 


406  Allgem.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

vorhanden;  Neisser  beschreibt  Sporen  und  Sporencystenbildung,  Touton 
hat  nichts  davon  wahrnehmen  können  und  in  den  Einzelheiten  muss  Neisser 
selbst  an  mehr  wie  einem  Punkte  zugeben,  dass  Lücken  bleiben  oder  noch 
keine  völlige  Klarheit  erzielt  wurde.  Man  kann  also  wohl  zweifeln,  ob  die 
Aktien  der  Protozoenhypothese  auch  nur  gleich  stehen  mit  denen  der  De- 
generationshypothese. Es  kommt  nun  aber  noch  ein  wichtiger  Punkt  in 
Betracht,  ob  nämlich  die  von  Neisser  und  Touton  in  erster  Linie  als 
Sporozoen  angesprochenen  Gebilde  sich  nicht  noch  bei  anderen  Erkran- 
kungen vorfinden.  Neisser  giebt  nur  kurz  an,  dass  man  bei  anderen 
Epithelwucherungen  nichts  Ähnliches  zu  sehen  bekäme  und  Touton  be- 
richtet, dass  er  auch  andere  Affektionen  nach  seiner  Methode  untersucht 
habe,  ohne  jedoch  gleiche  Befunde  zu  machen.  Von  anderer  Seite  liegen 
dagegen  Schilderungen  vor,  die  allerdings  nur  in  einigen  Punkten  mit  denen 
Neissers  und  Tou ton s  übereinstimmen,  sich  aber  auf  andere  Hautkrank- 
heiten beziehen.  Wenn  ich  auch  den  Angaben  Ravolgis  (15)  über  Be- 
funde von  gleichartigen  Protozoen  beim  Lupus  erythemathodes  keinen  allzu 
grossen  Wert  beimessen  will,  so  bleiben  doch  noch  die  Schilderungen  bei 
der  Darierschen  und  Pagetschen  Krankheit  übrig,  die  sich  zimi  Teil 
mit  den  Befunden  Neissers  und  anderer  decken.  Nun  könnte  man  freilich 
sagen,  wie  es  ja  auch  thatsächlich  geschieht,  dass  eben  auch  diese  Krank- 
heiten durch  Protozoen  hervorgebracht  werden.  Abgesehen  davon,  dass 
die  Kontagiosität  dieser  Erkrankungen  nicht  sicher  nachgewiesen  ist,  spricht 
aber  dagegen  der  vor  allem  von  Petersen  (12)  gelieferte  Nachweis,  dass 
die  bei  der  Darierschen  Krankheit  geschilderten  Gebilde  sich  auch  bei  den 
verschiedensten  einfachen  Hyperkeratosen  vorfinden  und  zum  Teil  wenig- 
stens mit  Sicherheit  als  Zell-  und  Kemdegenerationen  aufgefasst  werden 
müssen.  Ich  möchte  hier  vor  allem  das  betonen,  dass  sich  die  feine,  all- 
mähUch  immer  deutlicher  werdende  Körnelung  des  Protoplasmas  der  Epithel- 
zellen, wie  sie  Neisser  und  Touton  schildern  und  als  JugendstÄdiura 
der  Parasiten  betrachten,  entschieden  unter  den  verschiedensten  pathologi- 
schen Verhältnissen  nachweisen  lässt,  und  zwar  nicht  etwa  nur  an  Alkohol- 
präparaten, sondern  bei  den  verschiedensten  Fixierungsmethoden  (Alt- 
mannsches,  Hermannsches  undZenkersches  Gemisch,  Sublimatlösung); 
solche  Bilder  habe  ich  gefunden  1.  in  dem  Epithelüberzug  verschiedener 
Warzen,  2.  in  papillären  Erhebungen  und  Epithelverdickungen  in  der  Um- 
gebung von  Carcinomen,  3.  in  Exkrescenzen  der  Stimmbänder.  Namentlich 
in  einem  Falle  habe  ich  sie  in  solcher  Deutlichkeit  und  Reichlichkeit  ge- 
funden, dass  ich  im  Zweifel  blieb,  ob  es  sich  nicht  wirklich  um  ein  Epi- 
thelioma contag.  handelte;  da  aber  1.  ausser  am  Stimmbande  am  ganzen 
Körper  ähnliche  Neubildungen  nicht  vorhanden  waren,  und  2.  auch  histo- 
logisch die  Wucherung  nicht  mit  dem  MoUusc.  contag.  übereinstimmte  — 


Epitheliome,  Papillome.  407 

es  fehlte  die  Bildung  von  Epithclzapfen  und  der  gelappte  Bau  -  so  konnte 
das  ausgeschlossen  werden.  Die  beistehenden  Abbildungen  (Fig.  C)  zeigen  deut- 
lich die  Übereinstimmung  bezw.  Ähnlichkeit  mit  Neissers  und  Toutons 
Präparaten.  Endlich  habe  ich  in  diesem  Falle  auch  Gelegenheit  gehabt, 
Toutons  Macerirmethode  mit  gleichem  Erfolge  wie  er,  anzuwenden.  Frei- 
lich kann  ich  derselben  überhaupt  keinen  so  besonderen  Wert  beimessen ; 
sie  hat  ledigUch  den  Vorteil,  dass  sie  eventuelle  Zelleinschlüsse  frei  macht 
und  dadurch  eine  genauere  Untersuchung  ermöglicht;  eine  grosse  Bedeu- 
tung wäre  ihr  zugekommen,  wenn  man  eine  Vermehrung  der  als  Sporozoen 
jjjedeuteten  Gebilde  mit  Sicherheit  hätte  nachweisen  können.  Touton 
hat  aber  wohl  selbst  eingesehen,  dass  durch  seine  Notizen  über  das  Vor- 
kommen der  „Parasiten"  in  grossen  Rasen  eine  solche  Vermehrung  nicht 
bewiesen  ist;  Neisser  hat  geradezu  angegeben,  dass  er  irgend  etwas  von 
Fortentwickelung  nicht  gesehen  hat;  nur  grösser  und  deutlicher  schienen 
die  „Sporen"  zu  werden.  Andererseits  hat  aber  die  Touton  sehe  Unter- 
suchungsmethode den  Nachteil,  dass  sie  auch  am  Zellinhalt  Veränderungen 
hervorbringen  kann,  die  wir  noch  nicht  genügend  beurteilen  können. 
Freilich  meint  Neisser,  dass  gerade  der  Gegensatz  zwischen  dem  Zerfall 
der  gesunden  Epithelzellen  und  dem  stets  deutlicheren 
Hervortreten  der  intracellulären  kugeligen  Gebilde  für 
die  parasitäre  Natur  letzterer  spräche.  Aber  auch  das 
ist  nicht  strikte  beweisend;  denn  es  hegt  auf  der 
Hand,  dass,  wenn  es  sich  auch  um  degenerative 
Prozesse  handeln  sollte,  eine  besondere  nicht  nur 
morjihologische,  sondern  auch  chemische  Umwandlung 
des  Zellinhaltes  vorliegen  muss;  die  umgewandelten 
Epithelfibrillen  können  also,  obgleich  sie  durch  Degeneration  entstanden  sind 
gegen  Maceration  sehr  viel  resistenter  sein,  wie  normale;  ebenso,  wie  wir,  auch 
bei  anderen  pathologischen  Produkten  (Hyalin,  Amyloid)  eine  viel  stärkere 
Widerstandsfähigkeit  nachweisen  können,  als  sie  dem  normalen  Zelleiweiss  zu- 
kommt. —  Aus  allen  diesen  Gründen  muss  man,  glaube  ich,  den  Stand  der 
Dinge  dabei  präcisieren,  dass  ein  strikter  Beweis  für  die  Sporozoennatur  der 
Molluskumkörperchen  nicht  erbracht  ist  und  dass  vor  allem  ein  Teil  der 
beschriebenen  Gebilde  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  als  Degenerations- 
produkte angesehen  werden  müssen.  Für  mich  sind  meine  oben  geschilderten 
Befunde,  sowie  die  Petersens  doch  von  der  prinzipiellen  Wichtigkeit,  dass 
ich  nur  die  Alternative  sehe,  dass  entweder  eine  Reihe  der  allergowöhn- 
liehsten  Hyperkeratosen  und  Epithel  Wucherungen  durch  Protozoen  hervor- 
gebracht werden  oder  das  Auftreten  der  beim  Molluscum  contagiosum 
beobachteten  diffusen  Trübung  und  Kömelung  auf  Zelldegeneration  zurück- 
zuführen ist.   Vorläufig  erscheint  mir  das  letztere  wahrscheinlicher.   Trotzdem 


408  Allguin.  pathol.  Murphulogiu  und  i'bysiologic. 

lialto  ich  es  nicht  für  ausgeschlosöeii ,  dass  unter  den  von  NeisscM*  uinl 
Touton  beschriebenen  Formen  echte  Parasiten  gewesen  sind;  so  ist  es  vor 
allem  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Angabe  Toutous,  er  habe  im  Leibe  der 
erwachsenen  Formen  Gregarinenkörner  (mit  positiver  Jod-  und  Jod  H^SOi- 
rcaktion)  gefunden,  recht  bedeutungsvoll  ist;  immerhin  sind  auch  sie  nicLl 
absolut  beweisend ;  denn  bekanntlich  kommen  auch  in  den  Zellen  höherer 
Tiere  Umwandlungen  des  Protoplasmas  vor,  wobei  die  gleichen  tinktorielleii 
Reaktionen  .erzielt  werden,  wie  bei  Bütschlis  Paraglykogen  der  Coccidien 
und  üregarinen.  Ferner  habe  ich  wenigstens  in  den  Coccidien  der  Kaniuehen- 
leber  und  des  Salamanderdarmes,  sowie  bei  Clossia  niemals  die  Panigly 
kogenkörner  in  so  unregelmässiger  Weise  hegen  sehen,  wie  Touton  sie 
abbildet,  so  dass  auch  hier  die  Übereinstimmung  keine  vollständige  ist.  — 
Also  es  scheint  mir  für  einen  Teil  der  Zelleinschlüsse  höchst  w^ahrscheiulidi. 
dass  sie  Degenerationsvorgänge  sind ;  für  einen  anderen  Teil  noch  nicht 
genügend  bewiesen,  dass  sie  Parasiten  sind.  —  Wenn  es  noch  nicht  ge- 
lungen ist,  in  klarer  Weise  alle  Formen  auf  Zelldegenerationen  zurückzu- 
füliren,  so  liegt  das  auch  mit  an  unseren  lückenhaften  Kenntnissen  über 
den  feineren  Bau  der  Zelle  und  des  Kernes;  und  für  so  völHg  absurd 
möchte  ich  daher  Macallums  Versuch,  auch  aus  den  Kernen  austretende 
Substanzen  zur  Erklärung  der  Zelleinschlüsse  heranzuziehen,  nicht  halten, 
umso  mehr  als  die  Untersuchungen  über  Karyorhexis  gezeigt  haben, 
dass  bei  verschiedenen  Alterationen  der  Zelle  Kernbestandteile  in  den  Zell- 
inhalt übertreten  können.  —  Eine  Entscheidung  der  prinzipiell  so  äusserst 
wichtigen  Fragen  müssen  wir  demnach  erst  von  der  Zukunft  erwarten. 

Was  die  übrigen  als  Epitheliome  und  Papillome  bezeichneten  Neu- 
bildungen anbetrifft,  so  kommen  bei  ihrer  Genese  sowohl  die  irritativen 
Momente,  wie  die  Ableitung  von  embryonalen  Zellen  in  Betracht,  Die 
irritative  Entstehung  ist  ja  längst  sicher  gestellt,  bei  den  papillären 
Wucherungen,  die  man  als  spitze  Kondylome  bezeichnet  und  welche  be- 
kanntlich am  häufigsten  nach  voraufgegangener  Gonorrhoe  entstehen.  Doch 
ist  es  bekannt,  dass  sie  sich  auch  in  der  Gegend  der  Genital-  und  After- 
üffnungen  bei  anderen  entzündlichen  Prozessen  bilden.  d'Aulnay  (1) 
meint  geradezu,  dass  die  verschiedensten  stark  sauren  Flüssigkeiten  zu  einer 
Wucherung  der  Hautpapillen  Anlass  geben  können;  er  unterscheidet  dann 
drei  Arten  von  Papillomen,  die  sich  an  den  weiblichen  Genitalien  vorfin- 
den: 1.  die  in  der  Schwangerschaft  auftretenden;  2.  die  durch  reizende 
Absonderungen  aus  Urethra,  Vagina  und  Anus  hervorgebmchten ;  3.  die 
dyskrasischen ,  bei  Diabetes  und  Tuberkulose  auftretenden  Kondylome. 
Was  den  dritten  Punkt  anbetrifft,  so  ist  es  v;ohl  unw^ahrscheinlich ,  da.ss 
die  Dyskrasie  die  eigentliche  Ursache  der  Neubildung  ist,  sondern  wahr- 
scheinlicher,  dass   bei   den    mit    Kachexie    einliergehenden    Krankheiten, 


Kpitheliohic,  Papillome.  409 

iluTch  stärkere  Vermehrung  der  normalerweise  im  Genitaltraktua  vor- 
liaiidenen  Mikroben,  leicht  reizende  Flüssigkeiten  abgesondert  werden. 
Freilich  ist  es  nicht  immer  möglich,  das  reizende  Agens  direkt  nachzuweisen ; 
!?o  konnte  z.  B.  Landermann  (12)  in  vier  Fällen  von  nicht  gonorrhoischen 
spitzen  Kondylomen  der  Aftergegend,  welche  bei  Kindern  unter  3  Jahren 
sich  entwickelt  hatte,  nur  einmal  vorausgegangenen  Darmkatarrh  ätiolo- 
gisch verwerten;  aber  die  verschiedene  Entwdckelungsdauer  —  sie  schwankte, 
zwischen  14  Tagen  und  2  Jahren  —  zeigt,  dass  durch  fortgesetzte,  minimale 
für  uns  nicht  greifbare  Reize,  wenn  auch  ganz  allmählich,  der  gleiche 
Effekt  erzielt  werden  kann,  wie  durch  starke,  chemische  Reize.  Auch 
die  Angaben  Langes  (11)  über  die  starke  entzündliche  Infiltration,  die  man 
so  gut  wie  regelmässig  in  spitzen  Kondylomen  und  Papillomen  findet, 
weisen  auf  die  Bedeutung  eines  entzündHchen  Reizes  hin,  und  ebenso  heben 
Borne  mann  (4)  und  Gare  1(5)  hervor,  dass  bei  den  im  Kindesalter  auftreten- 
den, oft  multiplen  Papillomen  des  Larynx  voraufgegangene  entzündliche 
uud  infektiöse  Prozesse  der  Atmungsorgane  eine  Rollen  spielen,  so  war 
z.  B.  in  dem  P^all  Gar  eis  bei  einem  vierjährigen  Mädchen  Influenza  vor- 
ausgegangen. Noch  sicherer  tritt  in  diesem  Falle  die  Abhängigkeit  der 
Neubildung  von  irritativen  Prozessen  dadurch  hervor,  dass  nach  der  Tracheo- 
tomie,  d.  h.  nach  Fortfall  des  Irritamentes,  sich  der  Tumor  von  selbst  zu- 
rückbildete. Und  das  gleiche  gilt  nach  den  Beobachtungen  Tarniers(2o) 
für  die  in  der  Schwangerschaft  entstehenden  Kondylome  der  Vagina  und 
Vulva,  w^elche  gewöhnlich  bei  starker  Leukorrhoe  im  vierten  bis  fünften 
Monat  der  Schwangerschaft  entstehen  und  Erdbeer-  bis  Faustgrösse  er- 
reichen können ;  auch  sie  bilden  sich  nach  Ablauf  der  entzündlichen  Reizung 
im  Verlauf  des  Wochenbetts  meist  spontan  zurück.  Man  könnte  deswegen 
eigentlich  die  Meinung  vertreten,  dass  es  sich  nicht  um  „autonome"  Neu- 
bildungen handelt,  wenn  sie  nicht  im  Bau  mit  den  spitzen  Kondylomen 
vollkommen  übereinstimmten  und  sich  mitunter  auch  nicht  spontan  zurück- 
bildeten. Doch  giebt  es  auch  unter  den  Papillomen  solche,  die  wahrschein- 
lich kongenital  sind.  Dahin  gehören  1.  die  im  Kindesalter  auftretenden  papil- 
lären Bildungen  der  Harnblase,  die  Steinmetz  (24  a)  neuerdings  zusammen- 
gestellt hat  und  unter  denen  sich  einige  sicher  kongenitale  Fälle  finden. 
2.  Ein  Fall  von  Bornemann  von  multiplen  Kehlkopfspapillomen  bei 
einem  14  Monate  alten  Knaben,  wo  nach  der  Anamnese  eine  kongenitale 
Entstehung  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  ist.  3.  Der  Fall  von  Siegert  (24) : 
Papillom  der  Luftröhre.  Es  handelte  sich  um  einen  an  der  Bifurkation 
sitzenden,  in  den  rechten  Bronchus  hineinragenden,  taubeneigrossen,  blumen- 
kohlförmigen  Tumor,  welcher  an  seiner  Oberfläche  mit  ein-  oder  mehr- 
sdüchtigem  Stachel-  oder  Riffelzellenepithel  bekleidet  war;  in  die  liefe 
erstreckten   sich    interpapilläre   Zapfen    mit   Hornperlen.      Da    die    ganze 


410  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Wucherung  sich  selir  scliarf  gegen  das  CyHuderepithel  der  Luftröhre  ab- 
grenzte, so  glaubt  Siegert  eine  Epithelmetaplasie  ausschliesseu  und  einen 
Ausgang  von  embryonal  abgeschnürten  Keimen  annehmen  zu  dürfen, 
um  so  mehr  als  der  Sitz  des  Tumors  an  der  Stelle,  von  der  aus  die  Tren- 
nung zwischen  Lungen-  und  Speiseröhrenanlange  beginnt,  die  Annahme 
wesentlich  unterstützt.  Ob  auch  bei  den  multiplen  Papillomen  des  Lan^nx, 
die  nach  Bornemanns  Untersuchungen  so  oft  im  frühen  Kindesalter  sieb 
entwickeln,  eine  kongenitale  Anlage  oder  wenigstens  Disposition  eine  Rolle 
spielt,  muss  noch  dahin  gestellt  bleiben.  Die  grosse  Neigung  dieser  Neu 
bildungen  zur  Wiederkehr  könnte  eventuell  dafür  sprechen.  Ob  auch  die 
verkalkenden  Epitheliome,  wie  Pilliet  (22),  der  zwei  derartige  Fälle  be- 
obachtete, annimmt,  von  embryonal  verlagerten  Zellen  ausgehen  und  den 
Dermoiden  nahestehen,  ist  noch  zweifelhaft;  es  wird  hierauf  bei  den  Car- 
cinomen  nochmals  eingegangen  werden.  —  Eine  für  die  Genese  der  Tumoi-en 
nicht  unwichtige  Frage  ist  auch  die,  welches  Gewebe  zuerst  in  Wucherung 
gerät:  das  Bindegewebe  oder  die  Epithelien.  Pecirka  (19)  vertritt  die  erstere 
Meinung  und  führt  drei  Beispiele  an,  aus  denen  die  primäre  Beteiligung 
der  Blutgefässe  und  des  gefässführenden  Bindegewebes  bei  der  Entstehung 
von  Hautpapillomen  evident  sein  soll.  Kürsteiner  (10)  vertritt  besonders 
für  die  Papillome  der  Harnblase  und  Ovarien  die  entgegengesetzte  Auf- 
fassung, welche  auch  schon  früher  von  Eberth  für  ein  Papillom  der 
Tube  wahrscheinlich  gemacht  war,  er  glaubt,  dass  zunächst  die  Epithelien 
sich  vermehren,  dann  sogar  in  papillenförmigen,  aber  hohlen  Bildmigen 
sich  erheben,  in  die  erst  nachträgHch  die  gcfässführende ,  bindegewebige 
Achse  hineinwuchert.  Lange  spricht  allerdings  auch  von  einer  primären 
Verdickung  des  Epithels  durch  ausserordentüch  lebhafte  Wucherung  der 
Stachelzellen,  ohne  aber  eine  papillenförmige  Erhebung  des  Epithels  ohne 
Beteiligung  des  Bindegewebes  zuzulassen.  Denn  bei  der  ersten  Bildung 
einer  halbkugeligen  oder  wallartigen  Falte  sollen  sich  bereits  das  Binde- 
gewebe oder  die  Gefässe  beteiligen,  so  dass  überhaupt,  wie  auch  schon 
früher  angenommen  wurde,  durch  die  Bindegewebswucherung  die  Form 
bestimmt  wird.  Lange  schildert  geradezu,  dass  erst  durch  die  Bildung 
neuer  Gefässschlingen,  die  verdickten  Epithellagen  zu  erneuten  Zellteilungen 
angeregt  werden  und  so  den  Gefässen  das  Einwachsen  ermöglichen.  Auch 
Kürsteiners  Beobachtungen  beweisen  noch  nicht,  dass  eine  vom  Binde- 
gewebe unabhängige  Papillenbildung  durch  Epithelwucherung  allein  vor- 
kommt; auch  sein  Beispiel  von  den  papillären,  häufig  sekundäre  Wuche- 
rungen im  Peritoneum  bildenden  Flimmerepithelcysten  des  Eierstocks  ist 
nach  meiner  Meinung  nicht  stichhaltig;  denn  gerade  die  Wucherung  der 
Epithelien  kann  ziemlich  rasch  zu  einer  Bindegewebsneubildung  Anlass 
geben.     Das  Beispiel  zeigt  also  nur,  wie  ja  auch  Lange  annimmt,  d:i5S 


Kpithelionic,  Papillome.  411 

die  Epithelwücheruug  das  Primäre  sein  kann,  beweist  aber  nicht,  dass 
die  Papillenbildung  ohne  primäre  Bindegewebswucherung  entsteht.  Was 
(las  weitere  Wachstum  der  Papillome  anbetrifft,  so  glaubt  Lange,  dass 
auch  die  Leukocyten  hierbei  bedeutungsvoll  sind,  indem  die  diffus  vom 
Bindegewebe  in  Zügen  zwischen  die  Epithelien  einwandernden  Leukocyten 
das  Wachstum  der  Papillome  mächtig  fördern  sollen  (?).  Die  Aufgabe  der 
Leukocyten  in  den  Papillomen  ist  eine  doppelte;  die  in  Gruppen  auf- 
tretenden einkernigen  weissen  Blutzellen  besorgen  vermutlich  die  Fort- 
schaffung älterer,  funktionsunfähig  gewordener  Epithelien;  die  zerstreut 
an  die  Oberfläche  wandernden  Zellen  haben  dagegen  eine  mehr  entzünd- 
liche Bedeutung,  welche  wohl  von  der  Ansammlung  von  Mikroorganismen 
au  verletzten  Epithelien  abhängt.  —  Als  besondere  histologische  Befunde 
seien  die  Beobachtungen  Kürsteiners,  sowie  Wagen manns  (29)  und 
Zimmermanns  (30)  erwähnt.  Ersterer  fand  in  einem  Harnblasenpapillom 
zalilreiche  coccidienähnliche  Zelleinschlüsse,  auf  die  weiter  unten  bei  den 
Carcinomen  näher  eingegangen  wird.  Wagenmann  und  Zimmermann 
fanden  im  Papillomen  der  Konjunktiva  ausgedehnte  Bildung  von  Becher- 
zellen, während  im  übrigen  die  Befunde  Zimmermanns  zeigen,  dass 
papilläre  Wucherungen  sehr  verschiedenartiger  Zusammensetzung  sein 
können. 

Ene  besondere  Stellung  nehmen  diejenigen  epithelialen  Neubildungen 
ein,  welche  eine  mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Neigung  zur  Cysten- 
bildung  besitzen;  ein  Teil  derselben  ist  kurz  in  der  Zusammenstellung  von 
Marck  wald  erwähnt  worden ;  ein  anderer  Teil  wird  noch  bei  den  Adenomen 
und  Carcinomen  zu  berücksichtigen  sein,  doch  soll  im  nächsten  Jahrgang 
ebe  zusanmaenfassende  Darstellung  der  cystischen  Neubildungen,  einschliess- 
lich der  teratoiden  gegeben  werden.  Hier  sei  nur  noch  auf  wenige  Punkte 
eingegangen.  Zunächst  sei  erwähnt ,  dass  nach  den  Untersuchungen 
Chiaris  und  Frankes  auch  die  Atherome  nicht  ausschliesslich  als 
Retentionscysten  aufgefasst  werden  dürfen ;  sondern  z.  T.  wenigstens  als  aus 
verlagerten  Epidermiszellen  durch  Wucherung  und  Zerfall  entstÄudene  Epi- 
«iermoide  zu  betrachten  sind  ;  sie  würden  dann  in  gewisse  Analogie  zu  den 
traumatischen  Epithelcysten  der  Finger  und  des  Auges  zu  stellen  sein, 
nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  bei  den  Atheromen  die  Verlagerung  der 
Epidermiszellen  nicht  nachweisbar  an  äussere  Einflüsse  anschliesst.  Grössere 
Aufmerksamkeit  wurde  auch  den  cystischen  und  soliden  epithelialen  Neu- 
bildungen des  Kiefers  geschenkt,  seitdem  Malassez^)  zuerst  die  Meinung 
ausgesprochen  hatte,  dass  sie  von  bei  der  Bildung  des  Schmelzorgans  nicht 
verbrauchten  epitheüalen  Zellen  ausgehen ,  den  sogen,  „debris  epitheliaux 


i)  Arch.  de  physiol.  norm,  et  pathol.    S^rie  III.  Bd.  V.  1885. 


412  Allgcni.  paiLol.  Morphologie  und  Physiologie. 

paradentuires'',  welclic  man  nicht  selten  als  kleine  Epithelzellhaufen  aiuli 
im  Extrauterinleben  erhalten  findet.  Sowohl  die  Beobachtungen  Kruses  (% 
welcher  2  cystische  Neubildungen  des  Kiefers  untersuchte,  wie  die  von 
Massin  (14)  und  Becker  (2)  haben  wichtige  Stützen  für  Mallassezs 
Auffassung  erbracht.  Bei  Kruse  war  der  Beginn  der  Erkrankung  in  das 
11.  bezw.  12.  Lebensjahr  zurückzuführen;  auch  ergab  der  Vergleich  der 
Epithelzapfen  der  Geschwulst  mit  der  Zahnanlage  eines  6  Monate  alten 
Embryos,  dass  sie  in  jeder  Beziehung  mit  den  Elementen  des  Schmelz- 
organs übereinstimmten,  mit  der  selbstverständlichen  Ausnahme,  dass  in 
den  cystischen  Neubildungen  die  Epithelzellen  ganz  atypisch  wuchern. 
Massins  Tumor,  der  allerdings  nicht  in  allen  Punkten  mit  den  Mallassez- 
sehen  übereinstimmt,  ist  dadurch  besonders  interessant,  dass  er  bei  einem 
neugeborenen  Mädchen  gefunden  wurde,  also  sicher  angeboren  war.  Becker 
konnte  neben  cystischen  Tumoren,  die  er  als  multilokulares  Kystom  di> 
Kiefers  bezeichnet,  auch  einen  Fall  von  centralem  Papillom  des  Unter- 
kiefers bei  einem  39jährigen  Mann  untersuchen,  der  ebenfalls  nicht  andei^ 
erklärt  werden  kann,  wie  aus  den  „döbris  paradentaires''  entstanden.  Ej? 
handelte  sich  um  eine  Kiefercyste,  die  an  ihrer  Innenwand  einen  papilloiua- 
tosen  Tumor  trug,  der  ausschliesslich  aus  Epithelien  bestand,  die  in  ihrem 
Aufbau  und  morphologischen  Verhalten  vollständig  den  Malassezscliin 
Epithelresten  entsprechen;  Becker  glaubt,  dass  diese  Neubildung  als  Vor- 
stufe des  Polykystoms  angesehen  werden  muss.  Jedenfalls  geht  t\\x^ 
Massins  und  Beckers  Beobachtungen  hervor,  dass  auch  solide  Epitlielial- 
geschwülste  aus  embryonalen  Zellen  hervorgehen  können. 

Endlich  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Cholesteatome,  deren 
Genese  immer  noch  umstritten  ist.  Gläser  hat  noch  neuerdings  in  einci 
unter  Ponficks  Leitung  gemachten  Arbeit  es  für  möglich  erklärt,  dai5>: 
sie  aus  Endothelien  durch  eine  Metaplasie  hervorgehen  können;  währen«! 
Ziegler  in  seinem  Lehrbuch  und  Bonorden  (3)  in  einer  auf  Beneeke^ 
Veranlassung  gemachten  Arbeit  die  Cholesteatome  oder  wenigstens  einen 
Teil  derselben  als  teratoide  Neubildungen  auffasst.  In  Bonordens  Fall, 
wo  in  dem  meningealen  Cholesteatom  auch  Talgdrüsen  und  Haare  gefunden 
wurden,  ist  diese  Genese  jedenfalls  sicher  gestellt.  Für  die  Cholesteatome 
des  inneren  Ohres  kann  wohl  kaum  eine  einheitliche  Genese  angenommen 
werden;  so  hat  auch  Kuhn  in  seinem  zusammenfassenden  Referate  auf 
dem  10.  internat.  med.  Kongress  in  Berlin  die  Frage  unentschieden  gelassen, 
und  auch  die  neueren  Untersuchungen,  über  deren  Einzelheiten  im  spe- 
ziellen Teil  (Abt.  III)  näheres  mitgeteilt  werden  wird,  beweisen  nur,  dasj^ 
das,  was  der  Otologe  als  Cholesteatom  bezeichnet,  teils  eine  wirkliche 
autonome  Neubildung,  teils  eine  auf  entzündlicher  Basis  beruhende  diffuse 
Epithelhyperplasie  ist. 


Adenome,  Carcinorae.  4I3 

2.  Adenome  und  Carcinome. 

Wenn  schon  unter  den  im  vorigen  Kapitel  erwähnten  papillären 
Neubildungen  solche  zu  finden  sind,  die  in  gewissen  Beziehungen  zu  den 
Adenomen  stehen,  so  ist  es  ebenso  schwer,  eine  scharfe  Grenze  zwischen 
Adenomen  und  Carcinomen  zu  ziehen,  wenn  man  nicht,  wie  das  freilich 
nötliig  ist,  in  gewisser  Weise  schematisiert.  Jedenfalls  sind  die  Beziehungen 
zwischen  beiden  Neubildungen  so  enge,  dass  die  Besprechung  zusannnen 
vorgenommen  werden  kann. 

a)  Adenome. 
Litteratur. 

1.  Bar  low,  Über  Adenomata  sebacea.    Deutsch.  Arcb.  f.  klin.  Med.  Bd.  55.  S.  61. 

2.  Caspary ,  Über  Adenoma  sebacenm.    Arch.  f.  Dermatol.  u.  Syphilis.  Bd.  XKIff.  S.  371. 
2a.  Dreyfuss,  Zur  patholog.  Anatomie  der  Brustdrüse.    Vir  eh.  Arch.   Bd.  113.  S.  535. 

8.  F eurer,  Paradoxe  Strumametastase.  Festschr.  z.  25 jähr.  Doktor  u.  Doz.- Jubiläum 
von  Th.  Kocher.  S.  273. 

3a.  von  Eiseisberg,  Über  Knochenmetastasen  des  Schilddrüsenkrebsos.  Arch.  f.  klin. 
Chir.  Bd.  46.  S.  430. 

4.  V.  Kahlden,  Über  ein  kongenitales  Adenom  bei  den  Nieren.  Ziegl.  Beitr.  Bd.  XV. 
1894. 

5.  Klebs,  Handbuch  der  allgem.  Pathol.  Bd.  II.  Adenome. 

0.  Klingel,  Zwei  Fälle  von  Talgdrüsenadenomen  am  äusseren  Ohr.  Zeitschr.  f.  Ohren- 
henkunde.  Bd.  21.  S.  389. 

7.  Kretz,  Über  Hypertrophie  und  Regeneration  des  Lebergewebes.  Wien.  klin.  Wochen- 
schrift. 1894.  S.  365. 

S.  Kfirsteiner,  Adenom  der  Milchdrüse  mit  cylindrischem  und  geschichtetem  z.  T.  ver- 
hornten Epithel.    Virch.  Arch.  Bd.  137.  8.  302. 

Ba.  Hitzig,  Beiträge  zur  Histologie  und  Histogenese  der  Struma.  Arch.  f.  klin.  Chirurg. 
Bd.  47.  S.  464. 

9.  Langhans,  Beitr.  z.  pathol.  Histologie  der  weibl.  Brustdrüse.    Virch.  Arch.   Bd.  58. 

10.  Derselbe,  Deutsch.  Chirurg.  1887. 

11.  Ledere,  Über  den  Einfluss  der  Influenza  auf  das  Wachstum  der  Geschwülste  der 
weibl.  Geschlechtsteile.    Wien.  med.  Blätter.  Bd.  XIV.  Nr.  33—37. 

12.  Lubarsch,  Über  den  primären  Krebs  des  lleum  etc.    Virch.  Arch.   Bd.  111.  S.  281. 

13.  Middeldorpf,  Zur  Kenntnis  der  Knochen metastasen  bei  Schilddrüsentumoren.  Arch. 
f.  klin.  Chir.  Bd.  48.  S.  502. 

14.  Nauworck  und  Hufschmied,  Über  das  multilokulare  Adenokystom  der  Niere. 
Ziegl.  Beitr.  Bd.  12.  S.  1. 

IV  Schimmelbnsch,  Das Cystoadenom  der  Mamma.    Arch.  f.  klin.  Chir.  Bd.  44.  S.  117. 

1<).  Schmidt,  B.,  Cystosarkom  der  Mamma.    Arch  f.  Gynäkol.  Bd.  23. 

n.  Schön  st  edt,  Über  die  Cysten  der  weiblichen  Brustdrüse.    Inaug.-Dissertat.  Rostock. 

1894. 
1^.  Schweizer,  F.,  Über  ein  Cystoadenoma  papilli  forum  in  einer  Kaninchenleber.    Virch. 

Arch.  Bd.  113.  S.  209. 
Id-  St  ratz,  Zur  Histogenese  der  epithelialen  Eierstocksgeschwülste.    Zeitschr.  f.  Geburish. 

a.  Gynäkol.  Bd.  26.  S.  1. 
20.  Williams,   W.,   Papillomatous  tumours  of  the  ovary.    Report  of  the  Johns  Hopkins 

Hospit.  111.  Heft  1-3.  S.  1. 


414  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Wenn  die  Adenome  allgemein  als  Neubildungen  bezeichnet  werden, 
welche  den  Typus  einer  Drüse  nachahmen,  so  erscheint  die  Definition  aus- 
reichend und  klar,  vorausgesetzt,  dass  der  BegriflE  „Drüse"  in  allgemein 
giltiger  Weise  festgelegt  ist.  Das  ist  nun  aber  nicht  mein-  der  Fall,  da 
gerade  in  neuester  Zeit  der  Begriff  der  Drüse  in  verschiedenster  Weisi^ 
definiert  wird.  Namentlich  französische  Autoren  sind  so  weit  gegangen, 
jede  Zelle,  welche  das  ihr  zugeführte  Material  in  chemisch  verändertem 
Zustand  wieder  abgiebt,  als  Drüsenzelle  zu  bezeichnen,  wodurch  sie  schliess- 
lich auch  die  Lymphknoten  wieder  zu  den  Drüsen  rechnen  können.  In 
Deutschland  sind  allerdings  die  meisten  Histologen  und  Physiologen  dazu 
übergangen,  morphologische  und  physiologische  Merkmale  für  den  Drüsen- 
begriff zu  verwenden.  Man  versteht  demnach  unter  Drüsen  besondere  binde- 
gewebige Wandungen  besitzende  Hohlgebilde,  deren  epitheliale,  auskleidende 
Zellen  das  ihnen  mit  dem  Blutstrom  zugeführte  Material  spezifisch  verändern 
und  in  präformierte  Hohlräume  ausscheiden.  Nach  dieser  Definition  darf 
man  dann  Eierstock  und  Hoden  keinesfalls  zu  den  Drüsen  rechnen  un<l 
auch  die  Stellung  der  Nieren  als  Drüsen  wird  zum  mindesten  zweifelhaft, 
da  jedenfalls  eine  qualitative  V^eränderung  der  durch  die  Nierenepithelien 
ausgeschiedenen  Flüssigkeit  nicht  nachgewiesen  ist.  Es  fragt  sich  nun, 
ob  wir  uns  auch  für  die  pathologischen  Zustände,  insbesondere  für  die 
(Jesch Wulstbildungen ,  an  die  obige  morphologisch  -  biologische  Definition 
halten  wollen.  Wenn  ja,  so  dürften  wir  konsequenterweise  weder  von 
Hoden-  noch  Eierstocks-  und  Nierenadenomen  sprechen,  ebensowenig  von 
Carcinomen  dieser  Organe  und  man  wäre  gezwungen,  nach  einem  neuen 
Namen  für  die  drüsenähnlich  gebauten  Tumoren  dieser  Organe  zu  suchen. 
Es  erscheint  deswegen  unzweckmässig ,  bei  pathologischen  Bildungen  den 
biologischen  Gesichtspunkt  in  den  Vordergrund  zu  stellen,  um  so  mehr, 
als  wir  über  die  biologische  Thätigkeit  der  autonomen  Neubildungen  nocli 
herzlich  wenig  wissen.  Wir  müssen  vielmehr  gerade  für  die  Adenome 
zur  Zeit  den  morphologischen  Standpunkt  betonen  und  darunter  solche 
Neubildungen  verstehen ,  welche  aus  mit  Epithelien  ausgekleideten ,  eine 
besondere  bindegewebige  Wand  besitzenden  Hohlräumen  zusammengesetzt 
sind;  man  muss  dabei  einen  besonderen  Nachdrück  legen,  sowohl  auf  die 
bindegewebige  Wand ,  wie  auf  die  Epithelien  (im  engeren  Sinne).  Denn 
nur  dann  ist  man  im  stände,  die  Adenome  scharf  von  ähnlich  gebauten 
Neubildungen  abzugrenzen;  die  hyperplastischen  Tumoren  der  Nebenniere, 
gleichviel  ob  sie  von  dem  ausgebildeten  Organ  oder  versprengten  Keimen 
ausgehen,  sind  eben  keine  Adenome,  weil  sie  dem  morphologischen  Drüsen- 
typus nicht  entsprechen;  denn  sie  bestehen,  wie  Benecke  und  Sudeck, 
die  sie  als  Adenome  bezeichnen,  selbst  ausgeführt  haben,  aus  einem  aus 
Kapillaren  beHtehenden  Stroma  und  Nebennierenzellen,  die  man  jedenfalls 


Adenome,  Carcinome.  415 

iiicht  ohne  weiteres  als  Epithelien  bezeichnen  darf.  Wenn  man  an  dieser 
mehr  morphologischen  Definition  festhält,  gerät  man  auch  nicht  in  Schwie- 
rigkeiten bei  der  Benennung  derjenigen  drüsenartig  gebauten  Neubildungen 
der  Schleimhäute,  welche  von  Schleimhautkrypten  (Lieb  erkühn  sehe 
Kn'pten,  Uterindrüsen)  (also  unechten  Drüsen)  ausgehen.  Wenn  wir  für 
die  Adenome  das  Vorhandensein  einer  bindegewebigen  Wandung  postu- 
lieren, so  ist  damit  noch  nicht  die  Frage  entschieden,  ob  die  Adenome 
immer  eine  Membrana  propria  besitzen ;  denn  die  bindegewebige  Wandung 
der  Adenome  könnte  auch  den  Bindegewebsfasern  des  Stromas  angehören. 
Dass  die  Adenome  eine'  besondere  wohlausgebildete  Membrana  propria  be- 
sitzen, ebenso  wie  alle  richtigen  Drüsen,  ist  vor  allem  von  Langhans  (9, 
10)  für  die  Adenome  der  Mamma  und  des  Hodens,  von  Haussmann*) 
für  die  des  Magendarmkanals  behauptet  worden.  Fast  auf  dem  umgekehrten 
Standpunkt  steht  Dreyfuss  (2a),  der  gerade  für  das  „wahre"  Adenom  der 
Brustdrüse  den  Mangel  von  Gerüstsubstanz  urgiert  und  das  Vorhanden- 
sein einer  Membrana  propria  in  dem  von  ihm  beachriebenenen  Fall  nur 
an  wenigen  Stellen  feststellen  kann.  Nach  ihm  darf  nur  die  drüsenähn- 
liche Neubildung  als  Adenom  bezeichnet  werden,  welche  sich  durch  die 
gänzliche  Emanzipation  vom  physiologischen  Zweck  der  betr.  Drüse  aus- 
zeichnet und  somit  die  Formen  einer  echten  Drüse  „in  einer  gewisser- 
massen  stümperhaften  Weise*'  nachahmt.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  dass 
man  bei  einer  derartigen  Beschränkung  des  Adenombegriffs  sich  die  Abgren- 
zung von  den  knotigen  und  einfachen  Hypei-plasieen  drüsiger  Organe  erleichtert, 
andererseits  aber  das  Gebiet  der  Adenome  sehr  beschränkt  und  eine  ganze 
Reihe  von  Neubildungen  der  verschiedensten  Organe  nur  schwer  ward 
plazieren  können.  Vor  allem  kommt  es  aber  auch  vor,  dass  drüsige  Neu- 
bildungen sich  z.  B.  durch  Bildung  einer  Kapsel  scharf  von  dem  physio- 
logischen Zweck  der  Drüse  emanzipieren,  dabei  aber  histologisch  in  einer 
keineswegs  stümperhaften  Weise  den  Bau  der  Drüse  wiedergeben,  ja  es 
giebt  sogar  Adenome,  welche  die  allergrösste  Selbständigkeit  und  Prolifera- 
tionsfähigkeit  darbieten,  und  doch  noch  in  nahezu  vollendeter  Weise  den 
Bau  der  Mutterdrüse  nachahmen  können,  wie  vor  allen  die  metastasierenden 
^khilddrüsenadenome ,  die  sich  histologisch  in  nichts  von  einfachen  Ade- 
nomen zu  unterscheiden  brauchen.  Man  wird  vielmehr  Thoma  recht  geben 
können,  welcher  gelegentlich  der  Demonstration  von  Kretz  (7)  auf  der 
Wiener  Naturforscherversammlung  die  Meinung  aussprach,  dass  „sich  alle 
Übergänge  von  einfacher  Hyperplasie  bis  zur  Geschwulstbildung  auffinden 
lassen."  Auf  der  anderen  Seite  ist  aber  nicht  zu  leugnen,  dass  es  echte 
Adenome  giebt,  die  nichts  von  infiltrierendem  oder  destruierendem  Wachs- 


1)  Contribution  ä  Thistoire  du  Cancer  de  Tintestin.    These.  Paris  1882. 


416  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

tum  erkennen  lassen,  welche  einer  Membrana  propria  entbehren.  SchoTi 
Lubarsch  (12),  der  im  übrigen  durchaus  zugiebt,  dass  an  den  meisten 
Adenomen  eine  Membrana  propria  leicht  zu  demonstrieren  ist,  hat  einige 
Fälle  von  polypösen  Adenomen  des  Dünn-  und  Dickdarmes  beschrieben,  in 
denen  wenigstens  stellenweise  die  Membrana  propria  völlig  geschwunden 
war  und  zwar,  wie  Lubarsch  meint,  durch  eine  Axt  von  entzündlicher 
Einschmelzung.  Freilich  ist  es  schwer,  die  Möghchkeit  ganz  abzuweisen, 
dass  es  sich  um  eine  beginnende  carcinomatöse  Entartung  handelte,  ol>- 
gleich  in  dem  einen  F'alle  von  Lubarsch  die  polypösen  Bildungen  bei 
einem  5  jährigen  Knaben  auftraten;  aber  so  lange'  sonst  nirgends  ein  in- 
filtrierendes und  destruierendes  Wachstum  nachweisbar  ist,  vielmehr,  wie 
auch  in  dem  Falle  von  Dreyfuss,  die  Tumoren  abgekapselt  und  schiirf 
abgegrenzt  bleiben,  wird  man  sie  doch  noch  als  Adenome  bezeichnen  und 
zu  dem  Resultat  kommen  müssen,  dass  zwar  für  gewöhnlich  die  Adenome 
eine  besondere  Membrana  propria  besitzen,  das  Fehlen  derselben  aber  nocli 
nicht  gegen  die  Adenomnatur  spricht.  —  Was  die  Entwickelung  der  eigent- 
lichen Adenome  anbetrifiEt,  so  kommt  auch  hier  wiederum  in  Frage,  ob 
zuerst  das  Bindegewebe  oder  das  Epithel  des  befallenen  Organes  in  Wuche- 
rung gerät;  freilich  nicht  bei  den  Adenomen  aller  Organe,  z.  B.  bei  den 
Leberadenomen  tritt  die  Neubildung  der  Leberzellen  derartig  in  den  Vorder- 
grund, dass  nicht  gut  an  eine  primäre  Bindegewebswucherung  gedacht 
werden  kann.  Anders  ist  das  aber  bei  den  adenomatösen  W^ueherungen  der 
Brustdrüse  und  des  Eierstockes.  Hier  giebt  es  zweifellos  Neubildungen, 
denen  man  den  Namen  des  Adenoms  bezw.  Fibroadenoms  nur  fälschlich 
beigelegt  hat,  indem  die  Wucherung  eigentlich  drüsiger  Substanz  ganz 
fehlen  oder  doch  wenigstens  äusserst  geringfügig  sein  kann.  Andererseits 
ist  aber,  sowohl  für  die  Mamma-  wie  Ovarialadenome  nachgewiesen  worden, 
dass  sie  mit  einer  Wucherung  der  epithelialen  Elemente  beginnen.  Das 
heben  sowohl  Dreyfuss,  wie  Schimmelbusch  (15)  für  die  Mamma- 
adenome, Stratz  (19)  und  Williams  (20)  für  die  Eierstocksgeschwülste 
hervor,  wobei  es  gleichgiltig  ist,  ob  noch  ein  besonderer  papillomatöser  Bau 
vorhanden  ist  oder  nicht.  Hitzig  (8a)  hat  es  unter  Hanaus  Leitung 
auch  für  die  Schilddrüsenneubildungen  nachgewiesen,  wobei  es  wohl  ge- 
stattet ist  die  für  die  Struma  nodosa  gew^onnenen  Resultate  auf  die  Adenome 
zu  übertragen;  immer  scheinen  die  Anfänge  der  Neubildung  auf  einer 
Wucherung  der  Epithelien  zu  beruhen.  — 

Von  grosser  prinzipieller  Wichtigkeit  ist  die  Frage  nach  der  Funktion 
der  Adenome.  AVie  schon  oben  bemerkt,  wollen  eine  ganze  Reihe  von 
Autoren  nur  die  drüsigen  Neubildimgen  als  Adenome  bezeichnen,  wolelie 
sich  in  ihrer  Funktion  von  dem  des  Muttergewebes  emanzipiert  haben.  !>e 
betrachtet  z.  B.  Barlow   (1)  nin*  diejenigen   von  Talgdrüsen  ausgehenden 


Adenome,  Carcinome.  417 

Neubildungen  als  eclite  Talgdrüsenadenome,  welche  die  Funktion  der  Drüse 
trotz  älinlicher  Struktur  nicht  mehr  erfüllen  können;  und  so  würde  man 
demnach  sowohl  die  Fälle  von  Klingel  (5),  wie  den  Fall  von  Caspary  (2) 
nicht  als  echte  Talgdrüsenadenome  betrachten  dürfen,  da  hier  die  neu- 
.£[ebildeten  Drüsen  auch  morphologisch  mit  den  Talgdrüsen  übereinstimmten ; 
während  in  Barlows  Fall  die  von  den  Talgdrüsen  ausgehenden  Hohl- 
räume nur  mit  kleinkubischen  Epithelien  ausgekleidet  waren  und  einen 
hyalinen  Inhalt  enthielten.  Es  ist  wie  mehrfach  bemerkt  und  auch 
schon  von  Klebs  (5)  hervorgehoben  wurde,  nicht  gut  möglich,  über 
die  Funktion  der  Adenome  etwas  allgemein  giltiges  festzustellen.  Ein 
Teil  der  Adenome  scheint  sehr  wohl  noch  im  stände  zu  sein,  die  Funk- 
tion des  Muttergewebes  auszuüben,  ob  allerdings  qualitativ  und  quan- 
titativ in  gleicher  Weise  steht  noch  dahin.  So  kann  man  in  echten 
Leberadenomen  oft  genug  beobachten,  dass  noch  Galle  von  den  Leber- 
zellen gebildet  wird,  die  Funktion  kommt  aber  dem  Gesamtkörper  nicht 
zu  gute  und  es  stellt  sich  bald  eine  Gallenstauung  ein,  weü  kein  besonderer 
Ausführungsgang  mitgebildet  wird.  Freilich  wissen  wir  noch  nicht,  ob 
dieraisch  diese  Galle  genau  die  gleiche  Beschaffenheit  besitzt  xmd  bald 
sehen  wir  auch,  dass  innerhalb  des  Adenoms  einzelne  Zellen  nicht  mehr 
Galle,  sondern  eine  kolloide  Masse  secernieren.  Das  gilt  für  die  meisten 
Adenome,  dass  w^ir  zwar  wohl  berechtigt  sind,  eine  Funktion  der  Epithehen 
anzunehmen,  dieselbe  aber  qualitativ  verändert  sein  kann  und  sich  viel- 
fach darauf  beschränkt,  dass  eine  eiweissreiche,  leicht  gerinnende  Flüssig- 
keit abgesondert  wird.  Damit  hängt  es  zweifellos  zusammen,  dass  die 
adenomatösen  Neubildungen  ein  so  grosses  Kontingent  zu  den  Proliferativ- 
cvsten  stellen.  Das  gilt  vor  allem  für  die  cystischen  Neubildungen  der 
Eierstöcke  und  der  Mamma.  Auch  hier  beginnt  die  Bildung  der  Cyste 
meist  mit  einer  Wucherung  der  Epithelien ,  an  welche  die  Bindegewebs- 
Wucherung  erst  anschüesst,  und  die  cystische  Erweiterung  dadurch  zu 
Stande  kommt,  dass  durch  Sekretion  oder  Zerfall  der  Zellen  eine  kolloide 
Masse  einen  Druck  auf  die  Hohlräume  ausübt;  so  erwähnen  auch  Nau- 
werck  und  Hufschmid  (14),  dass  aus  den  adenomatösen  Wucherungen 
<ler  Niere  Cysten  durch  Ansammlung  von  Zellen  und  deren  Zerfallspro- 
dukten (Kolloid^  Fett,  Cholestearin)  oder  durch  aus  den  Blutgefässen  statt- 
tiiidende  seröse  Ergüsse  entstehen.  Schimmelbusch  und  Schönstedt  (17) 
liaben  das  gleiche  ausführlicher  für  die  Mammatumoren  nachgewiesen  und 
letzterer  hat  des  näheren  ausgeführt,  wie  oft  in  einem  und  demselben 
Tumor  die  cystischen  Erweiterungen  auf  die  verschiedenste  Weise  zu  stände 
kommen.  Freilich  ist  es  dabei  im  einzelnen  Falle  recht  schwer  zu  ent- 
^heiden,  was  Sekretion  und  was  Zerfall  der  Zellen  ist;  doch  sind  auch 
«hon   physiologischerweise    beide  Prozesse    nur    schwer    auseinander    zu 

Lnbarsck-Ostertag,  Ergebnisse.  II  Abteil.  27 


418  Allgem.  patbol.  Morphologie  nud  Physiologie. 

halten,  und  die  Beobachtung  Kürsteiners  (8),  dass  noch  unter  dem  Epi- 
thel eine  Zelllage  sich  vorfinden  kann,  würde  für  eine  Funktion  der  Drüseu- 
Zellen  sprechen  können,  indem  man  sie  dann  als  Ersatzzellen  auffassen 
könnte,  was  Kürsteiner  selbst  allerdings  „wegen  der  Funktionslosigkeit 
der  Adenome**  für  unwahrscheinlich  hält. 

Bezüglich  der  Entstehung  der  Adenome  liegen  einige  Beobachtungen 
vor,  die  auf  eine  kongenitale  Entwicklung  hinweisen.  Das  sind  in  erster 
Linie  die  Untersuchungen  von  Nauwerck  und  Hufschmid  (14)  und 
V.  Kahldens(4)über  die  kongenitale  Cystenniere.  Nachdem  schonMalassez 
die  Ansicht  verteidigt  hatte,  dass  die  multilokulare  Cystenniere  eine  echte 
Geschwulstbildung,  analog  dem  Ovarialkystom  ist,  brachten  Nauwerck  und 
Hufschmid  eine  Reihe  von  Beobachtungen,  wobei  in  einzelnen  die  Eni- 
Wickelung  der  Cysten  studiert  werden  konnte ;  zunächst  erscheinen  Sprossen 
in  Form  knopfEörmiger  Bildungen  als  solide  Zellgruppen  oder  auch  nur 
fleckweise  auftretende  Neubildungen  von  Harnkanälchenepithelien;  endlich 
sogar  solide  Epithelzapfen,  die  nur  noch  stellenweise  mit  Hamkanälchen 
in  Verbindung  stehen,  v.  Kahlden  beschrieb  einen  Fall  von  cystischeii 
Bildungen  bei  einem  Neugeborenen,  den  er  als  ein  besonders  frühes  Stadium 
der  Cystenniere  auffasst  und  in  dem  die  proliferativen  Vorgänge  so  im  Vor 
dergrund  standen,  dass  man  geradezu  von  einem  Adenokystom  oder  stellen- 
weise sogar  von  Myxofibroadenom  sprechen  konnte.  —  Zweifelhafter  ist  da- 
gegen immer  noch  die  Entstehung  der  Ovarialkystome;  wenn  es  auch  fest- 
steht, dass  sie  sowohl  angeboren  als  in  jugendlichem  Alter  vorkommen  können, 
so  bleibt  es  immer  noch  unentschieden,  ob  sie  aus  dem  Keimepithel  oder 
dem  Folhkelepithel  oder  gar  Resten  des  Wolf  sehen  Körpers  sich  entwickeln. 
Williams  hält  letzteres  für  unbewiesen  und  man  wird  auch  jetzt  immer 
noch  die  Frage  als  eine  offene  betrachten  müssen.  —  Von  weiteren  Beob- 
achtungen könnte  man  die  Beobachtungen  B.  Schmidts  (16)  und  Kür- 
steiners für  eine  kongenitale  Anlage  von  Mammaadenomen  verwerten. 
Beide  fanden  nämlich  in  einem  Mammaadenom  bezw.  Cystosarkom  mehr 
oder  weniger  kugelige  Cysten,  deren  Wandung  ein  vollständiges  Gepräge 
der  äusseren  Haut  mit  verhornten  Produkten  darstellte.  Schmidt  glaubt, 
dass  einige  der  embryonalen  Epidermiszapfen,  aus  denen  die  Milchdrüse 
sich  entwickelt,  abgeschnürt  worden  wären  und  isoliert  liegen  blieben,  bis 
sie  durch  irgend  einen  besonderen  Anlass  —  den  man  übrigens  auch  in 
Kürsteiners  Fall  in  einem  Stoss  gegen  die  Brust  sehen  könnte  — 
zur  Wucherung  gebracht  wurden.  Allerdings  wäre  in  beiden  Fällen,  in 
denen  das  Auftreten  der  verhornten  Epithelien  kaum  anders  zu  erklären 
ist,  noch  nicht  bewiesen,  dass  auch  die  ganze  Neubildung  auf  eine  der- 
artige embryonale  Keimesverirrung  zurückzuführen  ist.  — 


Adenome,  Carcinome.  419 

Für  die  Entstehung  von  Adenomen  durch  entzündliche  oder  trau- 
matische Schädlichkeiten  liegen  natürlich  auch  eine  Reihe  von  Beispielen 
vor,  die  aber  gerade  in  den  Fällen  am  beweisendsten  sind,  wo  es  sich 
mehr  um  allgemeine  Hyperplasieen,  wie  um  echte  Adenome  handelt.  Das 
o;iIt  wohl  auch  für  den  Fall  Casparys,  wo  sich  Talgdrüsenadenome  im 
Anschluss  an  Pockeneruptionen  entwickelten.  Auch  bei  den  Leberadenomen 
und  Nierenadenomen,  die  man  bei  chronischen  Entzündungen  der  betr. 
Organe  nicht  selten  findet,  hegt  der  Zusammenhang  mit  der  entzündlichen 
Affektion  zu  Tage;  freilich  wohl  nicht  in  der  Weise,  dass  die  entzünd- 
lichen Reize  ohne  weiteres  eine  ProHferation  hervorbringen.  Sondern  es 
wird  ganz  ähnlich  sein,  wie  es  Kretz  für  die  knotigen  Hyperplasien  der 
Leber  auseinandergesetzt  hat,  unter  denen  sich  auch  solche  Fälle  befan- 
den, die  z.  B.  von  Eppinger  und  mir  für  Adenome  erklärt  wurden;  dass  es 
sich  im  wesentlichen  um  kompensatorische  und  regenerative  Zellwucherungen 
handelt,  nachdem  ein  grosser  Teil  des  Parenchyms  zu  Grunde  gegangen 
ist;  von  der  verschiedenen  Wachstumsenergie  der  Zellen  hängt  es  dann 
wohl  ab,  ob  sich  mehr  diffuse  Hypertrophieen  oder  knotige  Adenome 
bilden.  Auch  kommt  jedenfalls  die  verschiedene  lokale  Disposition  der 
Zellen  mit  in  Betracht.  Alle  diese  Verhältnisse  von  der  innigen  Verwandt- 
^haft  zwischen  an  Entzündung  anschliessenden  Gewebshyperplasieen  und 
Aflenombildung  tritt  auch  in  anderen  Organen  deutlich  hervor  und  das  ist 
auch  der  Grund,  warum  z.  B.  die  maladie  kystique  der  Mamma  von  Reclus 
bald  zur  interstitiellen  Mastitis,  bald  zur  Cystadenombildung  (Schimmel- 
busch) gerechnet  worden  ist.  Dass  auch  belebte  Entzündungserreger  für 
<lie  Entstehung  von  Adenomen  verantwortlich  gemacht  sind,  ist  nicht  auf- 
fallend. Auch  hier  hat  man  in  neuerer  Zeit  den  Protozoen  besondere 
Aufmerksamkeit  gewidmet  und  Schweizer  (18)  hat  in  der  Kaninchenleber 
ein  Cystadenoma  papilliferum  beschrieben,  dass  durch  Coccidium  oviformo 
hervorgebracht  sein  soll.  Aber  man  kann  wohl  mit  Recht  bezweifeln,  ob 
man  die  von  Schweizer  beschriebenen  Gebilde  mit  dem  Namen  eines 
Tystadenoms  bedenken  darf.  Es  waren  doch  nur  Gallengangserweiterungen 
iiiit  sekundären,  papillären  Wucherungen,  aber  eine  Gallengangsneubildung 
i?t  mit  Sicherheit  nicht  nachgewiesen;  da  ausserdem  Cirrhose  bestand, 
ist  es  durchaus  nicht  sicher,  dass  durch  die  Coccidium  eine  primäre  Epi- 
thelwucherung angeregt  wurde.  Ich  habe  vielmehr  bei  meinen  sehr  aus- 
gedehnten Untersuchungen  über  die  durch  Coccidium  oviforme  in  der 
Kauinchenleber  hervorgebrachten  Veränderungen ,  zwar  gar  nicht  selten 
Gallengangserweiterungen  mit  papillären  Wucherungen  zu  sehen  bekommen, 
mich  aber  niemals  davon  überzeugen  können,  dass  es  sich  um  eine  pri- 
niäre  Epithelwucherung  handelte;  niemals  habe  ich  z.  B.  trotz  geeigneter 
Konservierung  in  Epithelien,  welche  Goccidien  beherbergten,  Mitosen  ge- 

27* 


420  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

fanden,  oft  genug  aber  regressive  Veränderungen  der  Kerne  beobachtet. 
Es  ist  viel  wahrscheinlicher,  dass  zunächst  eine  interstitielle  Bindegewebs 
Wucherung  eintritt,  an  welche  sich  erst  sekundär  die  Epithelwucheruüg 
anschliesst.  In  menschlichen  Adenomen  (der  Mamma)  hat  ferner  Kür 
Steiner  Gebilde  konstatiert,  die  mit  den  Carcinomsprotozoen  vieler  Autoren 
übereinstimmen,  aber  er  hat  sich  wohl  gehütet,  die  Gebilde  mit  Sicherheit 
für  Parasiten  zu  erklären,  sondern  neigt  mehr  dazu,  sie  für  eigenartige 
Formen  von  Zelldegenerationen  zu  halten.  Für  Eierstockstumoren  hat 
Leclerc  (11)  angegeben,  dass  sie  sich  im  Anschluss  an  Influenza  eiit- 
wickelten  oder  wenigstens  rascher  wuchsen ;  wenn  auch  in  einzelneo  Fällea 
die  Patientinnen  bis  dahin  gesund  gewesen  waren,  so  ist  es  doch  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  Influenza  nur  für  die  raschere  Entwickelung  der 
Tumoren,  nicht  aber  für  ihre  Entstehung  verantwortlich  gemacht  werden 
darf.  Über  die  Frage  des  malignen  oder  destruierenden  Adenome, 
sowie  über  die  Metastasenbildung  soll  das  Nähere  bei  den  Carcinomen  be- 
merkt werden.  Hier  sei  nur  angegeben,  dass  besonders  häufig  Schilddrüsen- 
adenome die  Fähigkeit  der  Metastasierung  zu  besitzen  scheinen.  Schon 
Cohnheim  und  E.  Neumann  hatten  derartige  Fälle  publiziert  und  neuer- 
dings beschrieben  Middeldorpf  (13)  und  F eurer  (3)  wieder  solche 
Fälle,  wo  zuerst  Knochenmetastasen  des  Schilddrüsenadenoms  auffielen 
und  erst  später,  nachdem  die  histologische  Untersuchung  die  Überein- 
stimmung mit  einem  Schilddrüsenadenom  ergeben  hatte,  der  primäre 
Schilddrüsentumor  entdeckt  wurde;  in  dem  Fall  von  Middeldorpf  war 
der  Schilddrüsentumor  in  eine  Vene  eingebrochen  und  hatte  Metastasen 
in  der  Lunge,  Hinterhaupt,  Wirbeln,  Becken,  Oberarmen  und  Oberschenkebi 
hervorgebracht.  Im  Falle  von  Feurer  bestand  kein  makroskopisch  nach- 
weisbarer Durchbruch  des  Schilddrüsentumors,  es  bestand  auch  nur  eine 
Metastase  im  Scheitelbein,  auch  ergab  die  Untersuchung  der  Schilddrüse 
durch  Langhans,  dass  es  sich  um  eine  einfache  GoUoidstruma  handelte. 
Auch  von  !Eiselsberg  hat  mehrere  derartige  Fälle  beschrieben  und  ali^ 
das  eigentümliche  dieser  Schilddrüsentumoren  hervorgehoben,  dass  die  Me- 
tastasen mit  Vorliebe  das  Knochensystem  befallen,  häufig  solitär  bleiben. 
langsam  wachsen  und  dass  die  primäre  Schilddrüsengeschwulst  oft  ganz 
klein  ist.  Er  bezeichnet  aber  diese  Neubildungen  ohne  weiteres  als  Carci- 
nome,  gerade  wegen  ihrer  Metastasenbildung.  Auf  diese  prinzipiell  so  äusserst 
wiclitige  Frage  wird  erst  bei  den  Carcinomen  in  entscheidender  Weise  ein- 
gegangen werden. 


Carcinome.  42 1 

b)  Cai*cinome. 

1.  Auatomie  und  Physiologie  der  Carcinome. 
Litteratur. 

I.  Äckermann,    Geschrumpfter    BrastdrQsenkrebs    mit    Sandkörpem.     Vir  eh.    Arch. 
Bd.  45.  S.  60. 

•2.   Aoyama.  Patholog.  Mitteilungen.    Vi  roh.  Arch.  Bd.  106.  8.  568. 

:^.  Arnold,  Über  Kernteilungen  in  den  Zellen  der  Geschwülste.     Vi  roh.  Arch.   Bd.  78. 

S.  279. 
4.   Ba  am  garten,   Ober  ein  Kehlkopfcarcinom    kombiniert    mit   den  histologischen   Er- 

scheinangen  der  Tuberkulose.    Arbeiten  aus  d.  patholog.  Institut  zu  Tübingen.  Bd.  II. 

Heft  1. 
ö.   Benecke,  Zur  Lehre  von  d.  Versprengung  von  Nebennierenkeimen  etc.     Ziegl.  Beitr. 

Bd.  9. 

6.  Derselbe,    Neuere   Arbeiten    zur   Lehre    vom    Carcinom    (1886  —  1891).     Schmidts 
Jahrbücher.  Bd.  234.  S.  73.    In  dieser  Abhandlung  mehrfach  benutzt. 

7.  Birch-Hirschfeld,  Lehrbuch  der  patholog.  Anatomie. 

6.  Chenantais,  De  l'äpith^liome  calcifi^.    These.  Paris  1881. 

9.  Chiari,  über  die  Genese  der  sogen.  Atheromcysten  d.  Haut  etc.    Berlin  1891. 

10.  Clementi  Über  seltenere  Arten  der  Kombination  von  Krebs  und  Tuberkulose.     Vir  eh. 
Arch.  Bd.  139.  Heft  1. 

II.  Cordua,   Ein  Fall  von  krebsig-tuberkulösem  Geschwür  des   Ösophagus.     Arbeit   aus 
dem  pathol.  Institut  der  Univ.  Göttingen     Berlin  1893.  S.  147. 

12.  Cornil,  Sur  le  proc^dä  de  division  indirecte  etc.     Arch.  d.  physiol.  1886.  Nr.  7. 

13.  Derselbe,   Mode  de   multiplication  des  noyaux  et  des   cellules    dans    Täpithäliome. 

14.  D  e  n  e  c  k  e ,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  verkalkten  Epitheliome.    Arbeit  aus  dem  pathol. 
Institut  der  Univ.  Göttingen.  Berlin  1893.  S.  194. 

10.  Du  nach  mann,  Journal  of  pathology.  Bd.  III.  Heft  1. 

16.  Dnrr,  M.,  Cancer  avec  cirrhose.    Bullet,  de  la  societ^  anat.  1891.  S.  365. 

17.  V.  Eiseisberg,   Über  physiolog.   Funktion   einex    im  Sternum    zur  Entwickeiung  ge- 
kommenen krebsigen  Schilddrüsenmetastase.     Arch.  f.  klin.  Chirurgie.  Bd.  48. 

18.  Fl ai  schien,    Zur  Lehre   von   der   Entwickeiung    der   papill.   Kystome   der  Ovarien. 
Zeitschr.  f.  Geburtsh.  Bd.  VI.  1881. 

19.  y  Frosch  au  er.  Zwei  Vorschläge  die  Ansteokungs-  und   Krebskrankheit  betreffend. 
Wien  1872. 

20.  Hanau,  Erfolgreiche  experimentelle   Übertragung  von   Carcinom.    Fortsohr.   d.   Med. 
Bd.  7.  S.  321. 

21.  Hanse  mann,  Studien  über  die  Spezifizität,   den  Altruismus   und  die  Anaplasie  der 
Zellen  etc.    Berlin  1893. 

22.  Derselbe,   Das  Krebsstroma  und  die   Grawitzsche  Theorie   der  Schlummerzellen. 
Vir  eh.  Arch.  Bd.  133.  S.  147. 

23.  Hauser,  Das  Cylinderepithelcarcinom  des  Magens  und  des  Dickdarms.    Jena  1890. 

24.  Hei  de  mann,   Über  Entstehung  und  Bedeutung  der  kleinzelligen  Infiltration  bei  Car- 
cinomen.    Virch.  Arch.  Bd.  129.  S.  77. 

'25.  Karg,  Das  Carcinom.     Festschr.  f.  Thierse h.     Deutsch.  Zeitschr.  f.  Chirurg.  Bd.  34. 
^6   Klebs,  Handbuch  der  patholog.  Anatomie.  Bd.  1.  S.  33. 

27.  Derselbe,  Die  allgem.  Pathologie.  Bd.  IL 

28.  Krflckmann,    Über  Fremdkörpertuberkulose    und  Fremdkörperriesenzellen.     Virch. 
Arch.  Bd.  138.  Supplementheft  S.  119. 

-J.  Labarsch,  Über  den  primären  Krebs  des  Ileum  etc.    Virch.  Arch.  Bd.  111.  S.  280. 

30.  Derselbe,  Virch.  Arch.  Bd.  135. 

31.  Lücke,  Eingebalgte  Epithelialgeschwülste.     Virch.  Arch.  Bd.  28.  S.  378. 


422  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

82.    Malherbe,  Kecherches  sur  Tepithäliome  calcifie  des  glandes  s^bacees.     Paris  1S82. 

33.  V.  Marshalkö,    Über  die    sogen.    Piasmazellen  etc.     Arch.   f.   Dermaiol.    u.   Syph. 
Bd.  30.  1895.  Sonderabdruck. 

34.  Marchand,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Ovarialtumoren.     Halle  1879. 

35.  M  a  r  s  h  al  1 ,  J.,  The  Morton  lecture  on  Cancer  and  cancerous  diseases.  Lancet  IL  21.  Nuv. 
1889. 

36.  Müller,  V.,  Über  celluläre  Vorgänge  in  Geschwülsten.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  130.  S.  Mi 

37.  Neugebauer,  Über  ein  psammöses  Carcinom   der  weibl.  Brustdrüse.    Arch.  f.  klin. 
Chir.  Bd.  48.  S.  127. 

38.  V.  Noorden,  Das  verkalkte  Epitheliom.    Beitr.  zur  klin.  Chir.  Bd.  III. 

39.  Pfannen  stiel,  Über  die  papillären  Geschwülste  des  Eierstocks.    Arch.  f.  Gynäkol. 
Bd.  48.  Heft  3.  1895.    Sonderabdruck. 

40.  Pfeiffer,  L.,  Die  Protozoen  als  Krankheitserreger.    Jena  1892. 

41.  Derselbe,  Untersuchungen  über  den  Krebs.    Jena  1893. 

42.  Ribbert,  Beiträge  zur  Histogenese  der  Carcinome.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  135. 

43.  Derselbe,  Carcinom  und  Tuberkulose.    Münch.  med.  Wochenschr.  1894.  Nr.  17. 

44.  Schmidt,  M.  B. ,  Ein  plexiformes  Epitheliom   der   Haut  mit  hyaliner  Degeneration. 
Ziegl.  Beitr.  Bd.  8.  1890. 

45.  Schütz,  Mikroskop.  Carcinombefunde  nebst  ätiologischen  und  praktisch  anwendbaren 
diagnostischen  Ausblicken.    Vortrag.    Frankf.  a.  M.  1890. 

46.  Seslawin,   Materialien  zur  Frage  über  indirekte  Kernteilung  in  Carcinom en.    Petersb. 
1890.    Russisch. 

47.  Stroebe,  Kernteilung  und  Riesenzellenbildung  in  Geschwülsten   etc.     Ziegl.  Beitr. 
Bd.  VII. 

48.  Derselbe,  Zur  Kenntnis  verschiedener  cellulärer  Vorgänge  und  Erscheinungen  in  Ge- 
schwülsten.   Ziegl.  Beitr.  Bd.  X[.  S.  1. 

49.  Derselbe,    Über  Vorkommen  und    Bedeutung   der  asymmetrischen  Karyokinese  etc. 
Ebenda.  Bd.  14. 

50.  Unna,  Die  Histopathologie  der  Haut.    Berlin  1894. 

51.  Virchow,  R.,  Zur  Entwickelnngsgeschichte  des  Krebses.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  I.  S.  U4. 

52.  Derselbe,  Die  krankhaften  Geschwülste.    Bd.  II.  S.  107. 

53.  Derselbe,  Zur  Diagnose  und  Prognose  des  Carcinoma.     Vir  eh.  Arch.  Bd.  111.  8.  1. 

54.  Zenker,  K.,   Carcinom  und  Tuberkel  im  selben  Organ.    Deutsch.   Arch.   f.  klin.  Med. 
Bd.  47. 

55.  Ziegler,  Lehrbuch  der  patholog.  Anatomie.    Bd.  1  u.  2. 


Selbst  wenn  man  von  allen  Theoriecn  über  das  Wesen  und  die  Histo 
genese  der  Carcinome  absieht,  wird  sich  als  übereinstimmende  anatomisclie 
Thatsache  feststellen  lassen,  dass  man  zwei  Bestandteile  an  demselben 
unterscheiden  kann:  1.  ein  aus  epithelartigen  Zellen  bestehendes  Krebs- 
parenchym  und  2.  ein  bindegewebiges  Krebsstroma.  Während  man  sieb 
vor  vierzig  Jahren  der  Hoffnung  hingab,  es  gäbe  eine  spezifische  Krt4)s- 
zelle  und  man  könne  aus  der  Beschaffenheit  der  einzelnen  Zellen  feststellen, 
ob  es  sich  um  ein  Carcinom  handelt  oder  nicht,  hat  Virchow  (53)  es  geradezu 
für  natüriich  erklärt,  dass  die  Krebszelle  „an  sich  nicht  das  Mindeste  an 
sich  hat,  woran  man  erkennen  kann,  dass  sie  zu  einem  Krebs  und  nicht 
zu  gewöhnlichem.  Epithel  gehört."  Damit  ist  freilich  schon  weniger  der 
Satz  J.  Marshalls  (35)  in  Einklang  zu  bringen,  der  von  einer  genauen  Er 


Garcinome.  423 

forschuug  der  Struktur  der  Krebszelle  auch  Aufschlüsse  über  die  Ätiologie  des 
Krebses  erhofEt.    Ben  ecke  (6)  hat  sich  auch  geradezu  dahin  ausgesprochen, 
dass  man  die  Virchowsche  Ansicht  nicht  für  so  natürlich  halten   kann, 
wenn  man  gerade  in  der  erkrankten  Epithel zelle  das  Wesen   der  Neubil- 
dung erblickt;   und  in  der  That  sind   alle  Autoren,    welche    auf   diesem 
Standpunkte  stehen,    mehr  oder   weniger   eifrig   bemüht,   irgend    welche 
spezifische  Eigenschaften  an  den  Krebszellen  zu  entdecken,  wie  Haus  er  (23), 
Hanau  (20),  vor  allem  auch  Hansemann  (21).    Auch  ist  es  nicht  so  sehr 
schwer,  Unterschiede  zwischen  den  Krebsepithelien  und  denen  des  Mutter- 
gewebes zu  entdecken,  aber  es  bleibt  fraglich,  ob  solche  Unterschiede  bereits  in 
ganz  normalen  Zellen  des  eben  beginnenden  Krebses  vorhanden  sind,  oder 
nur  als  degenerative  Formen  aufzufassen  sind.  Es  ist  ein  derartiger  Zweifel 
um  so  mehr  berechtigt,  als  gerade  die  Untersuchungen  über  den  feineren 
Bau  der  Krebszelle    eine   ausserordentlich    genaue  Übereinstimmung   mit 
den  EpitheUen  des  Muttergewebes  in  vielen  Fällen  ergeben    haben.     Die 
von  den  geschichteten  PlattenepitheUen  ausgehenden  Krebse  zeigen  oft  die 
ausgesprochenste  Faserstruktur  der  Epithelien ;  die  Zellen  können  Glykogen 
enthalten  und  sie  pflegen,  wie  die  normalen  Zellen,   der  Verhomung  an- 
heimzufallen, wobei  auch  in  nicht  wenigen  Zellen  das  Auftreten  von  Ke- 
ratohyalin  beobachtet    wird.    Die  Cylinderepithelkrebse    der  Schleimhäute 
können  genau  dieselben  hohen  Cylinderepithelien  aufweisen  wie  die  Drüsen, 
von  denen  sie  ausgehen;  sie  zeigen  in  gleicher  oder   auch    übertriebener 
Weise   die  Neigung  zur  Schleimproduktion.     In  Leberkrebsen   findet  man 
nach  Hansemann  mitunter  noch  deutlich  Galle,  nach  M.  Dürr  (16)  auch 
Glykogen.  Man  kaim  demnach  wenigstens  für  eine  grosse  Reihe  von  Car- 
cinomen  geradezu  den  Satz  aufstellen,  dass  sie   nicht   nur   morphologisch 
mit  den  Epithelien   des  Muttergewebes   aufs   genaueste   übereinstimmen, 
sondern  auch  in  ihren  regressiven  Metamorphosen   sich  eng  an   die  phy- 
siologischen Umwandlungen  der  Mutterzellen  anschliessen.     Ja,    man   ist 
berechtigt  noch  einen  Schritt  weiter  zu  gehen  und  auch  eine  grosse  funk- 
tionelle Übereinstimmung  zwischen  Krebsepithelien   und  Mutterzellen  an- 
zunehmen; das  tritt  naturgemäss,  wie  Lubarsch  (30)  und  Hansemann 
hervorgehoben  haben,  bei  den  Krebsen  solcher  Organe  hervor,   denen  die 
allgemeine  Funktion  der  Stoffwechselregulierung  zukommt.     Freilich  sind 
mv  auch  hier  nicht  sicher,  dass  die  Funktion  der  Krebszellen  quantitativ 
und  qualitativ  vollständig  mit  der  der  Mutterzellen  übereinstimmt.    Wenn 
auch  bei  diffusem  Krebs  des  Pankreas  Diabetes  ausbleiben  kann  und  nach 
totaler  krebsiger  Entartung   der  Schilddrüse   keine  Kachexia   thyreopriva 
auftritt,  so  liegt  das  daran,  dass  auch  die  erkrankten  Epithelien  noch  die 
Fähigkeit  besitzen,  den  Zuckerverbrauch  zu  regulieren,  bezw.  die  für  den 
Organismus  schädlichen  Stoffe  zu  zerstören.     Und  der  schon  oben  kurz  er- 


424  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

wähnte  Fall  von  v.  Eiseisberg  (17),  in  dem  selbst  ein  metastatischer  Knoten 
noch  für  die  exstirpierte  Schilddrüse  eintreten  konnte,  beweist  das  am 
besten.  Hier  waren  zunächst,  nach  der  Entfernung  eines  Schilddrüsen- 
adenoms ,  ausgesprochene  Kachexiesymptome  eingetreten  ,  welche  erst 
schwanden,  als  im  Anschluss  an  eine  Gravidität  sich  ein  harter  Tumor 
im  Sternum  ausbildete;  als  nun  wegen  der  Beschwerden,  welche  die  all- 
mählich rasch  wachsende  Neubildung  nach  vier  Jahren  hervorrief,  die 
Resectio  raanubrii  sterni  vorgenommen  wurde,  entwickelte  sich  neun  Tagt- 
nach  der  Operation  eine  schwere  Tetanie,  welche  allmählich  durch  Kachexie- 
symptome ersetzt  und  auch  durch  eine  neue  in  dem  Schulterblatt  auf- 
tretende Metastase  nicht  gehoben  wurde.  So  lehrreich  dieser  Fall  auch 
nach  vieler  Richtung  ist,  so  beweist  er  auch  noch  nicht,  dass  die  Funktion 
der  Carcinomzellen  völlig  dieselbe  ist,  wie  die  der  Mutterzellen.  Nur  (la< 
Endresultat  —  die  Ausschaltung  der  schädlichen  Stoffe  —  ist  annähernd 
das  gleiche;  ob  aber  die  Umwandlungen  dieselben  sind,  ist  keineswegs 
nachgewiesen.  Wenn  z.  B.  die  Zellen  destruierender  Nebennierengeschwülste 
die  für  den  Organismus  schädlichen  Stoffe  dadurch  ausschalten,  dass  sie 
aus  ihnen  Glykogen  bereiten,  so  ist  der  Endeffekt  derselbe,  wie  bei  der 
normalen  Nebennierenfunktion,  aber  die  chemische  Thätigkeit  ist  eine  totd 
differente,  da  die  normalen  Nebennierenzellen  die  schädlichen  Stoffe  ver 
nichten,  ohne  Glykogen  zu  bereiten;  das  gleiche  kann  auch  für  die  Pan- 
kreas- und  Schilddrüsenkrebse  gelten  und  es  ist  deswegen  doch  noch 
möglich,  dass  die  feinere  Funktion  (chemische  Thätigkeit)  der  Carcinom- 
zellen von  der  der  Mutterzellen  abweichend  ist,  wie  wir  ja  z.  B.  noch  nieht 
wissen,  ob  die  in  Leberkrebsen  auftretende  Galle  chemisch  mit  der  normalen 
Galle  identisch  ist.  Es  würden  deswegen  die  oben  erwähnten  Beobach- 
tungen noch  nicht  ohne  weiteres  gegen  die  Anschauung  Bards  und 
Beneckes  sprechen,  welche  das  Wesen  besonders  der  bösartigen  Neubil 
düngen  in  einer  primären  Störung  des  Gleichgewichts  sehen,  das  im 
normalen  Organismus  zwischen  dem  Wachstum  der  einzelnen  Zelle  und 
ihrer  physiologischen  Funktion  für  den  Gesamtorganismus  besteht.  Benecke 
meint  deswegen  auch,  dass  den  physiologischen  Differenzen  zwischen 
gesunden  Epithelien  und  Krebszellen  auch  histologische  Differenzen,  nainent 
lieh  im  Protoplasmabau  entsprechen  müssen  und  denkt  daran,  dass  event. 
die  Granulär  struktur  der  Zellen  eine  wesentliche  Abweichung  aufweisen 
würde.  Das  hat  sich  freiHch  nicht  bestätigt;  denn  durch  die  Untersuch- 
ungen Lübars  chs  ist  nachgewiesen  worden,  dass  die  Zellgranulienmg  der 
(.'arcinome  völUg  mit  denjenigen  der  Mutterepithelien  übereinstimmen 
kann  und  selbst  dann  noch  übereinstimmt,  wenn  an  den  Kernen  sehr 
erhebliche  Abweichungen  von  der  Norm  beobachtet  werden.  Aber  auch 
damit  ist  noch  nicht  bewiesen,  dass  das  I^ben  und  die  Struktur  der  Car- 


Carciaom.  425 

cinomzellen  in  keiner  Beziehung  von  der  der  normalen  Zellen  abweicht, 
zumal  die  neueren  Untersuchungen  A.  Fischers  es  wahrscheinlich  machen, 
dass  daß  Auftreten  der  Granula  von  der  Zellreaktion  abhängig  sein  kann. 
Wenn  man  somit  zwar  auf  der  einen  Seite  hervorheben  muss,  dass  in 
vielen  Krebsen  morphologische  und  biologische  Abweichungen  von  nor- 
malen Epithelien  nicht  nachweisbar  sind,  so  liegen  doch  andererseits  wieder 
manche  Beobachtungen  vor,  wo  frühzeitig  Abweichungen  in  der  Zellstruktur 
der  Krebse  auffallen.  So  giebt  Hauser  an,  dass  in  Magenkrebsen  das 
Protoplasma  der  Epithelzellen  dichter,  gesättigter  und  zart  granuliert  ist, 
jjich  stärker  färbt ;  der  Unterschied  zwischen  Haupt-  und  Belegezellen  wird 
aufgehoben  und  die  Zellen  nehmen  ein  mehr  indifferentes  Aussehen  an. 
Doch  ist  es  hier  und  bei  vielen  anderen  Untersuchungen  immerhin  möglich, 
dass  die  Carcinom zollen  erst  allmähhch  die  Charakteristika  der  Mutterzellen 
oinbüssen,  wie  das  auch  bei  einfachen  Drüsen  Wucherungen  beobachtet  wird; 
dagegen  kann  man  bei  den  Krebsen  des  Darms,  welche  von  denLieberkühn- 
schen  Krypten  ausgehen,  noch  sehr  lange  eine  Übereinstimmung  mit  den  Zellen 
des  Mutterbodens  nachweisen,  namentlich  finden  sich  hier,  auch  ohne  dass 
man  von  eigentlichen  Schleimkrebsen  sprechen  könnte,  noch  reichlich 
Becherzellen  vor,  die  Hauser  in  Magenkrebsen  bereits  frühzeitig  vermisste. 
Wichtiger  scheinen  mir  noch  Beobachtungen  an  den  Zellen  der  Hautkrebse 
zu  sein.  So  giebt  auch  U  n  n  a  (50),  der  ja  die  Hautkrebse  der  grobanatomi- 
jicIienForm  nach  in  zahlreiche  Unterarten  einteilt,  an,  dass  bei  den  papillären 
Formen  stets  Stachel-  und  Riffelzellen  vorhanden  sind,  während  er  z.  B. 
an  den  Zellen  der  grossalveolären  Krebse  und  der  Ulcus  rodens  hervorhebt, 
dass  sie  auf  keine  Weise  die  normale  Epithelfaserung  erkennen  lassen. 
Ich  selbst  habe  ähnhches  beobachtet  und  will  besonders  hervorheben,  dass 
ich  auch  in  ganz  kleinen,  eben  beginnenden  Ulcera  rodentia  mit  ausge- 
sprochener Injektion  der  Lymphbahnen  keine  Faserstruktur  nachweisen 
konnte,  ebenso  fehlte  sie  in  eben  beginnenden,  aber  deutlichen  Carcinomen 
der  Zunge  und  des  Penis.  Da  man  dagegen  in  sehr  grossen,  ausgebreiteten 
und  bereits  mannigfache  Zerfalls-  und  Degenerationserscheinungen  dar- 
bietenden Krebsen  noch  sehr  ausgeprägte  Faserstruktur,  zum  mindesten 
in  den  jüngeren  Partieen,  nachweisen  kann,  so  ist  es  unwahrscheinlich, 
dass  das  Fehlen  der  Faserstruktur  auf  eine  Degeneration  der  Krebszelle 
zu  beziehen  ist;  und  auch  in  manchen  Fällen  sicher  nicht  darauf,  dass 
die  Carciuomwucherung  nicht  von  den  Deckepitlielien ,  sondern  etwa  von 
den  Follikelzellen  ausgeht,  an  denen  schon  normalerweise  die  Faser- 
struktur schwer  nachweisbar  ist;  wenigstens  war  in  einigen  der  von  mir 
untersuchten  Fälle ,  darunter  auch  einem  Lupuscarcinom ,  der  direkte  Zu- 
sammenhang mit  den  Deckepithelien  nachweisbar.  Auch  die  Thatsache, 
dass  in  vielen  auch  beginnenden  Hautkrebsen,  sowie  in  Uteruskrebsen  Gly- 


426  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

kogeii  ganz  fehlt  oder  nur  in  geringen  Mengen  vorhanden  ist,  während  in  (Ut 
unmittelbaren  Nachbarschaft  in  den  normalen  Epithelien  reichlich  Glykogen 
nachge>\'iesen  werden  kann,  darf  als  eine  morphologische  Verschiedenheit  der 
Krebszellen  angesehen  werden,  ebenso  gehört  dahin  die  Thatsache,  dass  aueh 
bei  Krebsen,  die  von  Flimraerepithelien  ausgehen,  die  FUmmerhaare  stets  zu 
fehlen  pflegen.  —  Alles  andere  fällt  dagegen  bereits  in  das  Gebiet  der  Degene- 
ration; vor  allem  diejenigen  Veränderungen,  welche  sowohl  an  Cyliuder- wie 
Platten-Epithelkrebsen,  ja  an  allen  Arten  von  Carcinomen  auftreten,  und  bald 
als  schleimige,  hyahne  oder  kolloide  Veränderung  bezeichnet  werden.  —  Eine 
auffällige  Eigentümlichkeit,  welche  allerdings  durchaus  nicht  allen  Carcinomen 
in  gleich  massiger  Weise  zukommt,  ist  die  grosse  Hinfälligkeit  der  Krebs 
Zellen;  die  namentlich  von  Justinian  v.  Froschauer  (19) hervorgehoben  ist. 
Hanse  mann  hat  das  allerdings  bestritten;  nach  ihm  hängt  die  Neigung 
der  Carcinoma  zum  Zerfall  1.  davon  ab,  dass  den  Carcinomen  oft  die  den 
Mutterorganen  eigentümlichen  Schutzvorrichtungen  fehlen;  2.  weil  der 
Boden,  in  welchen  die  Zellen  namenthch  bei  der  Metastasierung  hineinge- 
langen, den  Zellen  nicht  immer  zusagend  sind  und  eine  nicht  genügende 
Ernährung  stattfinden  kann.  Hanse  mann  meint  daher,  dass  die  Krebs- 
zelle an  sich  keineswegs  hinfälliger  ist,  als  eine  normale  Epithelzelle,  son- 
dern dass  „die  äusseren  Umstände,  in  denen  sie  sich  befindet,  sie  in  grössere 
Gefahr  bringen  zu  erkranken.*'  Sicheriich  kommen  derartige  Umstände 
mit  in  Betracht,  wie  sich  schon  daraus  ergiebt,  dass  die  Carcinome  des 
Magendarmtraktus ,  welche  mechanischen  und  chemischen  Läsionen  in 
ausgedehntester  Weise  ausgesetzt  sind,  eine  besondere  Neigung  zur  Ulce- 
ration  aufweisen.  Wenn  man  aber  nicht  nur  auf  die  gröberen  Zerfalls- 
erscheinungen,  sondern  die  feineren  Degenerationen  Rücksicht  nimmt, 
scheint  doch  den  Carcinomzellen  eine  gewisse  Hinfälligkeit  zuzukommen: 
denn  auch  in  tiefer  gelegenen,  relativ  kleinen  Mammakrebsen  kann  man 
frühzeitig  alle  Arten  von  Zelldegenerationen  zu  sehen  bekommen  und  man 
kann  auch  feststellen,  dass  die  Degenerationen  um  so  reichlicher  sind,  je 
rascher  das  Wachstum  der  Krebse,  so  dass  daran  zu  denken  ist,  dasjj 
gerade  durch  die  so  rasche  Vermehrung  der  Zellen  ihre  völlige  Ausbildung 
verhindert  wird.  —  Was  die  Verhältnisse  der  Kerne  und  Kemkörperchen 
anbetrifft,  so  unterscheiden  sie  sich  im  ruhenden  Zustande  nicht  wesent- 
lich von  denjenigen  des  Muttergewebes.  Dagegen  hat  man  versucht,  au 
den  sich  teilenden  Zellen  Abweichungen  von  dem  normalen  Teilungsmodus 
zu  finden.  Schon  Arnold  (3)  hatte  auf  gewisse  Abweichungen  von  dem 
normalen  Teilungsmodus  aufmerksam  gemacht ;  sie  wurden  dann  noch  näher 
von  Corni  1  (12, 13)  studiert,  welcher  sowohl  auf  das  Vorkommen  pluripolarer 
Mitosen,  sowie  unregelmässiger  Kernteilungen  aufmerksam  machte.  Am 
eingehendsten  sind  sie  von  Hansemann  studiert  worden,  der  wie  schon 


Carcinome.  427 

oben  bemerkt,  iiameutlich  das  Vorkommen  der  asymmetrischen  und  hypo- 
chromatischen Mitosen  für  charakteristisch  hält.  Wir  haben  schon  oben  ange- 
geben, dass  diese  Auffassung  nicht  stichhaltig  ist,  nachdem  wiederholt  von 
verschiedenen  Seiten  gezeigt  ist,  dass  auch  in  anderen  Neubildungen  asy- 
liietrische  Mitosen  vorkommen;  namentlich  die  Untersuchungen  Stroebes, 
(47 — 49)  der  neuerdings  sogar  bei  der  normalen  Regeneration  der  Kornea  asym- 
metrische Mitosen  auffand  und  zwar  ungefähr  in  der  gleichen  Häufigkeit,  wie 
in Carcinomen,  sind  doch  wohl  ausschlaggebend,  zumal  die  Einwände  Hanse- 
ln an  ns  hiergegen  nicht  sehr  beweisend  sind.  Denn  die  Annahme,  dass 
Stroebes  Beobachtungen  auf  Kunstprodukten  beruhen,  muss  eigentlich 
schon  deswegen  ausgeschlossen  werden,  weil  gerade  Stroebe  die  Beding- 
ungen, unter  denen  er  die  Asymmetrie  von  Mitosen  anerkennt,  eher  enger 
gezogen  hat,  als  Hansemann.  —  Sonstige  Unregelmässigkeiten  in  den 
Kernteilungen  kommen  bei  Carcinomen  ebenso,  wie  in  anderen  rasch 
wachsenden  Neubildungen,  mehr  oder  weniger  reichlich  vor;  so  vor  allem 
die  hyperchromatischen  Teilungen  (Klebs(27),  Stroebe,  Hansemann, 
Hauser,  Schütz  (45)  u.  a.)  Abortivformen,  Versprengung von  Chromosomen. 
Auch  Veränderungen  der  Centrosomen  werden  von  Hansemann  geschildert. 
—  Was  die  Lage,  Grösse  und  die  Anzahl  der  Mitosen  anbetrifft,  so  hat 
Schütz  betont,  dass  sie  sich  am  reichlichsten  in  den  periphersten  Schichten 
der  Alveolen,  dicht  an  den  Blutgefässen  des  Stromas  vorfinden;  die  Grösse 
der  Kerne  und  Mitosen  soll  sehr  viel  bedeutender  sein,  als  die  der  normalen 
Zellen  (4—10  /u  normal;  in  Carcinomen  12—60  ja)  und  endlich  soll  die 
Massenhaftigkeit  der  Mitosen  sogar  in  zweifelhaften  Fällen  von  diagnostischer 
Bedeutung  sein.  Weim  auch  im  allgemeinen  anerkannt  wird,  dass  die 
Anzahl  der  Mitosen  in  Übereinstimmung  mit  der  Wachstumsgeschwindig- 
keit steht  (Se  Slawin  (46),  Hauser,  Stroebe),  so  bemerkt  doch  Stroebe 
mit  Recht,  dass  eine  Verwertung  der  Zahl  der  Mitosen  für  diagnostische 
Zwecke  nicht  möglich  ist,  da  auch  in  gutartigen  Neubildungen  oder  nor- 
malen Geweben  reichlichst  Mitosen  vorkommen  können  und  Ben  ecke 
weist  auf  die  ReichUchkeit  der  Mitosen  in  kurz  nach  der  Menstruation 
ausgeschabter  Uterusschleimhaut  hin.  Auch  die  Lage  der  Mitosen  zeigt 
nach  Stroebe,  dem  ich  durchaus  zustimmen  muss,  keine  Gesetzmässig- 
keit, vielmehr  liegen  sie  oft  zerstreut  im  Carcinom;  wenn  sie  vielleicht 
öfter  und  reichlicher  in  den  peripheren  Partieen  (des  ganzen  Tumors)  an- 
getroffen werden,  so  hegt  das  daran,  dass  meist  im  Centrum  die  Zerfalls- 
erscheinungen zuerst  auftreten.  —  Auch  die  ungeheure  von  Schütz  an- 
gegebene Grösse  der  Kerne  und  Mitosen  ist  kein  regelmässiger  Befund, 
da  raan  namentlich  in  noch  wenig  degenerierten  Krebsen,  sehr  kleine 
Kerne  und  Mitosen  finden  kann  und  sie  sind  nicht  charakteristisch  für 
das  Carcinom,   da  sie  auch  in  Sarkomen   in  gleicher  Grösse  vorkommen. 


428  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Von  sonstigen  abweichenden  Mitosen  seien  noch  die  Beobachtungen  von 
V  i  t  a  1  i  s  Müller  (36)  erwähnt,  welcher  eine  ganz  bestimmte  Stönmg  des  Ver- 
laufs der  Mitose  und  zwar  der  Metaphase  auffand;  der  Übergang  vom 
Monaster  zum  Diaster  vollzieht  sich  vollkommen  fehlerhaft;  während  nor- 
malerweise nach  der  äquatorialen  ümordnung  der  Schleifen  durch  gleich- 
massige  und  gleichzeitige  Kontraktion  der  Spindelfasern  die  Chromosoraen- 
massen  in  zwei  symmetrischen  Gruppen  nach  den  Polen  zu  rücken,  kann 
in  Carcinomen  gar  nicht  so  selten  beobachtet  werden,  wie  die  Chromosomen 
in  mehreren  Schüben  nach  einander  zu  den  Polen  gezogen  werden,  h^ 
ist  möglich,  dass  auf  diese  Weise  auch  asymmetrische  Mitosen  entstellen, 
und  wohl  sicher,  dass  ein  Teil  der  Mitosen  mit  versprengten  Chromosomen 
hierher  gehört.  Was  die  hyperehromatischen  Korne  und  Kernteilungen 
anbetrifft,  so  fasst  Stroebc,  wie  bereits  bei  den  Sarkomen  auseinander 
gesetzt,  sie  als  Degenerationserscheinungen  auf  und  führt  besonders  ihr 
gruppen förmiges  Vorkommen  mit  gleichzeitiger  Leukocytenansammlung 
als  Beweis  dafür  an;  ebenso  verwertet  er  dafür  die  Beobachtungen  über 
das  Auftreten  lancettförmiger  Chromatinkörperchen  innerhalb  und  ausser- 
halb der  Kerne  (mitunter  in  Vakuolen),  an  deren  Auftreten  d€ir  Untergang 
des  Kernes  regelmässig  anzuschliessen  scheint.  Auch  die  Formen  der  in- 
direkten Fragmentierung  und  direkten  Segmentation,  die  schon  von  Arnold 
und  seinen  Schülern  erhoben  waren  und  von  Stroebe,  Vit  aus  Müller 
u.  a.  ebenfalls  beschrieben  sind,  gehören  wenigstens  zum  Teil  in  das  Ge- 
biet der  Zelldegeneration,  speziell  der  Karyorhexis,  welche  nach  meiner 
Meinung  überhaupt  eine  sehr  grosse  Rolle  in  den  meisten  Krebsen  spielt. 
Auf  die  Einzelheiten  soll  hier  aber  nicht  eingegangen  werden,  da  bei  der 
Besprechung  der  Carcinomsporozoen  noch  darauf  verwiesen  wird.  —  Von 
den  Kemkörperchen  der  Krebszellen  ist  vor  allem  anzugeben,  dass  sie 
sich  in  ganz  frischen  Zellen  wenig  von  den  normalen  Zellen  unterscheiden; 
sie  können  sowohl  einfach  wie  doppelt,  ja  mehrfach  vorhanden  sein. 
Ihre  Tinktionsfähigkeit  ist  sehr  ausgesprochen,  nicht  immer  abweichend 
von  der  der  Kerne,  aber  nicht  selten  doch  so,  dass  sie  begierig  saure  Anilin- 
farbstoffe aufnehmen.  Frühzeitig  kommt  es  in  ihnen  zu  regressiven  Ver- 
änderungen, wohin  auch  das  Auftreten  von  sehr  stark  lichtbrechenden 
Körnchen  (Nukleololi) ,  welche  Schütz  beschreibt,  gehört.  —  Sehr  häulig 
findet  man  in  allen  Arten  von  Carcinomen  mehrkernige  Zellen  bis  zu  echten 
Riesenzellen.  Nach  Cornil  (13)  können  sie  durch  multipolare  Teilungen  ent- 
stehen, während  Stroebe,  zwar  hie  und  da  mehrere  Mitosen  in  ihnen  fand, 
aber  auch  eine  Entstehung  durch  indirekte  Fragmentierung  annimmt.  Auf 
die  Erscheinungen  der  Zellinvagination  und  endogenen  Zelibildung,  welche 
namentUch  in  den  Krebsen  der  mit  geschichteten  EpitheUen  ausgekleideten 
Organe   eine  Rolle   spielen  und  zur  Bildung   der  „Epithelperlen''   führen, 


Carcinotne.  429 

sei  hier  nur  kurz  hingewiesen;  nach  Cornil  kommt  die  Bildung  derselben 
auch  dadurch  zu  stände,  dass  sich  die  durch  Mitose  vergrösserten  Zellen 
um  die  übrigen  legen  und  sie  komprimieren.  —  Über  Bewegungserschei- 
nungen an  Carcinomzellen  liegen  ebenfalls  einige  Angaben  vor.  Schon 
Virchow  hatte  an  Enchondromen,  Carmalt  (Virchows  Arch.  Bd.  o5, 
S.  486),  Waldeyer  und  Weigert  an  Carcinomen  langsame  und  träge 
Bewegungen  beobachtet.  Neuerdings  berichten  auch  L.  Pfeiffer  (41)  und 
Adamkiewicz  über  solche  beweglichen  Carcinomzellen  und  sehen  darin 
einen  Beweis,  dass  die  Carcinomzellen  selbst  parasitäre  Gebilde  sind. 
Hansemann  hat  in  einem  Carcinom  von  der  Mamma  einer  Hündin  auf 
dem  heizbaren  Übjekttisch  an  einigen  grossen  Zellen  deutlich  langsame  Be- 
wegungen wahrgenommen,  die  jedoch  nur  in  einer  Gestaltsveränderung, 
nicht  in  Ortsbewegung  bestanden.  Hansemann  trifft  jedenfalls  das 
Richtige,  wenn  er  hierin  nichts  spezifisches  für  die  Carcinomzellen 
sieht,  da  bekanntermassen  die  gleiche  Eigenschaft  allen  jugendlichen 
Zellen  zukommt.  —  Bevor  wir  uns  jetzt  zu  dem  Krebsstroma  wenden, 
müssen  wir  noch  einer  Erscheinung  gedenken,  die  zwar  vom  Krebsstroma 
ausgeht,  sich  aber  innerhalb  des  Krebsparenchyms  abspielt,  der  Leukocy ten- 
einwanderung.  Nächst  Klebs  hat  ihr  vor  allem  Stroebe  Aufmerksam- 
keit geschenkt.  Bei  einer  grossen  Anzahl  von  Carcinomen  beobachtete 
Stroebe,  wie  schon  Klebs  vorher  beschrieben,  in  den  epithelialen' Zellen 
Leukocyten  eingeschlossen,  die  mehr  oder  weniger  ausgeprägt  die  Er- 
scheinungen des  Zerfalles  darboten.  Sie  lagen  von  einem  hellen  Hof  um- 
geben in  einer  Art  Vakuole,  ilir  Protoplasma  war  weit  heller  als  die  der 
(Jeschwulstzelle,  oft  auch  bereits  ganz  mit  demselben  verschmolzen;  die 
Kerne  zeigten  die  bekannte  fragmentierte  Form ;  oft  waren  auch  nur  noch 
Trümmer  in  Form  von  homogenen  Tropfen  und  Schollen  vorhanden  oder 
es  war  sogar  die  färbbare  Substanz  bis  auf  Beste  feiner  Körnchen  ganz 
geschwunden;  selbst  das  Vorkommen  von  Vakuolen  im  Leibe  der  Ge- 
schwulstzellen möchte  Stroebe  mit  Nikikoroff  auf  Einwanderung  und 
nachträgliche  Verdauung  von  Leukocyten  zurückführen.  Diese  Befunde  sind 
von  vielen  anderen  Autoren,  Schütz,  Karg  (25),  Ribbert,  L.  Pfeiffer 
(der  die  Leukocjrten  für  Amöben  hält)  bestätigt  worden.  Stroebe,  der  im 
übrigen  die  Klebs  sehe  Auffassung  über  die  Bedeutung  dieser  Befunde 
mit  Recht  zurückweist,  bezeichnet  den  ganzen  Vorgang  als  Phagocytose 
und  nimmt  an,  dass  die  Leukocyten  zur  Ernährung  der  Geschwulstzellen 
dienen.  Ich  möchte  dem  Ausdruck  Phagocytose  insofern  widersprechen, 
als  weder  durch  die  Beobachtungen  Nikikoroffs  bei  der  Bildung  des 
Granulationsgewebes,  noch  durch  Stroebe  s  Untersuchungen  bewiesen  ist, 
dass  die  Geschwulstzellen  aktiv  die  Leukocyten  aufnehmen  und  nicht  viel- 
mehr jene  in  sie  hineinwandern.     Es  scheint  mir  letzteres  aber  deswegen 


430  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  PhyRi'ologie. 

sehr  viel  wahrscheinlicher,  weil  auch  bei  den  Carcinomen  die  weissen  Blut- 
zellen um  so  zahlreicher  zwischen  und  in  den  Zellen  gefunden  werden, 
je  stärker  der  Zerfall  ist  oder  wenigstens  regressive  Veränderungen  vor- 
handen sind.  Es  werden  also  auch  hier  positiv  chemotaktische  Stoffe  sein, 
welche  eine  Auswanderung  der  Leukocyten  und  Einwanderung  in  die  Zellen 
veranlassen,  wie  man  es  übrigens  auch  in  einfachen  Papillomen  oder  im 
Epithel  von  Geschwürsrändern  finden  kann;  gerade  deswegen,  weil  die 
anlockenden  Stoffe,  von  den  Epithelzellen  selbst  produziert  werden,  wandern 
dann  die  weissen  Blutzellen  auch  in  den  Zellleib  ein  und  es  liegt  umso 
weniger  Grund  vor,  an  eine  aktive  Beteiligung  der  Epithelzellen  zu  denken, 
weil  man  die  Leukocyten  auch  in  den  ältesten  Partieen  antrifft,  wo  wir 
keine  Berechtigung  haben,  eine  phagocytäre  Jjigenschaft  der  Epithelzellen 
anzunehmen.  Dass  im  übrigen  die  eingewanderten  Leukocyten  von  den 
Epithelzellen  verdaut  und  assimiliert  werden  können,  halte  ich  für  zweifellos, 
da  die  oben  eingehend  geschilderten  morphologischen  Veränderungen  nicht  gut 
eine  andere  Deutung  erlauben  und  auch  selbst  in  ihrem  Stoffwechsel  alterierte 
Zellen  noch  die  Fähigkeit  besitzen  können,  korpuskulare  Partikel  aufzu- 
lösen. —  Auf  die  übrigen  in  Carcinomen  oft  genug  in  grosser  Menge  vor- 
kommenden Zelleinschlüsse  wird  erst  bei  dem  Kapitel  „parasitäre  Ätiologie" 
näher  eingegangen  werden. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zur  Anatomie  des  Krebsstroma,  so  wäre 
hier  in  erster  Linie  eine  Streitfrage  von  eminenter  Wichtigkeit  zu  be- 
sprechen, ob  nämlich  das  Krebsstroma  überhaupt  ein  wichtiger  Bestand- 
teil der  Carcinome  ist  oder  ob  es  sich  nicht  nur  um  eine  sekundäre  Bil- 
dung handelt.  Da  wir  jedoch  auf  diese  Frage  bei  den  Kapiteln  Histo- 
genese  und  Wesen  des  Carcinomes  noch  näher  eingehen  müssen,  so  sei 
sie  hier  nur  gestreift.  Virchow  (51)  hat  bekanntUch  dem  Krebsstroma 
deswegen  eine  grosse  Aufmerksamkeit  geschenkt,  weil  er  in  den  Binde 
gewebszellen  desselben  die  Matrix  des  Carcinoms  sali,  aber  auch  späterhin 
misst  er  ihm  die  gi'össte  Bedeutung  bei,  wenn  er  als  Carcinome  nur  solche 
Neubildungen  bezeichnet,  „die  in  ihrer  Basis  alveoläre  Einrichtungen  mit 
einem  Inhalt  von  heterologem  Epithel  zeigen.''  Auch  Ri  b  b  e  r  t  (42)  muss  natur- 
gemäss  dem  Stroma  eine  prinzipielle  Bedeutung  zuerkennen ,  da  er  auch 
die  Epithelwucherung  durch  eine  Bindegewebswucherung  verursacht  ansieht. 
Ebenso  sieht  Kl ebs  in  der  Stromabildung  nichts  sekundäres,  sondern  stellt 
die  Bindegewebswucherung  der  Epithelwucherung  ebenbürtig  an  die  Seite, 
so  dass  nach  seiner  Auffassung  die  Carcinome  „wenigstens  in  ihren  ent- 
wickelten Formen  eigentliche  Mischgeschwülste  bilden.''  Hauser  legt  da- 
gegen auf  die  alveoläre  Struktur  und  die  Anwesenheit  eines  besonderen 
Gerüstes  wenig  Gewicht,  da  letzteres  oft  genug  fehlen  kann  (Krebsstränge 
in  Lymphbahnen,   in  glatter  und  quergestreifter  Muskulatur);  ist  es  vor- 


Carcinome.  431 

banden,  so  handelt  es  sich  um  eine  sekundäre  Bildung,  wie  bei  Fremd- 
körperwirkung. Auch  Hanau  ist  der  Meinung,  dass  eine  bindegewebige 
Wucherung  ausbleiben  kann  und  dass  namentlich  bei  sekundären  Krebsen 
<lie  Bindegewebsneubildung  der  epithelialen  Wucherung  nachfolgt;  selbst 
die  alveoläre  Struktur  kann  nach,  seiner  Meinung  ohne  aktive  Betheiligung 
des  Bindegewebes  durch  Umordnung  des  Epithels  und  Spaltenbildung  ent- 
stehen. Einen  gleichen  Standpunkt  vertritt  Hansemann,  wenn  er  angiebt, 
dass  das  Stroma  in  Krebsen  durchaus  nicht  nur  aus  Bindegewebe  besteht, 
sondern  auch  von  Fettgewebe,  glatter  Muskulatur,  Leberzellen  etc.  gebildet 
sein  kann;  so  schildert  er  besonders,  dass  in  Lymphdrüsen  die  Carcinom- 
Zellen  oft  in  dem  unveränderten  und  höchstens  auseinandergedrängten 
Lymphdrüsenstroma,  dem  bekannten  fein  retikuherten  Gewebe  Hegen. 
Stroebe  steht  Hau sers  Auffassung  nahe,  wenn  er  die  Meinung  äussert, 
dass  eine  in  ein  Gewebe  eindringende  bösartige  Neubildung  auf  dasselbe 
einen  Reiz  ausübt,  der  einer  Fremdkörperwirkung  vergleichbar  ist;  so  würde 
sich  die  entzündliche  Gewebsneubildung  erklären,  die  an  der  Peripherie 
von  Carcinomen  so  häufig  zu  beobachten  ist.  Es  mag  hier  genügen,  diese 
verschiedenen  Ansichten  zu  skizzieren  und  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
dass  die  Beobachtungen  an  metastatischen  und  primären  Krebsen  nicht 
völlig  gleichwertig  sind,  dass  es  aber  jedenfalls  durch  nicht  wenig  Beobach- 
tungen gesichert  erscheint,  dass  das  Krebsstroma  nicht  aus  neugebildetem 
Gewebe  zu  bestehen  braucht,  sondern  von  den  Resten  des  Muttergewebes 
gebildet  wird,  in  welches  die  epitheliale  Wucherung  eindringt.  —  Sehr 
häufig  aber  ist  namentlich  bei  den  primären  Tumoren,  oft  genug  aber  auch 
in  den  Metastasen  nachweisbar,  dass  ein  besonderes  Stroma  vorhanden  ist, 
welches  aus  neugebildetem  Gewebe  besteht.  Über  die  Komponenten  und 
die  Art  der  Entstehung  bestehen  ebenfalls  verschiedene  Meinungen.  Wenn 
man  das  ausgebildete  Stroma  betrachtet,  wie  es  namentUch  an  der 
Grenze  der  Carcinome  ausgebildet  ist ,  so  kann  man  darni  mehrere  Ele- 
mente unterscheiden,  die  allerdings  nicht  regelmässig  vorhanden  zu 
sein  brauchen,  1.  neugebildete  Blutgefässe,  2.  Granulationszellen,  3.  Leuko- 
cyten,  4.  Mastzellen,  oder  zum  mindesten  findet  man  die  vier  Arten,  von 
Zellen  vor,  welche  Hansemann  (22)  erwähnt:  langspindelige  oder  ver- 
ästelte Zellen  mit  bläschenförmigen  Kernen,  unter  denen  solche  mit  granu- 
liertem Protoplasma  (Mastzellen)  vorhanden  sind  —  Bindegewebszellen ;  ferner 
abgeplattete  Zellen  mit  bläschenförmigen  Kernen  und  mehr  oder  weniger 
granuUerten  Protoplasma- Endothelien  der  Lymphspalten ;  kleine  runde  Zellen 
mit  wenig  Protoplasma  und  runden,  stark  färbbaren  Kern-Lymphocyten  oder 
junge  Granulationszellen,  4.  kleine,  protoplasmaarme  Zellen  mit  gelappten 
oder  vielfachen  Kemen-Leukocyten.  Auch  hierbei  bleibt  die  einfachste  Deu- 
tung die,  dass  man  es  mit  einer  Gewebswucherung  zu  thun  hat,  die  der 


432  AUgetn.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Granulationsgewebsbilduiig  analog  ist.  Das  ist  nun  aber  von  H e  i  d  e  m  an  n  (24) 
einem  Schüler  Grawitzs  bestritten  worden,  welcher  zwar,  soweit  er  eine 
objektive  Beschreibung  giebt,  die  gleichen  Befunde  notiert,  wie  die  anderen 
Untersucher,  aber  in  der  Deutung  erheblich  abweicht.  Die  wie  Leuko- 
cyten  aussehenden  Formen  sind  Abortivformen  des  erwachten  Bindege- 
webes, was  aus  ihrer  Lage  innerhalb  von  Bindegewebsfasern  mit  Sicherheit 
hervorgehen  soll;  das  eigentliche  Krebsstroma  soll  durch  das  Wiederein- 
schlummem  der  eben  erwachten  Zellen  entstehen.  Das  Erwachen  der 
Bindegewebszellen  wird  aus  der  Vermehrung  der  Bindegewebskerne  ge- 
schlossen, für  die  eine  mitotische  Wucherung  nicht  nachweisbar  war.  Es 
ist  unnötig,  hier  nochmals  auf  die  Verkehrtheit  der  ganzen  Schlummer- 
zellenlehre hinzuweisen,  nachdem  die  speziellen  Angaben  Heidemauns 
eine  ebenso  gründliche,  wie  sachgemässe  Widerlegung  durch  Hauseinann 
erfahren  haben.  Dass  man  allerdings  im  Krebsstroma  Mitosen  gänzlich 
vermissen  kann,  hat  bereits  Cornil  notiert.  Aber  schon  Seslawin  be- 
merkte, dass  man  zwar  im  Stroma  langsam  wachsender  Krebse  gar  keine 
Mitosen  fl^ndet,  in  rascher  wachsenden  dagegen  sowolil  in  Bindegewebs- 
wie  Endothelzellen.  Auch  Hauser  hat  in  den  Bindegewebszellen  des 
Stromas  Mitosen  gefunden,  allerdings  sehr  viel  spärlicher,  wie  in  den  Epi- 
thelien  (in  einen  Schnitt  im  Verhältnis  von  500  :  8).  Hansemann  hat 
dann  nicht  nur  ebenfalls  gezeigt,  dass  auch  im  Krebsstroma  Mitosen  vor- 
kommen —  mitunter  auch  in  nennenswerter  Anzahl  —  sondern  er  hat 
auch  nachgewiesen,  warum  oft  so  ausserordentUch  spärlich  Mitosen  ge- 
funden werden;  er  zeigt  nämlich,  dass  1.  sich  die  viel  kleineren  Mitosen 
der  Bindegewebszellen  und  Lymphocyten  viel  rascher  (postmortal)  ver- 
ändern, wie  die  der  Epithelzellen  oder  2.  überhaupt  die  Mitosen  in  binde- 
gewebigen Wucherungen  sehr  viel  rascher  ablaufen,  wie  in  epithelialen, 
so  dass  die  Chancen  noch  Teilungsformen  zu  finden  geringer  sind.  Weiter 
zeigte  er,  dass  sich  im  Krebsstroma,  ohne  sogenannte  kleinzellige  Infil- 
tration, nur  Mitosen  von  Bindegewebs-  und  Endotheltypus  finden,  während 
bei  vorhandener  Infiltration  auch  die  kleinen,  für  die  lymphoiden  Zellen 
charakteristischen  Mitosen  auftreten,  eine  Beobachtung,  die  mit  Sicherheit 
gegen  Heidemanns  Angaben  über  den  Übergang  der  aufgeweckten  Binde- 
gewebszellen in  einkernige  Leukocyten  spricht.  Was  die  besondere  Art 
der  im  Krebsstroma  auftretenden  Leukocyten  anbetrifft,  welche  übrigens, 
wie  Stroebe  richtig  angiebt,  auch  in  die  Bindegewebszellen  einwandern 
köimen,  so  gilt  darüber  im  ganzen  dasselbe,  wie  bei  den  Sarkomen  aus- 
geführt wurde.  Es  konunen  scliliessUch  alle  Arten  von  Leukocyten  vor, 
ein-  und  mehrkernige,  mit  acidophiler  und  basophiler  Granulierung.  Den 
grösseren  derselben  mit  unregelmässiger  Granulierung  hat  Unna  wieder 
besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt;  in  den   verschiedenen  Formen  des 


Carcioome.  433 

Hautkrebses  sollen  sie  in  verschiedener  Weise  „Plasmombildungen"  hervor- 
bringen; in  den  papillären  Krebsen  nur  in  geringer  Weise,  in  den  retikulären 
stärker,  in  den  einfach  walzigen  äusserst  spärlich,  im  Ulcus  rodens 
dagegen  wieder  stärker.  Abgesehen  davon,  dass  die  Angaben  Unnas 
vielfach  sich  nur  auf  die  Untersuchung  einiger  weniger  Fälle  stützen  und 
schon  dadurch  die  von  ihm  beliebte  Schematisierung  an  Wert  verliert, 
kann  man  nur  das  zugestehen,  dass  sich  in  der  Infiltrationszone,  die  sich 
iü  einzelnen  Herden  und  Strängen  im  Krebsstroma  oder  an  der  Grenze 
des  Krebses  findet,  verhältnismässig  reichlich  Plasmazellen  vorfinden, 
wie  das  auch  Jadasssohn  und  v.  Marshalkö  (33)  angegeben.  Von 
sonstigen  im  Carcinomstroma  vorkommenden  Gebilden  sei  hier  nur  noch 
erwähnt  1.  der  Befund  Rüssel  scher  Fuchsinkörper  und  2.  mehrkernige 
Riesenzellen  mit  und  ohne  Randstellung  der  Kerne.  Die  Fuchsinkörper 
iiüd  namentlich  im  Stroma  von  Magen-,  Darm-  und  Pankreaskrebsen  oft 
ausserordentlich  reichlich  und  stellen  grosse  Klumpen  und  gebuckelte 
Zellen  dar.  Die  Riesenzellen  sind  häufiger  zu  finden,  als  bisher  ange- 
nommen wurde.  Schon  Stroebe  erwähnte  sie  in  einem  Falle,  später 
hat  namenüich  Ribbert(43),  Krückmann  (28)  und  Dunschmann(15)  auf 
ihr  Vorkommen  zwischen  Epithelien  und  im  infiltrierten  Bindegewebe  hin- 
gewiesen. Sie  sind,  wie  wenigstens  aus  allen  bisherigen  Angaben  und 
meinen  fortgesetzten  Untersuchungen  hervorgeht,  besonders  häufig  in 
Plattenepithelcarcinomen  der  Haut  und  der  Schleimhäute  und  sie  haben 
entweder  die  Bedeutung  von  Fremdkörperriesenzellen,  da  man  in  ihnen 
verhornte  Epithelien,  Detritus,  Cholesterintafeln  etc.  finden  kann  oder 
sie  entsprechen  den  Riesenzellen,  wie  man  sie  in  jedem  gewöhnlichen 
üranulationsgewebe  mehr  oder  weniger  häufig  findet.  Sie  liegen  bald 
vereinzelt,  bald  in  Haufen;  mitunter  in  wenig  gewuchertem  Bindegewebe, 
häufiger  in  lufiltrationsherden,  deren  Form  auch  knötchenförmig  sein  kann. 
Es  ist  das  ein  Grund,  weshalb  Ribbert  aus  seinen  Befunden  auf 
echte  Tuberkulose  schliesst,  eine  Meinung,  die  bereits  von  Clement  (10) 
bekämpft  und  von  mir  weiter  unten  noch  näher  besprochen  werden  wird. 
Was  die  Genese  dieser  Riesenzellen  anbetrifft,  so  ist  z.  B.  K  rück  mann 
geneigt,  sie  von  Epithelien  abzuleiten,  was  für  die  Fälle  angehen  mag, 
wo  die  Riesenzellen  allerseits  von  Epithelien  umschlossen  angetroffen 
werden;  in  allen  anderen  Fällen  bilden  sie  sich  wohl  aus  Bindegewebs- 
oder  Endothelzellen.  Heidemanns  Ansicht,  dass  Krebs-  und  Binde- 
gewebszellen zu  mehrkernigen  Riesenzellen  verschmelzen,  sei  hier  nur  der 
Kuriosität  halber  erwähnt.  Alle  vorstehenden  Angaben  gelten  nicht  nur 
für  das  eigentUche  Krebsstroma  —  soweit  es  aus  gewucherten  Zellen  be- 
steht —  sondern  auch  für  die  sogenannte  zellige  Infiltration,  welche  sich 
an  der  Basis  vieler  Carcinome  an  der  Grenze  zum  Gesunden   zu   findet. 

Luba  rEch-O&tertag,  Ergebnisse  Abteil.  U.  28 


434  Allgem.  patfaol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Dasa  von  diesen,  ein  richtiges  entzündliches  Granulationsgewebe  darstellen- 
den Bildungen  auch  Zellen  zwischen  verlängerte  Epithelzapfen  einwandern 
und  einwuchem,  ist  von  Ribbert  (42)  neuerdings  hervorgehoben  worden; 
diese  Beobachtungen  werden  in  dem  Kapitel  über  die  Hißtogenese  de> 
Carcinoms  ausführlicher  berücksichtigt  werden. 

Während  wdr  im  obigen  die  anatomischen  Verhältnisse  geschildert 
haben,  wie  man  sie  aus  der  Untersuchung  zahlreicher  jüngerer  Krebse 
abstrahieren  kann,  wird  das  Bild  in  mannigfacher  Weise  verändert  durch 
die  verschiedensten  regressiven  Metamorphosen,  welche  innerhalb  dir 
Krebse  auftreten  können.  Diese  Veränderungen  greifen  in  erster  Linie 
Platz  an  den  Krebsepithelien ,  erstrecken  sich  schliesslich  auf  das  Stronia 
oder  es  kommt  auch  vor,  dass  in  erster  Linie  das  ötroma  ergriffen  wird. 
Die  an  den  EpitheUen  auftretenden  Veränderungen  gehören  entweder  in 
das  Gebiet  der  bekannten  fettigen,  schleimigen  und  kolloiden  Entartung 
sowie  der  Verhornung,  oder  in  das  Gebiet  der  Nekrose  imd  Nekrobiose, 
wobei  die  Veränderungen  sowohl  an  den  Kernen,* wie  am  Protoplasma  in 
allmählicher  Auflösung  bestehen  und  daher  zu  sehr  komplizierten  Bildern 
Anlass  geben,  auf  welche  bei  der  Besprechung  der  „Carcinomprotozoen* 
näher  eingegangen  wird.  Sieht  man  von  diesen  Verändenmgen  ab,  ilie, 
soweit  es  den  Kern  anbetrifft,  vielfach  in  das  Gebiet  der  Karyorhexis 
fallen,  so  kann  man  wohl  das  Gesetz  aufstellen,  dass  auch  die  Carcinom- 
epithelien  den  gleichen  Metamorphosen  anheimfallen,  welche  für  die  Mutter- 
zellen spezifisch  sind.  Die  Ausdehnung  und  die  Raschheit  des  Zerfalls 
ist  abhängig  1.  von  der  Schnelligkeit  des  Wachstums,  2.  von  der  Ent- 
wickelung  des  Stromas  und  der  in  ihm  verlaufenden  Blutgefässe,  3.  von 
dem  Sitz  des  Carcinoms.  Ist  die  Proliferation  der  Epithelien  eine  so  mäch- 
tige, dass  die  Ausbildung  des  Stromas  nicht  gut  Schritt  halten  kann,  so 
wird  leicht  ein  Missverhältnis  eintreten  zwischen  Zellenbildung  und  er- 
nährenden Gefässen  und  daher  rasch  der  Zerfall  eintreten;  das  Gleiche 
ist  vorhanden,  wenn  auch  bei  langsamerem  Wachstum  der  Epithelien  doch 
nur  spärlich  Stroma  neugebildet  wird.  Endlich  werden  diejenigen  Carcinome, 
welche  durch  ihren  Sitz  sowohl  mechanischen,  wie  chemischen  Reizen 
permanent  ausgesetzt  sind,  leichter  zerfallen,  wie  solche  die  an  geschützteren 
Stellen  sitzen ;  die  in  Tumoren  häufiger  auftretenden  Cirkulationsstörungen 
führen  zu  ödematöser  Durchtränkung  des  Stromas,  mucinöser-hyaliner 
Umwandlung  derselben,  zu  Blutungen,  Nekrosen.  Auf  diese  Weise  werden 
wohl  auch  die  gröberen  Zerfallserscheinungen  hervorgebracht,  die  wolil 
nie  ohne  Mitwirkung  von  Mikroorganismen  verlaufen.  Sowohl  der  jauchige 
Zerfall,  wie  die  eitrige  Einschmelzung  von  Carcinomknoten  wird  durch 
Mikroorganismen  oder  deren  Toxine  hervorgebracht,  nachdem  ihnen  durch 
mechanische,  wenn  auch  oft  geringfügige  Läsionen,   einerseits    eine  Ein- 


Carcinome.  435 

gangspforte  eröffnet,  andererseits  der  Boden  zur  Vermehning  geebnet  ist 
So  erklärt  es  sich,  dass  die  im  Magendarmtraktus  sitzenden  Carcinome 
frühzeitig  und  geradezu  regelmässig  ulcerieren  und  verjauchen;  und  so 
sind  wohl  auch  diejenigen  Angaben  zu  deuten,  die  über  den  Befund  von 
Mikroorganismen  (meistens  Staphylokokken  und  Streptokokken)  in  noch  nicht 
ulcerierten  Krebsen  berichten;  namentlich  in  Mammakrebsen  kommt  es 
nicht  so  selten  vor,  dass  von  der  Mammilla  aus,  ohne  dass  irgend  welche 
nachweisbare  Läsion  des  Epithels  besteht,  Mikroben  in  tiefere  Partieen  des 
Carcinoms  einwandern;  wie  ja  auch  erysipelatöse  Entzündungen  in  ver- 
schiedenen Carcinomen  beobachtet  sind.  Spezifische  Mikroorganismen 
scheinen  nur  selten  in  Carcinomknpten  einzuwandern.  Wenn  auch  Com- 
biuation  zwischen  Tuberkulose  und  Carcinom  nicht  so  ganz  selten  vor- 
kommt, so  ist  es  doch  sehr  selten,  dass  ein  schon  bestehender  Krebs  erst 
nachträghch  mit  Tuberkelbacillen  infiziert  wird.  Baumgarten  (7)  fasst  z.  B. 
den  von  ihm  beschriebenen  Fall  von  „Kehlkopfcarcinom  kombiniert  mit  den 
histologischen  Erscheinungen  der  Tuberkulose''  als  ein  Unikum  auf,  indem 
er  eine  besonders  innige  Durchflechtung  von  krebsigem  und  tuberkulösem 
Gewebe  schildert,  wie  sie  allerdings  in  den  früher  beschriebenen  Fällen 
von  Friedländer  und  Kost  er,  wo  nur  im  Stroma  vereinzelt 
Tuberkel  gefunden  wurden,  nicht  vorhanden  war.  Als  weitere  Fälle  von 
sicherer  tuberkulöser  Infektion  eines  Carcinoms  darf  man  wohl  den  Fall 
von  Cordua  (11)  rechnen,  wo  die  tuberkulöse  Infektion  eines  Ösophagus- 
krebses  von  den  Lymphbahnen  her  stattfand ;  wahrscheinhch  sind  auch  die 
Fälle  von  K.  Zenker  (54)  —  Befund  von  Tuberkeln  und  Tuberkelbacillen  in 
einem  Larynx-  und  Ösophaguskrebs  —  hierher  zu  rechnen.  Sonst  zeigen  aber 
namentUch  die  früheren  Angaben  von  Lubarsch  (29),  welcher  öfter 
Tuberkel  bis  dicht  an  metastatische  Carcinomknoten  herantreten  sah,  dass 
eine  gewisse  Immunität  des  Carcinomgewebes  gegenüber  den  Tuberkel- 
bacillen zu  bestehen  scheint. 

Sonstige  Degenerationen  kommen,  wie  erwähnt,  oft  genug  am  Paren- 
ehym  und  Stroma  vor,  worauf  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  soll, 
da  neuere  Mitteilungen  nicht  vorhegen.  Nur  der  hyalinen  Degeneration, 
die  man  im  Stroma  der  verschiedensten  Krebse  nicht  selten  in  geringem 
Grade  findet,  sei  hier  gedacht,  weil  dann,  wenn  sie  in  ausgedehntem  Masse 
vorhanden  ist,  eigentümliche  cylindromähnliche  Bilder  entsteheli.  So  hat 
M.  B.  Schmidt (44)  in  2  Krebsknoten  an  der  Ohrmuschel  einer  76jähr.  Frau 
mit  dem  Oberflächenepithel  zusammenhängende,  in  Lymphspalten  vordrin- 
gende, plexiform  angeordnete  Carcinomstränge  gefunden,  die  von  einer  Zone 
hyaüner  Bindegewebsfasern  umgeben  waren  ;  stellenweise  erschienen  auch 
Krebszellen  hyalin  entartet  und  mit  dem  bindegewebigen  Hyalin  ver- 
schmolzen.    Lubarsch  hat  2  Fälle  von  Carcinomen  des  Ileum  mitgeteilt, 

28* 


436  Allgein.  paibol.  Morphologie  und  Physiologie. 

in  denen  augedehnte  hyaline  Entartung  sowohl  an  dem  bindegewebigen 
Strorna,  wie  den  Carcinom-Zellen  und  Kapillaren  vmd  Arterien  vorhanden  war 
und  vielfach  netzartig  durchbrochene  Zellzüge  entstanden  waren ;  in  einem 
Falle  handelte  es  sich  nur  um  eine  lokale  Degeneration,  bewirkt  durch  Kom- 
pression des  Bindegewebes  durch  die  Krebsstränge;  ein  anderer  Fall,  wo 
daneben  ausgebreitete  Tuberkulose  bestand  und  auch  in  der  Muscularis 
des  Darmes,  sowie  an  den  Kapillaren  der  Milz,  Niere  und  Leber  hyaline 
Entartung  sich  fand,  musste  man  dagegen  die  Veränderimgen  als  Teil- 
erscheinung einer  hyalin-amyloiden  Entartung  auffassen.  Ob  richtige  amy- 
loide  Entartung  in  Carcinomen  vorkommt,  ist  zweifelhaft,  einen  sicheren 
Fall  habe  ich  wenigstens  in  der  Litteratur  nicht  auffinden  können.  —  Die 
eben  erwähnten  Tumoren  mit  ausgesprochener  hyaliner  Entartung  des  Stromas 
und  Bildung  hyaliner  Kugeln  im  Innern  kann  man  nach  dem  Vorschlag  von 
Ziegler  und  Lubarsch  als  Carcinoma  cyUndromatosum  bezeichnen 
—  Auch  Verkalkungen  kommen  nicht  selten  in  Krebsen  vor;  mitunter 
sind  sie  nur  in  geringem  Masse  ausgeprägt  und  finden  sich  ausschliesslich 
im  Stroma  im  Anschluss  an  hyahne  Entartung  bei  älteren  Leuten,  wie  das 
auch  in  dem  oben  erwähnten  Fall  von  M.  B.  Schmidt  der  Fall  war. 
Nicht  selten  können  sie  aber  in  erheblicher  Weise  vorhanden  sein,  so  dass 
sie  bereits  als  kleine  sandige  Körner  beim  Betasten  der  Neubildung  auf- 
fallen. Es  handelt  sich  dann  um  eine  besondere  Art  der  Verkalkung,  bei 
der  es  zur  Bildung  konzentrisch  geschichteter  Kugeln,  richtiger  Corpora  flava 
gekommen  ist.  Schon  Lang  bans  hatte  solche  Körner  in  einem  Lungen- 
carcinom  gefunden,  Ackermann  und  Aoyama*)  (2)  in  Mammakrebsen; 
häufiger  sind  sie  aber  in  papillären  Kystomen  und  Carcinomen  des  Eier- 
stockes von  Flaisclilen,  Marchand  (34)  u.  a.  gesehen  worden,  so  da.<s 
Birch-Hirschfeld(7)  schon  von  Psammo-Carcinomen  des  Ovarium  spricht. 
Ich  habe  sie  gar  nicht  so  selten  in  Mammakrebsen,  Eierstock-Carcinomen 
und  einmal  auch  in  einemUteruskrebs gefunden; Neugebau er  (37)hat  eben- 
falls ein  psammöses  Carcinom  der  Mamma  beschrieben  und  dabei  allerdings 
fälschlich  angegeben,  dass  bisher  echte  Psammo-Carcinome  nur  am  Ovarium 
beschrieben  wären.  Pfannenstiel  (39)  hat  sich  überhaupt  gegen  die  Bezeich- 
nung Psammo-Carcinom  gewendet,  da  das  Vorkommen  von  Psammomkugeln 
in  Carcinomen  keineswegs  etwas  Charakteristisches  wäre.  Er  hat  wohl  in 
soweit  recht,  als  man  Psammomkugeln  auch  in  durchaus  gutartigen  Neu- 
bildungen finden  kann  und  selbst  bei  Vorkonunen  von  reichlichen  Psammom- 
kugeln nicht  allein    deswegen  die   Diagnose   auf   Carcinom   stellen  darf. 


1)  Aoyama  hat  zwar  nicht  ausdrücklich  angegeben,  dass  die  geschichteten  Körper 
verkalkt  waren,  es  scheint  mir  das  aber  schon  daraus  hervorzugehen,  dass  sie  bei  Färbang 
mit  üämatoxylin  rötlich  blau  gefärbte  Körner  enthielten,  d.  h.  Kömer,  die  ebenso  reagieren, 
wie  Kalkbröckel. 


Carcinome.  437 

Anderseits  ist  es  auffallend,  dass  sie  bis  jetzt  ausschliesslich  in  Carcinoraen 
der  weiblichen  Geschlechtsorgane  beobachtet  sind;  auch  können  sie  in  so 
enormer  Menge,  besonders  auch  in  den  Metastasen  auftreten,  dass  ihre 
Entstehung  auf  besondere  Lebensverhältnisse  der  Zellen  hindeutet  und 
daher  die  Aufstellung  einer  Gattung  Psammocarcinom  durchaus  berechtigt 
erseheint.  Die  Bildung  der  Kugeln,  welche  sowohl  im  Stroma,  wie  mitten 
in  den  Krebszellennestem  erfolgt,  findet  auf  drei  Arten  statt:  1.  durch 
Zelldegeneration,  indem  sich  mehrere  Zellen  schichtweise  um  einander- 
lagem  und  die  centralen  Partieen  nach  hyaliner  Umwandlung  des  Proto- 
plasmas zuerst  verkalken.  (Bildung  nach  Art  der  Epithelperlen.)  2.  Bil- 
dung aus  hyalinen,  aus  dem  Protoplasma  abgeschiedenen  Kugeln.  3.  Bil- 
dung aus  Gefässen  im  Stroma.  —  Eine  besondere  Art  von  Verkalkung 
findet  man  als  sehr  seltenes  Vorkommnis  in  Kankroiden.  Es  handelt  sich 
um  die  sogenannten  verkalkten  Epitheliome,  die  von  vielen  Autoren  [Vir- 
chow,  Lücke  (31),  Klebs  (26),  Ziegler  (55)]  zu  den  Atheromen,  von  anderen 
zu  den  Dermoidcysten  (Chi ari)  (7)  und  von  den  Franzosen  (Mal herbe  (32), 
Chenantais)  (7)zu  den  Talgdrüsenepitheliomen gerechnet  werden,  v.  Noor- 
den  (8)  hat  sich  jedoch  für  ihre  carcinomatöse  Natur  ausgesprochen  und 
ebenso  ist  F.  Den  ecke  in  seiner  unter  Orths  Leitung  gemachten  Arbeit 
zu  dem  Resultate  gekommen,  „dass  wir  es  zunächst  ganz  unzweifelhaft 
mit  Tumoren  zu  thun  haben,  die  im  Anfang  ihrer  Entwickelung  das  typische 
Bild  eines  Kankroids  zeigen,  das  allerdings  im  weiteren  Verlauf  immer 
undeutlicher  wird."  Wenn  man  nach  den  Abbildungen  und  Ausein- 
andersetzungen V.  Noordeus  und  Deneckes  diesen  Stand- 
punkt auch  teilen  muss,  so  bleibt  doch  immer  noch  die  Ausdehnung 
der  Verkalkung  und  vor  allem  die  Verkuöcherung  des  Bindegewebes 
unerklärt  und  weist  auf  eine  Besonderheit  dieser  Neubildungen  hin;  Ver- 
kalkung von  Homperlen  habe  ich  in  Kankroiden  gar  nicht  so  sehr  selten 
gesehen;  das  bietet  auch  allgemein  pathologisch  nichts  Besonderes  dar. 
Die  grosse  Ausdehnung  der  Verkalkung  und  die  Verknöcherung  sind  aber 
etwas  derartig  Abweichendes,  dass  man  auch  nach  den  beiden  eben 
besprochenen  Arbeiten  die  Frage  noch  nicht  als  gelöst  betrachten  kann.  Es 
muss  die  Möglichkeit  offen  gelassen  werden,  dass  wenigstens  die  Ver- 
knöcherung auf  eine  embryonale  Keimesverirrung  zu  beziehen  ist. 

Was  endlich  die  anatomische  Einteilung  der  Carcinome  anbetrifft, 
80  werden  sie  teils  nach  der  Epithelform,  teils  nach  dem  Verhältnis  von 
Stroma  und  Geschwulstparenchym ,  teils  nach  auffallenden  innerhalb  der 
Krebszelle  oder  des  Stromas  gelegenen  Substanzen  eingeteilt.  So  unter- 
scheidet Ziegler  L  das  Plattenepithelcarcinom ,  2.  das  Cylinderepithel- 
carcinom,  3.  das  Carcinoma  medulläre,  4.  das  Carcinoma  simpl.,  5.  Car- 
cinoma skirrhos.,  6.  Carcinoma  gelatinös.,  T.Carcinoma  myxomatodes,  8.  Car- 


438  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

cinoraa  cylindromatos,  9.  Carcinoma  gigantocellulare,  10.  Melanocarcinoma.  — 
Haus  er  hat  für  die  Carcinome  des  Magendarmtraktus  eine  Einteilung 
vorgenommen,  die  mir  vom  logischen  und  principiellen  Standpunkt  aus 
geeignet  erscheint,  in  dem  er  die  einzelnen  Formen  in  drei  Hauptgruppen 
einteilt,  je  nachdem  der  drüsenförmige  Charakter  gewahrt  ist  oder  nicht, 
er  unterscheidet  somit  drei  Arten :  1.  Carcinoma  cyUndroepitheUale  adeno- 
matosum,  2.  Carcinoma  cyUndroepitheUale  soUdum,  3.  Mischformen;  den 
übrigen  Besonderheiten  wird  er  dann  durch  eine  adjektivische  Bezeichnung 
(simplex,  meduUare,  skirrhos.  etc.)  gerecht.  Man  könnte  im  Anschluss  au 
Haus  er  eine  allgemeine  Einteilung  der  Carcinome  in  dem  Sinne  vor- 
nehmen, dass  man  unterscheidet:  1.  das  Deckepithelcarcinom,  a)  Platten- 
epithelkrebs, b)  Cylinderepithelkrebs  (selten);  2.  das  Drüsenepithelcarcinom, 
a)  mit  gewalirtem  Drüsentypus  (adenomatös.),  b)  Carcinoma  solidum,  c)Miscb- 
formen.  Im  übrigen  würden  dann  die  besonderen  Eigenschaften  der  Krebse 
adjektivisch  ausgedrückt  werden  können. 


2.  Histogenese  des  Carcinoms. 

Litteratur. 

1.  Bard,  La  sp^ificit^  cellulaire  et  ses  principales  consöqueDces.  Semaine  m^dical.  Bd.  U. 
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Bd.  39.  1889. 

3.  Ehrlich,  W.,  Über  das  primäre  Bronchial-  und  Lungencarcinom.  Inaag.-Diss.  Mar- 
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4.  Grebhard,  Ober  die  vom  Oberflächenepithel  ausgehenden  Garcinomformen  des  Uterus- 
körpers, sowie  über  den  Hornkrebs  des  Cav.  uteri.  Zeitschr.  f.  Geburtsh.  Bd.  XXIV. 
S.  1. 

5.  Geissler,  Beitr.  z.  Frage  d.  prim.  Knochenkrebse.  Aroh.  f.  klin.  Chirurg.  Bd.  45. 
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Wochenschr.  1889.  Nr.  32  u.  33. 

7.  EI  an  au,  Erfolgreiche  Übertragung  von  Carcinom  etc.    Fortschr.  d.  Med.  Bd.  7. 

8.  üansemann,  Über  asymmetrische  Zellteilungen  in  Epithelkrebsen  und  deren  bio- 
logische Bedeutung.  Vir  eh.  Arch.  Bd.  119.  S.  299  und  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol. 
(physiol.  Abt.)  Heft  3  u.  4.  1890. 

9.  Derselbe,  Über  pathol.  Mitosen.     Virch.  Arch.  Bd.  123. 

10.  Derselbe,  Studien  über  die  Spezifizität,  den  Altruismus,  etc.    Berlin  1893. 

11.  Derselbe,  Über  die  Spezifizität  der  Zellteilung.  Arch.  f.  mikroskop.  Anatomie.  Bd.  43. 
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12.  Hauser,  Das  Gylinderepithelcarcinom  des  Magens  und  Dickdarms.    Jena  1890. 

13.  Derselbe,  Zur  Histogenese  des  Krebses.    Virch.  Arch.  Bd.  138.  S.  482. 

14.  Derselbe,  Über  Polyposis  adenomatosa  und  deren  Beziehungen  zur  KrebsentwickeluDg. 
Deutsch.  Arch.  f,  klin.  Med.  Bd.  55.  S.  429. 

15.  Siegenbeeck  van  Henkel omm,  Das  Adeno-Carcinom der  Leber  mit  Cirrhose.  Ziegl. 
Beiträge.  Bd.  16.  S.  341. 


üistogenese  des  Carcinoms.  439 

16.  Israel,   0.,  Ober  die  ersten  Anfilnge   des  Magenkrebses.    Berlin,  klin.  Wochenschr. 
1890.  Nr.  29. 

17.  Jarka,  Ober  einen  Fall  von   Carcinom  des  äusseren  GehOrganges.     Inaag.-Dissert. 
Halle  1891. 

18.  Klebs,  AUgem.  Pathologie.  Bd.  II. 

19.  KöBter,  Die  £ntwickelung  der  Garcinome  und  Sarkome.    Würzburg  1889. 

20.  Lubarsch,  Ober  den  primären  Krebs  des  Ileum.    Virch.  Arch.  Bd.  111.  S.  '280. 

21.  Derselbe,  Neueres  zur  Histogenese '  und  Ätiologie   des  Carcinoms.    Sitzungsber.  der 
natorforschenden  Gesellsch.  zu  Rostock.  1894. 

22.  Marshall,    J.,  The  Morton  Lecture  on  Cancer  and  oancerous   diseases.    Lancet  II. 
21.  Nov.  1889. 

23.  0hl  off,  Ober  Epithelmetaplasie  und  Krebsbildung  an  der  Schleimhaut  der  Gallenblase 
und  Trachea.    Dissert.  Greifswald  1891. 

24.  Piering,   Ober  einen  F'all  von  atypischer  Carcinombildung   im  Uterus.    Zeitschr.  f. 
Heilkunde.  1887. 

25.  Ribbert,  Beiträge  zur  Histogenese  des  Carcinoma.    Virch.  Arch.  Bd.  135.  S.  433. 

26.  Derselbe,  Weitere   Beobachtungen  über  die  Histogenese   des  Carcinoms.    Ctbl.  für 
allgem.  Pathologie.  Bd.  V.  S.  697. 

27.  Derselbe,  Ober  die  Kntstehung  der  Geschwülste.    Deutsch,  med.  Wochenschr.  1895. 
Nr.  1—34. 

28.  Derselbe,  Ober  die  Histogenese  und  das  Wachstum  des  Carcinoms.    Virch.  Arch. 
Bd.  141.  S.  153. 

29.  Siegel,   Zur  Kenntnis   des  primären   Pflasterepithelkrebses  der  Lunge.    Inaug.-Diss. 
München  1889. 

30.  Siegert,  Zur  Histogenese  des  primären  Lungenkrebses.    Virch.  Arch.  Bd.  134.  S.  287. 

31.  l^hiersch,  Der  Epithelkrebs  namentl.  der  äusseren  Haut.  1865. 

32.  Virchow,  Die  Entwickelung  des  Krebses.    Virch.  Aroh.  Bd.  1. 

33.  Derselbe,  Zur  Diagnose  und  Prognose  des  Carcinoms.    Virch.  Arch.  Bd.  111. 

34.  Waldeyer,  Die  Entwickelung   der  Carcinome.    Virch.   Arch.   Bd.  41  u.  55,   sowie 
Volkroanns  Vortr.  Nr.  33. 

35.  Zahn,  Beiträge  zur  Histogenese  der  Carcinome.     Virch.  Arch.  Bd.  117. 

36.  Zenker,  H.,  Der  prim.  Krebs  der  Gallenblase  und   seine  Beziehung  zu  Gallensteinen 
und  Gallenblasennarben.    Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  44.  S.  159. 


Seitdem  die  von  Virchow  (32)  vertretene  Auffassung,  dass  die 
Epitlielien  der  Carcinome  durch  eine  metaplastische  Entwickelung  aus 
Bindegewebszellen  entstehen,  durch  die  Untersuchungen  vonThiersch  (31) 
und  Waldeyer  (34)  erschüttert  war  und  auch  die  Koste  rsche  (19) 
Hypothese  von  der  Abstammung  der  Carcinomepitlielien  von  Lymph- 
gefässendothelien  durch  zahlreiche  Nachuntersuchungen  widerlegt  erschien, 
gewann  es  eine  Zeitlang  den  Anschein,  als  ob  die  Streitfrage  mit  Sicher- 
heit zu  Gunsten  der  Thiersch-Waldey  ersehen  Lehre  erledigt  sei.  Dazu 
trugen  vor  allem  die  neueren  entwickelungsgeschichtlichen  Erfahrungen  bei 
und  die  sich  immer  mehr  entwickelnde  Lehre  von  der  Spezifizität  der 
Zellen  und  der  legitimen  Succession  derselben,  welche  ihren  Höhepunkt 
erreichte  in  den  von  Bard  (1)  und  Hansemann  (8—11)  vorgetragenen 
Auffassungen,  die  eine  Metaplasie  ausgebildeter  Zellen  nur  in  den  engsten 
Grenzen   zulassen.     Trotzdem   hat  die  alte  Virchow  sehe  Auffassung  bis 


440  Allgcm.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

iu  die  neueste  Zeit  Allhänger  behalten  und  Virchow  (33)  selbst,  hat  es  zum 
mindesten  für  unentschieden  erklärt,  welche  Auffassung  die  berechtigtere 
sei.  —  Wenn  wir  kurz  noch  diejenigen  Gründe  zusammentragen  wollen, 
welche  gegen  die  Virchow  sehe  Auffassung  sprechea,  so  sind  es  folgende. 
1.  Beweisen  in  der  That  alle  Beobachtungen,  dass  im  Laufe  der  Entwicke- 
lung  alle  Körpergewebe  eine  immer  ausgeprägtere  Spezifizität  erlangen. 
Bard  teilt  sogar  die  einzelnen  Gewebe  in  Familien,  Arten  und  Species 
ein,  die  er  ebenso  scharf  von  einander  scheiden  will,  wie  die  verschie- 
denen Arten  und  Familien  im  Tier-  und  Pflanzenreich;  für  ihre  Ausbil- 
dung ist  allein  erbliche  Übertragung  entscheidend,  nicht  mechanische 
Momente;  er  vertritt  deswegen  auch  die  Auffassung,  dass  alle  Zellen  ihre 
speziflsche  Tumoren  bilden,  in  welchen  je  nach  dem  Grade  der  Bösartig- 
keit die  betreffende  Zellform  vom  frühesten  fötalen  bis  zu  den  höchst 
ausgebildeten  Formen  gefunden  wird.  Indem  er  als  das  Wesen  der  Ge- 
schwulstbildungen die  mehr  oder  weniger  schrankenlose  Wucherung  der 
spezifischen  Zellen  betrachtet,  bezeichnet  er  auch  die  Leukämie  als  Careinora 
der  Leukocyten  („Cancer  propre  du  sang").  Bard  geht  sicherlich  in  sei- 
nen Ausführungen  über  die  Zellspezifizität  zu  weit,  indem  er  die  einzelnen 
Zellen  für  durchaus  starre  Arten  hält;  es  ist  vielmehr  wahrscheinlich, 
dass  es  mit  den  Zellarten  der  einzelnen  Individuen  sich  ähnlich  verhält, 
wie  mit  den  ausgebildeten  Tieren  selbst.  Unter  den  ausgebildeten  Tier- 
arten sind  Übergänge  namentlich  durch  künstliche  Eingriffe  und  äussere 
Einflüsse  nur  in  sehr  beschränktem  Masse  zu  erzielen  und  überhaupt  nur 
möglich  unter  sehr  verwandten  Arten,  während  wir  für  die  Ausbildung 
sämthcher  Tierspecies  allmähliche  Entwickelung  von  einer  oder  mehreren 
einfachen  Stammformen  aus  annehmen  müssen ;  ebenso  verhält  es  sich  mit 
den  einzelnen  Zellarten  der  Tiere;  wenn  sie  auch  sämtlich  aus  einer 
Zelle  —  der  befruchteten  Eizelle  —  hervorgehen,  so  sind  doch  dann,  wenn 
sie  ihre  spezitische  Ausbildung  erlangt  haben,  Übergänge  nur  noch  in  den 
engsten  Grenzen  und  nur  unter  nah  verwandten  Zellarten  möglich;  also 
auch  in  diesem  Punkte  scheint  Hack  eis  biogenetisches  Grundgesetz 
genaueste  Bestätigung  zu  finden.  Diese  Auffassung  stimmt  auch  mit  den 
Ausfüllrungen  Mars  ha  11s  (22)  überein,  der  ausführt,  dass  nach  Aus- 
bildung der  drei  Keimblätter  eine  metaplastische  Umbildung  ihrer  Elemente 
nicht  mehr  stattfindet.  Seine  weiteren  Vorschläge  die  bösartigen  Neubil- 
dungen in  Theliome  und  Sarkome  einzuteilen,  seien  hier  nur  kurz  ervs'ähnt 
Hansemann  teilt  den  Bard  sehen  Standpunkt  nicht  in  jeder  Beziehung, 
wenn  er  auch  gleichfalls  eine  feine  Spezifizität  aller  Zellen  annimmt.  Es 
ist  sein  Verdienst  gewesen,  in  zahlreichen  Arbeiten  den  Nachweis  zu  führen, 
dass  diese  Spezifizität  auch  ehien  morphologischen  Ausdruck  während  der 
Teilung  der  Zellen   findet.     Niemals  fanden  sich  Übergänge  der  Mitosen- 


Histogenese  des  Carcinoms.  441 

formen    zwischen    den  einzelnen  Geweben;    auch   gelang    es   nicht  durch 
künstliche    EingriiEEe,    eine    Abweichung    von    der    typischen    Form    der 
Mitosen  zu  erreichen.   —  2.  Nachdem  zuerst  Thiersch  und  dann  Wal- 
deyer    für   eine   Reihe   von    Carcinomen    den    histologischen    Nachweis 
erbrachten,  dass  der  Übergang  der  Deckepithelien  und  Drüsenzellen  in  die 
Krebsschläuche  direkt  verfolgt  werden  kann,  liegen  seitdem  für  eine  grosse 
Reihe  von  Carcinomen  der  einzelnen  Organe  die  gleichen  Nachweise  vor. 
Durch  äusserst  sorgfältige  Untersuchungen  hat  zunächst  Haus  er  (12)  den 
Nachweis  erbracht,   dass  die  Cylinderepithelkrebse   des  Magens  und  Dick- 
darms von  den  Deck-  oder  Drüsenepithelien  ausgehen  und  dass  alle  Krebs- 
uester   in   unmittelbarem    Zusammenhang   mit   dem  ersten  Erkrankungs- 
herd stehen,  eine  Art  weit  verbreiteter  Netze  bilden.     Im  Anfang  erscheinen 
mehrfache,  dicht  aneinander   hegende  Erkrankungsherde,  zwischen  denen 
noch  Gruppen  normaler  Drüsen  vorhanden  sein  können ;  diese  Herde  ent- 
wickeln sich  nicht  gleichzeitig,  sondern  in  Intervallen ;  mit  dem  Durchbruch 
der  Membrana  propria  der  Drüsen  ist  das  Charakteristikum  für  den  Krebs 
gegeben.    Die  Untersuchungen  haben  im  wesenthchen  Bestätigung  gefunden 
durch  Zahn  (35),  welcher  zwar  den  direkten  Übergang  der  Organepithelien 
in  Krebsschläuche    nicht  auffand,  aber  doch  bei  einem  kleinen    Magen- 
krebs zu  dem  Ergebnis  kam,   dass  er  von  den  Drüsenepithelien  ausging; 
auch  Israel  (16)  untersuchte  zwei  beginnende  Magenkrebse,  in  denen  die 
epithelialen  Elemente   in  lebhaftester  Wucherung    begriffen  waren.     Lu- 
barsch  (20)  erbrachte  den  Nachweis,    dass    die  primären  Carciuome  des 
lleum  von  den  Li  eher  kü  huschen  Drüsen  ausgehen  und  demonstrierte 
den  direkten  Übergang  von  Drüsenschläuche  in  Krebsnester.    Crooke  (2) 
und  Siegen  beck  van  Henkele  mm  (15)  gelang  es  in  primären  Leber- 
krebsen,  den   Übergang   von   Leberzellen   in   Krebsnester   nachzuweisen; 
Ehrlich   (3)  und   Siegert  (30)    untersuchten    Bronchial-     und    Lungen- 
krebse;   ersterer  leitet   die   Bronchialkrebse   von   den   Schleimdrüsen    der 
Bronchien,    die   Lungenkrebse   von   Alveolarepitliel    ab.     Siegert   unter- 
?^cheidet    zwei    Formen    von    Lungenkrebsen;     die    einen,    deren    Typus 
cylinderepithelial    ist,  gehen  von   dem   Epithel  der  Bronchiolen,  die   an- 
deren von  dem  Alveolarepithel  aus.    Jurka  (17)  beschrieb  ein  Carcinom 
des  äusseren  Gehörganges,    das   aller  Wahrscheinlichkeit   nach  von  den 
Glandulae    cerimunosae   ausgegangen   war.     Zahn   fand   in    einem    sehr 
kleinen    Carcinom   der    hinteren   Muttermundeslippe    bei  einer  32jährigen 
Frau  den  Ausgang   der  Carcinomwucherung  von  den    Deckepithelien.  — 
Während  die   meisten   neueren  Autoren  auf  dem    eben  skizzierten  Stand- 
punkt stehen    und    die  oben   angeführten  Beispiele  wohl   leicht  vermehrt 
werden  könnten,  hat  nur  Klebs  (18)  eine   besondere  Meinung  vertreten, 
indem  er  zwar  die  Entwickelung  der  ersten  Krebselemente   aus  den  Epi- 


442  Allgem.  pathoJ.  Morphologie  tind  Physiologie. 

thelien  für  bewiesen  erachtet,  aber  annimmt,  dass  beim  weiteren 
Wachstum  sich  auch  andere  —  mesodermale  Zellen  —  an  der  Wuche- 
rung beteiligen  können  und  sich  metaplastisch  in  Carcinomzellen  um- 
wandeln. (Näheres  darüber  weiter  unten.)  3.  Eine  wesentliche  Stütze  für 
die  Thiersch- Waldeyersche  Theorie  liegt  in  dem  oben  näher  geschil- 
derten morphologischen  und  biologischen  Verhalten  der  Krebszellen;  in 
ihrer  oft  bis  in  die  kleinsten  Verhältnisse  vorhandenen  Übereinstimmung 
mit  den  Mutterepithelien.  Dass  sich  Bindegewebszellen  in  epithelähnliche 
Zellen  umwandeln  können,  kann  nicht  bestritten  werden,  da  bekannter- 
massen  die  sogenannten  epithelioiden  Zellen,  welche  jungen,  noch  wenig 
diiEEerenzierten  Epithelien  sehr  ähnlich  sehen,  von  Bindegewebszellen  ab- 
stammen. Aber  die  Umwandlung  in  verhornende  Stachel-  und  Riffel- 
epithelien  und  verschleimende  Cylinderepithelien  ist  nicht  nur  niemals 
demonstriert  worden,  sondern  es  bliebe  auch  völlig  unverständUch,  warum 
sich  die  Bindegewebszellen  der  Haut  immer  in  Plattenepi thelien,  die  dvs 
Magens  und  Darms  dagegen  immer  in  t/ylinderepithelien  verwandehi 
sollen ;  ganz  abgesehen  von  der  biologischen  Unmöglichkeit,  dass  Abkömm- 
linge von  Bindegewebszellen  die  Funktion  von  Pankreas-  und  Schilddrüsen- 
epithelien  ausüben  könnten.  —  Gegenüber  diesen  Punkten  könnte  von  den 
Anhängern  der  Vi rchow sehen  Lehre  nur  augeführt  werden,  dass  mit- 
unter doch  auch  von  mit  Cylinderepitliel  ausgekleideten  Schleimhäuten 
Plattenepithelkrebse  ausgehen.  So  haben  G  e  bh  ard  (4)  und  Piering  (24) 
Pflasterepithelkrebse  des  Fundus  uteri,  Grünwald  (6)  und  Siegel  (21>) 
verhornende  Krebse  der  Lunge,  und  Ohio  ff  (23)  solche  der  Gallenblase 
beschrieben.  Aber  hier  handelte  es  sich  um  eine  vorhergegangene  Epithel- 
metaplasie. Schon  K.  Friedländer  (Fortschr.  d.  Med.  Bd.  IL)  hatte 
in  einer  tuberkulösen  Lungenkaverne  ein  altes  Kankroid  gefunden,  das 
er  von  dem  durch  chronische  Entzündung  in  Plattenepithel  umgewan- 
delten Bronchialepithel  ableitete.  Auch  in  den  oben  erwähnten  Fällen  lagen 
ähnliche  Verhältnisse  vor.  Bei  Piering  hatte  die  54jährige  Frau  lange  an 
Uteruskatarrhen  gelitten  und  das  ganze  Oberflächenepithel  des  Uterus  war 
in  Plattenepithel  .umgewandelt;  ähnliches  beobachtete  Gebhard  bei  einer 
68jährigen  Frau.  Am  klarsten  lagen  die  Verhältnisse  in  dem  Falle  von 
0hl off,  wo  das  Krebsepithel  teils  cylindrisch,  teils  abgeplattet  war;  hier 
zeigte  auch  die  Wand  der  Gallenblase  Plattenepithel,  die  Metaplasie 
war  wahrscheinlich  durch  den  Druck  von  Gallensteinen  hervorgebracht, 
ähnlich  wie  H.  Zenker  (36)  durch  Kauülendruck  bei  Diphtherie  in  der  Luft- 
röhre eine  Umwandlung  des  Cylinder-  in  Plattenepithel  beobachtete.  Er 
beschreibt  auch  einen  Fall  von  Plattenepithelkrebs  der  Luftröhre  und 
ferner  einen  ähnhchen  Fall  wie  0hl off.  —  Ebensowenig  kann  die 
Virchowsche  Ansicht  Stütze  finden  in  den  Beobachtungen  über  primäre 


Histogenese  des  Carcinoms.  443 

Knochenkrebse.     Schon  Walde y er  (34)  hat  die  Meinung  ausgesprochen, 
dass  ein  grosser  Teil  der  angeblich    primären  Knochencarcinome  Angio- 
sarkome  gewesen  sind.    Perls  (Lehrbuch  d.   allgem.  Pathol.)  wies  femer 
darauf  hin,  dass  mitunter  die  primären  Krebse  sehr  geringfügig  und  die 
Küochenmetastasen  gewaltig  sein  können,   an  der  Hand  eines   Falles  von 
scheinbar  primärem  Knochenkrebs,  indem  die  genaue  Sektion  einen  kleinen 
vernarbenden  Magenkrebs  ergab.     Geissler  (5)  fand  bei  einem  42] ährigen 
Patienten  eine  grosse  Geschwulst  an  der  Skapula,  die  sich  nach  der  Exstir- 
pation  als  ein  Knochencarcinom  ergab,  für  das  ein  primärer  Herd  nicht 
aufgefunden  werden  konnte ;  erst  zwei  Monate  später,  als  der  Patient  wegen 
Hämaturie  von  neuem  das  Krankenhaus  aufsuchte,  wurde  ein  Blasentumor 
entdeckt,  der  mikroskopisch  mit  dem  Knochentumor  völhg  übereinstimmte. 
Auch  V.   Recklinghausen   hat   selbst   über    Fälle    berichtet,   in  denen 
bei  geringfügigem  primären  Prostatakrebs  ausgedehnte  Knochenmetastasen 
vorhanden  waren.  —    Endlich    ist    es    auch    nicht    ausgeschlossen,    dass 
wirklich    mal   primäre  Knochenkrebse  auftreten,  die  man  dann  von  aber- 
rierten  Keimen  ableiten  muss.    Ich  selbst  habe  in  Zürich  einen  solchen 
Fall  seziert.     Es  handelte  sich  um  einen  gewaltigen,    zuerst  als  Sarkom 
gedeuteten  Tumor  der  Kreuzbeingegend;  da  aber  schon  vorher  an   einem 
excidierten  Stück  von    mir   die  Diagnose    auf    zum  Teil   verschleimendes 
Cyliüderepithelcarcinom  gestellt  war,   konnte  bei  der  Sektion   auf   das  eif- 
rigste nach  einem  primären  Herde  geforscht  werden ;  obgleich  die  Sektion 
auf  das  vollständigste  gemacht  werden  konnte,  waren  alle  Versuche,  einen 
primären  Herd  zu  finden,  vergeblich.     Der  Krebs  hatte  vöIHg  das  Aus- 
sehen eines  Carcinoma  cyhndroepitheliale   adenomatosum   des  Darms  und 
man  muss  annehmen,   dass  bei  der  Entwicklung  Teile  des  Urdarmes  in 
das  Medullarrohr  gelangten    und  so    hier    die  epithelialen   Keime  einge- 
schlossen  wurden.    —    Man  kann  demnach  wohl  sagen,   dass  eine  Über- 
einstimmung darüber  herrscht,    dass  das   Krebsparenchym   sich  von  prä- 
exstierenden  EpitheUen   aus   entwickelt;    dagegen  ist  in  neuerer  Zeit  ein 
lebhafter  Kampf  darüber  entbrannt,  ob  thatsächlich  die  Krebsbildung  mit 
einer  Wucherung  der  Epithehen  beginnt.     Ribbert  (25—28)  hat  in  einer 
Reihe  von  Arbeiten  den  Standpunkt    zu   begründen  versucht,   dass  das 
Carcinom  nicht  durch  aktives  Vordringen    des  Epithels   in    die   Tiefe  zu 
Stande  kommt,  sondern  dadurch,  dass  die  Bindegewebszellen  in  die 
Epithelzapfen    hineinwuchern   und    hineinwachsen    und    die 
Zellen   derselben   auseinander    drängen    und   isolieren.      Von 
den   so   zwischen  die  Bestandteile  des   neugebildeten   Binde- 
gewebes gelangten  Epithelzellen  geht  die  eigentliche  Krebs- 
entwickelung aus,  indem  sie  Alveolen  bilden  und  strangförmig  tiefer 
in  das  Bindegewebe  hineinwandem.''     Ribbert  gründet  diese  neue  Lehre 


444  Allgein.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

auf  Untersuchung  von  beginnenden  Carcinomen,  deren  er  bis  jetzt 
fünf  Lippenkrebse  und  je  einen  Krebs  des  Handrückens,  des  Penis,  dt  s 
äusseren  Muttermundes  und  des  Magens  untersuchen  konnte.  Dabei  kam 
er  zu  folgenden  Ergebnissen:  1.  Die  Stelle,  wo  ein  Carcinom  beginnt,  spriii^rt 
vor,  und  diese  J^rscheinung  beruht  auf  einem  progressiven  Prozess  de^ 
Bindegewebes,  in  dem  sieh  durch  lebhafte  Neubildung  von  Zellen  und  G*- 
fassen  eines ubepitheliale  Schicht  zellreichen  Bindegewebes  aus- 
bildet. 2.  Durch  diese  Wucherungsprozesse  wird  das  Epithel  gehoben 
und  es  entsteht  somit  eine  für  das  Carcinom  nicht  charakteristische  lokak* 
Hypertrophie,  indem  das  wuchernde  Bindegewebe  zu  einer  erheblichen, 
über  das  Doppelte  und  Dreifache  hinausgehenden  Verlängerung  der  Drüsen 
führt.  3.  Hieran  schliesst  sich  der  prinzipiell  wichtigste  Vorgang  an  :  das  Ein- 
dringen des  Bindegewebes  in  das  Epithel,  wodurch  die  Epithelien 
auseinandergedrängt  und  isoliert  werden.  —  Ribber t  glaubt,  wie  bereits 
oben  auseinandergesetzt,  dass  durch  diese  Isolierung  der  Epithelzellen  ihre 
grosse  schrankenlose  Wucherungskraft  bewirkt  wird,  indem  die  Aufhebung 
der  normalen  Spannung  zwischen  den  Zellen  die  latente  Wucherung^ 
fähigkeit  frei  macht.  —  Die  Ribbertschen  Ausführungen  sind  einer  ein- 
gehenden Kritik  bis  jetzt  nur  von  Hauser  (13)  und  Lubarsch  (2l)  unter- 
zogen w^orden.  Hauser  hat  folgende  Punkte  entgegengehalten:  1.  Di^' 
schon  von  ihm  selbst  beschriebene  Bildung  eines  subepithelialen  Granu- 
lationsgewebes ist  selbst  nach  den  Ausführungen  Ribberts  keine  konstante 
Erscheinung;  sie  findet  sich  in  den  Schleimhautkrebsen  des  Darmes  nur 
in  der  soliden  Form  häufiger,  kann  aber  sehr  häufig  fehlen.  2.  Die  gegen- 
seitige Durchwachsung  von  Epithel  und  Bindegewebszellen,  wie  sie  öfter 
beobachtet  wird,  kann  ebenso  gut  auf  eine  Art  primärer  Metastasierung: 
des  Epithels  zurückgeführt  werden,  welches  in  einzelnen  Herden  in  das 
wuchernde  Bindegewebe  vordringt.  3.  Die  Annahme,  dass  die  einfache  Ver- 
lagerung normalen  P^pithels  für  sich  allein  zur  Krcbsent Wickelung  führen 
könne,  steht  im  Widerspruch  zu  den  normalen  Gesetzen  des  Wachstums, 
wofür  auch  der  durchaus  gutartige  Charakter  der  Balggeschwülste  spricht, 
welche  zweifellos  von  verlagerten  Epithelien  sich  entwickeln.  Lubarsch 
hebt  zunächst  hervor,  dass  die  Ribbertsche  Theorie  insofern  anziehend 
ist,  als  sie  geeignet  erscheinen  kann,  uns  über  die  klinisch  oft  so  deutüch 
hervortretenden  Beziehungen  zwischen  entzündlicher  Reizung  und  Krebs- 
bildung aufzuklären.  Aber  gerade  hierin  liege  auch  ihre  Schwäche,  weil 
Ribbert  selbst  zugeben  muss,  dass  nicht  jede  entzündliche  BindegeweK- 
Wucherung  zu  Carcinom  führt  und  er  nicht  angeben  kann,  welcher  Art 
die  Bindegewebsneubildung  sein  muss,  um  zur  Krebsentwickelung  zu  führen. 
Warum  wandelt  sich  z.  B.  nicht  jede  entzündliche  Warze,  nicht  jedes 
spitze  Condylom  in  ein  Carcinom  um,  obgleich  hier  doch  oft  genug  Wan- 


Histogenese  des  CarciDoms.  445 

derzellen  zwischen  die  Epithelien  hineindringen?  Ferner  kann  nicht  zu- 
gegeben werden,  dass  die  entzündHche  Bindegewebsneubildung  überhaupt 
das  Primäre  ist;  auffallend  ist  schon,  dass  oft  die  Ansammlung  von  Leuko- 
cyten  bedeutend  überwiegt  und  nur  wenig  Mitosen  in  Bindegewebszellen 
gefunden  werden.  Lubarsch  hat  auch  selbst  2  beginnende  Krebse 
des  Penis  und  der  Zunge  untersuchen  können  und  hierbei  zwar  eine  enorme 
Wucherung  der  Epithelien  —  charakterisiert  durch  zahllose  Mitosen  — 
gefunden,  aber  das  Eindringen  des  Bindegewebes  in  das  Epithel  nicht 
beobachtet,  wie  überhaupt  die  zellige  Infiltration  nur  ausserordentlich  gering 
war.  Endlich  meint  er,  dass  selbst  dann,  wenn  die  Ribbertsche  Theorie 
in  den  thatsächUchen  Beobachtungen  gesicherter  wäre,  sie  uns  die  wesent- 
lichen Erscheinungen  der  Carcinome,  vor  allem  die  Recidive  nicht  erklären 
könnte;  wenn  man  selbst  zugeben  wollte,  dass  durch  die  Isolierung  die 
Epithelien  grössere  Selbständigkeit  erlangen,  so  büebe  es  doch  unver- 
ständlich, dass  die  Recidive  oft  erst  nach  Monaten  und  Jahren  eintreten, 
sind  noch  isolierte  Epithelien  im  Bindegewebe  hegen  gebheben,  so  müssten 
die  Recidive  nach  Ribberts  Theorie  eigentlich  immittelbar  an  die  Opera- 
tion anschliessen,  oder  muss  auch  hier  erst  wieder  eine  entzündliche  Neu- 
bildung dazu  kommen,  die  das  Epithel  von  neuem  isohert?  Aber  diese 
entzündliche  Infiltration  ist  in  kleinen  Recidiven  ebenso  inkonstant,  wie  in 
den  Primärherden.  Ribbert  (28)  hat  gegen  Hausers  Kritik  —  die 
von  Lubarsch  ist  ihm  unbekannt  gebheben  —  folgendes  einge- 
wendet: 1.  Dass  es  sich  um  ein  aktives  Eindringen  von  Bindegewebszellen 
zwischen  die  EpitheUen  imd  nicht  um  den  umgekehrten  Vorgang  handelt, 
wird  bewiesen  a)  durch  die  Analogie  mit  Lymphkörperchen  und  Chroma- 
tophoren ;  b)  dadurch ,  dass  am  Epithel  in  den  Anfangsstadien  der  Krebs- 
entwickelung nur  geringe  aktive  Vorgänge  beobachtet  werden  können  und 
es  deswegen  unwahrscheinhch  wäre,  dass  plötzhch  das  Epithel  in  das 
Bindegewebe  einwachsen  solle ;  c)  an  den  in  das  Bindegewebe  metastasierten 
Epithelien  bemerkt  man  zunächst  keine  lebhaften  Vermehrungsprozesse, 
sondern  öfter  sogar  Degenerationsvorgänge,  die  wohl  dadurch  bedingt  sind, 
dass  die  abgetrennten  Epithelien  nicht  immer  gleich  die  erforderlichen 
Existenzbedingungen  finden ;  d)  am  beweisendsten  erscheinen  ihm  die  Ver- 
hältnisse in  dem  beginnenden  Magencarcinom,  wo  in  einzelnen  Abschnitten 
der  hypertroplüschen  Mukosa  die  Drüsen  in  einzelne  Bruchstücke  zer- 
legt und  die  Epithelien  einzeln  oder  gruppenweise  durch  und  in  das 
Bindegewebe  versprengt  werden ;  e)  endlich  hält  er  die  Annahme  einer 
primären  Änderung  des  Epithelcharakters  für  eine  unbewiesene  Hypothese, 
während  man  bei  seiner  Auffassung  mit  anatomisch  nachweisbaren  und 
leicht  begreiflichen  Momenten^)  zu  rechnen  hätte.     2.  Wendet  er 

1)  Von  mir  durch  Druck  hervorgehoben. 


446  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

gegen  die  Angaben  Hausers  über  die  Inkonstanz  der  BindegewebswucLe- 
rung  ein,  dass  man  die  Verhältnisse  nicht  an  ausgebildeten  Carcinomen 
auch  nicht  in  der  Peripherie  der  Knoten  studieren,  sondern  einwands- 
freie  Bilder  nur  in  „beginnenden"  Carcinomen  erhalten  kann.  3.  Die  Bilder 
von  Haus  er  und  vielen  anderen,  welche  eine  krebsige  Umwandlung 
von  Drüsen  beweisen  sollen,  können  auch  dadurch  erklärt  werden,  da?> 
das  sich  allseitig  ausbreitende  Carcinom  in  Drüsen  und  Deckepithelzapfeii 
hineinwächst,  wofür  Ribbert  Beispiele  aus  einem  Carcinom  der  Stirnhaut 
des  Dickdarms  und  des  Rektums  anführt. 

Wenn  wir  nochmals  auf  die  Auseinandersetzungen  Ribberts  ein 
gehen  wollen,  so  sei  folgendes  bemerkt,  ad  3.  Es  ist  richtig,  dass  solche 
Bilder  vorkommen,  wie  sie  Ribbert  abbildet,  wo  Krebsschläuche  sekundär 
in  Drüsen  einwachsen.  Es  ist  das  übrigens  ein  Einwand,  den  schon 
V.  Reckling hausen  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Strassburg 
gegen  die  Ableitung  der  Carcinomwucherung  von  Drüsenepithelien  erhoben 
hat.  Aber  es  ist  kaum  möglich ,  dass  ein  geschulter  und  aufmerksamer 
Beobachter,  das  Einwachsen  von  Krebsschläuchen  in  unveränderte  DrüKni 
mit  der  krebsigen  Entartung  von  Drüsen  verwechseln  kann.  Die  Bilder 
Haus  er  s  haben  mit  den  Abbildungen  Ribberts  nicht  die  geringste 
Ähnlichkeit,  ad  2.  Hier  wäre  zunächst  mit  Recht  die  Frage  aufzuwerfeii, 
was  ist  ein  „beginnendes"  Carcinom.  Ob  die  vier  ersten  Lippenkrebse  von 
Ribbert  überhaupt  Carcinome  waren,  könnte  man  beinahe  bezweifeln, 
denn  er  spricht  nur  von  „Verdickungen  der  Epidermis  mit  stärkerer 
Verhornung,  unregelmässigen  Verlängerungen  und  Fonnveränderungen  der 
Epithelzapfen;  und  nachdem  Ribberts  Schüler  Biedermann^)  auch 
in  Papillomen  die  gleiche  Durchwachsung  des  Epithels  durch  Bindegewebe 
beschrieben  hat,  weiss  man  eigentlich  nicht  recht,  worin  der  Unterschied 
zwischen  Ribberts  „beginnenden**  Carcinomen  und  solchen  Papillomen  be- 
steht. Aber  das  ist,  wenn  man  will,  Nebensache,  wenn  auch  gerade  der  subjek- 
tiven Deutung  durch  diese  Beschränkung  des  Untersuchungsmaterials  Thür 
und  Thor  geöffnet  wird.  In  der  That  muss  man  ja  zugeben,  dass  bei 
einem  noch  in  der  Ausbildung  befindlichen  Krebs  die  Verhältnisse  klarer 
liegen  werden,  als  in  einem  sehr  stark  ausgebildeten;  trotzdem  sehe 
ich  nicht  recht  ein,  warum  es  unmöglich  sein  soll,  an  den  Rändern  von 
grösseren  Krebsen  die  Entwickelung  zu  studieren,  vorausgesetzt,  dass  man  Bilder 
erhält,  wie  sie  Haus  er  so  oft  gefunden  hat;  d.  h.  dass  immer  mehr  Drüsen 
in  die  Tiefe  zu  wachsen  beginnen  und  krebsig  entarten.  Zum  Überfluss 
verfüge  ich,  ausser  den  oben  erwähnten  Fällen  von  Zungen-  und  Penis- 


1)  Über   einige  papillär  gebaute   Tumoren   der  Haut  (Papillome).     Inaug.-Dissertat. 
1895.  Zürich. 


Histogenese  des  Carcinoms.  447 

carcinom,  noch  über  einen  Fall  von  beginnendem  Carcinom  des  Dünn- 
darms, wie  er  wohl  bis  jetzt  noch  kaum  zur  Beobachtung  gelangt  ist.  Bei 
einem  an  pemiciöser  Anämie  verstorbenen  Manne  fanden  sich  bei  der  Sektion 
im  Ileum  ziemlich  dicht  nebeneinander  zwei  kleine  Knoten,  von  denen  der 
grössere  etwa  kirschkern-,  der  kleinere  knapp  linsengross  war ;  die  Schleim- 
haut war  vollkommen  intakt,  aber  nicht  gut  verschieblich  über  den  festen 
Tumoren.  Beide  Tumoren  wurden  vollständig  in  Serienschnitte  zerlegt; 
und  es  ergab  sich  folgendes  Bild.  Im  Bereiche  der  Tumoren  fehlen  die 
Zotten  vollständig;  Lieberkühnsche  Drüsen  sind  nur  ganz  vereinzelt  und 
meist  nur  an  der  Grenze  zum  Gesunden  erhalten ;  fast  überall  unterscheiden 
sie  sich  nicht  von  den  soliden  Epithelzapfen,  die  bis  dicht  an  die  Musku- 
latur und  im  grösseren  Tumor  bis  in  sie  hinein  vorgedrungen  sind, 
die  Muscularis  mucosae  durchbrochen  haben  und  sich  auch  in  der 
Submukosa  ausbreiten.  An  der  Grenze  zum  Gesunden  finden  sich 
emige  verlängerte  Lieberkühnsche  Drüsen,  die  mit  einem  soliden 
Krebszapfen  zusammenhängen;  das  Stroma  besteht  teils  aus  Bindege- 
webszellen, teils  aus  den  glatten  Muskelzellen  der  Muscularis  mucosae. 
Zellige  Infiltration  oder  Bindegewebswucherung  ist  nirgends 
nachweisbar;  das  Stroma  wird  ausschliesslich  von  dem  alten 
Gewebe  gebildet.  —  Es  ist  wohl  überflüssig,  die  Carcinomdiagn ose  noch 
ausführlicher  zu  begründen  und  es  dürfte  somit  bewiesen  sein ,  dass  Carci- 
nome,  die  weit  kleiner  sind,  als  sie  Ribbert  bis  jetzt  beschrieben,  ohne 
Wucherung  des  Bindegewebes  entstehen  können.  Überhaupt  ist  das 
Material  Ribberts  keineswegs  ein  wandsfrei.  So  war  z.  B.  das  von  ihm 
untersuchte  kleine  Zungencarcinom  ulceriert  und  auch  sein  beginnendes 
Magencarcinom  zeigte  an  der  Oberfläche  einen  kleinen  Defekt.  Man  hatte 
es  also  mit  Krebsen  zu  thun,  welche  man  zwar  „beginnend"  nennen  darf, 
in  denen  aber  durch  die  Läsionen  an  der  Oberfläche  leicht  sekundäre 
Veränderungen  sich  etablieren  konnten.  Wenn  man  schon  an  und  für 
sich  (vgl.  oben  S.  430  S.)  berechtigt  ist,  die  mehr  oder  weniger  starke  Aus- 
bildung des  Krebsstromas  auf  Reizwirkungen  zu  beziehen,  so  liegt  es  auf  der 
Hand,  dass  dort,  wo  äussere  mechanische,  chemische  und  bakterielle  Reize 
hinzukommen,  die  entzündlichen  Veränderungen  um  so  stärker  sein  müssen. 
Deswegen  erscheint  das  ganze  Material  von  Ribbert  nicht  sehr  günstig, 
weil  er  ausschliesslich  Krebse  untersucht  hat,  die  an  Stellen  lagen,  wo 
auch  ohne  Defekt  permanent  mechanische  und  chemische  Reize  einwirken 
müssen;  während  das  z.  B.  bei  meinem  kleinen  Dünndarm-  und  Israels 
kirschkemgrossem  Magenkrebs  weniger  in  Betracht  kommt.  —  ad  1.  kann 
man  wohl  über  die  Punkte  a  und  b  hinweg  gehen,  weil  sie  ganz  subjek- 
tiver Natur  sind  oder  wenigstens  als  reine  Analogien  nichts  beweisen  können. 
Zu  c  sei  bemerkt,  dass  Degenerationsvorgänge  und  proliferative  Verände- 


448  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

rungen  so  oft  neben  einander  hergehen,  dass  auch  dadurch  nichts  zu  beweisen 
ist;  bei  d,  Ribberts  Hauptpunkt,  kann  ich  nicht  einsehen,  warum  eine 
Wucherung  der  Drüsen  ausgeschlossen  sein  soll,  wenn  sie  auch  in  Bruch- 
stücke zerlegt  sind;  es  kann  sich  eben  um  ein  späteres  Stadium  handeln, 
wo  nach  Durchbrechung  der  Membrana  propria  die  Epithelien  vereinzelt 
oder  in  Zügen  in  das  Bindegewebe  vordringen;  endlich  ist  es  ja  auch 
möglich,  dass  durch  die  sekundäre  Bindegewebswucherung  in  Wuche- 
rung begriffene  Drüsen  zerteilt  werden;  dass  das  aber  der  primitive  Vor- 
gang ist,  hatRibbert  durch  seine  Schilderung  keinesfalls  bewiesen.  Dass 
er  endlich  unter  1)  c.  seine  Auffassung  als  eine  leicht  begreifliche  und 
anatomisch  nachweisbare  der  hypothetischen  Ansicht  von  der  biologischen 
Änderung  der  Epithelzelle  gegenüberstellt,  scheint  mir  nur  teilweise  halt- 
bar. Wenn  man  es  auch  als  eine  sichere  Thatsache  ansehen  wiU,  da«s 
der  Wachstumstrieb  der  Zellen  nur  durch  ihre  spezifischen  Nachbarschafts- 
beziehungen beschränkt  wird,  in  denen  die  einzelnen  Zellen  durch  ihre 
innige  Verbindung  mit  einander  stehen,  so  ist  es  doch  unmöglich,  die 
Schrankejilosigkeit  der  Wucherung  dadurch  zu  erklären,  dass  die  Zellen 
aus  dem  Verbände  gelöst  werden;  denn  sie  werden  doch,  wenn  auch  viel- 
leicht nicht  in  so  vollendeter  Weise,  wieder  mechanisch  beschränkt  durch 
die  sie  überall  umgebenden  ßindegewebszellen;  es  wäre  also  vielleicht 
verständlich,  dass  sie  eine  etwas  verstärkte  Wucherungsfähigkeit  erlangen, 
aber  eine  schrankenlose  nimmermehr;  endlich  müsste  die  Proliferations- 
kraft  um  so  mehr  abnehmen  je  grössere  Alveolen  gebildet  werden,  indem 
hier  wiederum  Zellkomplexe  geschaffen  werden,  in  denen  die  Epithelzellen 
in  ganz  gleicher  Weise  mit  einander  in  Verbindung  stehen,  also  unter  zum 
mindesten  ähnlicher  Spanimng  stehen.  Ferner  ist  folgendes  zu  überlegen: 
am  ausgeprägtesten  findet  man  die  von  Ribbert  geschilderten  Veriiält- 
nisse  beim  Ulcus  rodens,  bei  Lupuscarcinomen  etc.,  bekanntlich  Krebsen, 
die  sehr  lange  stationär  bleiben  und  nur  ganz  ausnahmsweise  Metastasen 
machen;  warum,  wenn  nach  Ribberts  Theorie  alles  auf  die  Abtrennung  der 
Zellen  ankommt?  Warum  werden  nicht  alle  Papillome  schliesslich  Krebse? 
Warum  entwickeln  sich  doch  nur  selten  in  Narben  und  Fistelgängen 
Carcinomc?  Alles  Fragen,  die  mit  Ribbert's  Theorie  wohl  nur  schwer  zu 
lösen  sind.  Und  endlich  die  Metastasenbildung?  Wo  ist  irgend  etwas  davon 
beobachtet  worden,  dass  transplantiertes  normales  Epithel  schranken- 
los wuchert?  Man  kann  sehr  wohl  zugeben,  dass  eine  primäre  Verände- 
rung des  Epithels  im  Sinne  von  Hansemanns  und  Hausers  Anaplasie 
morphologisch  noch  nicht  genügend  nachgewiesen  ist  und  wird  doch  zu 
dem  Resultat  kommen  müssen,  dass  Ribberts  Theorie  nicht  haltbar,  nicht 
bewiesen  ist  und  leider  sein  dankenswerter  Versuch,  die  Carcinom- 
frage   zu   vereinfachen,    als   verunglückt   betrachtet   werden   muss.     Kur 


Ätiologie  der  Carcinome.  449 

das  eine  scheint  mir  durch  seine  Untersuchungen  sicher  gestellt, 
dass  der  papilläre  Bau  von  Carcinomen  durch  eine  subepitheliale 
Bindegewebswucherung  herbeigeführt  werden  kann,  wie  das  übrigens 
schon  von  Thiersch  und  Hanau  (7)  angedeutet  worden  ist. 
Dafür  scheinen  mir  auch  die  Fälle  von  Israel  zu  sprechen,  der  bei  dem 
papillären  Carcinom  ausdrücklich  starke,  zellige  Infiltration  notierte,  wäh- 
rend er  in  dem  mehr  flachen  Carcinom  sie  so  gut  wie  völlig  vermisste.  — 
Auf  die  Anschauung  Heidemanns,  der  die  spezifische  Ausbildung  der 
Carcinome  von  dem  Zustand  der  Schlummerzellen  abhängig  macht,  hier 
nochmals  näher  einzugehen,  halte  ich  für  überflüssig;  erwähnt  sei  nur, 
dass  seine  Ansicht  in  sofern  der  Ribbertschen  ähnelt,  als  nach  ihm  nicht 
der  Grad  der  Epithelerkrankung,  sondern  der  Zustand  des  Bindegewebes 
massgebend  ist  für  die  Gutartigkeit,  oder  Bösartigkeit  der  Neubildung.  — 
Nach  allen  diesen  Auseinandersetzungen  erscheint  es  wohl  zweifellos,  dass 
die  Thiersch-Waldeyersche,durchHausers  Untersuchungen  erweiterte 
Theorie  von  der  Histogenese  der  Carcinome  in  nichts  erschüttert  aus  den 
neuesten  Kämpfen  hervorgegangen  ist. 

I 
3.  Ätiologie  der  Carcinome. 

Für  die  Ätiologie  des  Carcinoms  sind  so  viel  verschiedenartige  Fak- 
toren in  Anspruch  genommen  worden,  dass  es  auch  hier  zweckmässig 
erscheint  eine  Einteilung  in  mehrere  Abschnitte  vorzunehmen:  a)  die 
Bedeutung  embryonal  versprengter  Keime  für  die  Carcinombildung, 
ß)  Altersdisposition,  erbliche  Anlage  etc,  y)  die  Reiztheorie,  d)  parasitäre 
Ätiologie,  TJ)  allgemeine  Disposition,  d)  Umwandlung  gutartiger  Neubil- 
dungen in  Carcinome. 

a)  Die  Bedeutung  embryonal  versprengter  Keime  für  die  Car- 
cinombildung. 

Litteratur. 

1-  Beneke,  Neuere  Arbeiten  zur  Lehre  vom  Carcinom.    Schmidts  Jahrbücher.  Bd.  284. 

2.  Gassenhauer,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste.    Beitr.  zur 
Chirurg.  Festschr.  f.  Billroth.  S.  280.  1892. 

3.  Israel,  0.,  Über  die  ersten  Anfänge  des  Magenkrebses.    Berl.  klin  Wochenschr.  1890. 
Nr.  29. 

4.  Kruken berg.   Über  das  gleichzeitige  Vorkommen  von  Carcinom  und  Dermoidcyste 
in  ein  und  demselben  Ovarium.    Arch.  f;  Gynäk.  Bd.  30.  Heft  2. 

5.  Kühn,   Über  primäres  Pankreascarcinom   im   Kindesalter.     Berl.   klin.   Wochenschr. 
Bd.  24.  Nr.  27.  1887. 

Es  herrscht  zwar  ziemlich  allgemeine  Übereinstimmung,  dass  die 
Cohnheimsche  Theorie   von  allen  Geschwülsten   für   die  Carcinome  am 

LQl)arsch-Ostertag,  Ergebnisse.  U  Abteil.  29 


450  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

wenigsten  Geltung  besitzt  und  Benecke  (l)  hat  sie  sogar  schlechtweg 
als  „einen  geistreichen  Irrtum"  bezeichnet;  in  welchen  Grenzen  sie  aber 
überhaupt  bei  den  Carcinomen  von  Bedeutung  ist,  ist  noch  nicht  genügend 
festgestellt.  Die  Angaben  Cohnheims  dass  die  Carcinome  mit  Vor- 
liebe an  den  Ostien  der  Organe  sitzen,  wo  kompliziertere  Entwickeluiigs- 
verhältnisse  vorliegen  und  oft  eine  Epithelart  in  eine  andere  übergeht, 
kann  kaum  als  genügende  Stütze  seiner  Theorie  angesehen  werden  und 
Israel  (3)  hat  sogar  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  bei  den  Magen- 
krebsen der  Beginn  gar  nicht  am  Pylorus  zu  sein  pflegt,  sondern  erst 
beim  weiteren  Wachstum  die  Neubildung  sich  bis  dorthin  ausdehnt  Dass 
femer  die  doch  nicht  so  selten  nachweisbaren  Beziehungen  zwischen 
chronischer  Reizung  und  Krebsbildung  eine  gewisse  Schwierigkeit  für  die 
Theorie  darbieten,  ist  von  den  verschiedensten  Seiten  hervorgehoben  worden 
Hauser,  Klebs  u.  a.).  Ebenso  auch  die  Thatsache,  dass  der  Krebs 
vornehmlich  eine  Erkrankung  des  mittleren  und  höheren  Alters  ist.  Frei- 
lich kann  man  daraus,  dass  eine  Neubildung  erst  in  späterem  Lebensalter 
manifest  wird,  noch  nicht  schHessen,  dass  sie  nicht  doch  embryonal  an- 
gelegt war;  aber  die  Thatsache,  dass  Krebse  im  jugendlichen  Alter  doch 
zu  den  grossen  Seltenheiten  gehören,  spricht  dafür,  dass  eine  kongenitale 
Anlage  der  Carcinome  nur  ausnahmsweise  vorhanden  ist.  Positives  wissen 
wir  darüber  überhaupt  nur  sehr  wenig.  Die  Beobachtungen  von  Kruken- 
berg (4),  der  einmal  in  einer  Dermoidcyste  die  hautartigen  Inseln  carcino- 
matös  entartet  fand  und  aus  der  Litteratur  noch  3  sichere  ähnUche  Fälle 
zusammenstellte,  sind  mehrdeutig,  da  die  krebsige  Entartung  von  Dermoid- 
cysten eine  Seltenheit  ist  und  eben  nicht  anders  beurteilt  zu  werden 
braucht,  wie  Krebsentwickelung  vom  normalen  Epithel.  Der  von  Kühn 
(5)  beschriebene  Fall  eines  Pankreascarcinoms  bei  einem  ^/4  Jahr  alten 
Kinde  beweist  ebenfalls  nicht  sicher,  dass  die  Krankheitsanlage  angeboren 
war,  wie  überhaupt  kein  sicherer  Fall  von  angeborenem  Epithelkrebs  bis 
jetzt  beobachtet  ist  ^).  Es  bleiben  dann  nur  noch  die  sogenannten  branchio- 
genen  Carcinome  übrig  und  Carcinome,  welche  nach  Bruns  aus  den  Debris 
paradentaires  Mallassez*s  hervorgehen  sollen.  Aber  auch  hier  liegen 
die  Verhältnisse  noch  keineswegs  völlig  klar.  Gussenbauer  (2)  hat 
neuerdings  acht  Fälle  von  branchiogenen  Carcinomen  beschrieben  und  her- 
vorgehoben, dass  sie  deswegen  von  embryonal  aberrierten  Keimen  abgeleitet 
werden  müssten,  weil  sie  sich  an  Stellen  vorfinden,  wo  sonst  normaler- 
weise kein  Epithel  vorhanden  ist.  Ob  aber  auch  hier  nicht  vielleicht 
zuerst  Kiemenfisteln  oder  Kiemengangscysten  vorhanden  waren,  wäre  noch  zu 


1)  Der  Fall  von  Fried  reich  (Virch.  Arch.  Bd.  36)  von  Metastase  eines  Leber- 
krebses auf  den  Fötus  nimmt  eine  besondere  Stellung  ein. 


Ätiologie  der  Carcinome.  451 

entscheiden.  Ausserdem  mögen  noch  vereinzelt  Fälle  vorkommen,  in  denen 
ein  Carcinom  aus  aberrierten  Epithelien  entsteht,  wie  z.  B.  mein  oben  be- 
richteter Fall  von  primärem  Knochenkrebs.  A.  Thierfelder  hat  auch 
die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  manche  Magenkrebse  von  aberrierten 
Pankreasläppchen  ausgehen  können,  ohne  allerdings  über  beweisendes 
Material  zu  verfügen.  Nach  meiner  Meinung  ist  es  auch  denkbar,  dass 
manche  von  vornherein  sehr  tiefgehende  Krebse  des  Darms  von  aberrierten 
Lieberkühn  sehen  Krypten  ausgehen ,  nachdem  Retterer  nach- 
gewiesen hat,  dass  die  Li  eb  e  rk  ü  h  nschen  Drüsen  zunächst  submukös 
gebildet  werden  und  erst  allmähUch  in  die  Höhe  gehoben  werden.  Ich 
habe  zweimal  bei  2 — 3  jährigen  Kindern  solche  tief  in  der  Submukosa  ge- 
legenen Lieberkühn  sehen  Drüsen  beobachtet.  Aber ,  wenn  man 
selbst  diese  noch  hypothetischen  Dinge  mit  hinzu  nehmen  will,  ist  die 
Zahl  der  Carcinome,  wo  eine  embryonale  Epithelverwirrung  eine  Rolle 
spielt,  doch  so  gering,  dass  man  der  Cohnheimschen  Theorie  für  Carcinome 
mit  Recht  jede  Bedeutung  abspricht.  In  den  sicheren  Fällen  kann  die 
epitheliale  Keimesverirrung  ims  ja  auch  nur  erklären,  weswegen  sich  das 
Carcinom  an  dem  bestimmten  ungewöhnlichen  Ort  entwickelt;  die  eigent- 
liche Ursache  kann  aber  in  ganz  anderen  Dingen  liegen  und  es  braucht 
die  Ursache  der  Krebsbildung  auch  in  diesen  Fällen  keine  andere  zu 
sein,  wie  in  denjenigen,  wo  das  Carcinom  vom  normalen  Deck-  oder  Drü- 
senepithel seinen  Ausgang  nimmt. 

ß)  Altersdisposition,  erbliche  Anlage,  etc. 

Litteratur. 

1.  Armaadet,  Le  Cancer  dans  une  Commune  de  Normandie.  Natnre  contagiense  et  modo 
de  propagation  du  mal.  Univ.  1889.  Nr.  52. 

2.  Benecke,  Neuere  Arbeiten  zur  Lehre  vom  Carcinom.    Schmidts  Jahrb.  Bd.  234. 

3.  Bonde,  Zur  Statistik  d.  Carcinom  der  oberen  Gesichtsgegend.    Arch.  f.  klin.  Chirurg. 
Bd.  36.  Heft  2. 

4.  Borchers,   Über  das  Carcinom,  welches  sich  in  alten  Fistelgängen  der  Haut  ent- 
wickelt.   Inaug.-Diss.  Göttingen  1891. 

5.  Butlin,    Reports   of  the    coUective    investigation    Comittee    of    the  British   medical 
association.    Brit.  med.  Joum.  1887. 

6.  Cohn,  F.,  Die  bösartigen  Geschwülste  d.  Eierstöcke  etc.    Zeitschr.  f.  Gynäk.  Bd.  12. 
S.  14. 

7.  Dit trieb,  Beitrag  zur  Statistik  des   Mammacarcinoms.     Deutsch.  Zeitschr.  f.  Chir. 
Bd.  33.  S.  471. 

8.  Durand,   De   T^pithöliome  pavimenteux  primitif  des  cicatrices.    Annal.  de  Dermatol. 


9.  Eisenhart,  Zwei  Fälle  von  Carcinom  der  grossen  Curvatur.  Münch.  med.  Wochenschr. 
1886.  Nr.  21. 

10.  Eschweiler,  Über  das  Carcinom  der  Oberlippe.    Deutsch.  Zeitschr.  f.  Chir.   Bd.  29. 
Heft  4. 

29* 


452  Allgeni.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

11.  V.  Esmarch,   Über   die  Ätiologie   und   Diagnose   der  Garcinome   etc.    Ärch.  f.  klin 
Chir.  Bd.  39.  Heft  2. 

12.  Fr  ick,  Ein  Beitrag  zu  den  Erfahrungen  über  die  operative  Behandlung  der  Mamma 
carcinoRie.    Zeitschr.  f.  Heilk.  Bd.  9.  S.  452. 

13.  Graf,  Über  das  Garcinoni,  Ätiologie,   HereditAt  u.  endem.   Auftreten.    Arch.  f.  klin. 
Ghir.  Bd.  50.  S.  144. 

14.  Gueillot.  Semaine  mdd.  1894.  Nr.  50. 

15.  Haeberlin,  Über  Verbreitung  und  Ätiologie  des  Magenkrebses.    Deutsch.  Arch.  f. 
klin.  Med.  Bd.  44. 

16.  Hildebrand,   Beitrag  zur  Statistik  der  Mammacarcinome  der  Frau.    Deutsch.  Zeit- 
schrift f.  Ghir.  Bd.  25. 

17.  Hinters  toi  SS  er,  Beitrag  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs.    Beitr.  z.  Ghir.  Festschr. 
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18.  Klebs,  Allgem.  Pathol.  Bd.  II. 

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Es  wurde  schon  oben  ^bemerkt,  dass  das  Careinom  hauptsächlich  eine 
Erkrankung  des  höheren  Lebensalters  ist.  Freihch  haben  auch  hier  rich- 
tigere Grundsätze  der  Statistik  ergeben,  dass  die  höchste  Frequenz  doch 
in  eine  etwas  frühere  Alterstufe  fällt,  als  gewöhnlich  angenommen  wurde; 
so  hat  namentlich  J.  Marsh  all  (22)  die  Notwendigkeit  hervorgehoben 
nicht  die  Mortalitätstabellen  zu  benutzen,  sondern  nur  den  Beginn  der 
Erkrankung  zum  Vergleich  heranzuziehen.    Auch  ist  es  notwendig,  nur 


Ätiologie  der  Carcinome.  453 

solche  Fälle  in  die  Statistik  aufzunehmen,  wo  entweder  die  Krebsnatur 
der  Erkrankung  durch  den  klinischen  Verlauf  über  jeden  Zweifel  erhaben 
war  oder  durch  histologische  Untersuchung  die  carcinomatöse  Struktur 
festgestellt  wurde.  Von  allgemeinen  Statistiken,  die  auf  die  besondere 
Art  und  den  Sitz  der  Carcinome  keine  Rücksicht  nehmen,  sei  hier  genannt 
die  von  Lubarsch  (21),  der  unter  563  Fällen  von  Carcinomen  212  unter 
50  Jahren  fand  =  37,6  «/o  und  351  über  50  Jahre  =  62,4  ^lo.  Für  die 
einzelnen  Organe  liegen  zahlreiche  Angaben  vor:  für  die  Hautcarcinome 
wird  im  allgemeinen  das  40. — 60.  Lebensjahr  als  das  HauptaJter  angegeben. 
Ohren  (24)  fand  die  meisten  Fälle  von  Gesichtscarcinom  zwischen  dem 
45.  und  60.  Lebensjahre;  Bonde  (3)  zwischen  dem  61.  und  65.  Jahre; 
ebenso  Rapok  (23)  im  6.  und  7.  Dezennium;  nach  Wo  er  n  er  (39)  ist  das 
62.  Lebensjahr  am  häufigsten  betroffen;  Eschweiler  (10)  giebt  für  den 
Oberlippenkrebs  das  54.,  für  den  Unterlippenkrebs  das  57.  Jahr  an.  Volk- 
mann  (36)  fand  unter  223  Fällen  von  Extremitätenkrebs  die  meisten  im 
Alter  von  40 — 70  Jahren,  wobei  die  Narbenkrebse  am  frühzeitigsten  sich 
entwickelten.  Schmidt  (28),  Borchers  (4),  Maurel  (23),  fanden  eben- 
falls die  infolge  chronischer  Reizzustände  entstehenden  Carcinome  vorwiegend 
im  höheren  Alter  (40 — 60  Jahre).  Auch  für  die  Mammakrebse  liegen 
ähnliche  Zeitangaben  vor.  Hildebrand  (16)  giebt  die  Zeit  von  40 — 60 
Jahren,  Rapok  (27)  das  5.  und  6.  Dezennium,  Frick  (12)  ein  Durchschnitts- 
alter von  51,6  J.  an;  R.  Williams  (37)  das  50.  Lebensjahr.  Dittrich 
(7)  faud  in  110  Fällen  die  Mehrzahl  zwischen  46  und  50  Jahren;  ich  habe 
unter  95  Mammakrebsen  —  nach  dem  Datum  der  Operation  gerechnet  — 
1  Fall  zu  25  Jahren,  15  im  Alter  von  31 — 39  Jahren,  12  im  Alter  von 
40—45  Jahren,  6  von  45—49,  25  von  50—55  Jahren,  8  von  55—59,  15 
von  60—65,  2  von  65—69,  9  von  70—75  und  2  im  Alter  von  77  und 
78  Jahren;  also  die  überwiegende  Mehrzahl  zwischen  45  und  65  Jahren. 
Hinterstoisser  (17)  fand  bei  50  Schilddrüsenkrebsen  die  Hauptfrequenz 
im  5. — 6.  Dezennium.  Veit  (34)  und  Cohn  (6)  fanden  das  Carcinom  des 
Corpus  uteri  vorwiegend  nach  der  Menopause,  meist  nach  dem  50.  Lebens- 
jahre. Für  den  Magenkrebs  giebt  Haeberlin  (15)  an,  dass  ^/a  aller  Fälle 
in  das  5. — 7.  Dezennium  fallen;  gleiche  Angaben  machen  Koscynski 
und  Jaworski  (19) ;  Eisenhart  (9)  berechnet  als  Maximum  des 
Magenkrebses  das  60.  Lebensjahr;  Schrader  (29)  das  40.— 70.  Jahr. 
Zahlreiche  andere  im  allgemeinen  zum  gleichen  Ergebnis  kommende  Sta- 
tistiken finden  sich  noch  in  Ben  eck  es  (2)  Zusammenstellung.  Im  allge- 
meinen gelangt  die  Statistik  von  Haeberlin  (12)  zu  dem  Ergebnis,  dass 
72 ^/o  aller  Krebse  ins  40. — 45.  Lebensjahr  fallen;  wenn  man  die  siebenziger 
Jahre  hinzurechnet,  erhöht  sich  der  Prozentsatz  auf  90°/o.  Ich  habe  unter 
275  Fällen  folgende  Resultate  gehabt: 


Anzahl  d.  Carcinome 

0/0 

4 

1,46 

5 

1,8 

3 

1.1 

15 

5,46 

9 

3,27 

32 

11,64 

20 

6,9 

62 

22,5 

30 

10,9 

42 

15,3 

15 

5,46 

25 

9,0 

12 

4,6 

1 

0,4 

55,6  > 


454  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Lebensalter 
14—19 
20-25 
26—29 
30-35 
36-39 
40-45 
46—49 
50—55 
56—59 
60—65 
66—69 
70—75 
75—79 

80 

275 

Auch  hier  stimmen  die  Zahlen  ziemUeh  genau  mit  denen  von 
Haeberlin  überein,  im  Alter  von  40 — 70  Jahren  sind  72,6 °/o  imd,  wenn 
man  die  70er  Jahre  hinzurechnet,  86,6  ®/o.  —  Auffallend  mag  es  sein,  dass 
unter  den  12  Fällen  unter  30  Jahren  Magen  und  Rektum  mit  7  Fällen 
besonders  häufig  vertreten  sind ,  die  5  übrigen  Fälle  betrafen  1  Ovarial-, 
2  Uterus-,  1  Mamma-  und  einen  Hodenkrebs.  Jedenfalls  ergiebt  die  Sta- 
tistik, dass  Carcinome  ziemlich  in  jedem  Lebensalter  vorkommen  kömien, 
dass  aber  ihr  Vorkommen  bis  zum  40.  Jahre  verhältnismässig  selten  ist 
(13,1  *^/o),  aber  auch  bis  zum  50.  Jahre  erheblich  seltner  ist,  als  in  dem 
Zeitraum  vom  46.-65.  Jahre  (31,64  ®/o  :  48,6  *^/o).  In  ätiologischer  Bezieh- 
ung lässt  sich  freilich  mit  allen  diesen  Erfahrungen  nicht  gerade  sehr  viel 
anfangen;  man  kann  sie  auch  gegen  die  parasitäre  Theorie  nicht  in  ent- 
scheidender Weise  verwerten,  da  die  Vorliebe  für  das  höhere  Lebensalter 
ja  dann  durch  eine  besondere  erst  in  dem  betr.  Alter  vorhandene  Gewebs- 
oder  allgemeine  Disposition  erklärt  werden  könnte. 

Was  das' Geschlecht  anbetrifft,  so  sind  namentlich  für  die  Carci- 
nome der  einzelnen  Organe  sehr  erhebliche  Unterschiede  vorhanden.  Das 
tritt  am  auffallendsten  bei  der  Mamma  hervor,  wo  Schulthess  98,6'^/o 
der  Fälle  beim  weiblichen,  1,39 ^/o  beim  männlichen  Geschlecht  fand. 
Dittrich  (6)  fand  unter  110  Fällen  97,3  >  bei  Frauen,  2,7  «/o  bei  Männern. 
Überwiegend  ist  auch  das  weibliche  Geschlecht  beteiligt  beim  Gallenblasen- 
und  primären  Leberkrebs,  das  gleiche  scheint  nach  meinen  allerdings  spär- 
lichen Erfahrungen  für  den  Pankreaskrebs  der  Fall  zu  sein  (unter  9  Fällen 
7mal   bei  Frauen).    Für  den  Magenkrebs  sind   die  Angaben  verschieden. 


Ätiologie  der  Carcinome.  4Ö5 

Haeberlin  findet  7  Frauen  auf  5  Männer;  erst  im  höheren  Alter  kommen 
beide  Geschlechter  sieh  in  ihrer  Disposition  gleich,  wie  sie  es  auch  vor 
dem  30.  Jahre  zu  sein  scheinen.  Schrader  berechnete  dagegen  nach 
dem  Material  des  Göttinger  pathologischen  Instituts,  dass  3  Männer  auf 
2  Frauen  kommen.  Beim  Hautcarcinom  überwiegen  sicher  die  Männer ; 
an  Gesichtskrebs  erkranken  sehr  viel  mehr  Männer ;  beim  Lippenkrebs  ist 
nach  Ohren  das  Verhältnis  wie  90,8:9,1;  ebenso  nach  Woerner 
(90:10);  nur  beim  Oberlippenkrebs  wie  61:39.  Auch  Volk  mann  fand 
beim  Extremitätenkrebs  unter  205  Fällen  140  Männer  und  nur  65  Frauen; 
wobei  es  interessant  ist,  dass  bei  den  auf  angeborenen  Malern  und  gesunder 
Haut  entstandenen  Krebsen  das  Verhältnis  annähernd  gleich  ist  (17  Männer: 
21  Frauen),  während  von  solchen  Krebsen,  die  aus  Narben  und  Geschwüren 
aller  Art  sich  entwickelten,  94  Männer  auf  24  Frauen  kamen.  Ebenso 
sind  beim  Zungen-  und  Kehlkopfkrebs  die  Männer  sehr  überwiegend 
(beim  Zungenkrebs  nach  Pannel  (26)  547  Männer:  100  Frauen).  Beim 
Schilddrüsenkrebs  ist  nach  Hinterstoisser  das  Verhältnis  annähernd 
gleich  (28  Männer :  22  Weiber).  —  Es  Uegt  auf  der  Hand,  dass  die  Differenzen 
zum  grössten  Teil  auf  äusseren  Verhältnissen  beruhen,  welche  teils  in  der 
Körperform,  teils  in  den  äusseren  Lebensbedingungen  begründet  sind;  so 
wird  bei  der  Frau  durch  Form  und  Lage  der  Mamma  die  Einwirkung 
chronischer  Reize  erleichtert;  die  häufigere  Erkrankung  der  Frauen  an 
(lallenblasenkrebs  ist  wohl  darauf  zu  schieben,  dass  bei  ihnen  —  infolge 
der  Kleidung  —  Gallensteine  sehr  viel  häufiger  sind  und  damit  hängt 
wohl  auch  das  häufigere  Vorkommen  des  primären  Leber-  und  Pankreas- 
krebses  zusammen;  imigekehrt  wird  bei  Männern  die  Haut  viel  weniger 
geschont,  auch  mag  die  grössere  Reinlichkeit  der  Frauen  die  Haut  vor 
chronischer  Reizwirkung  schützen.  Ferner  kommen  beim  Manne  beim 
Lippen-,  Zungen-  und  Kehlkopfkrebs  der  Missbrauch  des  Tabaks  und  Al- 
kohols in  Betracht.  In  wie  weit  auch  innere  Differenzen  in  Betracht 
kommen,  bleibt  noch  zu  untersuchen.  Sicher  ist  es,  dass  die  verschieden 
starke  funktionelle  Thätigkeit  bestimmter  Organe,  besonders  der  Geschlechts- 
organe, vielleicht  auch,  wie  Benecke  meint,  anderer  durch  das  Geschlechts- 
leben irgendwie  beeinflusster  Teile  eine  Rolle  spielen ;  ob  auch  Differenzen 
in  Bezug  auf  die  leichtere  oder  schwerere  Ausbildung  der  konstitutionellen 
Eigentümlichkeiten,  welche  die  Krebserkrankung  erleichtern,  zwischen  den 
beiden  Geschlechtern  vorhanden  sind,  wie  ebenfalls  Be necke  für  möglich 
hält,  ist  jedenfalls  noch  nicht  genügend  festgestellt. 

Der  Heredität  wird  namentlich  von  englischen  Autoren  eine  grosse 
Bedeutung  beigemessen;  so  behauptet  z.  B.  Paget,  dass  in  einem  Drittel 
aller  Fälle  von  Krebs  Erblichkeit  nachweisbar  wäre.  Butlin  (5)  hat 
uater  210  Fällen  68mal  in  der  Familie   der  Patienten  Carcinom  gefunden 


456  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

und  zwar  besassen  diese  68  Patienten  99  carcinomatöse  Verwandte;  da 
er,  um  mit  einiger  Sicherheit  von  Vererbung  sprechen  zu  können,  alle 
Fälle  abzieht,  wo  nicht  Eltern  oder  Grosseltem  erkrankt  waren,  kommt 
er  auf  ein  Verhältnis  von  1:4,84.  Die  Art  der  Vererbung  scheint  in  der 
Weise  vor  sich  zu  gehen,  dass  sie  sich  fast  ausnahmlos  auf  eine  Seite 
(Vat^r  oder  Mutter)  beschränkt.  Shattock  und  Ballance,  (31),  welche  der 
Meinung  sind,  dass  eine  bestimmte  Diathese  übertragen  wird,  berichten 
über  eine  Famihe,  in  der  die  Mutter  und  ihre  5  Töchter  an  linksseitigem 
Brustkrebs  zu  Grunde  gingen.  Paget  (25)  teilt  folgenden  Fall  mit:  Mutter 
stirbt  an  Magenkrebs,  eine  Tochter  an  Magen-,  eine  andere  an  Brustkrebs, 
von  den  Enkeln  sterben  je  zwei  an  Brust-  und  Uterus,  je  einer  an 
Magen-,  Darm-  und  Blasenkrebs.  Von  deutschen  Autoren  wird  dagegen 
der  Erblichkeit  weit  geringere  Bedeutung  beigemessen.  Zwar  nehmen 
V.  Esmarch  (11),  Klebs  (18)  u.  a.  im  allgemeinen  eine  „familiäre  Dis- 
position'' oder  dergl.  an,  im  einzelnen  ergaben  aber  die  Statistiken  keine 
grossen  Prozentsätze.  So  fand  Rapok  (23)  unter  399  Fällen  ca.  5^'o, 
Durand  (8)  bei  Narbenkrebsen  nur  2  mal  Heredität ;  Ohren, 
Bonde,  Steiner  (33) ,  P  a  n  n  e  1  bezeichnen  die  Heredität  bei 
Haut-  und  Zungenkrebsen  als  sehr  selten  oder  nicht  vorhanden.  Schult- 
hess  giebt  für  Mammakrebse  10 ^'o,  Frick  13,4 ®/o,  Di t trieb 
5,4 ®/o  an;  nach  Haeberlin  soll  bei  Magenkrebsen  in  10,9 ®/o,  nach 
Siegrist  bei  Leberkrebs  3*^/o  hereditär  sein.  Leichtenstern  (20)  hat  in 
seiner  Zusammenstellung  über  den  Leberkrebs  eine  Heredität  von  17°/o  her- 
ausgerechnet, während  Wini  warter  (38)  im  ganzen  nur  6®/oangiebt.  Einzelne 
Fälle,  welche  an  sich  auffallend  sind,  teilt  neuerdings  Graf  mit;  doch  ist 
auch  hier  oft  ohne  genügende  Kritik  vorgegangen.  Wenn  Graf  (13)  z.  B. 
einen  Stammbaum  giebt,  in  welchem  ein  Vorfahr  an  Carcinom  der  Fossa 
pterygoidea,  ein  Nachkomme  an  „Gehirnkrebs'*  gestorben  sein  soll,  so  wird 
der  pathologische  Anatom  nicht  im  Zweifel  sein,  dass  es  sich  in  beiden 
Fällen  nicht  um  Krebs  gehandelt  hat.  Alle  Angaben  über  Hereditat 
und  alle  derartigen  Statistiken  erscheinen  noch  sehr  wenig  beweisend. 
Die  Fehlerquellen  für  die  Statistiken  sind  sehr  grosse;  1.  beruhen  die 
Angaben  z.  T.  auf  den  Wahrnehmungen  wenig  gebildeter  Laien,  die  ohne 
weiteres  Carcinom,  Lupus  und  ähnhches  zusammenwerfen;  2.  ist  auch 
dann,  wenn  die  Statistik  sich,  wie  bei  Butlin  vornehmlich,  auf  An- 
gaben von  Familienärzten  stützt,  noch  mannigfachem  Irrtmn  Thür  und 
Thor  geöffnet;  so  ist  zunächst  bei  inneren  Carcinomen  die  Unsicherheit 
der  Diagnose  in  Betracht  zu  ziehen  und  auch  bei  äusseren  Krebsen  wird 
oft  genug  —  auch  heute  noch  —  von  den  praktischen  Ärzten  zwischen 
Carcinom  und  Sarkom  kein  Unterschied  gemacht.  3.  Ist  in  den  Statistiken 
nicht  berücksichtigt,  ob  die  scheinbare  Heredität  nicht  etwas  rein  Zufälliges 


Ätiologie  der  Carcinome.  457 

ist.  WeDn  z.  B.  Butlin  eine  Erfahrung  mitteilt,  wo  in  einer  Familie, 
in  der  bis  dahin  noch  niemals  Carcinom  aufgetreten  war,  von  7  Kindern 
6  an  Carcinom  starben,  so  beweist  das  doch  nichts  für  die  Erblichkeit; 
sondern  es  beweist  nur,  dass  die  betr.  Individuen  Schädlichkeiten  ausge- 
setzt waren,  die  zur  Krebsbildung  führen  können.  Der  Fall  ist  vielmehr 
nach  der  entgegengesetzten  Richtimg  zu  verwerten  und  sehr  lehrreich; 
wären  zufällig  in  der  Familie  auch  Vater  und  Grossvater  carcinomatös 
gewesen,  so  würden  auch  skeptischere  Beobachter  geneigt  sein,  eine  Here- 
dität für  bewiesen  anzusehen;  so  zeigt  er,  dass  es  sich  mn  zufälliges  Zu- 
sammentreffen handeln  kann  und  das  ist  auch  noch  in  dem  oben  erwähnten 
Fall  von  Shattock  und  Bailance  möglich.  Überhaupt  müsste  man 
bei  der  Statistik  in  Betracht  ziehen,  in  welchem  Verhältnis  die  Familien- 
carcinome  zu  der  Carcinommorbidität  der  gesamten  Bevölkerung  stehen; 
wenn  z.  B.  auf  1000  Individuen  1  Fall  von  Carcinom  kommt,  so  ist  die 
Möglichkeit,  dass  in  einer  Familie  von  10  Personen  2  mal  Krebs  auftritt, 
gleich  1:200;  es  müsste  also,  um  den  Nachweis  zu  führen,  dass  bei  dem 
Carcinom  die  Heredität  eine  irgendwie  nennenswerte  Rolle  spielt,  der  Nach- 
weis erbracht  werden,  dass  in  Familien  mehrfache  Erkrankungen 
an  Krebs  erheblich  häufiger  vorkommen  als  nach  der  Kopf- 
zahl der  Familie  und  dem  Verhältnis  der  Carcinomerkran- 
kungen  zur  Gesamtbevölkerung  erwartet  werden  dürfte; 
und  auch  dann  müssten  noch  alle  Fälle,  wo  die  gleichen  äusseren  Ein- 
flüsse eine  Rolle  gespielt  haben  könnten,  ausgeschlossen  werden.  Und 
schliesslich  wird  eine  ziemlich  brauchbare  Statistik  erst  dann  möglich  sein, 
wenn  nahezu  obligatorische  Leichensektionen  eingeführt  sind  und  somit 
alle  Verwechslungen  mit  anderen  bösartigen  Neubildungen  durch  die  histo- 
logische Untersuchung  ausgeschlossen  werden  können. 

y)  Die  Reiztheorie. 

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18.  Hanau,  a.  a.  0. 

19.  Hauser,  a.  a.  0. 

20.  Siegenbeck  van  Heukelomm,  a.  a.  0. 

21.  Hoffmann,  Die  Krankheiten  der  Arbeiter  in  Braunkohlentheer-  und  Paraffinfabrikeo 
in  medizinal-polizeilicher  Hinsicht  citiert  bei  Liebe. 

22.  Hutchinson,    On  some  exemplar   of  arsenic-keratosis  of  the  skin  and  of  arseaic- 

cancer.  Transact.  of  pathol.  society.    Bd.  39,  S.  283. 

23.  Kocher,  Verletzungen  und  Krankheiten  des  Hodens,    Handb.  von  Pitha-Billroth. 
Bd.  lU.  2. 

24.  Lang,  E.,  Syphilis  und  Krebs.    Wien.  med.  Blätter.    Bd.  IX.  Nr.  41  u.  42. 

25.  Liebe,  Ein  Fall  von  Paraffinkrebs.  Arbeiten  aus  der  Chirurg.  Poliklinik  in  Leipzig.  II. 

26.  Derselbe,  Über  den  Theer-  und  Paraffinkrebs.    Schmidts  Jahrb.    Bd.  236.    p.  65. 

27.  Loeb,  Kombination  von  Krebs  und  Tuberkulose.    Diss.    Manchen  1889. 

28.  Löwenthal,  Über  die  traumatische  Entstehung  der  Geschwülste.    Arch.  f.  klin.Ghir. 
Bd.  49.    S.  1  u.  267. 

29.  Lu  bar  seh,  a.  a.  0. 

30.  Marchand,  Über  eine  häufige  Ursache  der  Gallensteinbildung  beim  weiblichen  Ge- 
schlecht.   Dtsch.  med.  Wochenschr.  1888.    Nr.  34. 

31.  Marshall,  J.,  a.  a.  0. 

32.  Musser,  Primary  cancer  of  the  gall-bladder.  Boston,  med.  and  surg.  Journ.  15.  Dez.  89. 

33.  Nielsen,  Lupuscarcinom.    Hospitalstitende  1889. 

34.  Nithak,  Beitrag  zur  Lehre  vom  Narbencarcinom.    Dissert.    Marburg  1887. 

35.  Rap  ok,  a.  a.  0. 

36.  Raymond,  De  r^pith^liome  döveloppe  sur  le  Inpus  vulgaire  en  Evolution.    Anal,  du 
Dermatol.    Bd.  8.     Heft  3. 

37.  Ribbert,  Carcinom  und  Tuberkulose.    Münch.  med.  Wochenschr.  1894.    Nr.  17. 

38.  Richter,  Über  Lupuscarcinom.    Vierteljahrsschr.  f.  Dermatol.    Bd.  15.     Heft  1. 

39.  Rokitansky,  Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie  1846. 

40.  Rosenheim,   Zur  Kenntnis   des    mit  Krebs  komplizierten    runden  Magengeschwüre. 
Ztschr.  f.  klin.  Med,    Bd.  17.    Heft  1  u.  2. 

41.  Rollet,   Tatouages  et  cancroYdes  cntanäs  d'origine  professionelle  etc.    Gaz.  hebdom. 
1890.    Nr.  44. 

42.  Sachs,  H.,  60  Fälle  von  Zungencarcinom.    Arch.  f.  klin.  Ghir.    Bd.  45.    S.  774. 

43.  Sandu-Miclesco,  Beitrag  zur  Geschichte  des  Krebses.    Diss.  München  1887. 

44.  Schuchardt,  Beiträge  zur  Entstehung  der  Garcinome  etc.  Volkmanns  Vortr.  Nr.  80. 
5.   Shattock  und  Ballance,  a.  a.  0.  * 

46.  S  i  e  g  e  r  t ,   Zur  Ätiologie  des  primären  Garcinoms  der  G  allenblase.    V  i  r  c  h  o  w  s  Arch. 
Bd.  132.    S.  353. 

47.  Steiner,  a.  a.  0. 

48.  V.  Volk  mann,  a.  a.  0. 


Ätiologie  der  Carcinome.  459 

49.  Wheeler,  Syphiltic  deposits  in  the  haman  tongue  followed  by  epitheliome.    Ref.   med. 
Presse.     1889. 

50.  Zenker,  H. ,   Der  primilre  Krebs  der  Gallenblase  etc.     Dtsch.  Arch.  f.  klin.  Med. 
Bd.  44.     S.  159. 

51.  Zenker,  E.,  Carcinom  und  Tuberkel  im  selben  Organ.    Ebenda.    Bd.  47. 


Die  Auffassung,  dass  bei  der  Ätiologie  des  Carcinoms  Reizwirkungen 
eine  Rolle  spielen,  ist  so  allgemein  verbreitet,  dass  sie  auch  jetzt  immer 
noch  im  Vordergrund    des  Interesses   steht.     Zahlreiche,  gut  beobachtete 
Thatsachen  weisen  ja  in  der  That  darauf  hin,  dass  irgend  welche  Bezieh- 
ungen zwischen  namentlich  lange  einwirkenden  Reizen  und  Krebsbildung  be- 
stehen müssen.    Immer  aber  erscheint  es  noch  dunkel,  welcher  Art  diese  Be- 
ziehungen sind;  sind  alle  Reize  gleichwertig?  wie  kommt  es,  dass  oft  genug 
nach  chronischer  Reizwirkung  die  Carcinoraentwickelung  ausbleibt?   Haben 
wir  es  bei  den  Reizen  als  ätiologischen  Faktoren  überhaupt  mit  der  eigent- 
lichen Ursache  oder  nur  mit  Gelegenheitsursachen  zuthun?   Schuchardt 
(44)  vertritt  wohl  mit  Recht  die  Meinung,  dass  es  sich  bei  diesen  Vorgängen 
nicht  um  das  eigentiiche  Wesen  der  Carcinomerkrankung  handelt,  sondern 
nur  um  Nebenumstände.   Wenn  wir  auch  bei  Infektionskrankheiten  oft  ge- 
zwungen sind,   noch  eine  besondere,  mehr  oder  weniger  ausgesprochene 
Disposition  anzunehmen,   so  müssen  wir  doch   den  spezifischen  Mikroben 
als  den  wesentlichsten  ätiologischen   Faktor  ansehen,   da  die   betrefEende 
Erkrankung   (z.  B.   Tuberkulose,     Milzbrand)    ausschliesslich    durch   den 
spezifischen   Mikroorganismus  und    auf    keine   andere   Art   hervorgerufen 
werden  kann.     Anders   mit  den  Reizwirkungen  beim  Carcinom;  hier   ist 
es  sicher,    dass    auch  ohne    nachweisbare  Reize  Krebse  sich  entwickeln 
können;  deswegen  erscheint  es  wahrscheinlich,  dass  die  Reize,    wenn  sie 
auch  von  grosser  Bedeutung  für  die  Krebsbildung  sein  können,  nicht  den 
eigentlichen  ätiologischen  Faktor  darstellen.  —  Bei  der  Besprechung  dieser 
Reizwirkungen  werden  wir  zunächst  unterscheiden  können:    1.  einmalige 
Reize,   2.   chronische   Reize.  —     Wenn    Schuchardt    die    Überzeugung 
ausgesprochen,  hat,    dass    einmalige    Reize    zwar    bei    der    Bildung   von 
Sarkomen    eine    Bedeutung   haben,    aber  nicht  bei    der  Carcinomerkran- 
kung, bei  welcher  vielmehr  nur  öfter  wiederholte  Reize  von  Bedeutung  sind, 
so  wird   diese  Auffassung   doch  nicht  von    allen  Pathologen   geteilt  und 
immer  von  neuem  werden  Versuche  gemacht,   die  Bedeutung  selbst  eines 
einmaligen  Traumas   für  die  Entstehung  von  Krebsen  zu  demonstrieren. 
Neuerdings  ist  das  von  Lö  wenthal  (28)  geschehen,  der  bei  318  Carcinomen 
eine  Entstehung  der  Krebse  durch  einmaliges  Trauma  nachweisen  zu  können 
vermeint.   Es  ist  unnötig,  hier  auf  das  Material  im  einzelnen  näher  einzu- 
gehen; es  ist  nur  charakteristisch,  dass  bei  den  Krebsen  derjenigen  Gegenden 


460  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

am  häufigsten  Trauma  festgestellt  werden  konnte,  bei  denen  überhaupt 
am  häufigsten  Traumen  vorkommen ;  so  figurieren  die  Krebse  der  unteren 
Extremitäten  mit  26,  die  der  weiblichen  Mamma  mit  137,  dagegen  die 
des  Magens  und  des  Ohres,  wo  nur  selten  Traumen  sieh  ereignen,  nur  je 
einmal.  Die  ganze  Zusammenstellung  ist  äusserst  unkritisch  und  man 
könnte  vielleicht  mit  demselben  Erfolg  auch  eine  Zusammenstellung  vor- 
nehmen, in  denen  meteorologische  Einflüsse  für  die  Carcinomentstehung  ver- 
antwortlich gemacht  werden.  Ein  Kausalnexus  zwischen  dem  einmaligen 
Trauma  und  Krebsentwicklung  ist  in  keiner  Weise  mit  Sicherheit  demonstriert. 
—  Möglich  ist  es  dagegen,  dass  durch  einmalige  Traumen  der  Ausbruch 
und  das  Wachstum  des  Carcinoms  beschleunigt  werden  kann,  wofür  ein 
von  Braun  (7)  publizierterFall  sprechen  könnte,  wo  bei  einem  14  jährigen 
Mädchen,  das  im  Alter  von  12  Jahren  eine  ausgedehnte  Hautverbrennung 
auf  der  rechten  Seite  des  Kopfes  erlitten  hatte,  im  Anschluss  an  einen 
Schlag  auf  die  Narbe  ein  carcinomatöses  Geschwür  entstand. 

2.  Unter  den  chronischen  Reizen,  die  bei  der  Krebsentwickelung  eine 
Rolle  spielen,   kann  man  wieder   Unterabteilungen  machen,  je  nachdem 
es    sich    vorwiegend    um    mechanische    oder    chemische    Reize    handelt; 
freihch  ist  es  nicht  immer  ganz  leicht,  diese  Dinge  scharf  von   einander 
zu  trennen.    —  Hier  sind  in  erster  Linie  die  Carcinome  der  Gallenblase 
und  Gallenwege  zu   nennen.     Schon  die  Thatsache,  dass  sie  bei  Frauen 
sehr  viel  häufiger  sind,  wie  bei  Männern,  mehr  aber  noch  der  fast  kon- 
stante Befund  von  Gallensteinen  musste  für  die  Bedeutung  einer  chroni- 
schen Reizung  durch  Gallensteine  sprechen  und  so  sind  auch  die  Verhält- 
nisse von  Musser  (32),  Chochamovicz  (9),  H.  Zenker  (50)  und  Mar- 
chand (30)  gedeutet  worden.     Zenker  fand  79,2 ®/o  Frauen  befallen;  in 
41  unter  48  Fällen  waren  Gallensteine  sicher  vorhanden,  in  den  7  anderen 
fehlten  darüber  nähere  Angaben.    Marc  band,  welcher  den  Befund  von 
Gallensteinen  als  einen  regelmässigen  ansieht,  weist  noch  darauf  hin ,  dass 
sich  auch  fast  immer  Schnürfurchen  vorfinden,  welche  durch  die  Behinde- 
rung des  Gallenabflusses  zur  Gallensteinbildung  Anlass  geben.  Dass  aber  in 
der  That  die  Gallensteine  das  Primäre  sind  und  nicht  etwa  erst  durch  die 
bei   der  Carcinomentwickelung    stattfindende   Wandverändenmg  sekimdär 
entstehen,  hat  Siegert  (46)  überzeugend  nachgewiesen;  er  zeigte  nämlich, 
dass  beim  primären  Gallenblasenkrebs,  der  in  15®/o  beim  männlichen  und 
in  83®/o  beim  weiblichen  Geschlecht  gefunden  wird,   in  9b^!o   aller  Fälle 
Gallensteine  gefunden  werden,  während  beim  sekundären  Gallenblasenkrebs, 
der  in  77°/o  beim  männUchen    und  in  23°/o  beim  weiblichen  Geschlecht 
vorkommt,  nur  in   15 — 16®/o  Gallensteine  nachgewiesen  waren;   so   geht 
daraus  mit  Sicherheit    hervor,  dass  die  carcinomatöse  Wandveränderung 
durchaus  nicht  ausnahmslos  Cholelithiasis  nach  sich  zieht.    Auch  sprechen 


Ätiologie  der  Carcinome.  461 

zahlreiche  klinische  Beobachtungen  dafür,  dass  die  Gallensteine  lange  vor- 
her  bestehen,   ehe    die  ersten  Symptome  von  Krebs    sich   ausbilden.   — 
Zenker  nimmt  für  diese  Verhältnisse  an,  dass  es  sich  um  ähnliche  Vor- 
gänge handelt,  wie  sie  Haus  er  (19)  in  Magennarben  beschrieben  hat;  er 
konnte  auch  in  seinen  Fällen  von  Gallenblasennarben  in  der  Narbe  atypische 
Ef)ithelwucherungen  nachweisen.     Zwischen  diesen  Wucherungen,   welche 
sich  infolge  der  besseren  Ernährungsverhältnisse  im   Granulationsgewebe 
ausbilden  und  dem  Krebs  soll  nur  ein  gradueller  Unterschied  sein;   die 
Wucherungen    stellen    das    disponierende  Moment    für  die    Carcinoment- 
\i'iekelung  dar  und  können  allmählich  durch  chronische  Reize  in  Carcinom 
übergehen,  wobei  die  Herabsetzung  der  physiologischen  Widerstände  und 
die  Aufhebung  des  histogenetischen  Gleichgewichts  im  Alter  mithelfen.  — 
Die  gleichen  Vorstellungen  kommen  in  Betracht  für  alle  übrigen  Carcinome, 
die  sich  auf  Grund  von  Narben  entwickeln;  da  ja  schliesslich  die  Narben- 
bildung nur  das  £ndstadium  der  chronischen  Entzündung  ist.     Es  sind 
eine   grosse  Reihe   von  •  Einzelfällen   nach    dieser   Richtung  veröffentlicht 
worden,  auf  die  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.     Nur  die  zu- 
sammenfassenden Arbeiten  sollen  kurz  erwähnt  werden.    Durand  (13),  der 
90  Fälle  von  Narbenkrebse  untersuchte,  giebt  an,  dass  sie  fast  immer  nach 
dem  40.  Jahre  vorkommen   und  aus  allen  Arten  von  Narben  entstehen 
können,  am  häufigsten  aus  breiten  Brandnarben.     Die  Narben  sind  meist 
schon  lange  vorher  vorhanden   gewesen.     Schädigungen    der  Narben  er- 
höhen die  Neigung  zur  carcinomatösen  Entartung,  welche  sowohl  von  noch 
offenen  Stellen  der  Narbe  aus,  als  auch  von  ganz  verheilten  Narben  vor  sich 
gehen  kann.     Die  Form  der  Krebse  ist  bald  ulcerierend,  bald  papillär; 
meist  wenig  tiefgehend,  langsam  wachsend.     Ähnliches  gilt  auch  von  den 
Krebsen,  die  sich  in  Fistelgängen  entwickeln;  sie  kommen,  wie  Borchers 
(6)  ausführt,   am  häufigsten  nach  Osteomyelitis  oder  Tuberkulose  vor,  be- 
vorzugen das  40.    bis  60.  Lebensjahr,   wachsen  sehr  langsam  und  bilden 
meist  papilläre  Hornkrebse.    Sie  gelten  als  relativ  gutartige  Neubildungen, 
doch  können,  wie  z.  B.  von  Friedländer  (16)beobachtet  hat,  auch  die  in 
Fistelgängen  sich  entwickelnden  Carcinome  metastasieren  und  allgemeine 
Carcinose  hervorbringen;  das  ist  bei  den   in  Sequesterladen  entstandenen 
Carcinomen  deswegen  so  selten,   weil   sie  einen  durch  Sklerosierung  und 
Schwielenbildung  abgeschlossenen  Raum  vorfinden,  während  bei  den   in 
einen  weniger  veränderten  oder  normalen  Knochen  einwachsenden  Krebsen 
eine  Verschleppung  der  Zellen  auf  dem  Blutwege  viel  leichter  stattfinden 
kann.  —  Auch  ein  Teil  der  Lupuscarcinome ,  sowie  der  auf  syphihtischen 
Xarhen  entstehenden  Krebsen  gehört  hierher;  kurz  alle  diejenigen,  denen 
das  gemeinsame  Moment  zukommt,  dass  sie  an  chronische  Entzündungen 
anschliessen ;  wie  auch  für  die  Krebse  des  Uterus  und  der  Mamma  angc- 


462  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

geben  wird.  Thatsächlich  lässt  sich  bei  vielen  dieser  Krebse,  wenn  auch 
durchaus  nicht  bei  allen  feststellen,  dass  schon  während  des  Stadiums  der 
chronischen  Entzündung  eine  atypische  Epithelwucherung  vorkommt,  wie 
sie  zuerst  von  K.  Friedländer  (17)  beschrieben  worden  ist.  Das  ist  der 
Fall  bei  alten  Fistelgängen,  in  Sequesterhöhlen,  beim  Lupus,  bei  chronischer 
Endometritis,  ferner  vor  allem  auch  in  Magennarben,  wo  Hauser  selbst 
einen  Durchbruch  der  wuchernden  Drüsen  durch  die  Muscularis  mucosae 
nicht  so  selten  beobachtet  haben  will;  freiüch  bleibt  diese  Wucherung  nur 
auf  wenige  kleine  Herde  beschränkt  und  nur  einmal  konnte  er  auch  bis 
in  die  Muskulatur  vorgedrungene  Drüsen  finden.  —  So  sehr  nun  auch  in 
diesen  Punkten  gewisse  Übergänge  zur  Carcinomwucherung  vorhanden  zu 
sein  scheinen,  so  bleibt  doch  zunächst  eine  unübersteigUche  Schranke 
zwischen  diesen  atypischen  Epithelwucherungen  und  der  Carcinombildung 
bestehen,  da  ersterer  die  schrankenlose  Wucherungsfähigkeit  fehlt. 

In  gewisser  Beziehung  wird  diese  Lücke  ausgefüllt  durch  diejenigen 
Krebse,  welche  sich  im  Anschluss  an  chemische  Schädlichkeiten  ausbilden 
Allerdings  liegen  auch  hier  nicht  überall  die  Beziehungen  vollkommen  klar 
zu  Tage.  So  ist  z.  B.  die  Angabe  Hutchinsons  (22),  dass  nach  längerem 
Arsengebrauch  krebsige  Geschwüre  der  Haut  entstehen,  jedenfalls  noch 
nicht  in  genügender  Weise  sichergestellt.  Auch  die  Bedeutung  des  Tabak 
rauchens  für  die  Entstehung  der  Lippen-  und  Mundschleimhautr,  vielleicht 
auch  der  Rachen-  und  Kehlkopfkrebse  ist  nocht  nicht  genügend  erforscht. 
Steiner  (47),  Sachs  (42),  Rapok(35)  u.  a.  heben  allerdings  hervor,  dass 
bei  Lippen-  und  Zungenkrebsen  häufig  Tabakrauchen  oder  auch  Tabak- 
kauen als  ätiologisches  Moment  angegeben  wird  neben  der  Reizung  durch 
spitze  oder  kariöse  Zähne;  aber  auch  hier  ist  man  doch  noch  nicht  im 
Stande  zu  sagen,  ob  die  Wirkung  vorwiegend  eine  chemische  oder  mecha- 
nische ist ;  für  die  Beziehungen  der  Unteriippenkrebse  zum  Pfeiferauehen 
scheint  es  fast,  als  ob  die  Gewohnheit  vieler  Männer,  die  Pfeife  stets  in 
einem  Mundwinkel  festzupressen,  von  grosser  Bedeutung  ist;  es  )ÄÜrden 
sich  dann  zum  mindesten  mechanische  mit  chemischen  Momenten  kom- 
binieren. —  Am  klarsten  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Hautcarcinomen 
der  Schornsteinfeger,  Theer-  und  Paraffinarbeiter;  in  dem  ich  in  Bezug 
auf  Einzelheiten  auf  die  umfassende  Zusammenstellung  von  Liebe  (26)  in 
Schmidts  Jahrbüchern  verweise,  will  ich  hier  nur  folgendes  hervorheben. 
Die  Erkrankungen  treten  durchaus  nicht  bei  allen  Arbeitern  auf,  die  sich 
der  gleichen  SchädUchkeit  aussetzen ;  schon  die  Paraffin-  und  Russkrätze  — 
die  chronische  Dermatitis  —  welche  der  Krebsentwickelung  vorausgeht, 
tritt  durchaus  nicht  bei  allen  Arbeitern  auf;  es  besteht  eine  individuelle 
Disposition  (v.  Volk  mann),  die  allerdings  zum  Teil  von  dem  Grade 
der  individuellen  Reinlichkeit  abhängt.     Der  Sitz  der  Dermatitis  ist  mit 


Ätiologie  der  Carcinome.  463 

\'orli§be  am  Skrotum  (wohl  wegen  der  runzlichen  Beschaffenheit  der  Haut, 
in  welcher  dann  die  reizenden  Produkte  sich  besonders   leicht  festsetzen) 
(Earling),    dann  an  den  Unterarmen,    manchmal  auch  den  Oberschen- 
keln und  an  der  Gürtelgegend.     Die  reizende  Substanz  ist  sowohl  im  Russ, 
wie  im  Theer  und  Paraffin  enthalten;  es  scheint,   als  ob  die   zuerst  aus- 
gepressten,  sogenannten  Dunkelöle,  die  zumeist  als  Gas-  und  Schmieröle  ver- 
wendet werden,  die  gefährhchßten  sind  (Hof  f  mann)  (21);  jedenfalls  erkranken 
die  Arbeiter,  die  ausschliessUch  mit  festem,  fertigen  Paraffin  zu  thun  haben, 
nicht  (v.  Volk  mann).     Die  Dermatitis  ist  meist  zuerst  eine  ganz  akute 
in  Form  eines  nässenden  Ekzems ;  allmählich  wird  die  Haut  spröde,  rissig, 
verdickt  und  es  bilden  sich  knötchenförmige  Epidermisverdickungen,  dann 
geht  der  Zustand  in  einen  mehr  indifferenten  über,  wobei  die  Haut  perga- 
nientartig  wird,  die  Warzen  abfallen  und  pigmentfreie  Narben  hinterlassen. 
Namentlich  dann,  wenn  durch  Pflaster  oder  Quacksalbereien  die  Warzen 
gereizt  werden,  zerfallen  sie  geschwürig,  die  Ränder  werden  hart  und  das 
Geschwür  greift  immer  mehr  in  die  Tiefe ,  woraus  die  carcinomatöse  Natur 
ersichtUch  ist.    Bei  den  Schomsteinfegerkrebsen  ist  der  Übergang  von  der 
einfachen  Epithel  Wucherung  nach  Volkmann  (48)  langsamer,  als  bei  den 
Paraffinkrebsen.    Am  häufigsten  beginnt   der  Krebs  am  Skrotum,  selten 
findet  er    sich  an   anderen    Stellen   (der   Hand,    dem    Unterarm,    Gesicht, 
Penis  etc.).     Trotzdem  die  chronische  Dermatitis  ein  sehr  häufiges  Ereignis 
ist,  kommt  es  doch  nur  verhältnismässig  selten  zur  carcinomatösen  Entartung; 
auch  hier  zeichnet  sich  der  Krebs  im  ganzen  durch  langsames  Wachstum 
aus;  Metastasen  in  inneren  Organen  werden  gar  nicht  beobachtet  und  auch 
die  regionäre  Lymphdrüsenanschwellung  ist  meist  eine  entzündliche,  nicht 
carcinomatöse  pKocher  (23),  Liebe  (25)];  ebenso  ist  das  Allgemeinbefinden 
ein  gutes  und  daher  auch  die  Chancen  der  Radikalheilung  bei  frühzeitiger 
Operation  relativ  günstig.  —  Histologisch  handelt  es  sich  um  häufig  papillär 
gebaute  stark  verhornende  Krebse,  die  sich  besonders  durch  ihre  mächtige 
flächenhafte  Ausbreitung   auszeichnen,   so   dass  eine  scharfe  Grenze  zwi- 
schen der  atypischen  Epithelwucherung  und  dem  gesunden  Gewebe  nicht 
besteht;  häufig  findet  man  sowohl  in  den  carcinomatösen  Wucherungen, 
wie  in  den  einfachen    papillären  Erhebungen  reichliche  Pigmentansamm- 
iungen,    wie   Volkmann,    Schuchardt,    Liebe    u.    a.    hervorheben. 
—  Ähnliche  Zustände  sollen  nach  Rollet  (41)  auch  bei  Briquetarbeitern  vor- 
kommen. —  Die  Fälle  sind  deswegen  so  interessant,  weil  wir  wenigtens  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  die  ätiologischen  Faktoren  beherrschen.  Allerdings 
auch  nur  bis  zu  einem  gewissen  Punkte.     Denn  es  ist  bis  jetzt  noch  nicht 
gelungen  die  natürlichen  Verhältnisse  experimentell  nachzuahmen ;  so  sind  vor 
allem  die  Versuche  von  Hanau,  der  das  Skrotum  von  Ratten  und  die  Mamma 
von  Hündinnen  fortgesetzt  mit  Theer  bepinselte,  erfolglos  geblieben.  Zwar 


464  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

erzeugte  er  eine  psoriasisähnliche  Dermatitis,  nie  aber  Carcinom.  Ebenso- 
wenig ist  anderen  Experimentatoren,  z.  B.  Alberts  (1),  eine  känstliche 
Krebserzeugung  geglückt,  wie  sehr  auch  die  Versuche  variiert  wurden. 
Man  kann  diese  negativen  Tierexperimente  sowohl  dahin  deuten,  dass  eine 
besondere  allgemeine  und  lokale  Disposition  der  wichtigste  ätiologische 
Faktor. ist,  wie  das  ja  auch  nach  den  Beobachtungen  an  Menschen  er- 
scheinen könnte;  als  auch  kann  man  den  negativen  Ausfall  darauf 
schieben,  dass  wir  doch  immer  noch  nicht  wissen,  welches  von  den  vielen 
Momenten,  die  bei  einer  chronischen  Reizung  in  Betracht  kommen,  den 
wesentlichen  Anstoss  zur  schrankenlosen  Wucherung  giebt,  wie  das  Benecke 
näher  auseinandergesetzt  hat.  Von  prinzipieller  Wichtigkeit  scheint  es 
mir  aber,  dass  bei  den  meisten  Carcinomen,  welche  in  deutlicher  Weise 
an  chronische  Reizungen  sich  anschliessen,  die  epitheliale  Wucherung  nie 
die  höchsen  Grade  der  Selbständigkeit  erreicht  und  Metastasierung  fast 
immer  ausbleibt.  In  zahlreichen  sonstigen  Fällen  sind  ebenfalls  Bezieh- 
ungen zwischen  chronischer  Entzündung  und  Krebs  angegeben  worden, 
oft  allerdings  ohne  genügende  Beweise.  Schon  bei  den  Beziehungen  zwischen 
Ulcus  rotund.  ventricuU  und  Magenkrebs  hegen  die  Verhältnisse  durchaus 
nicht  sehr  einfach  und  klar,  da  es  im  einzelnen  Falle  meist  ungemein 
schwer  ist,  festzustellen,  ob  es  sich  um  ein  aus  einem  Magengeschwür 
entstandenes  Carcinom  handelt  oder  nicht.  Jedenfalls  sind  die  von  Rosen- 
heim (40)  angegebenen  Zahlen,  dass  in  6®/o  aller  Fälle  von  Magenkrebs 
eine  derartige  Kombination  besteht,  viel  zu  hoch  gegriffen.  Auch  seine 
eigenen  Fälle  sind  nicht  einwandsfrei.  Über  die  Beziehungen  zwischen 
Leberkrebs  und  Cirrhose  hat  sich  van  Heukelomm  (20)  sehr  vorsichtig 
ausgedrückt;  er  nimmt  zwar  an,  dass  die  Cirrhose  das  primäre  ist,  hütet 
sich  aber,  das  Carcinom  von  der  Bindegewebswucherung  abzuleiten. 

Endlich  haben  wir  noch  der  Beziehungen  der  Syphilis  und  Tuberkulose 
zur  Krebsbildung  zu  gedenken.  Bei  einem  Teil  der  Fälle  handelt  es  sich  nur 
um  besondere  Formen  der  Narbenkrebse  und  das  ist  besonders  der  Fall 
bei  den  Krebsen,  die  an  syphilitische  oder  lupöse  Veränderungen  der 
Haut  und  Schleimhäute  anknüpfen.  Oft  folgt  die  Carcinomentwickelung 
erst  Jahre  lang  nach  Abheilung  des  syphilitischen  Prozesses,  mitunter  kann 
man  aber  auch  noch  daneben  gummöse  Veränderungen  nachweisen.  Der- 
artige Fälle  sind  von  E.  Lang  (24),  Doutrelepont  (14)  imd  Wheeler  (49) 
beschrieben  worden.  Engere  Beziehungen  zwischen  SyphiHs  und  Carcinom 
haben  Cozzolino  (11)  und  v.  Esmarch  (15)  aufgestellt.  Ersterer  meint, 
dass  die  Form  der  syphilitischen  AfEektion  auch  für  das  Wachstum  des 
Krebses  massgebend  sei;  bei  syphiütischen  Spätformen  ist  das  Wachstum 
des  Krebses  nur  langsam,  bei  jüngeren  Stadien  dagegen  rascher.  Ebenso 
soll  die  Syphilis  durch  das  Carcinom  beeinflusst  werden,  indem,  dann  hau- 


Ätiologie  der  Carcinome.  465 

tiger  luetische  Recidive  eintreten  sollen,  v.  Esmarch  will,  wie  bereits 
oben  bei  den  Sarkomen  erwähnt,  überhaupt  engere  Beziehungen  zwischen 
bösartigen  Neubildungen  und  Syphilis  feststellen ;  so  glaubt  er  namentlich, 
dass  bei  der  weiten  Verbreitung  der  Syphilis  eine  gewisse  erbliche  Neigung 
zu  Gewebswucherungen  erzeugt  würde.  Freilich  hält  er  es  selbst  noch 
nicht  für  genügend  bewiesen,  dass  auch  die  Anlage  zur  schrankenlosen 
Epithelwucherung  durch  syphilitische  Veränderungen  gegeben  würde.  — 
Benecke  hat  dagegen  die  Möglichkeit  hingestellt,  dass  die  konstitutionelle 
Syphilis  durch  die  allgemeine  Schwächung  des  Organismus  die  Entwicke- 
lung  eines  Carcinoms  verhindern  kann.  —  Was  die  Bildung  von  Carcinom 
auf  tuberkulöser  Basis  anbetrifft,  so  unterscheiden  die  meisten  Untersucher 
neuerdings  nach  dem  Vorschlag  von  Bidault  (4)  2  Formen:  den  eigent- 
lichen Lupuskrebs,  für  den  Richter  (38)  den  Namen  ausschliesslich  reser- 
viert wissen  will,  der  sich  auf  dem  Boden  eines  floriden  Lupus  entwickelt, 
und  den  Lupus-Narbenkrebs,  wo  der  Krebs  sich  auf  einer  Lupusnarbe 
entwickelt.  Raymond  (36),  Bayha  (2),  Nithak  (34)  und  viele  andere 
haben  eine  Reihe  von  Fällen  mitgeteilt  und  zugleich  allgemeinere  Daten 
über  die  Charakteristika  dieser  Krebse  angegeben.  Nach  Bidault  und 
Raymond  ist  die  Entwickelung  der  Krebse  langsam,  sie  können  sich 
über  10— 15  Jahre  hinziehen;  die  Lupusaffektion  besteht  meist  schon  lange 
Jahre;  der  Krebs  tritt  verhältnismässig  oft  schon  im  frühen  Lebensalter 
auf.  So  giebt  Nielsen  (33)  an,  dass  er  oft  vor  dem  30.  Lebensjahre 
beobachtet  wird  und  beschreibt  selbst  einen  Fall  bei  einem  9jährigen 
Mädchen.  Bayha  schildert  namentlich  die  auf  floridem  Lupus  entstehen- 
den Krebse  als  sehr  bösartig,  was  er  durch  die  Gewebsauflockerung  durch 
den  tuberkulösen  Prozess  erklären  will.  Bezüglich  des  Verhältnisses  der 
Narben-  zu  den  Lupuskrebsen  geben  die  meisten  Autoren  an,  dass  die 
auf  lupösen  Geschwüren  entstehenden  Carcinome  etwas  häufiger  sind,  wie 
die  auf  Lupusnarben  entstehenden.  So  giebt  Nithak  an,  dass  32  Krebse 
auf  floridem,  19  auf  Lupusnarben  bekannt  geworden  sind  *).  Der  prinzipielle 
Unterschied  zwischen  beiden  Arten  ist  übrigens  von  Bidault  selbst  da- 
durch abgeschwächt  worden,  dass  er  annimmt,  dass  auch  bei  KJrebsen 
auf  floridem  Lupus  es  sich  im  Grunde  doch  um  Narbenkrebs  handelt,  da 
stets  eine,  wenn  auch  kleine  Narbenbildung  der  kreb^igen  Entartung  voraus- 
geht. Eine  gleiche  Auffassung  vertritt  Be necke  (3),  der  selbst  je  einen 
Fall  von  Lupus-  und  Lupusnarbenkrebs  mitteilte,  wenn  er  hervorhebt, 
dass  es  auch  bei  einem  Narbenkrebs  nicht  gut  festzustellen  ist,  ob  er  von 
frisch  entzündeten  Stellen  ausgegangen  ist  oder  nicht.  Im  grossen  und 
ganzen   ergeben  aber  diese  Zusammenstellungen,  dass  wir  es  auch  beim 


0  Äbnliche  Angaben  Steinhausers  vergl.  S.  588. 
Labarseh-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil,  ü.  30 


466  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

Lupuskrebs  nur  mit  einer  besonderen  Form  des  Krebses  auf  chronisch 
entzündlicher  Basis  zu  thun  haben;  hier  gehören  dann  auch  die  von 
Crone  (12),  K.  Zenker  (51)  und  anderen  beschriebenen  Fälle  hin,  wo  das 
(^arcinom  sich  nicht  bei  Haut-,  sondern  SchleimhauÜupus  vorfand. 

Ganz  anders  aber  ist  das  Gesamtverhältnis  zwischen  Krebs  und  Tu 
berkulose,  das  namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  alte  Ausschliessungslehre 
Rokitanskys  (39)  mehrfach  Gegenstand  der  Erörterung  gewesen  ist.  Nur 
ein  geringer  Teil  der  Autoren  steht  auf  Rokitanskys  Standpunkt,  vor- 
nehmlich  englische  und  französische  Autoren,  die  der  Dispositionslehre 
grosse  Bedeutung  zumessen,  soBonnet  (5),  J.  Marshall  (31),  Shattock 
und  Ball  an  ce,  die  geradezu  Krebs  und  Tuberkulose  für  Antagonisten 
halten.  Auch  Benecke  möchte  ein  gewisses  Ausschliessungsverhältnis  an- 
erkannt wissen,  in  dem  Sinne,  dass  beide  Erkrankungen  in  gleicher  Aus- 
bildung nur  selten  zusammen  vorkommen;  er  weist  auch  ausführlicher  darauf 
hin,  dass  Rokitansky  bei  seiner  grossen  Erfahrung  selbst  schon  beobachtet 
hatte,  dass  neben  Tuberkulose  auch  Krebs  vorkommen  kann.  Von  anderen 
Autoren  liegen  hauptsächlich  statistische  Angaben  über  das  gleichzeitige 
Vorkommen  beider  Erkrankungen  vor.  Gaben  (8)  gab  an,  dass  auf  2(1 
Fälle  von  Krebs  oder  50  von  Phthise  ein  Fall  kommt,  in  dem  sich  beide 
Erkrankungen  kombinieren;  Sandu-Miclesco  (43)  fand  unter  150  Fällen 
von  Krebs  9®/o  mit  Tuberkulose  kombiniert;  darunter  1  Fall  von  gleich- 
zeitigem floridem  Stadium  der  Erkrankung.  Loeb  (27)  fand  unter  den 
Sektionen  des  Münchener  pathologischen  Institutes  31mal  die  Kombination 
von  Krebs  mit  Tuberkulose.  Rapok  konnte  bei  399  Carcinomatösen 
39mal Tuberkulose  feststellen.  Lubarsch  (29) hat  ausführlich  auseinander- 
gesetzt, dass  man  nicht  nur  die  Fälle  von  flagranter  Phthise  in  die  Statistik 
aufnehmen  müsse,  sondern  alle  diejenigen,  in  denen  irgend  eine  tuberkulöse 
Veränderung  in  der  Leiche  neben  Krebs  gefunden  wird.  Seine  Prozent- 
Sätze  sind  daher  sehr  viel  höhere  als  die  anderer  Autoren :  unter  569  Car- 
cinomatösen fand  er  117  Tuberkulöse  =  20,6  ®/o;  aber  im  ganzen  kam  er 
doch  auch  zu  dem  Resultat,  dass  von  Nichtcarcinomatösen  3,7**/o  mehr 
tuberkulös  waren,  als  von  Carcinomatösen,  bezw.  von  NichttuberkuUisen 
1,05  ^/o  mehr  krebskrank  als  von  Tuberkulösen.  Nachdem  er  ausgeführt 
hat,  dass  das  Alter  hieran  nicht  schuld  ist,  weist  er  darauf  liin,  dass  auch 
zwischen  anderen  Infektionskrankheiten  (z.  B.  Typhus,  Pneumonie)  und 
Krebs  ein  gewisses  Ausschliessungsverhältnis  besteht  und  glaubt,  dass 
vielleicht  eine  einheitliche  Ursache ,  eine  bestimmte ,  chemische  dem  Ge- 
deihen von  Mikroorganismen  schädliche  Blutveränderung  bei  Krebskranken 
vorliegen  möchte.  In  Bezug  auf  die  Kombinationsformen  stellt  er  4  Modus 
auf.  1.  Die  Tuberkulose  ist  in  Ausheilung  begriffen,  während  der  Krebs 
hinzutritt;   fast  die   Hälfte   aller  Fälle;  rein  zufälliges  Zusammentreffen; 


Ätiologie  der  Carcinome.  467 

2.  neben  älteren  tuberkulösen  Veränderungen  sind  frische  vorhanden; 
wahrscheinlich  wird  hier  durch  die  Krebskachexie  der  Nährboden  für  die 
tiberlebenden  Tuberkelbacillen  wieder  günstiger.  3.  Zu  einem  floriden  Car- 
cinom  tritt  eine  frische  tuberkulöse  Erkrankung  hinzu :  selten.  4.  Das 
Carcinom  entwickelt  sich  gleichzeitig  mit  fortschreitender  Tuberkulose;  sehr 
selten;  vielleicht  giebt  hier  die  Tuberkulose  eine  gewisse  Prädisposition 
für  die  Krebsentwickelung,  indem  durch  sie  die  physiologischen  Wider- 
stände verringert  werden.  Später  hat  Clement  (10)  noch  auf  die  Kom- 
bination zwischen  Krebs  und  Tuberkulose  der  benachbarten  Lymphknoten 
aufmerksam  gemacht  und  ist  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  durch  all- 
gemeine und  lokale  Wirkung  des  Krebses,  sowie  die  an  ihn  anschliessende 
Entzündung  eine  latente  Tuberkulose  zum  Ausbruch  gebracht  werden 
kann  und  dass  durch  diesen  Einfluss  auch  solche  Stellen  des  Körpers  aus- 
nahmsweise von  Tuberkulose  solitär  befallen  werden  können,  an  denen  sonst 
eine  isolierte  Erkrankung  an  Tuberkulose  zu  den  grössten  Seltenheiten 
gehört  Endlich  hatRibbert  (38)  in  Übereinstimmung  mit  seiner  oben 
besprochenen  Carcinomtheorie  die  Auffassung  entwickelt,  dass  die  Bezieh- 
ungen zwischen  Carcinom  und  Tuberkulose  sehr  viel  innigere  wären  und  gerade 
durch  die  lupös-tuberkulöse  ßindegewebswucherung  die  Absprengung  der 
epithelialen  Herdö  hervorgebracht  würde,  die  den  Beginn  der  Krebsent- 
wickelung darstellt.  Zum  Beweise  führt  er  11  Carcinomfälle  an  (6  Fälle 
von  Unterlippenkrebs,  je  1  von  Krebs  des  Rachens,  Zahnfleisches,  Augen- 
lids, der  Zunge  und  des  Penis),  in  denen  sich  in  dem  zellreichen  Binde- 
gewebe zwischen  und  unter  Krebsnestern  mehr  oder  weniger  reichUch 
Riesenzellen  mit  wandständigen  Kernen  vorfanden,  die  er  vor  allem  des- 
wegen als  Beweise  für  die  tuberkulöse  Natur  des  Granulationsgewebes  be- 
trachtet, weil  sie  in  kleinen  Rundzellenhaufen  lagen.  Schon  Clement 
hat  hiergegen  eingewendet,  dass  nirgends  typische  Tuberkel  vorhanden 
waren  und  deswegen  mit  Ausnahme  eines  Falles  wahrscheinlich  Fremd- 
körpertuberkulose vorgelegen  hat.  Ribber t  hat  dagegen  erwidei-t,  dass 
man  ihm  wohl  zutrauen  dürfe,  dass  er  Fremdkörpertuberkulose  von  echter 
Tuberkulose  unterscheiden  könne  und  hat  die  herangezogenen  Beob- 
achtungen Krückmanns  für  unbeweisend  erklärt.  Ich  bedaure,  dass 
Ribbert  aus  Clements  Ausführungen  den  Vorwurf  der  Oberfläch- 
lichkeit herausgelesen  hat,  da  ihm  ein  solcher  Vorwurf  nicht  gemacht 
worden  ist,  weder  offen  noch  versteckt.  Er  irrt  sich  auch,  wenn  er 
meint,  dass  der  Schwerpunkt  der  Krückmannschen  Untersuchungen 
in  den  beiden  Fällen  von  Carcinom  mit  Riesenzellen  beruht.  Vielmehr 
ist  der  Hauptpunkt  der,  dass  Krückmann  gezeigt  hat,  dass  bei  ver- 
scliiedenen  Prozessen  im  zellreichen  Granulationsgewebe  Riesenzellen  vor- 
kommen,  in   denen   die   Fremdkörper   erst   nach  längerem    Suchen   auf- 

30* 


468  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

gefunden  werden  und  daher  die  Gefahr  diagnostischer  Irrtümer  sehr 
gross  ist.  Wenn  man  ein  paar  Schnitte  untersucht  und  in  den  lüesenzellen 
keine  Fremdkörper  findet,  ist  noch  lange  nicht  gesagt,  dass  das  ganze  Knöt- 
chen und  die  Rieseuzellen  nicht  Fremdkörpertuberkel  sind.  Es  ist  jeden- 
falls prinzipiell  nicht  erlaubt,  riesenzellenhaltige  Knötchen,  die  nicht  den 
ganz  typischen  Bau  von  Tuberkeln  besitzen,  dafür  zu  erklären,  falls 
nicht  etwa  Tuberkelbacillen  nachgewiesen  wurden;  und  da  Ribbert  nach 
eigenen  Angaben  nur  wenig  Schnitte  untersucht  hat,  ist  die  Berechtigung 
gegeben,  die  riesenzellenhalügen  Knötchen  für  Fremdkörpertuberkel  zu 
halten,  obgleich  keine  Fremdkörper  gefunden  wurden.  Damit  dürfte  schon 
allein  die  Grundlage  der  Ribbertschen  Behauptung  zusammenfallen. 
Zum  Schluss  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  die  oben  ausgesprochene 
Vennutung  von  dem  schlechten  Nährboden,  welchen  das  Blut  und  Organe  Car- 
cinomatöser  vielen  Mikroorganismen  darbiete,  durch  die  neueren  Untersuch- 
ungen über  die  Zusammensetzung  des  Blutes  Carcinomatöser  unserm  Ver- 
ständnis erheblich  näher  gerückt  wird.  Im  allgemeinen  dürfte  durch  die 
Blutverdünnung  bei  Krebskranken  der  Nährboden  verschlechtert  werden, 
während  in  einzelnen  Fällen  —  namentUch  bei  Zerfall  roter  Blutkörper- 
chen —  auch  wiederiun  besonders  günstige  Verhältnisse  für  Tuberkel- 
bacillen imd  andere  Mikroben  im  Körper  Carcinomatöser  geschaffen  werden 
können. 

d)   Parasitäre  Ätiologie. 
Litteratur. 

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55.  Pawlowsky,  Über  parasitäre  Ze]leinBchlasse  in  sarkomatösem Gewebe.  V Ire h.  Arch. 
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Mit  62  Textillustrationen  und  einem  Atlas  von  80  Mikrophotogrammen.  Jena  1893. 
G.  Fischer. 

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69.  Dieselben,  Preliminary  note  on  some  parasitic  protozoa  found  in  cancerous  tumours. 
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Ätiologie  der  Carcinome.  471 

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72.  Schimmelbusch,  C,  Referat  über  das  Buch  von  Adamkiewicz  und  Entgegnung. 
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schritte d.  Med.  1890.  Nr.  14. 

78.  Sorel,  Du  oancer  en  Normandie.     Normandie  mödicale.  1890. 

79.  Spronk,  H.,  Tumeurs  malignes  et  maladies  infectienses.  Annales  de  l'institut  Pasten r 
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80.  Soudakewitsch,  Recher ches  snr  le  parasitisme  intracellulaire  et  intranucl^aire  chez 
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des  n^oplasies  cancereuses.    Ebenda  Bd.  II.  1892.  Nr.  8. 

81.  Derselbe,  Über  Erscheinungen  der  Metachromasie,  welche  von  den  in  Garcinomzellen 
parasitierenden  Sporozoen  manifestiert  werden.    Ctbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  13.  Nr.  451. 

82.  Steinhaus,  J.,  Über  abnorme  Einschlüsse  in  den  Zellkernen  menschlicher  Gewebe. 
Ctbl.  f.  aUgem.  Pathologie  Bd.  IL  S.  593. 

83.  Derselbe,  Bemerkungen  zum  Aufsatze  „Über  Carcinom'  von  Dr.  Karg.  Ctbl.  für 
pathol.  Anat.  Bd.  IL  S.  900. 

84.  Derselbe,  Über  Carcinomeinschlüsse.  Vir  eh.  Arch.  Bd.  126.  S.  533  und  weitere 
Beobachtungen  über  Garcinom-Einschlüsse.    Ebenda  Bd.  127.  S.  175. 

85.  Steven  and  Brown,  On  the  so-calied  parasitic  protozoa  of  Cancer.  Joum.  of  patho- 
logy and  bacteriol.  Bd.  II.  p.  26. 

86.  Stroebe,  Neuere  Arbeiten  über  die  Histogenese  und  Ätiologie  des  Caricnoms.  Ctbl. 
f.  path.  Anat.  u.  allgem.  Pathol.  Bd.  II.  S.  403. 

87.  Derselbe,  Die  parasitären  Sporozoen  in  ihren  Beziehungen  zur  menschl.  Pathologie, 
insbesondere  zur  Histogenese  und  Ätiologie  des  Carcinoma.  Ctbl.  f.  patholog.  Anat. 
Bd.  V.  S.  11. 

88.  Derselbe,  Zur  Kenntnis  verschiedener  cellulärer  Vorgänge  und  Erscheinungen  in  Ge- 
schwülsten.   Zieglers  Beiträge  z.  pathoL  Anat.  Bd.  9.  Heft  1. 

89.  Tillmanns  Lehrb.  d.  allgem.  Chirurgie. 

90.  Thoma,  über  eigenartige  parasitäre  Organismen  in  den  Epithelzellen  des  Carcinoma. 
Fortschritte  der  Medizin.  Bd.  7.  Nr.  11. 

91.  Török,  L.,  Die  neueren  Arbeiten  über  die  Psorospermien  der  Haut.  Monatshefte  für 
prakt  Dermatol.  Bd.  XV.  Heft  5.  1.  Sept  1892. 

92.  Derselbe,  Die  protozoenartigen  Gebilde  des  Carcinoms  u.  d.  Pagetschen  Krankheit. 
Monatsschr.  f.  prakt.  Dermatol.  Bd.  XVI. 

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Zeitschr.  1893. 

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S.  188. 


472  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

97.  Yprchow,  R.,  Zur  Diagnose  und  Prognose  des  Carcinoms.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  ]11. 

98.  Woodhead,  The  Morton-Lecture  on  Cancer  and  cancerous  disease.  Brit  med.  Joiim.  L 
p.  954.  1892. 


Uie  Auffassung,  dass  das  Carcinom  eine  durch  Parasiten  erzeugte 
Neubildung  ist,  hat  bis  jetzt  ihre  Hauptstütze  weniger  in  den  positiven 
Befunden,  als  in  allgemeinen  Überlegungen  und  Analogieen  gefunden.  Nach- 
dem für  viele  Infektionskrankheiten  Spaltpilze  als  Erreger  nachgewiesen 
waren,  imd  das  auch  bei  den  chronischen  Krankheiten,  in  deren  Verlauf 
es  zur  Gewebsneubildung  kommt,  gelungen  war,  glaubte  man  auch  etwas 
Ähnliches  für  die  bösartigen  Neubildungen  annehmen  zu  dürfen,  zumal  es 
auf  der  Hand  liegt,  dass  die  auffallende  Erscheinung  der  Progredienz  am 
einfachsten  durch  das  Vorhandensein  organischer  Krankheitserreger  erklärt 
werden  könnte.  Dass  die  Versuche  Spaltpilze  als  Erreger  autonomer  Neu- 
bildungen, insbesondere  des  Carcinoms  nachzuweisen,  bis  jetzt  misslungen 
sind,  braucht  hier  nicht  näher  nachgewiesen  zu  werden  und  es  würde 
Zeit-  und  Raumverschwendung  sein,  wenn  wir  uns  hier  weiter  mit  den 
Arbeiten  Scheuerlens,  Frankes,  Schills,  Koubasoffs,  Freires 
und  vieler  anderer  näher  beschäftigen  wollten.  Es  genügt  hier  fest- 
zustellen, dass  nach  diesen  missglückten  Arbeiten  die  Auffassung,  dass 
Spaltpilze  die  Erreger  des  Carcinoms  sind,  wohl  allgemein  —  auch  von 
den  bakterienfrohsten  Autoren  —  fallen  gelassen  ist.  Ebensowenig  haben 
die  Versuche,  höher  organisierte  Pilze  als  Erreger  des  Carcinoms  nachzuweisen 
zu  einem  positiven  Resultat  geführt;  Russeis  Sprosspilze  entpuppten  sich 
als  Zellgranula  und  Mafuccis  Angaben  über  das  Vorkommen  echter 
Blastomyceten  in  epithelialen  Neubildungen  sind  ebenfalls  noch  sehr  be- 
stätigungsbedürftig. So  blieb  denn  den  Anhängern  der  parasitären  Theorie 
nichts  anders  übrig  als  sich  aus  dem  Reich  der  niedern  Pflanzen  in  das 
der  Tiere  zu  begeben,  und  Protozoen  als  Carcinomerreger  zu  suchen. 
Berufene  und  Unberufene,  erfahrene  Gelehrte  und  Anfänger  haben  denn 
auch  zusammengewirkt,  um  in  wenigen  Jahren  eine  nicht  unbeträchtliche 
Litteratur  über  die  Carcinomprotozoen  zu  schaffen.  Bevor  wir  auf  diese 
einen  kritischen  Blick  werfen,  wollen  wir  zunächst  diejenigen  Punkte  be- 
rücksichtigen, welche  vom  allgemein-pathologischen  Standpunkte  aus  für 
die  parasitäre  Theorie  der  Carcinome  angeführt  werden  können.  —  Eine 
Reihe  von  Autoren  weist  darauf  hin,  dass  die  Ähnlichkeit  zwischen  Carci- 
nomen  und  Infektionskrankheiten,  besonders  der  Tuberkulose  so  gross 
wäre,  dass  man  eine  parasitäre  Ätiologie  unbedingt  annehmen  müsse 
(Paget),  die  Unterschiede  wären  nicht  grösser,  wie  zwischen  den  einzelnen 
Infektionskrankheiten  untereinander  (Shattock  und  Bailance). 

Billroth    steht    der    parasitären   Theorie  sehr   sympathisch   gegen- 


Ätiologie  der  Carcinome.  473 

über,  weil  ja  bei  manchen  Sporozoenerkrankungen  Epithelwucherungen 
nachgewiesen  wären.  Auch  die  gelungenen  Übertragungsversuche  von 
Ratte  auf  Ratte  (Hanau),  von  Hund  auf  Hund  (Wehr),  sowie  die  Fälle 
von  Kontaktinfektionen  und  Impfrecidiven  beim  Menschen,  auf  welche  in 
Kapitel  4  näher  eingegangen  wird,  werden  für  die  parasitäre  Ätiologie  an- 
geführt; ebenso  die  von  Hahn,  v.  Bergmann  und  Cornil  (19)  be- 
richteten Impf  versuche  am  Menschen.  Andere  Autoren,  wie  Landerer 
(46),  sehen  besonders  auch  in  der  Metastasenbildung  eine  grosse  Ähnlich- 
keit mit  infektiösen  Krankheiten.  Auch  Virchow  (97)  hat  sich  hierzu  nicht 
unbedingt  ablehnend  gestellt,  indem  er  geradezu  erklärt,  „dass  der  Ver- 
such, alle  Erscheinungen  der  KJrebs Wucherung  bis  zur  Dissemination  und 
Metastase  auf  die  Verbreitung  von  Krebszellen  zurückzuführen,  keineswegs 
durch  anatomische  oder  experimentelle  Erfahrimgen  so  sicher  unterstützt 
sei,  dass  für  einen  anderen  Modus  der  Erklärung  kein  Raum  übrig  bliebe/' 
Freilich  erscheint  von  allen  Momenten,  die  für  eine  Analogie  mit  den  in- 
fektiösen Erkrankungen  sprechen,  die  Metastase  am  wenigsten  geeignet. 
Während  bei  den  metastatischen  Infektionskrankheiten  nur  die  Infektions- 
erreger verschleppt  werden  und  die  Zellneubildungen  von  den  alten  Zellen 
des  befallenen  Ortes  ausgehen,  verhält  es  sich  beim  Carcinom,  wie  unten 
noch  näher  zu  erörtern,  gerade  umgekehrt,  die  Zellen  des  primären  Krebses 
werden  verschleppt  und  die  des  sekundär  befallenen  Organes  verhalten  sich 
völlig  passiv.  —  Auch  die  positiven  Impfresultate  und  Beobachtungen 
über  Impfrecidive  und  Kontaktinfektion  sind  zum  mindesten  mehrdeutig. 
Hanau  (31),  der  fast  der  einzige  ist,  der  über  wirkUch  gelungene  Übertragungs- 
versuche verfügt,  hat  sich  bekanntlich  gegen  die  infektiöse  Theorie  ausge- 
sprochen und  hat  darauf  hingewiesen,  dass  die  gelungenen  Übertragungs- 
versuche im  wesentlichen  nichts  anderes  darstellen,  als  Metastasenbildungen; 
auch  hier  werde  die  kranke  Epithelzelle  übertragen,  die  sekundären  Knoten 
gehen,  wie  bei  den  Metastasen  des  Menschen,  auch  immer  von  den  ver- 
schleppten Epithelzellen,  nicht  aber  von  infizierten  Zellen  des  Mutterbodens 
aus.  —  Die  Fälle  von  Impfrecidiven  etc.  beim  Menschen,  sowie  die  Über- 
tragungsversuche von  Krebspartikeln  bei  bereits  carcinomatösen  Individuen 
sind  natürlich  noch  viel  weniger  beweisend.  Die  Versuche  von  Hahn 
und  V.  Bergmann  sind  in  der  That  unnötig  gewesen  und  haben  unsere 
Kenntnisse  in  keiner  Weise  gefördert,  indem  sie  experimentell  nichts  anderes 
erzielten,  als  was  bei  den  disseminierten  Krebsknötchen  des  Peritoneum 
von  der  Natur  in  viel  vollendeterer  Weise  geleistet  wird.  Man  könnte 
hier  auch  darauf  hinweisen,  dass  solche  Übertragungen  deswegen  völlig 
unbeweisend  für  die  parasitäre  Theorie  sind,  weil  es  sich  bereits  um  carci- 
nomatöse  Individuen  handelt,  welche  also  für  Krebs  disponiert  sind.  — 
Weiter  hat  man  die  Beobachtungen   über   „endemisches"  Vorkommen  des 


474  Ali  gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Carcinoms  für  die  parasitäre  Theorie  verwerten  wollen.  L.  Pfeiffer, 
Fiessinger  (23),  Armaudet  (7),  Gueillot  (30),  Sorel  (78),  Vigu^s 
(94)  haben  angeblich  endemisches  Auftreten  des  Carcinoms  beobachtet. 
Armaudet  und  Sorel  haben  namentüch  auf  die  Häufigkeit  der  Krebs- 
erkrankungen in  der  Normandie  hingewiesen,  Vigu^s  stellte  fest,  dass 
unter  74  Todesfällen,  die  in  den  Jahren  1880—87  in  Cormeilles  vorkamen 
11  Krebsfälle  =  15®/o  waren,  Gueillot  behauptet  sogar,  dass  es  richtige 
Krebshäuser  giebt,  in  denen  die  Bewohner  ohne  jede  Blutsverwandtschaft 
nach  oder  nebeneinander  an  Krebs  erkrankten.  Graf  (29)  hat  festgestellt, 
dass  unter  1794  Carcinomen,  die  während  einer  Reihe  von  Jahren  in  den 
Jenenser  Kliniken  beobachtet  wurden,  sich  1455  Krebse  ziemlich  gleich- 
massig  auf  785  verschiedene  Ortschaften  verteilten,  während  339  Fälle 
sich  auf  7  Städte  verteilten;  aber  auch  hier  fand  sich  nur,  dass  die  volk- 
reichsten Städte  die  meisten  Krebsfälle  hatten,  so  dass  von  einem  wirk- 
lich endemischen  Vorkommen  keine  Rede  sein  kann;  wie  überhaupt 
alle  die  angeführten  Angaben  sehr  mehrdeutig  sind  und  keineswegs 
wichtige  Stützen  für  die  parasitäre  Theorie  abgeben.  Andererseits  muss 
man  aber  auch  zugeben,  dass  die  Thatsache  der  so  selten  geUngen- 
den  Übertragungen  von  Tier  auf  Tier  —  die  vielen  erfolglosen  Über- 
tragungsversuche von  Shattock  und  B  a  1 1  a  n  c  e  (75),  Kl  e  b  s  (39), 
Israel,  Tilmanns  (89),  Alberte  (6)  u.  a.  —  nicht  gegen  die  infektiöse 
Theorie  spricht;  man  könnte  sogar  gerade  das  nur  ausnahmsweise  Ge- 
lingen für  die  Protozoentheorie  verwerten;  denn  auch  bei  den  Coccidien 
der  Kaninchenleber  gelingt  die  Übertragung  durchaus  nicht  ohne  weiteres» 
weil  die  Coccidien  in  der  Leber  nicht  mehr  in  dem  Stadium  vorhanden 
sind,  in  dem  sie  sich  sofort  im  Tierkörper  vermehren  können.  Ähn- 
liches wäre  auch  allenfalls  in  Carcinomen  möglich,  dass  die  Protozoen 
auch  dort  nur  an  wenigen  Stellen  und  in  geringer  Menge  in  einem  Stadium 
vorhanden  sind,  dass  sie  ohne  weiteres  übertragungsfähig  wären.  —  In 
anderen  Punkten  würde  die  parasitäre  Theorie  entschieden  keine  Schwierig- 
keit bieten,  oder  sogar  uns  vieles  besser  erklären,  als  bisher  möglich;  das 
gilt  besonders  von  dem  Verhältnis  zwischen  chronischer  Entzündung  und 
Carcinom;  wir  können  vorläufig  durchaus  noch  nicht  sagen,  warum  in 
einem  Falle  an  chronische  Reize  Carcinom  anschliesst  und  in  einem 
andern  nicht;  wären  Parasiten  mit  im  Spiele,  so  wäre  die  Erklärung  ein- 
fach und  wir  würden  nur  anzunehmen  brauchen,  dass  mit  dem  Trauma 
oder  dem  chronischen  Reize  die  Carcinomparasiten  in  das  betreffende  Organ 
hineingelangten.  Auf  die  grossen  Schwierigkeiten,  welche  aber  die  parasitäre 
Theorie  neu  schaffen  würde,  soll  hier  zunächst  noch  nicht  eingegangen 
werden.  — 

Unter  den   sehr  verschiedenartigen  Dingen,  welche  als  Protozoen  in 


Ätiologie  der  Carcinorae.  475 

Carcinomen  bis  jetzt  beschrieben  sind,  kann  man  im  wesentlichen  drei 
verschiedene  Gruppen  unterscheiden :  1.  Di#  intranukleären  Gebilde ;  2.  die 
extranukleären  Zelleinschlüsse;  3.  die  extracellulären  Gebilde.  —  Während 
von  einer  Reihe  von  Autoren  die  intranukleären  Gebilde  allein  oder  vor- 
wiegend beschrieben  werden  (Thoma  (90),  Sj  ob  ring),  sprechen  die  meisten 
anderen  Autoren  alle  drei  Arten  von  Bildungen  als  parasitäre  Gebilde  au. 
Im  einzelnen  und  vor  allem  in  Bezug  auf  die  Entwickelungsgeschichte 
differieren  dagegen  die  Ansichten  sehr  erheblich.  Es  ist  unmöglich,  hier 
alle  Arbeiten  ausführlicher  zu  referieren  und  es  rauss  genügen,  eine  Reihe 
der  prinzipiell  wichtigsten  Arbeiten  kurz  zu  besprechen.  —  Es  seien  hier 
zunächst  diejenigen  Untersuchungen  erwähnt,  die,  wie  die  meisten,  an  ge- 
härteten Material  und  gefärbten  Präparaten  gewonnen  sind.  Als  Härtungs- 
flüssigkeiten wurden  mit  Vorliebe  Sublimatlösung,  Flemmingsche  oder 
Hermann  sehe  Lösung  benutzt;  zur  Färbung  die  verschiedensten  Farb- 
stoffgemische (Biondische  Lösung,  Hämatoxylin- Eosin,  Safranin  und 
Methylenblau  etc.),  um  womöglich  die  fremdartigen  Einschlüsse  durch 
dififerente  Färbungen  hervorzuheben. 

Sj  ob  ring  (77)  schildert  kleine,  runde  protoplasmatische  Gebilde,  die  in  die  Zelle 
eindringen  nnd  sich  bald  in  den  Kern  begeben,  wo  sie  wachsen,  dann  ausgestossen 
werden  nnd  noch  eine  Zeit  lang  im  Zelliuhalt  liegen  bleiben.  Allmählich  strecken  die  sich 
vergrössemden ,  als  Sarkoden  bezeichneten  Formen  Ausläufer  aus,  zerstören  die  Kerne 
der  Epithelzellen  und  beginnen  zu  sporulieren.  Sie  bilden  20  —  30  Sporen,  die  in 
einer  gemeinschaftlichen  Hülle  (Sporencyste)  liegen.  Nach  der  Bildung  der  Sporencysten 
wachsen  die  jungen  Sporen  heran  nnd  schlüpfen  dann,  wie  aus  dem  Befunde  leerer  Sporen- 
ballen geschlossen  werden  kann,  nachdem  sie  die  Kapsel  gesprengt  haben,  als  Sarkoden 
wieder  heraus.  —  SjObring  erklärt  diese  Gebilde  fürMikrosporidien,  die  den  Organismen 
der  P^brinekrankheit  am  nächsten  stehen.  —  Andere  Autoren  rechnen  die  Zelleinschlüsse 
zudenCoccidien.  Soudakewitsch  (80, 81 )  will  solche  in  1 10  Carcinomen  gefunden  haben, 
oft  allerdings  sehr  spärlich,  was  daran  liegen  soll,  dass  die  Methoden  zur  Darstellung  der 
Mikroben  noch  nicht  ganz  zuverlässige  sind.  Die  deutlichsten  Befunde  wurden  an  einem 
Pankreascarcinom  erhoben,  wo  die  Parasiten  sowohl  in  hypertrophischen,  als  in  sich  karyo- 
kinetisch  teilenden  Zellen  gefunden  wurden.  Die  Gebilde  lagen  fast  ausschliesslich  intra- 
cellolär,  wurden  aber  auch  deutlich  extracellulär  beobachtet.  Die  Grösse  der  Zelleinschlüsse 
soll  zwischen  der  eines  Kernes  und  einer  Carcinomzelle  schwanken;  die  meisten  besassen 
etwa  die  Grösse  eines  Zellkernes.  Sie  bilden  helle,  scharf  konturierte  runde  oder  ovale 
Vakuolen,  in  denen  sich  wiederum  färbbare  Körperchen  von  verschiedener  Gestalt  befinden; 
bald  sind  sie  rundlich  oder  oval,  bald  sichelförmig,  sternförmig  verzweigt,  rosettenartig 
oder  auch  ganz  unregelmässig.  Die  grösseren  Formen  zeigen  oft  eine  doppelt  konturierte 
Kapsel  und  auffallende  Segmentierung  des  Kapselinhalts,  was  Soudakewitsch  auf  einen 
SporuIatioDsvorgang  zurückführt.  Da  ein  Teil  der  angeblichen  Parasiten  grosse  Ähnlich- 
keit mit  Zellkernen  besass,  so  weist  Soudakewitsch  auf  einen  Punkt  hin,  der  es  ge- 
statten soll,  auch  hierbei  eine  deutliche  Unterscheidung  zu  geben:  die  sogen.  Metachro- 
mas ie  der  Carcinom Sporozoen.  Bei  Präparaten,  die  in  Osminmsäure  oder  Flemming- 
scher  Lösung  konserviert  waren,  konnte  nämlich  ein  differentes  Verhalten  der  Zellkerne 
and  der  Einschlüsse  gegenüber  Ran  vi  erschem  Hämatoxylin,  Safranin,  Methylenblau  nach- 
gewiesen werden.  In  Bezug  auf  die  Einzelheiten  sei  auf  das  Original  verwiesen.  Die  An- 
sicht von  Soudakewitsch,  dass  die  von  ihm  beschriebenen  Formen  tierische  Parasiten 


476  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

sind,  wird  auch  von  Metschnikoff  (49)  geteilt,  der  allerdings  darauf  aufmerksam  macht, 
dass  der  Formen-  und  fintwickelungsk^eis  der  Parasiten  noch  keineswegs  erschöpft  sei  und 
weiterhin  betont,  dass  auch  Pseudococcidien  in  Carcinomen  vorkommen ;  so  dürften  die  als 
Sporen  beschriebenen  sichel-  und  navicellenartigen  Eörperchen  keineswegs  mit  Sicherheit 
als  solche  betrachtet  werden.  —  Im  Gegensatz  zuSoudakewitsch  giebt  Foä  (25,26)  an, 
nur  selten  in  Carcinomen  Gebilde  gefunden  zu  haben,  die  mit  irgend  einer  Sicherheit  als 
parasitäre  Gebilde  aufgefasst  werden  dürften.  Zwar  legt  auch  Foä  grosses  Gewicht 
auf  die  Metachromasie,  aber  sie  ist  anders,  wie  sie  Soudakewitsch  besdireibt  ood 
ebenso  weicht  auch  die  Beschreibung  seiner  Zelleinschlüsse  von  denen  Soudakewitschs 
erheblich  ab.  Während  letzterer  seine  Zelleinschlüsse  fast  regelmässig,  wenn  auch 
in  wechselnder  Anzahl  findet,  konnte  Foa  unter  70  untersuchten  Krebsen  nur  4 mal 
solche  Formen  finden,  die  er  mit  einiger  Sicherheit  zu  den  Parasiten  rechnen  kann;  er 
giebt  auch  direkt  an,  dass  die  von  Soudakewitsch  beschriebenen  Formen  keineswegs 
alle  Protozoen  gewesen  sind.  Während  er  zunächst  die  deutlichsten  Formen  in  einem 
Mammakrebs  gefunden  hatte,  gah  er  später  (auf  dem  internationalen  Kongress  in  Rom)  an. 
dass  sie  öfter  und  auch  in  metastatischen  Knoten  vorkommen;  in  zweifelhaften  Fällen  soll 
sogar  die  Diagnose  durch  die  Gegenwart  der  charakteristischen  ZolleinschlÜase  gesichert 
werden.  Die  Gebilde  bestehen  aus  einem  centralen,  mit  dünnem  Protoplasma  und  doppelt 
konturierter  Kapsel  umgebenen  Körperchen;  die  Kapsel  lässt  mitunter  feine,  regelmässige 
Streifung  erkennen,  das  Protoplasma  ist  zuweilen  eigentümlich  eingekerbt,  so  dass  ein 
kokardenartiges  Aussehen  entsteht  oder  es  ist  regelmässig  segmentiert,  wodurch  das  Körper- 
chen Rosettenform  erhält.  Die  Segmente  trennen  sich  aber  nicht  von  einander,  so  dass 
sie  keinenfalls  die  Bedeutung  von  Sporen  besitzen  können ;  vielmehr  sollen  die  Sporen  ans 
dem  centralen  Körperchen  entstehen,  welches  gleichzeitig  mit  Atrophie  des  Protoplasmas 
in  viele  kleine  Kugeln  zerfällt.  —  Die  Epithelzellen,  welche  die  Körper  ent- 
halten, zeigen  nie  Teilungen,  sondern  werden  allmählich  nekrotisch;  viel- 
mehr soll  die  Zellwucherung  sich  im  Umkreise  der  Zone  entwickeln, 
welche  die  Parasiten  enthält. —  Burchar  dt  (12)  glaubte  in  einem  metastatischen  Schleim- 
krebs  des  Ovarium  Coccidien  gefunden  zu  haben.  In  einer  sehr  grossen  Zelle  erschien  der 
stark  mit  Hämatoxylin  färbbare  Kern  eingedrückt  durch  eine  runde  dünnwandige  Cyste; 
innerhalb  welcher  traubenförmige  von  fünf  oder  mehr  rundlichen  Körpern,  die  Burchardt 
für  Sporen  hielt,  gebildete  Massen  lagen;  das  ganze  soll  die  Dauercjste  eines  Coccidiums 
darstellen.  Charakteristisch  fOr  sie  ist  es ,  dass  sie  meist  rund ,  selten  oval  ist  und  stets 
in  der  Zellsubstanz,  nie  im  Kern  liegen;  es  besteht  eine  besondere  Keimkapsel  in  der  die 
Sporen,  mindestens  fünf  an  der  Zahl,  liegen.  Bemerkenswert  ist  noch,  dass  nach  Burchardt 
—  im  Gegensatz  zu  Foä  —  die  Sporen  durch  Hämatoxylin  nicht  förbbar  sind.  Auch 
Clarke  und  Galloway  (27),  welche  im  allgemeinen  die  Beobachtungen  von  S jo- 
bring, Soudakewitsch,  Sawtschenko,  Foä  u.  a.  bestätigen  und  wenig  neues 
bringen,  weichen  wieder  in  einigen  Punkten  von  den  genannten  Untersuchungen  ab ;  so  schil- 
dert Galloway  die  Parasiten  bald  als  intraprotoplasmatische ,  bald  als  intranukleäre  Ge- 
bilde; zu  Kemfarbstoffen  sollen  sie  sich  im  ganzen  ablehnend  verhalten.  — 

Im  scharfen  Gegensatz  zu  den  eben  erwähnten  Autoren,  deren  Untersuchungen  doch 
eine  Reihe  von  Übereinstimmungen  zeigen,  stehen  die  Angaben  von  Podwyssozki  und 
Sawtschenko. 

Der  Gegensatz  bezieht  sich  im  wesentlichen  auf  folgende  Punkte:  1.  sind  die  Parasiten 
nie  Kernschmarotzer ;  2.  sind  sie  meistens  sehr  klein,  so  dass  sie  nur  mit  sehr  starken  Ver- 
grösserungen  deutlich  wahrgenommen  werden  können;  8.  das  Protoplasma  der  Sporozoen 
zeigt  keine  Metachromasie,  verhält  sich  vielmehr  zu  Anilinfarbstofien  ebenso  wie  das  Proto- 
plasma der  Geschwulstzellen;  4.  die  Parasiten  sind  niemals  eingekapselt,  und  können  daher 
nicht  zu  den  Coccidien  gerechnet  werden;  sie  sind  vielmehr  Amöbosporidien,  die  viel  Ähn- 
lichkeit besitzen  mit  den  Hämatozoen  der  Vögel.  Im  einzelnen  haben  allerdings  aach 
Podwyssozki  (61,  62)  und  Sawtschenko  (71)  im  Anfang  manches  beschrieben,  was  mit 
den  Befunden  frflherer  Autoren  übereinstimmt,  wovon  aber  der  von  Sawtschenko  auf  dem 


Ätiologie  der  Garcinome.  477 

5.  Pirogowkongresse  der  russischen  Ärzte  eingenommene  Standpunkt  bedeutend  abweicht 
Aach  in  den  ersten  Mitteilungen,  die  von  Abbildungen  begleitet  waren,  fielen  zwei  verschieden- 
artige Formen  auf:  kleinere  und  grössere,  die  bald  einzeln,  bald  multipel  in  den  Zellen 
lagen  und  sowohl  in  Zellen  mit  ruhenden,  wie  mit  sich  teilenden  Kernen  gefunden  wurden. 
Nach  der  neuesten  Auffassung  von  Sawtschenko  wäre  folgendes  über  die  in  Krebsen 
schmarotzenden  Sporozoen  festzustellen:  1.  sie  besteben  auf  allen  Entwickelungsstufen  aus 
einer  protoplasmatischen  und  Kemsubstanz,  die  sich  mit  Anilinfarben  gut  tingiert.  Ihr 
Protoplasma  verhält  sich  ebenso  wie  das  der  Geschwulstzellen;  die  mit  einer  Kapsel 
versehenen  und  Metachromasie  zeigenden  coccidienartigen  Gebilde  sind  keine  Sporo- 
zoen, sondern  Schleimvakuolen ,  die  durch  Eindringen  der  Sporozoen  in  das  Protoplasma 
der  Krebszelle  hervorgerufen  werden.  2.  Die  Parasiten  sind  meist  sehr  klein  und  nur 
selten  lenkocytenähnlioh,  die  ausgewachsene  amöboide  Form  ist  kugelig  oder  oval  und  be- 
sitzt granuliertes  Protoplasma  und  einen  intensiv  färbbaren  Kern.  3.  Die  Fortpflanzung 
geschieht  nach  dem  bei  Gregarinen  und  Coccidien  vorkommenden  Typus;  die  Ghromatin- 
sabstanz  des  Kernes  zerfällt  in  kleinste  Kömchen,  die  sich  bei  den  grösseren  Formen  regel- 
mässig an  der  Peripherie  gruppieren,  während  sie  bei  den  kleineren  unregelmässig  in  den 
verschiedenen  Teilen  des  Protoplasmas  sitzen  zu  bleiben  scheinen.  Die  Details  der  Sporen- 
bildung scheinen  Ähnlichkeit  mit  dem  zu  haben,  was  neuerdings  Podwyssozki  über  die 
Spomlation  bei  Coccidium  oviforrae  der  Kaninchenleber  beobachtet  hat.  £s  wandeln  sich 
Dämlich  die  Sporen  bald  in  fischförmige  oder  spindelige  Körperchen  mit  homogenem  Proto- 
plasma und  kleinem,  endständig  gelegenen  Kern  um;  auch  ist  die  Zahl  der  Sporen, 
ebenso  wie  bei  Coccid.  oviforme,  nicht  konstant.  4.  Die  Sporen  gelangen  nun  in  das  Proto- 
plasma derselben  oder  einer  benachbarten  Zelle  und  rufen  hier  die  Bildung  von  Schleim- 
vakuolen hervor;  ein  Teil  der  Sporen  wird  frtlhzeitig  kugelartig  und  wandelt  sich  wieder 
in  die  amöboide  Form  um,  ein  anderer  Teil  wird  stärker  ausgezogen,  birnförmig,  ja  frosch- 
larvenähnlich.  Diese  ähneln  sehr  den  entsprechenden  Stadien  der  Hämatozoen;  erst  nach 
längerem  Verweilen  wandeln  sich  auch  diese  Formen  in  kugelige  oder  amöboide  um.  5.  Sowohl 
die  embryonalen,  wie  die  amöboiden  Formen  scheinen  beweglich  zu  sein;  ja  sie  wandern 
von  einer  Zelle  in  die  andere  und  schleppen  auch  die  Schleimvakuolen  der  Zellen  mit  sich, 
in  den  Vakuolen  scheinen  mitunter  tote  Sporozoen  zu  liegen.  6.  Die  Parasiten  kommen 
nicht  nur  in  den  Krebszellen  sondern  auch  —  in  Lymphdrüsenmetastasen 
—  inEndothelzellen  der  Lymphränme  oder  (in  Mammakrebsen)  in  Bindege- 
vebszellen  vor.  Wegen  des  Mangels  an  eingekapselten  Parasiten  dürfen  sie  nicht  zu 
Coccidien  gerechnet  werden,  sondern  zu  den  Amöbosporidien ,  die  viel  Ähnlichkeit  mit  den 
Bämatozoen  der  Vögel  besitzen.  — 

Wiederum  einen  völlig  abweichenden  Standpunkt  nehmen  Ruffer  (68—70)  und 
seine  Mitarbeiter  Walker  und  Flimmer  (60)  ein,  welche  ihre  Befunde  hauptsächlich 
an  Brustkrebsen  machten  und  ein  grosses  Gewicht  auf  das  Verhalten  der  Zelleinschlüsse 
zur  Biondi sehen  Färbung  legen.  Gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Ergebnisse  dieser  Färbung 
hallen  sie  eine  Verwechslung  mit  Zell-  und  Kemdegenerationen  für  ausgeschlossen;  die 
bald  intra-  bald  extranukleär  gelegenen  Zelleinschlüsse,  finden  sich  meist  am  Rande  der 
Krebsknoten  reichlichst  in  der  Wachstumszone  und  können  in  degenerierten  Partieen  ganz 
fehlen;  je  rascher  die  Carcinome  wachsen,  um  so  reichlicherfinden  sich  auch  die  Einschlüsse. 
Mit  Foä  stimmen  Ruffer  und  seine  Mitarbeiter  darin  überein,  dass  sie  die  Parasiten 
nie  in  sich  mitotisch  teilenden  Zellen,  wohl  aber  in  ihrer  Nähe  fanden.  Im  übrigen  halten 
sie  jedoch  die  von  Soudakewitsch,  Podwyssozki  u.  a.  beschriebenen  Formen 
lediglich  für  Degenerationsformen,  so  auch  die  von  vielen  Autoren  als  Sporen  gedeuteten 
sichelförmigen  Körper;  ebensowenig  schliessen  sich  Ruffer  und  seine  Mitarbeiter  der 
Meinung  von  Sjöbring,  Foä  u.  a.  an,  dass  die  radiäre  Teilung  und  Segmentierung 
des  Parasitenprotoplasmas  als  Spomlation  zu  deuten  sei,  da  sie  niemals  aus  diesen  Formen 
jnnge  Parasiten  hervorgehen  sahen;  sie  glauben  vielmehr,  dass  es  sich  hier  um  Degenerations- 
erscheinungen der  Parasiten  oder  auch  nur  durch  die  Härtung  hervorgerufene  Artefakte 
bandelt.    Nach  ihren  Untersuchungen  ist  der  Kntwickelungsgang  vielmehr  etwa  folgender: 


478  Allgem.  patho).  Morphologie  und  Physiologie. 

Zunächst  teilen  sich  die  Parasiten  in  2  Individuen  oder  ein  Vielfaches  von  2,  wobei  der 
Kern  sich  verlängert  und  sich  durch  Querteilung  allmählich  2  Kerne  abschnüren,  die  zu- 
nächst durch  einen  Faden  mit  einander  verbunden  bleiben;  erst  darauf  folgt  die  Teilung 
der  Kapsel,  so  dass  2  durch  ein  Septum  getrennte  Kern-  und  Protoplasmahälften  vorhanden 
sind;  erst  darauf  reist  die  Verbindung  zwischen  den  Kernen  ein.  Wenn  eine  mehrfache 
sich  rasch  wiederholende  Teilung  der  Tochterindividuen  eintritt,  so  entstehen  rosettenförmige 
Gebilde.  »Sporocysten  treten  bei  der  Teilung  nicht  auf,  vielmehr  umgiebt  eich  jeder  junge 
Parasit  mit  einer  eigenen  Kapsel.  Oft  beteiligt  sich  ein  Stttck  des  Parasitenkems  nicht  an 
der  Teilung  und  bleibt  als  sogen.  „Restkörper*'  zurück.  Alle  diese  Entwickelungsformen 
sind  sowohl  bei  kleinen  wie  bei  grossen  Parasiten  aufzufinden,  treten  aber  am  deutlichsten 
bei  denen  mittlerer  Grösse  hervor.  —  Trotz  dieser  verhältnismässig  genauen  Schilderung 
der  £ntwickelungsvorgänge  der  Parasiten  halten  es  die  Verf.  doch  nicht  für  möglich,  eine  ge 
nauere  Klassifizierung  derselben  vorzunehmen  und  rechnen  sie  schlechthin  zu  den  Sporozoen.  — 
Ganz  von  den  bisher  berichteten  Arbeiten  abzutrennen,  sind  die  Untersuchungen  von 
Korotneff  (42,43),  Kurlow(44),  L.Pfeiffer  (56— 58)  und  Adam kie wie z (1-4),  welche 
nicht  nur  Zelleinschlüsse,  sondern  vor  allem  auch  die  bisher  von  allen  Seiten  für  Zellen  des 
menschlichen  Körpers  gehaltenen  Zellen  für  parasitäre  Gebilde  erklären.  Am  offensten  haben 
allerdings  nur  Adamkiewicz  und  L.  Pfeiffer  erklärt,  dass  epitheliale  Krebszellen  selbst 
die  Parasiten  sind,  aber  auch  bei  Korotneff  und  Kurlow  zeigt  einen  Blick  auf  ihre  Ab- 
bildungen, dass  sie  namentlich  solche  Zellen,  die  man  bisher  als  invaginierte  Krebszellen 
auffasste,  für  Parasiten  halten,  weshalb  sie  auch  die  meisten  Formen  innerhalb  oder  dicht 
neben  den  sogen.  Krebsperlen  finden.  Korotneffs  Parasit  soll  in  3  Hauptformen  auf- 
treten:  1.  als  Gregarine,  2.  als  Coccidie,  3.  als  Amöbe.  —  Als  wichtigste  erscheint  ihrn 
die  Amöbenform,  die  eralsAmoeba  kachexica  bezeichnet,  weil  sie  das  Toxin  der  Krebs- 
kachexie  produzieren  soll.  Sie  besitzt  granuliertes  Protoplasma  und  deutlichen,  oft  läng- 
lichen Kern,  ist  aktiv  beweglich  und  kann  daher  aus  dem  Epithel  ins  Bindegewebe  wandern: 
nachdem  sie  sesshaft  geworden  und  sich  encystiert  hat,  beginnt  die  Fortpflanzung,  indem 
der  Kern  zerfällt,  das  Protoplasma  sich  verdichtet  und  es  entstehen  Zooiten  und  Sporozooiten 
die  in  grösserer  Anzahl  in  der  Amöbe  liegen  können.  Der  Sporozooit,  der  nur  einen  un- 
deutlichen Kern  besitzt  und  von  ovaler  Gestalt  ist,  bildet  nach  Abwerfen  der  Kapsel  immer 
nur  wieder  Amöben;  der  Zooit  kann  sich  entweder  zu  einer  —  in  ihrer  ausgebildeten  Form 
sterilen  —  Gregarine  (dem  Rhopalocephalus  carcinomatodes)  entwickeln  oder  zu  einer 
Coccidie  auswachsen.  Die  Gregarinenforra  hat  ein  bandartiges,  cestodenähnlichcs  Aussehen 
und  besitzt  einen  verdickten  Kopf,  der  sich  in  einen  länglichen  Körper  fortsetzt;  der  Zell- 
inhalt ist  feinkörnig,  im  Kopf  liegt  ein  fleckenartiger  Kern.  In  der  Nähe  der  ausgewachsenen 
Gregarine  findet  man  zahlreiche  junge  kernhaltige  Parasiten  von  keulenförmiger  Oesult 
innerhalb  von  Carcinomepithelien.  Ein  anderer  Teil  der  Zooiten  dringt  dagegen  in  eine  Zelle 
ein,  encystiert  sich  dort,  wird  dabei  rund,  erhält  einen  deutlichen  Kern,  und  nimmt  Coccidien* 
form  an.  Diese  Coccidie  kann  nun  in  benachbarte  Zellen  überwanden),  worauf  unter  Zerfall 
des  Kernes  und  Verdichtung  des  Protoplasmas  die  Fortpflanzung  zu  Zooiten  und  Sporozooiten 
stattfindet.  —  Der  ganze  Entwickelungsgang  ist  somit  ein  sehr  komplizierter  und  ähnelt  noch 
am  meisten  dem  des  Amoebidium  parasiticum  aus  der  Gruppe  der  Amöbosporidieo. 
Kurlow  hat  zwar  nach  seinen  Abbildungen  zu  urteilen  die  gleichen  Gebilde  vor  sich  ge- 
habt, w^ie  Korotneff,  stimmt  aber  doch  nicht  in  allen  Punkten  mit  ihm  überein;  vor  allem 
vermisste  er  die  Zooiten  und  Sporozooiten  und  konnte  überhaupt  einen  genauen  Entwicke- 
lungsgang nicht  feststellen.  Zunächst  findet  er  —  meist  in  einer  Vakuole  der  Krebszelle  — 
Körperchen,  die  mit  zunehmendem  Wachstum  den  Kern  der  Epithelzelle  bei  Seite  drücken, 
und  bald  sehr  klein,  bald  sehr  gross  sind,  so  dass  sie  selbst  die  grössten  Krebszellen  an 
Grösse  übertreflfen;  sie  enthalten  1—3  Kerne,  die  sich  mit  alkalischen  Anilinfarbstoffen 
stärker  färben,  als  der  Zellinhalt;  mitunter  enthalten  die  Körperchen  dunkelbraunes  Pig- 
ment; ihre  Gestalt  ist  nicht  immer  rundlich,  weil  sie  häufig  Pseudopodien  besitzen,  deren 
Durchmesser  das  zehnfache  des  Körperchens  betragen  kann;  diese  Pseudopodien,  welche 
bald  sehr  fein,  bald  sehr  dick  sind,  scheinen  wirkliche  Bewegungsorgane  zu  sein,  da  sie  in 


Ätiologie  der  Carcinome.  479 

benachbarte  Zellen  eindringen  und  ihnen  anhaften.  Wenden  wir  uns  nun  zu  den  unter- 
sochungen  von  Pfeiffer  und  Adamkiewicz,  so  sind  dieselben  z.  T.  bereits  dadurch 
charakterisiert,  dass  beide  von  dem  Standpunkt  ausgehen,  dass  im  Garcinom  tierische 
Parasiten  vorhanden  sein  müssen.  Pfeiffer  untersuchte  hauptsächlich  innerhalb  quer- 
gestreifter Muskulatur  gelegene  Krebszellennester,  ohne  allerdings  anzugeben,  ob  es  sich 
um  Metastasen,  fortgewncherte  Abschnitte  oder  angeblich  primäre  Krebse  handelte,  und 
fand,  dass  die  mit  jungen  Krebszellen  gefüllten  Teile  des  Perimysium  intemum  und  die 
sich  bei  der  Krebswucherung  ausbildenden  Muskel zelienschlänche  grosse  Ähnlichkeit  dar- 
bieten mit  Protozoeninfektionen,  wie  sie  bei  verschiedenen  Tieren  vorkommen;  zum  Ver- 
gleich werden  die  Mies  eher  sehen  Schläuche  beim  Schwein,  Mikrosporidien  bei  Schildkröten 
Qod  Fröschen,  sowie  die  Myxosporidienkrankheit  in  der  Muskulatur  der  Barbe  herangezogen. 
Die  scheinbar  gewucherten  Muskel-  und  Krebszellen  sollen  demnach  die 
Parasiten  sein,  denen  in  bestimmten  Stadien  die  Eigentümlichkeit  zu- 
kommt, den  Gewebszellen  zum  Verwechseln  ähnlich  zu  sehen.  Die  zoologische 
Stellung  und  der  Ent wickelungsgang  ist  allerdings  noch  nicht  genügend  geklärt;  doch 
scheinen  sie  den  Amöbosporidien  am  nächsten  zu  stehen,  die  Aimd  Schneider  als 
eine  besondere  Gattung  gekennzeichnet  und  dadurch  charakterisiert  hat,  dass  ihnen  neben 
der  direkten  Teilung  der  amöboiden  Formen  noch  eine  Fortpflanzung  durch  Dauersporen 
zakommen  soll.  Als  amöboide  Form  sieht  Pfeiffer  beim  Krebsparasiten  die  Gebilde 
an,  die  bis  dahin  als  Leukocyten  und  Wanderzeilen  beschrieben  wurden  und  zum  Teil  die 
pzellige  Infiltration"  des  Carcinoma  ausmachen;  als  Dauerformen  beschreibt  er  die  intra- 
cellnlärcn,  cystenartigen  Vakuolen,  wie  sie  auch  So udake witsch  u.  a.  abbilden,  weil 
eie  nach  seiner  Meinung  nicht  durch  Zelldegenerationen  zu  erklären  sind. 

Der  von  Adamkiewicz  verteidigte  Standpunkt,  der  dem  Pfeifferschen  sehr  nahe 
steht,  dass  die  Krebszellen  selbst  die  Parasiten  sind,  äenen  er  den  stolzen  Namen  „Cocci- 
diam  sarcolytus'*  zuerteilt  hat,  wird  weniger  durch  histologische  Untersuchungen,  als 
durch  allgemeine  Spekulationen  und  Tierexperimente  begründet.  Da  alle  Versuche  einen 
spezifischen  Krebserreger  nachzuweisen  fehlschlugen,  sich  aber  eine  Giftigkeit  des  Krebs- 
gewebes nachweisen  liess,  so  schliesst  Adamkiewicz  daraus,  dass  die  Krebszellen 
selbst  die  Parasiten  sind.  Er  impfte  zahlreiche  Kaninchen  mit  kleinen  Partikeln  frischen 
Carcinomgewebes  in  das  Gehirn  und  fand,  dass  die  Tiere  dann  bald  unter  Erscheinungen 
zu  Grunde  gehen,  die  auf  eine  Protozoeninfektion  hindeuten,  da  eine  ähnliche  Toxinwirkung 
gefunden  wurde,  wie  Pfeiffer  sie  für  den  Inhalt  von  Sarkosporidiencysten  angiebt.  Man 
findet  dann  in  entfernteren  Stellen  im  Gehirn,  Zellen,  die  dem  Gehirn  an  sich  fremd  sind  und 
von  Leukocyten  oder  jungen  Carcinomzellen  nur  schwer  unterschieden  werden  können; 
da  man  femer  sieht,  dass  die  übertragenen  Garcinomstückchen  z.  T.  ihren  Zellinhalt  ein- 
gebüsst  haben,  so  hält  Adamkiewicz  die  im  Gehirn  diffus  verbreiteten  Zeilen  für  wan- 
dernde Krebszellen  und  die  Krebszellen  selbst  für  den  Krebserzeuger,  den  schmarotzenden 
Protozoen  and  auch  L.  Pfeiffer  erklärt  (untersuch,  über  den  Krebs,  S.  142),  dass 
Adamkiewicz  den  „hochwichtigen  Beweis  erbracht  hat,  dass  Krebszellen  auf  einen 
passenden  Nährboden  (das  lebende  Kaninchengehirn)  zunächst  sich  vermehren  und  wandern, 
m  Zoosporenwachstumsstadium". 

Endlich  müssen  noch  die  Untersuchungen  von  K ah  an e  (35,36)  erwähnt  werden,  der 
die  lebenden  Krebsparasiten  sowohl  im  Blute,  wie  in  den  Gewebszellen  nachgewiesen 
haben  will.  In  zwei  Mitteilungen  berichtet  dieser  Forscher,  dass  er  besonders  im  Blute 
Carcinomatöser ,  aber  auch  in  den  Geschwulstzellen  Gebilde  gefunden  habe,  die  besonders 
durch  ihre  Eigenbewegung,  ihren  Glanz  und  ihre  tinktoriellen  Eigenschaften  ausgezeichnet, 
als  protozoenartige  Parasiten  angesehen  werden  müssen.  Dieselben  kommen  sowohl  inner- 
halb, als  zwischen  den  Geschwulstzellen  vor  und  finden  sich  im  cirkulierenden  Blute  wohl 
aasschliesslich  frei  vor ;  auch  die  scheinbar  in  roten  Blutkörperchen  liegenden  Gebilde  lagen, 
vie  genauere  Beobachtung  lehrte,  nur  auf  den  roten  Blutscheiben.  Es  werden  5  Formen 
onterachieden,  die  in  einer  Tabelle  zusammengestellt  sind. 


480 


AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 


QrOsM  und  Gestalt 
der  Parasiten 


Lichtbrechongs- 
TermCgen 


1.  kleine,   rand-  |  sehr  stark  licht- 
liche Formen  1  |i  |  brechend 


2.  kleine  rande 
auch  bimfftrmige 
Gebilde  2^3  [x 
lang 


3.  mittelgross, 
meist  oval  3— 4  u; 
mit  fein  gezähnel- 
ten  Rändern 

da.  4—5  |x  lang, 
oval,  sonst  wie  3 

4.  mittelgross, 
kleeblattförmig, 

glatte    Kontur 
( relativ    seltene 
Form) 


5.  Grosse,  runde 
oder  längsovale 
Formen  8—10  ji 


wie  1 


schwach  licht- 
brechend, oft  sehr 
zart 


stärker  lichtbre- 
chend ,  schwach 
grOnlichglänzend 
enthalten  1  —  3 
sehr  stark  licht- 
brechende  Kör- 
perchen 


meist  gering 


Stmktar  nnd  Beweg- 
Uchkeit 


homogen ;     sehr 
lebhaft  beweglich 


wie  1 


fast  homogen  od. 
fein  granuliert, 
nur  undolierende 
Bewegungen 

erdbeerartig,fein- 
stachelig 

lebhaft  bewegl., 
starke  Drehbe- 
wegungen in  den 
Kleeblattformen , 
in  jedem  Blatt  ein 
glänzendes  Körn- 
chen 

Plasma  zart  gra- 
nuliert; minimal 
beweglich 


Verhaltan  m  den 

Zellen  and  roten 

Blatkfirpem 


FertpflanzDOg 


meist  ausserhalb 
der  roten  Blut- 
körperchen ,  ge- 
legentlich endo- 
globulär;  in  den 
Geschwulstzellen 
nicht  nachweis- 
bar 

manchmal  endo- 
globnlär;  oft  mit 
dünnem  Stiel  den 
roten  Blutk.  an- 
haftend ,  meist 
frei  im  Blute;  als 
bewegliche  Ein-  1 
Schlüsse  in  den  l 
Geschwulstzellen 
beobachtet  I 

frei  im  Blute;  | 
weder  in  Blut-  | 
nochGeschwulst-  | 
zelle  nacfagewie-  ' 
sen  I 

frei  im  Blute        i 


meist     frei     im 
Blute 


frei  im  Blute ;  bei 
schwerer  Carci- 
nom  •  Kachexie 

zahlreich  im 
Blute.    Imal  als 

Einschluss    in 
einerGeschwulst- 
zelle   beobachtet 


Als  besonderer  Befund  wird  noch  hervorgehoben,  dass  es  einmal  gelang  den  Sponi- 
lationsvorgang  eines  Parasiten  in  direkter  Weise  zu  beobachten.  In  einer  Garcinom- 
zeUe  wurde  ein  ziemlich  grosses  rundliches  Gebilde  beobachtet,  das  sich  zunächst  in  der 
Wirtszelle  hin-  und  herbewegte,  dann  aber  austrat,  wobei  es  verkleinert  und  stärker 
lichtbrechend  erschien.  Dieses  Gebilde  schnürte  dann  kleinere  und  grössere  Körpercben 
von  sich  ab,  die  sogleich  £igenbewegungen  erkennen  liessen.  Im  übrigen  wird  noch  betont. 


Sporulationsform 
von  Form  5 


unbekannt 


Sporulation  von 
5  gleichzeitig  mit 
1  beobachtet 


unbekannt 


unbekannt 


Mntterform  von 
1  und  3 


Ätiologie  der  Garcinome.  481 

dass  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  H&matozoen  der  Malaria  bestände  —  auch  pigmen- 
tierte Formen  sollen  auftreten  — ,  dass  aber  die  ätiologische  Bedeutung  der  Befunde  für 
die  Carcinomentwickelung  noch  nicht  feststände. 

Diesen  in  möglichster  Kürze  referierten  Arbeiten,  wären  aus  dem  vor- 
stehenden Litteraturverzeichnis  eine  grosse  Reihe  von  Arbeiten  gegenüber- 
zustellen, in  denen  die  Autoren  trotz  sehr  sorgfältiger  Untersuchungen  nicht 
zu  dem  gleichen  Ergebnis  gelangt  sind  und  sich  daher  teils  sehr  skeptisch, 
teils  direkt  ablehnend  verhalten  (Steinhaus  (82—84),  Stroebe  (86—88), 
Delepine  (20,21),  Kürsteiner  (45),  Langhans,  Cazin  (14,  15),  Coats 
(17),  Neisser  (53)  u.  a.).  —  Eine   andere  Gruppe  von  Autoren  begnügt 
sich  jedoch  nicht  mit  dem  zweifelhaften  oder  skeptischen  Urteil ,  sondern 
hat  den  Versuch  gemacht,  die  zahlreichen  verschiedenen  Parasitenformen 
durch  Zelldegenerationen  zu  erklären  (Borrel  (10,  11),  Karg  (37),  Nög- 
gerath  (52),  Török  (91,  92),  Ribbert  (65,  66),  Unna  (93)  u.  a.).    Es  würde 
bei  weitem  zu  weit  führen,  alle  diese  Arbeiten  hier  ausführücher  zu  referieren 
und  es  möge  hier  der  Hinweis  genügen,  dass  ein  Teil  der  Erklärungsversuche, 
welche  unten  in  zusammenhängender  Weise  gegeben  werden  sollen,  bereits 
von  Unna,  Török,  Cor nil  (18),  Ribbert,  Schwarz  (74)  u.  a.  erwähnt  sind. 
Bevor  wir  jedoch  auf  die  Einzelheiten  eingehen,  seien  einige  allgemeine 
Bemerkungen  gestattet.  —  Die  vorstehende  kurze  Übersicht  ist  allein  bereits 
geeignet,  ein  gewisses  Misstrauen  gegen  die  Sporozoennatur  der  Zelleinschlüsse 
hervorzurufen.     So  viele  Autoren,  so  viel  verschiedene  Schilderungen  und 
Memungen;  was  der  eine  für  Parasiten,  erklärt  der  andere  für  Zell-  und 
Kerndegenerationen;    was  der  eine    als    sichere  Sporenbildung  beschreibt, 
gilt  dem  anderen  als  sehr  zweifelhaft.    Mit  einem  Wort,  die  gesamten  Unter- 
suehungsergebnisse  sind  so  mannigfaltig  und  verwirrend,  dass  man  schon 
daraus  entnehmen  kann,  wie  sehr  es  bis  jetzt  an  wirkUch  sicheren  und 
klaren  Kriterien  für  die  Protozoen natur  fehlt.    Und  nun  gar  die  zoologische 
Klassifikation  und  Entwickelungsgeschichte  I    Welche  Fülle  von   verschie- 
denen Ansichten,  selbst  dann,  wenn  die  Beobachtungen  einigermassen  mit- 
einander übereinstinunen.  —  Natürlich  spricht  das  nicht  entscheidend  da- 
gegen, dass  es  Protozoen  sein  können,  da  das  ganze  Gebiet  selbst  zoologisch 
noch  nicht  genügend  erforscht  ist,   aber  es   ist  doch   bereits  geeignet,    zu 
äusserster  Vorsicht  zu  mahnen.     Was  aber  würden  wir  gewinnen,  wenn 
wir  selbst  mit  grösserer  Sicherheit ,   wie  jetzt  über  das   Vorkommen  von 
Protozoen  in  Carcinomen  unterrichtet  wären?    Schon  oben  ist  darauf  hin- 
gewiesen worden,  dass  die  parasitäre  Theorie  nicht  nur  in  einigen  Punkten 
das  Verständnis  erleichtern,  sondern  auch  in  anderen  erheblich  erschweren 
^•ürde.    Das  ist  vor  allem  der  Fall  für  die  Metastasenbildung;  wir  werden 
Doch  in  Kapitel  4  näher  auszuführen  haben,  wie  die  Metastasen  namentlich 
ini  Beginn  mit  den  Zellen  des  primären  Krebses  aufs  genaueste  überein- 

Labarsch- Oster  tag,  ErgebniBte  Abteilang  II.  31 


482  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

stimmen  und  sicher  nur  aus  den  verschleppten  Krebszellen  hervorgehen 
(vergl.  aucli  Kapitel  Metastase,  dieser  Band  S.  132),  während  die  Zellen  des 
sekundär  befallenen  Ortes  sich  passiv  verhalten  oder  gar  regressive  Vor- 
gänge aufweisen.  Wären  Parasiten  die  Erreger  des  Carcinoms,  so  müssten, 
wie  Raymond  und  Haus  er  (33)  sehr  schlagend  auseinandersetzen],  bei 
den  Metastasen  die  Zellen  des  beti'offenen  Organes  charakteristisch  krebsig 
degenerieren,  z.  B.  die  Metastasen  in  der  Leber  nach  Magenkrebs  typische 
Leberzellenkrebse  sein;  und  Ben  ecke  betont  mit  Recht,  wie  auch  das 
\''erhalten  des  Oberflächenepithels  bei  einem  aus  der  Tiefe  gegen  die  Ober- 
fläche vorrückenden  Carcinom  gegen  die  parasitäre  Theorie  spricht;  denn 
wenn  ein  aus  der  Tiefe  gegen  normales  Epithel  vorrückendes  Carcinom  die 
spezifischen  Parasiten  enthielte,  müssten  die  normalen  Epithelzellen  infiziert 
werden  und  ebenfalls  krebsig  degenerieren ;  auch  darauf  weist  Ben  ecke  ganz 
richtig  hin,  dass  die  Lokalisation  der  Metastasen  entsprechend  bestimmten 
Strömungsverhältnissen  bei  der  Verschleppung  grosser  Zellen,  nicht  aber 
kleinster  Mikroorganismen  verständlich  wäre.  Gegen  alle  diese  Einwände 
könnte  die  parasitäre  Theorie  nur  gehalten  werden  durch  die  Annalime, 
dass  zwar  wirklich  die  Epithelzellen  verschleppt  werden,  aber  ihre  enorme 
Wucherungsfähigkeit  erst  durch  die  Anwesenheit  der  Parasiten  ermöglicht 
istO,  oder  dass  die  Carcinomzellen  selbst  die  Parasiten  sind,  wie  es  ganz 
folgerichtig  von  Adamkiewicz  und  Pfeiffer  behauptet  wird.  —  Den 
Einwand  Baumgartens,  dass  auch  gutartige  Neubildungen  parasitären 
Ursprunges  sein  müssten,  wenn  Carcinome  es  sind,  kann  allerdings  jetzt 
dadurch  begegnet  werden,  dass  ähnüche  Zelleinschlüsse,  wie  in  Carcinomeu 
jetzt  auch  in  Papillomen,  Adenomen,  Myomen  und  Sarkomen  gefunden 
worden  sind.  Vom  allgemein-pathologischen  Standpunkte  aus  wird  man 
es  aber  kaum  für  möglich  halten,  dass  alle  autonome  Neubildungen  para- 
sitären Ursprunges  sind;  schon  deswegen  nicht,  weil  alle  —  vielleicht  mit 
Ausnahme  der  Carcinome  —  als  angeborene  Neubildungen  bei  den  Kindern 
völlig  gesunder  Eltern  beobachtet  sind  und  man  dann  zur  Erklärung  dieser 
angeborenen  Geschwülste  ohne  eine  erneute,  ebenfalls  wieder  völlig  in  der 
Luft  schwebende  Hypothese  nicht  auskommen  könnte.  Endhch  müssen 
wir  aber  auch  für  die  Frage,  ob  unter  den  bis  jetzt  beschriebenen  Zell- 
einschlüssen solche  Parasiten  sind,  die  für  die  Ätiologie  der  Carcinome 
verwertet  werden  könnten,  schon  einige  allgemeinere  Gegengründe  an- 
führen. Zunächst  sind  alle  oder  fast  alle  Untersuchungen  an  gehärtetem 
Material  und  ausgebildeten  Carcinomen  angestellt  worden ;  femer  geht  viel- 
fach aus  den  Beschreibungen  hervor,  dass  sie  am  reichlichsten  in  Degenera- 


1)  Es  würde  das  eben  ein  vollständiges  Novum  sein,  fOr  das  irgendwelche  Analogieon 
bis  jetzt  nicht  bekannt  sind,  weder  in  der  Lehre  von  den  Spaltpilzkrankheiten  noch  bei 
den  durch  parasitäre  Protozoen  hervorgebrachte  Erkrankungen  bei  niederen  und  höheren 
Tieren. 


Ätiologie  der  Carcinome.  483 

tionsherden  vorkommen ;  wenn  das  von  einzelnen  Autoren  nicht  angegeben 
wd  oder  sogar  einzelne ,  wie  R  u f  f e r  und  Flimmer,  Foä  u.  a. 
behaupten,  dass  sie  sich  auch  in  Carcinomen  finden,  in  denen  Degenera- 
tionserscheinungen fehlen,  so  beweist  das  nur,  dass  sie  auch  dort  bereits 
auftreten,  wo  gröbere  Degenerationserscheinungen  nicht  nachzuweisen  sind. 
Die  Untersuchungen  an  der  Wachstunisgrenze  sind  hier  kaum  beweisend, 
weil  in  ausgebildeten  Krebsen  —  auch  in  der  Randpartie  —  frühzeitig  der 
Zellzerfall  eintritt  und  wir  es  ja  in  den  beschriebenen  Formen,  wenn  über- 
haupt, mit  dem  Beginn  und  den  feineren  Stadien  des  Zellzerfalles  zu  thun 
haben.  Mitteilungen  darüber,  dass  die  Zelleinschlüsse  und  ähnliche  auch 
in  beginnenden  Krebsen  und  ganz  frischen  Metastasen  vorkommen,  liegen 
bis  jetzt  noch  nicht  vor.  Ich  habe  nun  gerade  deswegen  das  mir  in  dieser 
Beziehimg  zu  Gebote  stehende  Material  auf  das  genaueste  durchforscht.  Es 
waren  die  bereits  oben  erwähnten  Krebse  des  Ileum  und  ein  Zungenkrebs  ~ 
iu  allen  diesen  Fällen  konnte  auch  nicht  das  geringste  gefunden  werden, 
was  man  für  Parasiten  hätte  halten  dürfen ;  ebensowenig  gelang  es  in  einer 
etwas  indurierten  Lymphdrüse  bei  Mammacarcinom  in  den  ganz  vereinzelt 
in  Lymphräumen  hegenden  Krebszellen  (also  einer  eben  beginnenden  Me- 
tastase) Zell-  oder  Kerneinschlüsse  aufzufinden,  obgleich  in  dem  primären 
Mammakrebs  reichUchst  die  verschiedenartigsten  Einschlüsse  nachgewiesen 
wurden.  Man  wird  also  schon  daraus  mit  Recht  schlicssen  müssen,  dass 
wir  in  beginnenden  Krebsen  irgendwelche  Formen,  die  mit  bereits  be- 
kannten Protozoen  übereinstimmen,  nicht  nachzuweisen  vermögen.  —  So- 
dann ist  es  sehr  wichtig,  dass  gerade  die  zuverlässigsten  Autoren,  deren 
Angaben  in  der  That  noch  am  ehesten  den  Eindruck  machen,  als  könne 
es  sich  wirklich  um  Sporozoen  gehandelt  haben  (Foä,  Ruff  erund  Plimmer 
u.  a.),  angeben,  dass  die  von  den  Parasiten  befallenen  Zellen 
allmählich  absterben  und  dass  die  Wucherungsherde  immer 
nur  in  der  Peripherie  der  parasitenhaltigen  Zellen  liegen. 
Diese  Angaben  würden  zwar  allerdings  übereinstimmen  mit  dem,  was  ich 
bei  den  Gallengangswucherungen  in  coccidienhaltigen  Kaninchenlebern  ge- 
sehen habe,  aber  sie  würden  uns  den  ganzen  Vorteil  rauben,  den  die 
parasitäre  Theorie  für  das  Wesen  des  Carcinoms  sonst  bietet.  Wenn 
nämüch  nicht  die  spezifischen  Protozoen  .es  sind,  welche  den  Krebs- 
zellen dajB  Vermögen  der  schrankenlosen  Wucherung  verleihen,  sondern 
auch  hier  nur  indirekt  im  Anschluss  an  die  durch  Coccidien  erfolgende 
Zellzerstörung  die  Krebswucherung  eintritt,  so  sind  wir  so  klug,  wie  zuvor; 
es  würde  sogar  noch  ein  neues  Rätsel  aufgegeben,  warum,  denn  nur  an 
die  diu-ch  Coccidien  hervorgerufene  Epithelzerstörung  eine  Krebsentwicke- 
lung anschUesst.  Es  würden  auch  keine  Analogieen  aus  der  menschlichen 
und  tierischen  Pathologie  herangezogen  werden  dürfen,  wie  das  so  oft  ge- 
schieht;   da  wir  bis   jetzt  überhaupt  noch  gar  nichts  sicheres  von  einer 

31* 


484  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

durch  Protozoen  verursachten  Epithelwucherung  wissen ;  denn  die  Wuche- 
rung der  GallengangsepitheUen  bei  der  Psorospennose  der  Kaninchen  ist 
eine  rein  sekundäre  und  das  mit  Voriiebe  herangezogene  Beispiel  vom 
Epithelioma  contagiosum  der  Menschen  und  Tiere  sowie  der  Darier  sehen 
und  Pag  et  sehen  Krankheit  nicht  beweisend,  weil  auch  hier  das  Vor- 
handensein von  Protozoen  noch  keineswegs  sicher  demonstriert  ist. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  einzelnen  Angaben,  so  ist  es  wohl  am 
leichtesten  mit  denen  von  Adamkiewicz,  Pfeiffer  und  Kahane 
fertig  zu  werden.  Für  einen  Histologen  ist  es  kaum  diskutabel,  dass  die 
Krebszellen  Parasiten  sein  sollen ;  denn  wie  im  Abschnitt  1  (vergl.  S.  424  ff.), 
ausgeführt  ist,  ist  dazu  die  morphologische  und  biologische  Übereinstim- 
mung der  Carcinom-  und  Epithelzellen  eine  viel  zu  grosse;  speziell  in  Be- 
zug auf  die  Analogisierungen  Pfeiffers  und  seine  ganze  Untersuchungs- 
methode sei  auf  meine  Besprechung  (Fortschr.  d.  Med.  1894,  S.  242)  verwiesen. 
—  Die  Angaben  von  Adamjciewicz  über  die  Toxizität  der  Krebszelle  und 
deren  Fähigkeit,  sich  im  Kaninchengehirn  zu  vermehren  und  die  Tiere  inner- 
halb 24—48  Stunden  zu  töten,  erfahren  ihre  Widerlegung  durch  die  sorg- 
fältigen Experimente  Geisslers  (28),  Kopfsteins,  Kinscherfs  und 
ßartschs  (38),  welche  zeigten,  dass  bei  streng  aseptischer  Ausführung 
der  Versuche  die  Tiere  keineswegs  zu  Grunde  gehen  und  dass  die  Car- 
cinomstücke,  wie  andere  Fremdkörper,  nachdem  sie  eine  Entzündung 
massigen  Grades  hervorgerufen  haben,  resorbiert  und  organisiert  werden. 
Gegenüber  diesen  objektiven  Versuchsergebnissen  und  den  einfach  auf  der 
Hand  liegenden  anatomischen  und  biologischen  Thatsachen  kann  man  die 
Proteste  Adamkiew iczs  gegen  seine  Kritiker  wohl  gestrost  ad  acta 
legen.  —  Anscheinend  von  grösserer  Bedeutung  sind  die  Untersuchungen 
Kahanes.  Seine  Angaben  lauten  teilweise  so  bestimmt,  dass  ein  Irrtum 
fast  unmögUch  erscheint,  vor  allem  scheint  die  direkte  Beobachtung  der 
Sporenbildung  am  frischen  Objekt  förmhch  einen  Abschluss  der  Unter- 
suchungen zu  geben. 

Allein  auch  hier  zeigt  eine  eingehende  Kritik,  dass  die  Parasitennatur 
der  Gebilde  teils  fälschlich  angenommen  wird,  teils  sehr  unsicher  ist.  Von 
den  5  Formen,  die  Kahane  unterscheidet,  lassen  sich  die  beiden  ersten 
am  leichtesten  deuten.  Sie  sind  mir  längst  bekannt  gewesen  imd  sind 
zweifellos  nichts  als  abgeschnürte  Teile  der  roten  Blutkörperchen,  Hämo- 
globintropfen, die  beim  Zerfall  der  Zellen  aus  ihnen  austreten.  Man  findet 
sie  unter  den  verschiedensten  Verhältnissen  vor,  bei  krankhaften  Ver- 
änderungen, man  kann  sie  aber  auch  künstlich  hervorbringen.  Wenn 
Kahane  die  Thatsache,  dass  seine  ohne  Anwendung  einer  neuen  Methode 
gewonnenen  Befunde  bisher  anderen  Forschern  entgangen  wären,  damit 
erklären  will,  dass  man  die  mikroskopische  Untersuchung  des  Blutes  von 
Krebskranken  vernachlässigt  habe,  so  befindet  er  sich  im  Irrtum.    Solche 


Ätiologie  der  Garcinome.  485 

Untersuchungen  sind  bereits  vielfach  vorgenommen  worden  (von  Klebs, 
Weintraud,  Strauer  u.  a.);  auch  ich  habe  seit  Jahren  wiederholt  das 
Blut  von  Carcinomatösen  der  verschiedensten  Stadien  in  verschiedener 
Weise  untersucht;  meine  Befunde  sind  zum  Teil  auch  übereinstimmend 
mit  denen  von  Kahane,  nur  die  Deutung  weicht  ab.  Man  findet  in  der 
That  im  Blute  Carcinomatöser  fast  regelmässig  —  am  reichlichsten  bei 
Krebskachexie,  oft  aber  auch  schon  im  Beginne  der  Krankheit  —  die  von 
Kahane  sub  1  und  2  beschriebenen  Gebilde;  deren  Entstehung  besonders 
klar  wird,  wenn  man  die  sub  2  beschriebenen  Formen,  die  mit  einem 
kurzen  Stiel  den  roten  Blutkörperchen  anhaften,  betrachtet.  Man  kann 
nämlich  die  Entstehung  dieser  ,oft  biraförmigen  Bildungen  direkt  unter 
dem  Mikroskop  verfolgen,  ja  man  kann  derartige  Gebilde  im  normalen 
Blute  von  Menschen  und  Tieren  erzeugen,  wenn  man  nur  für  eine  lang- 
same Verdunstung  der  Blutflüssigkeit  sorgt.  Man  sieht  zunächst,  wie  die 
roten  Blutkörperchen,  keulen-  und  birnförmige  Fortsätze  ausstrecken,  die 
plötzlich  abreissen  und  mit  grosser  Geschwindigkeit  im  Gesichtsfeld  herum- 
tanzen. Diese  Gebilde,  die  schon  an  und  für  sich  eine  sehr  verschiedene 
Grösse  besitzen,  können  aber  noch  weiter  in  kleinere  Teilstücke  zerfallen, 
die  dann  mitunter  in  der  Mitte  eine  Einschnürung  aufweisen  und  Diplo- 
kokken täuschend  ähnlich  sehen.  Eine  Verwechselung  kann  aber  1.  durch 
die  Färbung,  2.  durch  den  Kulturversuch  vermieden  werden.  Diese  Ge- 
bilde liegen  in  der  That,  wie  Kahane  ganz  richtig  beobachtet  hat,  nie- 
mals in  den  roten  Blutkörperchen;  sie  besitzen  auffallenden  Glanz  und 
eine  Beweglichkeit,  die  von  einer  echten  Eigenbewegung  mit  völligster 
Sicherheit  nicht  unterschieden  werden  kann.  Sie  sind  aber  keineswegs 
parasitäre  Elemente  und  besitzen  durchaus  keine  Spezifizität  für  das  Car- 
cinom,  denn  sie  finden  sich  in  Strumen  (Klebs),  bei  Influenza  (Klebs), 
bei  pemiciöser  Anämie  (Frankenhäuser,  Klebs).  Allerdings  sind  sie 
auch  gerade  von  diesen  Autoren  ebenfalls  für  Parasiten  und  zwar  für 
Flagellaten  (Klebs)  erklärt  worden.  Dass  sie  im  Blute  Carcinomkrauker 
besonders  reichUch  vorkommen,  wenn  schwere  sekundäre  Anämie  sich  an- 
schliesst,  konnte  ich  besonders  schön  in  2  Fällen  von  Magenkrebs  in  Zürich 
beobachten,  die  unter  dem  Bilde  einer  sogenannten  idiopathischen  perni- 
ciösen  Anämie  verlaufen  waren.  Hier  konnten  sowohl  von  Prof.  Eich- 
horst wie  von  mir,  während  des  Lebens  und  3  Stunden  nach  dem  Tode 
die  in  Frage  stehenden  Gebilde  in  besonders  grossen  Mengen  nachgewiesen 
werden.  Bei  der  Sektion  fand  sich  aber  in  beiden  Fällen  ein  ziemlich 
kleines,  noch  wenig  ulceriertes  Magencarcinom  vor.  Schon  daraus  geht 
hervor,  dass  weniger  die  Mächtigkeit  der  Krebsentwickelung,  als  die  Allge- 
nieinschädigung  und  besonders  die  Zerstörung  roter  Blutkörperchen  zu 
den  Vorbedingungen  für  das  Auftreten  der  glänzenden  Gebilde  gehört. 
Mit  Sicherheit  können  wir  aber  schliessen,  dass  es  sich  um  Trümmer  roter 


486  Allgem.  pathoL  Morphologie  und  l'hysiologie. 

Blutkörperchen  oder  frei  werdende  Hämoglobintropfen  handelt  aus  den 
oben  angeführten  Beobachtungen,  dass  man  ihre  Entstehimg  experimentell 
an  Kaninchen-  und  Menschenblut  verfolgen  kann.  Die  scheinbare  Eigen- 
bewegung spricht  nicht  dagegen,  denn  sie  kann  bedingt  sein :  1.  durch  die 
ausserordentliche  Leichtigkeit  dieser  Gebilde,  die  durch  die  geringsten 
Flüssigkeitsströme  energisch  bewegt  werden  können ;  2.  durch  die  besondere 
chemische  Beschaffenheit  der  Tropfen.  Ebenso  wie  die  von  Pfitzner  und 
Bütschli  hergestellten  Seifenschäume  amöboide  Bewegungen  zeigen,  mögen 
die  zähflüssigen  aus  dem  Stroma  der  roten  Blutkörperchen  in  ein  wässe- 
riges Medium  gelangenden  Hämoglobintropfen  Zusammenziehungen  ihres 
Leibes  aufweisen,  die  lediglich  durch  physikaüsche  Ursachen  bewirkt  sind. 
Um  eine  Eigenbewegung  handelt  es  sich  also  nicht.  Viel  seltner,  als  die 
eben  erwähnten  Gebilde  findet  man  nun  aber  in  Carcinomen  folgende 
Veränderungen  der  roten  Blutkörperchen,  die  zuerst  von  Weintraud  be- 
schrieben wurden  und  die  er  im  ganzen  zweimal  im  Blute  von  an  schwerer 
Krebskachexie  leidenden  Individuen  gefunden  hat.  Es  sind  das  bald  rund- 
liche, bald  längliche,  bald  eckige  und  bimförmige  Gebilde,  die  mit  ausser- 
ordentlicher Lebhaftigkeit  sich  in  den  roten  Blutkörperchen  hin  und  her 
zu  bewegen  scheinen.  Schon  Weintraud  hat  bewiesen,  dass  es  sich  nicht 
um  Parasiten  handeln  kann;  sie  sind  auf  keine  Weise  färbbar,  und  sie 
schwinden  beim  Zerplatzen  und  Zerfallen  der  roten  Blutkörperchen,  während 
Parasiten  gerade  frei  werden  müssten.  Sie  sind  nach  Verfassers  Meinung 
Lücken  innerhalb  der  Blutkörperchen;  ihre  starke  Bewegung  und  Fonn- 
veränderung  erklärt  sich  durch  eine  Bewegung  des  umgebenden  Hämoglobins. 
Ein  Teil  der  intracellulären  Gebilde  Kahanes  ist  wohl  auf  die  Anwesen- 
heit dieser  Veränderung  der  roten  Blutkörperchen  zurückzuführen.  Was 
nun  die  sub  3—5  beschriebenen  Formen  anbetrifft,  so  ist  es,  da  Abbildungen 
nicht  gegeben  sind,  schwer  zu  beurteilen,  um  was  es  sich  eigentlich  handelt. 
WahrscheinUch  wird  es  sich  um  zerfallende  Leukocyten,  Endothelzellen, 
vielleicht  auch  verschleppte,  zerfallende  Krebszellen  mit  ihren  Einschlüssen 
gehandelt  haben.  Die  Formen  3a  sind  wohl  veränderte  rote  Blutkörperchen, 
die  Formen  5  Leukocyten  mit  geringer  GranuUerung;  nur  Form  4  kann 
ich  nicht  erklären,  da  ich  niemals  ähnUches  beobachtet  habe.  Was  endlich 
die  direkte  Beobachtung  der  Sporenbildung  anbetrifft,  wie  sie  oben  ge- 
scliildert  wurde,  so  können  viele  Dinge  zur  Verwechselung  Anlass  gegeben 
haben.  Es  kann  sich  um  einen  Leukocyten  gehandelt  haben,  der  in  einer 
Krebszelle  eingeschlossen  war  und  bei  dem  Zerfall  der  Zelle  austrat  und 
dann  selbst  einen  Teil  seines  Zellinhalts  (Granula)  von  sich  gab,  der  dann 
starke  Molekularbewegung  zeigte.  Jedenfalls  genügt  auch  diese  Beobachtung 
keineswegs,  um  die  Protozoennatur  dieses  einmal  gesehenen  Körpers  zu 
beweisen.  Auch  hier  ist  also  das  Resultat,  dass  bei  den  meisten  der  be- 
schriebenen   Formen    nur    Degenerationsprodukte    der    Zellen     vorlagen. 


Ätiologie  der  Carcinome.  437 

während  dies  bei  anderen  Formen  wahrscheinlich,  wenn  auch  nicht  völlig 
sicher  ist. 

Wenn  wir  uns  nun  zu  den  an  gehärteten  Objekten  gewonnenen  Be- 
funden wenden,  so  sind  Versuche,  die  intracellulären  Einschlüsse  auf 
Veränderungen  der  Zellen  und  Kerne  zurückzuführen,  im  einzelnen 
schon  von  verschiedenen  Seiten  gemacht  worden.  Von  Unna  (84)  für 
die  Hautcarcinome ,  welcher  an  denselben  2  Hauptarten  von  hyaliner 
Veränderung  unterscheidet:  1.  die  diffuse,  ungeformte  Hyalininfiltra- 
tion  und  2.  die  hyalinen ,  geformten  Gebilde.  Diese  letzteren,  die  er 
nach  den  verschiedenen  Formen,  dem  Verhalten  zum  Kern  und  ihrer 
Anordnung  in  9  verschiedene  Gruppen  einteilt,  stellen  das  Hauptkon- 
tingent zu  den  Zelleinschlüssen,  die  als  Protozoen  gedeutet  wurden. 
Török  (82,  83)  hat  nicht  ausschliesslich  an  den  Hautcarcinomen  die 
Auffassung  gewonnen,  dass  folgende  verschiedene  Dinge  Protozoen  vor- 
täuschen können:  1.  die  morphologische  Dekonstitution  nach  Pfitzner; 
2.  Pfitzners  chemische  Kemdegeneration ;  3.  Zelleinschachtelungen; 
4.  hyahne  Degeneration  der  Krebszellen;  5.  vakuoläre  Degeneration; 
6.  Einschlüsse  von  roten  und  weissen  Blutkörperchen;  7.  pathologische 
Mitosen;  8.  Russeische  Fuchsinkörperchen.  Stroebe  hat  in  seiner 
zusammenfassenden  Übersicht  noch  weitere  Zellveränderungen  angegeben, 
die  zur  Erklärung  der  Zelleinschlüsse  herangezogen  worden  sind;  und 
endhch  sei  der  Arbeit  von  Schmaus  und  Albrecht  gedacht,  welche  in 
ihren  umfassenden  Untersuchungen  über  Karryorhexis  darauf  hinwiesen, 
dass  vieles,  was  als  Carcinomparasiten  beschrieben  ist,  in  dieses  Gebiet 
gehört ;  ihre  Abbildungen  bestätigen  diese  Auffassung  durchaus  und 
geben  sogar  für  die  am  schwersten  zu  deutenden  Formen  von  Foä  be- 
friedigende Aufklärung.  Es  soll  in  folgendem  noch  im  einzelnen  der  Versuch 
gemacht  werden,  die  angeblichen  Sporozoen  auf  die  verschiedensten  Zell- 
und  Kerndegenerationen  zurückzuführen. 

Es  sind  das  1.  Kerndegenerationen  und  zwar  a)  Degeneration  der 
Kemmembran,  b)  Verquellung  und  Verklumpung  des  Chromatins  (Hyper- 
chromatose),  c)  vakuoläi*e  und  hydropische  Kerndegeneration,  d)  Karyo- 
rhexis,  e)  Karyolysis;  2.  Degenerationen  der  Kernkörperchen;  3.  Auftreten 
von  Nebenkernen;  4.  pathologische  indirekte  Kernteilungen;  a)  Absprengung 
von  Chromosomen ,  b)  Verklumpung  der  Chromatinfäden ;  5.  Degenerationen 
des  Zellprotoplasmas  und  zwar  schleimige,  kolloide,  hyaline,  hydropische 
und  vakuoläre,  sowie  pathologische  Verhomungsprozesse ;  6.  Einschluss 
roter  und  weisser  Blutkörperchen  in  Zellen;  7.  Invagination  (Einstülpung 
und  Einschachtelung)  einzelner  Zellen  in  einander;  8.  endogene  Zellneu- 
bildung und  unvollendete  Zellteilung.  Es  ist  zum  Verständnis  notwendig 
an  Beispielen  zu  zeigen,  wie  die  einzelnen  Bilder  unter  diese  verschiedenen 
Kategorieen  einzureihen  sind. 


488  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ad  1  a/  Die  Degeneration,  besonders  Anschwellung  der  Kemmem- 
bran  spielt  besonders  dort  eine  Rolle,  wo  Einschachtelungen  von  Zellen 
vorkommen ;  gerade  die  Bilder,  die  am  meisten  für  die  Sporozoen-Coccidien- 
natur  geltend  gemacht  und  als  Sporenkapseln  gedeutet  werden,  sind  auf 
derartige  Veränderungen  von  Kemmembranen  zurückzuführen.  Es  scheint 
dabei,  obgleich  sich  die  Vorgänge  nicht  mit  Sicherheit  bis  ins  Einzelne 
beurteilen  lassen,  daes  eine  Flüssigkeit  die  Kernmembran  vom  Kerne  ab- 
hebt und  dass  zugleich  die  Membran,  vielleicht  durch  Aufnahme  flüssiger 
Substanzen,  verdickt  wird.  Bilder,  wie  sieSawtschenko  (Centrbl.  f.  Bak- 
teriol.  Bd.  XII,  S.  28.  Taf.  I.  Fig.  6  a  u.  b),  Kürschsteiner  (Vireh. 
Arch.  Bd.  130.  Taf.  XII,  Fig.  3),  Burchardt  (Ebenda,  Taf.  V,  Fig.  5, 
10,  14)  u.  a.  abbilden,  sind  auf  diese  Weise  zu  erklären. 

ad  1  b  u.  c.  Degenerationen  des  Kernes  selbst.  Dieselben  sind 
verschiedenartiger  Natur  und  von  verschiedener  Bedeutung.  Verklumpung 
des  Chromatins  und  Quellung  der  chromatischen  Substanz  ist  wohl  nur 
(in  seltenen  Fällen  zur  Erklärung  heranzuziehen;  von  grösserer  Bedeutung 
erscheint  schon  die  vakuoläre  und  hydropische  Degeneration,  wobei  durch 
Auftreten  von  Lücken  der  Kern  in  unregelmässige  Abschnitte  geteilt  wird; 
ein  Teil  der  intranukleären  Gebilde  (z.  B.  bei  Sj  ob  ring)  erlangt  so  seine 
Erklärung.  Noch  wichtiger  scheint  der  Zerfall  und  die  Zerbröckelung  der 
Kerne  zu  sein.  Hierdurch  können  in  Verbindung  mit  QueUung  der  Kem- 
membran  und  Invagination  von  Zellen,  Bilder  entstehen,  die  in  der  That 
frappante  Ähnlichkeit  mit  gewissen  Entwickelungsstadien  von  Protozoen 
besitzen ;  namenüich,  wenn  der  Zerfall  mit  einer  gewissen  Regelmässigkeit 
vor  sich  geht,  entstehen  die  Bilder,  die  als  Sporulationsvorgänge  gedeutet 
worden  sind,  ad  1  d  und  e.  Der  Prozess  der  Karyorhexis  ist,  wie 
die  Untersuchungen  von  Schmaus  und  Albrecht  ergeben  haben,  mit 
den  schwersten  Formveränderungen  der  Kerne  verknüpft;  so  kommen 
namentlich  die  verschiedenartigsten  Absprengungen  von  Chromatin  vor, 
die  zur  Bildung  sichelförmiger  und  navicellenartiger  Gebilde  führen  (angebl. 
Sporen).  Die  Karyolysis,  wie  sie  Flemming  beschrieben,  bewirkt 
ebenfalls  oft  eine  fast  regelmässige  Retraktion  des  Chromatins  nach  der 
Peripherie,  Vorgänge,  die  zur  Erklärung  von  Podwyssozkis  Figuren 
16  und  17  herangezogen  werden  können. 

ad  2.  Die  Degeneration  von  Kernkörperchen,  namentlich  ihre  Ver- 
grösserung  und  ihr  Zerfall,  haben  besonders  häufig  Anlass  gegeben,  das 
Vorhandensein  von  intranukleären  Parasiten  anzunehmen.  Unter  den  Ab- 
bildungen von  Sjö bring  (Fortschr.  d.  Med.  Bd.  8.  S.  536)  ist  namentlich 
Fig.  2  und  3  b  so  zu  deuten,  auch  bei  Soudakewitsch  (Annales  de 
rinstitut  Pasteur,  Bd.  VI.  Taf.  XII)  sind  Fig.  10  und  19  durch  Zer- 
bröckelung  und  Vakuolisierung  von  Kernkörperchen  zu  erklären;  auch  die 
Beobachtungen  von  Thoma  gehören  hierher.    Ich  selbst  habe  besonders 


Ätiologie  der  Carcinome.  489 

parasitenähnliche  Gebilde  in  einem  primären  Lebercarcinom  gesehen,  die 
sicher  auf  Veränderungen  der  Kemkörperchen  zurückgeführt  werden 
konnten;  bald  hatte  sich  um  einen  Nucleolus,  bald  um  eine  Gruppe  von 
Kemkörperchen  durch  Retraktion  der  chromatischen  Substanz  und  des 
Liningerüsts  ein  kapselartiger  Raum  gebildet,  so  dass  solche  Formen  ent- 
standen, die  mit  Sporocysten  nicht  geringe  Ähnüchkeit  besitzen,  die  noch 
dadurch  erhöht  wird,  dass  diese  Kemkörperchen  sich  isoUert  vom  Kern 
färben  lassen  (bes.  mit  sauren  Anilinfarbstoffen). 

ad  3.  Was  das  Auftreten  von  Nebenkernen  anbetrifft,  so  können 
in  der  That  eine  grosse  Reihe  von  Bildern  auf  diese  Weise  erklärt  werden, 
z.  B.  bei  Podwyssozki  (Centrbl.  f.  Bakteriol.  Bd.  XI.  S.  500.  Taf.  XI) 
die  Figuren  16,  18,  23,  27,  auch  bei  Sjöbring  Fig.  4.  Doch  ist 
über  das  V^orkommen  von  Nebenkernen  beim  Menschen  zu  wenig  bekannt, 
als  dass  mit  diesem  Erklärungsversuch  viel  anzufangen  wäre.  Nach 
Eberth  (22),  der  die  Gebilde  lieber  als  Pseudokerne  bezeichnet  wissen 
will,  handelt  es  sich  um  eine  Art  Verquellung  und  Verklumpung  der  Zell- 
gerüstfäden. Es  ist  deswegen  auch  leicht  verständUch,  dass  diese  chemisch 
anders  wie  die  Kerne  zusammengesetzten  Gebilde  eine  andere  Färbung 
annehmen,  wie  die  Zellkerne. 

ad  4.  Pathologische  Kernteilungen,  besonders  Verklumpung  und 
Absprengung  von  Chromosomen,  haben  sicherlich  auch  öfters  zur  Ver- 
wechselung Anlass  gegeben,  namenthch  wenn  daneben  noch  andere, 
ruhende  oder  in  Teilung  begriffene  Kerne  in  der  Zelle  vorhanden  waren. 
So  ist  z.  B.  bei  Soüdake witsch  Taf.  XII.  Fig.  5  zu  erklären. 

ad  5.  Zweifellos  das  grösste  Kontingent  für  die  Pseudoprotozoenbilder 
liefern  die  verschiedenartigen  Degenerationen  des  Zellprotoplasmas.  Gerade 
das  Studium  dieser  Vorgänge  zeigt  auf  das  schärfste,  dass  zum  mindesten 
ein  grosser  Teil  der  als  Protozoen  gedeuteten  Gebilde  auf  solche  Verände- 
rungen des  Zellinhalts  zu  beziehen  ist.  Freilich  bleiben  immer  noch  einige 
Bildungen  übrig,  die  schwer  oder  vorläufig  gar  nicht  zu  erklären  sind. 
Am  genauesten  sind  diese  Degeneration s Vorgänge  an  den  Carcinomen  der 
Haut  von  Unna  studiert  worden,  der  sie  unter  der  nicht  sehr  glück- 
lichen Bezeichnung  der  hyalinen  Degeneration  zusammenfasst.  Diese 
Hyalinbildung  geht  meistens  innerhalb  der  Epithelien  vor  sich,  doch  kann 
auch  die  hyaline  Substanz  ausgeschieden  werden.  Die  Pseudoprotozoen- 
bilder entstehen  namentlich  dann,  wenn  nicht  eine  diffuse  HyaUninfiltration 
vorhanden  ist,  sondern  geformte,  scharf  umschriebene  hyaline  Gebilde  auf- 
treten. Gerade  die  als  Jugendformen  der  Protozoen  sowohl  beim  Carcinom, 
wie  bei  den  anderen  oben  besprochenen  Krankheiten  der  Haut  geschil- 
derten Bildungen  sind  auf  diese  Hyalinbildung  zurückzuführen.  Wenn 
diese  hyaline  Umwandlung  sich  an  bestimmte  Faserschichten  der  Haut 
anschiiesst,  so  entstehen  besonders  leicht  diejenigen  Formen,   welche   als 


490  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Sporocysten  oder  auch  als  Sarkodeformen  der  Krebsparasiten  gedeutet 
worden  sind;  bald  treten  solche  Hyalinbildungen  als  rundliche  Kluinr>en 
auf,  bald  umschliessen  sie  kreisförmig  den  Kern,  so  dass  man  denken 
könnte,  in  einer  kernlosen  Epithelzelle  läge  ein  kernhaltiger  Parasit ;  noch 
täuschender  werden  selbstverständhch  die  Bilder  werden,  wenn  in  einer 
zwei-  oder  mehrkernigen  Zelle  um  einen  oder  mehrere  Kerne  das  Proto- 
plasma sich  hyalin  umwandelt;  gehen  dann  die  Kerne  selbst  zu  Grunde 
und  verkleinern  sich,  so  können  wohl  schliesslich  solche  Bilder  entstehen, 
wie  sie  Sjöbring  auf  Taf.  IV,  Fig.  14  und  Podwyssozki  auf 
Taf.  VII,  Fig.  2  zeichnet.  Doch  können  diese  Bilder,  wie  weiter  unten 
noch  gezeigt  werden  soll,  auch  noch  anders  erklärt  werden.  Dagegen  ist 
Fig.  4  bei  Sjöbring  sicherlich  in  dieser  Weise  aufzufassen.  Legt  sich 
endlich  um  den  hyalinen  kernhaltigen  Klumpen  eine  zweite  hyaline 
Schale,  so  entstehen  die  als  Sporocysten  gedeuteten  Bilder,  am  leichtesten 
natürlich,  wenn  man  es  mit  einer  mehrkemigen  Zelle  zu  thun  hat  oder 
eine  Invagination  stattgefunden  hatte;  bleibt  dabei,  wie  es  mitunter  vor- 
kommt in  der  Peripherie  die  Epithelfaserung  erhalten,  so  bekommt  mau 
die  eigentümliche  Streifung  zu  sehen,  wie  sie  Soudake witsch  an  ver- 
schiedenen Stellen  (vergl.  bes.  Taf.  VII,  Fig.  7.  11,  14)  abbildet  und 
auch  ein  Teil  der  Beobachtungen  von  P.  Foä  (Centrbk  f .  BakterioL  Bd.  XII. 
Taf.  3.  Fig.  3  u.  7)  mag  hierher  gehören.  Jedenfalls  sind  die  Abbildungen 
von  Podwyssozki  (Taf.  VII,  Fig.  15  a  u,  b)  sicher  in  der  angedeuteten 
Weise  zu  deuten.  Schliesslich  kommt  es  auch  vor,  dass  eine  Art  von 
hyaliner  Quellung  die  p]pithelfasern  befällt,  so  dass  langgezogene  spiralig- 
gewundene  ,  keulen-  und  kaulquappenförmige  Gebilde  entstehen ,  die  bald 
auf  eine  Epithelzelle  beschränkt  bleiben,  bald,  wenn  die  Degeneration  die 
von  einer  zur  anderen  Zelle  übertretenden  Fasern  ergreift,  sich  durch 
mehrere  Zellen  erstrecken  können.  Es  kommen  dann,  vor  allem  wenn 
daneben  noch  andere  Veränderungen  der  Zellen  und  Kerne  sich  etablieren, 
die  abenteuerlichsten  Bildungen  zustande,  die  zu  den  Beobachtungen 
Korotneffs  und  Kurloffs  Veranlassung  gegeben  haben.  Endlich 
scheint  auch  ein  körniger  Zerfall  der  Epithelfasern  vorzukommen,  der 
schon  bei  geringeren  Graden  pathologischer  Verhomung  eintritt  und 
die  Granulierung  des  Protozoenleibes  vortäuscht,  die  namentUch  bei  den 
bekannten  Zelleinschlüssen  des  Epithelioma  contagiosum  geschildert  sind. 
Diese  Veränderungen  der  Carcinomepithelien  kommen  aber  nicht  niu- 
in  Hautkrebsen,  sondern  auch  in  den  Carcinomen  anderer  Organe  vor, 
wenngleich  sie  an  Hautkrebsen  am  schärfsten  ausgesprochen  sind.  Dort, 
wo  Epithelfasern  fehlen,  können  ähnliche  Gebilde,  so  auch  die  leichte 
Streifung  der  Zelleinschlüsse  durch  Veränderungen  der  Zellgranula  hervor- 
gerufen werden. 

ad  6.    Der  Einschluss  von  weissen   und  roten  Blutkörperchen,  der 


Ätiologie  der  Garcinome.  491 

Damentlich  in  älteren  und  zerfallenden  Krebsen  nicht  selten  vorkommt, 
ist  ebenfalls  geeignet  eine  Reihe  der  oben  geschilderten  Beobachtungen 
zu  erklären,  zumal  beide  Arten  von  Blutkörperchen  meistens  in  Vakuolen 
der  Zellen  liegen  und  sekundären  Veränderungen  anheimfallen.  Die  Leuko- 
cyten  zeigen  leicht  die  Veränderungen  der  Karyolysis  und  bald  gleich- 
massiger,  bald  ungeordneter  Retraktion  des  Chromatins,  so  dass  solche 
Bilder  zustande  kommen,  wie  sie  Podwyssozki  auf  Tal  VII  u.  VIII, 
Fig.  10,  17  u.  24  abbildet.  Rote  Blutkörperchen,  die  natürUch  nicht  selbst- 
ständig in  die  Zellen  einwandern  können,  werden  vor  allem  bei  der  Bildung 
mehrkerniger  Carcinomzellen  leicht  von  dem  Protoplasma  derselben  um- 
schlossen; sie  hegen  deswegen  auch  meist  von  einer  scheinbaren  Kapsel 
umgeben  und  fallen  bei  Färbung  mit  sauren  AnilinfarbstofEen  durch  ihre 
verschiedene  Färbung  auf;  sie  können  dann  leicht  für  die  Jugendstadien 
von  Protozoen  gehalten  werden. 

ad  7.  Dieser  Punkt  hat  nächst  Nr.  5  und  8  wohl  die  grösste  Be- 
deutung für  unsere  Frage.  Was  zunächst  die  Einschachtelung  und  In- 
vagination  von  Zellen  in  einander  anbetrifft,  so  spielt  dieser  Vorgang  ja 
bekanntermassen  besonders  bei  den  Plattenepithelkrebsen  der  Haut  und 
Schleimhäute  eine  grosse  Rolle,  Ribbert,  auch  Karg  und  Török 
haben  dann  neuerdings  gezeigt,  wie  gerade  durch  diese  Vorgänge  parasiten- 
ähnliche Bilder  erzeugt  werden.  In  der  That  ist  es  ja  auffallend,  dass  die 
angeblichen  Sporozoen  vor  allem  in  der  Mitte  der  sogen.  Krebsperlen  auf- 
gefunden werden.  Bei  der  Invagiuation  der  Zellen  beginnt  der  Vorgang 
damit,  dass  eine  oder  mehrere  Zellen  von  ihren  Nachbarn  umfasst  und 
schUesslich  eingeschachtelt  werden ;  dann  stülpt  sich  das  Protoplasma  einer 
Zelle  in  das  der  anderen  ein,  bis  es  schliessUch  ganz  in  die  andere  Zelle 
zu  liegen  kommt.  Dabei  gehen  eine  Reihe  von  Veränderungen  an  dem 
Protoplasma  und  dem  Kern,  auch  den  Kernkörperchen  der  eingeschlossenen 
Zellen  vor  sich,  die  zur  Bildung  rundlicher  granuUerter  Körper  führen 
können,  die  in  einer  Vakuole  der  Wirtszelle  liegen  und  dann  leicht  für 
Sporozoen  gehalten  werden  können.  Eine  grosse  Reihe  der  Abbildungen 
von  Korotneff  sind  in  dieser  Weise  zu  erklären.  Es  geUngt  aber 
bei  zweckmässiger  Untersuchungsmethodik  meist  sehr  leicht  den  Nachweis 
zu  führen,  dass  diese  Gebilde  nicht  parasitärer  Natur  sind.  Denn  fast 
immer  kann  man  —  namentlich  bei  Anwendung  der  Ben  eck  eschen  Fär- 
bung —  eine  Epithelfaser ung  nachweisen. 

ad  8.  Wenn  auch  eine  richtige  endogene  Zellbildung  nirgends  mit 
Sicherheit  nachgewiesen  ist,  so  ist  doch  die  ungleichmässige  und  unvoll- 
endete Zellteilung  von  grosser  Bedeutung.  Sie  kommt  in  allen  rasch 
wachsenden  und  stark  wuchernden  Geschwülsten  —  also  besonders  Carci- 
noraen  und  Sarkomen  —  sehr  häufig  vor  und  führt  zur  Bildung  der  ver- 
schiedenartigsten Formen  von  mehrkemigen  Zellen  und  echten  Riesenzellen. 


492  Allgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  Bilder  dann  besonders  abenteuerlich  werden  I 
müssen,  wenn  die  Grosse  der  zahlreichen  Kerne  in  einer  Zelle  grosse  Diffe- 
renzen aufweist  und  2.  an  dem  Protoplasma  regressive  Metamorphosea 
auftreten.  Es  ist  nun  besonders  auffallend,  wie  die  angeblichen  Parasiten  I 
hauptsächlich  in  sehr  grossen,  mit  äusserst  chromatinreichen  Kernen  ver- 
sehenen Zellen  vorkommen.  Cornil  hat  vor  allem  diesen  abnormen  Kern- 
bildungen und  -teilungen  in  den  Krebszellen  genaue  Aufmerksamkeit  geschenkt  i 
und  bereits  gescliildert,  wie  bei  dem  Auftreten  sehr  grosser  Mitosen,  aus  einem 
Teil  der  Schleifen  früher  ein  Kern  sich  bildet,  wie  aus  dem  Rest  des  Keru- 
filamcnts.  Man  sieht  dann  einen  grossen  Kern  in  dem  einen  Teil  des  Zell- 
protoplasmas eingeschlossen,  während  in  dem  anderen  Teile  der  Zelle 
hydropische,  traubenförmige  Kerne  oder  endlich  eine  Reihe  von  kleinen 
Kernen  liegen^).  Da  bei  diesen  ungleichmässigen  Teilungen  der  Kerne 
auch  das  Protoplasma  leiden  kann,  so  bilden  sich  um  die  sekundären  Kerne 
kleine  kapselartige  Lücken  oder  auch  Verdichtungen  des  Zellinhalts,  so 
dass  die  Bilder  entstehen,  welche  zu  der  Deutung  Veranlassung  geben 
müssen,  dass  in  einer  Wirtszelle  eine  grosse  Reihe  von  sporuUerenden 
Parasiten  liegen;  Bilder,  wie  wir  sie  bei  Podwyssozki  in  Fig.  13  uinl 
14,  bei  Sjöbring  in  Fig.  12  sehen. 

Wenn  auch  dieser  Versuch,  die  als  Carcinomprotozoen  gedeuteten  Bilder 
auf  Zellveränderungen  zurückzuführen,  nicht  vollständig  erschöpfend  ist,  in- 
dem in  der  That  Formen  übrig  bleiben,  für  die  wir  noch  nicht  ohne 
weiteres  eine  Erklärung  geben  können,  so  liegt  es  doch  auf  der  Hand, 
dass  wir  hieraus  keine  Gründe  für  die  Protozoennatur  entnehmen  können, 
sondern  im  Gegenteil  es  für  wahrscheinlich  halten  müssen,  dass  auch  die 
Gebilde,  welche  wir  vorläufig  noch  nicht  unter  bekannte  Degenerations- 
formen einreihen  können,  auf  Zellveränderungen  zurückzuführen  sein  werden. 
—  Einige  Bemerkungen  seien  hier  noch  über  die  von  vielen  Seiten  ins 
Feld  geführte  Metachromasie  gemacht. 

Die  Metachromasie,  die  von  vielen  Seiten  zum  Beweise  ins  Feld  ge- 
führt worden  ist,  ist  dazu,  wie  auch  von  einigen  Anhängern  der  Proto 
zoenätiologie  des  Krebses  (Sawtschenko)  anerkannt  wird,  durchaus  un- 
geeignet. Zunächst  bezieht  sich  die  abweichende  Färbbarkeit  von  Protozoen 
durchaus  nicht  auf  alle,  und  bei  diesen  nicht  auf  alle  Entwickelungsstadien 
und  vor  allem  nicht  auf  ihren  Kern.  Die  Sarkosporidien  z.  B.,  denen  ja 
die  Carcinomprotozoen  sehr  nahe  stehen  sollen,  besitzen  Kerne,  die  sieh 
genau  ebenso  färben,  wie  die   der  Zellen  des  Wirtes;  ebenso  färben  sicli 


1)  Es  sei  hier  aasdrücklich  bemerkt,  dass  diese  Art  der  Zellteilang  keineswegs 
spezifisch  fdr  die  Carcinome  ist,  sondern  anch  nicht  selten  bei  Sarkomen  vorkommt.  Es 
ist  deswegen  auch  nicht  verwunderlichi  dass  die  gleichen  «Sporozoen*,  wie  bei  Carcinom, 
anch  bei  Sarkomen  beschrieben  worden  sind:  vgl.  z.  B.  Pawlowski. 


Ätiologie  der  Carcinome.  493 

auch  die  Kerne  des  Coccidium  oviforme,  wenn  die  Färbung  im  gehärteten 
Präparate  überhaupt  gehngt,  genau  ebenso  wie  die  der  GallengangsepitheUen, 
freihch  meist  etwas  schwächer.     Nur  der  Zellinhalt ,  der  allerdings  oft  am 
meisten  auffällt ,  zeichnet  sich  in  bestimmten  Entwickelungsstadien  durch 
seine  Affinität  zu  sauren  Anilinfarbstoffen  aus,   was  von  dem  Gehalt  an 
Paraglykogen  herrührt.     Aber  die  Körner,   die  z.  B.   auch  bei  Klossia 
reichhch  vorhanden  sind  und  auch  bei  Myxosporidien  vorkommen,  wie  ich 
namentlich  in  der  Froschniere  beobachtet  habe,  sind  keineswegs  charakte- 
ristisch für  die  Protozoennatur;  denn  sie  finden  sich  oft  sogar  in  gleicher 
Anordnung  in  Leukocyten   und  Bindegewebszellen   des  Wirtstieres.     Die 
Metachromasie,    die    von    den    verschiedenen    Autoren    in    den   Pseudo- 
protozoen  der  Carcinome  beschrieben  wird,   ist  aber  viel  mannigfaltiger, 
als  wir   sie  bei  irgend   einer  Form  von  gut  gekannten  Protozoen  sehen; 
sie  ist    ebenso   mannigfaltig,    wie  irregulär;    sie  ist   tliatsächlich   aber   in 
ihrer    Mannigfaltigkeit    nur    auf    folgende    Weise    zu    erklären.      In    den 
Kernen   der  verschiedenen  Zellen  sind  eine  Reihe  von  verschiedenen  che- 
mischen Körpern  vorhanden,    deren  verschiedene   Färbbarkeit   durch   die 
Untersuchungen  von  Kossei,  Posner  und  Lilienfeld  festgestellt  worden 
sind.     Die  Kemsubstanz —  Nukleohiston —  besteht  aus  Nu  kl  ein,  einem 
Phosphorproteine  und  Histon,    einem  Albuminate;    das  Nuklein   zerfällt 
wieder  in  Nukleinsäure  und  in  Albumin.     Bei  Färbung  dieser  Körper  mit 
der  Ehr  lieh  sehen  oder  Bio  ndi  sehen  Triacidlösung  —  und  diese  oder  ähn- 
liche Lösungen  wurden   ja  gerade  bei  den  Untersuchungen  über  die  Car- 
cinomparasiten  mit  Vorhebe  angewendet  —  zeigt  es   sich  nun,    dass    das 
Histon  röthch  gelb,  das  Nuklein  blau  und  die  Nukleinsäure  grün  gefärbt 
wird.     Weiter  sind  aber  in  dem  Zellinhalte  der  verschiedensten  Zellen  — 
schon  unter  normalen,  vor  allem  aber  unter  pathologischen  Verhältnissen  — 
Substanzen  vorhanden,    die  ebenfalls  eine   sehr   verschiedene  Affinität  zu 
den  basischen  und  sauren  Farbstoffen  besitzen.    Endlich  ist  es  lange  be- 
kannt,   dass  die  Kemkörperchen    eine  viel    grössere  Affinität   zu   sauren 
Anilinfarbstoffen  besitzen,  wie  die  Kerne.    Auf  Grund  dieser  Auseinander- 
setzungen ist  es  bereits  klar,   dass  bei  pathologischen  Veränderungen  der 
Kerne  und  Kemkörperchen,  die  ja  mit  chemischen  Alterationen  verbunden 
sind,  die  mannigfaltigsten  und  inkonstantesten  Metachromasieen  eintreten 
müssen.     Erhöht   kann   dies   noch  werden,    wenn   kolloide,   hyaüne   und 
schleimige  Degenerationen    am  Zellprotoplasma  auftreten,   die  wiederum 
ein  verschiedenartiges  Verhalten   zu  Farbstoffgemischen   zeigen.    Das  Er- 
gebnis dieser  Untersuchungen  über  die  Metachromasie   kann    daher  nur 
sein,  dass  sie,  weit  entfernt  die  Protozoennatur  der  metachromatischen  Körper 
zu  beweisen,  geradezu  den  umgekehrten  Wahrscheinlichkeitsbeweis  liefert, 
dass  es  sich  um  die  verschiedenartigsten  Degenerationsvorgänge  der  Zellen 
handelt. 


494  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Aus   allen   diesen    Gründen    kommen   wir    zu    dem  Ergebnis,  dass 

I.  die  Protozoennatur  der  in  Carcinomen  beschriebenen  Ge- 
bilde keineswegs  bewiesen,  vielmehr  ihre  Entstehung  durch 
die  verschiedensten  Zell-,  Kern-  und  Kernkörperchen-Dege- 
nerationen  der  Hauptsache  nach  sicher  gestellt  ist,  dass  2.  bis 
jetzt  noch  keine  Analogieen  dafür  vorliegen,  dass  durch  Proto- 
zoen epitheliale  Tumoren  entstehen  können  und  3.  eine  Reihe 
von  Gründen  allgemein-pathologischer  Natur  überhaupt  da- 
gegen sprechen,  dass  die  Krebsentwickelung  direkt  auf 
Wirkung  parasitärer  Organismen  beruht.  —  Unter  solchen  Um- 
ständen wird  man  wohl  nicht  eher  zu  einem  andern  Urteil  kommen  können, 
als  bis  zum  mindesten  an  frischen  Objekten  lebende  Organismen  gefunden 
sind,  deren  Entwickelungsgang  in  einwandsfreier  Weise  sowie  unter  Zuhilfe- 
nahme verschiedener  Objekte  dargelegt  ist.  Dass  natürlich  durch  gelungene 
Züchtungen  und  Übertragungen  noch  sicherer  ein  Beweis  erbracht  werden 
könnte,  ist  selbstverständlich;  aber  ich  halte  es  für  zu  weit  gegangen,  derartige 
Züchtungen  unbedingt  zu  verlangen,  da  es  sicher  imgemein  schwierig  und 
vielleicht  unmöglich  ist,  eine  Vermehrung  parasitärer  Protozoen  ausserhalb 
des  Tierkörpers  zu  erzielen. 

jj)   Allgemeine    und  lokale  Disposition. 
Litteratur. 

1.  Abesser,  Inaug.-Dissert.  1887. 

2.  Benecke,  F.  W.,  Die  anatom.  Grundlagen  der  Konstitutionsanomalieen. 

3.  Benecke,  R.,  Neuere  Arb.  zur  Garcinomlebre.    Scbmidts  Jahrb. 

4.  Buch  er,  Beitr.  zur  Lehre  vom  Carcinom.    Ziegl.  Beitr.  Bd.  14.  1893. 

5.  Hanser  a.  a.  0. 

6.  Kalte nbach,  Doppeltes  Tubencarcinom.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1889.  Nr.  25. 

7.  Löhlein,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1889.  Nr.  25. 

8.  Paget  a.  a.  0. 

9.  Pfannenstiel,  Über  das  gleichzeitige  Auftreten  von  Carcinom  am  Collum  und  am 
Körper  des  Uterus.    Ctbl.  f.  Gynftkol.  Bd.  16.  Nr.  43. 

10.   Podrouzök,  Prag.  med.  Wochenschr.  1887.  Nr.  14. 

II.  Schimmelbusch,  Über  multiples  Auftreten  prim.  Carcinome.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie 
1889.  Bd.  39.  Heft  4. 

12.  Virchow,  Die  krankhaften  Geschwülste. 

13.  Wagner,  E.,  Die  Krankheitsanlage.    Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  43. 

14.  Zeiss,  Carcinom  des  Labium  minus,   der  Portio  vaginalis  und  der  Mamma.    Ctbl.  f. 
Gyn&k.  Bd.  XVI.  Nr.  40. 

Seitdem  Virchow  (12)  in  seinem  grundlegenden  Geschwulstwerke 
den  auch  für  das  therapeutische  Vorgehen  so  bedeutsamen  Gedanken  ver- 
treten hatte,  dass  auch  die  Krebskrankheit  nur  eine  lokale  Erkrankung 
darstellt  und  die  Allgemeinerseheinungen  nur  Folgen  der  lokalen  Zellor- 
krankung  sind,  ist  die  Auffassung  von  einer  besonderen  Disposition  für 


Ätiologie  der  Carcinome.  495 

Krebserkrankung  immer  mehr  in  den  Hintergnmd  gedrängt  worden.     Die 
Lehre  Rokitanskys  von  der  Ausschliessung  zwischen  Krebs  und  Tuber- 
kulose   beruhte    bekanntlich  auf   der  humoralpathologischen   Vorstellung, 
dass  beide  Krankheiten  einer  verschiedenen  Dyskrasie  ihren  Ursprung  ver- 
danken.   Die  Versuche,  diese  Lehre  ins  Cellularpathologische  zu  übertragen, 
sind    bis  jetzt  nicht  gerade  sehr  glücklich  gewesen.     F.  W.Ben  ecke  (2) 
glaubte,    dass  Individuen   mit  weitem  Aortensystem  für  Carcinom,  solche 
mit  engem  für  Tuberkulose  disponiert  sind.    Andere  Autoren,  wie  Paget 
(8)   sprechen  von  einer  Neigung  des  Blutes,  krebsiges  Material  zu  bilden; 
Bailance  und  Shattock,  v.  Esmarch,  Gross  nehmen  allgemein  eine 
gewisse  Prädisposition  der  Gewebe  an,  ohne  den  Versuch  zu  machen,  diese 
Disposition  näher  zu  bestimmen.   Hauser  (5)  hält  eine  Disposition  für  mög- 
lich, hebt  aber  hervor,  dass  sie  uns  ihrem  Wesen  nach  völlig  unbekannt 
sei.    E.  Wagner  (13)  hat  ebenfalls  ausgeführt,  wie  wenig  Positives  bisher 
der  Lehre  von  den  Konstistutionsanomalien  zu  Grunde  liegt  und  meint  viel- 
mehr, dass  eine  Gesamtheit  von  einzelnen  Momenten  in  Betracht  kommt, 
von  denen  er  eine  Reihe  anführt.    R.  Be necke  (3)  hält  an  der  Bedeutung 
der  Allgemeindisposition  fest  und  versteht  darunter  die  biologische  Leistungs- 
fälligkeit der  Gesamtsumme  der  Zellen,  deren  Ausdruck  wir  in  dem  Masse 
der  Reaktion  gegen  die  eine  Krankheit  verursachenden  Momente,  in  ihrem 
leichteren  oder  schwereren  Erkranken  etc.  erblicken.     Er  giebt  ferner  zu, 
dass  es  vorläufig  unmöglich  sei,  die  Lehre  seines  Vaters  anzuerkennen,  da 
der  Durchmesser   der  Aorta    kein    genügend    sicheres  Kriterium   für  die 
Gesamtleistung  der  Zellen  darstellt.  —  Ich   glaube,    es  kommt  noch  der 
weitere  wichtige  Punkt  hinzu,  dass  die  Weite  der  Blutgefässe  von  sehr  vielen 
Faktoren  abhängig  ist  und  die  Weite,  welche  wir  bei  der  Sektion  eines  an 
Krebs  oder  Tuberkulose  verstorbenen  Individuums  finden,  durchaus  nicht 
der  ursprünglichen  Weite  zu  entsprechen   braucht.  —  Für  die  Frage,  ob 
eine  allgemeine  carcinomatöse  Disposition  vorausgesetzt  werden  muss,  sind 
auch  die  Beobachtungen  über  multiple  Carcinome  zu  verwerten.    Man  hat 
die  relative  Seltenheit  solcher  Vorkommnisse  gegen  die  Dispositionslehre 
augeführt;  aber  thatsächüch  ist  das  doch  nur  möglich  gegenüber  der  humoral- 
pathologischen Lehre;  während  ja  die  neuere  Auffassung  die  Dispositions- 
lehre nur  insoweit  verwertet  wissen  will,  um  zu  erklären,  warum  nach  schein- 
bar gleichen  chronischen  Reizen  das  eine  Mal  ein  Carcinom  sich  entwickelt, 
das  andere  Mal  nicht     Von  solchen  mehrfachen  Carcinomen  kommen  nun 
allerdings  diejenigen  nicht  in  Betracht,  welche  nur  als  Impfcarcinome  auf- 
zufassen  sind,   wie   Schimmelbusch   (11),  Bucher  (4),  Hauser   und 
Pfannenstiel  (9)  neuerdings  welche  beschrieben  haben,  sondern  nur  die- 
jenigen verdienen  Berücksichtigung,  welche  völlig  unabhängig  von  einan- 
der entstehen.     So  hat  Abesser  (1)  neben  einem  Plattenepithelkrebs  der 
Zunge  ein  Cylinderzellencarcinom  des  Jejunum  beobachtet.    Podrouzök 


496  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

(10)  fand  neben  Cylinderzellenkrebs  des  Magens  ein  Carcinoma  gelatinosum 
des  Coecum;  Löhlein  (7)  bei  doppelseitigem  Ovarialkrebs  ein  primäres 
Drüsencarcinom  der  Uterusschleimhaut;  Kaltenbach  (6)  berichtet  über 
doppelseitiges  Tubencarcinom;  Zeiss  (14)  teilt  sogar  einen  Fall  mit,  der 
vielleicht  als  dreifaches  Carcinom  angesehen  werden  kann;  bei  einer  i% 
jährigen  Frau  entwickelte  sich  drei  Jahre  nach  der  recidivfreien  Entfernung 
eines  Kankroids  der  grossen  Schamlippe  ein  Carcinom  der  Brustdrüse,  zu 
dem  sich  nach  weitereu  zwei  Jaliren  ein  inoperables  Carcinom  der  Portio 
uteri  gesellt  hatte.  Mandry  hat  eine  Reihe  von  voneinander  unabhängiic 
entstandenen  Hautcarcinomen  beschrieben.  —  Ich  selbst  habe  ebenfalls  eine 
Reihe  von  doppelten  Carcinomen  beobachtet,  die  demnächst  von  einem 
meiner  Schüler  näher  beschrieben  werden  sollen,  und  von  denen  das  Fol- 
gende prinzipielles  Interesse  darbietet.  Bei  einem  Manne  sass  im  Ösophagus 
in  der  Höhe  der  Bifarkation  ein  grosses  cirkuläres  carcinomatöses  Ge- 
schwür (verhornender  Plattenepithelkrebs);  im  Magen  dicht  an  der  Cardia 
ein  breiter,  lappiger,  in  der  Mitte  etwas  zerfallener  Tumor,  der  sich  mikro- 
skopisch als  ein  typisches  Carcinoma  adenomatosum  ergab.  Man  könnte 
durch  solche  Fälle  dazu  verführt  werden,  die  Dispositionslehre  in  der  Weise 
festzuhalten,  dass  man  annimmt,  dass  zwar  nicht  die  erste  Anlage,  aber 
das  destruierende  Wachstum  der  Carcinome  von  einer  allgemeinen  Dispo- 
sition abhängig  ist;  indem  man  die  Auffassung  vertreten  könnte,  dass  die 
in  Lymphspalten  vordringenden  und  zu  Metastasen  Anlass  gebenden  Zellen 
nur  deswegen  nicht  zerstört  werden,  weil  die  normale  Resorptionsfähigkeit 
des  Körpers  herabgesetzt  ist.  —  Inwiefern  sonst  allgemeine  Momente  (Nali- 
rung,  Klima,  Stand  etc.)  von  Wichtigkeit  für  das  Auftreten  des  Carcinoms 
sind,  ist  noch  sehr  wenig  erforscht.  Die  Auffassung  F.  W.  Ben  eck  es, 
dass  bei  einem  Überschuss  der  Säfte  an  stickstofBialtigen  Bestandteilen  und 
phosphorsauren  Salzen  Disposition  für  Carcinom  bestehe,  ist  wohl  kaum 
haltbar;  Haus  er  weist  z.  B.  darauf  hin,  dass  Hautkrebse  besonders  häufig 
bei  Landleuten  und  Proletariern  vorkommen,  bei  denen  Fleisch  nicht  zu 
den  täglichen  Speisen  gehört  und  von  einer  üppigen,  an  Proteinsubstauzen 
reichen  Nahrung  keinesfalls  die  Rede  sein  kann.  Hendley  führt  an,  dass 
nach  seinen  Beobachtungen  an  Indiern  unter  102  Krebskranken  61  aus- 
gesprochene Vegetarianer  gewesen  sind.  Haeberlin  hat  für  die  Eut- 
wickelung  des  Magenkrebses  weder  einen  Einfluss  der  Ernährung,  noch 
des  Berufes  oder  Standes  oder  der  Jahreszeiten  feststellen  können;  Steiner 
giebt  dagegen  für  den  Zungenkrebs  an,  dass  er  in  70*^/o  aller  Fälle  bei  den 
Angehörigen  der  besseren  Stände  gefunden  wird;  Erichsen  behauptet, 
dass  Krebs  in  kalten  Gegenden  unbekannt,  in  heissen  wenig  bekannt,  in 
den  Ländern  der  mittleren  Zone  am  häufigsten  sei.  —  Doch  sind  alle  diese 
Dinge  noch  sehr  wenig  erforscht.  —  Auch  Fiessinger  behauptet,  dassiin 
hohen  Norden  und  Süden  der  Krebs  selten  sei  und  ein  gewisser  Einfluss 


Ätiologie  der  Carcinome.  497 

des  Wassers  auf  Verbreitung  der  Krankheit  nachweisbar  sei.  Was  die 
Organdisposition  anbetrifft,  so  ist  es  auffallend,  dass  namentlich  die  Carci- 
nome des  Ovariuras  so  häutig  doppelseitig  auftreten,  so  dass  man  fast  von 
einer  Systemerkrankung  sprechen  könnte;  so  berechnet  z.  B.  Pf  an  neu- 
st iel  für  das  papilläre  Carcinoma  adenomatosum  des  Ovariums  68,4®/o 
doppelseitiges  Auftreten.  —  R.  Benecke  hat  die  Vermutung  ausgesprochen, 
dass  auch  die  örtliche  Disposition  der  einzelnen  Körperteile  mit  den  ört- 
lichen Verschiedenheiten  der  Aufgabe  und  Leistung  zusammenhängen  könne. 
Chronischen  Reizungen  gegenüber  wären  sicher  die  Epithelien  verschiedener 
Stellen  ganz  verschieden  beanlagt,  der  Hand-  und  Fussrücken  anders  als 
Handteller  und  Fusssohle;  der  unbewegliche  Epithelbelag  des  Gaumens 
anders  als  das  Epithel  der  leicht  bewegUchen  Zunge.  Es  ist  daher  inter- 
essant, festzustellen,  dass  sich  traumatisch  veranlasste  Krebse  gerade  an 
jenen,  vielleicht  weniger  erregbaren  Stellen  ausserordentUch  selten  ent- 
wickeln, obgleich  sie  doch  gerade  wiederholten  Reizen  und  Traumen  beson- 
ders ausgesetzt  sind. 

^)  Umwandlung  gutartiger  Neubildungen  in  Carcinome 

Litter  atur. 

1.  Bardenhener,  Seltene   Fonnen   von    multiplen   Drüaenwncherangen    der  gesamten 
Dickdarm-  u.  Rektalschleimhaut  neben  Carcinoma  recti.  Arch.  f.  klin.  Ghir.  Bd.  41.  1891. 

2.  Ehrendörfer,  Die  primäre  carcinomatdse  Degeneration  der  Fibromyome  des  Uteras. 
Ctbl.  f.  Gynftkol.  Bd.  16.  Nr.  27. 

8.  Fränkel,  B.,  Der  Kehlkopfkrebs,  seine  Diagnose  und  Behandlung.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  1890.  Nr.  1—4. 

4.  Franke,  Beitrag  zur  Geschwulstlehre.     Virch.  Arch.  Bd.  121.  S.  187. 

5.  Häuser  a.  a.  0. 

6.  Derselbe,  Über  Polyposis  intestinalis  adenomatosa  und  deren  Beziehungen  zur  Krebs- 
entwickelung.   Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  55.  S.  429. 

7.  Klebs,  Die  allgera.  Patfaol.  Bd.  II. 

8.  Lubarsch,  Virch.  Arch.  Bd.  111. 

9.  Pfannenstiel,  Ober  die  papillären  Geschwülste  des  Eierstocks.  Arch.  f.  Gynäkol. 
Bd.  48. 

10.  Pomorski,  Ztschr.  f.  Geburtsh.  Bd.  16. 

11.  Rapok  a.  a.  0. 

12.  Ribbert,  Virch.  Arch.  Bd.  141. 

13.  Schafstein,  Ober  einen  Fall  von  Mammakrebs  mit  Knochenmetastasen.  Dissertat. 
München  1889. 

14.  Seeger,  Solide  Tumoren  der  Ovarien.    Diss.  München  1889. 

15.  Semon,  F.,  Die  Frage  des  Übergangs  gutartiger  Kehlkopfgeschwülste  in  bösartige  etc. 
A.  Hirschwald.  Berlin  1888;  femer  Intra-laryngeal  surgery  and  malignant  disease  of 
larynx.     Brit.  med.  joum.  4.  15.  Juni  1887. 

16.  Thost,  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1888.  Nr.  34. 

17.  Volkmann  a.  a.  0. 

Ob  gutartige  Neubildungen  sich  in  Carcinome  umwandeln  können 
ist  eine  Frage,  die  sehr  verschieden  beantwortet  ist.   Nicht  wenig  Autoren 

Lubarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  32 


498  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

betrachten  es  als  völlig  bewiesen,  dass  eine  krebsige  Umwandlung  gut- 
artiger Neubildungen  vorkommt;  insbesondere  sollen  einfache  Polypen  und 
Papillome  leicht  „krebsig*'  degenerieren,  wie  z.  B.  Klebs  (7)  annimmt. 
Auch  Ribbert  (12)  spricht  von  Schleimhautpolypen,  „deren  Übergang  in 
Carcinome  bekanntlich  nicht  selten  ist".  Cohn  hat  von  den  papillären 
Adenomen  des  Eierstocks  sogar  behauptet,  dass  sie  ausnahmslos  in  gewisser 
Zeit  krebsig  entarten  müssten.  Rapok  (11)  glaubt  feststellen  zu  können, 
dass  sich  unter  309  Gesichts-  und  Lippenkrebsen  182  aus  Warzen  ent- 
wickelten, während  Volk  mann  (17)  doch  nur  llmal  unter  223  Fällen 
von  Extremitätenkrebs  eine  Entwickelung  aus  angeborenen  Malern  fest- 
stellen konnte.  Dass  aber  eine  carcinomatöse  Entartung,  nach  allem,  was 
wir  in  Kapitel  1  und  2  auseinandergesetzt  haben,  überhaupt  nur  für  epi- 
theliale Tumoren  diskutierbar  ist,  sei  gegenüber  Ehrendorf  er  (2)  be- 
merkt, welcher  primäre  carcinomatöse  Entartung  von  Uterusmvomen 
beobachtet  haben  will.  Andere  Autoren  halten  dagegen  eine  Umwand- 
lung von  gutartigen  epitheüalen  Neubildungen  in  Carcinome  für  sehr 
selten  oder  überhaupt  noch  nicht  für  völlig  bewiesen.  Schaf  st  ein  (13) 
giebt  an,  dass  unter  989  Fällen  von  Mammakrebsen  23  aus  Adenomen 
entstanden  waren  =  2,3 °/o,  Thost  (16)  hält  den  Übergang  von  Kehl- 
kopfspapillomen  in  Carcinome  zwar  für  möglich,  aber  jedenfalls  für  sehr 
selten;  B.  Fränkel  (3)  meint,  dass  t'bergangsformen  von  Papillomen  zu 
Krebsen  vorkommen,  die  aber  auch  nur  Ausnahmebefunde  darstellen. 
Pfannenstiel  (9)  will  zwar  nicht  leugnen,  dass  eine  carcinomatöse  Degene- 
ration von  Ovarialadenomen  vorkommen  kann,  er  weist  aber  darauf  hin, 
dass  das  jedenfalls  viel  seltner  ist,  als  angenommen  wird  und  viele  papilläre 
Ovarialadenome  viele  Jahre  lang  bestehen  bleiben,  ohne  jemals  eine  krebsige 
Veränderung  aufzuweisen.  Am  eingehendsten  ist  die  Frage  jedenfalls 
durch  die  von  Semon  angeregte  Sammelstatistik  für  die  Kehlkopfstumoreu 
untersucht  worden.  Hier  ergab  sich  nach  den  Angaben  der  befragten 
Ärzte,  dass  unter  10774  Fällen  überhaupt  nur  45mal  ein  scheinbarer  Über-  , 
gang  in  Carcinome  stattgefunden  hat.  Semon  (16)  weist  im  einzelnen  nach,  i 
dass  von  diesen  45  Fällen  noch  33  Fälle  zweifelhaft  sind,  so  dass  nur  12  ' 
einigermassen  sichere  Fälle  übrig  bleiben;  aber  auch  bei  diesen  möchte 
ich  noch  einige  Zweifel  nicht  unterdrücken,  zumal  mehrfach  die  histologischen 
Angaben  zweifelhaft  sind  und  auch  die  Untersuchung  der  zur  Probe  exci- 
dierten  Stücke  nur  einmal  vorgenommen  wurde.  In  dieser  Beziehung  ist 
der  Fall  von  Semon  sehr  lehrreich,  indem  er  in  einem  zuerst  entfeniteu 
Stück  eines  Stimm  bandtumors  das  mikroskopische  Bild  einer  gutartigen 
Warze  fand,  während  in  einem  5  Tage  später  excidierten  Stück  das  deut- 
liche Bild  des  Kankroids  vorhanden  war.  Man  wird  nach  den  Ergebnissen 
dieser  Sammelforschung  die  Umwandlung  gutartiger  Kehlkopfstumoren  in 
Carcinome  zum  mindesten  für  eine  excessive  Seltenheit  erklären  müssen. 

I 


Ätiologie  der  Carcinome.  499 

Auch  bei  anderen,  einzelnen  Mitteilungen,  wie  denen  vonPomorski  (10) 
und  Seeger  (14)  (Umwandlung  einer  Dermoidcyste  in  Carcinom),  femer 
den  Fällen  von  Franke  (4),  wo  sich  bei  einem  4()iährigen  Manne  2  Athe- 
rome in  Carcinome  umgewandelt  haben  sollen,  ist  deswegen  immer  noch 
ein  Zweifel  gestattet,  weil  die  histologischen  Beschreibungen  nicht  genau 
genug  sind;  bei  der  Kombination  der  Dermoidcysten  mit  Carcinom  ist  ja 
eine  genaue  histologische  Untersuchung  besonders  notwendig. 

Wenn  wir  von  einem  allgemeinen  Standpunkt  aus  ein  Urteil  über 
die  Umwandlungsfrage  abgeben  wollen,  so  können  wir  weder  zu  einem 
rund  bejahenden  noch  zu  einer  verneinenden  Antwort  kommen.  Hierüber 
würde  man  erst  dann  a  priori  ein  Urteil  fällen  können,  wenn  wir  über 
das  Wesen  und  die  Ursachen  der  krebsigen  Neubildungen  besser  aufge- 
klärt wären ,  als  das  bisher  der  Fall  ist.  So  können  wir  nur  sagen ,  dass 
man  die  Möglichkeit  einer  derartigen  Umwandlung  zugeben  muss,  vom 
Standpunkt  jeder  Theorie,  die  bisher  für  die  Krebsbildung  aufgestellt  ist. 
Gleichviel  ob  man  chronische  Reizwirkung,  besondere  Disposition  oder 
Mikroorganismen  als  das  wesentlichste  ätiologische  Moment  ansieht,  immer 
werden  wir  es  dann  für  möglich  halten  müssen,  dass  diese  besonderen 
Momente  auch  auf  eine  bereits  bestehende  epitheliale  Neubildung  einwirken ; 
und  so  würde  es  sicherlich  verkehrt  sein,  a  priori  die  Möglichkeit  einer 
derartigen  Umwandlung  abzulehnen.  Anders  verhält  es  sich  aber  mit 
unserem  Urteil  im  einzelnen  Fall.  Hier  müssen  mehrere  Punkte  berück- 
sichtigt werden.  Pfannenstiel  hat  mit  Recht  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  jedes  Carcinom  mit  gewahrtem  Drüsentypus  notwendigerweise 
ein  Stadium  durchmachen  muss,  in  dem  es  einem  Adenom  gleicht ;  da  das 
Hauptoharakteristikum  für  die  carcinomatöse  Beschaffenheit  das  schranken- 
lose Wachstum  und  der  Durchbruch  der  physiologischen  Grenzen  ist, 
können  wir  in  einem  bestimmten  Stadium  —  selbst  unter  Zuhilfenahme 
der  feinen  histologischen  Strukturen  —  nicht  entscheiden,  ob  ein  Tumor 
noch  adenomatös,  oder  bereits  bösartig,  carcinomatös  ist.  Das  beste  Bei- 
spiel hierfür  bieten  ja  die  metastasierenden  Adenome  der  Schilddrüse, 
welche  in  ihrem  histologischen  Bau  durchaus  mit  gutartigen  Adenomen 
übereinstimmen,  sich  biologisch  aber  genau  wie  Carcinome  verhalten.  Wie 
lange  sich  nun  ein  Carcinom  in  dem  adenomatösen  Stadium  halten  kann, 
wie  lange  es  überhaupt  dauert,  bis  es  die  physiologischen  Grenzen  durch- 
bricht, das  zu  beurteilen  fehlen  uns  bisher  alle  Anhaltspunkte  und  auch 
aus  der  Grösse  können  wir  nicht  ohne  weiteres  auf  ihr  Alter  schliessen, 
zumal  die  Schnelügkeit  des  Wachstums  auch  von  Nebenumständen  ab- 
hängig sein  kann  imd  jedenfalls  nicht  in  allen  Organen  die  gleiche 
ist.  Wissen  wir  doch,  dass  manche  Carcinome  in  wenigen  Monaten  zu 
mächtiger  Grösse  heranwachsen  und  zum  Tode  führen,  während  in  anderen 
Fällen  sich  die  Krebskrankheit  auf  10,  15,  18  Jahre  (Billroth)  hinzieht; 

32* 


500  AUgem.  pathol.  Morphologie  and  Pathologie. 

ja  Williams  beschreibt  sogar  einen  Fall  von  Ulcus  rodens,  in  dem  sich  die 
Erkrankung  vom  14. — 36.  Lebensjahre,  also  22  Jahre  hinzog.  In  anderen 
Fällen  sehen  wir,  dass  auch  ganz  kleine  Tumoren  bereits  deutUch  carei- 
nomatös  sind  und  nicht  mehr  mit  einem  adenomatösen  oder  papilloma- 
tosen  Tumor  verwechselt  werden  können;  vgl.  z.  B.  den  von  mir  oben  er- 
wähnten Fall  eines  knapp  linsengrossen  Ileumkrebses.  Wenn  man  also 
Fälle  zu  Gesicht  bekommt,  in  denen  ein  exstirpierter  Tumor  die  Struktur 
eines  Adenoms  besass  und  nach  einiger  Zeit  an  der  gleichen  Stelle  eine 
carcinomatöse  Neubildung  entsteht,  so  wird  man  wohl  berechtigt  sein,  auch 
den  ersten  Tumor  für  das  noch  adenomatöse  (oder  papillomatöse)  Stadium 
eines  Carcinoms  zu  erklären.  Aber  selbst  wenn  man  einen  langsam  wach- 
senden Tumor  beobachtet,  der  mit  allen  klinischen  und  anatomischen 
Eigenschaften  des  Adenoms  ausgestattet  ist  und  eine  solche  Neubildung 
nach  einiger  Zeit  den  anatomischen  und  klinischen  Charakter  ändert  und 
carcinomatös  wird,  bleibt  noch  die  Auffassung  übrig,  dass  es  sich  von 
vornherein  um  eine  carcinomatöse  Neubildung  gehandelt  hat,  bei  welcher 
nur  das  Durchgangsstadium  ungewöhnlich  lange  dauerte.  Ich  will  kemes- 
wegs  für  eine  solche  Auffassung  eintreten;  aber  sie  ist  so  lange  möglicli. 
als  wir  noch  nichts  Bestimmteres  über  das  Wesen  des  Carcinoms  wissen. 
Alle  diese  Erwägungen  kommen  namentlich  in  Betracht  bei  den  inter- 
essanten Fällen  von  multiplen  adenomatösen  Dickdarmpolypen,  kombiniert 
mit  Rektumcarcinom ,  wie  sie  Barden  heuer  (1)  und  Hauser  (6)  be- 
schrieben haben  und  wozu  wohl  auch  ein  von  Lubarsch  (8)  beschriebener 
Fall  gehört.  In  diesen  3  Fällen,  wozu  noch  2  von  Hauser  bereits  früher 
kurz  erwähnte  Fälle  gehören,  bandelte  es  sich  um  ausserordentüch  zahl- 
reiche, warzige  und  polypöse  Wucherungen  der  Dickdarmschleimhaut, 
(nur  in  einem  Falle  von  Hauser  und  den  von  Lubarsch  waren  auch 
vereinzelt  Neubildungen  im  Dünndarm  vorhanden)  neben  denen  Carcinome 
des  Rektum  vorhanden  waren  (nur  in  dem  Fall  von  Lubarsch,  bei  einem 
ö2 jährigen  Mann,  war  noch  kein  ausgesprochenes  Rektumcarcinom  vor- 
handen; wohl  aber  fand  sich  im  Rektum  ein  viel  grösserer,  mächtigerer 
Polyp  mit  breiter  Basis,  der  bei  mikroskopischer  Untersuchung  zahlreiche 
atypische  Epithelwucherungen  darbot  und  bereits  stellenweise  der  Mem- 
brana propriä  entbehrte;  mögUcherweise  also  ein  beginnendes  Carcinoni 
gewesen  ist).  Hauser  hat  nun  besonders  eingehend  auseinanderge- 
setzt, inwiefern  sich  diese  multiplen  Polypen  von  den  auf  entzündlicher 
Basis  entstandenen,  vereinzelt  auftretenden  Darmpapillomen  unterscheiden: 
1.  verhält  sich  das  Schleimhautbindegewebe  völHg  passiv;  2.  zeigen  die 
einfachen  schlauchförmigen  Drüsen  des  Dickdarms,  Ausbuchtungen  und 
Seitensprossen,  wodurch  kompHziertere ,  verzweigte  Drüsenkomplexe  ent- 
stehen, und  schliesslich  auch  das  Epithel  mehrschichtig  wird;  3.  endlich 
nimmt   das  Epithel   stellenweise    völhg   polymorphen  Charakter    an  und 


Metastasen  und  Recidive.  501 

zeigt  nirgends  Schleimbildung.  Es  haben  also  die  Zellen  ihre  physio- 
logische Funktionsfähigkeit  zugleich  mit  den  morphologischen 
Veränderungen  verloren;  während  es  sich  bei  den  gewöhnlichen  Schleim- 
hautpolypen um  einfache  Drüsenhypertrophieen  mit  Erhaltung  oder  selbst 
Steigerung  der  physiologischen  Funktion  handelt.  Über  das  Verhältnis, 
das  zwischen  diesen  atjrpischen  Polypen  und  dem  Krebs  steht,  ist  eine 
Entscheidung  so  leicht  nicht  herbeizuführen.  Hauser  hat  selbst  die 
Frage  erörtert,  ob  nicht  die  zahlreichen  atypischen  Polypen  bereits  als 
beginnende  Carcinome  betrachtet  werden  müssten ;  diese  Ansicht  aber  des- 
wegen abgelehnt,  weil  nach  allem,  was  w4r  bisher  wissen,  die  Existenz 
einer  so  ungeheuren  Anzahl  primärer  Krebse  wenig  Walirscheinliches  für 
sich  hat;  femer  nirgends,  auch  bei  den  grösseren  Polypen  nicht,  ein  Durch- 
bruch der  physiologischen  Grenzen  nachweisbar  war  und  auch  wenigstens 
graduelle  Unterschiede  in  der  Struktur  zwischen  den  Epithelien  des  Car- 
cinoms  und  der  Polypen  bestanden.  Er  glaubt  daher,  dass  es  sich  um 
von  einander  unabhängige  Neubildungen  handelt  und  dass  höchstens  die 
Beziehungen  zwischen  den  adenomatösen  Wucherungen  und  dem  Carcinom 
bestehen,  dass  sie  infolge  ihrer  Epithelbeschaffenheit  und  des  chronischen 
ßeizzustandes,  in  dem  sie  namentlich  in  den  tieferen  Abschnitten  des 
Dickdarms  durch  die  fortwährende  Einwirkung  mechanischer  Insulte  er- 
halten werden,  eine  erhöhte  Disposition  zur  Krebsbildung  besitzen.  Aber 
auch  hier  muss  man  doch  zugeben,  dass  die  Hauserschen  Gründe 
nur  relative  Beweiskraft  besitzen;  es  handelt  sich  eben  thataächlich  nur 
um  graduelle  Unterschiede  und  nicht  um  prinzipielle  und  deswegen  könnte 
man  wohl  die  Möglichkeit  aufstellen,  dass  der  im  Rektum  befindliche 
deutlich  carcinomatöse  Tumor,  als  der  älteste,  bereits  das  adenomatöse 
Durchgangsstadium  überwunden  hatte;  und  auch  der  Einwand,  dass  das 
Vorhandensein  so  vieler  primärer  Krebse  ein  unerhörtes  Ereignis  wäre, 
ist  kein  prinzipieller;  weil  zwischen  dem  nachgewiesenen  Vorkommen  von 
2  oder  3  primären  Carcinomen  und  dem  etwaigen  Vorkommen  von  1000 
primären  Krebsen  ebenfalls  nur  ein  gradueller  Unterschied  besteht.  Man 
sieht  demnach,  wie  die  Entscheidung  der  Frage  von  dem  Übergang  gut- 
artiger epithelialer  Neubildungen  in  carcinomatöse  innig  mit  der  Frage  von 
dem  Wesen  der  Krebsbildung  verknüpft  ist  und  deswegen  vorläufig  nur 
subjektiv  beantwortet  werden  kann.  Wir  werden  daher  im  Kapitel  7  noch- 
mals darauf  zurückkommen. 

4.  Metastasen  und  Recidive. 

Litteratur. 

1.  Borne  r.  Über  Metastasen  nach  Mammacarcinomen  in  der  Wirbelsäule.  Diss.  Berlin  1881. 

2.  Borchers  a.  a.  0. 

3.  Dorand  a.  a.  0. 


502  AUgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

4.  Freund,  H.,  Über  die  Behandl.  bösartiger  Eierstocksgeschwülste.   Ztschr.  f.  GynSkol. 
Bd.  17.  Heft  1. 

5.  Frick,   Ein  Beitrag  zu  den  Erfahrungen  über  die  operative  Behandlang  des  Mamma- 
Carcinoma.    Ztschr.  f  Heilkunde.  Bd.  9.  S.  452. 

6.  Frohmann,  Nauwercks  patholog.  anat.  Mitteil.  Nr.  16. 

7.  Hauser  a.  a.  0. 

8.  H  e  i  d  e  n  h  a  i  n ,  L.,  Über  d.  Ursachen  d.  lokalen  Krebsrecidive  nach  Amputatio  mammae. 
Arch.  f.  klln.  Chir.  Bd.  39.  Heft  1. 

9.  Helfe  rieh,  Fall  von  tiefliegendem  Carcinom  am  Vorderarm.    Deutsch,  med.  Wochen- 
sehr.  1890.  Nr.  49. 

9a.  Hippel,  v.,   Ein  Fall  von  multiplen  Cystoadenomen  der  Gallengänge  mit  Dnrchbrncb 
ins  Gefässystem.     Vir  eh.  Arch.  Bd.  123.  S.  473. 

10.  Kantorowicz,  Zur  Pathogenese  der  akut,   allgem.  Garcinomatose  etc.    Ctbl.  f.  allg. 
Patbol.  Bd.  4. 

11.  Lebensbaum,  Krebs  der  Vagina  als  Impfmetastase  bei  Gorpuscarcinom.  Gentralbl  f. 
Gynäkol.  1893.  Nr.  6. 

12.  Löpine,   Über    einen   Fall   von  Magenkrebs   mit   einer  kol.   linksseit.   snpraklavikul. 
Drüsenschwellung.    Deutsch,  med.  Wochenschr.  1894.  Nr.  13. 

13.  Leuzinger,  Die  Enochenmetastasen  bei  Krebs.    Dissert.  Zürich  1886. 

14.  Lubarsch,  Korrespondenzbl.  f.  Schweiz.  Ärzte  1891.  S.  502. 

15.  Pfalzgraf,   Ein  von  der  Haut  unabhängiges  Garcinom  am  Vorderarm.    Diss.  Greifs- 
wald 1889. 

16.  Pfannenstiel  a.  a.  0. 

17.  Derselbe,  Zeitschr.  f.  Gynäkol.  Bd.  28.  Heft  2. 

18.  PicetBret,  Gontribution  ä  l'ötude   du  Cancer  secondaire  du  coeur.    Revue  de  Med. 
Bd.  XV.  p.  1022. 

19.  Recklinghausen,  V.,  Die  fibröse  od.  deformierende  Ostitis  etc.  Festschr.  d.  Assistent 
zu  R.  Virchows  70.  Geburtstage  1891.  G.  Reimer. 

20.  Ribbert,  Deutsch,  med.  Wochenschr.  1895.  Nr.  1—4. 

21.  Sasse,   Ostitis  carcinomatosa  bei  Carcinom  der  Prostata.    Arch.  f.  klin.  Chir.  Bd.  4S. 
S.  593. 

22.  Schafstein  a.  a.  0. 

23.  Schweppe,  Ein  Fall  von  Magencarcinom   mit  anscheinend  sehr  schnellem  Verlauf. 
Diss.  Göttingen  1890. 

24.  Seelig,  Patholog.-anat.  Untersuch,  über  die   Ausbreitungswege  des  Uteruscarcinoms 
im  Bereiche  des  Genitaltraktus.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  148.  S.  80. 

25.  Sturz enegger,  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Krebsmetastase.    Dissert.  Zürich  1892. 

26.  Thorn,  Zur  Infektiosität  des  Carcinoms.    Ctbl.  f.  Gynäkol.  1894.  Nr.  10. 

27.  Troisier,  Kadänopathie  sus-claviculaire  dans  les  Cancers  de  Tabdomen.    Arch.  g^o^r* 
de  Möd.  1893.  S.  423. 

28.  Tross,   Beiträge  zur  Frage   über  die  Übertragbarkeit   d.  Carcinome.     Dissert.  ISS' 
Heidelberg. 

29.  Volkmann  a.  a.  0. 

30.  Weil,  Zur  Carcinomrecidtve  nach  Totalexstirpation  des  Uterus.   Prag.  med.  Wochenschr. 
1893.  N.  6. 

31.  Winter,  Über  die  Recidive  des  Uteruskrebses,  insbesondere   über  Impfreeidive.    Zeit- 
schrift f.  Gynäkol.  Bd.  27.  S.  101. 


Nachdem  bereits  in  diesem  Bande  Seite  128 — 136  die  allgemeine  Lehre 
von  der  Metastase  besprochen  ist.  bleibt  es  hier  nur  noch  übrig,  einige 
für  die  Carcinome  speziell  wichtige  Punkte  hervorzuheben.  —  Zunächst 


Metastasen  und  Kecidive.  503 

ist  es  wichtig,  dass  die  verschiedenen  Carcinome  sich  in  Bezug  auf   die 
Häufigkeit  der  Metastasen  sehr  verschieden  verhalten.    So  konnte  schon 
oben  erwähnt  werden,    dass  bei  den  an  chronische  Reize  anschliessenden 
Carcinomen  nur  sehr  selten  Metastasen  auftreten.   Durand  (3)  giebt  für  die 
Narbencarcinome  an,  dass  selbst  Lymphdrüseninfektion  erst  in  sehr  später 
Zeit  eintritt;  Borchers  (2)  berichtet  gleiches  für  die  in  Fistelgängen  ent- 
stehenden Carcinome,   ebenso  R.  Volkmann  (29)  bei  den  aus  chron.  Ge- 
schwüren oder  Narben  etc.  entstehenden  Krebsen;  das  gleiche  gilt  vom  Lupus- 
carcinora*).    In  allen  diesen  Fällen  werden  schon  Lymphdrüsenmetastasen 
nur  selten  und  spät  beobachtet  und   innere   Metastasen   gehören    zu    den 
grössten  Seltenheiten  (nach  Volkmann  1,5 ®/o;  auf  128  Fälle  2  mal).     In 
anderen  Fällen  liegt  es  dagegen  umgekehrt.    Schon  bei  den  Hautcarcinomen 
giebt  Volk  mann  an,  dass  die  aus  angebomen  Malern  entstandenen  viel 
häufiger  Metastasen  machen.    Von  den  Magencarcinomen  ist  es  längst  be- 
kannt, wie  häufig  Metastasen  vorkommen   (nach   Schröder  allein  50 ^/o 
Lebermetastasen),  und  auch  bei  den  meisten  Mammakrebsen  sind  wenigstens 
regionäre  Metastasen  fast  immer  vorhanden.     Aber  selbst  die  verschieden- 
artigen Krebse  eines  und  desselben  Organs  zeigen  Verschiedenheiten  in 
der  raetastat  Verbreitung;  so  giebt  Haus  er  für  den  Magenkrebs  an,  dass 
das  Carcinoma  gelatinosum  und  der  solide  Krebs  meist  nur  regionäre  Me- 
tastasen in  der  Serosa  hervorbringen,   grosse    medulläre  oft  nur  Lymph- 
drüsenraetastasen  erzeugen,  während  einfache  und  skirrhöse  Krebse,  selbst 
bei  geringer  Grösse  des  Primärherdes,  sehr  mächtige  Metastasen  in  Leber 
und  anderen  Organen  machen.  —  Ebenso  bestehen  sehr  grosse  Unterschiede 
in  der  Zeitdauer  der  Metastasenbildung.     So  giebt  Frick  (5)  an,  dass  bei 
Mammacarcinomen  Lymphdrüsenmetastasen  selten  vor  dem  7.  Monat  ein- 
treten, während  dagegen  für  Magencarcinome  verschiedene  Angaben  vor- 
liegen, dass  es  innerhalb  weniger  Wochen  zu  ausgedehntester  Metastasen- 
bildung kommen  kann.    (Demme,  Schweppe  (23).)   Freilich  sind  solche 
Angaben  auch  nicht  so  ohne  weiteres  zu  gebrauchen ;  denn  daraus  kann  man 
doch  nur  schHessen,   dass  sich  sichtbare,   auffällige  Metastasen  in  kurzer- 
Zeit  entwickelten;   wie   lange  vorher  das  Carcinom  schon  bestand,  kann 
man  nicht  angeben,  zumal  es  viele  Fälle  giebt,  die  den  Nachweis  bringen, 
wie  lange  die  Latenz  eines  Magencarcinoms  sein  kann.    Jedenfalls  beweisen 
aber  manche  Fälle,   dass  eine  fortbestehende  Metastasenbildung  in  kurzer 
Zeit  den  Höhepunkt  erreichen  kann.    Ich  habe  selbst  einen  Fall  von  Magen- 
krebs seziert,    wo  etwa  8  Wochen  vor  dem  Tode  noch   keine,   irgendwie 
nennenswerte   Krankheitssyniptome    bestanden;    drei  Wochen    später  der 


1)  Hier  ißt  es  auch  besonders  nötig,  selbst  bei  erheblicher  Drüsenverhärtung  die 
mikroskopische  Untersuchung  vorzunehmen;  in  einem  Falle  von  Lupuscarcinom  konnte  ich 
in  den  verhärteten  Drüsen,  die  makroskopisch  carcinomverdächtig  aussahen,  nur  eine  chroni- 
Bcbe  Entzündung  mit  vereinzelten  Tuberkeln  nachweisen. 


504  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Verdacht  auf  Carcinom  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  ausgesprochen  wurde 
und  nach  acht  Tagen  die  ersten  Knoten  im  Bauchraum  gefühlt  werden 
konnten.  Auch  bei  üteruscarcinomen  kommt  es  relativ  frühzeitig  zur 
wenigstens  regionären  Metastasenbildimg;  so  hat  A.  Seelig  (24)  durch  sehr 
genaue  Untersuchungen  gezeigt,  dass  namentlich  bei  Kollumcarcinomen 
schon  frühzeitig  im  paravaginalen  Gewebe,  in  grossen  Lymphgefässen  und 
Venen  Carcinomnester  gefunden  werden.  —  Was  die  Wege  der  Metasta- 
sierung anbetrifft,  so  ist  schon  oben  bemerkt  worden,  dass  die  Carcinome 
meist  auf  dem  Wege  der  Lymphbahnen  metastasieren.  Werden  dann 
grössere  Lymphstämme  oder  sogar  der  Ductus  thoracicus  ergrijffen,  so  kann 
es  zu  einer  allgemeinen  miüaren  Carcinose  kommen,  wobei  vor  allem  beide 
Lungen  gleichmässig  ergriffen  sind  und  Ähnlichkeit  mit  einer  an  akuter 
Miliartuberkulose  erkrankten  Lunge  darbieten.  Solche  Fälle  sind  mehrfach 
beschrieben  worden  und  ich  selbst  habe  einen  ausgezeichneten  derartigen 
Fall  nach  Magenkrebs  beobachtet.  Sehr  interessant  ist  es  nun  aber,  dass 
ebenso  wie  die  allgemeine  akute  Miliartuberkulose,  auch  die  akute  allge- 
meine Carcinose  durch  Einbruch  von  carcinomatösen  Herden  in  die  Lungen- 
venen entstehen  kann,  wie  das  neuerdings  Kautorowicz  (10)  in  einem  Fall 
von  Mammakrebs  beobachtet  hat.  Dass  auch  sonst  die  Metastasenbilduug  auf 
dem  Blutwege  geschehen  kann,  ist  oft  genug  betont  worden;  Hauser  hat 
es  namentlich  für  die  Lebermetastasen  nach  Magenkrebs  nachgewiesen  und 
Pic  undBret(18)  sind  der  Meinung,  dass  die  Carcinommetastasen  des  Her- 
zens stets  auf  dem  Blutwege  entstehen.  —  Ein  Punkt,  der  von  sehr  viel 
verschiedenen  Faktoren  abhängig  ist,  ist  die  besondere  Lokalisation  der 
Metastasen.  Schon  oben  (S.  136)  haben  wir  erwähnt,  dass  die  Ursachen, 
weshalb  gerade  in  den  Organen,  die  mit  am  häufigsten  Sitz  primärer 
Krebse  sind,  am  seltensten  metastatische  Carcinome  gefunden  werden,  noch 
nicht  ergründet  sind.  Das  gilt  auch  für  die  von  Virchow  zuerst  gemachte 
Beobachtung,  dass  man  relativ  häufig  bei  Magencarcinom  die  suprakla\i- 
kulären  Lymphdrüsen  (bes.  links)  vom  metastasischen  Knoten  eingenommen 
findet,  so  dass  dieses  Faktum  sogar  differentialdiagnostisch  von  Wichtig- 
keit sein  könne.  Löpine  (12)  hat  neuerdings  über  einen  derartigen  Fall 
berichtet  und  Troisier  (27)  hat  auch  bei  anderen  Carcinomen  ähnUches  be- 
obachtet; er  findet  auch  die  linksseitigen  retroklavikulären  Lymphknoten 
häufig  erkrankt  und  meint,  dass  die  linksseitigen  Drüsen  deswegen  häufiger 
ergriffen  werden ,  weil  (?)  die  Infektion  auf  dem  Wege  des  Ductus  thoracic, 
vor  sich  geht.  —  In  anderen  Fällen  mag  die  besondere  Lokalisation  durch 
äussere  Momente  veranlasst  sein;  vielleicht  spielen,  namentlich  dann,  wenn 
die  lokalisierte  Metastase  an  Traumen  anschliesst,  ähnliche  Momente  eine 
Rolle,  wie  bei  der  Osteomyelitis,  die  bekanntlich  sich  ebenfalls  oft  an  der 
Stelle  lokalisiert,  wo  ein  Trauma  stattgefunden  hat.  Die  Veränderungen 
der  Zellen,    welche  wie   Meltzer   nachgewiesen   hat,    bei    Erschütterung 


Metastasen  und  Recidive.  505 

der  lebenden  Materie  stattfinden,  geben  vielleicht  hierfür  eine  Erklärung. 
So  berichtet  Pfalzgraf  (15)  über  einen  78jährigen  Fischer  mit  Lippen- 
krebs, bei  den  ich  nach  Heben  einer  schweren  Last  bald  eine  Metastase 
im  rechten  Vorderarm  ausbildete.  —  Wiederum  in  anderen  Fällen  spielt 
die  Grösse  der  Carcinomzellen  eine  Rolle,  indem  nämlich  die  kleinen  Zellen, 
nur  dort  sitzen  bleiben  werden,  wo  die  Kapillaren  sehr  eng  sind,  während 
andererseits  grosse  Carcinomzellen  dort  nicht  hingelangen  können,  wo  ihr 
Durchmesser  für  das  Kaliber  der  Kapillaren  zu  gross  ist.  Solche  Momente 
spielen  auch  bei  den  Knochenmetastasen  eine  nicht  imbedeutende  Rolle, 
die  in  letzter  Zeit  vielfach  Gegenstand  der  Diskussion  gewesen  sind.  So 
ist  z.  B.  die  Thatsache,  dass  nach  Mammakrebsen  viel  häufiger  Kuochen- 
metastasen  auftreten,  wie  nach  Uteruskrebsen  ( 14  ^/o  bei  Mammakrebsen  nach 
Leuzinger  (13)  und  Schafstein  (22);  3,5  bezw.  2,3®/o  bei  Uteruskrebsen 
;Leuzinger])  vielleicht  dadurch  zu  erklären,  dass  die Mammakrebse  sehr 
häufig  kleinzelhg,  die  Uteruskrebse  meist  grosszellig  sind.  Dass  die  Knochen- 
metastasen  oft  frühzeitiger  auftreten,  wie  die  anderer  Organe,  beruht  vielleicht 
auf  einer  geringeren  Widerstandskraft,  wegen  der  langsamen  Blutströmung ; 
die  Metastasen  beginnen  meist  im  Knochenmark,  wo  sie  sich  diffus  ausbreiten ; 
Knochenneubildung  erfolgt  dabei  hauptsächlich  bei  langsamer  wachsenden 
Krebsen.  —  Die  einzelnen  Knochen  sind  verschieden  oft  Sitz  der  Metastasen ; 
ziemlich  allgemein  stimmt  man  darüber  ein,  dass  die  Reihenfolge  ungefähr 
folgende  ist:  Schädel,  Wirbelsäule,  Becken,  Humerus,  Femur,  Sternum, 
Rippen.  (Leuzinger,  Börner,  Schafstein.)  —  Dass  der  sekundäre 
Kuochentumor  oft  viel  grösser  sein  kann,  wie  der  primäre,  ist  namentlich 
bei  Schilddrüsencarcinomen  oft  beobachtet  worden ;  auch  Leuzinger  hebt 
es  hervor  und  Helferich  (9)  meint,  dass  die  Wachstumsimterschiede  auf 
unterschiede  der  Ernährungszufuhr  zurückzuführen  sind.  v.  Reckling- 
hausen  (19),  der  die  Beziehungen  zwischen  Prostatakrebs  und  Knochenmeta- 
i'tasen  einer  gründhchen  Untersuchung  unterworfen  hat,  meint  sogar,  dass 
der  primäre  Protastakrebs  wegen  seiner  Kleinheit  mitunter  übersehen  werden 
könne.  Die  lokale  Disposition  des  Knochensystems,  bezw.  einzelner  Knochen 
zur  Aufnahme  der  verschleppten  Krebskeime  sieht  v.  Recklinghausen 
in  den  besonderen  Cirkulationsverhältnissen ,  welche  durch  die  auf  Grund 
funktioneller  Hyperämieen  stellenweise  hervorgerufenen  Dilatationen  der 
Kapillarvenen  bedingt  seien.  Verlangsamung  des  Blutstroms  erleichtert 
das  Liegenbleiben  der  verschleppten  Krebszellen,  die  dann  nach  Art  wand- 
ständiger Thromben  durch  Wirbelstrombildungen  festgehalten  werden.  Die 
metastatischen  Knochenkrebse  gehören  zur  infiltrierenden  Form  und  schon 
deswegen,  besonders  aber  wegen  des  in  ihrer  Nähe  so  häufig  stattfindenden 
lebhaften  Kuochenanbaues,  kann  man  direkt  von  einer  „carcinomatösen 
Ostitis"  sprechen.  —  Sasse  (21),  welcher  die  Beobachtungen  v.  Reckling- 
hausens  durchweg    bestätigte,    verfügte   ebenfalls   über  einen  Fall   von 


506  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Prostatakrebs  mit  diffuser  allgemeiner  Carcinose  des  Skelettsystems,  wobei 
der  Prostatakrebs  selbst  noch  sehr  klein  geblieben  war.  —  Dass  der  Bau  der 
Metastasen  im  wesentlichen  mit  dem  der  Primärgeschwulst  übereinstimmt 
hebt  namentüch  Hauser  (7)  hervor,  während  Hansemann  betont, 
dass  sehr  erhebliche  Abweichungen  vorhanden  sein  können ;  sowohl  in  der 
Zellform,  wie  in  den  Mitosen  und  dem  Verhältnis  zwischen  Stroma  und 
Parenchym.  Es  ist  das  ja  in  der  That  nicht  selten  nachweisbar,  dass  eine 
Metastase  zwar  nicht  prinzipiell,  aber  graduell  vom  Primärtumor  erheblich 
abweichen  kann;  es  beweist  das  die  Bedeutung,  welche  Cirkulationsver- 
hältnisse  sowohl,  als  auch  die  gesamte  Nachbarschaft  für  die  Ausbildung 
des  Carcinoms  besitzen.  Hier  wäre  auch  noch  der  Frage  zu  gedenken, 
ob  bei  der  Metastasenbildung  nur  die  Epithelien  verschleppt  werden  oder 
auch  ein  desmoider  Keim,  aus  dem  das  Stroma  des  metastatischen  Knotens 
gebildet  wird.  Hanau  hat  im  Anschluss  an  seine  gelungenen  Über- 
tragungsversuche von  Carcinomen  auf  Ratten  in  überzeugendster  Weise  ge- 
zeigt, .dass  das  verschleppte  Epithel  in  formativer  Weise  auf  das  Binde- 
gewebe einwirkt  und  somit  aus  dem  Bindegewebe  des  fremden  Ortes  das 
Stroma  gebildet  wird.  —  Endlich  wäre  noch  derjenigen  sekundären 
Krebse  zu  gedenken,  welche  nicht  auf  dem  Wege  der  Lymphbahnen  oder 
Blutbahn,  sondern  durch  Implantation  entstehen.  Sie  spielen  nament- 
lich im  Peritoneum  nach  Magen-  und  Darmkrebs  eine  grosse  Rolle,  wobei 
die  Dissemination  der  durchbrechenden  Krebszellen  nach  Haus  er 
durch  die  Darm-  und  Magenperistaltik  befördert  wird.  Ein  sehr  beweisen- 
des Beispiel  solcher  Krebsimplantationen  ist  von  Lu  bar  seh  (14)  mitgeteilt 
worden,  welcher  bei  einem  Carcinom  des  Magens  auf  dem  linken  Ovarium 
mächtige  Krebsknoten  fand,  während  das  rechte  in  Verwachsungsmassen 
eingebettete  und  dadurch  geschützte  Ovarium  freigeblieben  war.  Dass  diese 
durch  Implantation  entstehenden  sekundären  Krebse,  wie  Freund  (4) 
meint,  immer  nur  eine  bescheidene  Ausnehmung  besitzen  und  frühzeitig 
zerfallen,  kann  nicht  für  alle  Fälle  zugegeben  werden,  häufig  ist  es  aller- 
dings der  Fall.  —  Diese  Implantationsmetastasen  sind  für  die  Theorie  der 
Metastasenbildung  deswegen  von  Wichtigkeit,  weil  sie  sicher  auch  bei  nicht 
carcinomatösen  Neubildungen  vorkommen;  so  hat  sie  Baumgarten  nach 
der  Operation  einer  einfachen  glandulären  Ovarialcyste  beobachtet  und 
noch  häufiger  wurden  sie  bei  papillären  Ovarialadenomen  gefunden.  Es  ist 
sicher,  wie  das  Olshausen  und  auch  Pfannenstiel  (16)  ausgeführt  haben, 
dass  diese  Implantationsmetastasen  durchaus  nicht  den  Wert  bösartiger  Ge- 
bilde haben,  sondern  lediglich  den  Beweis  bilden,  dass  noch  lebensfähige 
Zellen  verpflanzt  wurden  und  diese  gute  Ernährungsbedingungen  im  Peritoneal- 
räum  fanden.  —  Wenn  wir  hieran  anknüpfend  nochmals  die  Frage  aufwerfen, 
welches  die  Ursache  der  Metastasenbild  ang  ist,  so  müssen  wir  vor  allem  noch 
an  die  Metastasenbildung  anknüpfen,  welche  bei  Schilddrüsen-  und  Leberade- 


Metastasen  und  Recidive.  507 

nomen  (Frohmanns)  beobachtet  ist.  Liegt  die  Ursache  der  Metastasenbilduug 
in  der  Elrkrankung  der  Epithelien  oder  liegt  sie  in  bestimmten  Allgemeinzu- 
ständen des  Körpers?    Müssen  wir  jeden  epithelialen  Tumor,  auch  wenn  er 
einen  typisch  adenomatösen  Bau  besitzt,  ein  Carcinom  nennen,  oder  giebt  es 
auch  metastasierende  Adenome?  Die  Beantwortung  derFrage  ist  eine  ungemein 
schwierige.     An  und  für  sich  könnte  man  geneigt  sein,  die  Auffassung  zu 
vertreten,  dass  alle  metastasierenden  epithelialen  Neubildungen  Carcinome 
sind.    Zeigen  doch,  wie  wir  oben  ausgeführt  haben,  viele  Carcinome  wäh- 
rend eines  bestimmten  Stadiums  adenomatöse  Struktur  und  dokumentieren 
sie  sich  doch  oft  erst  als  Carcinome  durch  die  lokale  Metastasierung  (Ein- 
dringen in  Lymphbahnen).     Aber  mit  dieser  Antwort  würden  wir  die  Haupt- 
frage umgehen.    Denn  es  handelt  sich  wesentlich  darum,  ob  die  Metastasen- 
bildung  ausschüesslich   durch    die   besondere  Eigenschaft  der  wuchernden 
Epithelzelle    bedingt   ist,   oder  durch  bestimmte  allgemeine  Zustände  des 
Organismus.    Berücksichtigen  wir  nun  die  Thatsache,  dass  durchaus  nicht 
alle  Carcinome  metastasieren,  obgleich  sie  doch  stets  in  Lymphbahnen  ihre 
Zellen  aussenden,  so  erscheint  es  wahrscheinlicher,  dass  die  mit  der  Lymphe 
verschleppten  Zellen  auch  bei  den  Carcinomen  für  gewöhnlich  ebenso,  wie 
andere  epitheliale  Elemente   resorbiert  und  zerstört  werden  und  dass  erst 
dann,  wenn  die  nonnale  Resorptionsfähigkeit  des  Körpers  gestört  ist,  die 
verschleppten  Zellen   sich   an    einem   bestimmten  Orte  ansiedeln  und  ver- 
mehren können.     Ob  nun  nicht  auch  bei  adenomatösen  Neubildungen,  be- 
sonders   bei   der  Schilddrüse,   wo   die  Lymphbahnen  nur  wenig  rämnlich 
getrennt  sind  von  den  Drüsenschläuchen,  auch  einmal  ohne  aktive  Beteiligung 
der  Zellen  einzelne  in  das  Lymphgefässsystem  hineingelangen  können,  ist 
zum  mindesten  zweifelhaft;  wenn  es  sich  in  dem  oben  berichteten  Falle 
Feurers  wirklich  um   eine   Schädelmetastase  eines  Schilddrüsenadenoms 
gehandelt  hat  (und  nicht  etwa  um  ein  endotheliales  Angiosarkom  mit  hya- 
liner Degeneration),  so  müssten  wir  direkt  etwas  Derartiges  annehmen,  denn 
Langhans  fand  bei  der  Sektion  eine  einfache  Gallertstruma  ohne  Durch- 
bruch in  Blutgefässe  oder  dergleichen;  ferner  hat  v.  Hippel  (9ä)  einen  Fall 
von  multiplen  Cystoadenomen  der  Gallengänge  beschrieben,  in  dem  es  zu 
einem  Einbruch  ins  Gefässsystem  gekommen  war,  ohne  dass  doch  irgendwo 
Metastasen  aufgetreten  waren  und  ohne  dass  irgendwo  etwas  von  carcino- 
matösem  Bau  bestand.     Wir  würden  dann  im  allgemeinen  die  Metastasen- 
bildung dadurch  zu  erklären  haben,   dass  die  normale  Resorptions- 
fähigkeit   des    Organismus    herabgesetzt    ist    und    im   Prinzip 
somit  jeder  pathologischen  Neubildung  die  Fähigkeit  der  Me- 
tastasierung  zuschreiben    müssen,    falls    Elemente   derselben 
in  die  Blut-  oder  Lymphbahn  hineingelangen  können.    Da  hierzu 
bei  den  Carcinomen   infolge   ihrer   besonderen  Struktur   stets  Gelegenheit 
gegeben  ist,  erklärt  es  sich  auch,  dass  diese  Neubildungen  so  häufig  meta- 


508  Aligem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

stasieren,  während  dies  bei  anderen  Neubildungen  nur  ausnahmsweise  ein- 
treten kann;  ferner  muss  daran  gedacht  werden,  dass  die  Störung  der  nor- 
malen Resorptionsfähigkeit  des  Organismus  durch  die  Carcinomzellen  selbst 
bewirkt  wird,  indem  durch  den  Zerfall  der  verschleppten  Zellen  innerhalb 
der  Lymph-  und  Blutbahn  Stoffe  frei  werden,  welche  eventuell  negativ 
chemotaktisch  wirken  und  so  allmählich  immer  mehr  Leukocyten  verliiu 
dem,  die  verschleppten  Zellen  zu  zerstören.  Die  Beobachtungen,  dass  die 
Metastasierung  mitunter  im  Anschluss  an  Bakterienkrankheiten  ausbricht, 
könnten  für  diese  Hypothese  ebenso  verwertet  werden,  wie  die  Thatsachc, 
dass  nicht  selten  bei  Carcinomen  eine  Verarmung  des  Blutes  an  korpus- 
kularen Elementen  vorhanden  ist.  Jedenfalls  scheint  es  uns  am  wahrschein- 
lichsten, dass  der  Vorgang  der  Metastasierung  einmal  abhängig  ist  von  der 
allgemeinen  Resorptionsfähigkeit  des  Körpers  und  zweitens  von  besonderen 
anatomischen  Einrichtungen  und  lokalen  (Mrkulationsverhältnissen. 

Was  die  Lehre  von  den  Recidiven  anbetrifft,  so  müssen  wir  annehmen, 
dass  die  Recidive  nach  einer  Operation  stets  von  Carcinomzellen  ausgehen, 
welche  bei  der  Operation  nicht  mit  entfernt  wurden.  L.  Heidenhain  (8)  hat 
zu  dem  Zwecke  einer  Klärung  der  Frage  von  den  lokalen  Recidiven  nach 
Amputation  von  Mammakrebsen  die  Amputationsfläche  untersucht;  in  12 
Fällen,  wo  bereits  in  der  Muskulatur  Krebszellen  gefunden  wurden,  traten 
Recidive  ein;  in  sechs  anderen,  in  denen  die  Amputationsfläche  freigeblieben 
war,  blieben  Recidive  aus.  Dass  noch  in  anderer  Weise  Recidive  eintreten 
können,  die  aber  nicht  scharf  sich  an  die  erste  Stelle  des  Carcinoms  halten, 
sondern  oft  ziemlich  w^eit  von  ihr  entfernt  sind,  darüber  haben  uns  die  Er- 
fahrungen über  die  sogen.  Impfrecidive  nach  Krebsoperationen  aufgeklärt. 
Schon  Tross  (28)  hatte  zwei  Fälle  von  Recidiven  mitgeteilt,  die  dadurch  ent- 
standen schienen,  dass  bei  der  Operation  Partikel  des  Tumors  in  die  Haut- 
wunde hineingelangt  waren  (ein  Fall  von  Adenom  des  Rektum  und  von 
Carcinom  des  Muttermundes).  G.  Winter  (31)  hat  dann  besonders  eingehend 
auf  die  Bedeutung  dieser  Recidive  aufmerksam  gemacht  und  die  Scliluss- 
folgerungen  für  die  Operationsmethode  daraus  gezogen ;  er  hält  es  für  durch- 
aus bewiesen,  dass  vom  primären  Krebs  getrennte  Partikel  im  gesunden 
Gewebe  desselben  Individums  anhaften  und  dort  einen  sekundären  Krebs 
erzeugen  können.  Weil  (30),  Lebensbaum  (11),  Thorn  (26),  Pf annen- 
stiel  (17)  u.  a.  haben  diese  Meinung  durch  gute  Beobachtungen  unterstützt 
Ribbert  (20)  hat  einen  Fall  mitgeteilt,  in  dem  nach  Exstirpation  einer  durch- 
aus unverdächtigen  Urachuscyste  nach  einiger  Zeit  in  der  Bauchnarbe  ein  sehr 
rasch  fortschreitendes  Carcinom  entstand,  und  hat  sowohl  diesen  Fall,  wie  den 
von  Pfannenstiel  (mehrere  Jahre  nach  Entfernung  eines  cystiöchen  Ovarial- 
tumors entsteht  in  der  Narbe  ein  typisches  Adenocarcinom)  in  seiner  Theorie 
von  der  Genese  der  Carcinome  durch  Absprengung  von  Epithelzellen  ver- 
werten wollen.     Allein  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  beide  Fälle  doch  weiter 


Verhalten  der  Nachbarschaft.  509 

nichts  sind,  als  Analoga  zu  der  Metastasierung  reiner  Gallertstrumen  und 
typischer  Leberadenome  (Frohmann).  Man  kann  die  Fälle  entweder  so 
erklären,  dass  die  bereits  carcinomatösen  Tumoren  noch  unter  dem  Bilde 
gutartiger  Cysten  verliefen,  anfangs  langsam  wuchsen  und  erst  allmählich 
stärkere  Proliferationskraft  erlangten;  auch  die  lange  Zwischenzeit  findet  ihr 
Analogon  in  den  lokalen  Krebsrecidiven,  die  bekanntlich  auch  erst  nach 
Jahren  aufzutreten  brauchen;  oder  sie  können  im  Sinne  meiner  oben  auf- 
gestellten Hypothese  verwertet  werden,  dass  die  implantierten  Zellen  zu 
stärkerem  Wachstum  angeregt  wurden  infolge  des  Fortfalles  bestimmter 
physiologischer  Widerstände. 

5«  Verhalten  der  Nachbarschaft. 

Litteratur. 

1.  Ahel,   über  das  Verhalten    der  Schleimhaut    des    Uteruskörpers    bei   Carcinoin    der 
Portio.    Arch.  f.  Gynäkol.  Bd.  32.  Heft  2. 

2.  Abel  und  Landau.  Arch.  f.  Gynftkol.  Bd.  86.  Heft  2. 

3.  Eckardt,  Arch.  für  Gynäkol.  Bd.  32. 

4.  Eli  seh  er.  Ober  Veränderungen  der  Schleimhaut  des  Uterus   bei  Carcinom  der  Portio 
vagin.    Zeitschr.  f.  Gynäk.  Bd.  22.  S.  15. 

5.  Fränkel,  £.,  Über  die  Veränderungen  des  Endometrium  bei  Carcinoma  cervicis  uteri. 
Arch.  f.  Gynäkol.  Bd.  33. 

6.  Hanau  a.  a.  0. 

7.  Hansemann  a.  a.  0. 

8.  Hauser  a.  a.  0. 

9.  L.  Pfeiffer  a.  a.  0. 

10.  Rosenheim,   Über  atrophische  Prozesse  an  der  Magenschleimhaut  etc.    Berl.  klin. 
Wochenschr.  1888.  Nr.  51. 

11.  Schaeffer,  W.,  Über  die  histologischen  Veränderungen  der  quergestreiften  Muskeln 
in  der  Peripherie  yon  GeschwQlsten.     Vir  eh.  Arch.  Bd.  110.  S.  443. 

12.  Verneuil,   Propriät^s  pathogönes  des  microbes  renferm^s  dans  les  tumeurs  malignes. 
Revue  de  Chir.  10.  Oct.  1889. 


Das  Verhalten  der  Nachbarschaft  zu  der  krebsigen  Neubildung  wurde 
schon  oben  bei  der  Besprechung  der  Bildung  des  Krebsstromas  berührt. 
Indem  wir  zu  dem  Ergebnis  kamen,  dass  die  Stromabildung  durch  den 
Reiz  der  epithelialen  Wucherung  hervorgebracht  wird,  wurde  damit  schon 
festgestellt,  dass  das  Bindegewebe  in  einen  Wucherungszustand  geraten 
kann.  Es  ist  aber  von  den  verschiedensten  Autoren,  von  Hanau  (6), 
Hansemann  (7),  Hauser  (8)  hervorgehoben  worden,  dass  das  Verhalten 
des  benachbarten  Bindegewebes  kein  konstantes  ist,  indem  es  von  dem 
Reiz  abhängt,  welchen  die  epitheliale  Wucherung  ausübt.  Hanau  hat 
das  besonders  scharf  ausgedrückt,  indem  er  ausführt,  dass  es  nur  eine 
lokale  Frage  ist,  ob  die  Wucherung  des  Stromas  in  den  Vordergrund  tritt 
oder  nicht,  welche  abhängig  ist  einmal  von  dem  formativen  Reiz,  den  die 
Krebszelle  auf  das  Bindegewebe  ausübt  und  zweitens  von  dessen  speziti- 


510  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

scher  Reaktion.  So  erklärt  es  sich  ja  auch,  dass  die  Unterschiede  zwischen 
Carcinoma  simplex,  scirrhosum  und  medulläre  keine  prinzipiellen  sind, 
sondern  in  ein  und  demselben  Organ  ein  Krebs  an  einer  Stelle  den  einen, 
an  einer  anderen  den  anderen  Typus  darbieten  kann  (z.  ß.  Mamma  und 
Magen),  ferner  auch  die  Metastasen  in  Bezug  auf  das  Verhältnis  von 
Bindegewebe  und  Parenchym  oft  so  erheblich  vom  Primärtumor  abweichen. 
Alle  diese  Dinge  gelten  nun  in  eben  derselben  Weise  für  andere  Gewebs- 
arten,  mit  denen  der  Krebs  in  Berührung  tritt;  allerdings  mit  dem  Unter- 
schied, dass  meistens  die  degenerativen  Veränderungen  in  den  Vordergrund 
treten ;  so  können  wir  namentlich  in  der  benachbarten  quergestreiften  Mus- 
kulatur, wie  Schaeffer  (11)  gezeigt  hat,  einfache  Atrophie  und  Pigment- 
atrophie, Vakuolisierung,  körnige  und  fettige,  wachsartige  homogene  Ent- 
artung und  Zerklüftungsvorgänge,  aber  auch  Hypertrophie  wahrnehmen 
und  vor  allem  bekommen  wir  nicht  selten  eine  Wucherung  des  Sarkolemms 
und  der  Muskelkerne  zu  sehen,  wohl  auch  eine  Bildung  von  Muskelknospeu, 
wie  sie  L.  Pfeiffer  (9)  beschreibt.  Ferner  wurde  bereits  oben  bemerkt, 
dass  das  Knochengewebe  auf  das  Eindringen  von  Krebszellen  mit  Knochen- 
neubilduDg  reagieren  kann.  Im  allgemeinen  kann  man  wohl  den  Satz  auf- 
stellen, dass  die  Gewebe  um  so  eher  und  in  um  so  ausgedehnterer  Weise 
einer  regressiven  Metamorphose  oder  Atrophie  anheimfallen,  je  stärker  sie 
differenziert  sind ;  so  dass  in  der That  die  spezifischen  Gewebszellen  iu  dtr 
Nachbarschaft  von  Carcinomen  niemals  progressive  Veränderungen  erkennen 
lassen,  sondern  entweder  sich  passiv  verhalten  oder  irgend  einer  regres- 
siven Veränderung  anheimfallen,  während  alle  Stützsubstanzen  in  einen 
Wucherungszustand  geraten  können.  Wie  weit  sich  nicht  selten  der  Ein- 
fluss  des  Carcinoms  geltend  machen  kann,  das  kann  man  namentlich  in 
Hohlorganen  oft  genug  beobachten.  Uterus-  und  Magenschleimhaut  bieten 
nach  beiden  Richtungen  gute  Beispiele  dar.  Beim  Uterus  haben  überein- 
stimmend die  Untersuchungen  von  Abel  und  Landau  (1,  2),  Eckardt  ^3), 
Eli  seh  er  (4),  Fränkel  (5)  u.  a.  ergeben,  dass  bei  Portiokrebsen  sehr 
häufig  in  dem  Bindegewebe  der  Corpusschleimhaut  sehr  häufig  eine  rege 
Proliferation  stattfinden  kann,  die  meist  so  grossartig  ist,  dass  Abel 
und  Landau  sogar  zunächst  von  einer  sarkomatösen  Degeneration  der 
Uterusschleimhaut  sprachen.  Dass  es  sich  nicht  um  etwas  Derartiges 
handelt,  braucht  hier  kaum  näher  entwickelt  zu  werden,  zumal  Eckardt, 
Elischer,  Fränkel  u.  a.  bereits  nachgewiesen  haben,  dass  es  sich  um 
weiter  nichts  als  eine  proliferierende  Endometritis  handelt.  Ähnliche  Zu- 
stände kommen  auch  beim  Pyloruscarcinom  in  der  ganzen  Magenschleim- 
haut vor;  häufiger  kommt  es,  wie  Rosenheim  (10)  u.  a.  gezeigt  haben, 
zu  atrophierenden  Prozessen,  an  denen  sich  in  erster  Linie  die  Drüsen, 
wahrscheinlich  aber  auch  das  Bindegewebe  beteiligen.  In  solchen  Fällen 
handelt  es  sich  wohl  um  eine  von  den  Krebszellen  ausgehende  chemische, 


Bedeutung  des  Carcinoins  fttr  den  Gesamtorganismus.  511 

Dicht  mechanische  Reizung,  welche  wohl  durch  Stoffe  bedingt  wird,  welche 
beim  beginnenden  und  vollendeten  Zerfall  der  Krebszellen  frei  werden.  — 
Dass  auch  Mikroorganismen  bei  diesen  sekundären  Veränderungen  des 
Nachbargewebes  eine  Rolle  spielen,  darauf  hat  besonders  auch  Verneuil(ll) 
hingewiesen. 

6.  Bedeutung  des  Carcinoms  für  den  Gesamtorganismus. 

Litteratur. 

1.  Anchö,  Des  n^yrites  p^riph^riqnes  chez  les  cancereuz.    Revue  d.  m^d.  1890.  Nr.  10. 
la.Dehio,   Blutuntersuchungen  bei  durch  Phthise,   Carcinom  etc.  bedingter  Anämie.    St. 

Petersb.  med.  Wochenschr.  1891.  Nr.  1. 

2.  Ein  ho  rn,  Über  das  Verhalten  der  Lymphocyten  zu  den  weissen  Blutkörperchen.  Dissert. 
Berlin.  1884. 

3.  Ewald   und  Jacobson,  Über  ptomainartige  Körper  im  Harn  bei  chron.  Krankheits- 
prozessen.   Berl.  klin.  Wochenschr.  1894.  Nr.  2. 

4.  Francotte,  Contribution  de  la  növrite  multiple.    Revue  de  Mäd.  1886.  S.  177. 

5.  Freund,  E.,  Zur  Diagnose  des  Carcinoms.    Kongr.  f.  innere  Med.  1889.  S.  404. 

6.  Grawitz,  £.,  Über  die  Anämieen  bei  Lungentuberkulose  u.  Carcinom.    Deutsch,  med. 
Wochenschr.  1893.  Nr.  51. 

7.  Gftrtig,  Stoffwechseluntersuchungen  in  einem  Falle  von  ösophaguscarcinom.  Dissert. 
Berlin  1890. 

7a.Häberlin,  Über    den   Uämoglobingehalt  des  Blutes  bei   Magenkrebs.     MOnch.   med. 
Wochenschr.  1888.  S.  363. 

8.  Hoppe-Seyler,  Über  die  Ausscheidung  des  Urobiiins  in  Krankheiten.    Virch.  Arch. 
Bd.  124.  1891. 

9.  V.  Jaksch,   Über  die  Alkalescenz  des  Blutes  in  Krankheiten.    Zeitschr.  f.  klin.  Med. 
1888.  S.  350. 

10.  Klemperer,    Über  den   Stoffwechsel    und   das    Coma   der    Krebskranken.     Charite- 
Annalen.  1891.  S.  138. 

11.  Derselbe,  Kongress  f.  innere  Med.  1889.  S.  404. 

12.  Derselbe,   CO,-Gehalt  des  Blutes  bei  Krebskranken.     Charit^-Annalen.  1890.   S.  151. 

13.  Kobler,   Über  typ.  Fieber  bei  malignen  Neubildungen  des  Unterleibs.    Wien.  med. 
Wochenschr.  1892.  Nr.  23,  24. 

14.  Kraus  u.  Chvostek,  Über  den  Einfluss  von  Krankheiten  auf  den  respirat.  Graswechsel. 
Wien.  klin.  Wochenschr.  1891.  Nr.  33. 

15.  Laker,  Die  Bestimmung   des  Hämoglobingehaltes  im  Blut.    Wien.  med.  Wochenschr. 
1886.  S.  987. 

16.  Laudenheimer,  Die  Ausscheidung  der  Chloride  bei  Carcinomatösen  im  Verhältnis 
zur  Aufnahme.    Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  21.  S.  513. 

17.  Leichtenstern,  Untersuchungen   über  den  Hämoglobingehalt  des  Blutes.    Leipzig. 
1878. 

18.  v.  Limbeck,  Grundriss  der  klin.  PathoL  des  Blutes.    Jena  1892. 

18a.  Maragliano   und    Castellino.     Über   die    langsame   Nekrobiose   der    roten   Blut- 
körperchen.   Zeitschr.  f.  inn.  Med.  Bd.  21.  S.  415. 

19.  Matrai,  Chem.  Untersuchungen  des  Blutes  bei  Krebskranken.    Pest.  med.  chir.  Presse. 
1885.  Nr.  36. 

20.  Müller,   Fr.,  Stoffwechseluntersuchungen   bei  Krebskranken.    Zeitschr.   f.  klin.  Med. 
Bd.  16.  S.  469. 

21.  V.  Noorden,  Lehrbuch  der  Pathologie  des  Stoffwechsels.    Berl.  1893.  A.  Hirschwald. 

22.  Oppenheim,  Charit^- Annalen  1888. 


512  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

28.   Derselbe  u.  Siemerling,  Nearol.  Ctbl.  1886.  S.  255. 

24.  Oster spey,   Die   Blatuotersuchungen    und    deren   Bedeutung   bei  ErkrankuDgen  des 
Magens.    BerL  klin.  Wochenschr.  1892.  Nr.  12,  13. 

25.  P^e,  Untersuchungen  Qber  Leukocytose.    Dissert.  Berlin  1890. 

25a.Pilliet,  Sur  la  thäorie  chlmique  de  la  oachexie  canc^reuae.   Progr^  m^.  1888.  N.51. 

26.  Reinbach,  Über  das  Verhalten  der  Leukocyten  bei  malignen   Tumoren.    Arch.  für 
klin.  CWr.  Bd.  46.  S.  486. 

27.  Ried  er,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Leukocyten.    Leipzig  1882. 

28.  Rumpf,  Alkalimetrische  Untersuchungen  des  Blutes.    Ctbl.  f.  klin.  Med.  1891.  S.  441. 

29.  Schaper,  Blutuntersuchungen  mittelst  Blutkörperchenzfthlung  etc.    Dissert.  Göttingen 
1891. 

30.  Schneider,  G.,  Ober  die  morphol.  Verhältnisse  des  Blutes  etc.    Dias.  Berlin  1888. 

31.  Schrader  a.  a.  0. 

32.  Schweppe  a.  a.  0. 

33.  Senator,  Über  SelbstLnfektion    durch    abnorme    Zersetzungsvorgänge.     Zeitschr.  f. 
klin.  Med.  Bd.  7.  S.  235. 

34.  Strauer,   Systemat.    Blutuntersuchungen  bei    Schwindsüchtigen    und   Krebskranken. 
Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  24.  S.  295. 

35.  Töpfer,  Über  die  Relationen   der  N-haltigen  Bestandteile  im  Harne  bei  Carcinomen. 
Wien.  klin.  Wochenschr.  1892.  Nr.  49. 

36.  Tr  in  kl  er.  Über  die  diagnost.  Verwertung  des  Gehalts  an  Zucker  im  Blute.    Ctbl.  L 
med.  Wissensch.  1890.  S.  498. 

37.  Weintraud,  Über   morpholog.  Veränderungen    der  roten  Blutkörperchen.     Vir  eh. 
Arch.  Bd.  131.  S.  497. 


Die  in  Gefolgschaft  des  Krebses  so  häufig  auftretende  Kachexie  ist 
gerade  in  neuerer  Zeit  Gegenstand  eingehenderen  Studiums  gewesen;  während 
man  sie  früher  als  Anzeichen  der  allgemeinen  carcinomatösen  Dyskrasie 
betrachtete,  ist  man  jetzt  immer  mehr  dazu  übergegangen,  sie  als  eine 
von  der  krebsigen  Neubildung  ausgehende  allgemeine  chronische  Vergif- 
tung anzusehen,  also  als  eine  Art  Antointoxikation.  FreiUdh  sind  die  Ex- 
perimente, welche  L.  Pfeiffer,  Adamkiewicz,  Freire  nach  dieser 
Richtung  an  Tieren  angestellt  haben,  wenig  beweisend;  auch  Klemperers 
(11)  Angabe  über  die  Giftigkeit  des  Blutes  Krebskranker  sind  noch  nicht 
anerkannt,  da  bisher  nur  eine  fragmentarische  Mitteilung  vorUegt;  und 
ebenso  sind  wir  noch  nicht  im  stände,  anzugeben,  welcher  Art  die  Gift- 
stoffe sind  und  wie  sie  gebildet  werden.  So  hat  Pilliet  (25  a)  es  für 
möglich  erklärt,  dass  es  sich  um  eine  Vergiftung  durch  „Leukomaine*' 
handelt  und  dass  die  Krebsepithelien  die  giftigen  Stoffe  produzieren,  wo- 
bei er  es  freilich  unentschieden  lässt,  ob  es  sich  um  spezifische  Stoffe 
handelt;  auch  scheut  er  sich  ohne  weiteres  von  einer  Zellsekretion  zu 
sprechen,  weil  man  doch  die  Zellen  der  Kankroide  und  Sarkome  nicht  als 
Drüsenzellen  bezeichnen  könne.  Dagegen  sind  doch  in  der  neuesten  Zeit  eine 
grosse  Reihe  von  Einzelthatsachen  gesammelt  worden,  welche  kaum  eine 
andere  Deutung  möglich  machen,  wie  die,  dass  von  den  Carcinomen  aus 
eine  Giftwirkung  stattfindet.     Dieselbe  dokumentiert  sich   1.  in  Veräude- 


Bedeutung  des  Carcinoma  für  den  Gesamtorganismus.  513 

Hingen  des  Stoffwechsels,  2.  in  Veränderungen  des  Blutes,  3.  in  Verände- 
rungen einzelner  Organe,  speziell  des  Nervensystems. 

Indem  wir  uns  bei  der  Darstellung  der  Veränderungen  des  Stoff- 
wechsels im  grossen  und  ganzen  an  die  Einteilung  anschliessen ,  welche 
von  Noorden  in  seinem  Lehrbuch  der  Pathologie  des  Stoffwechsels  ge- 
wählt hat,  schicken  wir  voraus,  dass  wir  von  denjenigen  Veränderungen 
absehen  müssen,  welche  durch  den  besonderen  Sitz  des  Carcinoms  bedingt 
sind,  a)  Gesamtzersetzung  und  Ernährungszustand.  Die  Ab- 
magerung, welche  sich  im  Verlaufe  eines  Carcinoms  fast  regelmässig  ein- 
stellt, ist  zum  grossen  Teil  auf  die  mangelhafte  Ernährung  zu  beziehen, 
da  als  Folge  der  allgemeinen  Vergiftung  bald  Appetitmangel  einzutreten 
pflegt  und,  wie  von  Noorden  (21)  hervorhebt,  der  Nährwert  der  von  den 
Kranken  freiwiUig  genommenen  Nahrung  sehr  gering  ist.  Die  Oa-Aufnahme 
und  COj, -Abgabe  bewegt  sich,  wie  Kraus  und  Chvostek  (14)  angeben, 
durchaus  innerhalb  der  normalen  Grenzen,  v.  Noorden  weist  auch  da- 
rauf hin,  dass  solche  Krebskranke,  welche  dauernd  gute  Esser  bleiben,  an 
Gewicht  nicht  abnehmen  und  nach  Hebung  einer  Ösophagusstenose  (bei 
Speiseröhrenkrebs)  oft  in  wenigen  Wochen  eine  Gewichtszunahme  von 
20  Pfund  eintreten  kann,  b)  Die  Eiweiss Zersetzung.  Es  ist  Fr, 
Müllers  (20)  grosses  Verdienst,  zuerst  nachgewiesen  zu  haben,  dass  ein 
Teil  der  Krebskranken  trotz  reichlicher  Nahrung  dauernd  Stickstoff  ab- 
gaben; und  zwar  änderte  sich  das  Verhältnis  auch  dann  nicht,  wenn  die 
Eiweisszufuhr  vermehrt  wurde;  stets  blieb  die  N- Ausgabe  höher  wie  die 
Aufnahme;  nur  gegen  Ende  des  Lebens  wurde  die  N-Ausscheidung  eine 
sehr  niedrige,  was,  wie  v.  Noorden  bemerkt,  jedenfalls  nicht  auf  ein 
Aufhören  des  Protoplasmazerfalls  zurückzuführen  ist,  sondern  durch  das 
Sinken  der  Herzkraft  und  Nierenthätigkeit  bewirkt  wird.  Diese  Unter- 
suchungen sind  später  durch  Klemperer  (10,  11)  und  Gärtig  (7)  bestätigt 
worden;  ebenso  wie  Müller  sind  diese  Autoren  der  Meinung,  dass  der 
gesteigerte  Eiweisszerfall  auf  die  Wirkung  eines  Protoplasmagiftes  zu  be- 
ziehen ist  und  sie  ziehen  zur  Analogie  die  Stoffwechselverhältnisse  bei 
pemiciöser  Anämie,  schwerer  Leukämie,  Diabetes,  Phosphorvergiftung, 
chronischen  Infektionskrankheiten  u.  s.  w.  heran.  Erreicht  der  Eiweiss- 
zerfall einen  gewissen  Höhepunkt ,  so  stellen  sich  auch  die  Erscheinungen 
der  Acetonurie  und  Diaceturie  ein  (v.  Jaksch,  Klemperer);  da  sie  aber 
nur  in  Spätstadien  die  Regel  bilden,  ist  schwer  zu  entscheiden,  was  ätio- 
logisch im  Vordergrund  steht:  die  carcinomatöse  Intoxikation  oder  die 
Inanition  (v.  Noorden).  Das  Coma,  welches  mitunter,  ähnlich,  wie  beim 
Diabetes,  aber  sehr  viel  seltener  terminal  eintritt,  ist  mitunter  mit  dem 
Auftreten  von /?-Oxybuttersäure  im  Harn  verbunden  (Klemperer).  Ob  die 
cerebrale  Störung  nur  Folge  von  Säureintoxikation  ist  (infolge  der  Vermin- 

Labarsch- Oster tagr,  Ergebnisse  Abteil.  II.  33 


514  AUgeni.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

derung  der  Blutalkalescenz)  oder  von  spezifischen  Giften  des  Carcinoms 
bedingt  ist,  bleibt  auch  noch  zu  entscheiden.  Auch  andere  cerebrale  Stö- 
rungen sind  vielleicht  in  gleicherweise  zu  erklären,  so  berichtet  Oppeii 
heim  (22)  über  einen  Fall  von  Magencarcinom ,  wo  8  Tage  vor  dem 
Exitus  eine  rechtsseitige  Hemiplegie  auftrat,  ohne  dass  bei  der  Sektion 
Gehirnveränderungen  nachweisbar  waren.  Auch  hier  wird  es  sich  um  eine 
Intoxikation  gehandelt  haben,  c)  Einfluss  des  Carcinoms  auf  die 
Verdauungsorgane.  Hier  sind  natürlich  diejenigen  Carcinome  auszu- 
schliessen,  die  im  Verdauungstraktus  selbst  sitzen  und  daher  schon  lokal 
erhebliche  physikalische  und  chemische  Störungen  hervorrufen  müssen. 
Aber  auch  bei  Krebsen  anderer  Organe  treten  erhebliche  Störungen  von 
Seiten  des]  Magens  auf,  die  vor  allem  in  Appetitmangel  sich  dokimientieren. 
von  Noorden  hat  gefunden,  dass  bei  5  sehr  elenden  Patientinnen  mit 
Uteruscarcinom  nach  dem  Probefrühstück  keine  freie  Salzsäure  vorhanden 
war,  also  die  Saftsekretion  damiederlag;  in  7  anderen  Fällen  bestanden 
dagegen  normale  Verhältnisse.  Die  Darmresorption  ist  dagegen  nach 
Müllers  und  Klemperers  Untersuchungen  dauernd  normal,  falls  nicht 
etwa  durch  den  Sitz  des  Carcinoms  (in  den  Gallenwegen,  Duodenum, 
Pankreaskopf)  die  Gallen-  und  Pankreasabsonderung  behindert  ist.  Häutig 
treten  dagegen  im  Darm  ausgedehnte  Fäulniserscheinungen  auf,  wie 
aus  dem  Befunde  grosser  Mengen  von  aromatischen  Körpern  und  ge- 
paarter Schwefelsäure  im  Harn  hervorgeht  (Senator  (33),  G.  Hoppe- 
Seyler  (8)).  Es  ist  das  bei  allen  solchen  Carcinomen  in  deutlichster  Weise 
der  Fall,  welche  selbst  geschwtirig  zerfallen,  v.  Noorden  meint  daher, 
dass  die  Absonderungen  zerfallender  Carcinomen  besonders  geeigneten 
Nährböden  für  die  Fäulnismikroben  darstellen,  d)  Das  Verhalten  des 
Harns.  Über  die  Verarbeitung  des  N-Restes  des  zerfallenden  Eiweisses  bei 
Carcinom  hegen  noch  wenig  Beobachtungen  vor;  nach  Töpfer  (36)  nehmen 
die  Extraktivstoffe  im  Harn  von  Krebskranken  zu;  mitunter  war  auch 
Ammoniak  vermehrt,  was  auch  von  Noorden  in  einigen  Fällen  bestätigen 
konnte;  auch  die  Harnsäureausscheidung  wurde  mitunter  höher  als  nor- 
mal gefunden;  gleiches  wird  auch  von  Horbaczewski  angegeben,  der 
in  einem  Falle  von  Carcinoma  hepatis  bei  12 — 17  g  N-Umsatz  eine  Harn- 
säureausscheidung  von  0,9 — 1,5  g  Harnsäure  fand.  Auch  von  Noorden 
fand  in  einem  Fall  von  Uteruscarcinom  mit  starker  Leukocytose  Vermehrung 
der  Hamsäureausscheidung;  ob  die  Vermehrung,  wie  Horbaczewski 
meint,  nur  durch  den  Zerfall  der  Leukocyteu  bewirkt  wird,  ist  zweifelhaft, 
da  Cario  auch  bei  Kranken  mit  Ösophaguscarcinom,  wo  nach  Rieder  (27) 
stets  ein  leukocytenarmes  Blut  vorhanden  ist,  auch  erhebUch  vermehrte 
Hamsäureausscheidung  fand.  F.  Müller  und  v.  Noorden  fanden  femer 
häufig  vermehrte  Hydrobilirubinausscheidung;  G.  Hoppe-Seylerbei  vor- 


Bedeutung  des  Carcinoms  fOr  den  Gesamtorganismus.  515 

geschrittener  Kachexie  dagegen  Verminderung.  Albuminurie  wurde  von 
Fr.  Müller  nach  den  Krankengeschichten  der  Würzburger  Klinik  in  35®/o, 
nach  denen  der  Berliner  2.  med.  Klinik  in  72®/o  aller  Fälle,  mitunter  nur 
vorübergehend  gefunden.  Das  braucht  allerdings  nicht  direkt  von  der 
Stoff  Wechselveränderung  abzuhängen,  da  durch  rein  lokale  Verhältnisse 
Staimngserscheinungen  in  der  Niere  auftreten  können  oder  bei  den  älteren 
Individuen  sich  allmählich  (eventuell  durch  zunehmende  Arteriosklerose) 
eine  Nierenveränderung  ausbildet.  Zucker  konnte  im  Harn  von  v.  Noorden 
nicht  aufgefunden  werden,  was  in  Bezug  auf  die  Angaben  Freunds  (5) 
und  Trinklers  (35)  über  die  Vermehrung  des  Zuckergehalts  des  Blutes 
wichtig  ist.  Dass  der  Kochsalzgehalt  des  Harnes  erheblich  vermindert  ist, 
hatte  schon  F.  W.  Benecke  konstatiert  und  auf  „eine  durch  den  Mangel 
an  Chloralkalien  ausgezeichnete  carcinomatöse  Konstitution"  bezogen. 
Sticker  und  Hübner,  Gärtig,  von  Noorden,  F.  Müller  u.  a. 
haben  ebenfalls  häufig  sehr  niedrige  Werte  erhalten,  doch  wurden  mitunter 
auch  hohe  Werte  gefunden.  Dass  diese  Verringerung  der  NaCl-Ausschei- 
dung  nicht  durch  eine  spezifische  Veränderung  des  Stoffwechsels  bedingt 
ist,  haben  neuerdings  besonders  Gärtig  und  Laudenheimer  (16) 
gezeigt,  indem  sie  nachwiesen,  dass  Chlor-Aufnahme  und  -Ausgabe  im 
Gleichgewicht  standen,  v.  Noorden  meint  daher,  dass  die  Ursache  der 
geringen  Kochsalzausscheidung  darin  liegt,  dass  der  Krebskranke  von 
kochsalzarmer  Nahrung  lebt,  von  Körpereiweiss  und  Körperfett.  Dort,  wo 
der  pathologische  Eiweisszerfall  noch  nicht  in  lebhaftem  Fortschritt  be- 
griffen ist  und  noch  viel  Nahrungseiweiss ,  aber  wenig  Körpereiweiss  zer- 
setzt wird,  bleibt  die  normale  Proportion  erhalten. 

2.  Bei  den  Veränderungen  des  Blutes  werden  wir  zu  betrachten 
haben  a)  die  chemischen  Veränderungen  und  die  Veränderung  der  Blut- 
flüssigkeit, ß)  die  Veränderungen  der  weissen  und  roten  Blutkörperchen. 
Die  Zusammensetzung  des  Blutes  Carcinomatöser  weicht  in  mehreren  Punkten 
von  der  normaler  Individuen  ab.  Das  Blut  ist  wasserreich,  hämoglobin- 
und  körperchenarm.  Diese  Verdünnung  des  Blutes  wird  einmal  hervor- 
gebracht durch  die  Zerstörung  roter  Blutkörperchen ;  sie  ist  regelmässig  in 
vorgeschrittenen  Stadien  vorhanden,  wird  aber  nachLaker  (15)  oft  auch  in 
sehr  früherer  Zeit  bei  leidlich  gutem  Ernährungszustand  gefimden.  Ich 
glaube,  dass  sie  namentlich  bei  Magencarcinomen  bereits  sehr  frühzeitig 
entstehen  kann;  das  gilt  namentlich  für  die  Fälle,  die  unter  dem  Bilde 
einer  perniciösen  Anämie  verlaufen  und  in  denen  sich  dann  bei  der  Sektion 
ein  Magencarcinom  herausstellt;  ich  habe  in  Zürich  zwei  derartige  Fälle 
seziert,  wo  das  ausgesprochenste  Bild  der  perniciösen  Anämie  entstanden 
war  und  sich  bei  der  Sektion  Pyloruskrebse  geringfügiger  Ausdehnung 
(etwa  5  Markstückgrösse)  und  mit  eben  beginnendem  Zerfall  vorfanden;  einen 

33* 


516  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ähnlichen  Fall,  wo  nur  daneben  .noch  eine  Phthise  sehr  geringen  Grades  iü 
der  rechten  Lunge  vorhanden  war,  beobachtete  ich  auch  in  Breslau ;  vor  kurzem 
habe  ich  nun  hier  einen  Fall  seziert,  der  ebenfalls  die  klinischen  und 
anatomischen  Veränderungen  der  perniciösen  Anämie  darbot,  und  wo  sich 
im  Ileum  zwei  ganz  kleine  Carcinome  vorfanden.  FreiUch  halte  ich  es  in 
diesem  Falle  für  möglich,  dass  hier  eine  pemiciöse  Anämie  aus  unbekannter 
Ursache  bestand  und  daneben  unabhängig  die  Ileumcarcinome  vorhanden 
waren,  obgleich  kernhaltige  rote  Blutkörperchen  im  Blute  nicht  gefunden 
wurden  und  überhaupt  mehr  das  Bild  einer  schweren  sekimdären  Anämie 
bestand.  (Nur  wenig  Megalocyten.)  In  den  anderen  Fällen  aber  ist  wohl 
ein  Zusammenhang  zwischen  der  Anämie  und  den  Magencarcinomen 
sicher.  —  Als  einen  andern  Grund  für  die  Blutverdünnung  giebt  E.  Gra- 
witz  (6)  eine  Vermehrung  des  Saftstromes  aus  den  Geweben  ins  Blut  an, 
welche  durch  die  krebsigen  Produkte  bewirkt  sein  soll ;  er  führt  dafür  das 
Ergebnis  einiger  Versuche  an  Hunden  an,  wo  es  ihm  gelang  durch  Injektion 
von  Krebsmassen  eine  Blutverdünnung  zu  erzeugen.  —  Nur  ausnahms- 
weise kommt  es  vor,  dass  das  Blut  eingedickt  „theerartig*'  erscheint,  wenn 
infolge  des  Sitzes  des  Krebses  (Ösophagus,  Cardia,  Pylorus)  die  Resorption 
beschränkt  ist  und  dadurch  eine  Wasserverarmung  der  Gewebe  eintritt. 
In  solchen  Fällen  fand  Leichtenstern  (17)  18,25°/o  Hämoglobin  (nonnal 
ca.  13 ^/o)  und  v.  Noorden  in  zwei  Fällen  von  Ösophaguskrebs  einen 
Trockengehalt  von  26,5  und  27,3  »/o  (normal  ca.  22  ^/o).  —  Sonst  pflegt  der 
Hämoglobingehalt  erheblich  herabgesetzt  zu  sein;  G.  B.  Schmidt  fand 
bei  Mammacarcinomen  den  Hämoglobingehalt  auf  60— 65^/o,  gemessen 
nach  V.  Fleischl,  v.  Limbeck  (18)  in  einem  Fall  von  Magencarcinoni 
zwischen 42  und  22°/o{nach  v.  Fleischl),  Leichtenstern  fand  ihn  gewöhn- 
lich auf  die  Hälfte  und  weniger  reduziert,  ebenso  Häberlin  (7a)  bei 
Magenkrebs.  —  Eine  Vermehrung  des  Zuckers  im  Blute  ist  von  E.  Freund 
behauptet  worden  bis  zu  0,33®/o,  ebenso  von  Trinkler;  Matrai  (li>) 
bestritt  die  Konstanz  der  Befunde.  —  Allgemein  wird  dagegen  zuge- 
geben, dass  die  Alkalescenz  des  Blutes  erheblich  vermindert  sein  kann. 
V.  Jaksch  (9)  fand  anstatt  des  normalen  Mittels,  welches  auf  100  ccm  Blut 
280  mg  Na  OH  entspricht  80—64—32  mg;  ebenso  berichten  Rumpf  {2^) 
und  Klemperer  (12)  über  erhebliche  Abnahme  der  Alkalescenz;  letzterer 
fand  18,2—14,8  Vol.  Proz.  COg  statt  des  normalen  Mittels  von  ca.  33  V- 
V.  Limbeck  fand  bei  üteruscarcinomen  19,8  und  20,5  Vol.  °/o,  in  drei 
Fällen  von  Magencarcinomen  19,21— 13,5  ®/o,  endlich  bei  disseminierter 
Peritonealcarcinose  noch  Ovarialkrebs  9,67®/oCOj{.  Er  glaubt,  dass  die 
Ursache  vielleicht  in  einem  abnormen  starken  Zufluss  saurer  Produkte 
aus  dem  Neoplasma  liegt,  da  Fettsäuren  auch  von  sehr  kachektischen 
Krebskranken  noch  oxydiert  werden  können.     Um  was  für  Säuren  es  sich 


Bedeutung  des  Carcinoma  für  den  Gesamtorganismus.  517 

hierbei  handelt,  ist  noch  nicht  festgestellt;  Harnsäure  ist  nach  von  Jakscli. 
ausgesclilossen;  v.  Noorden  denkt  an  anorganische  Säuren  (H2SO4,  H3PO4), 
die  beina  gesteigerten  Eiweisszerfall  frei  werden ;  in  manchen  Fällen  mögen 
auch  Acetessigsäure  und  /? - Oxybuttersäure  beteiligt  sein.  —  ß)  Die  Ver- 
änderungen der  zelligen  Elemente.  Hierbei  kommen  nicht  nur  die 
Abnahme,  resp.  Zunahme  der  roten  und  weissen  Blutkörperchen  in  Betracht, 
sondern  auch  morphologische  Veränderungen.  Die  Abnahme  der  roten 
Blutkörperchen  kann  sehr  beträchtlich  sein ;  durchschnitthch  wird  die  Zahl 
als  um  die  Hälfte  herabgesetzt  angesehen;  F.  Müller  und  G.  Schneider 
(30)  fanden  auch  unter  zwei  Millionen  in  1  cram;  v.  Limbeckgiebt  in  einem 
Fall  von  Magencarcinom  Werte  von  zwischen  2  Millionen  und  930  000  im  cmm 
an;  in  einem  der  von  mir  oben  erwähnten  Fälle  von  Magencarcinom  betrug 
die  Zahl  780000,  in  dem  Fall  von  beginnenden  Ileumkrebsen  500000  im  cmm. 
Bei  Hautcarcinomen  kann  die  Zahl,  wie  ich  nach  eignen  Untersuchungen 
angeben  kann,  ganz  oder  annähernd  normal  sein  (zwischen  4^/«  und  5  Mil- 
lionen). Osterspey  (24)  fand  in  zwei  Fällen  von  Magenkrebs  sogar  Ver- 
mehrung der  roten  Blutkörperchen.  Die  morphologischen  Veränderungen 
der  roten  Blutkörperchen  bestehen  in  den  bekannten  Veränderungen,  die 
zum  Bilde  der  Poikilocy  tose  führen  (St  r  au  er  (34),  Osterspey);  frühzeitig 
treten  namentHch  Mikrocyten  auf ;  bald  auch  die  birnenförmigen  und  keulen- 
artigen Gebilde;  nach  meinen  Untersuchungen  vermisst  man  sogar  dann, 
wenn  noch  keine  Spur  von  Kachexie  vorhanden  ist,  selbst  bei  Hautkrebsen, 
selten  geringfügige  Veränderungen  der  roten  Blutkörperchen,  namentlich 
Austritt  kleinster  Hämoglobintropfen,  die  von  den  verschiedenen  Autoren 
wegen  ihrer  an  Eigenbeweguug  erinnernden  Bewegungen  für  Parasiten  gehal- 
ten sind  (Klebs,  Kahane).  Weintraud  (37)  hat  in  Fällen  von  schwerer 
Carcinomkachexie  eigentümliche  helle  flecke  in  den  roten  Blutscheiben  von 
unregelmässiger,  länglicher  oder  auch  rundlicher  Gestalt  beschrieben,  welche 
zwar  in  dieser  Form  in  den  cirkulierenden  roten  Blutkörperchen  nicht  vorhan- 
den sind,  aber  jedenfalls  auf  schwere  Alteration  der  roten  Blutkörperchen  hin- 
weisen. Ich  habe  sie  auch  in  einem  Fall  von  Ösophaguscarcinom  ohne 
Kachexie  gefunden.  Ganz  ähnliche  Veränderungen  haben  Maragliano  und 
Castellino  (18a)  bei  Carcinom  und  anderen  AfEektionen  als  langsame  Ne- 
krobiose  der  roten  Blutkörperchen  beschrieben.  —  Dass  schliesslich  durch  die 
Kombination  dieser  Momente  das  Bild  einer  typischen  perniciösen  Anämie  ent- 
stehen kann,  hegt  auf  der  Hand ;  nur  möchte  ich  hervorheben,  dass  man  Megalo- 
cyteu  in  geringerer  Menge  antrifft  und  dass  ich  vor  allem  Gigantoblasten  nie- 
mals und  nur  einmal  kernhaltige  rote  Blutkörperchen  gefunden  habe,  so  dass 
schon  dadurch  die  Fälle  nach  Ehrlich  zu  den  sekundären  Anämieen  ge- 
hören müssen.  —  Umgekehrt  verhält  es  sich  dagegen  mit  den  weissen 
Blutkörperchen,   welche   meist  vermehrt  sind.     Einhorn  (2)  giebt  auch 


518  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

eine  Vermehrung  der  Lymphoeyten  an,  was  er  auf  eine  Reizung  der 
Lymphdrüsen  durch  das  Careinom  zurückführt;  sind  dagegen  die  Lymph- 
drüsen carcinomatös  entartet,  so  tritt  eine  Verminderung  der  Lymphoeyten 
ein.  Schneider  fand  bei  12  Krebskranken  nicht  nur  bedeutende 
relative,  sondern  auch  absolut  hohe  Werte;  einmal  war  das  Verhältnis 
der  weissen  zu  den  roten  Blutkörperchen  auf  1  :  48  gestiegen  (bei 
V.  Limbeck  kommt  einmal  ein  Verhältnis  von  1  :  36,5  vor).  Pee 
(25)  fand  in  7  Fällen  im  Durchschnitt  18  700  Leukocyten,  Schaper 
(29)  bis  30000 (durchschnittlich  12000),  Rieder  (27)  unter  12  Fällen  8mal 
erhebliche  Vermehrung  11000—30000,  Osters pey  notierte  regelmässig 
Vermehrung  der  weissen  Blutkörperchen;  Reinbach  (26)  dagegen  bei 
Carcinomen  seltener  als  bei  Sarkomen,  unter  16  Fällen  lOmal ;  dabei  wurde 
von  ihm  auch  ein  Abweichen  in  dem  Verhältnis  der  verschiedenen  Lcuko- 
cytenformen  festgestellt;  in  den  meisten  Fällen  waren  die  polynukleären 
Zellen  vermehrt,  die  Lymphoeyten  vermindert.  Ich  habe  mitunter  auch 
erhebliche  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  im  Blute  Krebskranker 
beobachtet.  —  Während  wir  die  Verminderung  der  roten  Blutkörperchen 
durch  eine  Störung  in  der  Thätigkeit  der  blutbereitenden  Organe  erklären 
können,  weisen  die  morphologischen  Veränderungen  auf  Giftwirkungen  hin; 
ebenso,  wie  wir  auch  die  Leukocytose  davon  abhängig  machen  müssen,  dass 
bei  dem  Zerfall  der  Carcinomzellen  positiv  chemotaktische  Stoffe  frei 
werden. 

3.  Was  die  Veränderungen  der  nicht  direkt  vom  Careinom  oder  seinen 
Metastasen  betroffenen  Organe  anbetrifft,  so  ist  ihnen  vielleicht  deswegen 
keine  so  grosse  Berücksichtigung  geschenkt  worden,  w^eil  sich  die  Summe 
der  Faktoren,  welche  zu  den  anatomischen  Veränderungen  führen,  nur 
seltener  übersehen  lassen.  Die  Veränderungen  gehören  in  erster  Linie 
ins  Gebiet  der  braunen  Atrophie  (an  Herz,  Milz,  Leber)  und  es  wäre  daran 
zu  denken,  dass  sie  mit  dem  Zerfall  der  roten  Blutkörperchen  in  Zusanmien- 
hang  zu  bringen  sind.  Ob  die  fettigen  Degenerationen,  die  nicht  so  selten 
an  der  Herzmuskulatur  und  den  Nieren  gefunden  werden,  Folge  der  Anämie 
oder  einer  spezifischen  Giftwirkung  sind,  ist  ebenfalls  noch  nicht  genügend 
untersucht.  Schrader  (31)  fand  unter  50  Krebsleichen  10  mal  akute 
parenchymatöse  Nephritis,  4  mal  chronische ,  2 mal  beides  kombiniert  und 
Benecke  meint,  dass  auch  diese  Befunde  auf  eine  allgemeine  Schädigung 
zurückzuführen  sind,  was  allerdings  möglich  ist,  aber  erst  bei  sorgfältiger 
Beachtung  aller  in  Frage  kommenden  Fehlerquellen  als  völlig  bewiesen 
augesehen  werden  kann.  —  Besonders  interessant  sind  die  Veränderungen 
der  peripheren  Nerven,  welche  in  einigen  Fällen  von  Careinom  konstatiert 
wurden.  So  fand  Auche  (1)  in  4  Fällen  von  Magenkrebs,  1  Fall  von 
Pankreaskrebs  und  5  Fällen  von  Uteruskrebs  Neuritis,  ebenso  Francotte 


Weseu  der  Neubildung.  519 

(4)  in  einem  Fall  von  Pyloruskrebs ,  femer  Oppenheim  und  Siemer- 
ling  (23)  ebenfalls  in  einem  Fall  von  Magenkrebs.  Letztere  Autoren  be- 
schreiben die  Veränderungen  dahin,  dass  man  Gruppen  marklos  gewordener 
Fasern  antrifft  mit  geschwundenen  oder  degenerierten  Cylindern,  in  deren 
Umgebung  die  Kerne  der  Seh  wann  sehen  Scheide  vermehrt,  das  Binde- 
gewebe aber  unverändert  war.  Auch 6  giebt  an,  dass  Gehirn  und  Rücken- 
mark dabei  unverändert  blieben.  Ich  habe  in  letzter  Zeit  das  Rückenmark 
bei  Carcinomsektionen  systematisch  untersucht  und  namentlich  bei  Magen- 
krebs nicht  selten  (5  mal  unter  11  Fällen)  degenerative  Veränderungen  ge- 
funden; es  handelte  sich  um  kleine  Herde,  die  meist  in  den  Hintersträngen, 
1  mal  aber  auch  in  den  Seitensträngen  lagen,  wo  die  Markscheide  zu  Grunde 
gegangen  und  eine  leichte  Gliawucherung  nachweisbar  war;  nur  Imal 
waren  unbestimmte  Symptome  von  selten  des  Rückenmarks  vorhanden  ge- 
wesen. —  Endlich  noch  einiges  über  Fiebererscheinungen  bei  Krebskranken, 
worauf  Käst  hingewiesen  hat;  auch  Schweppe  (32)  und  Kobler  haben 
solche  Fälle  mitgeteilt,  wo  ein  eigentümliches  remittierendes  Fieber  vor- 
handen war;  nicht  in  allen  Fällen  handelte  es  sich  um  unkomplizierte 
Carcinome;  aber  nach  dem  jetzigen  Stand  unserer  Wissenschaft  werden 
wir  es  nicht  für  unwahrscheinUeh  erklären,  dass  auch  pyrogene  StoflEe  beim 
Zerfall  von  menschlichen  Zellen  frei  werden.  Sehen  wir  doch  im  übrigen 
grosse  Übereinstimmungen  in  der  Wirkung  des  zerfallenden  Protoplasmas 
der  tierischen  Zelle  mit  der  von  Bakterienzellen  und  ist  doch  in  neuester 
Zeit  durch  Krehls  Untersuchungen  das  Vorkommen  eines  Albumosefiebers 
sichergestellt.  — 

7.  Wesen  der  Neubildung. 

Littera  tur 

1.  Benecke  a.  a.  0. 

2.  Brath weite,  Lancet  II.  Aug.  1888. 

3.  Hanau  a.  a.  0. 

4.  üansemann  a.  a.  0. 

5.  Häuser  a.  a.  0. 

6.  Kleb 8  a.  a.  0. 

7.  Marshall  a.  a.  0. 

8.  M^n^trier,  Des  polyad^nomes  gastriques  et  de  leur  rapport  avec  le  Cancer  de  Testomac. 
Arch.  de  physiol.  Bd.  4.  S.  1.  1888. 

9.  Ribbert  a.  a.  O. 

10.  Thiersch,  Das  Epiihelialcarcinom. 

11.  Woodhead,  Edinb.  med.  Journ.  Nr.  397.  Juli  1888. 

Wenn  wir  zum  Schlüsse  dieser  ausführlichen  Darstellung  der  Patho- 
logie des  Carcinoms  auf  die  Frage  nach  dem  Wesen  dieser  Neubildung 
eingehen,  so  kommen  wir  dabei  auf  eine  Reihe  von  Ansichten  zu  sprechen, 


520  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

welche  im  Vorhergehenden  schon  mehrfach  erwähnt  sind.  —  Die  prin- 
zipiellen Gegensätze  über  das  Wesen  des  Carcinoms  beruhen  nicht  mehr, 
wie  wir  in  Kapitel  2  gezeigt  haben,  in  Differenzen  über  die  Histogenese 
desselben,  wohl  aber  in  der  Auffassung  über  die  eigentlichen  inneren  Ur- 
sachen der  schrankenlosen  Epithelwucherung.  Hier  sieht  ein  Teil  der 
Autoren  die  Ursache  in  einer  Veränderung  des  Bindegewebes,  ein  anderer 
Teil  in  der  Erkrankung  des  Epithels,  über  deren  äussere  Veranlassung 
allerdings  so  gut  wie  nichts  ausgesagt  werden  kann.  —  Die  Vertreter  der 
primären  Epithelerkrankung  sind  vor  allem  Hansemann,  Hanau, 
Hauser  und  Benecke.  —  Hansemann  (4)  hat  in  ebenso  konsequenter, 
wie  geistvoller  Weise  die  Auffassung  entwickelt,  dass  die  Spezifizität  der 
Zellen  durch  eine  primäre  inäquale  Teilung  der  befruchteten  Eizellen  be- 
dingt ist.  Derartige  ungleiche  Teilungen  erfolgen  während  der  embryonalen 
Entwickelung  und  grenzen,  von  äqualen  zur  Vermehrung  des  neu  ent- 
standenen Tj'pus  dienenden  Teilungen  unterbrochen,  „Generationsstadien'* 
ab,  die  alhnählich  immer  mehr  vom  Typus  der  Eizelle  verschiedene 
Zellen  erzeugen.  Durch  diese  inäquale  Teilung  werden  allmäliüch  aus  der 
Eizelle,  welche  alle  Plasmen  in  gleicher  Anzahl  beherbergt,  Zellen  ent- 
stehen, in  denen  gewisse  Sorten  von  Idioplasmen  überwiegen  —  Haupt- 
plasmen, andere  zurücktreten  —  Nebenplasmen.  (Enthält  z.  B.  die  Eizelle  die 
Plasmen  6a-|-6b-|-6c,  so  werden  durch  inäquale  Teilung  zwei  Zellen  ge- 
bildet 4a-|-3b-f-3c  und  2a-f3b+3c,  und  nun  weitere  Zellarten  entstehen, 
von  denen  die  eine  die  a-Plasmen  als  Hauptplasmen,  die  andere  die  b- 
und  c-Plasmen  als  Hauptplasmen  enthalten.)  Da  nun  jede  Zellart  weiter- 
hin gleichartige  oder  inäquale  Generationen  erzeugen  kann,  entstehen 
schliesslich  die  am  stärksten  spezifizierten  Zellen,  welche  der  Urzelle  am 
unähnlichsten  sind.  Zu  gleicher  Zeit  gehören  aber  auch  die  auf  diese  Weise 
in  verschiedenster  Richtung  spezifizierten  Zellen  innig  zu  einander,  indem 
nur  durch  die  Summe  ihrer  sämtlichen  Plasmen  die  Zahl  der  ursprünglich 
in  der  Eizelle  vorhandenen  Plasmen  wieder  erreicht  wird.  Die  Spezifizität 
der  Zellen  dokumentiert  sich  nun,  wie  Hansemann  durch  zahh-eiche  Unter- 
suchungen bewiesen  hat,  durch  die  Spezifizität  der  Kernteilungen,  d.  h. 
durch  die  konstante  Zahl  der  Chromosomen.  Wird  die  Zahl  der  Chromo- 
somen vermindert,  so  handelt  es  sich  immer  um  eine  Reduktionsteilung, 
bei  welcher  einer  Kernteilung  sofort  eine  neue  in  den  Tochterzellen,  ohne 
dazwischen  liegendes  Ruhestadium,  folgt,  so  dass  die  nunmehr  entstehen- 
den Kerne  nur  je  ein  Viertel  des  ersten  Kernes  repräsentieren.  Bedeutet 
somit  die  Reduktionsteilung  der  Zellen  eine  w^esentliche  physiologische 
Umgestaltung,  so  glaubt  auch  Hansemann  in  den  asymmetrischen 
und  hypochromatischen  Mitosen,  welche  in  Carcinomen  vorkommen,  den 
Ausdruck  einer  Entdifferenzierung  der  Zellen  sehen  zu  dürfen ;  durch  die 


Wesen  der  Neubildung.  521 

veränderte  Kernteilung  gewinnen  die  Zellen  eine  grössere  Selbständigkeit, 
während  sie  an  Spezifizität  einbüssen,  und  diese  Anaplasie  der  Zellen, 
wie  sie  Hansemann  bezeichnet,  ist  die  innere  Ursache  der 
schrankenlosen  Wucherung  der  Carcinomzellen^).  Er  betrachtet 
die  Bildung  der  Carcinome  geradezu  als  eine  Bildung  neuer  Organe,  die 
ebenso  wie  die  Mutterorgane  eine  positive  und  negative  Funktion  im  Körper 
ausüben.  Wenn  auch  nicht  im  einzelnen  so  stimmt  doch  im  Prinzip 
Hauser  (5)  mit  Hansemann  (4)  überein,  wenn  er  schreibt:  „der  Ver- 
lust der  physiologischen  Funktion,  die  Umwandlung  typischen 
(Cylinder;)  Epithels  in  mehrschichtiges  polymorphes  Epithel, 
die  veränderten  Grössenverhältnisse,  namentlich  die  so  häufig 
beobachtete  Vergrösserung  der  Zellen  mit  gleichzeitiger  Ver- 
grösserung  der  Kerne  und  die  Erhöhung  des  Gehaltes  an 
Chromatin;  ferner  die  veränderte  Form  der  Mitosen,  das  sehr 
reichliche  Auftreten  hypochromatischer,  hyperchromati- 
scher, asymmetrischem  ndmultipolarerKernteilungsfiguren 
und  endlich  die  offenbar  mit  einer  gewissen  Hinfälligkeit 
und  kürzeren  Lebensdauer  der  Einzelzelle  verbundene 
enorme  Vermehrungsfähigkeit  der  Krebszellen,  alle  diese 
in  manchen  Fällen  im  höchsten  Masse  in  die  Erscheinung 
tretenden  Veränderungen  deuten  mit  Bestimmtheit  darauf 
hin,  dass  die  Krebszelle  morphologisch  und  biologisch  eine 
andere  geworden  ist,  als  die  Mutterzelle,  von  welcher  sie  ab- 
stammt, dass  eine  Entdifferenzierung  oder  Anaplasie,  wie  es 
Hansemann  bezeichnet,  kurz  eine  „spezifisch  krebsige  Entar- 
tung" des  Epithels  stattgefunden  hat."  Auch  Hanau  (3)  sieht  das 
Wesen  der  Carcinombildung  in  einer  biologischen  Veränderung  des  Epithels 
und  ebenso  legt  Benecke  (1)  den  grössten  Nachdruck  darauf,  dass  die 
Krebskrankheit  „eine  Zellenerkrankung  der  Epithelien  ist,  die  in 
Störungen  des  normalen  Gleichgewichtes  der  Zellenkräfte  be- 
steht, indem  die  Kraft  der  Wucherung  auf  Kosten  der  funktio- 
nellen zunimmt." 

Wenn  wir  diese  Anschauungen  im  einzelnen  einer  Kritik  unterwerfen, 
so  können  wir  auf  vieles  verweisen,  was  bereits  oben  angeführt  worden  ist. 
Die  Hansemannsche  Theorie,  welche  ja  in  ihrer  prinzipiellen  Grundlage 
hypothetisch  und  von   ersten  Autoritäten  (Hertwig)   angefochten  ist,  hat 


1)  Hansemann  bezeichnet  es  als  ein  Miss  Verständnis ,  wenn  man  seine  Theorie 
als  eine  ätiologische  angesehen  hat.  Sicherlich  insofern  es  sich  um  äussere  Ursachen 
der  Krebsbildung  handelt.  Die  innere  Ursache  soll  aber  nach  seinen  eigenen  Worten 
doch  wohl  in  der  Anaplasie  der  Zellen  liegen,  wenn  er  erklärt,  «dass  die  veränderte 
Form  der  Mitosen  die  Ursache  der  Veränderung  des  Gewebes  ist.^    (S.  86.) 


522  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  PhyBiologie. 

jedenfalls  durch  Stroebes  Angaben  über  das  Vorkommen  der  asymmetri- 
schen mid  hypochromatischen  Kernteilungen  in  gutartigen  Neubildungen 
und  bei  der  normalen  Regeneration  auch  im  speziellen  einen  schweren 
Stoss  erhalten.  Aber  selbst  wenn  man  die  Beobachtungen  von  Stroebe 
nicht  für  sicher  genug  halten  wollte,  wozu  nach  meiner  Meinung  kein  Grund 
vorUegt  (Kollege  Reinke  teilte  mir  mit,  dass  er  auch  beim  Salamander 
asymmetrische  Mitosen  gefunden  hat),  so  sind  doch  noch  andere  Gründe 
vorhanden,  welche  gegen  diese  Theorie  sprechen.  1.  Findet  man,  wie  Rib- 
bert  (9)  einwendet  und  wie  ich  bestätigen  muss,  in  beginnenden  Carcinomen 
mitunter  gar  keine  abweichenden  Mitosen.  2.  Sind  die  asymmetrischen 
und  hypochromatischen  Mitosen  oft  in  ausserordentlich  geringer  Anzalil 
trotz  starker  Wucherung  des  Carcinoms  vorhanden.  3.  Ist  es  nicht  ver- 
ständlich, dass  einerseits  eine  Entdifferenzierung  der  Zellen  vorhanden  sein 
soll  und  sie  andererseits  doch  noch  spezifische  Funktionen  ausüben  sollen 
(Pankreas-,  Nebennieren-,  Schilddrüsencarcinome).  4.  Kann  selbst  in  einer 
Zelle,  die  asymmetrische  oder  hypochromatische  Mitosen  aufweist,  der  Zell- 
inhalt (Altmannsche  Granula)  unverändert  sein  (Lu barsch).  5.  Ist  es 
auffallend,  dass  die  stärkste  Abweichung  von  dem  normalen  Typus  der 
Kernteilungen  oft  erst  in  den  Metastasen  auftritt,  wo  infolge  der  bereits 
eingetretenen  Schädigung  des  Allgemeinzustandes  die  Vermehrung  und  der 
Untergang  der  Zellen  sehr  viel  rascher  zu  erfolgen  pflegt.  Es  erscheint 
deswegen  viel  wahrscheinlicher,  dass  die  veränderte  Mitose  nicht  die  Ur- 
sache der  carcinomatösen  Wucherung,  sondern  die  Folge  ist, 
indem  durch  die  überstürzte  und  oft  wiederholte  Kernteilung  Unregelmäs- 
sigkeiten in  der  Verteilimg  des  Chromatins  ablaufen.  Das  gleiche  gilt  für 
die  Ausführungen  H aus ers;  dass  die  hyperchromatischen  und  multipolaren 
Kernteiluugsfiguren  nicht  nur  in  Carcinomen,  sondern  in  durchaus  gut- 
artigen Neubildungen  vorkommen,  ja  sogar  experimentell  erzeugt  werden 
können  (Hertwig),  wird  allgemein  zugegeben.  Aber  auch  die  übrigen  Ver- 
änderungen der  Epithelzellen  kommen  1.  nicht  ausschliesslich  den  Carcinoni- 
zellen  zu  und  sind  2.  durchaus  nicht  in  allen  Krebsen  vorhanden.  Hauser 
hat  eigentlich  selbst  in  dem  oben  näher  besprochenen  Beispiel  von  multiplen 
Polypen  des  Dickdarms  ein  Beispiel  angeführt  dafür,  dass  die  spezifische 
carcinomatöse  Degeneration  der  Epithelien  auch  an  nicht  krebsigen  Neu- 
bildungen vorkommt ;  auch  hier  waren  die  Zellen  chromatinreicher,  es  kam 
zur  Bildung  mehrschichtigen,  ja  sogar  polymorphen  Epithels  (wenigstens 
in  einem  kleinen  Tumor,  der  auch  ausschliesslich  auf  die  Schleimhaut 
beschränkt  war),  die  Funktion  war  herabgesetzt  und  doch  handelte  es  sich 
nach  Haus  ers  eigener  Auffassung  nicht  um  Krebs  1  Ich  selbst  habe  schon 
früher  das  Vorkommen  atypischer  Epithelwucherungen  in  Dickdarmpoh^peii 
beschrieben  (Virch.  Arch.,  Bd.  111)  und  neuerdings  einen  sehr  interessanten 


Wesen  der  Neubildung.  523 

Fall  von  Kehlkopf polypen  beobachtet,  dessen  Struktur  zuerst  bei  mir  den 
Verdacht  auf  Carcinom  erweckte;  der  Tumor  war  im  Dezember  1891  von 
Professor  Lemke,  der  ihn  für  gutartig  hielt,  einfach  mit  der  Zange  ent- 
fernt worden.     Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  fand  sich  eine  sehr 
mächtige  Epithelwucherung,  wobei  reichlich  hyperchromatische  Kerne  und 
Mitosen,  pluripolare  und  hypochromatische  Mitosen  auffielen;  die  Platten- 
epitheüen  erschienen  vielfach  vergrössert,  zeigten  keine  deutUche  Fibrillar- 
struktur  und  enthielten  nur  noch  ausnahmsweise  Glykogen.     Ich  hielt  den 
Tumor  deswegen,    obgleich  ein  Durchbruch  der  physiologischen  Grenzen 
nicht    sicher   nachgewiesen    werden  konnte,  zum  mindesten  für  carcinom- 
verdächtig.  Da  aber  bis  heute  kein  Recidiv  eingetreten  ist,  der  klinische  Ver- 
lauf —  der  Tumor  hatte  sich  in  sehr  kurzer  Zeit  entwickelt  —  durchaus  gegen 
Carcinom  sprach,  halte  ich  es  für  unstatthaft,  ihn  als  etwas  anderes,  wie 
als  gutartiges  Epitheliom  aufzufassen.    Andererseits  bekommen  wir  Carci- 
noine  zu  sehen,  die,  wie  schon  oben  mehrfach  hervorgehoben,  weder  mor- 
phologisch, noch  physiologisch  wesentlich  von  den  Zellen  des  Mutterorganes 
abweichen.     Das  gilt  ja  besonders  von  den  Neubildungen,  die  im  Uterus 
und  Magen  von  den  Klinikern  vielfach  als  Adenoma  malignum  oder  des- 
truens   bezeichnet   werden;   mehr  noch   von  den  metastasierenden  Schild- 
dnisentumoren,  welche,  mag  man  sie  nun  als  Adenome  oder  Carcinome 
bezeicluien,  doch  gerade  das  wesentlichste  der  carcinomatösen  Neubildung, 
die  schrankenlose  Wucherungsfähigkeit  mit  ihnen  gemein  haben.  —  Die 
Auffassung  von  Hanau  und  Benecke  ist  deswegen  nicht  ohne  weiteres 
abzulehnen,   weil  hier  noch  nicht  der  Versuch  gemacht  wird,  für  die  Er- 
krankung des  Epithels  einen  morphologischen  Ausdruck  zu  suchen.    Auch 
ist  Beneckes  Auffassung  von  der  Abnahme  der  physiologischen  Leistung 
der  Zellen,  wie  schon  oben  auseinandergesetzt,  auch  mit  der  Thatsache  in 
flinklang  zu  bringen,  dass  oft  genug  die  Carcinomzellen  noch  spezifische 
Funktionen  ausüben,  weil  wir  doch  nicht  wissen,  ob  die  physiologische  Lei- 
stung quantitativ  und  qualitativ  genau  dieselbe  ist.  —  Wohl  aber  werden 
wir  unten   noch   darauf  eingehen  müssen,  ob  wirklich  die  Zunahme  der 
Wucherungskraft  stets  mit  einer  Abnahme  der  Leistungsfähigkeit  verbunden 
sein  muss. 

Eine  Reihe  von  anderen  Autoren  ergehen  sich  nur  in  sehr  allge- 
meinen Ausdrücken  über  das  Wesen  des  Carcinoms.  So  findet  Braith- 
waite  (2)  das  Wesen  der  Erkrankung  in  einer  „erhöhten  Lebenskraft'' 
der  Zellen;  Mönötrier  (8)  spricht  von  einer  Umwandlung  der  spezifischen 
Zellen  in  „embryonale"  Zellen  unbestimmten  Charakters,  die  durch  eine 
lokale  Arteriosklerose  hervorgebracht  sein  soll,  welche  die  Ernährung  der 
Zellen  schädigen  soll  —  eine  Auffassung,  die  kaum  besonders  widerlegt 
zu  werden  braucht.     Mars  hall  (7)  sieht  dagegen  das  Wesen  des  Krebses 


524  All  gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

in  der  Anarchie  des  Gewebes  und  sieht  die  Ursache  davon  in  den  man- 
gelnden Beziehungen  der  Krebszellen  zum  Nervensystem,  welches  Marshall 
für  das  allein  massgebende  bei  dem  Wachstum  der  Zellen  hält.  Be necke 
hat  bereits  sehr  richtig  hiergegen  eingewendet,  dass  das  Nervensystem 
nur  den  Regulator  der  in  der  Zelle  selbst  liegenden  Kräfte  darstellt 
und  daher  nicht  ausschlaggebend  für  das  Zell  Wachstum  ist.  Woodheaa 
(11)  endlich  hat  die  Hypothese  aufgestellt,  dass  das  Gleichgewicht  zwischen 
vegetativer  und  funktioneller  Zellthätigkeit  durch  eine  derartige  Ernäh 
rungsstörung  verändert  werden  kann,  welcher  in  einer  den  inneren  An 
f orderungen  der  Zellen  nicht  entsprechenden  Nahrungszufuhr  besteht,  da 
bei  clu-onischen  Reizungen  die  Ernährungsanforderungen  der  Zellen  erhöht 
sind,  wird  also  dadurch  ein  relativer  Nahrungsmangel  herbeigeführt;  und 
die  Zellen  beginnen  nun  übermässig  zu  wuchern,  um  behufs  besserer  Er- 
nährung grössere  Oberflächen  zu  bekommen.  „Imperfect  nutrition"  ist  also 
nach  Woodhead  die  Ursache  der  Zellwucherung.  Sieht  man  ganz  ab 
von  der  zum  Teil  teleologischen  Auffassung  Woodheads,  so  würde  sich 
doch,  wie  Ben  ecke  mit  Recht  bemerkt,  der  wachsende  Grad  der  Zell- 
erkrankung auf  diese  Weise  nicht  erklären  lassen,  zumal  ja  oft  durch  die 
Bildung  des  gefässreichen  Stromas  die  Ernährungsverhältnisse  besonders 
günstige  werden. 

Wenden  wir  uns  nun  endlich  noch  zu  einigen  Theorieen,  die  wenn 
auch  nicht  das  Wesen,  so  doch  die  Ursache  der  Neubildung  in  einer  Er- 
krankung des  Bindegewebes  sehen.  Auf  Ribberts  (9)  diesbezügliche  An- 
schauungen sind  wir  bereits  oben  so  ausführlich  eingegangen,  dass  hier 
darauf  verwiesen  werden  kann.  Hier  sei  nur  noch  der  klassischen  Unter- 
suchungen von  Tili  er  seh  (10)  gedacht,  der  zwar  gerade  als  Erster  gezeii^t 
hat,  dass  die  Carcinomzellen  Epithelien  sind,  das  eigentliche  Wesen  der 
Erkrankung  aber  in  einer  Störung  des  Verhältnisses  zwischen  Epitlielien 
und  Bindegewebe  sieht.  Durch  den  primären  Schwund  des  Bindegewebes 
infolge  von  Altersatrophie  soll  dem  Epithel  die  MögKchkeit  gegeben  werden, 
schrankenlos,  in  die  Tiefe  zu  wachsen.  Hause r  hat  zugegeben,  dass  es 
eine  unverkennbare  Thatsache  ist,  dass  das  Bindegewebe  früher  atrophiert 
als  das  Epithel,  welches,  wie  Merkel  sagt,  „ew^g  jung"  bleibt;  er  hat 
aber  gegen  die  Theorie  angeführt,  dass  1.  sich  durch  den  Wegfall  der 
Widerstände  des  Bindegewebes  nicht  die  gesteigerte  Proliferationskraft 
erklären  lässt;  2.  die  Atrophie  des  Bindegewebes  im  Alter  eine  Allgemeiu- 
affektion  ist,  man  also  häuflger  multiple  Carcinome  finden  müsste,  als  es 
thatsächUch  der  Fall  ist ;  3.  könne  doch  bei  manchen  Krebsen  keineswegs  von 
einer  Schwächung  des  Bindegewebes  die  Rede  sein,  es  bestände  vielmehr 
eine  lebhafte  Proliferation  derselben;  im  übrigen  hält  aber  auch  Hauser 
es  für  möglich,  dass  der  unbekannte  Faktor,  welcher   zur  krebsigen  Ent- 


Wesen  der  Neubildung.  525 

artung  des  Epithels  führt,  vom  Bindegewebe  aus  auf  das  Epithel  einwirkt. 
Ich  rauss  gestehen,  das  mir  von  allen  Carcinomtheorieen  die  Thi  er  seh  sehe 
immer  noch  die  sympathischeste  ist,  dass  sie  aber  natürlich  das  Rätsel 
auch  nicht  vollkommen  löst,  zumal  die  ad  1  und  3  angegebenen  Einwände 
Ilausers  entschieden  stichhaltig  sind,  während  der  zweite  Punkt  immer 
noch  mit  der  Thiersch  sehen  Theorie  vereinbar  wäre,  da  neben  der  all- 
jremeinen  Atrophie  des  Bindegewebes  ja  noch  lokale  Reize  eine  Rolle  spielen. 
Aus  allen  bisher  mitgeteilten  Auffassungen  scheint  mir  nur  das  als 
ein  sicherer  Punkt  feststellbar,  dass  das  Wesen  des  Carcinoms  in  der 
schrankenlosen  Wucherung  des  Epithels  liegt  und  somit  eine  Erkrankung 
des  Epithels  ist,  für  deren  Eigentümlichkeit  wir  eine  morphologische  Unter- 
lage noch  nicht  besitzen.  Man  kann  das  Wesen  der  Erkrankung  vielleicht 
auch  so  ausdrücken,  dass  man  mit  Benecke  von  einer  Störung  des  Gleich- 
gewichts zwischen  funktioneller  und  vegetativer  Kraft  spricht.  Aber  es 
seheint  mir  nicht  nötig,  dass  die  Vegetationskraft  stets  auf  Kosten  der 
funktionellen  Thätigkeit  steigen  muss.  Vergegenwärtigt  man  sich  die  That- 
sacbe,  dass  einmal  durch  Damiederhegen  der  Funktion  eine  Atrophie  der 
Zellen  eintritt  —  ein  Zustand  der  früher  oder  später  ausnahmslos  das 
Schicksal  der  Zellen  ist  —  und  andererseits  durch  häufige  Inanspruch- 
nahme der  Funktion  (Übung)  eine  Vergrösserung  und  Wucherung  der 
Zellen  eintritt,  so  haben  wir  Beispiele  vor  uns,  dass  einmal  mit  der  funk- 
tionellen Abnahme  auch  die  vegetative  einhergehen  kann  und  umgekehrt. 
Zur  Erklärung  dieser  Vorgänge  könnte  man  die  Hypothese  aufstellen, 
dass  bei  den  Lebensvorgängen  der  Zellen  Stoffe  produziert  werden,  welche, 
allerdings  erst  in  sehr  grossen  Quantitäten,  auf  die  Zelle  selbst  schädlich 
einwirken;  deswegen  fallen  schliesslich  im  Alter  die  Zellen  der  Atrophie 
anheim,  weil  diese  Stoffe  sich  in  zu  grosser  Menge  angehäuft  haben;  um- 
gekehrt schliesst  aber  an  häufigen  Gebrauch  eines  Zellkomplexes  eine 
Hypertrophie  und  schliesslich  sogar  Hyperplasie  an,  weil  bei  dem  viel 
energischeren  Stoffwechsel  die  deletären  Stoffe  rasch  und  vollständig  fort- 
geschafft werden.  Man  könnte  danach  umgekehrt  zu  der  Ansicht  gelangen, 
dass  dann,  wenn  durch  irgend  welche  andere  Momente  für  eine  besonders 
rasche  und  vollständige  Entfernung  des  Giftstoffes  gesorgt  würde,  eine 
Neubildung  von  Zellen  eintreten  muss;  und  man  könnte  sich  vorstellen, 
dass  durch  immer  wiederholte  entzündliche  oder  traumatische  Reize  ein 
solches  Moment  zu  sehen  sei,  in  dem  durch  eine  Vermehrung  des  ge- 
samten Plasmastroms  eine  energischere  Ausspülung  der  Zellen  stattfände. 
Zu  gleicher  Zeit  und  namentlich  dann,  wenn  die  gewucherten  Zellen  bereits 
die  Lymphbahnen  erreicht  haben,  kommt  es  dann  zu  einer  Anhäufung  der 
schädlichen  Stoffwechselprodukte  im  Blute,  wodurch  allmählich  eine  Ab- 
nahme der  resorbierenden  Thätigkeit  der  Zellen  eintritt  und  somit  die  Be- 


526  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

dingungen    erfüllt   werden,    welche   zur  Metastasenbildung   Anlass  geben 
können. 

Ich  möchte  hiermit  keine  neue  Carcinomtheorie  aufgestellt  haben, 
zumal  ich  mir  nicht  verhehle,  dass  auch  sie  ihre  bedenklichen  Schwächen 
besitzt;  aber  ich  möchte  doch  damit  darauf  hinweisen,  dass  es  gut  wäre, 
wenn  wir  die  Entstehung  der  eigentlichen  carcinomatösen  Wucherung  von 
den  gleichen  Gesichtspunkten  aus  zu  erklären  versuchten,  vne  die  Metas- 
tasenbildung, nicht  aber,  wie  es  z.  B.  auch  in  den  Ben  eckeschen  Aus- 
führungen liegt,  von  dem  gleichen  Standpunkt  aus,  den  wir  zur  Erklärung 
jeder  autonomen  Neubildung  einnehmen. 

Endlich  noch  einige  Worte  über  die  Diagnose  des  Carcinoms.  Sie 
hängt  natürlich  sehr  von  dem  prinzipiellen  Standpunkt  des  Autors  ab. 
Klebs  (6)  sieht  das  Wesen  der  eigentlichen  krebsigen  Neubildung  iu  der 
Metastasierungsfähigkeit,  und  er  meint,  dass  zur  Diagnose  des  Carcinoms 
der  Nachweis  von  Epithelien  gehört,  „die  von  ihrem  Mutterboden  sieh 
losgelöst  haben*'.  Hauser  steht  auf  dem  entgegengesetzten  Standpunkt, 
indem  er  annimmt,  dass  alle  Krebsnester  ein  weit  verzweigtes,  zusammen- 
hängendes Netz  bilden,  und  die  krebsige  Entartung  des  Epithels  das  Cha- 
rakteristische wäre.  Folgerichtig  müsste  Haus  er  schhessUch  zu  dem  Re- 
sultat kommen,  dass  man  bereits  aus  der  Form  der  Zellen  die  Diagnose 
auf  Carcinom  stellen  könne,  was  er  ja  praktisch  sicher  nicht  thut,  wenn- 
gleich er  wohl  die  Momente,  welche  die  Anaplasie  der  Zellen  ausmachen, 
mit  Hansemann  als  Hilfsfaktoren  zur  Diagnosenstellung  benutzt.  Die 
oben  ausführlich  besprochenen  Gründe  rechtfertigen  wohl  den  Standpunkt, 
dass  nur  auf  Grund  des  schrankenlosen  Wachstums,  d.  h.  nach  Durch- 
bruch der  physiologischen  Grenzen,  die  Diagnose  auf  Carcinom  gestellt 
werden  kann,  wenn  man  auch  noch  das  Gesetz  im  Auge  behält,  dass  jede 
autonome  Neubildung  „atypisch  in  Bezug  auf  die  Körperform"  ist.  Frei- 
lich mag  es  auch  dann  noch  —  namentlich  wenn  man  es  mit  ausgerissenen 
und  abgeschabten  Partikeln  zu  thun  hat  —  schwer  werden,  die  Unter- 
scheidung zwischen  atypischer  Epithelwucherung  und  Carcinom  zu  geben, 
und  dann  kann  wohl  mit  grosser  Vorsicht  die  Anaplasie  der  Zellen  diffe- 
rentialdiagnostisch herangezogen  werden;  aber  prinzipiell  scheint  mir  dies 
der  einzig  haltbare  Standpunkt.  Daraus  ergiebt  sich  allerdings  für  die 
Praxis,  dass  wir  auch  jedes  destruierende  Adenom  —  mag  es  auch  noch 
so  typisch  den  Bau  des  Muttergewebes  wiedergeben  —  als  Carcinom  be- 
zeichnen müssen,  unbeschadet  der  theoretischen  Auseinandersetzimgen,  dass 
auch  ein  (dem  histologischen  Bau  nach)  adenomatöser  Tumor  metastasieren 
kann.  Und  als  weiteren  Schluss  werden  wir  zu  unserem  Bedauern  die  That- 
sache  feststellen  müssen,  dass  es  vor  der  Hand  unmöglichist,  ein  Gar- 
cinomin  seinen  Anfangsstadien  mit  Sicherheit  zu  diagnostizieren. 


c. 


Zur  Ätiologie  der  Geschwülste  vom  klinischen 

Standpunkt. 


Von 

C.  Schimmelbusch  in  Berlin^). 


Litteratur. 

L  Blamberg,    Über   sogenannte    traumatische    Epithelcysten.     Deutsche   Zeitschr.    f. 
Chirurgie.  Bd.  38.  Heft  6.  S.  605.  1894. 

2.  Clement,  Über  seltenere  Arten  der  Kombination  von  Krebs  und  Tuberkulose.    Yirch. 
Arch.  Bd.  139.  Heft  1.  1894. 

3.  Le  Fort,  Des  kystes  dermoides  traumatiques.    Revue  de  Chirurgie.  T.  XIV.  p.  1013. 

4.  Franke,    Über  die  Epidermoide  (sogenannte  Epithelcysten).     Deutsche   Zeitschr.    f. 
Chirurgie.  1894.  Bd.  40. 

5.  V.  Friedländer,  R.,   Beitrag  zur  Kenntnis  der  Carcinomentwickelung  in  Sequester- 
höhlen und  Fisteln.    Deutsche  Zeitschr.  f.  Chirurgie.  1894. 

6.  Garrä,  Über  traumatische  Epithelcysten  der  Finger.    Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie. 
1894. 

7.  Koettnitz,   Über  symmetrisches   Auftreten  von  Lipomen.     Deutsche    Zeitschr.  fOr* 
Chirurgie.  1894.  Bd.  38. 


1)  Der  vorliegende  Beitrag  des  leider  in  so  jugendlichem  Alter  verstorbenen  treff- 
lichen Chirurgen  und  Gelehrten  hatte  nach  Verabredung  mit  dem  Herausgeber  noch  eine 
Umarbeitung  erfahren  sollen,  um  unnötige  Wiederholungen  und  Kollisionen  mit  schon  an 
anderen  Stellen  berücksichtigten  Arbeiten  zu  vermeiden.  Diese  Absicht  wurde  durch  die 
schwere  tödliche  Krankheit  durchkreuzt.  Trotzdem  habe  ich  es  fQr  unangebracht  gehalten, 
an  dieser  wohl  letzten  wissenschaftlichen  Publikation  des  verehrten  Kollegen  meinerseits 
eine  Änderung  vorzunehmen  und  es  als  eine  Pietätspflicht  betrachtet,  sie  unverändert  dem 
Bracke  zu  übergeben,  zumal  sie  durch  Einflechtung  eigner  Erfahrungen  auch  einen  «Selbst- 
ständigen  Wert  behält.  Lubarsch. 


528  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

8.  KongreBB  der  französiechen   Gesellschaft   f.  Chirurgie.   1894.     Etiologie  et  patbogenie 
du  Cancer.    Revue  de  Chirurgie.  1894.  p.  893. 

9.  Löwenthal,  über  die  traumatische  Entstehung  der  Geschwülste.     Archiv  f.  klinische 
Chirurgie.  1894.  Bd.  49. 

10    Martens,    Ein  Beitrag  zur  Entwickelung  des  Melanosarkoms  der  Chorioides  bei  an- 
geborener  Melanosis  sclerae.    V.  A.  Bd.  138.  1894.  S.  111. 

11.  Ribbert,  Carcinom  und  Tuberkulose.    MOnch.  med.  Wochenschrift.  1894. 

12.  Sippel,  Überimpfung  des  Carcinoms  auf  gesunde  Körperstellen  der  Erkrankten.    CtbL 
f.  Gynäkologie  1894 

13.  Stein  haus  er,  Über  Lupuscarcinom.     Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie.  Bd.  12.  18H. 

14.  Thorn,  Zur  Infektiosität  der  Carcinome.     Ctbl.  f.  Gynäkologie  1894. 


Zu  den  Geschwülsten,  über  deren  Ätiologie  man  sich  nur  sehr  weni^^ 
plausibele  Vorstellungen  machen  kann,  gehören  in  erster  Linie  die  Lipome. 
Die  Momente,  die  man,  wie  für  andere  Tumoren,  auch  für  sie  als  ursäch- 
lich hingestellt  hat:  angeborene  Anlage,  Traumen  etc.  werden  so  wenig 
durch  die  klinischen  Erfahrungen  gestützt,  dass  man  sie  kaum  als  Ver- 
mutungen gelten  lassen  kann.  Die  bekannte  Thatsache,  dass  Lipome  an 
gewissen  Stellen  des  Körpers  z.  B.  am  Nacken  und  am  Rücken,  vorzugs- 
weise gefunden  werden,  während  sie  an  anderen,  z.  B.  in  der  Hohlhand 
und  in  der Fusssohle,  höchst  selten  vorkommen,  hatte  Grosch  (Deutsche 
Zeitschrift  für  Chirurgie  1887)  zu  der  Annahme  geführt,  dass  die  Dispo- 
sition des  Körpers  zur  Lipombildung  in  umgekehrtem  Verhältnis  zum 
Drüsenreichtum  stehe.  Er  hielt  dies  für  keine  Zufälligkeit,  sondern  meinte, 
dass  die  Drüsensekretion  auf  die  Anordnung  des  gesamten  Panniculus 
adiposus  von  Bedeutung  sei.  Dort,  wo  viel  Drüsen  wären,  würde  das  Ge- 
webe vom  Fett  auf  dem  Wege  der  Sekretion  befreit,  während  in  drüsen- 
armen Partieen  die  Entwickelung  der  Fettpolster  stärker  ausfalle  und  die 
Disposition  zur  Bildung  von  Fettgeschwülsten  vorliege.  Koettnitz  (7) 
geht  auf  diese  Theorie  in  einer  Mitteilung  über  zwei  Fälle  von  symme- 
trischen Lipomen  näher  ein.  Er  hebt  hervor,  dass  Groschs  Hypo- 
these —  gegen  welche  sich  übrigens  ja  zahlreiche  Bedenken  erheben 
lassen  —  schon  deshalb  nicht  haltbar  sei,  weil  das  supponierte  Verhalteu 
.von  Drüsenarmut  und  Lipombildung  durchaus  nicht  überall  stimme. 
Grosch  irre  darin,  dass  der  Hals  und  speziell  der  Nacken  drüsenarme 
Hautabschnitte  seien.  Die  betreffenden  Teile  seien  im  Gegenteil  ausser- 
ordentlich reich  an  Drüsen. 

Koettnitz  hält  eine  anderes,  ebenfalls  auch  von  Grosch  schon 
hervorgehobenes  Verhältnis  für  beachtenswerter,  nämlich  das  Vorhanden 
sein  nervöser  Einflüsse  bei  der  Bildung  der  Lipome.  Dafür  sprächet 
einmal  enge  Beziehungen,  welche  die  Lipome  manchmal  zum  Nerven 
System  zeigten,  dann  aber  ganz  besondere  Fälle  von  symmetrischen  Lipomen 
wie  er  selbst  2  beobachtet  hat.   Schon  das  symmetrische  und  häufig  gleich 


Zar  Ätiologie  der  Geschwülste  vom  klinischen  Standpunkt.  529 

zeitige  Autreten  von  Lipomen  bei  einem  Individuum  lasse  kaum  eine  andere 
Deutung  zu,  als  dass  Einflüsse  der  nervösen  Centralorgane  hier  in  Frage 
kämen.  Eine  Anzahl  der  in  der  Litteratur  sich  findenden  Fälle  symmetrischer 
Lipome  sind  solche,  bei  welchen  die  Tumoren  ohne  jede  Störung  völlig 
syraptomlos  entstanden  sind  und  die  Patienten  wesentlich  aus  kosme- 
tischen Gründen  ärztlichen  Rat  erbaten.  In  anderen  Fällen  waren  rheu- 
matische Begleiterscheinungen  vorhanden,  schwere  menstruelle  Störungen 
(1  Fall  von  Koettnitz),  zwei  Fälle  zeigten  schwere  centrale  Nervenleiden 
(Tabes  dorsalis,  allgemeine  Paralyse).  In  einem  Fall  von  ßutterkirch 
und  Be necke  entwickelten  sich  nach  einer  Kontusion  der  Wirbelsäule 
in  kurzer  Zeit  unter  den  Augen  der  Beobachter  symmetrische  Lipome  auf 
dem  Rumpf. 

Im  1.  Falle  von  Koettnitz  verliert  eine  27jährige  Frau  die  Periode; 
an  Stelle  derselben  treten  periodische  Schmerzattacken  mit  Eruption  sym- 
metrisch gelegener  Lipome  auf,  die  in  erster  Linie  den  Vorderarm,  dann 
den  Oberarm,  die  Brust,  den  Bauch,  die  Oberschenkel  und  dann  den  Hals 
einnehmen.  Im  2.  Fall  ist  eine  schwere  Neurose  vorhanden.  Mit  derselben 
bilden  sich  an  den  Fuss-  und  Kniegelenken  Lipome  in  symmetrischer  An- 
ordnung aus  und  an  den  Vorderarmen  entsteht  eine  merkwürdige  Fettab- 
lagerung, ebenfalls  in  symmetrischer  Form,  also  an  Stellen,  welche  nichts 
weniger  als  Prädilektionsstellen  für  Fettgeschwülste  sind.  In  beiden  Fällen 
waren  Erblichkeit  und  Alkoholismus  auszuschliessen. 

Koettnitz  weist  auf  die  nicht  seltenen  Fälle  hin,  bei  w^elchen  man 
bei  operativer  Entfernung  Lipome  in  direkter  Beziehung  zu  Nervenstämmen 
gesehen  hat  und  glaubt,  dass  die  Berechtigung  vorliege,  das  Lipom, 
wenigstens  das  symmetrische  Lipom  als  den  Ausdruck  einer  Tropho- 
neurose  anzusehen. 

Löwenthal  (9)  hat  sich  der  grossen  Mühe  unterzogen,  800  Fälle  aus 
der  Litteratur  zusammenzutragen,  in  welchen  eine  Geschwulst  auf  ein 
Trauma  ätiologisch  zurückgeführt  worden  ist.  Wir  finden  in  seiner 
Mitteilung  berücksichtigt: 

Carcinome  358 

Adenome  10 
I                                   Fibrome  und  Keloide     21 

Lipome  16 

Myxome  8 

Chondrome  27 

Osteome  18 

Angiome  5 

Myome  2 

Lnbarfcch-Osterttff,  ErgebDitie  Abteil.  U,  34 


530  Allgein.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

Gliome  11 

Neurome  8 

Sarkome  316 

Die  Krankengeschichten  dieser  800  Fälle  sind  auszugsweise  mitge- 
teilt. Unter  denselben  figuriert  eine  Anzahl,  in  welche  ein  Carcinom 
oder  ein  ähnlicher  Tumor  sich  auf  einer  alten  Narbe,  um  einen  viele 
Jahre  im  Körper  eingeheilten  Fremdkörper  (Kugel)  auf  einem  lange  be- 
stehenden Ulcus  etc.  entwickelt  hat.  Das  sind  ja  bekannte  Vorkomm- 
nisse, nur  scheint  es  uns  fraglich,  ob  man  diese  Fälle  als  Beläge  für  die 
ätiologische  Bedeutung  des  Traumas  schlechthin  anführen  kann.  Es  ist 
wohl  nicht  eigentlich  das  Trauma,  was  hier  die  Geschwulstbildung  ange- 
regt hat,  sondern  ein  besonderer  krankhafter  Zustand  (Narbe,  ülceration) 
der  anerkanntermassen,  auch  ohne  traumatischen  Ursprungs  zu  sein,  eine 
Disposition  für  maligne  Neubildungen  schafft.  Diese  Fälle  sind  ja  in  ihren 
letzten  Ursachen  auf  ein  Trauma  zurückzuführen,  aber  sie  sind  nicht  so 
ohne  weiteres  als  Beweise  für  die  traumatische  Entstehung  der  Geschwülste 
überhaupt  zu  verwenden. 

Bei  der  in  der  Zeit  des  Unfallversicherungsgesetzes  ungemein  wich- 
tigen Frage  nach  der  traumatischen  Ätiologie  von  Neubildungen,  handelt 
es  sich  wesentlich  darum,  ob   ein  Trauma,   ohne  langwierige  Störungen 
vorher  erzeugt  zu  haben,  direkt  aus  einem  vorher  gesunden  Gewebe  heraus 
einen  Tumor   entstehen  lassen  kann.     Ob  z.  B.  ein  Carcinom  der  Brust- 
drüse sich  nach   einer  Kontusion  der  Brust,  ein  Sarkom   der  Tibia  sich 
nach  einem  Stoss  gegen  das  Schienbein  entwickeln  kann,  selbst  wenn  zu- 
nächst  durch   die  Verletzung   irgendwie    erhebliche   lokale  Schädigungen 
nicht  hervorgerufen  wurden.     Ob  Löwenthal  mit  seinem  reichen  Mat^ 
rial  den  Beweis  für  diesen  Zusammenhang  zu   erbringen  vermocht  hat, 
muss  wohl  bezweifelt  werden.     Bei   der  Durchsicht  der   zahlreichen  aus- 
zugsweise mitgeteilten  Krankengeschichten  findet  man  ja  allerdings  einige, 
in  welchen  der  supponierte   direkte  Zusammenhang  von  Geschwulst   und 
Trauma  recht  evident  in  Erscheinung  tritt,   aber  in  der  weitaus  grössten 
Anzahl  dürfte  er  ein  recht  lockerer,  und  in   nicht  wenigen  geradezu  u 
wahrscheinlich  sein.     Wenn  es  sich  um  den  Nachweis  so  wichtiger  uu( 
oft  angezweifelter  Beziehungen  handelt,  darf  man  sich  mit  vagen  Angabe* 
der  Kranken   nicht  begnügen.     Zu  solchen  aber  muss  man  es  rechneni 
wenn  als  ursächliches  Moment  mitgeteilt  wird,  dass  ein  Patient  mit  einenj 
Oberarmsarkom   unbestimmte  Zeit  vor  dessen  Bemerken  in  die  Haut  ge| 
zwickt  wurde,  oder  wenn  man  verzeichnet  findet,  dass  ein  Kranker  mJ 
Lippenkrebs  früher  einmal  zu  heissen  Kaffee  getrunken  oder  vor  '/<  Jahrei 
aus  Versehen  die  Cigarre  mit  dem  glimmenden  Ende  in  den  Mund  gestecb 
und  sich  so  etwas  die  Lippen  verbrannt  hat. 


Zur  Ätiologie  der  Geschwülste  vom  klinischen  Standpunkt  531 

Eine  kleine  Anzahl  kritisch  wohl  geprüfter  Krankenbeobaehtungen 
dürfte  zur  Klärung  der  Verhältnisse  zwischen  Trauma  und  Geschwulst 
mehr  beitragen,  als  eine  solche  mehr  durch  Quantität  als  Qualität  der 
einzelnen  Fälle  ausgezeichnete  Statistik.  Wie  sehr  es  in  dem  Belieben  der 
einzelnen  Beobachter  liegt,  das  Trauma  in  ursächlicher  Bedeutung  bei  einer 
Geschwulstentwickelung  erscheinen  zu  lassen,  das  geht  wohl  am  besten 
aus  Zusammenstellungen  über  Sarkome  hervor,  über  welche  Löwenthal 
selbst  referiert.  So  hat  z.  B.  Gross  (American  Journ.  of  med.  sciences 
1879,  Juli)  von  165  Sarkomen  der  langen  Röhrenknochen  bei  fast  der 
Hälfte  ein  Trauma  als  Ursache  nachweisen  können,  während  G-  Wild 
(Ein  Beitrag  zur  Statistik  der  Sarkome.  I.-D.  München  1891)  unter  423 
Fällen  von  Sarkomen  nur  15  verzeichnet,  bei  denen  ein  exquisites  Trauma 
als  Ursache  erscheint. 

Man  könnte  überhaupt  fast  sagen,  dass  Löwenthal  mit  seinen  Aus- 
führungen mehr  Zweifel  an  dem  von  ihm  behaupteten  Zusammenhang  von 
Trauma  und  Tumor  erregt,  als  beseitigt.  Schon  das  allein  macht  einen 
eigenartigen  Eindruck,  dass  so  grundverschiedene  Krankheitsprozesse,  wie 
Lipome,  Angiome,  Neurome,  Keloide,  Carcinome,  Sarkome  etc.  ganz  ohne 
weiteres  und,  als  wenn  sich  das  von  selbst  verstünde,  alle  in  ursächliche 
Beziehung  zu  ein  und  demselben  Moment  gebracht  werden.  Noch  weniger 
überzeugend  dürften  aber  die  Angaben  über  die  Zeit  wirken,  welche  zwischen 
Einwirkung  des  Trauma  und  der  Entstehung  der  Geschwulst  verstrichen 
ist.  Wir  lesen  da,  dass  in  einem  Falle  die  Entwickelung  des  Mamma- 
carcinoms  sich  unmittelbar  an  das  Trauma  angeschlossen  habe,  in  anderen 
Fällen  nach  einigen  Wochen,  in  einzelnen  nach  22  und  25  Jahren  statt- 
gefunden habe.  Bei  den  Sarkomen  umgreift  dieser  Zeitraum  sogar  49 
Jahre  (1).  In  135  von  190  Fällen  wurde  das  Sarkom  in  einem  Monat  und 
weniger  nach  dem  Trauma  diagnostiziert.  (?1) 

Merkwürdig  berührt  auch  bei  dieser  Statistik  die  auffallende  Häufung 
von  Beispielen  mit  traumatischer  Ätiologie  für  die  Geschwülste  der  äusseren 
Körperoberfläche  und  die  spärliche  Ausbeute  für  die  doch  kaum  selteneren 
Tumoren  des  Körperinneren.  So  sind  z.  B.  137  Carcinome  der  Mamma  mit- 
geteilt, dagegen  nur  je  ein  Krebs  des  Magens,  des  Pankreas  und  des  Rek- 
turaa.  Wenn  es  sich  bei  Trauma  um  ein  allgemein  gültiges  ätiologisches 
Moment  bösartiger  und  gutartiger  Tumoren  handeln  würde,  sollten  diese 
Differenzen  doch  nicht  auftreten.  Übersieht  man  daher  mit  etwas  kri- 
tischem Bhcke  die  sehr  mühevollen  Untersuchungen  Löwenthals,  so  kann 
luau  leider  doch  nicht  mehr  daraus  entnehmen,  als  die  alte  Erfahrung, 
dass  bei  äusseren  Erkrankungen  der  Laie  geneigt  ist,  ein  Trauma  als  Ur- 
sache sich  zu  denken,  so  wie  er  für  innere  mit  Vorliebe  auf  die  Erkältung 
zurückgreift. 

34* 


532  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Tumoren,  bei  welchen  eine  traumatische  Entstehung  sicher  erxiiesen 
ist,  welche  aber  auffallenderweise  in  Löwen t hals  Zusammenstellung  über 
haupt  keinen  Platz  gefunden  haben,  sind  die  speziell  in  letzter  Zeit  und 
auch  wieder  1894  näher  studierten  sog.  Epithelcysten  an  den  Augen 
und  Händen.  Diese  Gebilde  sind  1887  von  Reverdin  (Des  kystes  epi- 
dermiques  des  doigts.  Rev.  m^d.  romande)  einer  gründlichen  Bearbeitung 
unterzogen  worden,  haben  aber  erst  in  allerletzter  Zeit  in  Deutschland  dit 
richtige  Würdigung  erfahren.  Garrö  (6)  teilt  zwei  neue  Fälle  mit,  in  welchen 
eine  genaue  histologische  Untersuchung  vorgenommen  wurde.  Eine  Frau 
bringt  sich  mit  einer  Gabel  eine  Stichverletzung  am  4.  Finger  bei  Die  kleine 
Wunde  verheilt  bald,  aber  unter  der  Narbe  entwickelt  sich  in  einigen  Monaten 
eine  fast  kirschgrosse  Cyste.  Die  Cyste  ist  gefüllt  mit  verhornten  Pflasterepi- 
thelien  und  hat  als  Wand  Epidermis,  z.  T.  mit  deutlichen  Papillen.  Der 
zweite  Fall  betrifft  Professor  B.,  der  sich  an  der  Spitze  des  3.  Fingers  links 
mit  einem  Volk  mann  sehen  Haken  verletzte.  In  einigen  Wochen  bildet 
sich  in  der  Narbe  ein  kleines  Knötchen,  welches  sich  als  Epithelperle 
erweist. 

Le  Fort  (3)  beschreibt  eine  Epidermiscyste,  welche  nach  Verletzung  der 
Hand  mit  einem  Nagel  in  ca.  8  Jahren  entstanden  war  und  die  Grösse 
einer  Erbse  erreicht  hatte.  Diese  Epidermiscyste  ruhte  in  einem  fast  völli': 
gefässlosen  Bindegewebsstratum.  Die  Epidermis  zeigte  alle  ihre  Schichten, 
es  fehlten  aber  ganze  Drüsen  und  wahre  Papillen;  dahingegen  zeigten  sich 
kleine  Zellhaufen,  welche  Le  Fort  als  abgesprengte  Teile  der  Drüsen  und 
der  Rete  Malpiglii  anspricht.  Nach  Wiedergabe  einer  Anzahl  von  Beoi)- 
achtungen  aus  der  Litteratur  betont  Le  Fort  die  traumatische  Entstehung 
dieser  Geschwülstchen  und  ihr  exklusives  Vorkommen  an  den  Händen  und 
im  Auge.  Wie  Poulet  und  Labougle  hat  er  versucht,  an  der  Leiche 
traumatische  Epithelin vaginationen  künstiich  zu  erzeugen.  Le  Fort  be- 
nutzte als  Objekte  ganz  frische  Leichen  imd  zu  den  Verwundungen  rostige 
Nägel.  Die  Haut  an  der  Greif  fläche  der  Finger  liess  sich  leichter  perforieren, 
als  z.  B.  am  Abdomen;  es  gelang  auch  nur  an  den  Fingern  und  den  Händen 
an  den  Perforationsstellen  In  vaginationen  von  Epithel  aufzufinden.  Die 
kleinen  Stückchen  Haut  waren  mehr  oder  weniger  tief  eingepresst  und 
befanden  sich  zum  Teil  noch  in  Zusammenhang  mit  der  Hautoberfiäche. 
Mikroskopisch  bestanden  sie  aus  Epidermis  ohne  Korium.  Die  anatomische 
Disposition  der  Haut  der  Hände,  wie  die  Häufigkeit  der  traumatischen  In- 
sulte an  diesen  Stellen  erklärt  das  fast  ausschliessliche  Vorkommen  der 
Epithelcysten  an  diesen  Stellen. 

Blumberg  (1)  sah  drei  Fälle  traimiatischer  Epithelcysten.  Er  hält  die 
fraglichen  Gebilde  für  ziemüch  häufig  und  identifiziert  mit  ihnen  nicht 
bloss  die  analogen  intraokulären  Cysten,  sondern  auch  die  Cholesteatome, 


Zur  Ätiologie  der  Geschwfllste  vom  klinischen  Standpunkt.  533 

speziell  die  des  Ohres.  „Kurz  zusammengefasst,  ist  die  besprochene  Ge- 
schwulstart, die  Perlgeschwulst,  das  Cholesteatom,  das  Margaroid,  die  trau- 
matische Epithelcyste  u.  s.  w,  also  schon  oft  gesehen  und  beschrieben,  der 
Name  aber  sehr  verschieden  gewählt  worden.*'  Blumberg  meint,  es  be- 
stehe zwischen  diesen  „Formen"  nur  ein  gradueller,  kein  fundamentaler 
Unterschied  und  schlägt  für  alle  die  Namen  „Perlgeschwulst''  vor.  Was 
(liis  Cholesteatom  des  Ohres  angeht,  so  hat  man  allerdings  wiederholt  in 
den  letzten  Jahren  den  Versuch  gemacht,  Hautverschiebungen  als  dessen 
Ursache  hinzustellen  (Habermann,  Pause,  Grunert  u.  a.).  Doch  ist 
dies,  wie  auch  Baginsky  hervorhebt,  bis  jetzt  noch  nicht  hinreichend 
bewiesen. 

Franke  (4)  schlägt  für  die  in  Rede  stehenden  Cysten  den  Namen  Epi- 
dermoide vor  und  nimmt  speziell  gegen  Blumberg  seine  Priorität  in  An- 
spruch. Er  und  nicht  Garrö  sei  es,  der  in  Deutschland  zuerst  die  Auf- 
merksamkeit auf  die  Epithelcysten  gelenkt  habe.  Frauke  ist  der  Meinung, 
dass  für  einen  Teil  der  sog.  Epithelcysten  das  Trauma  als  Ursache  zwar 
uaehgewiesen,  aber  für  den  grösseren  Teil  vollständig  aus  der  Luft  gegriffen 
sei.  Er  teilt  die  Ansicht  von  Labougle,  dass  ein  grosser  Teil  dieser 
Epitlielcysten  embryonal  angelegt  sei.  Der  letztere  hält  dafür,  dass  Epithel- 
zellenhaufen oder  Streifen,  welche  ja  bei  der  Bildung  der  Finger  durch 
Anlage  von  Interdigitalfalten  in  die  Tiefe  wachsen;  abgeschnürt  werden. 
Diese  hätten  sich  dann  als  selbständige  Gebilde  erhalten,  bis  sie  auf  einen 
Reiz  hin  (stumpfes  Trauma)  anfingen  zu  wachsen.  Diese  Hypothese  hält 
Franke  deshalb  nicht  für  alle  Fälle  zutreffend,  weil  nicht  alle  diese  Tu- 
moren an  den  Fingern  sässen.  In  diesen  Fällen  bleibe  nichts  anderes 
übrig,  als  anzunehmen,  dass  nämlich  Epithelzapfen,  welche  ursprünglich 
für  die  Bildung  von  Drüsen  bestimmt  sind,  abgeschnürt  werden  und  dann 
später  auf  einen  Reiz  hin  zur  Proliferation  kämen. 

Gegen  die  Auffassung  der  Epithelcysten  als  Dermoide  lassen  sich 
mehrere  Momente  geltend  machen.  Wie  schon  Gar r^  hervorhebt,  spricht 
dagegen,  dass  diese  Cystchen  sich  selten  im  Entwickelungsalter  fanden, 
meist  das  reifere  Alter  betrafen;  ferner,  dass  ausser  EpitheUen  niemals 
andere  epitheliale  Gebilde,  wie  Haare  in  den  Cysten  gefunden  werden. 
Als  Atherome  können  sie  schon  deshalb  nicht  aufgefasst  werden,  weil  in 
der  Hohlhand  und  an  der  Greiffläche  der  Finger  Talgdrüsen  überhaupt 
fehlen.  Bei  der  Annahme  eines  Hervorgehens  aus  Schweissdrüsen  (Ch  aram) 
muss  man  erst  nachweisen,  dass  deren  Drüsenepithel  in  Pflasterepithel  sich 
umwandeln  könnte.  Ausserdem  sind  solche  Cysten  unter  der  Aponeurose 
beobachtet,  wo  Schweissdrüsen  nicht  vorkommen  (Poulet).  Das  Fehlen 
von  Angaben  über  das  Trauma  in  mancher  Krankengeschichte  darf  des- 
lialb  nicht  Wunder  nehmen,  weil  es  sich  um  äusserst  kleine  und  unbe- 


534  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

deutende  Verletzungen  handelt,  die  nicht  immer  beachtet  werden  und  die 
Entwickelung  der  Epithelcysten  oft  sehr  langsam  erfolgt.  In  einer  Be- 
obachtung von  Kummer  (Revue  de  Chir.  1891,  pag.  67)  wurde  eine 
Nadelspitze  inmitten  einer  Epithelcyste  gefunden  und  Verf.  dieses  Re- 
ferates hat  vor  4  Jahren  in  der  kgl.  KUnik  zu  Berlin  eine  Epithelcyste 
am  Zeigefinger  operiert,  welche  die  Spitzchen  einer  Stahlfeder  enthielt. 
Der  Patient,  ein  Schreiber,  hatte  sich  1*/«  Jahre  vorher  mit  einer  Schreib- 
feder, wie  er  sich  entsann,  an  diesem  Finger  verletzt.  Am  meisten  stützt 
aber  die  Auffassung  einer  traumatischen  Ätiologie  dieser  Tumoren,  da^s 
durch  Epithelinvaginationen  ihre  Erzeugung  experimentell  geglückt  ist 
Schwenninger,  Kaufmann,  ülasse  u.  a.). 

Für  die  malignen  Neubildungen,  den  Krebs,  sucht  man  vielfach  nach 
Beweisen  für  einen  endemischen  resp.  konatgiösen  Charakter.  Dies  war 
besonders  auffallend  auf  dem  Kongress  der  französischen  Gesellschaft  für 
Chirurgie  1874  zu  Lyon,  wo  als  erstes  Hauptthema  „Ätiologie  et  patho- 
g^nie  du  Cancer"  gestellt  war.  Fahre  (8)  ging  daselbst  näher  ein  auf  die 
Mortalität  an  Krebs  im  allgemeinen,  welche  nach  englischen  und  deut- 
schen Statistiken  zu  steigen  scheint  Aus  Ly]on  konnte  Fahre  feststellen,  dass 
es  sich  in  der  That  um  eine  Vermehrung  der  absoluten  Zahl  der  Krebs- 
todesfälle handle ;  dass  aber  bei  Berücksichtigung  der  gleichzeitigen  Bevöl- 
kerungszunahme im  Gegenteil  eine  Abnahme  der  Krebsmortahtät  festzu- 
stellen sei.  Die  relative  Mortalität  an  Krebs  sei  in  Lyon  grösser  als  in 
Havre,  Reims,  Paris  und  Ronen,  doch  könne  sich  das  auch  aus  der  ver- 
schiedenen Gruppierung  der  statistischen  Resultate  erklären.  In  Paris 
nehme  die  relative  Krebsmortahtät  in  beträchtlichem  Grade  zu. 

Bauby  (8)  hat,  angeregt  durch  Erwägungen  von  Vernouil  und  Roux 
(Lausanne),  eine  Untersuchung  darüber  angestellt,  ob  sich  ein  ätiologischer 
Zusammenhang  zwischen  dem  Auftreten  des  Krebses  und  dem  Genüsse 
von  Schweinefleisch  herausfinden  lasse.  Die  Nachforschungen  Baubys 
erstrecken  sich  auf  einen  Distrikt  in  der  Umgebung  von  Toulouse,  wo 
Schweinefleisch  fast  ausschliesslich  zur  Nahrung  dient.  Bauby  stellte 
einmal  fest,  dass  die  Schweine  selbst  nur  selten  von  Carcinom,  häufiger 
dagegen  von  Sarkomen  befallen  werden;  dann,  dass  die  Schweinefleiseli- 
esser  nicht  häufiger. von  Krebs  befallen  würden,  als  andere  Leute  und  dass 
Krebskranke  nicht  zu  denen  gehörten,  welche  besonders  viel  Schweine- 
fleisch genossen  hätten.  Im  Gegenteil.  In  der  Umgebung  von  Toulouse 
nähren  sich  die  Bergbewohner  speziell  von  Schweinefleisch,  während  die 
Bewohner  der  Ebene  wesentlich  von  Gemüsen,  Rind-  und  Hammelfleisch 
leben.  Der  Krebs  aber  ist  in  der  Ebene  häufiger  als  im  Gebirge.  Schliess- 
lich hat  Bauby  Katzen  dauernd  mit  Schweinefleisch  gefüttert.  Sie  sind 
allmählich  abgemagert  und  gestorben,  ohne  aber  Krebs  aquiriert  zu  haben. 


Zur  Ätiologie  der  Geschwülste  vom  klinischen  Standpunkt.  535 

Hierzu  bemerkte  Severeau  (Bukarest),  dass  er  die  Ausführuügen  Baubys 
nur  bestätigen  könne.  Er  habe  in  seiner  Klientel  Rumänen,  welche 
Schweinefleisch  gemessen  und  Juden  und  Türken,  welche  sich  vollständig 
davon  fernhalten.  Krebserkrankungen  seien  bei  beiden  ganz  gleich  häufig. 
Beweise  für  die  Kontagiosität  des  Krebses  glaubt  M.  Gueillot  (7)  zu 
besitzen.  Schon  die  eigenartige  topographische  Verteilung  des  Krebsleidens 
spricht  nach  ihm  für  den  Einfluss  äusserer  Momente  (klimatischer).  Es 
gäbe  aber  wahre  Krebsherde,  Häuser,  in  welchem  der  Krebs  endemisch  sei. 
Gueillot  hat  15  Beispiele  mit  50  Erkrankungen  gesammelt.  Er  verfügt 
femer  über  42  eigene  Beobachtungen,  welche  durch  Zufügen  von  fremden 
auf  113  steigen,  bei  welchen  zwei  für  gewöhnlich  zusammenwohnende  Per- 
sonen von  Krebs  befallen  wurden.  In  45  von  diesen  113  Fällen  handelte 
es  sich  um  Ehegatten.  In  der  Hälfte  dieser  gesammelten  Fälle  waren 
zwischen  dem  Auftreten  der  Krebserkrankung  bei  den  beiden  Personen 
weniger  als    zwei  Jahre  verflossen. 

M.  Dolore  (7)  hat  schon  vor  15  Jahren  über  Fälle  berichtet  und  auch 
neuerdings  solche  wieder  gesammelt,  in  welchen  Krebs  bei  Frauen  von 
Krebskranken  im  Gefolge  der  Schwangerschaft  eingetreten  ist.  Er  glaubt, 
dass  es  sich  hier  um  eine  „transmission  par  l'intermödiaire  du  foetus" 
handele  (!). 

Fälle  von  spontaner  Überimpfung  von  Carcinom  von  einer  auf  eine 
andere  Körperstelle  teilen  Sippel(12)  und  Thorn  (14)  mit.  Sippel  sah 
bei  einer  Patientin  mit  Carfeinom  der  Portio  an  einer  Stelle,  wo  das  Car- 
cinom der  sonst  gesunden  Scheide  dauernd  anlag,  ein  Carcinom  der  Vagina, 
bei  einer  anderen  nach  Laparotomie  wegen  eines  malignen  geplatzten 
Ovarialtumors,  Krebsknötchen  in  den  Stichkanälen  der  genähten  Bauch- 
wunde entstehen.  Thorn  machte  bei  einer  an  Krebs  der  Portio  erkrankten 
Frau  bei  der  vaginalen  Totalexstirpation  des  Uterus  wegen  Enge  der 
Vagina  beiderseits  Incisionen  in  dieselbe.  Nach  zwei  Jahren  fand  sich 
in  einer  dieser  Incisionsnarben  ein  dem  ersten  analoger  Krebs.  Nach  der 
vaginalen  Exstirpation  eines  die  Portio  nicht  überschreitenden  Uterus- 
carcinoms  beobachtete  Thorn  in  der  Narbe  der  Vagina  sechs  Wochen 
später  ein  Krebsknötchen.  Zwei  weitere  Fälle  von  Thorn  gleichen  dem 
ersten  von  Sippel.  Es  fanden  sich  einmal  Carcinome  an  korrespondie- 
renden Stellen  der  Portio  und  Vagina  und  ein  anderes  Mal  Carcinome  an 
beiden  Labien. 

Die  interessanten  Beobachtungen  über  spontane  Impfung  von  Krebs- 
partikeln in  frische  Wunden  mit  sekundärer  Entwickelung  von  Krebsknöt- 
chen, wie  sie  schon  des  öfteren,  besonders  nach  Punktionen  von  carci- 
nomatösem  Ascites  beobachtet  sind,  mehren  sich  also.  Sie  beweisen,  dass 
Metastasen  nicht  bloss  auf  dem  Blut-  und  Lymphwege,  sondern  auch  durch 


536  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

direkte  Aussaat  in  frische  Wunden  entstehen  können  und  geben  damit 
wichtige  Fingerzeige  für  die  Ausführung  von  Operationen  wegen  Krebs. 
Für  die  Genese  des  Carcinoms  im  allgemeinen  dürften  sie  kaum  zu  ver- 
werten sein.  Die  ganze  Entwickelung  und  Struktur  der  originären  Carci- 
nome  deutet  darauf  hin,  dass  es  sich  bei  ihnen  um  eine  krebsige  Degene- 
ration, eine  atypische  Wucherung  des  befallenen  Organs,  nicht  um  die 
Entwickelung  eines  beUebigen  implantierten  Keimes  handelt.  In  den 
anderen  Fällen  von  Sippel  und  Thorn,  wo  es  sich  um  krebsig  erkrankte 
korrespondierende  Stellen  der  sonst  intakten  Vagina  und  Portio  oder  der 
Labien  handelt,  liegen  die  Verhältnisse  davon  insoweit  verschieden,  als  es 
sich  hier  um  keine  Übertragung  von  Keimen  in  Wunden,  sondern  auf 
ein  epitheliales  Organ  handelt.  Vorausgesetzt,  dass  die  Möglichkeit  der 
einfachen  Metastase  wirklich  auszuschliessen  ist,  käme  für  die  Entstehung 
ausser  der  immerhin  denkbaren  Implantation  in  eine  arrodirt  Schleim- 
hautstelle, noch  die  Erzeugung  eines  zweiten  Carcinoms  der  Vagina  etc. 
in  Frage.  Dieser  Punkt,  den  das  histologische  Verhalten  der  beiden  Krebse 
zu  ihrem  Standorte  ja  klar  zu  stellen  vermag,  ist  von  Sippel  und  Thorn 
leider  nicht  näher  erörtert  worden. 

Einige  Mitteilungen  des  vergangenen  Jahres  beschäftigen  sich  mit 
den  lokal  disponierenden  Momenten  für  Carcinombildung.  Le  Den  tu  (7) 
sprach  auf  dem  französischen  Chirurgenkongress  über  Leukoplasie  und 
Epitheliom.  Er  hat  7  Carcinome  der  Zunge,  3  der  Lippen  und  2  der 
Wangen  beobachtet ,  welche  sich  auf  Leukoplasieen  entwickelten.  Die 
Zungencarcinome  hatten  eine  wechselnde  Malignität;  einige  von  ihnen  sind 
durch  die  Operation  geheilt  worden.  Die  Wangencarcinome  dagegen  waren 
sehr  bösartig.  Die  Leukoplasie  führte  ja  nicht  immer  zum  Carcinom 
und  deshalb  könne  man  auch  nicht  annehmen,  meint  Le  Dentu,  dass 
das  letztere  einfach  eine  weitere  Entwickelungsstufe  des  ersteren  sei.  Man 
könne  die  Leukoplasie  nur  für  ein  prädisponierendes  Moment  für  die  Car- 
cinomentwickelung  halten.  Vom  prophylaktischen  Standpunkt  aus  empfiehlt 
Le  Dentu  die  sorgsame  Beachtung  der  Leukoplasie  schon  in  ihren  An- 
fängen und  hält  dort,  wo  sich  schon  Wucherungen,  Fissuren  oder  Ulce- 
rationen  gebildet  haben,  chirurgische  Eingriffe  für  angezeigt. 

K.  V.  Friedländer  (5)  bereichert  die  Kasuistik  der  Cardnoment- 
Wickelung  in  Sequesterhöhlen  und  Fisteln  um  3  neue  Fälle. 

Martens  (10)  liefert  einen  interessanten  Beitrag  zur  Entstehung  der 
melanotischen  Geschwülste. 

Die  Sklera  des  menschUchen  Auges  ist  in  der  Regel  pigmentfrei, 
nur  ausnahmsweise  zeigen  sich  herdweise  Pigmentierungen.  Der  Fall  von 
Martens,  dass  bei  einem  solchen  angeborenen  Pigmentfleck  der  Sklera 
sich  ein  melanotischer  Tumor  der  Chorioidea  entwickelt,  ist  ein  seltener, 


Zur  Ätiologie  der  Geschwülste  vom  klinischen  Standpunkt.  537 

der  nur  noch  wenige  Parallelfälle  in  der  Litteratur  besitzt  (Hulke,  Ophth., 
Hosp.  Rep.  in.  1860;  Hirschberg,  Graefes  Arch.  Bd.  29).  Die  Beob- 
achtung bezieht  sich  auf  eine  13jährige  Patientin  aus  der  Klinik  üthoffs 
in  Marburg.  Bei  derselben  bestand  seit  der  Geburt  eine  starke  Pigmentierung 
der  Sklera  und  eine  stellenweise  dunklere  Färbung  der  Iris  rechts.  Es 
entwickelte  sich  im  rechten  Auge  ein  melanotischer  Tumor,  den  Martens 
als  gemischtes  Melanosarkom  bezeichnet ,  weil  er  stellenweise  einen  stark 
alveolären,  carcinomähnUchen  Bau  besass.  Bei  der  mikroskopischen  Unter- 
suchung ergab  sich,  das  der  Tumor  aus  der  Chorioidea  hervorgegangen  war 
imd  wie  die  Fälle  von  Hulke  und  Hirschberg  weder  mit  der  als  Naevi 
zu  bezeichnenden  stärkeren  Pigmentanhäufung  der  Iris  noch  mit  derjenigen 
der  Sklera  direkt  etwas  zu  thun  hat.  Martens  meint,  man  müsse  aber 
annehmen,  dass  gleichzeitig  eine  abnorme  Pigmentierung  der  Chorioidea 
bestanden  hat  und  dass  sich  der  melanotische  Tumor  auf  der  angeborenen 
Anomalie  einer  stärkeren  Pigmentierung  des  ganzen  Uvealtraktus  ent- 
wickeit  hat. 

In  einigen  neueren  Mitteilungen  tritt  eine  bemerkenswerte  Neigung 
zu  Tage,  zu  den  stark  für  Carcinomentwickelung  prädisponierenden  Momenten 
die  Tuberkulose  zu  rechnen;  dies  geschieht  so  in  den  Abhandlungen  von 
Steinhauser  und  von  Ribbert. 

Die  alte  Ansicht  Rokitanskys,  dass  beide  Prozesse  sich  gegenseitig 
ausschlössen,  ist  längst  widerlegt  und  eine  ganze  Reihe  von  Beobachtungen 
hatten  das  Vorkommen  beider  Erkrankungen  in  demselben  Körper  hin- 
länglich bewiesen.  Lubarsch  fand  unter  Zugrundelegung  der  Sektions- 
protokolle des  Breslauer  pathologischen  Institutes  unter  2668  Tuberkulösen 
117  =  4,4*^/0  carcinomatös.  Unter  den  an  Carcinom  Verstorbenen  waren 
20,6 ®/o  tuberkulös.  Clement  (12),  der  unter  Lubarsch  arbeitete,  teilt 
einige  seltenere  Arten  der  Kombination  von  Krebs  und  Tuberkulose  mit, 
Ein  Carcinom  des  Unterkiefers  bestand  neben  einer  Tuberkulose  der  Hals- 
lymphdrüsen, welche  lange  vorher  schon  zu  operativen  EingrifEen  Veran- 
lassung gegeben  hatte.  In  einem  zweiten  Falle  waren  bei  einem  Mamma- 
carcinom  auf  derselben  Seite  in  der  Achselhöhle  tuberkulöse  Drüsen  vor- 
handen; in  einem  dritten  zeigte  sich  ein  Magenkrebs  und  grossknotige 
Lebertuberkulose,  sowie  Tuberkulose  der  periportalen  und  axillaren  Lymph- 
knoten, und  schliesslich  im  vierten  lag  ein  Endotheliom  der  Parotis  und 
der  ganzen  Unterkiefergegend  vor  mit  difEuser  tuberkulöser  Degeneration. 
In  keinem  von  diesen  Fällen,  bei  welchen  übrigens  nicht  immer  Bacillen 
nachgewiesen  werden  konnten,  nimmt  aber  Clement  eine  direkte  ätio- 
logische Beziehung  der  Tuberkulose  zum  Krebs  an,  er  glaubt  vielmehr, 
dass  durch  die  lokale  und  allgemeine  Wirkung  eines  Krebses  eine  vorher 
latente  Tuberkulose  zum  Ausbruch  gebracht  werden  kann.    Die  Fälle  von 


538  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Kombination  der  Tuberkulose  und  Carcinose  seien,  wie  das  Lu barsch 
1888  ausgeführt  habe,  verschieden  zu  beurteilen.  In  der  Hälfte  der  Fälle 
handele  es  sich  um  ein  zufälliges  Zusammentreffen,  in  einzehien  um  ein 
Aufrühren  alter  tuberkulöser  Prozesse  durch  die  Krebsentwickelung,  in 
anderen  selteneren  um  sekundäre  tuberkulöse  Infektion  und  in  wieder 
anderen  zwar  um  keinen  direkten  aber  doch  um  einen  gewissen  ursäch- 
lichen Zusanunenhang.  Hier  sei  die  Tuberkulose  ein  prädisponierendes 
Moment  für  die  Carcinose,  ähnlich  wie  die  chronischen  oder  akuten  Traumen. 

Steinhauser  (13)  schliesst  sich  in  Bezug  auf  die  Lupuscarcinoine 
der  Meinung  von  Lang  an  (Vierteljahrsschrift  f.  Dermat.  u.  Syph.  1874), 
der  dazwischen  unterscheidet,  ob  sich  ein  Carcinom  in  der  Narbe  eines 
ausgeheilten  Lupus  (lupöses  Narbencarcinom)  oder  auf  floridem  Lupus  ent- 
wickelt hat  (wahres  Lupuscarcinom).  Über  die  Häufigkeit  des  Vorkommens 
dieser  beiden  Arten  gehen  die  Ansichten  noch  auseinander.  Nach  Stein- 
hausers  Zusammenstellungen  ist  das  Lupuscarcinom  das  häufigere,  denn 
unter  83  Carcinomen  auf  lupösem  Boden  waren  58  Lupuscarcinome  und 
25  lupöse  Narbencarcinome.  Der  Ansicht  Bidaults,  dass  das  Carcinom 
auf  Lupus  schlechthin  als  Narbencarcinom  aufzufassen  sei,  tritt  er  entgegen. 
Das  Carcinom  entwickele  sich  auch  auf  floridem  Lupus. 

Unter  5  mitgeteilten  Beobachtungen  aus  der  Tübinger  Klinik  ist  die 
häufige  Multiplizität  der  Krebsherde  besonders  auffallend;  so  wurde  einmal 
an  3  Stellen ,  einmal  an  5  und  wieder  einmal  an  6  Epitheliome  auf  den 
lupösen  Teilen  der  Gesichtshaut  gesehen.  Das  Carcinom  auf  Lupus  zeichnet 
sich  durch  sein  Auftreten  im  jugendlichen  Alter  und  durch  eine  besondere 
Bösartigkeit  aus. 

Die  Kombination  von  Lupus  und  Carcinom  hält  Steinhauser  nicht 
für  ein  zufälliges  Zusammentreffen,  sondern  betrachtet  den  lupösen  Prozess 
als  solchen  als  ein  direkt  prädisponierendes  Moment  für  die  Carcinoment- 
wickelung. 

Weiter  geht  Ribbert  (11),  der  einen  direkten  Zusammenhang  zwischen 
Tuberkulose  und  Carcinom  annimmt  und  glaubt,  „dass  die  Tuberkulose  in 
einem  Teile  der  Fälle  von  Carcinom  dasjenige  Agens  ist,  welches  die  von 
ihm  beschriebene  und  als  grundlegend  für  die  Entstehung  des  Krebses 
bezeichnete  subepitheliale  ßindegewebswucherung  erzeugt*',  mit  anderen 
Worten  also  die  Krebsentwickelung  veranlasst.  In  einem  in  Virchows 
Archiv,  Bd.  135  mitgeteilten  Artikel  hat  Ribbert  seine  neuen  Auffassungen 
der  Krebsentstehung  ausführlich  erörtert  und  diese  Theorie  der  krebs- 
erzeugenden Bindegewebswucherung  dargelegt.  Er  ist  der  Meinung,  dass 
nicht,  wie  man  sich  es  gewöhnlich  vorstelle,  bei  den  Anfängen  der  Krebs- 
bildung die  Epithelien  in  die  Tiefe  wucherten,  sondern  die  primäre  Ver- 
änderung vom  Bindegewebe  ausgehe,   welches  ein   „Höhenwachstum  mit 


Zur  Ätiologie  der  Gesohwülste  vom  kliniflohen  Standpunkt.  539 

Verlängerung  der  Papillen"  eingehe  und  seinerseits  in  das  Epithel  vor- 
dringe. Es  ist  nach  ßibbert  nicht  einzusehen,  wie  das  Epithel  dazu 
kommen  sollte,  bei  einer  erhöhten  Proliferationskraft  in  die  Tiefe  zu  dringen, 
also  sein  Wachstum  umzukehren.  Ein  Hineinwachsen  in  das  Bindegewebe 
wird  nur  bei  solchen  Epithelzellen  stattfinden,  die  aus  dem  Zusammenhang 
mit  der  übrigen  Epidermis  getrennt  wurden  und  so  ihr  normales  nach 
oben  gerichtetes  Wachstum  nicht  mehr  bethätigen  können.  Eine  solche 
Lostrennung  von  Epithelien  komme  aber  durch  das  Vordringen  des  Binde- 
gewebes in  das  Epithel  zustande. 

Ribbert  teilt  im  ganzen  11  Fälle  mit  (Carcinome  des  Rachens, 
der  Unterlippe,  des  Zahnfleisches,  der  Lippe,  der  Zunge,  der  Augenlider), 
in  welchen  er  zwischen  den  Krebszapfen  vereinzelt  Riesenzellen  und  An- 
häufungen solcher  nachweisen  konnte.  In  keinem  der  Fälle  konnte 
Ribbert  Tuberkelbacillen  auffinden  und  erörtert  deshalb  eingehender  die 
Frage,  welche  auch  schon  Baumgarten  gelegentlich  einer  analogen  Be- 
obachtung aufwarf,  ob  nicht  etwa  die  Krebsepithelien  als  riesenzellener- 
zeugende  Fremdkörper  zu  wirken  vermöchten.  Ribbert  möchte  dies  nicht 
ganz  bestreiten,  zumal  er  in  einem  Falle  in  einzeluen  Riesenzellen  dege- 
neriert« Epithelien  eingeschlossen  fand  und  in  einem  anderen  innerhalb 
degenerierter  und  mit  Sekret  gefüllter  Drüsenacini  solche  Riesenzellen  sali, 
aber  nach  dem  ganzen  histologischen  Verhalten  glaubt  er  dennoch,  dass 
hier  Tuberkulose  vorliege.  Ribbert  nimmt  dann  weiter  an,  dass  die 
Tuberkulose  hier  das  primäre  sei  und  in  dem  schon  hervorgehobenen 
Sinne  die  Krebsbildung  veranlasst  habe. 

Schon  Clement  bezweifelt  in  seiner  oben  erwähnten  Mitteilung,  dass 
der  Befund  von  Riesenzellen  im  Krebsgewebe,  wie  ihn  Ribbert  geschildert 
habe,  die  Annahme  einer  Tuberkulose  ohne  weiteres  rechtfertige  und  will 
nur  einen  von  den  11  Fällen  thatsächUch  für  echte  Tuberkulose,  die  an- 
deren für  sog.  Fremdkörpertuberkulose  halten. 

Wir  möchten  auf  Grund  eigener  Erfahrungen  diese  schon  von  Rib- 
bert selbst  wohl  erwogene,  aber  zurückgestellte  Auffassung  der  Deutung 
als  wahrer  Tuberkulose  vorziehen.  Wir  haben  speziell  in  flachen  Haut- 
kankroiden  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  wiederholt  einzelne 
Riesenzellen  und  Aggregate  solcher,  wie  sie  bei  Tuberkulose  vorkommen, 
gesehen,  ohne  dass  sonst  besonders  vom  klinischen  Standpunkte  aus  irgend 
welche  Anhaltspunkte  für  Tuberkulose  bestanden  hätten.  Bei  dem  klinisch 
80  deutlichen  und  spezifischen  Bilde  der  Tuberkulose  würde  es  schwer 
begreiflich  sein,  dass  eine  Tuberkulose  in  einem  flachen  Hautkankroid  sich 
nicht  auch  klinisch  erkennbar  macht,  zumal  wenn  man  nun  mit  Ribbert 
noch  annimmt,  dass  diese  Tuberkulose  als  ätiologisches  Moment  fungiert 
und  noch  länger  bestehe  als  der  zwei  oder  drei  Dezennien  alte  Hautkrebs. 


540  Allgein.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

In  einem  Falle  von  Hautkankroid  wurden  in  der  kgl.  Klinik  (1890)  In- 
jektionen von  Tuberkulin  gemacht,  ohne  dass,  selbst  auf  grosse  und  wieder- 
holte Dosen,  je  eine  lokale  oder  allgemeine  Reaktion  erfolgte,  und  doch 
war  gerade  dieser  Fall  derjenige,  in  welchem  wir  die  zahlreichsten  Riesen- 
zellen in  dem  Bindegewebe  zwischen  den  atypischen  Epithelzapfen  später 
fanden.  Ehe  hier  nicht  der  Befund  von  Tuberkelbacillen  glückt  oder 
typische  Tuberkel  gefunden  werden  oder  die  Tierimpftmg  mit  dem  frag- 
lichen Krebsstückchen  einwandsfrei  echte  Tuberkulose  erzeugt,  wird  der 
Kliniker  sich  nur  schwer  zu  der  Annahme  einer  Tuberkuloseerkrankung 
dort  entschliessen  können,  wo  die  klinische  Untersuchung  davon  keine 
Spuren  erkennen  lässt.  Hoffentlich  gelingt  es  Ribbert,  die  von  ihm 
angeregte  interessante  Frage  nach  der  Herkunft  der  Riesenzellen  in  Car- 
cinomen  bald  endgültig  zu  entscheiden. 


D. 

Teratologie. 

Von 

G.  Benda,  Berlin. 


1.  Bard,  La  späcificit^   cellolaire  efc  Phistogenäse   chez  Tembryon.     Arch.   de   Physiol. 
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3.  Ders.,  Halbbildung  oder  Ganzbildung  von  halber  Grösse.    Anat.  Anz.  Bd.  VlII.  1893. 

4.  Ders.,  Experimentelle  Untersuchung  über  die  Regeneration  des  Keimblattes  bei  den 
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5.  Der 8.,  Die  organbildenden  Eeimbezirke  und  künstliche  Missbildungen  des  Amphibien- 
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Teratologie.  543 

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61.  Ders.,  Beitrag  III.  Über  die  Bestimmung  der  Hauptrichtungen  des  Froschembryo  im 
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63.  Ders,  Beitrag  V.  Über  die  künstliche  Hervorbringung  halber  Embryonen  durch  Zer- 
störung einer  der  beiden  ersten  Furchungskugeln  sowie  über  die  Nach  entwickelung 
(Postgeneration)  der  fehlenden  Körperhftlfte.    Vir  eh.  Arch.  Bd.  114.  1888. 

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65.  Ders ,  Beitrag  VII.  Über  Mosaikarbeit  und  neuere  Entwickelungshypothesen.  Merkel- 
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70.  Ders.,  Die  Methoden  zur  Erzeugung  halber  Froschembryonen  und  zum  Nachweis  der 
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Anat  Anz.  Bd.  9.  Nr.  8  u.  9.  1894. 

71.  Derselbe,  Über  die  Spezifikation  der  Furchungszellen  und  über  die  bei  der  Post- 
generation und  Regeneration  anzunehmenden  Vorgänge.    Biolog.  Centralbl.  1893. 

72.  Ders.,  Referat  über  Entwickelungsmechanik.  Merkel-Bonnet  Ergebn.  der  Anatomie. 
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544  Allgem.  pathol.  Morphologie  uud  Physiologie. 

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Strassburg.  1894. 

1.  £ntwickelaDgsmechaniselie  Experimente. 

Das  Kapitel  der  Entwickelungsmechanik  an  vorliegender  Stelle  zu 
behandeln,  haben  wir  wenig  mehr  als  eine  historische  Berechtigung. 
Es  ist  wohl  zweifellos,  dass  die  entwickelungsgeschichtUche  Beobachtung 
von  Missbildungen  und  die  erfolggekrönten  Versuche,  diu'ch  künstliche  Be- 
einflussungen der  Entwicklung  Monstrositäten  zu  erzeugen,  den  Ausgangs- 
punkt für  die  wissenschaftUche  Erforschung  der  Entwickelungsbedinguugen 
und  Entwickelungsursachen  abgaben.  Aber  die  Tragweite  der  hier  auf- 
gerollten Fragen  überschritt  das  eigentUche  Gebiet  der  Teratologie  bald 
bedeutend;  die  Versuchsergebnisse  beleuchten  die  normale  Embryologie, 
die  Pathologie,  die  gesamte  Biologie,  sodass  die  sich  für  die  Kenntnis  der 
Missbildungen  und  ihrer  Entstehung  ergebenden  Resultate  eigentlich  in 
den  Hintergrund  gedrängt  wurden. 

Diesem  Verlaufe  Rechnung  tragend,  wollen  wir  im  folgenden  ver- 
suchen, den  embryologischen  und  teratologischen  Experimenten  zu  fol- 
gen, wir  wollen  aber  bei  der  kritischen  Betrachtung  der  Ergebnisse  auch 
die  weiteren,  damit  verbundenen  Gesichtspunkte  ins  Auge  fassen.  Wir 
werden  uns  dabei  allerdings  auch  einige  Beschränkungen  auferlegen  müssen. 
Wohl  alle  embryologischen  Untersuchungen  sind  insofern,  als  die  Ge\%in- 
nung  der  Materials  Eingriffe  in  den  Entwickelungsgang  erfordert,  experi- 
mentelle Untersuchungen;  die  Benützung  künstlicher  Züchtungen,  die  viel- 
fach für  solche  Untersuchungen  benützt  wurden,  sind  gewiss  ebenfalls  experi- 
mentell, und  die  Resultate  dieser  Arbeiten  haben  für  unser  Grebiet  die 
grösste Bedeutung,  wie  die  Arbeiten  von  Lereboullet,  Oellacher,  Rau- 
ber. Wir  wollen  aber  für  die  vorliegende  Betrachtung  nur  das  litterarische 
Material  heranziehen,  bei  denen  sich  das  Experiment  auf  Veränderungen 
des  normalen  Entwickelungsganges  bezieht. 

Ein  seiner  Zeit  fast  vergessener  Name  ist  als  der  Vorarbeiter  dieser 
Wissenschaft  erkannt  worden,  Newport,  der  bereits  Anfang  der  50.  Jahre 
Versuche  über  die  Befruchtung  der  Froscheier,  und  dabei  erzielbare  Ver- 
änderungen machte. 

Die  ersten  Versuche  über  künstliche  Erzeugung  von  Missbüdungen 


Entwickelangsmechanische  Experimente.  545 

rühren  von  P  an  um  (1860)  her;  derselbe  zeigte,  dass  man  besonders  durch 
Temperaturschwankungen  in  den  ersten  Bruttageu  abnorme  Entwickelungen 
am  Hühnerei  hervorrufen  konnte.  Ähnliche  Versuche  machten  Valentin, 
öchrohe  kurz  hernach.  Grosses  Aufsehen  machten  aber  erst  die  Arbei- 
ten Camille  Darest's  der  in  einer  grösseren  Arbeit  (1877)  und  in  einer 
Anzahl  kleinerer  Mitteilungen  über  äusserst  umfangreiche  Versuche  an 
Hühnereiern  berichtete.  Er  wandte  vorwiegend  Temperaturschwankungen, 
Beliinderung  der  Sauerstoffzufuhr  und  Verzögerung  der  Bebrütung  an 
und  erzielte  sehr  verschiedenartige  Missbildungen,  darunter  auch  Doppel- 
bildungen, ohne  aber  die  Beziehung  einer  Form  der  Missbildung  zu  einer 
bestimmten  Bedingung  feststellen  zu  können.  Die  ersten  Erfolge  in  dieser 
Richtung  hatte  Leo  Gerlach  (1882).  Durch  teilweises  Firnissen  von  Hühner- 
eiern, welches  die  Respiration  auf  bestimmte  Figuren  beschränkte,  gelang 
es  ihm  —  allerdings  nur  in  sehr  vereinzelten  Fällen  —  beabsichtigte  For- 
men von  Doppelbildungen  zu  erzeugen. 

Eine  erhebliche  Förderung  trat  vom  Jahre  1884  an  ein,  als  ziemlich 
gleichzeitig  Pflüger,  W.  Roux  und  Born  die  Froscheier  für  die  Experi- 
mentaluntersuchung  heranzogen.  Die  Beobachtungen  der  Entwickelung 
in  Zwangslagen  führte  in  erster  Linie  zur  genauen  Kenntnis  der  örtlichen 
Beziehungen,  die  zwischen  den  ersten  Furchungen  und  den  Organanlagen 
bestehen.  Durch  Pflüger  und  Roux  wurde  festgestellt,  dass  die  Lage 
der  ersten  Furche  mit  der  Medianebene  des  Embryo  übereinstimmt.  Ebenso 
wurden  von  Roux  die  Beziehungen  dieser  Furchungsebene  zur  Eintritts- 
stelle des  Spermatozoons,  sowie  zum  oralen  und  kaudalen  Körperende 
festgestellt.  Besonders  aber  beschäftigten  sich  die  drei  Untersucher  mit 
dem  Einfluss  der  Schwerkraft  auf  das  Froschei,  und  regten  hiermit  eine 
Frage  an,  die  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  diskutiert  wurde  (0.  Schnitze 
1893),  ob  die  Schwerkraft  auf  den  Entwickelungsprozess  des  Froscheies 
eine  direkte  gestaltende  Wirkung  ausübt.  Es  wurde  nämUch  festgestellt, 
dass  die  normale  Lagerung  des  Eies  mit  dem  pigmentierten  Pol  nach 
oben  durch  die  Schwerkraft  bedingt  ist,  und  dass  bei  Veränderung  dieser 
Lagerung  Störungen  der  Entwickelung  und  Missbildung  der  Anlage  vor- 
kommen. 0.  Schnitze  erzeugte  durch  Verlagerung  des  Eies  im  Stadium 
der  ersten  Furchung  Doppelbildungen.  Sehr  sinnreiche  Versuche  von  Roux, 
der  Eier  auf  rotierenden  Scheiben  unter  Ausschluss  der  Centrif ugalwirkung 
zur  normalen  Entwickelung  brachte,  bewiesen  indes  hinlängUch,  dass 
auch  ohne  Wirkung  der  Schwerkraft  normale  Entwickelung  vor  sich 
gehen  kann. 

Von  nun  an  mehren  sich  die  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  experi- 
mentellen Teratalogie.  Von  Missbildungen  erzeugenden  allgemeinen  Ursachen 
lehrte  J.  Loeb  bei  Echinodermeneiem  chemische  Veränderungen  der  um- 

.Labarsch- Oster  tag,  Ergebnisse  Abteil.  H.  35 


546  Allgem.  patholog.  Morphologie  und  Physiologie. 

gebenden  Mediums  kennen,  Besondere  Bedeutung  erhielt  nach  verschiedenen 
Arbeiten  0.  Hertwigs  die  Polyspermie  für  die  Entstehung  von  Monstren. 
Die  künstliche  Erzeugung  von  Polyspermie  gelang  O.  Hertwig  an  Eiern, 
die  teils  durch  chemische  Einflüsse,  teils  durch  Überreife  geschwächt  waren. 
Er  erzielte  bei  Fröschen  auf  diesem  Wege  besonders  Hemmungen  im  Ver- 
schluss des  Urmunds  und  daraus  resultierende  „Asyntaxia"  und  Spina 
bifida.  Ähnliche  Resultate  erhielten  dann  durch  Anwendung  hoher  Tempe- 
raturen Oellacher  und  Richter  bei  Hühnereiern,  J.  Koilmann  bei 
Enteneiern. 

Das  meiste  Interesse  beanspruchen  nun  die  Experimente,  die  durch  direkte 
operative  Eingriffe  am  Ei  den  Entwickelungsgang  beeinflussen.  Wir  haben 
hier  drei  Gruppen  von  Arbeiten.  An  erster  Stelle  ist  die  Einwirkimg  von 
Druck  auf  die  Eier  während  der  ersten  Teilungen  zu  nennen.  Derselbe 
wurde  meist  durch  Kompression  zwischen  Glasplatten  bewirkt.  Die  hier- 
durch erzeugten  Verschiebungen  der  Furchungszellen  wurden  von  W.  Roux, 
O.  Hertwig,  F.  H.  Morgan,  G.  Born,  H.  Driesch,  zuletzt  von  H.  E. 
Ziegler,  von  ersteren  an  Froscheiern,  von  den  beiden  letzten  Autoren  an 
Echinodermeneiem  beobachtet,  nachdem  Pflüger  die  Methodik  des  Ex- 
perimentes kennen  gelehrt  hatte.  Bei  allen  Experimentatoren  zeigte  sich 
die  spätere  Ausgleichung  der  anfängUchen  Difformitäten  der  Blastula  und 
die  Entwickelung  der  normalen  Embryonen. 

Die  zweite  von  0.  und  R.  Hertwig  und  von  Boveri  zuerst  ange 
wandte  Schüttelmethode  ermöglichte  bei  Echinodermeneiem  eine  Trennung 
der  Furchungskugeln.  Ihre  Weiterentwickelung  wurde  von  den  Hertwigs, 
von  C.  Fiedler,  H.  Driesch,  T.  H.  Morgan  an  Echinodermen ,  von 
Edm.  B.  Wilson  am  Amphioxus,  Chun  an  Ctenophoren  beobachtet.  Das 
Resultat  war  im  allgemeinen,  dass  aus  einzelnen  Furchungszellen  noch 
normale,  aber  kleinere  Larven  entstanden,  nur  Driesch  scheint  in  einzelnen 
Fällen  auch  Halbbildungen  beobachtet  zu  haben,  Chun  giebt  dies  Ver- 
hältnis als  Regel  für  die  Ctenophoren  an. 

Das  grösste  Aufsehen  machten  aber  die  Versuche  Roux,  durcli 
direkte  Verletzungen  des  Eies  auf  dessen  Entwickelung  einzuwirken.  Die 
ersten  Ergebnisse  erhielt  dieser  Autor  im  Jahre  1884  (1885  publiziert),  wo 
es  ihm  gelang  durch  die  nach  Verletzungen  entstandenen  Einarben  die 
Lagerungsverhältnisse  der  Embryonalanlage  zu  den  Eiregionen  festzu- 
stellen. Noch  wichtiger  waren  die  gleichzeitig  mit  Chabry  unternommenen 
(von  letzterem  früher  publizierten)  Versuche  mit  Verletzungen  der  Fur- 
chungskugeln. Chabry  arbeitete  an  Ascidieneiern,  von  denen  er  Fur- 
chungszellen mit  spitzen  Glasnadeln  zerstörte,  Roux  beobachtete  an  Frosch- 
eiern die  Erfolge  von  Zerstörungen  einer  oder  mehrerer  Furchungszellen 
durch  heisse  Metallnadeln.    Die  Versuche  Roux  wurden  dann  später  von 


Ergebnisse  d.  entwickelungsmech.  KxperinieDte  f.  d.  Teratologie.  547 

Fiedler,  Barfurth  und  neuerdings  von  H.  Endres  nachgeprüft.  Bei  allen 
diesen  Versuchen  stellte  sich  das  Ergebnis  heraus,  dass  sich  eine  der  Ver- 
letzung entsprechende  Defektbildung  an  dem  Ei  herausbildete.  Also  eine  Ver- 
letzung einer  von  zwei  Furchungskugeln  entsprach  eine  Halbbildung,  'einer 
X'erletzung  einer  von  vier  Furchungskugeln  ein  Vierteldefekt.  Während 
Fiedler  solche  nur  bis  zur  Gastrula  beobachtete,  verfolgten  die  anderen 
Autoren  sie  weiter,  und  konnten  noch  Larven  mit  entsprechenden  Defekten 
beobachten,  am  längsten  Chun  und  Chabry.  Alle  ausser  Chabry  fanden 
aber,  dass  später,  eine  Ergänzung  des  Defekts  von  der  gesunden  Seite  her 
stattfindet,  ein  Vorgang,  den  Roux  als  Postgeneration  bezeichnet.  Ausser 
Halbbildungen  beobachtete  Roux  auch  Abnormitäten  des  Gastrulations- 
Yorganges,  die  sich  als  Asyntaxie  oder  Anentoblastie  dokumentierten. 

Einer  ganz  anderen  Richtung  experimentell-teratologischer  Unter- 
suchungen gehören  die  letzten  Versuche  Borns  an.  Ihm  gelang  es  Teilstücke 
von  Amphibienlarven,  sogar  solche  von  verschiedenen  Species  und  Gattungen 
zur  Verwachsung  zu  bringen  imd  so  die  merkwürdigsten  Doppelbildungen 
zu  erzeugen. 


IL  Ergebnisse  der   entwickelangsmechanischen  Experi- 
mente für  die  Teratologie. 

Wir  haben  so  versucht,  die  wichtigsten  Punkte  aus  dem  thatsächlichen 
Material  anzudeuten,  wobei  selbstverständlich  kamn  im  geringsten  den  inter- 
essanten Einzelheiten  sowohl  der  Versuchsanordnung  wie  der  Versuchs- 
resultate Rechnung  getragen  werden  konnte.  Es  kommt  uns  vielmehr  an 
hiesiger  Stelle  darauf  an,  diesen  Abriss  der  Versuchsgeschichte  als  Grund- 
lage der  Besprechung  der  aus  den  Versuchen  sich  folgernden  Ergebnisse 
zu  benützen. 

In  erster  Linie  interessieren  uns  natürlich  die  Ergebnisse  für  die 
Teratologie  des  Menschen  und  der  Säugetiere.  Dieselben  erscheinen  auf  den 
ersten  Blick  vielleicht  etwas  unbefriedigend,  wenigstens  soweit  man  in  ihnen 
eine  direkte  Förderung  unseres  Verständnisses  für  die  Genese  menschUcher 
und  säugetierUcher  Missbildungen  suchen  wollte.  Die  Entwickelungsbe- 
dinguugen  der  Säuger  sind  so  grundverschieden  von  denen  der  entwicke- 
lungsmechanischen  Versuchstiere,  dass  man  nur  mit  der  grössten  Vorsicht 
die  hier  gewonnene  Erfahrung  auf  ihre  V^erhältnisse  übertragen  darf.  Zu- 
nial  wenn  wir  sehen,  dass  auch  bei  den  Versuchstieren  gleiche  Missbil- 
dungen unter  sehr  verschiedenartigen  Bedingungen  entstehen,  wird  bei  den 
Säugetieren,  wo  wir  nur  das  anatomische  Endresultat,  nicht  die  Entstehung 

3o* 


548  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

beobachten,  der  Rückschluss  vom  Endresultat  auf  die  Genese  noch  lauge 
ein  Wagnis  bleiben. 

Wenn  wir  in  dieser  Hinsieht  in  erster  Linie  die  experimentellen  Er- 
fahrungen über  die  Ätiologie  der  Missbildungen  prüfen,  so  können  wir 
einige  derselben  von  der  Übertragbarkeit  auf  Säugetierverhältnisse  wohl 
mit  Sicherheit  ausschliessen.  Das  frappanteste  Beispiel  bietet  darin  die 
misbildende  Potenz  der  Schwerkraft.  Wir  erwähnten  bereits  die  Debatten, 
die  sich  an  die  ersten,  wichtigen  Erfahrungen  Pflügers  über  den  Einfluss 
der  Lageveränderungen  auf  die  Entwickelung  des  Froscheies  knüpften. 
Die  Experimente  Roux's  und  die  Schnittserien  Borns  hatten  die  Lage 
völlig  geklärt;  die  Gewichtsunterschiede  der  Substanzen  des  Froscheies  be- 
dingen eine  bestimmte  Rulielage  des  Froscheies  mit  dem  schwarzen  Pol 
nach  oben,  eine  Vorrichtung  die  offenbar  weniger  mit  dem  Entwickelungs- 
mechanismus  zusammenhängt,  als  vielmehr  eine  optische  Schutzvorrichtung 
der  Eier,  die  sie  den  Verfolgern  verbirgt,  darstellt.  Bei  Lageveränderungen 
der  in  Zwangslage  fixierten  Eier  werden  die  äusseren  Abschnitte  an  der 
Rückkehr  in  die  Ruhelage  verhindert,  während  die  inneren  ihr  zustreben, 
und  durch  ihre  Strömungen  eine  innere  Zerstörung  des  Eies  bewirken. 
Die  unregelmässige  Einwirkung  der  Schwerkraft  kann  somit  allerdings  für 
das  Froschei  ein  die  Entwickelung  störendes  Moment  abgeben,  ohne  dass 
darum  die  normale  Wirkung  der  Schwerkraft  ein  die  Entwickelung  be- 
dingendes Moment  abgiebt.  Es  ist  schwer  verständUch,  wie  0.  Schulze 
diese  klare  Beweisführung  noch  neuerlich  mit  Experimenten  angreifen 
konnte,  deren  Resultate  nur  das  gleiche  beweisen;  noch  weniger  aber 
können  wir  seiner  Forderung  zustimmen,  die  Schwerkraft  ganz  allgemein 
als  „wichtigstes  entwickelungsmechanisches  Moment"  anzuerkennen.  Das 
ungleiche  specifische  Gewicht  der  Eisubstanzen  ist  für  die  Organisation  des 
Vogeleies  allerdings  auch  von  grosser  Bedeutung ;  es  bildet  hier  eine  mch- 
tige  Vorrichtung  für  die  ReguUerung  des  Sauerstoffzutritts  zur  Embryonal- 
anlage. Diese  Vorrichtung  wird  aber  auch  hier  von  dem  Moment  an  be- 
deutungslos, wo  die  Ausbreitung  der  AUantoisgefässe  an  der  Eioberfläohe 
die  Atmung  überninunt,  und  der  Embryo  sinkt  alsbald  in  die  Tiefe.  Mit 
diesen  ganz  spezifischen  Anpassungen  dürfte  aber  auch  der  Wirkungskreis 
der  Schwerkraft  auf  die  Anordnung  der  Eisubstanzen  abgeschlossen  sein. 
WieM.  Nussbaumin  der  Debatte  bereits  0.  Schnitze  entgegnete,  liegen 
die  Eier  der  Kirripedien  in  einem  Eikuchen  nach  den  verschiedensten 
Richtungen  orientiert.  Besonders  aber  ist  für  unsere  Vergleichung  mit 
den  Säugetieren  zu  konstatieren,  dass  bei  allen  viviparen  Tieren  eine  Un- 
gleichheit des  spezifischen  Gewichts  der  Eisubstanzen  nicht  existiert  und 
die  regulierende  Wirkung  der  Schwerkraft  somit  ausgeschlossen  ist  Jeder, 
der  trächtige  Torpedincen-  und  Acanthias-,  Salamander-,  Blindschleichen- 


Ergebnisse  d.  entwickelungsmech.  Experimente  f.  d.  Teratologie.  549 

lind  Säugetierweibchen  geöffnet  hat,  weiss,  dass  die  Embryonalanlagen  nicht 
in  gleichem  Sinne  orientiert  hegen,  wie  dies  bei  einer  Abhängigkeit  der 
Orientierung  von  der  Schwerkraft  unbedingt  zu  erwarten  wäre.  Es  wäre 
wohl  auch  die  denkbar  unpraktischste  Einrichtung,  wenn  die  uterinen 
Eier  jede  Schwimmwendung  des  Haifischkörpers,  jeden  Kopfsprung  der 
Katze  oder  des  Eichhörnchens  durch  eine  Dotterdrehung  ausgleichen  müssten. 
Die  Natur  war  hier  jedenfalls  weiser,  als  sie  die  Eisubstanzen  durch  Ge- 
wichtsgleichheit von  den  Wirkungen  der  Schwerkraft  und  den  durch  sie 
bewirkten  Erschütterungen  bewahrte.  Um  sich  dies  klar  zu  machen,  be- 
darf es  keines  entwickelungsmechanischen  Experiments,  sondern  nur  der 
Beobachtung  eines  Präparatenglases,  dessen  Inhalt  bekanntUch  vor  dem 
Schütteln  am  besten  geschützt  wird,  wenn  man  die  Flasche  füllt,  und  damit 
die  spezifisch  leichtere  Substanz,  die  Luft  daraus  entfernt.  Eine  ähnliche 
Isolierung  gegen  die  Schwerkraft  schützt  die  Säugetiereier  vor  Verbildungen 
durch  dieselbe  bereits  im  Eistadium  und  im  höheren  Grade  nach  An- 
sammlung des  Fruchtwassers.  Ich  halte  somit  die  auf  früheste  Entwicke- 
lungsstadien  wirkenden,  zu  molekularen  Verschiebungen  in  der  Eizelle 
führenden  Schwerwirkungen  für  diejenigen,  welche  nicht  wie  Schnitze 
meint,  „am  ehesten",  sondern  welche,  wenigstens  für  die  Säugetiere,  am 
allerwenigsten  „für  das  Zustandekommen  von  nicht  künstlich  erzeugten 
Missbildungen  herangezogen  werden  können.'' 

Viel  verständhcher  scheinen  mir  analoge  Einwirkungen  der  anderen  ätiolo- 
gischen Momente  des  Experiments  auf  abnorme  Säugetierentwickelungen.  Dass 
ungenügende  Sauerstoffzufuhr,  die  anfänglich  durch  das  mütterliche  Blut, 
später  zusammen  mit  der  Ernährung  durch  mütterliches  und  fötales  Blut  ver- 
mittelt wird,  zu  Missbildungen  führen  könnte,  ist  zwar  bisher  nicht  beweis- 
bar, aber  doch  auch  nicht  unwahrscheinlich.  Temperaturschwankungen 
werden  von  Kollmann  zwar  nicht  ausdrücklich  für  die  Spina  bifida 
menschlicher  Embryonen  verantwortlich  gemacht;  aber  die  Zusammen- 
stellung eines  Falles  von  Spina  bifida,  die  bei  dem  Umfang  konkurrierender 
Veränderungen  sehr  wohl  auf  eine  frühzeitige  Asyntaxie  des  Urmunds 
zurückgeführt  werden  kann,  mit  experimentell  erzeugten  Missbildungen 
von  Entenembryonen  lässt  durchblicken,  dass  der  Autor  auch  eine  Ana- 
logie der  Ursachen  nicht  von  der  Hand  weist.  Auch  ich  möchte  es  nach 
den  experimentellen  Ergebnissen  für  sehr  plausibel  beachten,  dass  Fieber- 
temperaturen,  die  bekannterweise  in  späteren  Entwickelungsstadien  ein 
Absterben  der  Frucht  bewirken  können,  auf  früherer  Stufe  Missbildungen 
bedingen  dürften.  Es  wäre  jedenfalls  angebracht,  in  geeigneten  Fällen 
anamnestische  Erhebungen  in  dieser  Hinsicht  zu  versuchen.  Ebenso  ist 
ein  Eintreffen  der  abnormen  Bedingungen,  die  nach  0.  Hertwig  Poly- 
spermie der  Eier  begünstigen,  und  auf  diesem  Wege  zu  Missbildungen 
führen,  auch  für  die  Säugetiere  denkbar  und  wahrscheinUch. 


550  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Direkte  Einwirkungen  auf  das  Säugetierei,  die  die  Effekte  der  Roux- 
Chabryschen  Operationen  reproduzieren,  indem  sie  eine  Vernichtimg  von 
embryonalem  Material  herbeifüliren,  sind  für  die  ersten  Stadien  kaum  an- 
nehmbar, da  abnormer  Druck  nach  den  Experimenten  diesen  Effekt  nicht 
zu  haben  scheint  und  Bedingungen,  die  zu  wirklicher  Quetschung  des 
Eies  führen  könnten,  wohl  in  den  inneren  weiblichen  GenitaUen  kaum  vor 
kommen.  Infolge  dieser  Erwägung  habe  ich  einigen  Zweifel  an  der  Be- 
rechtigung Roux',  das  von  P.  Eckardt  beschriebene  Hemitherium  ante- 
rius  auf  eine  Vernichtung  zweier  Furchungskugeln  zu  beziehen,  zumal  die 
Verwachsungen  des  Amnions  mit  dem  Defektrand  darauf  hinweist,  dass  die 
Missbildung  erst  bei  oder  nach  Anlage  des  Amnions  entstanden  ist.  Sollte 
es  hier  nicht  viel  näher  liegen,  die  Defektbildung  auf  eine  sogen,  intra- 
uterine Amputation  durch  das  Amnion  zurückzuführen,  da  wir  wissen, 
dass  Amnion  Verwachsungen  derartige  Wirkungen  ausüben  können?  In  der 
That  glaube  ich,  dass  man  den  Amnionstrikturen  und  Verwachsungen,  die 
schon  von  vielen  anderen  Autoren,  so  auch  von  Dar  es  te  gewürdigt  wurden, 
zwar  erst  in  viel  späteren  Stadien  doch  eine  den  Roux-Chabry sehen 
Experimenten  entsprechende  Wirkung  zuschreiben  darf.  Jene  Verwachs- 
ungen, oder  besser  ausgedrückt,  die  Entzündungsvorgänge,  die  jene  Ver- 
wachsungen einleiten,  würden  so  weniger  eine  „Amputation"  ausgebildeter 
Organe,  als  eine  narbige  Zerstörung  des  Anlagematerials  verursacheD.  lu 
ähnlicher  Weise  würden  auch  narbige  Verwachsungen  zwischen  Embno- 
nalteilen  oder  zwischen  Doppelmissbildungen  durch  Zerstörung  von  Anlage- 
material Defekte  erzeugen.  Auf  diese  Weise  erklärte  es  sich  auch,  dass 
Postgenerationen,  die  bei  den  Experimenten  Roux',  Drieschs,  Hertwigs, 
Endres  u.  a.  eintraten,  bei  dieser  Kategorie  von  Missbildungen  fehlen. 
Einfache  Verluste  von  Anlagematerial  würden  in  Analogie  mit  diesen  Ver- 
suchen nur  Hypoplasieen  der  Organe  erzeugen. 

Stringentere  Schlüsse  als  auf  die  Ätiologie  der  Nßssbildungen  gestatten 
die  teratologischen  Experimente  für  die  eigentliche  Genese  der  Säugetier- 
missbildungen insofern,  als  die  direkte  Beobachtung  bei  verwandten  KJassen 
doch  nunmehr  gewisse  empirische  Grundlagen  für  Anschauungen  schuf, 
die  als  geistreiche  Vermutungen  schon  längst  diskutiert  wurden.  Hier  ist 
in  hervorragender  Weise  unsere  Anschauung  über  die  Entstehung  der 
Doppelbildungen  gefördert  worden,  indem  die  Folgen  des  Offenbleibens 
des  Urmundes,  dem  bei  den  Amnioten  eine  S])altbildung  des  Primitivstreifens 
entspricht,  der  Asyntaxia  Roux,  von  Öllacher  und  Lereboullet  von 
zahlreichen  Autoren,  besonders  0.  Hertwig,  W.  Roux  und  J.  Kollmann 
eingehend  verfolgt  wurden.  Nach  der  jetzt  herrschenden  Anschauung  der 
Embryologie  werden  die  MeduUarwülste  vom  Urmundsrand  nach  vorn 
vorgeschoben,  und  bis  zum  Kopffortsatz,  der  an  der  Urmundslippe  primär 


Allgemeine  Folgerungen  d.  entwickelungsmecb.  Experimente.  551 

einheitlich  entsteht,  d.  h.  bis  zum  queren  Himwulst,  geht  die  MeduUar- 
rinne  aus  einer  Verwachsung  der  Urmundränder  hervor.  Das  Ausbleiben 
des  Urmundverschlusses  kann  also  bis  zum  Hirn  hin  axiale  Spaltungen 
der  Embryonalanlage  bedingen.  Die  verschiedenen  Grade  der  Ergänzung 
durch  Postgeneration  können  Verdoppelungen  des  Rückenmarks  oder  weiter- 
gehende Doppelbildungen,  Mesodidymi  und  Katadidymi  erzeugen. 

Ebenso  bietet  aber  die  Übertragung  der  Versuchsresultate  Chuns, 
O.  Hertwigs,  Drieschs,  Wilsons,  die  die  Trennung  der  Furchungs- 
kugeln  betreffen,  auf  die  Entstehimg  von  Säugetierdoppelbildungen  keine 
Schwierigkeit.  Wir  können  voraussehen,  dass  sich  auch  in  dieser  Klasse 
nach  Trennung  von  Furchungskugeln ,  sei  es  durch  direkte  Weiterent- 
wickelung, sei  es  wie  Chun  oder  Roux  annehmen,  durch  ursprüngliche 
Halbbildung  und  nachträgliche  (postgenerative)  Ergänzung,  mehrere  Föten 
entwickeln. 

Die  Möglichkeit  einer  Doppelgastrulation ,  die  sich  in  der  Anlage 
zweier  Primitivstreifen  äussern  würde,  ist  durch  L.  Gerlachs  Versuche 
und  Raubers  Beobachtungen  sichergestellt,  aber  sonst  wenig  verfolgt 
(E.  Hoff  mann).  Bifurkation  des  Primitivstreifens,  Anlage  zweier  Kopf- 
fortsätze würden  als  prinzipiell  hierzu  gehörende  Unterarten  zu  betrachten 
sein,  die  für  die  Genese  der  Anadidymi  herangezogen  werden  können. 
Wenn  wir  dazu  noch  die  Möglichkeit  einer  Doppeleientwickelung  nehmen, 
wären  viererlei  Entstehungsweisen  der  axialen  Doppelbildungen  anzuer- 
kennen. Die  Versuche  Borns  geben  die  Hinweise,  wie  zwischen  primären 
Doppelbildungen  wieder  sekundäre  Verwachsungen  auftreten  können. 

Für  die  Genese  von  Bildungsdefekten  geben  wie  schon  erwähnt, 
die  Versuche  Roux*  und  Chabrys  Aufklärungen,  vorausgesetzt,  dass  ein 
ausreichendes  Kausalraoment  aufzufinden  ist,  welches  das  Ausbleiben  der 
Postgeneration  erklärt.  Unter  letzterer  Beschränkung  werden  wir  berech- 
tigt sein,  Aplasieen  auf  definitive  Verluste  von  Anlagematerial,  Hypo- 
plasieen  auf  Verluste  mit  Postgeneration  zurückzuführen.  In  gleicher  Weise 
geben  jene  Versuche  aber  auch  eine  gewisse  Grundlage  für  die  alte  Ver- 
mutung, dass  Versprengungen  von  Bildungsmaterial  Heterotopieen  der  An- 
lagen hervorrufen  könnten,  wie  wir  sie  in  Teratombildungen  erkennen. 

IIL  Allgemeine   Folgerungen    der   entwiekelangsmeclia- 
nisclien  Experimente. 

Ich  glaube,  eine  Übersicht  über  die  verwickelten,  alle  Teile  der  Bio- 
logie streifenden  Streitfragen  am  besten  geben  zu  können,  wenn  ich  die 
Diskussion  verfolge,  die  seit  einigen  Jahren  zwischen  W.  Roux  und  0. 
Hertwig  über  dieses  Kapitel  geführt  wird.     Der  oft  scharf  polemische 


552  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

Charakter  dieser  Auseinandersetzungen  hat  zu  einer  Präcision  der  Frage- 
stellungen geführt,  die  auch  dem  Femerstehenden  die  Orientierung  erleich- 
tert, und  übrigens  auch  die  beste  Grundlage  einer  künftigen  Verständigung 
zwischen  den  Streitenden  in  sich  trägt.  Auch  die  meisten  anderen  in  dem 
Arbeitsgebiet  thätigen  Forscher  haben  sich  mehr  oder  weniger  eingehend 
über  ihre  theoretische  Stellungnahme  geäussert,  so  besonders  Pflüger, 
Born,  Driesch,  O.  Schnitze,  D.  Barfurth. 

An  vielen  Stellen  zeigt  sich  die  Beziehung  der  vorliegenden  Streit- 
fragen zu  allgemeinen  zoologischen,  die  durch  Weismann,  Herbert 
Spencer,  Nägeli,  de  Vries,  E.  Häckel  und  andere  vertreten  werden. 
Die  nahe  Verwandtschaft  mit  allen  Interessen  der  normalen  Entwickelung 
und  Histiognese  liegt  auf  der  Hand  und  ist  von  dieser  Seite  her  besonders 
von  Bard,  von  Wiesner  beleuchtet  worden.  Die  Beziehungen  zur  allge- 
meinen Pathologie  und  besonders  zur  Geschwulstlehre  sind  von  Hanse- 
mann gewürdigt  worden. 

Die  Diskussion  Roux'  und  Hertwigs  knüpft  wesentlich  an  die  Er- 
folge der  Operationen  an  Furchungskugeln  an. 

Roux  fundamentale  Versuche  hatten  ergeben,  dass  den  Zerstörungen 
von  Furchungskugeln  ganz  bestimmte  qualitative  Defekte  der  Entwicke- 
lungen  entsprechen,  die  sich  durch  einen  sekundären  Vorgang,  die  Postge- 
neration, nachträglich  ergänzen. 

Hertwig  sagt,  dass  sich  auch  aus  einzelnen  Furchungskugeln  ganze, 
nur  kleinere  Embryonen  entwickeln,  und  sieht  somit  den  Defekt  als  einen 
lediglich  quantitativen  an. 

Roux  nimmt  an,  dass  bei  den  Versuchen  seiner  Gegner  die  von  ihm 
als  Postgeneration  bezeichnete  Ergänzungsentwickelung  nur  frühzeitiger 
eingetreten  und  übersehen  ist;  Driesch  und  Hertwig  führen  das  Ergeb- 
nis der  Roux  sehen  Versuche  auf  die  mechanische  Störung,  die  das  Liegen- 
bleiben des  verletzten  Furchungskugel  auf  die  sich  entwickelnde  ausübt, 
zurück.       • 

Um  die  theoretischen  Deduktionen  beider  Forscher  zu  verstehen, 
müssen  wir  vorausschicken,  dass  beide  in  ihrer  Auffassung  der  Zelle 
und  speziell  der  Eizelle  im  wesentlichen  auf  dem  gleichen  Standpunkt 
stehen,  der  spekulativ  von  Weismann,  Nägeli,  de  Vries,  Wiesner 
begründet  und  von  R.  Altmann  zuerst  ins  Körperliche  übersetzt  wurde. 
Beide  sehen  die  Zelle  selbst  als  eine  Kolonie  von  Elementarorganismea 
(Bionten  Altmanns)  an,  die  als  Idioblasten  im  Zellkerne  die  Träger  der 
erblicher  Eigenschaften,  als  Plasome  im  Zellleib  die  Träger  der  Differen- 
zierungen und  funktionellen  Anpassungen  darstellen.  Diese  Bionten  sind 
es,  welche  assimilieren,  wachsen,  sich  vermehren,  und  deren  vitale  Thätig- 


Allgemeine  Folgeningen  d.  entwickeluDgBmech.  Experimente.  553 

keit  die  Gesamtthätigkeit  der  Zelle  bedingt,  sie  bilden  die  Individuen  im 
Zellstaat,  etwa  in  der  Weise,  wie  man  bisher  die  Zelle  als  das  Individuum 
des  Organismusstaates  auffasste.  Ein  durchaus  logischer  Weiterschritt  führt 
Roux  dazu,  diese  Bionten  weiter  zu  klassifizieren,  und  nach  ihren  vor- 
nehmlichsten  Eigenschaften  als  Idioplassonten,  Isoplassonten,  Automerizon- 
(len  und  Autokineonten  einzuteilen,  und  wahrscheinlich  jedem  Idioplassonten 
die  Eigenschaft  zuzuschreiben,  niur  Idioplassonten  zu  erzeugen  u.  s.  w. 

Die  Abweichung  meiner  persönlichen  Anschauung  von  dieser  Rich- 
tung wird  im  folgenden  zu  oft  zum  Durchbruch  kommen,  als  dass  ich 
es  vermeiden  könnte,  sie  hier,  obgleich  das  entschieden  sehr  weit  abführt, 
ausdrücküch  zu  erklären.  Der  hier  eingeschlagene  Weg  führt  jeden,  der 
bereit  ist,  alle  Konsequenzen  zu  ziehen,  zur  Annahme  eines  mit  einer  be- 
sonderen Kraft  begabten,  d.  h.  lebenden  Moleküls.  Wer  diesen  Weg  nicht 
mitmachen  will,  und  das  Leben  in  der  spezifischen  Anordnung  und  Wechsel- 
wirkung von  nicht  spezifischen  Molekülen,  die  an  und  für  sich  den  allge- 
meinen physikaUschen  Gesetzen  der  Erhaltung  der  Kraft  unterliegen,  sucht, 
hat  nicht  nötig,  das  Problem  der  vitalen  Organisation  von  der  Zelle  zurück- 
zuverlegen;  er  darf  die  Zelle  als  den  letzten,  empirisch  und  theoretisch 
notwendigen  Elementarorganismus  beibehalten.  Für  mich,  denn  ich  be- 
kenne mich  zu  dieser  augenblicklich  unmodernen  Anschauung  —  sind  die 
Bionten  Elementar  — ,  die  unter  der  vitalen  Energie  der  Zelle  passiv 
vermehrt,  vergrössert,  und  qualitativ  bestimmt  werden.  Wir  werden  aber 
sehen,  dass  wir  unter  dieser  Reservatio  mentaUs  den  weiteren  Deduktionen 
der  beiden  Forscher  ganz  gut  folgen  können. 

Roux  steht  in  der  Deutung  seiner  Versuche  wesentlich  auf  dem 
Boden  der  Evolutionstheorie  Weismanns.  Das  befruchtete  Ei  enthält 
nach  ihm  nicht  nur  das  Material,  sondern  auch  den  Entwickelungsimpuls 
für  die  selbständige  Entwickelung  zum  künftigen  Organismus,  den  Idio- 
plasson.  Letzterer  wird  durch  die  Befruchtimg  aktiviert,  dann  durch  die 
Furchung  zuerst  quahtativ  ungleich  zerlegt,  derart,  dass  jede  Furchungs- 
kugel  nur  das  Material  und  den  Idioplasson  einer  Körperhälfte  enthält. 
Durch  Fortsetzung  dieses  Vorganges  sondert  sich  das  Material  bestimmter 
Keimbezirke  und  soweiter  gelangen  wir  durch  diesen  Vorgang,  den  Roux 
als  SelbstdifEerenzierung  bezeichnet,  zu  den  einzelnen  Organ-  und  Gewebs- 
anlagen.  Neben  diesem  „Idioplasson  der  direkten  Entwickelung"  entliält 
die  Eizelle  aber  noch  denRe-  und  Postgenerationsidioplasson ;  derselbe  geht 
durch  qualitativ  gleiche  Teilung  auf  die  Tochterzellen  über  und  bildet 
einen  nur  bei  abnormen  Bedingungen  „indirekter  Entwickelung"  in  Thätig- 
keit  tretenden  Faktor.  In  dritter  Reihe  endUch  erkennt  aber  Roux  auch 
durchaus  die  gegenseitige  Einwirkung  der  Elemente  des  Organismus  auf 


554  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

einander,  sowie  die  Einwirkung  der  Aussen  weit  auf  gewisse  Entwicke- 
lungen  an. 

Hertwig  ist  im  Hauptzuge  Epigenetiker.  Er  geht  von  der  Anschau- 
ung aus  dass  bei  der  Teilung  der  Zellen  eine  erbgleiche  Zerlegung  des 
Anlagematerials  stattfindet,  derart,  dass  jede  Tochterzelle  die  wesentlich 
gleichen  Eigenschaften  wie  die  Eizelle  besitzt.  Die  durch  die  Massenzu- 
nahme der  Elemente  bedingten  Wechselbeziehungen,  ihre  Unterordnung 
in  dem  Haushalt  des  Ganzen,  die  Einflüsse  der  Aussenwelt,  besonders  die 
Ernährung  bedingen  die  Ausbildung  besonderer  Merkmale  und  Organe 
der  Zellen,  ihre  Differenzierung.  Dabei  erkennt  Hertwig  an,  dass  auch 
nach  seinem  Standpunkte  die  Anlagesubstanz  jeder  Organismenart  eine 
spezifische  hohe  Organisation  besitzen  muss,  um  in  der  „ilirer  Art  ent- 
sprechenden Weise  auf  die  sie  betreffenden  äussern  und  innem  Reize  re- 
agieren zu  können*'. 

Wenn  wir  nunmehr  zur  Analyse  dieser  Anschauungen  übergehen,  so 
sehen  wir,  dass  beide  Autoren  keine  extremen  Parteistellungen  einnehmen, 
0.  Hertwig  ist  so  wenig  eigentUcher  Epigenetiker  wie  W.  Roux  starrer 
Evolutionist  ist. 

Eine  eigentliche  evolutionistische  Anschauung,  wie  sie  im  vorigen 
Jahrhundert  galt,  ist  nach  Erkenntnis  der  cellularen  Zusammensetzung 
des  Organismus  undenkbar  geworden.  Dass  das  Ei  ein  wirkliches  Abbild 
des  Organismus  enthalte,  wäre  eine  sehr  überflüssige  Spekulation,  seitdem 
wir  wissen,  dass  nicht  die  einzelnen  Teile  des  Eies  zu  den  Organen  des 
Individuums  auswachsen,  sondern  sich  durch  Elemente,  die  im  ganzen 
dem  Ei  ähnUch  sind,  synthetisch  aufbauen.  Andererseits  könnte,  seitdem 
war  in  die  feine  Organisation  der  Zelle  und  besonders  der  Keimzelle  immer 
weiter  eindringen,  auch  kein  Epigenetiker  die  Vorstellung  aufrecht  erhalten, 
dass  die  Eizelle  gewissermassen  nur  das  Urchaos  von  Substanzen  und 
Kräften  enthält,  aus  dem  die  Entwickelung  erst  den  Organismus  erachafft. 
So  sehen  wir  deim  auch,  dass  Hertwig  wie  Roux  dieselbe  Anschauung 
über  die  Eizelle  haben,  der  auch  andere  gern  zustimmen  werden,  dass  die 
Eigenschaften  des  Organismus  in  nuce  auch  der  befruchteten  Eizelle  ganz 
spezifisch  zukommen  müssen,  und  an  spezifisch  gebaute  Formelemente 
geknüpft  sind.  Wir  werden  auch  —  abgesehen  von  der  Frage,  ob  diese 
Formelemente  Bionten  oder  Elementarorgane  sind  —  darin  mit  beiden 
Autoren  übereinstimmen,  dass  die  Elementareigenschaften  in  der  spezifi- 
schen, d.  h.  der  Art  zukömmlichen  Fähigkeit  der  Differenzierung,  der  Yer- 
mehrung,  der  Asshnilation  und  der  Bewegung  bestehen  müssen.  Eine 
rein  spekulative  Differenz,  die  erst  in  Zusammenhang  mit  den  weiteren 
Schlussfolgerungen  der  Autoren  Bedeutung  gewinnt.  Hegt  aber  schon  da- 
rin, dass  0.  Hertwig  den  Elementarteilen  der  Zelle  alle  Elementareigen- 


Allgemeine  Folgerungen  d.  entwickelungsmech.  Experimente.  555 

Schäften  zuschreibt,  während  Roux  bereits  in  der  Eizelle  jede  dieser  Eigen- 
schaften einer  bestimmten  Gruppe  von  Bionten  überträgt. 

Die  erste  wesentliche  Verschiedenheit  der  beiderseitigen  Anschauungen 
liegt  darin,  dass  Roux  die  Fortentwickelung  der  Eizelle  durch  Selbst- 
thätigkeit,  0.  Hertwig  durch  die  Einwirkung  der  Aussen  weit  vor  sich 
gehen  lässt. 

Wir  müssen  hierzu  nun  zuerst  kommentieren,  dass  Roux  in  einer 
seiner  neueren  Ausführungen  (Über  Mosaikarbeit  und  neuere  Entwicke- 
lungshypothesen,  Anat.  Hefte  1893,  S.  282)  den  von  ihm  angenommenen 
Begriff  der  „Selbstthätigkeit"  ausdrücklich  seiner  metaphysischen  Ver- 
dächtigkeit entkleidet. 

Die  Selbstthätigkeit  der  Entwickelung  soll  weder  in  sich  selbst  ver- 
ursacht noch  den  Einwirkungen  der  Aussenwelt  entzogen  sein.  Sie  beruht 
ihrem  Wesen  nach  in  Wechselwirkungen,  in  gegenseitigen  Beeinflussungen 
im  Innern  des  Organismus.  Es  geht  aus  Roux'  früheren  Arbeiten  zur 
Genüge  hervor,  dass  er  hierbei  nicht  nur  die  im  Innern  einer  einzelnen 
Zelle  statthabenden  Wechselwirkungen,  sondern  auch  den  der  Zellen 
untereinander,  der  korrelativen  Wirkungen,  hinreichend  würdigt.  Hertwig 
dagegen  legt  besonderes  Gewicht  auf  die  Einwirkungen  der  Aussenwelt 
und  auf  die  korrelativen  Wirkungen  im  Gegensatz  zu  den  intracellularen 
Vorgängen.  Soweit  ich  ihn  verstehe,  betrachtet  er  die  Zelle  nur  als  ein 
gegebenes,  allerdings  spezifisch  organisiertes  Material ,  auf  welches  Aussen- 
welt und  korrelative  Wirkungen  formend,  bewegend,  nährend  und  teilend 
einwirken. 

A.  Selbstthätigkeit  der  Entwickelung  oder  Einwirkung  von 
Korrelation  und  Aussenwelt? 

Wenn  wir  nunmehr  die  Bedeutung  der  beiden  Faktoren  prüfen,  die 
von  Hertwig  der  Selbstthätigkeit  der  Entwickelung  gegenübergestellt 
werden,  so  mochte  ich  zuerst  die  „Korrelationen**  als  gegensätzlichen  Be- 
weis ausschalten.  Als  Korrelationen  bezeichnen  wir  Wechselbeziehungen 
zwischen  Teilen  desselben  Organismus,  also  in  lelzter  Linie  von  Zellen  zu 
Zellen  desselben  Organismus.  Gesetzt  den  Fall,  dass  diese  Zellen,  ent- 
sprechend der  Auffassung  Roux'  durch  selbstthätige  Entwickelung  aus  dem 
Ei  hervorgegangen  sind,  so  müssen  auch  ihre  Wechselbeziehungen  in  den 
Kreis  der  selbstthätigen  Entwickelungsvorgänge  gerechnet  werden.  Es 
würde  zu  weit  führen,  diese  These  an  einzelnen  Beispielen  zu  erläutern. 
Eins  möge  für  viele  genügen.  Es  erscheint  sehr  verführerisch,  ein  Haupt- 
agens für  ;die  bilateral  symmetrische  Ausbildung  der  beiden  Furchungs- 
kugeb  gerade   in  ihrer  Nachbarschaft  zu   erblicken,  in  dem  Druck,  den 


556  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

die  eine  auf  die  andere  ausübt.  Wir  müssen  aber  bedenken,  dass  zwei 
aus  einer  Teilung  hervorgehende  Protozoenzellen  sich  von  einander  ab- 
schnüren und  jede  die  Form  der  Mutterzelle  annimmt;  wo  sie  etwa  sym- 
metrische Stellungen  annehmen,  wie  beim  Gonococcus,  bei  der  Sarcine 
erkennen  wir  darin  eine  selbstthätige ,  der  Art  zukömmliche  Eigenschaft. 
Diese  Symmetrie  der  Furch ungszellen  ist  auch  keine  Anpassung  an  die 
Raumverhältnisse  innerhalb  einer  engen  Hülle,  denn  sie  kommt  den  hüllen- 
losen Zellen  des  Vogeleies  so  gut  zu  wie  den  von  enger  Hülle  umschlossenen 
Säugetiereiern.  Diese  erste  Korrelation  resultiert  aus  einer,  den  Furchungs- 
Zellen  als  Metazoenzellen  erbmässig  zukommenden  Eigenschaft  und  muss 
somit  selbst  als  selbstthätiger  Entwickelungsvorgang  aufgefasst  werden. 
Nicht  anders  haben  wir  die  wichtigen,  mechanischen  Wechselbeziehungen  zu 
verstehen,  die  bei  der  Massenzunahme  der  Embryonalanlage  ihre  gestaltende 
Wirkung  äussern,  wie  durch  His*  schöne  Untersuchungen  in  so  ausgiebiger 
Weise  erwiesen  worden  ist.  Es  ist  danach  einleuchtend,  dass  die  Knickung  des 
Medullarrohres  an  der  Rautengrube  kein  selbstthätiger  Vorgang,  sondern 
das  mechanische  Resultat  aus  dem  Wachstum  und  der  geringsten  Dicken- 
ausdehnung jener  Stelle  ist.  Aber  das  Wachstum  und  die  Dickenverhält- 
nisse sind  doch  selber  wieder  nur  als  selbstthätige  Entwickelungen  erkenn- 
bar. Das  gleiche  gilt  aber  auch  von  den  geheimnisvollen  Wechselbezieh- 
ungen zwischen  den  verschiedensten  Teilen  des  Organismus,  die  Hanse- 
mann als  altruistische  Korrelationen  bezeichnet  hat  und  die  durch  Er- 
fahrung und  Experiment  ebenso  sichergestellt,  wie  in  ihrem  Geschehen 
unserem  Verständnis  entrückt  sind.  Sie  dokumentieren  sich  in  einer  Art 
der  Abhängigkeit  eine  Organentwickelung  in  einer  andern,  die  nicht  in 
den  Rahmen  eines  mechanischen  Einflusses  zu  bringen  ist.  Derartige 
Verhältnisse  bestehen  zwischen  Nervenzellen  und  Muskelzellen  und  beson- 
ders die  Geschlechtsentwickelung  bietet  lehrreiche  Beispiele.  Das  Sprossen 
des  Bartes,  die  sagittale  Vergrösserung  des  Kehlkopfes  beim  Menschen, 
zahlreiche  Schmuck-  und  Verteidigungsorgane  bei  den  Tieren  treten  mit 
der  Pubertätsent Wickelung  der  männlichen  Geschlechtsdrüsen  auf,  sie 
unterbleiben,  wenn  diese  durch  abnorme  Entwickelung  oder  durch  Kastra- 
tion in  ihrer  Funktion  verhindert  sind.  Selbst  die  Differenzierung  der 
männlichen  Genitalien  ist,  wie  ich  andern  Orts  auseinandergesetzt  habe, 
wahrscheinlich  in  der  gleichen  Abhängigkeit  von  der  Umwandlung  der 
indifferenten,  dem  weiblichen  Typus  nahestehenden  Geschlechtsdrüsenan- 
lage zum  Hoden.  Ich  stelle  mir  vor,  dass,  wenn  eine  rechtzeitige  Ka- 
stration eines  männlichen  Fötus  ausführbar  wäre,  der  Verschluss  des 
Sinus  urogenitaUs ,  die  Auswachsung  des  Penis  ausbliebe  und  vermute, 
dass  die  Hypospadie  und  die  Pseudothelie  (wie  ich  den  sogen,  Pseudo- 
hermaphroditismus  masculinus  Ueber  bezeichnen  möchte)  Folgen  einer  ver- 


Allgemeine  Folgerungen  d.  entwickelungsmech.  Experimente.  557 

späteten  Entwickelung  des  Hodens  darstellen  könnten.  Alles  das  würde 
allerdings  darauf  deuten,  dass  die  Entwickelungen  der  äusseren  männ- 
lichen Geschlechtsmerkmale  keine  selbstthätigen  Entwickelungen  sind,  aber 
es  verhindert  nicht,  dass  wir  das  Vorhandensein  jener  altruistischen  Korre- 
lation als  ein  selbstthätiges  Differenzierungsmittel  des  Organismus  betrachten. 

Ich  möchte  hier  ferner  auf  eine  Gruppe  von  Korrelationen  hinweisen, 
die  allerdings  von  Roux  wie  von  Hertwig  weniger  berücksichtigt  sind, 
aber  doch  wohl  zu  den  anerkannten  Formen  gehören,  und  die  man  viel- 
leicht antagonistische  Korrelationen  bezeichnen  könnte.  Sie  haben  dadurch 
einen  etwas  verständlicheren  Charakter,  als  sie  vielfach  auch  als  kompensa- 
torische Entwickelungen  gedeutet  werden  können.  Ich  meine  die  Vorgänge, 
wo  bei  der  Entwickelung  eines  Organes  ein  anderes,  nicht  in  direkte^m 
Funktionszusammenhange  stehendes  atrophiert,  bei  Atrophie  eines  Organs 
ein  anderes  excessive  Entwickelung  eingeht.  Gerade  die  Geschlechtsent- 
wickelung bietet  auch  hierfür  frappante  Beispiele.  Bei  den  Säugern  bildet 
sich  bei  der  männHchen  Differenzierung  die  Brustdrüse  zurück,  obgleich 
sie  in  ähnlicher  Weise  angelegt  wird  wie  beim  Weibe.  Man  kann  hier 
keine  Atrophie  durch  Unthatigkeit  annehmen,  denn  man  braucht  nicht 
vorauszusetzen,  dass  sich  von  vornherein  die  Säugetiermännchen  aus 
Interesselosigkeit  für  ihre  Nachkommen  oder  aus  Zeitmangel  geweigert 
haben  sollten,  sich  bei  dem  Säugegeschäft  zu  beteiligen.  Die  interessante- 
sten Beispiele  geben  hier  die  staatenbildenden  Insekten,  indem  hier  bei 
den  Geschlechtstieren  Arbeits-'  und  Verteidigungsorgane  verkümmern, 
Arbeiter  und  Soldaten  dagegen  die  Geschlechtsorgane  verlieren.  Wir  haben 
auf  dieses  Beispiel  gleich  zurückzukommen.  Es  ist  unzweifelhaft,  dass 
auch  diese  Vorgänge  durch  Selbstthätigkeit  des  Orgaaismus  reguliert  werden 
müssen,  gleichviel  ob  hier  Cirkulationsbedingungen  oder  nervöse  Einflüsse 
oder  die  von  Nägeli  betonte  „feine  Fühlung  der  Elemente  unter  ein- 
ander" vermitteln. 

Aber  auch  die  interessanten,  von  Hertwig  zusammengetragenen 
Beispiele  von  Einflüssen  der  Aussenwelt,  die  allerdings  gegen  die  Selbst- 
thätigkeit der  organischen  Differenzierung  sprechen  würden,  bedürfen  einer 
sorgfältigen  Analyse.  Dass  die  Aussenwelt  sowohl  durch  direkte  Eingriffe 
wie  durch  ungeeignete  Ernährung,  Atmung,  Feuchtigkeit  ti.  s.  w.  hemmend 
und  zerstörend  auf  Teile  der  Organismen  einwirken  kann,  ist  keine  Frage. 
Nach  solchen  Eingriffen  können  durch  altruistische  Korrelation  Rück- 
bildungen anderer  Teile  oder  Vorgänge  angeregt  werden,  die  teils  als 
Regenerationen,  teils  als  Kompensationen,  also  als  antagonistische  Korre- 
lationen immer  selbstthätige  Entwickelungen  des  Organismus  darstellen. 

Können  aber  durch  Einwirkungen  der  Aussenwelt  auch  direkte 
Entwickelungen  des  Organismus  hervorgerufen  werden,  wie  es  Hertwig, 


558  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Emmery,  Herbert  Spencer  behaupten?  Wenn  in  der That  die  Aussen- 
welt  durch  Sauerstoff,  Feuchtigkeit,  Nahrungsstoffe,  Wärme  und  Licht 
foimeud,  vergrössernd,  bewegend,  ja  selbst  nur  erhaltend  auf  die  Organis- 
men einwirkt,  ist  der  Begriff  der  Selbstthätigkeit  widerlegt.  Ich  übergelie 
hier  die  zahlreichen  Erfahrungen  aus  der  Pflanzen physiologie,  die  von 
O.  Hertwig  in  diesem  Sinne  citiert  werden.  Mir  scheint,  dajss  sie  sich 
auch  in  einfacher  Weise  dahin  erklären,  dass  das  physiologische  oder  horti- 
kultorische  Experiment  hier  von  bekannten,  der  betreffenden  Art  inne- 
wohnenden Eigenschaften  Gebrauch  macht,  um  spezifische  Reaktionen 
gegen  den  Eingriff  hervorzurufen.  Die  Pflanze  ist  hier  nicht  das  Material 
welches  die  Aussenwelt  bearbeitet,  sondern  die  Aussen  weit  giebt  die  Be- 
dingungen, die  die  Pflanze  in  der  ihr  spezifischen  Art  benutzt  oder  bekämpft. 

Die  grösste  Verführung  für  einen  Trugschluss  bietet  in  diesem  Kapitel 
die  Beurteilung  des  Einflusses  der  Ernährung.  Selbstverständlich  ist  hier 
nicht  die  Rede  von  der  internen  Ernährung  des  Organismus,  die  zweifellos 
einen  der  wichtigsten  Entwickelungsfaktoren  bildet,  aber  ebenso  zweifellos 
eine  Selbstthätigkeit  des  Organismus  manifestiert.  Es  handelt  sich  viel- 
mehr hier  um  die  äussere  Nahrungszufuhr.  Es  erscheint  auf  den  ersten 
BHck  selbstverständlich,  dass  man  durch  vermelirte  Nahrungszufuhr  ebenso 
die  Entwickelung  des  Organismus  fördern  kann,  wie  man  sie  sicher  durch 
Nahruugsentziehung  schädigt.  Man  hat  aber  hier  zu  beachten,  dass  diese 
Entwickelungsförderung  nur  so  weit  möglich  ist,  als  die  spezifische  Organi- 
sation die  selbstthätige  Nahrungsaufnahme  ermöglicht,  und  die  Entwicke- 
lung auch  bei  reichlichster  Nahrungszufuhr  durch  die  der  Art  oder  Varietät 
zukömmlichen  Grenzen  beschränkt  ist.  Die  reichlichste  Nahrung  ver- 
wandelt keinen  Mops  in  eine  Dogge  und  keinen  Poni  in  einen  Percheron 
und  das  Resultat  der  Mästung  ist  vom  Standpunkte  des  Anatomen  und 
Physiologen  im  Gegensatz  zu  dem  des  Thierzüchters  keine  Entwickelung, 
sondern  eine  Degeneration. 

Die  obengenannten  Forscher  glauben  nun  den  striktesten  Beweis  für 
den  gestaltenden  Einfluss  der  Nahrungszufuhr  in  der  individuellen  Züchtung, 
die  die  staatenbildenden  Insekten  besonders  Bienen  und  Ameisen  treiben, 
gefunden  zu  haben.  Diese  Wesen  produzieren  durch  zielmässige  Ernährung 
die  teilweise  äusserst  abweichenden,  gewissen  Funktionen  angepassten 
Individuen.  Aber  ich  glaube,  dass  diese  Beweisführung  nicht  einwandfrei 
ist.  Zuerst  ist  unzweifelhaft,  dass  diese  Züchtung  nicht  beliebige  Fonneu, 
sondern  nur  einen  ganz  bestimmten,  der  Art  eigentümlichen  Formenkreis 
produzieren  kann,  also  Formen,  die  sehr  wohl  selbst  im  Sinne  Weis- 
manns im  Keimplasma  determiniert  sein  können.  Dieselben  besitzen 
doch  immer  den  Bauplan  der  Art,  nur  dass  einige  Organe  atrophiert, 
andere  ungewöhnlich  entwickelt  sind. 


Allgemeine  Folgerangen  d.  entwickelungsmech.  Experimente.  559 

Der  zweite  Einwand  wäre,  dass  keineswegs  zur  Zeit  festgestellt  ist, 
ob  wirklieh  diese  Züchtungen  an  jedem  Individuum  nach  Belieben  oder 
Bedürfnis  vorgenommen  werden  können.  Sehr  wohl  könnten  die  Tiere 
schon  an  bestimmten  uns  unsichtbaren  Merkmalen  unter  den  Larven  die 
für  die  einzelnen  Züchtungen  geeigneten  Individuen  heraus  erkennen. 
Besonders  fragt  es  sich  aber,  ob  den  Tieren  dann  ihre  Zucht  in  jedem 
Falle  wunschgemäss  gelingt,  ob  sie  sich  nicht  oft  irren  und  eine  Larve 
mit  Arbeiternahrung  füttern,  die  dabei  zu  Grunde  geht,  weil  sie  nur 
Königinnennahrung  verträgt,  oder  die  nicht  „einschlägt*',  sondern  nur  un- 
vollkommen die  gewünschten  Umwandlungen  durchmacht.  Das  Vorkommen 
von  zahlreichen  Zwischenformen  zwischen  den  einzelnen  Kasten  wird  von 
Emmeriy,  Spencer,  Hertwig  ausdrückUch  zugegeben,  es  wird  aber 
ohne  einschlägiges  Beweismaterial  auf  Ungleichheiten  der  Fütterung  zu- 
rückgeführt. Solange  hier  keine  positiven  Beobachtungen  vorliegen,  ist 
aber  die  Deutung  zulässig  und  sogar  wahrscheinlich,  dass  abgesehen  von 
(ien  willkürlich  regulierbaren  Ernälirungsunterschieden  auch  bei  gleichen 
Emährungsbedingungen  die  Individuen  durch  verschiedene  Entwickelungen 
reagieren.  In  diesem  Falle  wäre  bewiesen,  dass  auch  hier  die  Nahrungszufuhr 
nicht  eigentlich  die  Entwickelung  des  Organismus  bestimmt,  sondern  nur 
die  Bedingungen  bietet,  von  denen  der  Organismus  selbstthätig  für  seine 
Entwickelung  Gebrauch  macht. 

Wahrscheinlich  hegt  der  Vorgang  aber  noch  viel  einfacher.  Wir 
dürfen  annehmen,  dass  bei  einer  gewissen  Normalnahrung  das  Geschlechts- 
tier dieser  Arten  selbstthätig  zur  Entwickelung  kommt,  so  bei  den  Bienen 
aus  den  unbefruchteten  Eiern  das  Männchen ,  aus  den  befruchteten  das 
das  Weibchen.  Das  Züchtungsexperiment  der  Bienen  besteht  alsdann 
nur  darin,  dass  sie  durch  Nahrungsentziehung  die  weibliche  Geschlechts- 
entwickelung hemmen,  durch  antagonistische  Korrelationen  werden  die 
übrigen  Merkmale  der  Arbeiterinnen  vom  Organismus  alsdann  selbstthätig 
entwickelt  Ähnlich  werden  die  Verhältnisse  bei  den  Termiten  liegen.  Es 
ist  hier  zu  bemerken,  dass  vielleicht  nicht  nur  Nahrungsmangel,  sondern 
auch  Nahrungsüberfluss,  Mästung,  auf  die  Geschlechtsentwickelung  hemmend 
wken  kann,  wie  namentUch  Erfahrungen  bei  Pflanzen  lehren.  Wir  hätten 
alsdann  zwei  Wege,  die  Bildung  besonders  differenzierter  Kasten  durch 
Entwickelungshemmungen  der  Geschlechtsorgane  zu  erklären,  ohne  auf 
direkte  Beeinflussung  der  Entwickelung  durch  die  Aussen  weit  zurückgreifen 
zu  müssen. 

Es  würde  zuweit  führen,  an  dieser  Stelle  den  Nachweis  zu  führen, 
dass  auch  für  die  histologische  Entwickelung  und  Differenzierung  dasselbe 
gilt,  wie  für  die  Organentwickelung.  Alle  hier  oft  sehr  verführerischen 
Thatsachen  fügen  sich  bei  sorgfältiger  Analyse  der  Deutung,  dass  der  Ein- 


560  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

fluss  der  Aussenwelt  der  selbstthätigen  Entwickelung  der  Elemente  zu- 
sagende oder  feindliche  Bedingungen  bieten  kann;  dass  aber  bisher  keine 
Einwirkung  der  Aussenwelt  bekannt  ist,  die  direkt  den  Entwickelungsgang 
der  Elemente  progressiv  zu  beeinflussen  vermag.  Wir  müssen  uns  klar  machen, 
dass  die  von  der  Aussenwelt  stammenden  Reize,  wie  Wärme,  Ernährung, 
Arbeitsaufgaben  teilweise  der  Leistungsfähigkeit  des  Organismus  adäquat 
sind  und  alsdann  die  normalen  Funktionen  auslösen ;  dann  kann  allerding? 
die  Kumulation  der  Reize  eine  Entwickelungsförderung  bedingen,  abt-r 
nicht  direkt,  sondern  eben  durch  die  Häufigkeit  der  Funktion.  Der  Reiz 
wird  alsdann,  wie  dies  Roux  in  einer  früheren  Arbeit  bezeichnete,  ein 
Reiz  der  Funktion,  also  eine  interne  Angelegenheit  des  Organismus.  Oder 
aber  diese  Reize  sind  qualitativ  oder  quantitativ  der  Leistungsfähigkeit 
nicht  angepasst,  gleichviel  ob  durch  ein  Zuviel  oder  Zuwenig.  Dann  be- 
wirken sie  Schädigungen  des  Organismus,  die  ihrerseits  durch  antagoni 
stische  Korrelation  interne  Reaktionen  erzeugen.  Hierher  gehört  in  erster 
Linie  die  sogenannte  „histologische  Accommodation",  soweit  sie  wirklicli 
von  der  Aussenwelt  beeinflusst  wird,  und  nicht,  wie  weiter  unten  noch  zu 
besprechen  ist,  als  Anpassung  an  die  „Funktion  des  Orts"  ebenfalls  ein  rein 
selbstthätiger  Entwickelungsvorgang  ist.  Wenn  eine  Schleimhaut,  die  bis 
dahin  Cylinderepithel  oder  Übergangsepithel  besass,  nach  Verlagerung  an 
die  Körperoberfläche  mit  Pflasterepithel  bedeckt  wird,  so  hat  nicht  die  Atmo- 
sphäre jene  Zellen  in  Plattenzellen  verwandelt,  sondern  nach  Zerstörung 
jener  Zellen  durch  die  Luft  hat  die  Keimscliicht  des  Epithels  die  Fähig- 
keit erlangt,  die  der  Schädigung  widerstehenden  Pflasterzellen  zu  pro- 
duzieren. 

Ob  pathologische  Reize,  z.  B.  Mikroorganismen,  im  stände  sind, 
direkte  Entwickelungen  hervorzurufen,  ist  eine  Frage,  die  man  auf  den 
ersten  Blick  bejahen  möchte,  bis  man  sich  die  Bedenken  klar  gemacht 
hat.  Baum  garten  bildet  Tuberkelbacillen  in  mitotisch  sich  teilenden 
Zellen  ab.  Ich  habe  dies  Verhalten  in  meinen  Präparaten  nicht  gefunden, 
aber  bezweifele  nicht  die  Möglichkeit.  Dieses  Verhalten  würde  aber  in 
erster  Linie  nur  beweisen,  dass  der  Tuberkelbacillus  von  so  geringer  oder 
langsamer  lokaler  Wirkung  ist,  dass  er  vorerst  das  Auftreten  von  Mitosen 
nicht  hindert.  Die  Regel  ist  jedenfalls,  dass  die  Mitosen  nicht  in  den 
von  Mikroben  befallenen  Zellen,  sondern  in  deren  Nachbarschaft  auftreten. 
Das  gleiche  Verhalten  gilt  von  den  so  produktiven  Wuchenmgen,  die  das 
best  bekannte  Protozoon  Coccidium  oviforme  erzeugt.  Die  Frage  ist  aber 
allerdings  nicht  spruchreif,  ehe  nicht  Art,  Lebensweise  und  Aufenthaltsort 
der  Krankheitserreger  der  Syphilis,  der  Leukämie  bekannt,  und  die  Ätio- 
logie der  malignen  Geschwülste  weiter  geklärt  ist.  Indes  ist  die  Möglich- 
keit selbst  im  letzten  Falle  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  dass  die  Noxe 


Allgemeine  Folgerangen  d.  entwickelangsmech.  Experimente.  561 

üicht  eigentlicli  die  wuchernden  Elemente  betrifft,  sondern  die  Wucherung 
reaktiv  oder  kompensatorisch  auf  Schädigmig  anderer  Elemente   erfolgt. 

Während  wir  also  ablehnen  können,  dass  empirische  Beobachtung  oder 
Experiment  bisher  Thatsachen  für  eine  direkte  progressive  Beeinflussung 
Jer  Entwickelung  durch  äussere  Reize  beibringen,  glauben  wir  mit  Roux 
gerade  in  der  empirischen  und  experimentellen  Pathologie  und  Teratologie 
die  schlagendsten  positiven  Beweise  für  die  selbstthätige  Entwickelung  des 
Organismus  zu  erkennen,  besonders,  wenn  wir  nicht  nur  direktes  Wachs- 
tum, sondern  auch  korrelative  Entwickelungen  als  Selbstthätigkeit  regi- 
strieren können.  In  erster  Linie  betrachten  wir  die  Resultate  der  entwicke- 
luugsmechanischen  Experimente  sowohl  derjenigen  Roux',  wie  auch  der- 
jenigen Hertwigs,  die  sich  auf  die  Asyntaxia  beziehen,  als  beweiskräftig. 
Die  Ausbildung  der  Urmundsränder  zu  MeduUarwülsten ,  auch  wenn  sie 
durch  die  Asyntaxia  dem  Einfluss  der  Gegenseite  entzogen  sind,  kann 
doch  nur  so  verstanden  werden,  dass  trotz  der  äusseren  Schädigungen  die 
selbstthätige  Entwickelung  der  Nervensystemanlage  weiter  funktioniert. 
Das  Ausbleiben  von  Organentwickelungen  an  Stellen,  wo  Keimmaterial, 
sei  es  durch  direkte  Eingriffe,  sei  es  durch  Amnionverwachsungen ,  zerstört 
ist,  kann  nur  so  gedeutet  werden,  dass  dieses  Material  die  Entwickelungs- 
faktoren  jener  Organe  enthielt. 

Ähnliche  Beispiele  bietet  die  Pathologie.  Die  Verhornung  der  Epi- 
dermiszellen  erfolgt  in  Kankroidsträngen  und  selbst  in  Metastasen,  wo  von 
einer  histologischen  Accommodation  an  ihre  Inanspruchnahme  zur  Ober- 
flächenbedeckung keine  Rede  mehr  sein  kann.  Ebenso  ordnen  sich  die 
Zellen  von  Drüsencarcinomen  noch  mitten  in  Krebsalveolen  um  Lumina; 
die  Zellen  der  Rektumcarcinome  sondern  Schleim  ab  und  dergl.  Diese 
Beispiele,  die  zu  anderen  Beweisführungen  öfters  citiert  werden,  sind  nicht 
anders  zu  deuten,  als  dass  jenen  Zellen  auch  imabhängig  von  der  An- 
passung an  die  „Funktion  des  Orts'*  die  Entwickelungsrichtung  erbmässig 
innewohnt.  Noch  anschaulichere  Beispiele  geben  die  Teratome  und  Der- 
moide innerer  Organe,  wo  äussere  Haut  gebildet  wird,  die  nie  eine  Ober- 
fläche bedecken  soll,  und  doch  alle  dieser  Funktion  zugehörige  Organe, 
Haare,  Talgdrüsen  besitzt;  wo  Zähne  entstehen,  die  nie  kauen  können, 
und  doch  in  ihren  Formen  mit  den  normalen  fast  identisch  sind.  Gleich- 
viel ob  sie  durch  Keimversprengung  oder  durch  rudimentäre  Doppelbil- 
dungen dorthin  gebracht  sind,  machen  die  Anlagen  unter  den  abnormsten 
Bedingungen  selbstthätig  den  ererbten  Entwickelungsgang  durch.  Gerade 
<üese  Beispiele  geben  auch  die  Anknüpfung  dieser  Betrachtungen  über  die 
selbstthätige  Entwickelung  an  das  Gebiet  der  Teratologie  und  zeigen  die 
Bedeutung  derselben  für  das  Verständnis  der  uns  hier  interessierenden 
Vorgänge. 

Labarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  36 


562  AUgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Pathologie. 

Ich  fasse  das  Ergebnis  dieses  Abschnittes  dahin  zusammen,  dass  ich 
nach  den  bisher  vorliegenden  Beobachtungen  der  Aussen- 
weit  entweder  eine  den  Bedürfnissen  des  Organismus  ent 
sprechende  oder  eine  denselben  feindliche  Beschaffenheit  zu- 
schreiben kann.  Den  Beweis  für  eine  direkte  Entwickelungs- 
anregung  durch  den  Einfluss  der  Aussenwelt  halte  ich  bisher 
nicht  für  erbracht.  Aus  diesem  Grunde  führe  ich  im  An- 
schluss  an  Roux  die  gesamte  progressive  Entwickelung  des 
Organismus  auf  Selbstthätigkeit  zurück. 

B.  Auf  welchem  Wege  erfolgt  die  Differenzierung  der  Gewebt? 

Die  zweite,  zwischen  Hertwig  und  Roux  diskutierte  Frage  berührt 
die  ältesten  Streitpunkte  der  Cellularpathologie  in  besonders  naher  Weist, 
und  verdient  darum  in  diesem  Werke  eine  ausführliehe  Behandlung.  Kanij 
aus  den  empirischen  und  experimentellen  Beobachtungen  geschlossen 
werden,  dass  eine  grundlegende  V'erschiedenheit  der  Körperelemente  bereit 
bei  der  Teilung  der  Furchungskugeln  angelegt  wird,  und  schreitet  diese 
Verschiedenheit  in  der  Weise  fort,  dass  bei  jedem  Teilungsakt  die  zu  ver- 
erbenden Eigenschaften  ungleichmässig  auf  die  Tochterzellen  übertragen 
werden  (Roux).  Oder  ererben  die  Tochterzellen  stets  die  vollen  Qualitäten 
der  Mutterzelle,  also  in  letzter  Instanz  der  Eizelle,  sodass  die  Ausbildung 
ihrer  spezifischen  Merkmale  aus  individuellen  Umformungen  ihrer  Elementar- 
teile  hervorgeht  (Hertwig)?  Bezüglich  beider  Auffassungen  sind  gewichtige 
Beobachtungen  und  Gründe  für  und  wider  ins  Feld  geführt  worden.  Die- 
jenige Roux'  hat  sich  durch  ihn  selbst  eine  bedeutende  Einschränkung 
gefallen  lassen  müssen.  Es  ist  richtig,  dass  sich  die  ungleichen  Differen- 
zierungen der  Zellen  am  besten  durch  eine  bei  ihrer  Entstehung  angelegte 
Verschiedenheit  erklären  würden.  Damit  wäre  aber  die  Thatsache  unver- 
einbar, dass  bei  Zerstörungen  der  eigentlich  für  eine  Entwickelung  be- 
stimmten Zellen  andere  für  sie  eintreten,  die  statt  jener  die  typische  Ent- 
wickelung durchmachen,  oder  selbst  nur,  dass  ein  Substanzverlust  durch  Nach- 
barzellen geschlossen  würde,  kurzum  die  Phänomene  der  Postgeneration,  vde 
Roux  ersteren  Vorgang  benannt  hat,  imd  der  Regeneration.  Zur  Erklä- 
rung diese  Vorgänge  nehmen  Roux,  Weismann  und  Hansemann 
noch  die  Existenz  sogenannter  Nebenplasmen  an,  die  jene  Vorgänge  ein- 
leiten. Roux  nennt  diesen  Faktor  den  Idioplasson  der  indirekten  Ent- 
wickelung und  schreibt  ihm  erbgleiche  Teilung  zu,  während  er  dem  Idio- 
plasson der  direkten  Entwickelimg  die  erbungleiche  Teilimg  belässt.  Da 
nun  aber  auch  die  Re-  und  Postgenerationskraft  der  Zellen  in  den  späteren 
Abkömmlingen  der  Eizelle  allmählich  abnimmt,  müsste  auch  der  Idioplasson 


Allgemeine  FoIgerungeD  d.  entwickelangsmech.  Experimente.  5g3 

der  indirekten  Entwickelung  sich  zeitweise  erbungleich  teilen.  In  der  That 
hat  namentlich  Hansemann  diese  Idee  weiter  ausgeführt  und  ist  zu  der 
Anschauung  gelangt,  dass  stufenweise  eine  solche  erbungleicho  Teilung 
erfolgt  und  die  totipotente  ßegenerationskraft  der  Elemente  mit  der  Zahl 
der  Generationen,  die  sie  von  der  Eizelle  entfernt  sind,  abnimmt. 

Diese  Verwickelung  der  Vorstellungen  vermeidet  O.  Hertwig,  indem 
er  die  erbgleiche  Teilung  als  gesetzmässig  betrachtet.  Wenn  jede  Körper- 
zelle das  ganze  Idioplasma  der  Eizelle  enthält,  so  macht  allerdings  die 
Erklärung  der  Regenerations-  und  Postgenerationskraft  der  Zellen  keine 
Schwierigkeit.  Es  wird  selbstverständlich,  dass  bei  Pflanzen  und  niedern 
Tieren  beliebige  Teile  das  Ganze  ersetzen  können.  Es  ist  aber  nicht  zu 
leugnen,  dass  die  Theorie  Hertwigs  wieder  einer  andern  Erscheinungs- 
gruppe nicht  völlig  gerecht  wird,  die  gerade  bei  den  höheren  Tieren,  speziell 
den  Säugetieren  und  in  der  Pathologie  dieser  eine  hervorragende  Rolle 
spielt,  der  Spezifizität  der  Gewebe.  Trotz  der  nahen  Verwandtschaft, 
die  ja  selbstverständlich  den  Körperzellen  jedes  Individuums  von  ihrer 
Stammmutter,  der  Eizelle,  her  innewohnt,  sehen  wir  dieselben  bekanntlich 
mit  erstaunlicher  Zähigkeit  die  im  Laufe  der  Entwickelung  erworbenen,  den 
einzelnen  Körpergeweben  zukömmlichen  Merkmale  festhalten.  Das  äus- 
sert sich  in  erster  Linie  darin,  dass  unter  normalen  Verhältnissen  die  Keime 
jeder  Gewebsart  verhältnismässig  früh  erkennbar  werden,  und  alsdann 
einen  fest  normierten  Entwickelungsgang  darin  innehalten,  dass  sie  nur 
Zellen  bestimmter  Art  erzeugen.  Wir  sehen,  wie  es  besonders  durch  Bar- 
furt hs  umfangreiche  und  sorgfältige  Untersuchungen  festgestellt  ist,  dass 
bei  der  Regeneration  der  Gewebe  diese  scharfe  Sonderung  ebenfalls  streng 
aufrecht  erhalten  wird.  Bei  der  Entzündung,  bei  der  lange  die  spezifische 
Teilnahme  der  Gewebszellen  in  Frage  gestellt  wurde,  sind  allmählich  alle 
Widersprüche  verstummt.  Die  interessanten  Beobachtungen  Hanse  man ns 
über  die  Sondermerkmale  der  Kernteilungsfiguren  der  einzelnen  Gewebs- 
arten,  auf  die  wir  noch  zurückkommen,  sprechen  in  dem  gleichen  Sinne, 
dass  sich  die  Gewebszellen  in  grundlegender  Weise  von  dem  Typus  der 
andern  und  dem  der  Eizelle  entfernt  haben.  Es  entsteht  dann  also  die 
Frage,  ob  diese  Beobachtungen  mit  Hertwigs  Theorie  vereinbar  sind;  an 
welcher  Stelle  die  Qualitäten  der  Eizellen  sich  ändern  oder  verloren  gehen 
könnten,  wenn  das  nicht  durch  Ungleichheiten  bei  der  Teilung  geschehen 
sollte? 

Ich  habe  nun  weiter  auf  einige  Einzelheiten  der  beiderseitigen  Be- 
weisführung einzugehen.  Auch  abgesehen  von  dem  mehrdeutigen  Ausfall 
der  Versuchsresultate  verschiedener  Forscher  scheint  mir  in  dieser  Rich- 
tung Roux'  Kritik  seiner  eigenen  Versuche  nicht  ganz  zwingend.  Selbst 
wenn  die  beiden  Furchungskugeln  den  Anlagen  der  beiden  Körperhälften 

36* 


564  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

entsprechen,  ist  die  Symmetrie  doch  nicht  als  qualitative  Ungleichheit  auf- 
zufassen; beide  Furchungskugeln  haben  alsdann  dasselbe  Idioplasma  me 
die  Eizelle,  nur  in  quantitativer  Verminderung,  sie  können  dieselben 
Gewebe  wie  die  Mutterzelle  d.  h.  alle  Gewebe  aus  sich  entwickeln.  Für 
die  weiteren  Teilungen,  bei  denen  Roux  die  Sonderung  der  EntMicke- 
lungsqualitäten  in  vier  Teile  annimmt,  wird  dadurch  schon  die  Wahr- 
scheinlichkeit abgeschwächt,  dass  die  Abgrenzung  der  Bezirke  ungewiss 
wird.  Viertelteile  der  Organismen  sind  schon  keine  anatomischen  oder 
histiologischen  Begriffe  mehr.  Die  Deutung,  die  Roux  der  schon  oben  er- 
wähnten als  Hemitherium  anterius  bezeichneten  Missbildung  giebt,  nach  der 
der  Defekt  der  hinteren  Körperhälfte  auf  Verlust  zweier  Furchungskugeln  des 
Viererstadiums  zurückgeführt  werden  könne,  ist  sicher  unzutreffend.  Die 
Verwachsungen  des  Amnion  mit  den  Defekträndem  beweisen,  dass  der 
Defekt  erst  nach  Anlage  des  Amnion  zu  stände  gekommen  sein  kann.  Man 
kann  ziemlich  sicher  annehmen,  dass  er  durch  Verwachsungen  des  Amnion 
wie  die  Mehrzahl  angeborener  Defekte  veranlasst  wurde  und  dabei  ganze 
Gruppen  von  Organanlagen  der  Zerstörung  anheimfielen. 

Der  schwerste  Einwand  gegen  den  Versuch,  zwischen  direkter  und  indi- 
rekter Entwickelung  tief  gehende  Unterschiede  zumachen,  hegt  aber  offenbar 
in  der  Thatsache,  dass  es  eine  direkte  Entwickelung  im  Sinne  Roux'  bei 
den  wenigsten  Tierspecies,  vielleicht  bei  keiner  giebt.  Bei  der  Metamor- 
phose der  Larven  niederer  Tiere  wird  das  Gewebsmaterial  der  Larve  ge- 
wissermassen  eingeschmolzen,  um  die  Gewebsanlagen  des  nächsten  Sta- 
diums zu  schaffen.  Hier  müsste  demnach  nur  für  die  erste  Larvenfomi 
der  Haupt-Idioplasson  funktionieren,  und  das  definitive  Individuum  ganz  aus 
Nebenplasmen  entstehen.  Ähnhche  Umformungen  betreffen  aber  auch  den 
Säugetierfötus.  Der  Hauptidioplasson  der  Vorniere  muss  schon  bei  den  secer- 
nierenden  Drüsenzellen  des  Wol  ff  sehen  Körpers  verbraucht  werden.  Für 
die  Nebenhodenepithelien  bleiben  höchstens  noch  Nebenplasmen  übrig. 
Ebenso  sind  die  Umformungen  des  Visceralskeletts  nicht  unter  den  Begriff 
einer  direkten  Entwickelung  zu  bringen.  Besonders  wäre  aber  die  ganze 
Theorie  nur  dann  zulässig,  wenn  die  von  Balfour,  M.  Nussbaum  für 
niedere  Tiere  festgestellte  direkte  Abstammung  der  Genitalzellen  von  Fur- 
chungszellen  eine  ganz  allgemeine  Giltigkeit  hätte.  Für  die  Wirbeltiere 
ist  aber  nach  zahlreichen  Untersuchungen,  die  ich  selbst  bei  den  Säuge- 
tieren bestätigen  kann,  diese  Auffassung  mit  Sicherheit  abzulehnen.  Die 
Genitalzellen  differenzieren  sich  aus  dem  Keimepithel,  welches  bereits 
die  Stadien  des  Entoderms  und  des  Cölomepithels  durchgemacht  hat,  ehe 
sich  die  ersten  Ureier  in  ihm  zeigen.  Dieselben  könnten  also,  wie  Hanse- 
mann ausdrücklich  hervorhebt,  ihre  Totipotenz  nur  Nebenplasmen  ver- 
danken. Dieselbe  Erklärung  wendet  Roux  unbedenkUch  auf  pathologische 


Allgemeine  Folgerungen  d.  entwickelungsmech.  Experimente.  56*5 

Verhältnisse  an.  Wenn  in  Roux'  eigenen  Versuchen  nach  Zerstörung 
einer  Furchungszelle  durch  die  andere  ein  fast  vollständiger  Ersatz  geschaf- 
fen wird,  und  in  den  Versuchen  Hertwigs  und  Drieschs  nach  Verlust 
einer  Furchungskugel  oder  nach  teilweiser  Teilung  einer  Anlage,  sobald 
kein  mechanischer  Widerstand  es  hindert,  von  der  andern  Seite  her  der 
Verlust  völlig  ergänzt  wird,  so  müssen  eben  die  Nebenplasmen  ganz  den- 
selben Umfang  und  dieselbe  Wichtigkeit,  wie  das  Hauptplasma  besitzen. 
Die  angeblich  erbimgleich  entstandene  Tochterzelle  ist  also  thatsächlich 
auch  nach  Roux  durch  ihre  Nebenplasmen  der  Mutterzelle  qualitativ  gleich, 
und  jede  andere  Deutung  wird  zur  Spitzfindigkeit.  Weiter  möchte  ich  nur 
kurz  darauf  hinweisen,  dass  auch  die  Fälle,  in  denen  erbungleiche  Zell- 
teilimgen  der  direkten  Beobachtung  zugängig  sein  sollen,  durchaus  nicht 
ganz  eindeutig  sind.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  hier  stets  entweder 
um  unmittelbar  vor  der  Teilung  auftretende  Differenzierung  der  Mutter- 
zelle, wie  bei  der  Reduktionsteilung  der  Geschlechtszellen  oder  um  unmittel- 
bar nach  der  Teilung  auftretende  Differenzierung  einer  Tochterzelle,  wie 
bei  der  Bildung  der  Richtungskörperchen  des  Eies,  der  inäqualen  Fur- 
chung der  Orthonectiden  und  Dicyemiden.  Selbst  der  bisher  wohl  einzig 
dastehende  Vorgang,  den  v.  Hacker  bei  der  Teilung  der  centralen  Fur- 
chungszelle des  Cyclops  brevicomis  beschreibt,  würde  sich  dieser  Deutung 
allenfalls  noch  einfügen ;  hier  erfolgt  die  Differenzierung  der  einen  Tochter- 
zelle, allerdings  bereits  im  Stadium  des  Dyaster.  Dass  die  asymmetrischen 
Kernteilungsfiguren,  die  Hansemann  in  malignen  Tumoren  beobachtete, 
überhaupt  zur  Entstehung  lebensfähiger  Zellen  führen,  ist  keineswegs 
sicher  gestellt. 

Schliesslich  habe  ich  noch  eine  Hypotliese  Hansemanns  zu  be- 
sprechen, die  so  bestechend  ist,  dass  sie,  wenn  sie  sich  fruchtbar  erwiese,  aller- 
dings allein  eine  wichtige  Stütze  der  Roux  sehen  Theorie  bildete.  In  konse- 
quenter Durchführung  der  Theorie  der  erbungleichen  Teilung  kommt  Hanse- 
mannzu  demSchluss,  dass  die  einer  Zellart  durch  die  Teilimg  entzogenen 
Plasmen  sich  notwendig  bei  einer  anderen  als  Anagonisen  vorfinden  müssen, 
und  dass  zwischen  diesen  beiden  sich  ergänzenden  Zellarten  eine  innigere 
Wechselbeziehung  bestehen  muss,  die  er  als  Altruismus  bezeichnet.  Die 
Vermehrung  der  einen  Zellart  muss  zur  Aufrechterhaltung  des  Antagonismus 
altruistische  Hypertrophie  der  anderen,  die  Verminderung  altruistische 
Atrophie  bewirken,  also  umgekehrt  wie  die  kompensatorische  Hypertrophie, 
die  nach  Atrophie  des  korrespondierenden  Organes  erfolgt.  Da  ferner 
jede  Zellart  auf  die  Funktion  des  Antagonisten  angewiesen  ist,  besteht 
eine  Art  von  Altruismus  zwischen  jeder  Zellart  und  allen  übrigen  Körper- 
zellen. Der  Altruismus  soll  so  auch  die  Thatsache  erklären,  dass  der 
völlige   Verlust    einer  Zeliart  den  Tod    des  Individuums  zur  Folge  hat. 


566  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Man  sieht,  dass  sich  der  genannte  Autor  hier  an  die  Lösung  des  schwierig 
sten  Problems  der  Biologie,  der  Korrelation  und  der  —  nennen  wir  es 
organipriven  Folgezustände  wagt,  und  durch  den  Altruismus  zu  einer  neuen 
Theorie  des  physiologischen  Todes  gelangt.  Leider  muss  ich  gestehen, 
dass  mich  eine  sorgfältige  Prüfung  seines  Ideenganges  und  seiner  Beispiele 
nicht  zu  einer  Übereinstimmung  mit  ihm  geführt  hat.  Die  von  mir  schon 
an  anderer  Stelle  besprochenen  Erscheinungen  der  Korrelation,  die  uns 
so  unerklärlich  sind,'  dass  wir  jeden  Strohhalm  einer  Deutung  festhalten 
müssten,  betreffen  aber  mit  Vorliebe  Zellarten,  die  in  möglichst  fernem 
genetischen  Verhältnis  stehen,  und  deren  Antagonismus  demnach  auf  erb- 
ungleiche Teilung  einer  Stammzelle  am  allerwenigsten  zurückgeführt  werden 
kann.  Dies  gilt  z.  B.  für  die  Korrelation  zwischen  Gehirn  und  Nebenniere, 
die  Hansemann  citiert.  Wenn  wir  auch,  wie  Hansemann  hervorhebt, 
die  Keimbahnen  der  Geschlechtszellen  bei  den  wenigsten  Tieren  kennen, 
so  können  wir  doch  sicher  sein,  dass  durch  keine  Keimbahn  eine  beson- 
dere Beziehung  der  männUchen  Geschlechtszellen  zu  den  Epidermiszellen 
des  Kinns  und  der  Lippen  festgestellt  werden  wird,  eine  Beziehung,  durch 
die  das  Sprossen  der  Barthaare  als  altruistisch  in  Hansemanns  Sinne 
erschiene.  Noch  verfehlter  ist  die  Citation  der  graviden  Mammaentwicke- 
lung,  die  ebenfalls  auf  Altruismus  der  Geschlechtszellen  bezogen  wird. 
Die  hier  in  Frage  kommende  Geschlechtszelle,  das  befruchtende  Ei  ist 
nicht  mehr  als  sich  entwickelnde  Körperzelle,  sondern  als  ein  sekundär 
mit  dem  Körper  der  Mutter  verwachsener  Parasit  zu  betrachten,  und  kann 
zu  keiner  Körperzelle  in  genetisch  begründetem  Altruismus  stehen.  Die 
Spuren  des  Altruismus  Hanse manns  müssten  sich  am  ersten  zwischen 
den  Geweben  nachweisen  lassen,  die  beobachtungsgemäss  aus  Spaltungen 
einer  Anlage  hervorgehen,  zwischen  Oberflächenepithel  undDrüsen,  zwischen 
NeurogUa  und  Gangüenzellen,  zwischen  Keimepithel  und  Gesclüechtszellen. 
Und  was  lehren  uns  hier  die  Thatsachen?  Eine  ungeheure  Gesetzlosig- 
keit, fast  bei  jedem  derartigen  Vorgang  andere  Verhältnisse  und  höchstens 
in  einer  kleinen  Majorität  von  Fällen  das  Vorherrschen  einer  Beziehung, 
und  zwar  gerade  derjenigen,  die  Hansemanns  Altruismus  entgegengesetzt 
ist,  nämhch  derjenigen  der  kompensatorischen  Korrelation. 

Ebensowenig  scheinen  mir  die  übrigens  sehr  vereüizelten  Thatsachen  der 
ausschhessenden  Bedeutung  einzelner  Zellarten  für  den  Gesamtorganismus, 
gerade  durch  genetischen  Altruismus  am  besten  erklärt.  Dass  der  Organis- 
mus auf  seine  Organe  angewiesen  ist  und  deren  Ausfälle  tiefgreifende 
Störungen  hervorrufen  müssen,  darf  ja  selbstverständüch  erscheinen;  dass 
aber  der  Defekt  gewisser  Organe  mit  uns  unbekannten  Funktionen  um- 
fangreiche Allgemeinstörungen  bewirkt,  würde  nur  dann  für  die  altruistische 
Grundlage  sprechen,  wenn  sich  nachweisen  liesse,    dass  der   Defekt  der 


Allgemeine  FolgerungeD  d.  eDtwickelungsmech.  ExperimoDte.  567 

Zellen  und  nicht  der  Defekt  der  Funktion  die  Wirkung  hervorbringe.  Die 
Erfolge  der  Strumatherapie  sprechen  demnach  gegen  Hansemann,  und 
ebenso  spricht  es  gegen  ilm,  dass  die  organipriven  Folgezustände  keines- 
wegs atrophischen  Charakter  besitzen.  Dass  nun  aber  zwischen  den  Ge- 
schlechtszellen und  den  andern  Körpergeweben  ein  derartiger  vital  bedingen- 
der Altruismus  besteht,  wie  Hanse  mann  behauptet,  ist  ein  zu  handgreif- 
licher Irrtum,  um  einer  längeren  Widerlegung  zu  bedürfen.  Die  einzige 
Thatsache,  die  für  ein  solches  Verhältnis  angeführt  werden  kann,  ist  das 
Zugrundegehen  von  zahlreichen  Pflanzen  und  Tieren  nach  vollendeter 
Zeugung,  welches  Hansemann  durch  den  Verlust  der  Geschlechtszelle 
bedingt  ansieht.  Die  unzähhgen  Pflanzenspecies  vom  Pilzmycel  bis  zum 
Eichbaum,  die  alljährUch  oder  öfter  ihre  Genitalzellen  erzeugen  und  nach 
erfolgter  Funktion  abwerfen,  das  millionenfältig  an  männlichen  und  weib- 
lichen Menschen  und  Tieren  ausgeführte  Experiment  der  Kastration,  die 
kräftig  entwickelten  geschlechtslosen  Personen  der  Insektenstaaten,  durch 
deren  Thätigkeit  die  Geschlechtstiere  allein  bestehen  können,  beweisen  über- 
wältigend die  geringe  vitale  Bedeutung  der  Geschlechtszellen  für  das  In- 
dividuum. So  sehr  ich  sonst  in  meinen  Auseinandersetzungen  den  massgeben- 
den Einfluss  der  Geschlechtszellen  für  viele  Entwickelungen  hervorheben 
konnte,  muss  ich  gerade  in  jener  geringen  individuell  vitalen  Bedeutung 
derselben  den  schlagendsten  Beweis  gegen  Hansemanns  Hypothese  er- 
blicken, und  damit  den  auf  erbungleicher  Teilung  begründeten  inter- 
cellularen  Antagonismus  oder  Altruismus  in  Abrede  stellen. 

Damit  scheinen  mir  die  zur  Zeit  für  die  erbungleiche  Teilung  an- 
führbaren Gründe  widerlegt,  und  wir  treten  auf  den  Boden  der  von  Nägeli, 
de  Vries,  und  in  hervorragendster  Weise  von  Hertwig  vertretenen  An- 
schauung der  erbgleichen  Entstehung  der  Zellen. 

Auch  die  Gegner  werden  Hertwig  das  Zugeständnis  machen  dürfen, 
dass  in  der  Entwickelung  auch  erbgleiche  Teilungen  vorkommen  können; 
Hansemann  thut  dies  ausdrücklich,  und  auch  bei  Roux  finde  ich  nicht 
die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  jede  Teilung  erbungleiche  Produkte  er- 
zeugen muss.  Sie  werden  ferner  zugestehen  dürfen,  dass  eine  Zelle  auch 
im  Laufe  ihres  Daseins  Differenzierungen  annehmen  kann,  die  bei  ihrer 
Entstehung  nicht  erkennbar  waren,  vielleicht  nicht  einmal  bestanden,  ein 
Verhältnis,  wie  es  als  histologische  Accommodation  anerkamit  wird.  Weis- 
mann  und  Roux  würden  solchen  Differenzierungen  allerdings  nicht  die 
Erbfähigkeit  zugestehen,  da  sie  bei  der  Zellentstehung  nicht  durch  ungleiche 
Verteilung  des  Idioplasmas  angelegt  waren.  Hertwig  selbst  äussert  sich 
nicht  ganz  bestimmt  über  diesen  Punkt,  aber  man  kann  aus  seinen  Dar- 
legungen allerdings  entnehmen,  dass  er  die  Vererbung  von  Differenzierungs- 


568  Allgem.  pathoL  Morphologie  und  Physiologie. 

merkmalen  überhaupt  in  Abrede   stellt  und  die  Neudifferenzierung  jeder 
Tochterzelle  postuliert. 

Ein  Zweifel  darüber,  ob  die  Differenzierungsmerkmale  selbst  vererbi 
werden  können,  ist  nur  darum  möglich,  weil,  wie  zahlreiche  Autoren  über- 
einstimmend angeben,  im  Moment  der  Teilung  allerdings  die  meisten 
Differenzierungsmerkmale  verloren  gehen.  Nichtsdestoweniger  giebt  es 
doch  einige  Ausnahmen  von  diesem  Gesetz,  auf  die  einiges  Gewicht  zu 
legen  ist.  Die  Pigmentzellen  behalten  ihr  Pigment  während  der  Teilung, 
so  dass  Pigmentkörnchen  der  Mutterzelle  direkt  auf  die  Tochterzellen  über- 
gehen. Sich  teilende  Leberzellen  verändern  auch  nur  wenig  ihren  typischen 
Protoplasmabau.  Am  wichtigsten  ist  aber  die  sichergestellte  Teilung  hämo- 
globinhaltiger  Zellen  im  Embryo  und  die  pathologische  Wiederholung 
dieses  Vorgangs  bei  perniciöser  Anämie.  Dass  aber  auch  die  scheinbar 
ihrer  Differenzierung  beraubten  Zellen  während  der  Teilung  ihre  Spezifiziiät 
beibehalten,  ist  durch  die  schon  erwähnten  schönen  Beobachtungen  Hanse- 
manns,  die  wohl  jeder  üntersucher  bestätigen  muss,  bewiesen.  Wenn 
sich  auch  vielleicht  im  einzelnen  an  der  Typizität  manches  der  angegebenen 
Merkmale  kritisieren  liesse,  ist  die  Grundlage  der  Thatsache  nicht  zu  be- 
zweifeln, dass  die  Kernteilungen  der  einzelnen  Gewebe  ihre  Sondennerk- 
male  haben  und  also  auch  während  der  Teilung  die  Spezifizität  der  Zell- 
art  aufrecht  erhalten  bleibt. 

Für  die  Vererbung  von  Merkmalen,  die  erst  von  der  Mutterzelle  er- 
worben wurden,  kenne  ich  allerdings  nur  ein  Beispiel,  und  dieses  ist  auch 
noch  nicht  ganz  durch  die  Beobachtung  aufgeklärt,  es  sind  die  jetzt 
so  viel  diskutierten  Reduktionsteilungen  der  Geschlechtszellen.  Das  eine 
scheint  durch  die  besten  darüber  gemachten  Untersuchungen  doch  nun- 
mehr festgestellt,  dass  die  wesentliche  Rolle  bei  diesem  Prozess  den  Ver- 
änderungen des  Chromatins  in  der  Mutterzelle,  der  Spermato-  oder  Ovo- 
gonie,  zufällt,  und  von  dieser  durch  die  Teilungen  auf  die  Tochterzellen 
übertragen  wird. 

Wenn  sich  nun  aber  erweisen  oder  wahrscheinlich  machen  liesse,  dass 
die  Differenzieining  selbst  solche  Umgestaltungen  des  Idioplasmas  zu  bewir- 
ken vermag,  dass  die  Vererbung  der  Differenzierungsmerkmale  wenigstens 
im  Anlagezustande  auch  auf  dem  Wege  der  erbgleichen  Teilung  erklär- 
lich erschiene?  Mir  scheint,  dass  hiermit  die  Schwierigkeiten,  die  dieHert- 
wigsche  Theorie  der  Auffassung  der  Spezifizität  bietet,  mit  einem  aus  dem 
Wege  geräumt  wären. 

Die  Vorstellungen,  die  sich  Hertwig  selbst  im  Einklang  mit  de  Vries 
von  den  Veränderungen  des  Idioplasmas  durch  die  Differenzierimg  gebil- 
det hat,  scheinen  mir  allerdings  nicht  ganz  in  dieser  Hinsicht  auszureichen. 


Allgemeine  Folgerungen  d.  entwickelungsmech.  Experimente.  569 

Hertwig  führt  die  Differenzierung  auf  die  Entfaltung  einzelner  Anlagen 
des  Idioplasmas  und  ein  Latentwerden  der  andern  zurück.  Er  erläutert 
diese  Anschauung  an  einem  Vergleich  mit  dem  menschlichen  Staate,  dessen 
Individuen  aus  ursprünglich  gleichen  Keimen  hervorgehen,  dieselben  bilden 
imter  den  ihnen  zukommenden  Lebensverhältnissen  spezifische  Anlagen 
aus  und  verrichten  besondere  Leistungen;  aber  sie  behalten  auch  andere 
Anlagen  in  mehr  oder  minder  schlummernden  Zustande  und  können  die- 
selben unter  veränderten  Lebensverhältnissen  entfalten.  Auch  bei  diesem 
Vergleich  könnten  schon  einige  empirische  Bedenken  geltend  gemacht 
werden,  ob  denn  in  der  That  irgend  welche  Umstände  vermögend  wären, 
einen  älteren  Lastträger  zum  Gelehrten,  einen  gedienten  Haudegen  zum  Kauf- 
mann umzuziehen;  aber  diese  Schwierigkeiten  sind  in  dem  Beispiel  nicht 
ganz  so  augenfällig  wie  in  der  Anwendung  auf  unser  Objekt,  weil  an  den 
menschlichen  Individuen  die  morphologischen  Differenzierungen  der  Berufs- 
klassen von  den  geistigen,  thatsächlich  labileren  in  den  Hintergrund  ge- 
drängt werden.  Mir  scheint  ein  Vergleich  der  Gewebszellen  mit  dem 
Insektenstaat  zutreffender.  Wir  sehen  hier,  dass  aus  gleich  beschaffenen 
Eiern  oder  vielleicht  noch  aus  gleichen  Larven  sich  unter  bestimmten 
Umständen  die  verschiedenartigsten  Individuen  entwickeln.  Wir  wissen 
auch,  dass  bis  zu  einem  gewissen  Entwickelungszustand  durch  Verände- 
rung der  Umstände  die  Arbeiterinlarve  noch  zur  Königin  umgezogen  werden 
kann.  Es  ist  aber  ausgeschlossen,  dass  die  entwickelte  Arbeiterin  noch 
Geschlechtstier  werden  oder  die  Königin  noch  Arbeits-  und  Vertheidigungs- 
werkzeuge  entwickeln  kann.  Dieses  Verhältnis  ist  nun  so  zu  verstehen, 
dass  zwar  anfangs  beide  Anlagen  neben  einander  bestehen.  Aber  in  dem  Masse, 
wie  die  eine  Anlage  ihre  spezielle  Ausbildung  erreicht,  bildet  sich  die  andere 
zurück  und  geht  schliesslich  zu  Grunde.  Andererseits  ist  die  Umkehrung 
der  Entwickelung,  d.  h.  die  Entfaltimg  der  anfänglich  latenten  Anlage  nur 
so  lange  möglich,  als  die  anfänglich  entfaltete  Anlage  rückbildungsfähig  ist. 
Wir  wollen  nun  an  dem  entwickelungsgeschichtlichen  Prozess  den 
Gang  der  Gewebsdifferenzierungen  zu  verfolgen  suchen.  Für  die  Abkömm- 
linge der  Eizelle  dürfte  eine  Periode  bestehen,  wo  sie  die  totipotente  Ent- 
wickelungsfähigkeit,  Teilbarkeit,  Selbsternährung  und  Selbstbewegung  von 
der  Eizelle  voll  ererben.  Diese  Periode  ist  aber  zweifellos  mit  dem  Fur- 
chungsprozess  abgeschlossen.  Selbst  schon  hier  kann  allerdings  bei  der 
durch  die  Selbstthätigkeit  der  Zellen  bewirkten  Lagerung  an  einem  der 
Eipole  mit  der  nun  eintretenden  „Funktion  des  Ortes''  eine  Ausbildung 
besonderer  Merkmale  (Grössenunterschiede)  und  Abnahme  der  Totipotenz 
verknüpft  sein,  die  sich  bei  der  Gastrula  weiter  manifestiert.  Die  Differen- 
zierung der  Ektodermzellen  zum  äusseren  Keimblatt,  zum  animalem 
Organe  der  Gastrula  erfolgt  unter  Verminderung  ihrer  Fähigkeit,  selbst 


570  Allgem.  paihol.  Morphologie  and  Physiologie. 

Nahrung  aufzunehmen  und  Nahrung  aufnehmende  Zellen  zu  produzieren. 
Die  Differenzierung  der  Entodermzellen  zum  vegetativen  Organ  ist  vor- 
läufig eine  viel  weniger  eingreifende,  dieselben  behalten  viel  länger  die 
Merkmale  der  Furchungskugeln,  aber  mit  ihrer  Differenzierung  zum  Er- 
nährungsorgan ist  ihre  Fähigkeit  Nervenzellen  zu  bilden  vielleicht  schon 
völlig  verloren  gegangen.  Erst  nach  Abspaltung  des  Mesodermes  wird  aber 
die  Differenzierung  der  Entodermzellen  manifest  und  mit  der  frühzeitigen 
Ausbildung  der  speziell  der  Assimilation  der  Nahrungsstoffe  dienenden  Zell- 
merkmale geht  die  Fähigkeit,  andere  Gewebe  zu  produzieren  und  teilweise 
die  Selbstbewegung  zurück.  Von  ersterer  Eigenschaft  bleibt  dem  Danu- 
epithel  bald  nur  noch  die  Drüsenbildung  und  die  Selbslreproduktion  übrig. 
Es  ist  hier  nicht  der  Ort  diesem  Prozess  in  allen  Einzelheiten  naclizugehen, 
und  die  Kenntnis  der  Einzelheiten  weist  noch  weite  Lücken  auf,  die^e 
Untersuchung  halte  ich  für  eine  der  wesentlichsten  Aufgaben  der  histocre- 
netischen  Forschung.  Überall  aber  wird  uns  die  Thatsache  entgegentreten, 
dass  nicht  das  Alter,  d.  h.  die  Zahl  der  seit  der  Eizelle  durchlaufenen  Genera- 
tionen, allein  massgebend  ist,  sondern  dass  besonders  die  Ausbildung  spezifi- 
scher Merkmale  mit  Verlust  der  allgemeinen  Zelleigenschaften  verknüpft  ist. 
Der  Gang  dieser  Verlustbildungen  ist,  soweit  das  bisher  übersehen  werden  kann, 
jedenfalls  nicht  bei  allen  Gewebsentstehungen  der  gleiche.  Im  allgemeinen 
scheint  zwar  dabei  in  erster  Linie  die  gewebsbildende  Fähigkeit  der  Körperzelle 
einen  Rückgang  zu  erleiden.  Dies  ist  das  Moment,  welches  bisher  hauptsächlicli 
für  den  Begriff  der  Gewebsspezifizität  in  Betracht  genommen  wurde.  Aber 
man  muss  darauf  achten,  dass  auch  die  andern  Elementarorgane  in  Mit- 
leidenschaft gezogen  werden.  Die  Selbstbewegung,  die  Selbsternährung 
der  Zelle  können  eingeschränkt  werden,  und  sclüiesslich  geht  in  vielen 
Fällen  auch  die  Selbstvermehrung  verloren,  wie  bei  den  roten  Blutkörper- 
chen, den  Knochen  und  Zahnzellen,  den  Oberflächenzellen  der  geschichteten 
Epithelien,  wahrscheinlich  auch  bei  den  Ganglienzellen.  Im  allgemeiDen 
können  wir  sagen,  dass  die  Elementarorgane  der  Zelle  um  so  weniger  funktio- 
nieren, je  höher  die  spezifische  Organisation  einer  Zelle  ausgebildet  ist. 

Dass  dieses  Gesetz  auch  umgekehrt  gilt,  lehrt  Phylo-  und  Ontogeuie. 
Physiologie  und  Pathologie.  Die  Zellen  der  Pflanzen  und  niederen  Tiere 
haben  fast  totipotente  Bildungsfähigkeit,  die  undifferenzierten  Zellen  des 
Embryo  überragen  die  fein  und  zweckmässig  organisierten  Zellen  des  ent- 
wickelten Tieres  an  Selbständigkeit.  Ein  Teil  der  Gewebe,  die  im  aus- 
differenzierten Zustand  die  Teilungsfähigkeit  verlieren,  besitzt  als  Aushülfe 
für  die  in  Frage  gestellte  Regeneration  Keimzellen  oder  Keimlager,  deren 
Elemente  vermehrungsfähig,  aber  nicht  vollkommen  differenzirt  sind.  Solche 
Keimlager  enthalten  die  Lymphknoten  für  die  Lymphocyten ;  das  Stratum 
cylindricum  erfüllt  dieselbe  Funktion  für  die  Epidermis,  die  Ausführungs- 


Allgemeine  Folgerangen  d.  entwickelungsmecL  Experimente.  571 

gänge  für  manche  Drüsen,  die  Lieberkühji sehen  Krypten  vielleicht  für 
das  resorbierende  Epithel  des  Darms,  die  PlasmazeUen  vielleicht  für 
das  Bindegewebe  und  andere  Beispiele  mehr.  EndUch  geht  aber,  wie 
schon  erwähnt,  selbst  jede  Zellteilung  mit  einem  gewissen  Verlust  spezi- 
fischer DifEerenzierungsmerkmale  einher  xmd  unter  pathologischen  Verhält- 
nissen leitet  sich  ^ede  Wucherung  mit  demselben  Vorgang  ein. 

Wir  haben  die  Fälle  aus  unserer  Betrachtung  auszuschliessen ,  in 
denen  eine  Art  Lebensschwäche  oder  pathologische  Einflüsse  den  Fortgang 
der  Differenzierung  hemmten  oder  der  Verlust  der  spezifischen  Merk- 
male das  Symptom  einer  totalen  Zelldegeneration  ist;  davon  abgesehen 
aber  ergeben  unsere  Erwägungen  hier  in  ähnUcher  Weise  wie  bei  dem 
Insektenstaat  die  Vorstellung  einer  Art  von  Antagonismus  sowohl  zwischen 
der  Vielseitigkeit  der  undifferenzierten  Keimzellen  und  der  Einseitigkeit 
hochorganisierter  Gewebszellen,  wie  auch  zwischen  den  einzelnen  Differen- 
zierungsmerkmalen. Ein  einschneidender  Unterschied  zwischen  den  In- 
sektenpersonen und  den  Gewebszellen  besteht  allerdings  darin,  dass  erstere, 
soweit  sie  zeugungsfähig  sind,  wieder  undifferenzierte  Keime  erzeugen, 
letztere  aber,  soweit  sie  sich  vermehren,  sich  ähnliche  Elemente  hervor- 
bringen. In  dieser  Beziehung  zeigen  eben  die  wichtigen  Beobachtungen 
Hansemanns,  dass  die  Gewebszellen  auch  während  der  Teilung  keine 
Rückkehr  zum  Urzustand  der  Eizelle  erleiden,  sondern  einen  von  dem 
der  Eizelle  und  dem  anderer  Gewebe  unterscheidbaren ,  spezifischen  Cha- 
rakter beibehalten.  Kurzum,  die  Differenzierungen  sind,  indem  sie  das 
Idioplasma  selbst  modifizieren,  erbfähig  geworden.  Diese  Thatsachen  müssen, 
meiner  Meinung  nach  zu  Erweiterungen  und  Modifikationen  der  Hertwig- 
schen  Theorie  führen,  die  eine  Art  Kompromis  mit  der  anderen  Richtung 
bilden,  und  sich  wie  folgt  formulieren  lassen: 

1.  Die  Gesamtmasse  des  Idioplasmas  wird  von  der  Eizelle  auf 
ihre  Abkömmlinge  erbgleich  übertragen. 

2.  Die  Differenzierung  spezifischer  Merkmale  erfolgt  da- 
durch, dass  eine  Anlage  des  Idioplasmas  sich  auf  Kosten 
der  andern  entwickelt,  wobei  letztere  erst  vermindert,  dann 
verbraucht  werden. 

3.  Der  Differenzierungszustand  der  Mutterzelle  wird  durch 
die  Teilung  auf  die  Tochterzellen  vererbt. 

In  diesen  Sätzen  hoffe  ich  auf  Grund  der  Hertwigschen  Hypothese 
einen,  den  Forderungen  der  Pathologie  entsprechenden  Ausdruck  für  die 
progressive  Spezifizität  der  Gewebe  gefunden  zu  haben.  Gegenüber  der  Roux- 
schen  Herleitung  der  Spezifität  auf  erbungleiche  Teilung,  scheint  mir  in  dieser 
Auffassung  eine  einfachere  und  darum  annehmbarere  Formel  für  die  re- 


572  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

generative  und  postgenerative  Potenz  der  Zellen  zu  liegen.  Es  wird  sicL 
anderwärts  die  Gelegenheit  finden,  die  Brauchbarkeit  meiner  Auffassung 
für  die  Deutung  einiger  cellularpathologischer  Probleme,  besonders  der 
Metaplasie  und  der  Anaplasie  weiter  zu  prüfen.  Ich  möchte  hier  nur  an- 
deuten, dass  auch  die  potentielle  Labilität  jugendlicher  Zellen,  sowohl  der 
neugebildeten,  wie  der  embryonalen  in  jenen  Thesen  ihre  Würdigung  er- 
hält. An  dieser  Stelle  glaube  ich  meiner  Aufgabe  genügt  zu  haben,  wenn 
es  mir  gelungen  ist,  auf  den  Einfluss  hingewiesen  zu  haben,  den  die  ent- 
wickelungsmechanische  Auffassung  auch  auf  die  Pathologie  auszuüben 
bestimmt  ist. 


IV. 

ALLGEMEINE  PATHOLOGIE  DES  STOFF- 
WECHSELS. 

1. 

Pathologie  der  Autointoxikationen. 

Von 
Fr.  Kraus  (Graz)  und  Qg.  Honigmann  (Wiesbaden). 


A.  Ursachen  der  Antointoxikation. 

Toxisch  heissen  bekanntlich  alle  krankhaften  Veränderungen,  welche 
im  Organismus  durch  chemisch  wirkende  Agentien  hervorgerufen  werden. 
Die  Giftwirkung  äussert  sich  zunächst  als  abweichende  Funktion  der  ver- 
schiedenen Organe,  weiterhin  führt  sie  zu  Änderungen  der  chemischen 
Zusammensetzung  des  Zellinhaltes  oder  der  Säftemasse  des  Körpers  und 
bewirkt  endlich  selbst  Zerstönmg  der  molekularen  Konstitution  und  der 
gröberen  histioiden  Struktur  der  geformten  Elemente. 

Ganz  analog  müssen  sich  auch  die  Folgen  der  Selbstvergiftung  ge- 
stalten; ihre  Abgrenzung  ist  nur  aus  pathogenetischen  Gesichtspunkten 
gerechtfertigt.  Von  Autointoxikation  darf  man  demgemäss  zunächst  dann 
sprechen,  wenn  giftig  wirkende  Verbindungen  in  gewissen  Phasen  des  nor- 
malen oder  des  abweichenden  Stoffwechsels  im  Organismus  selbst  ent- 
stehen, beziehungsweise  sich  anhäufen. 

Entstehen  lassen  bestimmte  Ernährimgssförungen  dem  Körper  in  der 
Norm  fremde,  direkt  toxische  Stoffe.  Durch  gewisse  Grenzen  überschreitende 
Anhäufung  im  Haushalte  werden  aber  auch  ganz  adäquate  Verbindungen, 
Substanzen,  welche  für  die  normale  Zusanomensetzung  des  Körpers  von 
grosser  Bedeutung  sein  können,  imd  ebenso  die  typischen  Endprodukte  des 
normalen  Stoffwechsels  Ursache  von  Selbstvergiftung.    Auch  fortgesetzte 


574  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

reichliche  Verluste  einzelner  wichtiger  Stoffe  können  eine  geradezu 
toxisch  wirksame  Mischung  der  Säfte  zurücklassen. 

Von  aussen  eingeführte  Gifte  können  nur  in  ihren  Wirkungen  zweiter 
Ordnung,  als  Ursachen  gewisser  Stoff  Wechselverschiebungen,  hier  in  Betracht 
kommen.  Dagegen  stellt  sich,  allerdings  gleichfalls  mit  bestimmten  Ein- 
schränkungen, als  ein  wesentlicher  Faktor  für  die  Entstehung  von  Auto- 
intoxikationen die  Infektion  dar. 

Dass  die  parasitären  Mikroorganismen  den  infizierten  Organismus  ge- 
wisser Stoffe  berauben,  deren  sie  zur  eigenen  Ernährung  bedürftig  sind, 
und  dass  dieselben  verschiedene  direkt  giftig  wirkende,  zum  Teile  auch 
bereits  chemisch  charakterisierbare  Substanzen  erzeugen,  kann  an  einer 
den  Selbstvergiftungen  gewidmeten  Stelle  weitere  Ausführung  nicht  bean- 
spruchen. Die  Vergiftung,  welche  in  verschiedener  Gestalt  als  typische 
Teilerscheinung  der  einzelnen  Infekte  sich  einstellt,  gehört  vorwiegend  in 
andere  Gebiete.  Vorläufig  ist  es  ja  auch  noch  nicht  überall  möglich,  be- 
stimmt abzugrenzen,  wie  viel  von  den  vorliegenden  Symptomen  des  frag- 
lichen Krankheitsprozesses  den  einzelnen  bekannten  Bakteriengiften  zuge- 
schrieben werden  müssen  (man  vgl.  hierüber  die  einschlägigen  Abschnitte 
aus  der  allgemeinen  Mykopathologie  in   der  1.  Abteilung  dieses  Werkes.) 

Wohl  aber  ist  an  dieser  Stelle  die  Grösse  des  Anteiles  zu  untersuchen, 
welche  jene  Bakterien,  die  im  Normalzustand  und  unter  pathologischen 
Verhältnissen  unsere  Körperhöhlen,  vor  allem  den  Darmtrakt  bewohnen, 
und  gegen  die  wir  lokal  immun  geworden  sind,  an  der  Toxizität  des  In- 
haltes dieser  Höhlen,  besonders  also  der  Darmcontenta,  besitzen.  Auch 
sollte  hinsichtlich  aller  Infekte  wenigstens  nicht  ausser  acht  gelassen  werden, 
inwieweit  sich  zur  Vergiftung  mit  den  direkten  Bakterienprodukten,  welche 
den  auf  nicht  organisierten  Nährböden  erzeugten  analog  sind,  die  Auto- 
intoxikation durch  die  chemischen  Trümmer  der  Gewebe  und  veränderten 
Sekrete  hinzugesellt  ^). 

1)  Je  nachdem  man  die  Autointoxikationen  verschieden  systemisiert,  wird  auch  das 
Verhältnis  zwischen  Infekt  und  Selhstvergiftung  verschieden  aulgefasst,  be- 
ziehentlich umgrenzt  werden.  Derartige  Systemisiemngs  versuche  hahen  bisher  v.  Jak  seh 
und  Robert  unternommen,  v.  Jaksch  unterscheidet  zwischen  Noso-  und  Autotoxi- 
kosen.  Durch  Invasion  und  Vermehrung  der  pathogenen  Organismen  werden  im  infizierten 
Körper  Giftstoffe  gebildet,  und  auf  diese  Weise  entstehen  in  einer  grossen  Zahl  von  Infekten 
die  schweren  Erscheinungen.  Als  eine  Unterabteilung  dieser  Nosotoxikosen  werden  Erkran- 
kungen angeführt,  bei  welchen  *durch  qualitative  (quantitative)  Abweichungen  des  Stoff- 
wechsels ohne  Intervention  von  Parasiten  giftige  Umsetzungsprodukte  im  Oiiganismus  sieb 
anhäufen.  Zu  den  Autotoxikosen  dagegen  wären  solche  Prozesse  zu  rechnen,  bei  denen 
in  bestimmten  Teilen  des  Körpers  normale  Substanzen  mit  toxischer  Wirkung  ttberreicblich 
entstehen.  Kobert  trennt  die  Retentionstoxikosen  von  den  Nosotoxikosen. 
Letztere  entstehen  zunächst,  wenn  unter  Mitwirkung  von  Mikroorganismen  Nutritions- 
Störungen  eintreten,  welche  trotz  regelrechter  Funktion  der  Eliminationsorgane  keinen  Aus- 
gleich finden.    Dann  werden  Vergiftungen  hier  einbezogen,  die  nach  Eindringen  der  Krank- 


Ursachen  der  AutointoxikatioD.  575 

Litteratur. 

1.  Kobert,  Intoxikationen.    Stuttgart  1893. 

2.  V.  Jak  seh,  Wiener  klin.  Wochenschrift,  1890. 

Einige  Hauptztige  der  Entwickelung  unserer  heutigen  Vor- 
stellungen über  Autointoxikation. 

Die  Vorstellung,  dass  der  Organismus  in  sich  selbst  Quellen  der  Vergiftung 
birgt^  ist  eine  sehr  alte  in  der  klinischen  Pathologie.  Wenn  z.  B.  bereits  bei  den 
Chemiatern  zur  Erklärung  gewisser  paroxystischer  und  auch  bestimmter  chronischer 
Dyskrasieen  die  Rede  ist  von  „Fäulnis  und  Oährung  des  Blutes"  aus  dem  Körper 
immanenten  Ursachen,  oder  von  sauren  oder  alkalischen  „Schärfen",  so  enthält  dies 
wohl  schon  den  Kern  einer  Lehre  der  Autointoxikation. 

Erst  der  modernen  Epoche  der  Medizin  aber  blieb  es  vorbehalten,  an  Stelle 
vager  Spekulationen  hier  thatsächliche  Anhaltspunkte  zu  gewinnen.  Die  patho- 
logische Auffassung  der  Urämie  als  Harnvergiftung,  wie  dieselbe  schon  seit  Bright 
von  englischen  Ärzten  vertreten  wurde,  hat  wegen  ihres  anfänglich  ganz  hypothe- 
tischen Charakters  und  weil  auch  später  ihre  toxische  Grundlage  unserem  Ver- 
ständnis nur  wenig  vollkommen  zugänglich  wurde,  die  Lehre  von  den  autogeneti- 
schen Dyskrasieen  nicht  so  nachhaltig  gefördert,  als  man  denken  sollte.  Grundlegend 
jedoch  für  den  prinzipiellen  Standpunkt  in  einschlägigen  Fragen  sind  Beobachtungen 
geworden,  welche  sich  an  die  von  Petters  1857  gemachte  Entdeckung  des  Acetons 
in  den  Säften  und  im  Blute  bei  Diabetes  und  anderen  Krankheiten  anschlössen. 
Nicht  als  ob  man  heute  mehr  die  genannte  Verbindung  als  alleinige  Ursache  des 
Coma  diabeticorum  imd  ähnlicher  klinischer  Symptomenbilder  ansehen  könnte: 
aber  jene  mit  vollem  Bewusstsein  ihrer  allgemeinen  pathologischen  Tragweite  von 
den  ersten  Prager  Entdeckern  verwertete  Thatsache  hat  die  Anregung  gegeben 
zu  einer  ganzen  Reihe  von  exakten  und  konsequenten,  weit  über  das  ursprüngliche 
Gebiet  hinausragenden  Untersuchungen.  Die  Fortschritte  der  physiologischen 
Chemie  haben  diesen  Arbeiten  über  das  rein  Kasuistische  hinweggeholfen  und 
ihnen  eine  bestimmte,  fruchtbare  Richtung  gegeben.  Die  heutige  Lehre  von  der 
Säureautointoxikation,  deren  grundlegende  Thatsachen  wir  den  Schulen  Schmiede- 


heitserreger durch  deren  toxisch  wirksame  Produkte,  sowie  durch  abnorme  Zerfallsprodukte 
der  Zellbestandteile  oder  der  Stoffwechselerzeugnisse  des  infizierten  Organismus  hervor- 
gerufen werden.  Die  Eonsequenz,  mit  welcher  Behring  die  Auffassung  vertritt,  dass 
jedes  materielle  Agens,  belebt  oder  unbelebt,  als  Infektionsstoff  sich  herausstellt,  sofern 
dasselbe  nur  im  stände  ist,  das  typische  Bild  eines  Infektes  hervorzurufen,  scheint  aller- 
dings geeignet,  die  Grenze  zwischen  den  Begriffen  „Infektion **  und  „Intoxikation"  nieder- 
zureissen.  Wenn  aber  auch  auf  diese  Weise  ein  grosser*  Teil  der  allgemeinen  Mykopatho- 
logie  ins  Bereich  der  Toxikologie  gerät,  sind  doch  die  Infekte  noch  nicht  ausschliesslich 
oder  auch  nur  hauptsächlich  Autointoxikationen !  Es  geht  doch  nicht  gut  an,  Bakteriengifte, 
welche  ebensogut  auf  nicht  organisierten  Nährböden  wie  im  durchseuchten  Organismus 
entstehen,  den  Ursachen  der  Selbstvergiftung  anzureihen.  Die  ausschliesslich  in  Geweben  und 
Säften  des  Tierkörpers  erzeugbaren  Giftstoffe  sind  aber  vorläufig  nicht  abgrenzbar.  Infekte  und 
Ketentionsautotoxikosen  können  trotz  der  Ausschliessung  v.  Jakschs  und  Koberts  zu 
einander  in  Beziehung  treten,  Erysipel  z.  B.  vermag  bei  Nephritikern  Urämie  auszulösen  etc. 


576  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

bergs  und  N  au  DJ  n  8  verdanken,  ist  die  Frucht  dieser  zielbewusaten  VereiDigang 
theoretischen  und  klinischen  Forschens. 

Wohl  aus  praktisch-klinischen  Rucksichtem  hat  man  eine  Zeit  lang  die  in 
pathologischer  Hinsicht  vielfach  sehr  komplexen  Selbstvergiftungen  mit  den  ge- 
wöhnlichen exkrementellen  Stoffen  zu  sehr  in  den  Vordergrund  gestellt  und  die 
einschlägigen  Probleme  bisweilen  aus  einseitigen  Gesichtspunkten  betrachtet  Die 
sogenannten  Exklusiv-Theorieen  der  Urämie  sind  ein  entsprechender  Beleg  dafür. 
V.  Voit  hat  hier  zuerst  einen  Wandel  geschaffen.  Schmiedebergs  Arbdten  über 
Harnstoff bildung,  v.  Schröders  Untersuchungen  über  die  Funktion  der  Leber- 
zelle, Nenckis  Entdeckungen  über  die  Folgen  der  Eckschen  Fistel  haben  auch 
hier  neue  weite  Perspektiven  eröffnet.  Aber  es  bleibt  das  Verdienst  Bouchards, 
vom  rein  klinisch-pathologischen  Standpunkte  die  Notwendigkeit  erwiesen  zu  haben, 
dass  zunächst  die  toxische  Wirkung  der  normalen  exkrementellen  Stoffe  ganz  all- 
gemein experimentell  geprüft  werden  muss.  Nicht  bloss  das  Studium  der  Urämie, 
auch  das  der  vesikalen  Autointoxikation  und  der  intestinalen  Formen  der  Selbst- 
vergiftung musste  dadurch  neue  Impulse  erhalten. 

Die  Vergiftung  durch  im  Organismus  selbst  entstandene  Substanzen  hat 
heutzutage  eine  unstreitig  grosse  theoretische  Bedeutung  erlangt  Wie  weit  hier 
die  Anschauungen  bisweilen  gehen,  sei  ohne  weitere  kritische  Betrachtungen  bei- 
spielsweise dadurch  illustriert,  dass  die  Schule  Petters  den  Abdominaltjphus,  also 
eine  ätiologisch  und  klinisch  autonome  Krankheit,  in  allen  Stücken  als  vom 
Kranken  selbst  erzeugt  angesehen  und  diese  Autotjphisation  als  das  Resultat  der 
Folgen  erklärt  hat,  welche  durch  Retention  der  Stoffwechselschlacken  bei  Über- 
ernährung hervorgerufen  werden !  Abgesehen  von  solchen  Rückfallen  in  die  l^n- 
denhafte  ühemiatrie  verfugt  aber  der  durch  die  Bezeichnung  „Autointoxikationen" 
abgegrenzte  Teil  der  Pathologie  bereits  über  ein  sehr  ansehnliches  Thatsachen- 
material,  dessen  Sichtung  bei  dem  Vorherrschen  der  Pathogenie  in  den  Bestre- 
bungen der  zeitgenössischen  Medizin  ein  gewisses  Interesse  erhoffen  darf. 

Die  Akte  des  Stoffweclisels,  welche  zur  Autointoxikation  Ver- 
anlassung geben  können. 

Die  wichtigsten  Stoffe  des  Tierkörpers  sind  Eiweiss,  Fette,  Kohlen- 
hydrate, Wasser,  Aschenbestandteile.  Die  chemischen  Prozesse,  deren  Ge- 
samtheit den  Stoffwechsel  darstellt,  sind  an  den  fortwährenden  Umsatz 
dieser  Verbindungen  geknüpft.  Eine  Betrachtung  der  speziellen  Formen 
der  Autointoxikation,  welche  auf  die  Umsetzung  jener  einzelnen  Verbin- 
dungen im  tierischen  Organismus  sich  aufbauen  würde,  erscheint  jedoch 
kaum  konsequent  durcliführbar.  Viel  zweckmässiger  knüpfen  wir  hierbei 
an  die  Hauptakte  des  Stoffwechsels  an.  Erwägt  man  die  Störungen  des 
Stoff  wandeis  aus  den  allgemeinsten  Gesichtspunkten,  so  kann  überhaupt: 

1.  die  Zufuhr  derjenigen  Nährsubstanzen  zu  den  Zellen  beeinträchtigt 
werden,  welche  die  vorstehend  genannten  Stoffe   im  Körper  zum  Ansatz 


Die  Autotoxikosen  des  intermediären  Stoffwechsels.  577 

ZU  bringen,  beziehungsweise  ihre  Verminderung  daselbst  zu  verhüten  ge- 
eignet sind; 

2.  die  eigentliche  Aufnahme  der  Nährstoffe  in  die  Zellen  selbst  und 
ihre  partielle  Umsetzung  (durch  einfache,  hydrolytische  und  oxydative 
Spaltung,  durch  Reduktionen  und  Synthesen),  also  die  sogenannte  Assimi- 
lation und  Dissimilation  gehemmt  oder  in  falsche  Richtung  gebracht  sein,  und 

3.  die  Expulsion  der  Stoffwechselprodukte  aus  den  Organen  und  aus 
dem  Organismus  erschwert  werden. 

Im  Wesen  der  Autointoxikation  ist  es  gelegen,  dass  für  ihr  Entstehen 
vorwiegend  die  beiden  letztangeführten  Akte  der  Stoffbewegung  in  Betracht 
konunen.  Jede  beliebige  Störung  dieser  zwei  Akte  kann  aber  unter  die 
Gesichtspunkte  der  Lehre  von  der  Selbstvergiftung  fallen.  Die  Grenzen 
der  Lehre  von  der  Autointoxikation  sind  hiermit  allerdings  etwas  weiter,  als 
vielfach  üblich  ist,  gesteckt,  indem  nicht  bloss  paroxysmale,  vom  letalen  Aus- 
gang gefolgte,  schwerste  nervöse  Symptomenkomplexe  einbezogen  erscheinen. 

B.  Die  Antotoxikosen  des  intermediären  Stoffwechsels. 

Ungezwungen  lässt  sich  zunächst  eine  Reihe  von  Selbstvergiftungen 
als  Gruppe  der  Autotoxikosen  des  intermediären  Stoffwechsels 
heraus  heben.  Es  handelt  sich  hier  um  Nutritionsstörungen  bestimmtester 
Richtung:  Die  (partielle)  Umsetzung  der  den  Zellen  einverleibten  Nähr- 
stoffe, beziehungsweise  des  Zellleibes  selbst,  also  die  wesentüchen  Vorgänge 
der  Desassimilation  sind  im  beschränkten  Umfange  gehemmt  oder  in 
falsche  Wege  gebracht. 

Ganz  allgemein  betrachtet,  stellen  sich  die  Dissimilationsvorgange  im 
Organismus  als  eine  Konkunrenz  von  Spaltungs-  und  Oxydationsprozessen  dar. 
Hoch  zusammengesetzte  chemische  Verbindungen  werden  entweder  einfach  ohne 
Hinzutreten  eines  Stoffes  zerlegt^  oder  die  Spaltung  geschieht  unter  Aufnahme  der 
Hydroxylgruppe  oder  von  Sauerstoff.  Weitaus  in  der  Überzahl  aller  Fälle  sind 
es  somit  nicht  direkte  Verbrennungen ;  die  organischen  Stoffe  werden  nicht  iinmittel- 
bar  in  die  terminalen  kombustiven  Produkte  übergeführt,  sondern  dieser  Übergang 
erfolgt  durch  bestimmte  Zwischenstufen  der  regressiven  Metamorphose.  Die 
verschiedenen  Mittelglieder  des  oxydativen  Stoffwandels  sind  nun 
vielfach  Verbindungen  saurer  Natur,  und  finden  sich  auch  ganz  regelmässig 
nach  wechselnden  Mengenverhältnissen  in  den  Geweben,  Oewebssäften  und  Ex- 
l^ten.  Art  und  Umfang  der  Verbrennungsprozesse  im  Organismus  sind  dabei 
durchaus  nicht  bloss  durch  die  chemische  Wirkung  des  Sauerstoffs  bestimmt,  es 
kommt  vermutlich  noch  ein  wesentlicher  zweiter,  aus  der  Organisation  stammender 
Paktor  hinzu.  Schmiedeberg  und  Gautier  suchen  hinter  diesem  letzteren  eine 
Anzahl  von  Enzymen  (Histozyme).  In  jüngster  Zeit  ist  gewissen  „internen 
Sekretionen''  oder  bestimmten  Bestandteilen  derselben  (z.  B.  dem  Spermin  von 

Labareoh- Oster  tag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  87 


578  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Itoehl)  eine  ähnliche  oxydationsbefordernde  Rolle  zugeschrieben  worden.  Es  sind 
übrigens  auch  bereits  exakte,  viel  verheissende  Aqfänge  gemacht»  die  entsprechenden 
Stoffwechsel  Vorgänge  hinsichtlich  des  Ursprunges  zu  lokalisieren  und  die  nähere 
Art  ihres  Geschehens  zu  erkennen.  Sowohl  wenn  in  den  Geweben  zu  wenig 
Bauerstoff  zur  Verfügung  steht,  als  auch,  wenn  pathologische  (toxische)  Histozyme 
in  Aktion  treten,  oder  wenn  die  normalen  Enzyme  wegfallen»  müssen  wir  tief- 
greifende Störungen  der  nutritiven  Bewegung  erwarten. 

In  beiden  Fällen  läuft  das  Endresultat  auf  die  Anhäufung  unver- 
brannten Materiales  und  ein  Überwiegen  der  Spaltungen  über  die 
Oxydationen,  d.i.  auf  Überschwemmung  der  Körpersäfte  mit  den 
(sauren)  Spaltungsprodukten  hinaus. 

Wenn  nun  aber  die  klinische  Beobachtung  in  einer  Reihe  vergleich- 
barer Fälle  sonst  leicht  zersetzHches  Material,  wie  2.  B.  bestimmte  Karbon- 
säuren in  den  Körpersäfteu  und  Exkreten  nachgewiesen  hat,  darf  nicht 
gleich  summarisch  der  kombustive  Gesamtstoffwechsel  in  Rech- 
nung gezogen  werden.  Die  pathologische  Untersuchung  hat  vielmehr 
solche  klinische  Ergebnisse  immer  zunächst  als  ganz  spezielle,  beschränkt 
ablaufende  intermediäre  Veränderungen  des  Chemismus  anzusehen.  Weiter- 
hin rauss  sie  festzustellen  sich  bemühen,  inwiefern  bei  der  vorliegen- 
den Oxydationshemmung  Sauerstoffmangel  in  den  Gew^eben  und  patho- 
logische Histozyme  konkurrieren.  Endlich  ist  noch,  falls  irgend  möglich, 
die  funktionelle  Lokalisation  zu  versuchen ;  d.  h.  es  ist  zu  ermitteln,  welches 
Organ,  bezw.  welche  Organe  intervenieren  oder  welche  organische  Funktion 
(welches  Histozym,  inneres  Sekret  u.  dgl.)  ausfällt,  damit  die  klinisch  ge- 
gebene Autointoxikation  resultiert. 

Diese  spezialisierende  Auffassungsweise,  welche  wenigstens  den  dargelegten 
Vorzug  klar  definierbarer  Aufgaben  beanspruchen  darf,  stellt  sich  der  älteren  Vor- 
stellung einer  einheitlichen  und  einförmigen,  stets  die  gesamte  Nutrition 
umfassenden  „Retard ation  des  Stoffwechsels"  entgegen.  Letztere,  von  Be- 
neke  herrührende  und  seither  vielfach,  besonders  von  Bouchard  missbrauchte 
Bezeichnung  geht  davon  aus,  dass  der  gesunde  Organismus  in  g^ebener  Zeit  eine 
bestimmte  Menge  organischer  Stoffe  vollständig  umzusetzen  und  nach  einer  Reihe 
von  digestiven  und  nutritiven  Halteorten  die  terminalen  Produkte  auch  zu  elimi- 
nieren vermöge.  Wenn  in  derselben  Zeit  der  Körper  nur  eine  geringere  Quantität 
von  Stoffen  vollständig  verbrennen  kann,  oder  wenn  er  die  normale  Menge  nur 
bis  zu  intermediären  Stufen  oxydiert,  die  letzteren  in  seinen  Gewebssäflen  führt 
und  sie  auch  den  Exkretionsorganen  an  Stelle  von  Endprodukten  oder  überreichlich 
neben  solchen  übergiebt,  sollen  sich  für  den  Gesamtstoffwechsel  eine  ganze  Reihe 
zusammengehörig  gedachter  Konsequenzen  ergeben:  es  sinkt  dann  die 
Alkaleszenz  der  Gewebe  und  Säfte  wegen  der  sich  anhäufenden  organischen  Säuren, 
es  tritt  reichliche  Harnsäure  in  den  Urin  und  die  Urate  präzipitieren  leicht  im 
Körper,  ebenso  erscheint  Oxalsäure.  Die  innerste  Konstitution  der  Gewebe  wird 
geschädigt  infolge  der  Bindung  der  Mineralstoffe,   welch'   letztere    das  Gerüst   der 


Der  Säurestoffwechsel.  579 

Fonneleraente  darstellen;   gewisse  Strukturen,  wie    z.  B.    die   Knochen,  erscheinen 
speziell  gefährdet 

Die  an  sich  bei  richtiger  Begrenzung  ihres  Umfanges  ganz  brauchbare 
Vorstellung  einer  „Stoffwechselretardation"  ist  zunächst  einer  zu  weit  gehenden 
Generalisierung  für  die  Interpretation  zahlreicher  komplizierter  pathologischer  Prozesse 
verfallen.  Die  Säuredyskrasien  hat  man,  selbst  wo  nur  ganz  vage  klinische  Kri- 
terien vorlagen,  kurzweg  unter  die,  wie  ersichtlich,  sehr  allgemeine  Bezeichnung 
der  retardirten  Nutrition  subsumiert  und  dann  den  scheinbar  gewonnenen  symp- 
tomatischen Vergleichspunkt  zum  Punctum  saliens  im  Bilde  sonst  geradezu  aus- 
einanderstrebender Krankheiten  (Rachitis,  Osteomalacie,  senile  Osteoporose,  Gicht, 
Oxalämie,  Diabetes,  Fettleibigkeit)  gemacht  Ferner  wurden  gewisse  Abweichungen 
in  den  Ausscheidungsprodukten,  z.  B.  vermehrte  Harnsäure- Exkretion ,  und  be- 
stimmte in  den  Geweben  sich  vollziehende  Änderungen,  wie  verminderte  Alka- 
lescenz,  Auftreten  von  organischen  Säuren  in  den  Säften,  Gewebsverfettungen  u.  s.  w., 
mit  Unrecht  ausschliesslich  auf  ein  und  dasselbe  ursächliche  Moment,  nämlich  auf 
unzureichende  Versorgung  der  2iellen  mit  Sauerstoff  bezogen  und  die  Leistung  der 
Histozyme  (internen  Sekrete)  nicht  genügend  berücksichtigt  Während  auf  diese  Art 
die  „verminderte  Oxydation sgrösse"  ein  Schlagwort  wurde,  hat  die  Erfahrung  gelehrt, 
dass  unter  klinisch  in  Betracht  kommenden  Verhältnissen  thatsächlich 
eine  sehr  weitgehende  Unabhängigkeit  der  Summe  der  Verbrennungs- 
prozesse von  der  Grösse  des  jeweiligen  Sauerstoffvorrates  besteht, 
und  dass  diese  Summe  auch  innerhalb  weiter  Grenzen  unabhängig  ist 
von  der  Grösse  des  krankhafterweise  unzersetzt  aus  der  Ökonomie 
eliminirten  Materiales.  Erhebliche  quantitative  Abweichungen  des  kombustiven 
Gesamtstoffwechsels  bedeuten,  sobald  sie  realisiert  sind,  äusserst  schwere,  meist 
paroxysmal  verlaufende  Störungen,  welche  mit  einer  längeren  Fortdauer  des  Lebens 
schwer  verträglich   sind. 

Litteratur. 

1.  Bouchard,   Le^ons  sur  les  maladies  par  ralentisBement  de  la  nutrition.    Paris  1890. 

2.  Schmiedeberg,  Archiv  für  ezp.  Pathol.,  14.  Bd.  S.  382. 

3.  Poehl,  Zeitschrift  fOr  klin.  Medicin,  26.  Bd.  S.  135. 

4.  Kraus,   F.,  Über  den  Einfluss  von  Krankheiten,  bes.  von  anämischen  Zuständen  auf 
den  respiratorischen  Gaswechsel.    Zeitschr.  f.  klin.  Medizin.  Bd.  XXII.  H.  6. 

Der  „Säurestoffwechsel". 

Verbindungen  saurer  Natur  resultieren  im  Organismus  aus  dem 
Stoffwechsel  der  Eiweisskörper,  der  Kohlenhydrate  und  Fette,  und 
addieren  sich  zu  den  von  aussen  dem  Körper  zugeführten  Säuren.  Die 
physiologische  und  pathologische  Bedeutung  der  verschiedenen  entstehen- 
den sauren  Verbindungen  ist  natürlich  eine  sehr  ungleiche.  Sie  hängt  von 
der  Herkunft  und  Natur,  speziell  auch  von  der  eventuellen  spezifisch  toxisclien 
Wirkung  der  einzelnen  Verbindung,  sowie  von  der  produzierten  Menge 
derselben  ab. 

37* 


580  AUgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

Mit  Rücksicht  auf  das  beträchtliche  Quantum  von  Kohlensäure,  welches 
ein  nüchterner  muskelruhiger  Erwachsener  pro  die  in  Gasform  durch  die 
Lungen  ausscheidet  (etwa  800  g),  nimmt  diese  Säure  eine  quantitativ 
so  vorherrschende  Stellung  ein,  dass  die  Menge,  in  der  sie  produziert  wird, 
als  ungefähres  Mass  des  kombustiven  Gesamtstoffwechsels  dienen  kann. 
Die  innerhalb  24  Stunden  vom  gesunden  Menschen  ausgeschiedene  Harn- 
stoff menge  lässt  femer  berechnen,  dass  der  Organismus  in  der  gleichen 
Zeit  etwa  30  g  Karbaminsäure  erzeugt  hat,  deren  Ammonsalz  aller- 
dings (sofort)  in  die  ersterwähnte  indifferente  Verbindung  überführt  wurde. 
In  demselben  Zeitraum  führt  endlich  noch  der  Harn  einen  Säureüberschuss 
aus  dem  Körper  ab,  der  ungefähr  5  g  Na(HO)  äquivalent  ist. 

Von  einer  gewissen  Seite  her  betrachtet,  stellt  sich  also  der 
gesamte  tierische  Stoffwandel  als  Säurestoffwechsel  dar,  dessen 
imponierende  absolute  Grösse  schon  von  vornherein  eine  Vorstellung  davon 
giebt,  dass  Unterbrechungen  desselben  unter  Umständen  schwere  Stönmgeu 
herbeizuführen  imstande  sind.  Bei  der  Verbrennung  der  hochkonstituierteu 
Karbonsäuren  resultiert  schliesslich  die  zweibasische  Kohlensäure,  welche 
erheblich  mehr  Basis  zu  binden  imstande  wäre,  als  z.  B.  das  Quantum 
Stearinsäure,  von  welchem  sie  herstammt.  Für  den  Organismus  folgt  jedoch 
kein  Übelstand  daraus,  weil  die  Kolilensäure  durch  Vermittlung  einer  be- 
stimmten Drüse,  nämlich  der  Lungen,  beständig  als  solche  aus  dem  Blute 
entweicht,  und  dadurch  die  in  Anspruch  genommenen  Basen  inmier  wieder 
anderweitig  verfügbar  werden.  Die  höher  konstituierten  sauren  Verbrennungs- 
produkte gefährden  die  Basen  weit  stärker  und  sind  teilweise  auch  viel 
giftiger. 

C.  Sänreantointoxikation» 

A  priori  steht  Selbstvergiftung  des  Organismus  mit  Säuren  unter 
zwei  allgemeinen  Bedingungen  zu  erwarten: 

1.  Ist  die  vollständige  Behinderung  oder  wesentliche  Hem- 
mung der  Elimination  gewisser,  auch  aus  dem  normalen  Stoffw^andel 
resultierender  Säuren  geeignet,  Autointoxikation  herbeizuführen.  Abgesehen 
von  der  gestörten  Kohlensäureausscheidung  durch  die  Lungen  hat  sich 
aber  thatsächlich  die  beeinträchtigte  Exkretion  saurer  Verbindungen  durch 
Haut,  Darm  und  Nieren  von  relativ  geringer  pathologischer  Bedeutung 
herausgestellt. 

2.  Droht  Vergiftung,  wenn  saure  Zwischenstoffwechsel- 
produkte abnorm  reichlich  gebildet  werden,  beziehungsweise  wenn 
allmählich  zunehmend  oder  plötzlich  die  weitere  oxydative 
Umsetzung  bestimmter  solcher  saurer  Verbindungen  verlang- 


SäureautoiDtoxikation.  5g  1 

samt  wird.  Nach  dieser  Richtung  werden  wir  uns  zu  beschäftigen  haben 
mit  der  Fleischmilchsäure,  der  Oxybuttcr-  und  Acetylessigsäure,  der  Karba- 
minsäure,  den  Fettsäuren,  der  Oxalsäure,  der  Harnsäure,  den  aromatischen 
Oxysäuren,  der  Schwefel-  und  Phosphorsäure. 

Für  den  Begriff  der  Säureintoxikation  kommt  vor  allem  natürlich  jene 
Giftwirkung  der  Säuren  in  Betracht,  die  ihnen  vermöge  ihres  allgemeinen 
chemischen  Charakters  eigen  ist.  Hinsichtlich  der  organischen  Säuren  ist 
jedoch  auf  die  Individuahtät  schon  insofern  Rücksicht  zu  nehmen,  als  nicht 
alle  diese  Säuren  im  tierischen  Organismus  gleich  gut  oxydiert  und  damit 
unschädlich  gemacht  werden  können.  Ein  sehr  bemerkenswerter  Gegen- 
satz besteht  nach  dieser  Richtung  beispielsweise  zwischen  Essig-  und  ähn- 
lichen Fettsäuren  einerseits  und  Milch-  und  Oxalsäure  andererseits.  End- 
lich wird  ebenso  die  der  einzelnen  Säure  spezifisch  zukommende  toxische 
Wirksamkeit,  welche  in  vergleichbarem  Masse  auch  ihren  Salzen  eigen- 
tümlich ist,  bisweilen  ausschlaggebend  in  Betracht  kommen.  Ich  führe  als 
Beispiel  die  Karbaminsäureautointoxikation  an;  ebenso  wird  hier  wieder- 
holt an  die  ältere  klinische  Lehre  der  „Säuredyskrasien"  angeknüpft  werden 
müssen. 

Die  in  abnorm  reichUcher  Menge  im  Organismus  vorhandenen  sauren 
Verbindungen  können  sich  entweder  in  allen  Gewebssäften  verbreiten  oder 
sich  ausschliesslich  (vorwiegend)  in  emem  bestimmten  Organ  (Organsystem) 
anhäufen.  Im  zweiterwähnten  Falle  sind  auch  die  toxischen  Wirkungen 
meist  mehr  lokale,  und  die  wenigen  einschlägigen  Beispiele,  welche  uns 
die  klinische  Beobachtung  nachweist,  haben  eine  dementsprechend  geringere 
Bedeutung.  Im  ersteren  Fall  dagegen  kommt  es,  sobald  gewisse 
Schutzvorkehrungen  des  Organismus  unzulänglich  werden,  zur 
Bindung,  und  in  weiterer  Folge  durch  Intervention  der  secer- 
nierenden  Gewebe  zur  wirklichen  Entziehung  der  fixen  Alkalien. 

Physiologische  Bedeutung  der  Alkalien. 

Sowohl  die  l^ntziehuDg  als  die  Bindung  des  Alkalivorrates  ist  jedoch  geeignet, 
schwere  Folgen  nach  sich  zu  ziehen.  Die  Knochen  ausgenommen,  enthält  zwar 
der  Körper  überhaupt  bloss  etwa  ein  Prozent  Aschenbestandteile.  Eine  ganze  Reihe 
physiologischer  und  chemischer  Thatsachen  lässt  aber  beurteilen,  wie  grosse  Be- 
deutung der  mehr  oder  weniger  vollständige  Verlust  dieser  Mineralstoffe,  unter 
welchen  die  Alkalien  (und  alkalischen  Erden)  den  ersten  Platz  einnehmen,  er- 
langen kann. 

1.  Die  Mineralstoffe  sind  primäre  Zellbestandteile.  Das  Ei  weiss,  das  wich- 
tigste Molekül  des  Protoplasmas,  findet  sich  in  letzterem  stets  vergesellschaftet  mit 
Salzen  alkalischer  Basis,  besonders  mit  Kalium-,  aber  auch  mit  Calcium-  und 
Magnesiumphosphat.    Mehrere  Eiweisskörper,  die  Globuline  der  Gewebssäfte,  werden 


582  Allgem.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

durch  die  Alkalien  in  gelöstem  Zustande  erhalten.  Der  Vorrat  des  Organismus 
an  Kalisalzen  ist  typisch  auf  die  Zellen,  die  Natrium  Verbindungen  in  den  Säften 
aufgeteilt.  Auch  noch  in  anderer  Weise  erscheint  der  Tierkörper  in  zwei  Teile 
gesondert.  Die  geformten  Elemente  enthalten  alkalische  Basen  und  Phospbors&ure 
in  einem  solchen  Verhältnis,  dass,  beide  mit  einander  verbunden  gedacht,  die  Säure 
überwiegt;  in  der  Säftemasse  (Blutplasma,  Lymphe)  waltet  dagegen  das  Alkali 
vor.  Aus  dem  Gastrointestinaltrakt  werden  die  Alkalien  sehr  vollkommen  resorbiert 
und  ebenso  vollkommen  wieder  durch  die  Nieren  ausgeschieden;  nur  eine  relativ 
geringe  Aufspeicherung  über  die  Norm  kann  im  Organismus  stattfinden.  Das 
hinsichtlich  der  Alkalien  besonders  strenge  Gesetz  der  konstanten  Zusammensetzung 
der  Säfte  beherrscht  —  wir  nehmen  in  unserer  Nahrung  gewöhnlich  einen  Über- 
schuss  an  mineralischen  Stoffen  auf  —  die  Auswahl  schon  bei  der  AssimilatioD 
derselben  und  regelt  ebenso  ihre  Ausscheidung  bei  verminderter  Zufuhr.  Kaliarme 
Nahrung  ändert  nicht  die  typische  Zusammensetzung  der  Blutasche  des  Pflanzen- 
fressers.  Ebensowenig  kann  man,  wie  zu  erwarten  stände,  Kaninchen  durch  an- 
haltende reichliche  Kalizufuhr  grössere  Quantitäten  von  Natrium  entziehen.  Mit  dem 
BBcernierten  Harn  wird  nur  ein  verhältnismassig  kleiner  Teil  der  Alkalichloride 
und  Phosphate  aus  dem  Körper  geführt.  Bei  Inanition  und  im  Salzhunger  sinkt 
der  Gehalt  des  Urins  an  Mineralbestandteilen  bald  auf  relativ  geringe  Mengen 
herab. 

2.  Für  die  Diffusionen  zwischen  Blut-  und  Gewebsflüssigkeiten  kommen  das 
Natriumchlorid  und  wohl  auch  die  übrigen  Salze  wesentlich  in  Betracht  Bei  den 
Quellungsvorgängen  in  den  geformten  Gewebsbestandteilen  werden  die  typisch  ver- 
teilten Alkalisalze  mit  den  Ausschlag  geben.  Die  Mineralstoffe  sind  somit  ein  wichtiger 
Faktor  in  der  Physiologie  der  Aggregatzustände,  bezw.  der  Lymphbildung.  Aber  auch 
als  Material  für  die  Bereitung  von  Sekreten  kommen  dieselben  in  Betracht;  das 
Natriumchlorid  für  den  Magensaft,  die  Alkalikarbonate  für  Darm-  und  Pankreassaf^. 
Die  ausnehmende  Leichtigkeit,  mit  welcher  das  Blut  die  feinsten  Gefasse  durchschreitet, 
ist  der  geringen  Durchlässigkeit  der  Wände  derselben  für  alkalische  Flüssigkeiten 
zuzuschreiben.  Den  Nahrungsstoffen,  in  welchen  Verhältnissen  sie  sonst  auch  gemengt 
sein  mögen,  geht  ohne  Mitwirkung  der  Salze  die  Verdaulichkeit  (Resorption,  Assi- 
milation) ab.  Bei  den  sogenannten  plastischen  Prozessen  erscheinen  gleichfalls  die 
Ascheubestand teile  unentbehrlich.  Bei  einem  erzielten  Ansatz  von  Fleisch  am 
Körper  fehlt  in  den  Exkreten  die  jenem  Ansatz  entsprechende  Aschenmenge,  Stick- 
stoff* und  Phosphorsäure  in  den  Ausscheidungen  fallen  und  steigen  bei  Ansatz 
und  Abgabe  von  Fleisch.  Ferner  ist  den  Alkalien  auch  eine  wesent- 
liche Rolle  unter  den  Bedingungen  für  die  Fähigkeit  der  Gewebs- 
atmung  und  der  oxydativen  Stoffzerlegung  in  den  tierischen  Zellen 
zu  vindizieren.  Wie  sich  bei  Mangel  an  Mineralstoffen  in  den  Geweben  die 
Paarungen,  Spaltungen  und  Reduktionen  abweichend  gestalten,  darüber  fehlen  bis- 
her noch  spezielle  Erfahrungen.  Endlich  binden  die  Alkalikarbonate  so- 
wohl  die  mit  der  Nahrung  aufgenommenen,  als  die  lius  dem  Stoffwechsel 
in  den  Zellen  zufliessenden  Säuren.  Die  chemische  Wirkung  zwischen  Säuren 
und  Alkalien   kommt  einerseits  in  Rechnung  als  die  treibende  Kraft,    welche  den 


CfaemismoB  der  experimentellen  Säurevergiftung.  583 

sauren  Speisebrei  dem  alkalischen  Blute  einverleiben  hilft  Andererseits  führt  die- 
selbe chemische  Wirkung  die  sauren  End-  und  Zwischenprodukte  des  Stoffumsatzes 
aus  den  verschiedenen  Organen,  in  welchen  dauernd  die  Säuren  vorwalten,  in  den 
Kreislauf  und  überantwortet  sie  der  Elimination. 

Hinsichtlich  der  speziellen  Bedeutung  der  alkalischeo  Erden  im  Organismus, 
abgesehen  von  dem  Beitrage  der  Karbonate  und  Phosphate  derselben  zur  Alkalescenz 
von  Geweben  und  Säften ,  wäre  nur  folgendes  kurz  anzuführen.  Sowohl  in  den 
geformten  Gebilden,  als  in  der  Säftemasse  stehen  die  Phosphate  des  Kalkes  und 
der  Magnesia  in  naher  Verbindung  mit  den  organischen  Stoffen  (Eiweisskörpern). 
Die  weitaus  grossten  Mengen  der  genannten  beiden  Verbindungen  finden  sich  in  den 
Knochen  abgelagert  Das  Skelet  ist  es  auch,  welches  am  allermeisten  den  Schaden 
einer  abnormen  Kalkbewegung  im  Organismus  zu  tragen  hat  Inwiefern  die  wesent- 
liche Rolle,  welche  die  Kalksalze  bei  der  Blutgerinnung  spielen,  für  die  Auto- 
iutoxikation  speziell  in  Betracht  kommt^  ist  nicht  leicht  zu  entscheiden. 

Litteratur. 

1.  V.  Liebig,  Chemische  Briefe.  1865.  S.  289. 

2.  V.  Voit,  Handbuch  d.  Physiologie  des  Gesamtstoffwechsels.  1881.  S.  351. 

3.  Stadelmann,  Über  den  Einfluss  der  Alkalien  auf  den  menschlichen  Stoffwechsel.  1890. 

4.  Landsteiner,  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie.  Bd.  16.  S.  13. 

5.  Chvostek,  F.,  Centralblatt  für  klinische  Medizin.  1893.  Nr.  16. 

a)  Chemismus  der  experimentellen  Säurevergiftung. 

Unser  heutiges  Urteil  über  Vorhandensein  und  Intensität  von  Auto- 
intoxikationen mit  Säuren  ist,  soweit  es  sich  um  Alkalibindung  handelt, 
hauptsächlich  auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen  gewonnen.  Bei 
diesen  letzteren  wurden  entweder  durch  längere  Zeit  Versuchstieren  künst- 
lich salzarm  gemachte  Nährstoffe  gereicht,  oder  man  steigerte  —  meist 
sehr  rasch  —  die  Säurezufuhr  zum  Blute  vom  Verdauimgstraktus  her  durch 
direkte  Vergiftung  der  Tiere  mit  Mineralsäiu'en. 

Bei  Entziehung  der  Mineralbestandteile  der  Nahrung  gehen  die  Pro- 
zesse des  Stoffwechsels  erwachsener  Tiere,  Zerfall  und  Umsetzungen  im  Körper,  bis 
zum  Tode  anscheinend  in  ähnlicher  Weise  vor  sich,  wie  während  einer  die  Aschen- 
bestandteile  in  normaler  Menge  zuführenden  Ernährung.  Die  Ausscheiduog  von 
Mineralstoffen  dauert  im  Salzhunger,  wenn  auch  noch  so  erheblich  verringert, 
fort,  und  so  kommt  allmählich  doch  eine  VeränderuDg  der  Aschenbestandteile  des 
Organismus  zu  stände. 

Die  Erfahrung  lehrt  nun,  dass  der  letztere  selbst  eine  solche  relativ  gerioge 
Abnahme  der  Mineralstoffe  nicht  erträgt.  Beim  Hunde  zeigen  sich  zunächst  Störungen 
der  nervösen  Gentralorgane,  Ermüdung,  dann  bis  zu  Lähmung  sich  steigernde 
Muskelschwäche,  Tremor,  Sehstörung,  Stumpfsinn.  Auch  tritt  eine  Behinderung 
des  Überführens  der  Nahrungstoffe  in  resorbierbare  Modifikationen  ein,  wodurch 
alsbald  der  Ersatz  des  zerfallenden  Körpermateriales  unmöglich  gemacht  wird.   In- 


584  Allgem.  paibol.  Morphologie  und  Physiologie. 

folgedessen    leben    auch   mit    ausgelaugtem   Fleisch    uud    Fett    gefütterte  Hunde 
nicht  länger  als  völlig  hungernde. 

Die  Ursache  dieser  angeführten  schweren  Erscheinungen  ist  wenig- 
stens zum  Teil  in  (allmählich  entwickelter)  Säureautointoxikation  zu  suchen. 

Bei  der  oxydativen  Umsetzung  des  Nahrungsei  weisses  geht  der  Schwe- 
fel desselben  in  Schwefelsäure  über,  welche  unter  normalen  Bedingungen 
leicht  durch  die  basischen  Salze  der  Nährstoffe  gebunden  wird.  Bei  Er- 
nährung mit  salzfreien  Speisen  entzieht  dagegen  die  entstehende  Schwefel- 
säure den  Gewebszellen  basische  Bestandteile.  Die  vorstehende,  von  Bunge 
herrührende  Erklärung  der  Erscheinungen  des  Salzhiingers  ist  bisher  aller- 
dings nur  durch  folgendes  gestützt: 

Füttert  man  Mäuse  mit  aschenfreier  Nahrung,  so  gehen  alle  vor  dem  ein- 
undzwanzigsten  Tage  zu  Grunde,  fugt  man  der  Nahrung  bloss  Natriumchloiid  zu, 
so  leben  sie  auch  nicht  länger. 

Giebt  man  aber  so  viel  Soda  mit  den  aschenarmen  Nährstoffen,  dass  auf  je 
ein  Äquivalent  Schwefel  im  verabreichten  Eiweiss  ein  Äquivalent  Natrium  kommt, 
so  dass  sich  im  Organismus  saures  schwefelsaures  Natrium  bilden  kann,  leben  die 
Mäuse  doch  länger,  bis  36  Tage. 

Litteratur. 

1.  Förster,  Zeitschrift  für  Biologie.  9.  Bd.  S.  297. 

2.  Bunge,  Ebenda.  Bd.  10.  S.  130. 

3.  Lunin,  Zeitschrift  fQr  physiologische  Chemie.  Bd.  5.  S.  31. 

Die  Einspritzung  sehr  verdünnter,  nicht  ätzender 
Mineralsäuren  in  den  Magen  lässt  prägnantere  und  eindeutige  Resul 
täte  erzielen.  Je  nach  der  zum  Experimente  gewählten  Tiergattung  stellt 
sich  hierbei  allerdings  hinsichtlich  des  Grades  der  Wirkung  ein  durch- 
greifender Unterschied  heraus. 

Wird  einem  Pflanzenfresser  (Kaninchen)  im  Verlaufe  von  24  Stunden  so  viel 
verdünnte  Salzsäure  in  den  Magen  gebracht,  dass  ihre  Menge  0,9  g  HCl  pro  Kilo 
Tier  überschreitet,  so  tritt  im  Anschluss  an  schwere  Vergiftungss3rmptome  der 
Tod  eiu.  Das  Blut  der  Versuchstiere  verliert  während  des  Lebens  seine  alkalische 
Reaktion  nie  vollständig;  doch  ist  dieselbe  erheblich  abgeschwächt  Der  Kohlen- 
säuregehalt des  Blutes  ,  der  in  der  Norm  durchschnittlich  32  Vol.  Prozent  beträgt 
sinkt  während  der  Zufuhr  der  Säure  rapid  und  erreicht  kurz  vor  dem  Tode  der 
Tiere  Beträge  von  zwei  bis  drei  Prozent  Das  Vermögen  des  Blutes,  Basen  chemisch 
zu  binden,  welches  unter  normalen  Bedingungen  im  Mittel  0,130  Na  (HO)  für  100  oc 
Gesamtblut  entspricht,  wird  auf  0,207  bis  0,311  erhöht.  Das  Säurebindungsver- 
mögen, unter  physiologischen  Verhältnissen  durchschnittlich  gleich  0,167  Na  (HO) 
(ebenso  berechnet),  fällt  bis  auf  0,126.  (Eigene  Versuche).  Der  in  der  Versuchsdauer 
secernierte  Harn  enthält  den  grössten  Teil  der  einverleibten  Säure  in  Salzform. 


Chexnismas  der  experimentellen  Säure  Vergiftung.  585 

Wesentlich  verschieden  ist  der  Ausgang  des  Versuches  jedoch  beim  Fleisch- 
fresser. Der  Hund  erfahrt  selbst  nach  Verabreichung  von  Säuremengen,  welche 
das  beim  Kaninchen  tödliche  Quantum  um  das  Dreifache  übersteigen,  noch  keine 
tiefgreifende  Veränderung  seines  Wohlbefindens.  Die  Verminderung  des  Säure- 
bindungsvermögens,  bezw.  die  Herabsetzung  des  Kohlensäuregehaltes  des  Gesamt- 
blutes, hält  sich  innerhalb  viel  engerer  Grenzen  als  beim  Pflanzenfresser.  Im  Harn. 
erfolgt  eine  der  Säurezufuhr  entsprechende  Vermehrung  der  Säuren,  nicht  aber  zu- 
gleich der  fixen  Alkalien,  da  die  nachweisbare  Menge  der  letzteren  nicht  zur  Sättigung 
der  vorhandenen  Säuren  ausreicht 

Diese  relative  Immunität  des  Fleischfressers  gegenüber  der  höchst 
toxischen  Wirkung  selbst  verhältnismässig  geringer  Säuremengen  beim 
Pflanzenfresser  erklärt  sich  folgendermassen :  Bei  der  geringen  Avidität  der 
Kohlensäure  wird  fast  jede  zum  Blute  hinzutretende  anderweitige  Säure 
die  Karbonate  beinahe  im  Verhältnis  der  hinzu  gekommenen  Säuremoleküle 
zersetzen.  Indem  dieser  Anteil  Kohlensäure,  welcher  in  den  Lungen  entfernt 
wird,  für  den  Säurebestand  des  Blutes  nicht  weiter  in  Rechnung  kommt 
und  die  vorrätige  Basis  immer  wieder  anderweitig  verfügbar  wird,  ist 
eine  Pflanzen-  und  Fleischfressern  gemeinsame  Schutzvorkehrung  gegen 
Säureautointoxikation  geschaffen.  Bei  den  Karnivoren  werden  aber  durch  die 
»Säurezufuhr  noch  besondere  Quellen  für  das  Auftreten  von  Basen  im  Or- 
ganismus eröffnet:  hier  wird  zum  Schutze  der  unentbehrlichen  fixen  Al- 
kalien aus  dem  eigenen  Stoffwechsel,  und  zwar  aus  der  Spaltung  der  Ei- 
weisskörper  resultierendes  Ammoniak  vorgeschoben.  Die  näheren  physio- 
logischen Bedingungen  hierfür  sind  allerdings  bisher  nicht  festgestellt. 
Insbesondere  ist  der  Ort  der  Bindung  der  Säuren  an  das  Ammoniak  un- 
bekannt. 

Wie  mich  eigene  mit  einer  der  Wurster 'sehen  ähnlichen  Methode  der  Ammon- 
bestimmung  ausgeführte  Versuche  lehrten,  cirkuliert  auch  bei  reichlicher  Ausscheidung 
von  Ammoniak  im  Harn  mit  Mineralsäuren  vergifteter  Hunde  in  dem  Blute  selbst 
Ammoniak  in  kaum  nachweislicher  Menge.  Selbst  die  Verarbeitung  des  gesamten 
aus  den  Gefassen  fliessenden  Blutes  der  vergifteten  Tiere  liefert  keine  wesentlich 
in  ßetracht  kommenden  Quantitäten  von  Ammoniak.  In  den  Körpersäften  scheinen 
also  doch  vorwiegend  die  fixen  Alkalien  auch  beim  Fleischfresser  als  Vehikel  der 
fremden  Säure  eintreten  zu  müssen !  Nur  die  schliessliche  Entziehung  der  Alkalien 
aus  der  Ökonomie  verhütet  das  einspringende  Ammoniak. 

In  dem  erwähnten  Vermögen  des  Blutes,  durch  Entfernung  von 
Kohlensäure  den  Vorrat  an  Basis  für  anderweitig  hinzutretende  Säuren 
verfügbar  zu  halten,  und  in  jener  angeführten  physiologischen  Doppelrolle 
des  Ammoniak  im  Organismus  der  Karnivoren:  der  harnstoffbildenden 
und  neutraüsierenden  Funktion,  sind  aber  auch  im  wesentlichen  die  Schutz- 
vorkehrungen erschöpft,  welche  der  tierische  Organismus  überhaupt  bei 
gestörter  Wechselwirkung  zwischen   den  Alkalien  der  Gewebsflüssigkeiten 


586  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

und  den  sauren  Edukten  der  Gewebe  besitzt.  Dem  gegenüber  treten  an- 
dere Veranstaltungen  zur  Herabininderung  der  Acidität  der  Gewebssäfte 
und  der  Sekrete  (Harn),  z.  B.  die  Umwandlung  eines  Teiles  der  Schwefel- 
säure durch  Paarung  mit  aromatischen  Verbindungen  aus  einer  zwei- 
in eine  einbasische  Säure,  die  Umwandlung  des  neutralen  Kreatins  in  das 
stark  basische  Kreatinin  u.  s.  w.,  ganz  in  den  Hintergrund. 

Der  menschliche  Organismus  teilt  den  Vorzug  des  Fleischfressers 
einer  grösseren  Immunität  gegen  Säuren. 

Zufuhr  von  Salzsäure  verursacht  auch  beim  Menschen  eine  erhebliche  Steigenmg 
der  Animonausscheidung  im  Harn:  4  bis  8  g  ofiizinelle  Salzssaure  pro  die 
steigern  den  Säuregrad  des  Harnes,  verändern  aber  nicht  das  Säurebindungsver- 
mögen  des  Blutes.  Nach  Zufuhr  von  10  bis  13  g  Milchsäure  sinkt  dieses  letii&e 
Vermögen  um  ein  Fünftel  bis  ein  Viertel,  nach  Einverleibung  von  5  —  1 0  g  Wein- 
säure um  ein  Sechstel. 

Der  Säuregrad  des  Harns  steigt  nicht  entsprechend  der  eingeführten  Säure, 
weil  beide  genannten  organischen  Säuren  grösstenteils  oxydiert  werden. 

Nach  Massgabe  pathologischer  Erfahrungen  ist  jedoch  der  erwälmten 
Immunität  beim  Menschen  eine  bestimmte  Grenze  nach  oben  gesteckt. 
Jenseits  derselben  kommt  die  Säurevergiftung  auch  als  Autointoxikatiou 
zur  vollen  Geltung. 

b)  Symptomenbild  und  Pathologie  der  akuten  experimentellen 

Säureintoxikation. 

Das  Symptonienbild  der  akuten  Säurevergiftung  erscheint  nur  dann  in 
voller  Reinheit,  wenn  anatomische  Läsionen  der  Mucosa  des  Magendarmkanales 
vermieden  werden.  Den  Beginn  der  Erscheinungen  im  ausgeprägten  Bilde  der 
Intoxikation  beim  Kaninchen  bildet  eine  Steigerung  der  Respirationsfrequenz.  Dann 
werden  die  einzelnen  Atembewegungen  tiefer,  mühsamer,  es  tritt  hefUges  „Flanken- 
schlagen'' ein.  Die  Pulsfrequenz  lässt  sich  bald  nicht  mehr  kontrollieren;  man 
fühlt  zwar,  dass  der  Brustkorb  durch  die  Herzschläge  erschüttert  wird,  Zählungen 
sind  aber  nicht  ausführbar.  Das  Kaninchen  wird  zunächst  eigentümlich  atakliscb, 
später  verliert  es  die  Fähigkeit  sich  fortzubewegen  gänzlich  und  verharrt,  wohin 
man  es  auch  setzt,  träge  und  muskel schlaff  in  seiner  Lage.  Die  Korpertemperatur 
sinkt  schliesslich  progressiv,  nachdem  schon  früher  die  Wärmeproduktion  herabge- 
setzt war.  Während  der  letzten  Viertelstunde  schwindet  der  grosse  Charakter  der 
Respiration,  die  Herzaktion  wird  kaum  noch  wahrnehmbar,  der  zur  Erde  sinkende 
Kopf  kann  nicht  mehr  erhoben  werdeu.  Die  Atemzüge  hören  früher  auf  als  die 
Herzaktion. 

Die  wesentlichen  Züge  dieses  Vergiftungsbildes  sind  nicht  so  sehr 
durch  spezielle  nervöse  Erscheinungen  als  vorwiegend  durch  Dyspnoe, 
Herabsetzung  der  Herzthätigkeit,  Verminderimg  der  Wärmeproduktion,  am 
Schlüsse  durch  allgemeinen  Kollaps  bezeichnet. 


Symptomenbild  und  Pathologie  der  akaten  experimentellen  Säareintoxikation.       587 

Hinsichtlich  des  pathologischen  Zusammenhanges  der  einzelnen  Symp- 
tome ist  es  von  Wichtigkeit,  dass  der  Blutdruck  während  der  Dyspnoe  ge- 
steigert ist;  auf -venninderte  Herzarbeit  kann  somit  die  Dyspnoe  nicht  be- 
zogen werden.  Erst  nachdem  der  Umschlag  im  Charakter  der  Atmung 
eingetreten,  erst  wenn  dieselbe  flacher  geworden  ist,  erscheint  auch  der 
Blutdruck  erniedrigt.  Die  Respiration  sistiert  schliesslich  stets  früher  als 
die  Herzthätigkeit.  Es  darf  also  angenommen  werden,  dass  infolge  der 
Säureintoxikation  zuerst  eine  Reizung,  dann  eine  Lähmung  des  Atemcen- 
trums erfolgt,  welch  letztere  zur  Todesursache  wird.  Der  Einfluss  der  zu- 
geführten Säure  lässt  sich  paralysieren,  wenn  man  den  Versuchstieren 
gleichzeitig  Alkalien  reicht.  Auch  noch  im  vorgeschrittenen  Stadiimi  der 
verflachten  Respiration  und  des  gesunkenen  Blutdruckes  lässt  sich  durch 
Injektion  von  Natriumkarbonat  ins  Blut  Herstellung  der  Atmungs-  und 
Herzthätigkeit  erzielen.  Anatomische  Veränderungen  bestimmter  Organe 
brauchen  am  Tode  der  Tiere  kein  wesentliches  Verschulden  zu  tragen. 

Wenn  somit  unter  allen  Folgen  der  Alkalientziehung  die  Lähmung 
des  Respirationscentrums  nach  vorausgegangener  Reizung  desselben  als 
unmittelbai'e  Todesursache  festgestellt  betrachtet  werden  darf,  sind  hin- 
sichtUch  der  Art,  wie  die  Alkalientziehung  jene  Lähmung  herbeiführt,  ver- 
schiedene Vermutungen  möglich.  Um  Erstickung  infolge  Mangels  an  im 
Blute  cirkulierenden  Sauerstoff  kann  es  sich  nicht  handeln,  weil  der 
Sauerstoffgehalt  des  Blutes  auch  in  den  höchsten  Graden  der  experimen- 
tc41en  Säureintoxikation  des  Kaninchens  annähernd  normal  bleibt.  Mehr 
Berechtigung  haben  zwei  andere  Annahmen.  Nach  einer  dieser  beiden 
Vorstellungen  würde  das  Versuchstier  an  der  selbstproduzierten  Kohlen- 
säure ersticken,  weil  es  dieselbe  wegen  Abgang  des  nötigen  alkalischen 
Vehikels  nicht  mehr  aus  den  Geweben  (Atemcentrum)  zu  eliminieren  ver- 
mag; die  zweite  Vermutung  bewegt  sich  im  Sinne  einer  inneren  Gewebs- 
erstickung,  das  heisst  einer  Behinderung  der  Sauerstoffaufnahme  im  leben- 
digen Zellinhalt  trotz  ausreichenden  mit  dem  Blute  cirkulierenden  Sauer- 
stoffvorrates. 

Experimentelle  Untersuchungen,  welche  F.  Chvostek  in  der  ehe- 
mals Kahler  sehen  Klinik  ausführte,  haben  thatsächlich  erwiesen,  dass 
die  Grösse  der  durch  die  Sauerstoffaufnahme  bei  der  Atmung  gemessenen 
Oxydationen  im  Körper  von  nach  Walters  Vorschriften  vergifteten  Ka- 
ninchen kurz  vor  dem  Tode  durchschnittlich  um  40  Prozent  der  Norm 
absinkt.  Auch  die  im  Kalorimeter  abgegebene  Wärmemenge  des  Versuchs- 
tieres nimmt  ungefähr  entsprechend  ab. 

Litterat  ur. 

1.  Miquel,  Archiv  fQr  Heilkunde.  1851. 

2.  Eylandt,  Dissertation.  Dorpat  1854. 


588  Allgetn.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

3.  Trachtenberg,  Dissertation.  Dorpat  1861. 

4.  Gaethgens,  Centralblatt  für  die  med.  Wissenschaften.  1872.  Nr.  53. 

5.  Lassar,  Pflüg ers  Archiv.  Bd.  9.  S.  44. 

6.  Salkowski,  Virchows  Archiv.  Bd.  58.  S.  1.  1873. 

7.  Kurz,  Dissertation.  Dorpat  1874. 

8.  Hofmann,  Zeitschrift  fflr  Biologie.  Bd.  7.  S.  338. 

9.  Walter,  F.,  Archiv  für  experimentelle  Pathologie.  Bd.  7.  S.  148.  1877.     Wichtigste 
einschlägige  Arbeit. 

10.  Freudberg,  Virchows  Archiv.  Bd.  125.  S.  566. 

11.  Chvostek,  F.,  1.  c. 

12.  Schmiedeberg,  0.,   Über  das  Verhältnis  des  Ammoniak  und  der  primären  Monamis- 
basen  zur  HarnstoffbilduDg   im  Tierkörper.    Archiv  fttr  exper.  Pathologie.  Bd.  8.  S.  2. 

13.  Uallervorden,   Verhalten  des  Ammoniaks  im  Organismus  und  seine  Beziehung  zur 
HarnstofFbildung.    Ebenda.  Bd.  10.  S.  125. 

14.  Cor  and  a,  Archiv  für  experimentelle  Pathologie.  Bd.  12.  S.  76. 


c)  Klinische  Diagnose  des  Vorhandenseins  und  Beurteilung  des 
Grades  von  Säureautointoxikationen. 

Der  Massstab,  den  wir  aus  den  dargelegten  experimentellen  Unter 
suchungen  für  die  Beurteilung  des  Vorhandtoseins  und  der  Intensität  von 
Säureautointoxikationen  gewonnen  haben,  ist  von  solcher  Bedeutung  und 
so  allgemein  verwendbar,  dass  man  zur  klinischen  Feststellung  einer 
Selbstvergiftung  mit  Säuren  nur  möghchst  viele  Berührungspunkte  mit 
dem  Symptoraenbilde  und  den  Hauptmomenten  des  Chemismus  der  ex- 
perimentellen Säureintoxikation  wird  nachzuweisen  haben. 

Natürlich  darf  man  im  allgemeinen  nicht  erwarten,  dass  die  kli- 
nischen Bilder  von  Säureautointoxikation  immer  auch  mit  derselben 
Prägnanz  und  in  allen  Konsequenzen  als  Paroxysmus  sich  herausgestalten 
müssen.  Komplexe  Ätiologie,  die  spezifische  Giftwirkung  der  vorhan- 
denen Säuren,  Mitwirkung  verschiedenartiger  sonstiger  Gifte,  interkur- 
rierende  anderweitige  Funktionsstörungen,  eventuell  auch  vorhandene  ana 
tomische  Organveränderuugen  werden  das  klinische  Bild  zu  trüben  und 
selbst  zu  entstellen  geeignet  sein.  Die  Autointoxikation  wird  ferner  sehr 
oft  relativ  langsam  entstehe^  und  die  verursachten  Symptome  nur  Ob- 
jekte feinerer  klinischer  Wahrnehmung  sein.  Zu  bloss  mittlerer  Intensität 
entwickelt  kann  die  Störung  selbst  ausgleichsfähig  bleiben.  Wenn  die  \'er- 
giftung  Teilerscheinung  einer  anderweitigen  Krankheitsform  ist,  braucht 
sie  für  sich  auf  längere  Zeit  hinaus  gar  keine  bedrohlichen  und  in  die 
Augen  springenden  Symptome  hervorzurufen.  Es  kann  sich  dann  um  eine 
chronische  Nutritionsstörung  handeln,  die  einerseits  im  vagen  Gebiete  der 
Diathese  verharrt,  anderseits  aber  wieder  mit  mehr  oder  minder  plötz- 
lichem Debüt  zum  autotoxischen  Paroxysmus  ausarten  kann  und  au  die 
grossen  morbiden  Prozesse  heranreicht. 


Klin.  Diagnose  d.  Vorhandenseins  u.  Beurteilung  d.  Grades  von  Säureautointoxikationen.    589 

Die  einzelnen  Berührungspunkte,  welche  nach  dem  Bisherigen  im 
gegebenen  Falle  die  Analogie  des  klinischen  Krankheitsbildes  mit  dem 
Symptomenkomplex  der  experimentellen  Säurevergiftung  herzustellen  ge- 
eignet erscheinen,  sind,  kurz  zusammengefasst,  folgende: 

Zunächst  ist  immer  der  Frage  der  symptomatischen  Vergleich- 
barkeit  mindestens  hinsichtlich  der  prinzipiellen  Momente  Genüge  zu  leisten. 
Ferner  wird  direkt  oder  indirekt  der  Nachweis   einer  überschüssigen 
Produktion  bestimmter  Säuren  im  Körper  und  deren  vermehrter  Aus- 
scheidung zu  erbringen  sein.   Als  solcher  indirekter  Nachweis  kommt  beim 
Menschen  insbesondere  die  vermehrte  Ammoniakexkretion  im  Harn  in 
Betracht.  Zur  vorläufigen  Orientierung  genügt  es  auch  im  fraglichen  Einzelfalle 
während  weniger  Stunden  eine  bestimmte  Menge,  sechs  bis  zehn  Gramm 
Natrium  bicarbonicum  per  os  einzuführen  und  zu  sehen,  ob,  wie  dies  in  der 
Norm  stets  der  Fall  ist,   danach  der  ausgeschiedene  Harn  alkaüsch  wird. 
Bleibt  letzterer  auch  nach  Verabreichung  grösserer  Dosen  dieser  Verbindung 
deutlich  sauer,  darf  die  Acidität  der  Körperflüssigkeiten  als  gesteigert  an- 
genommen werden.     Endlich    hat   die  genaue  Verfolgung  der  klinischen 
Geschichte    der   verschiedenen  Formen   der  Säureautointoxikatiou  gezeigt, 
(liiss  schon  die  reichUche  Anwesenheit  bestimmter  einzelner  Verbindungen, 
wie  zum  Beispiel  des  Acetons  im  Harn,  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose 
im  Sinne  spezieller  Formen   von  Säurevergiftung  stellen  lässt.     Als  ganz 
direktes  Mass   für   die   Intensität   der  Autointoxikation   wäre,    wenn   sich 
das  Hauptaugenmerk  auf  die  Alkalientziehung  richtet,    die  quantitative 
Bestimmung  der  Blutasche  oder  die  Bestimmung  des  Verhältnisses 
von  Säuren  und  fixen  Basen  in  den  Exkreten  (Harn)  heranzuziehen. 
Hier  hätte  man  erwarten  dürfen,  dass  eine  ungefähre  Schätzung  schon  auf 
Gnind  wiederholter  Feststellung    des  Säuregrades    des   Harns   geschehen 
könnte.     Eine  Reihe  von  Aciditätsbestimmungen   im  Harn  (mittelst  eines 
vereinfachten  Maly'schen  Verfahrens)  hat  mir  aber  gezeigt,  dass  diess  unter 
den  hier   in  Betracht  kommenden  Verhältnissen  wenigstens  nicht   regel- 
mässig mögUch  ist.     Fasst  man,  was  in  Rücksicht  auf  klinische  Aufgaben 
meist  zweckdienlicher,  vorwiegend  die  Alkalibindung  ins  Auge,  so  stehen 
zwei  naheliegende  Masse  zur  Verfügung.     Das  eine  ergiebt  sich  aus  den 
Veränderungen,  welche  der  Gehalt  (des  Protoplasma  und)  der  Säftemasse 
an  alkalisch  reagierenden  Salzen  erfahren  hat.    Ein  anderes  beruht  im 
folgenden:     Bei  gleicher   Menge  der  Kohlensäure   im  Blut  ist  die  CO,,- 
Spannung  um  so  grösser,  je  geringer  die  Alkalescenz  des  Blutes  geworden 
ist.    Die   gesteigerte  COg-Tension    im   Blute    jedoch    führt    nach    meinen 
eigenen  Erfahrungen  zu  einer  Vermehrung  des  Kohlensäuregehaltes  des 
Harns,  ohne  Rücksicht  auf  die  Acidität  des  letzteren. 


590  AIIgeiD.  pathol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 


d)  Reaktionsverhältnisse  des  Blutes. 

Wenn  auch  fast  alle  Gewebe  des  Körpers  alkalisch  reagieren,  so 
findet  sich  doch  die  grösste  Menge  der  Alkalien  in  Blut  und  Lymphe. 
Das  Blut  darf  gewissermassen  als  Reserv^oir  und  Quelle  der  Alkalien 
gelten. 

Die  Sebwierigkeit  zu  entscheiden,  ob,  aus  rein  tbeoretischen  Gesicbtspunkten 
betrachtet,  das  Blut  sauer,  neutral  oder  alkalisch  sei,  und  unsere  unvollständigen 
Kenntnisse  über  die  Bindungsformen  der  Kohlensaure  im  Blute  sind  kein  Hindernis, 
die  festgestellten  Reaktionsverhältnisse  desselben  im  gegebenen  Falle  für  die  Be- 
urteilung des  Einflusses,  welche  die  Bindung  der  Alkalien  im  Blute  auf  die  chemi- 
schen Vorgänge  im  Organismus  übt,  zu  verwerten.  Die  physiologische  Betrachtung, 
bei  welcher  es  vor  allem  darauf  ankommt,  zu  erfahren,  wie  sich  das  Blut  gegen- 
über Säuren,  die  ihm  unter  normalen  oder  krankhaften  Bedingungen  zuströmeD, 
verhält,  legt  uns  auch  einfache  methodische  Mittel  für  diesen  Zweck  an  die 
Hand.  Zunächst  gestattet  die  Verwendung  gewisser  Pigmente  als  Indikatoren,  wenn 
die  speziellen  Eigenschaften  derselben  gehörig  berücksichtigt  werden,  allerdings 
nur  annähernd  richtig,  besonders  im  Vergleichsfalle,  das  Reaktionsvermögen 
des  Blutes  gegen  hinzutretende  Säuren  und  Basen  zu  schätzen.  Nach  seinem  ganzen 
physiologischen  Verhalten  scheint  das  Blut  einer  dünnen  Karbonatlösung  ver- 
gleichbar, welche  einen  gewissen  relativ  geringen  Bruchteil  Bikarbonat  enthalten 
kann.  Mit  Rücksicht  auf  die  in  dem  uns  interessierenden  Teile  der  Pathologie  gestellten 
Aufgaben  dürfen  wir  vor  allem  die  Gesamtkohlensäure  des  Blutes,  solange  das- 
selbe mit  intakten  Formelementen  in  den  Gelassen  kreist,  als  an  alkalische  Basis 
gebunden  rechnen.  Die  Abweichungen,  welche  sich  bei  Absorptionsversuchen 
hinsichtlich  der  Kohlensäurebindung  zwischen  Blut  und  entsprechenden  Natrium- 
karbonatlösungen herausstellen,  erklären  sich  wohl  durch  das  Auftreten  schwacher 
Säure  im  Blute  während  der  Dauer  des  Versuches.  Einerseits  sind  es  aus  ge- 
wissen Verbindungen  der  Blutkörperchen  (Nuklein Stoffen,  Lecithin)  freigewordene  und 
ins  Plasma  tretende  Säuren,  andererseits  ist  mit  Eiweisskörpern  („subaciden*'  Stoffen 
von  Jaquet)  zu  rechnen,  denen  schwach  saure  Affinitäten  zukommen.  Die 
Bohr'sche  Vermutung,  dass  im  Blute  direkte  Verbindungen  von  Hämoglobin  und 
Kohlensäure  enthalten  sind,  darf  hier  vorläufig  unberücksichtigt  bleiben.  Nach 
dem  Bisherigen  zeigt  somit  eine  Herabminderung  des  Gesamtkohlen- 
säuregehaltes des  Blutes  auch  ein  Gebundensein  der  Alkalien  durch 
anderweitig  stärkere  Säuren  an.  Für  seine  pathologisch  wichtigste  Fähigkeit, 
merkliche  Mengen  von  Säuren,  speziell  Kohlensäure,  aufzunehmen,  ist  namentlich  der 
Gehalt  des  Blutes  an  neutralem  Karbonat  von  Bedeutung.  Eine  wirkliche  Sättigung 
des  Blutes  (das  Natron  im  Blute)  mit  Kohlensäure  zu  Bikarbonat  kommt  (von  der  akuten 
Erstickung  etwa  abgesehen)  unter  pathologischen  Verhältnissen  wohl  kaum  je  in 
Betracht  Je  mehr  aber  Bikarbonat  in  einem  Blutgefassbezirk  vorhanden,  desto- 
wen iger  geeignet  erscheint  dort  das  Blut  als  Vehikel  der  aus  den  Geweben  nach- 
rückenden Kohlensäure.     Wenn  somit  auch  alle  Methoden   der  Alkalescenzbestim- 


Reaktionsverbälinisse  des  Blutes.  591 

mung  vorMiegned  die  beiden  Karbonate  zu  berücksichtigen  hätten,  verfugen  wir 
doch  über  keine  solche,  die  es  erlaubte,  mit  einfachen  Mitteln  die  Mengen  von 
Natriumkarbonat  und  Natrium hydrokarbonat  neben  einander  zu  bestimmen.  Des- 
halb ist  auch  zu  Aufschlüssen  über  die .  Reaktionsverhältnisse  des  Blutes  (beim 
Menschen  kommt  wohl  ausschliesslich  venöses  Aderlassblut  in  Betracht),  bezw.  über 
die  Verminderung  des  Gehaltes  des  Blutes  und  der  Gewebe  an  alkalisch  reagierenden 
Salzen  die  Bestimmung  des  Kohlesäuregehaltes  des  Blutes  besser  geeignet,  als  die 
titrimetrische  Bestimmung  des  Säurebindungsvermögens  des  Gesamt- 
blutes oder  des  Blutserums  (Alkalescenz)  und  die  Bestimmung  des  basen- 
bindenden  Vermögens  (Acidität)  des  Blutes.  Es  ist  nicht  einmal  darüber  volle 
Einigung  erzielt,  ob  für  die  Titraition  besser  das  Gesamtblut  oder  das  Plasma 
(Serum)  zur  Verwendung  kommen.  Die  in  der  Litteratur  vorliegenden  Werte  für 
die  Alkalescenz  sind  vielfach  numerisch  falsch,  weil  früher  das  Serumvolum  im 
Blute  nicht  berücksichtigt  werden  konnte. 

Litteratur. 

1.  Maly,  Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie  der  Wissensch.  Bd.  7.  IL  Abt.  S.  21. 

2.  Walter,  Archiv  für  exp.  Pathologie.  Bd.  VJI.  S.  148. 

3.  Meyer,  H.,  EbeDdas.  Bd.  XIV.  8.  313. 

4.  V.  Noorden,  Ebendas.  Bd.  XXII.  S.  225. 

5.  Y.  Jak  seh,  Zeitschr.  f.  klin.  Medizin.  Bd.  XIII.  S.  850. 

6.  Kraus,    F.,   Zeitschr.  f.   Heilkunde.   Bd.   X.   S.  106  und  Archiv   fQr  exp.  Pathologie. 
Bd.  XXVL  8.  186. 

7.  Drouin,  R.,  Thöse  (Paris)  1892  (G.  Stein  heil). 

8.  Rumpf,  Inaug.-Dissertation,  Kiel  1890. 

9.  Wiaternitz,  B.,  Zeitschr.  für  physiol.  Chem.  Bd.  XV.  8.  505. 

10.  Freudberg,  Virchows  Archiv.  Bd.  125.  S.  556. 

11.  Zuntz,  Med.  Centralhl.  Bd.  V.  8.  529  u.  S.  801,  Pflüger's  Arch.  Bd.  58.  8.  507,  511. 

12.  Loewy,  A.,  Pflüger's  Arch.  B.  58.  8.  462. 

13.  Jaqnet,  Archiv  f.  exp.  Pathologie.  Bd.  30.  8.  811. 

14.  T.  Limbeck,  Wiener  med.  Blätter,  1895. 

15.  Bleibtreu,  M.  und  L.,  Pflüger's  Archiv.  Bd.  51.  8.  151. 

(Vergl.  ausserdem  das  vollständige  einschlägige  Litteraturverzeichnis  bei  B.  Drouin.) 

e)  Die  Säuren  CnHn208  im  Chemismus  der  Säureautointoxikation. 

Die  bekannt  gewordenen  klinischen  Typen  der  Säureautointoxikation 
stellen  sich  zum  Teil  als  solche  dar,  bei  denen  vielmehr  die  allgemeine 
Giftwirkung  der  sauren  Verbindung  als  die  spezifische  toxische 
Wirksamkeit  einzelner  bestimmter  Säuren  in  Betracht  kommt.  Als  gemein- 
sames Moment  der  diesen  Typus  am  schärfsten  darbietenden,  auf  abnorm 
reichliche  Bildung,  beziehungsweise  auf  verzögerte  Weiteroxydation  saurer 
Zwischenstoffwechselprodukte  zurückzuführende  Gruppe  von  Selbstver- 
giftungen ergiebt  sich  die  hervorragende  Rolle  gewisser  Säuren  aus  der 
Gruppe     der   zweiwertigen  Alkoholsäuren    (Hydroxyfettsäuren)   CnHgnOg 


592  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

im  Chemismus  derselben.  Die  wichtigsten  hier  speziell  zu  nennenden 
Säuren  sind  die  optisch  aktive  Äthylidenmilchsäure  (Fleischmilchsäure) 
CH3  —  CHOH  —  COOH  und  die  optisch  aktive  /i?-Oxybuttersäure 
CH3  —  CHOH  —  CH2  —  COOH,  nebst  bestimmten  z.  T.  gleichfalls 
sauren  Derivaten  der  letzteren. 

Über  die  zwischen  dem  vom  Ei  weiss  abgespaltenen  stickstofffreien  C-baltigen 
Rest,  den  Kohlenhydraten  und  Fetten  einerseits  und  der  schliesslich  entstehendeo 
Kohlensaure  andererseits  liegenden  einzelnen  Oxydationsstufen  sind  nur  vorwiegend 
theoretische  Vermutungen  möglich.  Klarer  überblicken  wir  schon  den  allmählich 
fortschreitenden  Gang  der  oxydativen  Zersetzung,  welchen  die  in  Betracht  kommen- 
den Karbonsäuren  mit  hohem  C-Gehalt  einschlagen.  Augenscheinlich  giebt  es  hier 
mehrere  spezielle  Wege  der  oxydativen  Spaltung.  Zunächst  werden  die  C-reichen 
Moleküle  wohl  durch  fortgesetzte  Entziehung  der  CHg -Gruppe  abgebaut,  obwohl 
bisher  thatsächlich  nicht  alle  Zwischenstufen  von  der  Palmitinsäure  herab  zu  den 
C-ärmsten  Säuren  CnH2n02  im  tierischen  Körper  aufgefunden  sind.  Das  Vor- 
handensein der  Oxal-  und  Bernsteinsäure  im  Organismus  nötigt  femer  zur  Annahme, 
dass  die  Karbonsäuren  im  gewissen  Umfange  durch  eine  zweite  Serie  von  Oxydadon»- 
Produkten  zur  Kohlensäure  gelangen.  Die  zweibasischen  Säuren  CnH^n-sO«  | 
können  durch  Oxydation  der  Fettsäuren  CnHgnOg  oder  solcher  zweiwertiger  Oxt- 
fettsäuren  entstanden  sein,  in  denen  das  Hydroxyl  an  CH2  gebunden  ist.  Obzwar 
mehrere  Fettsäuren  direkt  hydroxylierbar  sind,  ist  es  dermalen  nicht  übersehbar,  j 
woher  und  wie  die  natürliche  Gruppe  dieser  letzteren  Säuren  (CnH^nOg)  im  Körper 
sich  ableitet;  hier  können  uns  bloss  physiologische  und  pathologische  I 
Erfahrungen  Aufschluss  verschaffen.  Thatsächlich  sind  bestimmte  1 
Glieder  jener  Reihe,  z.  B.  gewisse  Milchsäuren,  dem  Chemismus  des  ! 
Tierkörpers  adäquate  Verbindungen.  Das  typische  Endprodukt  der 
Verbrennungen  im  Organismus,  die  Kohlensäure,  hat  gleichfalls,  allerdings  vor- 
wiegend theoretische  Beziehungen  zu  diesen  Oxysäuren.  Als  unterstes  Glied  der 
Säuren  CnHgnOg  erscheint  nämlich  die  hydratische  Kohlensäure  (Oxyameisen- 
säure),  welche  aber,  wie  bekannt,  im  Freizustand  nicht  existenzfähig  ist  und  als  zwei- 
basische Säure  von  den  höheren  homologen  doch  wesentlich  abweicht.  Mit  Rücksieht 
auf  die  angeführten  allgemeinen  chemischen  Beziehungen  der  in  Betracht  kommenden 
Karbonsäuren  unter  einander  werden  sich  wohl  die  erwähnten  Oxydationsreihen 
im  Chemismus  des  Tierkörpers  mannigfach  durchkreuzen,  und  es  wird  deshalb 
gestattet  sein,  die  bei  Autointoxikationen  viel  weniger  ins  Ge- 
wicht fallenden  Fettsäuren  CnHgnOg  neben  den  hier  ungleich 
wichtigeren  Oxysäuren  zu  betrachten.  Ganz  allgemein  wird  dann  wohl  die 
Stellung  der  bei  den  verschiedenen  Formen  der  Säureautointoxikation  massgebenden 
einzelnen  Säuren  in  deren  cheniischer  Gruppe  die  Stufe  bezeichnen,  auf  welcher  die 
retardierten  Oxydationen  stehen  geblieben  sind.  Aber  deshalb  müssen  diese 
verschiedenen  Vergiftungsformen  nicht  einfach  als  stehen  geblie- 
bene Phasen  der  normalen  regressiven  Metamorphose  und  als  Aus- 
druck einer  einzigen,  nur  der  Intensität  nach  wechselnden  Nutritions- 
störung  angesehen  werden! 


Die  Säuren  GnHsnOa  im  Chemismus  der  Säureautointozikation.  593 

1.  Die  Fleischmilchsäure  ist  eine  auch  unter  physiologischen  Verhält 
Dissen  in  kleiner  Menge  aus  verschiedenen  Geweben  und  Flüssigkeiten  des  Körpers 
gewinnbare  Säure.  Dieselbe  wird  stetig  in  den  Muskeln  und  (vielleicht)  auch  in  den 
Drüsen  gebildet,  findet  sich  häufig  im  Blute  enthalten,  geht  aber  normalerweise 
nicht  in  den  Harn  über,  sondern  wird  im  Organismus  zu  Kohlensäure  und  Wasser 
oxydiert.  Dem  entspricht  auch  die  Erfahrung,  dass  Milchsäure  und  ihre  Salze, 
per  08  oder  intravenös  eingeführt,  ausserordentlich  rasch  zu  Kohlensäure  bezw.  in 
kohlensaure  Salze  verwandelt  werden,  welche  dann  in  den  Harn  übertreten. 

Unter  pathologischen  Bedingungen  ist  ihr  Auftreten  in  grösseren 
Mengen  sowohl  während  des  Verlaufes  bestimmter,  experimentell  hervor- 
rufbarer Störungen  als  auch  klinisch  zu  beobachtender  Krankheitszustände 
sicher  festgestellt.  Es  ist  noch  strittig,  ob  die  Bildung  der  Milchsäure 
hierbei  ausschliesslich  aus  einer  Zerlegung  von  Kohlenhydrat  herzuleiten, 
oder  ob  ihr  Ursprung  teilweise  auch  in  den  Eiweissstoffen  zu  suchen  sei. 
Seit  man  jedoch  weiss,  dass  im  tierischen  Organismus  nach  bestimmten 
Verhältnissen  Zuckerbildung  aus  Eiweiss  von  statten  geht,  hat  diese  Streit- 
frage viel  an  Bedeutung  eingebüsst.  Die  Frage,  ob  eine  Verbindung  den 
Kohlenhydraten  des  Körpers  oder  dem  N-freieu  Teil  des  Eiweissmoleküls 
entstammt,  braucht  nicht  mehr  getrennt  behandelt  zu  werden,  da  die 
ersteren  bei  kohlenhydratfreier  Kost  aus  dem  letzteren  sich  regenerieren. 
Die  strikte  Unterscheidung  zwischen  einem  „fermentativen"  Ursprung  der 
Milchsäure  (aus  Glykogen)  und  einem  solchen  als  Produkt  der  regressiven 
Stoffmetamorphose  (Kohlenhydrate,  Eiweisskörper)  ist  wohl  ebenfalls  belang- 
los. Ob  bei  einem  besonders  reichlichen  Auftreten  der  Milchsäure  im  Organis- 
mus die  oxydativen  Spaltungen  in  den  betrefEenden  Geweben  nach  völlig 
normalem,  oder  (teilweise)  nach  abweichendem  Typus  verlaufen,  steht 
gleichfalls  noch  dahin.  Eine  indirekte  Beleuchtung  erfahren  die  einschlä- 
gigen Verhältnisse  dadurch,  dass  bei  allen  pathologischen  Prozessen,  in 
deren  Chemismus  die  Milchsäure  eine  hervorragende  Rolle  spielt,  /J-Oxy- 
butter-  und  ^cetylessigsäure  gleichzeitig  nicht  erscheinen  und  Aceton  nur 
gelegentUch  beobachtet  wurde.  Bemerkenswert  scheint  noch,  dass  unter 
diesen  Bedingungen  Zucker  bald  erscheint,  bald  fehlt. 

Die  hierher  gehörigen,  experimentell  hervorruf  baren  Formen  der 
Selbstvergiftung  charakterisieren  sich  ziun  Teil  als  Oxydationshemmung 
infolge  von  Sauerstoffmangel  in  den  Geweben,  zum  Teil  aber  auch, 
und  gerade  diese  sind  die  pathologisch  bedeutungsvolleren,  er- 
klären sie  sich  ungezwungener  aus  dem  Wegfallen  bestimmter 
Funktionen  einzelner  Organe  (der  Leber). 

Hoppe-Seyler  und  seine  Schüler  betrachten  ganz  allgemein  den 
Sauerstoffmangel  als  Ursache  für  die  Entstehung  der  Milchsäure.  Dass 
eine  Bildung  derselben  in  den  Muskeln  oder   anderen  lebenden  Organen 

LnbarBoh-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  II.  38 


594  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

bei  genügendem  Sauerstoff  überhaupt  stattfinde,  wird  bezweifelt.  Es  sei 
vielmehr  höchst  wahrscheinlich,  „dass  Milchsäurebildung  bei  Abwesenlieit 
von  freiem  Sauerstoff,  die  Bildung  von  Kohlensäure  und  Wasser  an  ihrer 
Stelle  bei  Anwesenheit  des  Sauerstoffs  eine  allen  lebenden  Protoplasmen 
(in  Gegenwart  von  Glykogen  oder  Glykose)  allgemein  zugehörende  Eigen 
Schaft  darstellt." 

Die   wichtigsten   Experimente,   auf  welche  diese  Ansicht  sich   stützt,   sind 
folgende.     Araki  liess   zunächst  Tiere   in  einem  abgeschlossenen  Räume    atmen, 
dessen  Luft  stetig  abgesogen  und  durch  Kalilauge  von  Kohlensaure  befiieit  wurde, 
während  für  den  verbrauchten  Sauerstoff  atmosphärische  Luft  nachströmte,  sodass 
der  Partialdruck  des  O  der  Atemluflt  beständig  sank.    Der  danach  von  mit  Fleisch 
gefutterten  Hunden    abgeschiedene    Harn    enthielt  neben  Eiweiss    und    Traub^- 
zucker  immer  auch  Milchsäure,  bald  wenig,  bald  aber  in  grösseren  Mengra.    Bei 
Hungertieren   wurde  unter  gleichen  Verhältnissen  etwas  Milchsäure   und  Eiweiss, 
aber  kein  Zucker  gefunden.    Ähnliche  Ergebnisse  wurden  an  mit  Weizen  gefuiterteo 
bezw.  hungernden  Hühnern  verzeichnet     In  Versuchen  von  Hunden,   Kaninchen 
und  Hühnern,  die  mit  Kohlenoxyd  bis  zum  Eintreten  starker  Vergiftung  behandelt 
wurden,  liess  sich  ebenfalls  Übertreten  von  Eiweiss,  Zucker  und  Milchsäure  in  den 
Harn  erzielen.    Starben  die  Versuchstiere  wegen  zu  starker  Erniedrigung  des  Sauer- 
Btoffgehaltes  der  Atmosphäre  oder  zu  intensiver  Kohlenoxydvergiftung,  fanden  sich 
Zucker  und  Milchsäure  in  beträchtlicheren  Mengen  im  Blute.    Bei  Vergiftung  mit 
Curare  und  künstlicher  Respiration  enthielt  das  Blut  gleichfalls  Zucker  und  Milch- 
säure, Harn  wurde  wenig  ausgeschieden.   Bei  curaresierten  und  bei  mit  Strychnin  ver- 
gifteten Fröschen  fand  sich  im  Harn  ebenfalls  Zucker  und  Milchsäure.    Bei  Appli- 
kation von  Morphium,  Amylnitrit,  Kokain  ergaben  sich  vielfach  ähnliche  Resultate. 
Benützt    wurden   zu  diesen   (in   der  zweiten  Mitteilung  Arakis   referierten)  Ver- 
suchen wiederum  Frösche,  Kaninchen  und  Hunde,  zum  Teil  nach  reicher  Ernäh- 
rung, zum  Teil   nach   einigem  Hungern.     Nach  Morphiumvergiftung   trat  Zucker 
und  Milchsäure  in  bedeutender  Menge   im  Urin  auf,  ersterer  besonders,   falls  die 
Tiere   gut  genährt   waren.     Eiweiss    fehlte  öfter.     Nach  Intoxikation    mit  Amjl- 
nitrit  waren  im  Kaninchenharn  enorme  Mengen  von  Milchsäure  enthalten.   Eiweiss 
fehlte  meist    Die  Glykurie  erwies  sich  auch  hier  als  von  der  Ernährung  abhängig. 
Beim  Hunde  erschienen  die  Versuchsresultate  durch  das  konstant  sich  einstellende 
Erbrechen  getrübt    Kokain  war  in  seiner  Wirkung  dem  Morphium  ganz  ähnlich. 
Araki  hält  es  für  ganz  unzweifelhaft,   dass  bei   allen  diesen  Intoxikationen  der 
Sauerstoffmangel    die  Ursache  der  Eiweiss-,   Zucker-  und   Milchsäureausscheidung 
sei.     In  einer  dritten  Mitteilung  behandelt  Araki  die  Wirkung   künstlicher  Ab- 
kühlung bei  Hunden  und  Kaninchen  auf  die  Abscheidung  von  Zucker  und  Milch- 
säure im  Harn,  ferner  die  Wirkung  des  Veratrins  in  dieser  Richtung  bei  Fröschen. 
Die  Tiere  wurden  bis  auf  Rektumtemperaturen  von  23 — 26^  abgekühlt     Es  fand 
sich  stets  viel  Zucker  und  Milchsäure,   und  konstant  auch  viel  Eiweiss  im  Harn. 
Nach  Araki  lähmt  hier  die  Kälte  die  Respiration  und  bewirkt  Sauerstofimangel. 
Subkutan  beigebrachtes  Veratin  führte  bei  Fröschen  auch  die  Abscheidung  von  Zucker 
und  Milchsäure   im  Harn   hervor.     In    einer  vierten   einschlägigen  Arbeit  endlidi 


Die  Sftoren  CnHinOs  im  ChemiBmuB  der  Säureautointoxikation.  595 

bezieht  Araki    auch  die  Ausscheidung  der  Milchsäure  im   Harn   von  Kaninchen 
und  Hunden  bei  Phosphor-  und  Arsenigesäurevergiftung  auf  ßauerstofiinangel    in 
den  Geweben.    Infolge  der  Abnahme  der  Herzthätigkeit  wurde  die  Blutcirkulation 
wesentlich    verlangsamt   und   die  Sauerstoffabgahe  des   Blutes    an   die   Organe  in 
ähnlicher  Welse  vermindert,  wie  die  Sauerstofiaufnahme  aus  der  Luft  in  die  Lungen. 
ZiUesen  hat  bei  Hunden   die  A.  femoralis    möglichst    hoch    unterbunden   und 
6  Stunden  später  Blut  aus   der  Vena  femoralis   entnommen.     Darin   fanden   sich 
nur  geringe  Mengen   von  Milchsäure  und  Zucker.     Auch  der  Harn   enthielt    ein 
wenig  Milchsäure.     Grössere  Quantitäten  werden  erhalten,  als  die  A.  abdominalis 
ligiert  und   aus  der  V.   cava   nach   2 — 6  Stunden  Blut  aufgefangen  wurde.     An 
drei  Kaninchen  und  drei  Hunden  wurde  die  A.  hepatica  unterbunden.    Die  Hunde 
überstanden   die  Operation   meist  gut     Der  nach    der   Operation   entleerte  Harn 
enthielt,  in  allen  Fällen  Milchsäure,  Zucker  zeigte  sich  nur  bei  einem  Kaninchen. 
Es  wurde  von  ZiUesen  hieraus  geschlossen,  dass  auch  die  Leber  die  in  ihr  ge- 
bildete  Milchsäure   bei    Beschränkung    der    Sauerstofizufuhr   nicht  vollständig   zu 
oxydieren  vermag.     Weiter  wird  auch  angenommen,  dass  die  im   Fieber 
und  manchen  Krankheiten  beobachtete  Abnahme  der  Blutalkalescenz 
auf  der  Bildung  von  Milchsäure    infolge  Sauerstoffmangels   der  Ge- 
webe beruhe.     Bei  Blausäureintoxikation  (Kaninchen,  Hunde)  konnte  gleichfalls 
Milchsaure    in  reichlicher  Menge  im  .Blute   nachgewiesen    werden.     Die  gebildete 
Milchsaure  verschulde  auch  hier  die  Alkalescenzverminderung  des  Blutes.  Irisawa 
endlich   zeigte,  dass  bei  der  experimentell  erzeugten  Anämie  ein   um  so   höherer 
Milchsäuregehalt  des  Blutes  sich  herausstellt,  je  grösser  der  Blutverlust  gewesen  ist. 
Ob  in  allen  diesen  Versuchen  das  Auftreten  der  Milchsäure  wirklich 
durch   nichts   weiter  als  durch   eine  blosse  Behinderung  der   oxydativen 
Vorgänge  im  allgemeinen  bedingt  ist,   soll  hier  nicht   näher  untersucht 
werden.    Jedenfalls    wurde    nicht   überall   bestimmt   entschieden,   ob   der 
Sauerstoffmangel    an    und   für    sich    oder    vielmehr    die    Unfähigkeit 
bestimmter   Gewebe,   den  vorrätigen  Sauerstoff  zur   Oxydation 
der  Milchsäure  zu  verwerten,    die   Ursache   ihrer  Ausscheidung   im 
Harn  gewesen  ist.    Für  den  speziellen  Fall  der  Blausäurevergiftung,  welch 
letztere,  wie  Geppert  nachgewiesen,  als  innere  Erstickung  der  Organe  bei 
Gegenwart   überschüssigen  Sauerstoffs    aufzufassen   ist,  sind   die   Gewebe 
ganz  bestimmt  der  Fähigkeit  der  Sauerstoffbindung  beraubt! 

Hier  genügt  es  vollständig,  darauf  hinzuweisen,  dass  es  eine  ein- 
schlage, ausgeprägt  gleichfalls  nur  experimentell  zu  erzeugende  Autointo- 
xikation giebt,  für  welche  der  von  Hoppe-Seyler  und  seinen  Schülern 
festgehaltene  Gesichtspunkt  ganz  bestimmt  nicht  in  Betracht  kommt.  Icli 
meine  die  nach  Ausschaltung  der  Leber  bei  Gänsen  (Enten)  resul- 
tierende Säurevergiftung,  welche  wichtige  Andeutungen  und  Winke 
für  die  menschliche  Pathologie  enthält. 

Die  Ausschaltung  der  Leber  ist  ein  bei  Vögeln  deshalb  leichter  durchfuhrbares 
Experiment,  weil   dieselben  neben  dem  Pfortaderkreislauf  in  der  Leber  ein  ähn- 

38* 


596  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

liches  Gefasssystem  in  der  Niere  besitzen.  Nach  Ligierung  der  Pfortader  gelangt 
das  Blut  vom  Darme  durch  die  Niere  zur  Vena  cava  inferior.  Wenn  man  nun 
bei  Gänsen  die  Leber  teils  durch  Unterbindung  der  zufuhrenden  Gefässe,  teils  durch 
Ezsürpation  ausschaltet,  stellt  sich  der  Harn  zunächst  stets  sauer  dar,  auch  wenn 
er  vorher  alkalisch  gewesen.  Die  (zwölfstündige)  Stickstoffausseheidung  sinkt  auf 
zwei  bis  ein  Drittel  des  früher  beobachteten  Wertes.  Die  Ausfuhr  der  Harnsäure^ 
welche  im  Vogelham  den  Harnstoff  vertritt  und  vorher  im  Betrage  von  etwa  1—4  g 
ausgeschieden  worden,  sinkt  auf  ein  Zwanzigstel  bis  ein  Dreissigstel  der  Norm,  so 
dass  sie  nur  mehr  drei  bis  vier  Prozent  des  gesamten  Stickstoffgehaltes  des  Harns 
ausmacht.  Dagegen  ist  die  Ammoniakausscheidung  so  gesteigert,  dass  in  dem 
nach  erfolgter  Entleerung  abgesonderten  Harn  50 — 60®/o  des  Stickstoffes  in  dieser 
Verbindung  erscheinen.  Das  Ammoniak  nimmt  dann  die  Stelle  ein,  welche  normaler- 
weise unter  den  stickstoffhaltigen  Bestandteilen  der  Harnsäure  zukommt.  Einen 
Hauptbestandteil,  bis  über  die  Hälfte  der  festen  Stoffe  des  Harns, 
bildet  nach  der  Entleberung  die  Fleischmilchsäure,  von  welcher  in 
12  Stunden  bis  3,5  g  ausgeschieden  werden,  während  im  normalen  Harn  diese 
Säure  überhaupt  nicht  nachweisbar  war.  Die  Menge  der  secemierten  Milchsaare 
ist  so  gross,  dass  sie  das  Äquivalent  der  ausgeschiedenen  grossen  Ammoniaktnenge 
beträgt.  Als  Quelle  der  Milchsäure  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  die 
Umsetzung  der  Eiweisskorper  anzunehmen,  da  die  grösste  Menge  der  Säure 
nach  voraufgegangener  Fleischnahrung  ausgeschieden  wird. 

Minkowski  nimmt  an,  dass  die  nach  dem  soeben  geschilderteiv 
von  ihm  gemachten  Eingriff  im  Harn  des  Versuchstieres  erscheinende 
Milchsäure  Produkt  der  regressiven  Stoffmetamorphose  im  Gesamtorgaiiis- 
nms  ist.  Die  Leber  sei  hierbei  nur  das  Organ,  welches  im  normalen  Zu- 
stande durch  die  Blutcirkulation  die  gebildete  Milchsäure  empfängt  und 
weiter  umsetzt.  Fällt  nach  dieser  Voraussetzung  die  Leberfunktion  fort, 
so  muss  eine  Accumulation  der  Säure  im  Körper  die  Folge  sein. 

Wenn  die  Annahme  einer  solchen  speziellen  Wirkung  des  Mangels  der 
Leber  nicht  naheliegenden  Einwänden  begegnen  will,  muss  durch  die  ganze 
Versuchsanordnung  ausgeschlossen  sein,  dass  die  aus  den  zerfallenden 
Leberzellen  und  anderweitigen  in  Betracht  kommenden  Zellen  stammende 
Milchsäure  nicht  in  den  Kreislauf  aufgenommen  wird.  Da  die  Säure  viel- 
leicht in  allen  nekrotisierenden  Protoplasmen  entsteht,  wird  die  Leber  unter 
analogen  Bedingungen  keine  Ausnahme  machen.  Die  Geschwindigkeit,  mit 
welcher  gerade  die  aus  der  Cirkulation  entfernten  Leberzellen  absterben,  ist  eine 
besonders  grosse:  der  Kernschwund  beim  Absterben  vollzieht  sich  hier  nach 
meinen  Erfahrungen  fast  vollständig  in  etwa  60  Minuten  1  Derjenige  Teil  der 
Versuche  Minkowskis,  in  welchen  bei  der  Unterbindung  sämtlicher  zai- 
ührender  Gefässe  die  Leber  stehengelassen  wurde,  erscheint  also  nicht 
vollkommen  beweiskräftig.  Bei  dem  grösseren  Teil  der  Experimente  wurde 
aber  die  Totalexstirpation  des  Organs  ausgefülirt  unter  Versuchsbedingungen, 


Die  Säuren  CnHsaOs  im  Chemisrous  der  Säareaatointoxikation.  597 

unter  denen,  wenn  man  nicht  gewaltsam  deuteln  will,  nicht  an  ein  Über- 
gehen halbwegs  in  Betracht  kommender  Milchsäuremenge  aus  der  Leber 
ins  Blut  gedacht  werden  kann.  Den  noch  möglichen  Einwand,  dass  bei  der 
Operation  erhebliche  Störuilgen  der  Cirkulation  in  den  grossen  Venenstämmen 
des  Portalsystems  schwer  zu  vermeiden  sind,  und  dadurch  die  Darm- 
epithelien  geschädigt  werden,  beseitigte  Minkowski  selbst,  indem  er 
in  einer  neuen  Versuchsreihe  einer  Anzahl  Enten  sämtUche  zuführende 
Lebergef ässe ,  ausgenommen  die  A.  hepatica,  unterband  und  eine  Aus- 
scheidung von  Milchsäure  im  Harn  hierbei  nicht  nachweisen  konnte. 

Die  Umwandlung  gewisser  organischer  Säuren  in  der  Leber  in  an- 
dere (höher  oxydierte)  Verbindungen  braucht  aus  allgemeinen  pathologischen 
Gesichtspunkten  weder  ein  ausschliessUches ,  noch  ein  unbegrenztes  Ver- 
mögen darzustellen.  Gleichwohl  hat  eine  solche  Anschauungsweise  prin- 
zipielle Bedeutung  für  die  Lehre  der  Stoffwechselanomalien  überhaupt. 
Erstlich  erscheint  hiermit  ein  neues  wichtiges  Beispiel  für  die  auch  sonst 
sich  äussernde  Funktion  der  Leber,  Gifte  zu  arretieren,  gegeben.  Dann 
wäre  liinsichtlich  einer  dem  Körper  sonst  adäquaten  sauren  Verbindung 
nachgewiesen,  dass  der  Ausfall  einer  spezifischen  Organfunktion  (Histozym- 
wirkung)  dieselbe  bis  zu  toxischer  Wirksamkeit  im  Körper  ansammeln  lässt 
Diese  toxische  Wirkung  gipfelt  wahrscheinlich  darin,  dass  dem  Organismus 
Ammoniak  entzogen  wird,  wodurch  indirekt  eine  Störung  der  Hamsäure- 
bildung  bewirkt  wird.  Eine  anscheinend  allgemeine  Ernährungsstörung 
wäre  damit  an  bestimmter  Stelle  im  Körper  lokalisiert.  Mit  der  vorstehend 
entwickelten  Auffassung  wäre  es  auch  immer  noch  vereinbar,  wenn  die 
Umsetzung  der  Säure  nicht  gerade  in  der  Leber  selbst  von  statten  ginge, 
sondern  an  anderen  physiologischen  Orten  unter  Mitwirkung  (eines  Histo- 
zyms,  internen  Sekretes)  dieses  Organes.  Es  handelte  sich  dann  um  eine 
Wirkung  denjenigen  analog,  welche  das  Pankreas  bei  der  Zuckerumsetzung 
im  Tierkörper  ausübt. 

An  dieser  Stelle  sei  endlich  noch  eine  weitere  experimentelle  Form 
der  Säureautointoxikation  angeführt,  welche  in  pathogenetischer  Hinsiqht 
nicht  so  vollständig  klar  ist,  nämlich  die  Säurevergiftung  der 
Pflanzenfresser  bei  intensiver  Muskelarbeit. 

Der  thätige  Muskel  produziert  Säure  (vermutlich  vorwiegend  Fleischmilchsaure) 
in  nicht  unbeträchtlicher  Qualität  und  in  gewissen  Verhältnissen  zur  geleisteten 
Arbeit  Selbst  unter  sonst  physiologischen  Bedingungen  darf  also  intensive,  aus- 
gebreitete und  anhaltende  Kontraktion  von  Muskeln  aus  dem  Gesichtspunkte  einer 
eventuell  zu  schweren  Erscheinungen  führenden  Säurewirkung  betrachtet  werden. 
Die  vorliegenden  Erfahrungen  zeigen  auch  hier  den  bestehenden  Unterschied  zwischen 
Fleisch-  und  Pflanzenfresser. 


598  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Bei  im  StrjchnintetanuB  zu  Grunde  gegangenen  Kaninchen  erscheint  der 
Kohlensäuregehalt  des  Bluter  auf  beinahe  ein  Drittel  der  Norm  herabgesunken. 
Auch  direkte  Bluttitrierung  ergiebt  Herabsetzung  der  Alkalescenz  bis  auf  die 
Hälfte.  Ebenso  kann  bei  längere  Zeit  mittelst  elektrischer  Reize  tetanisierten 
Kaninchen  ganz  plötzlich  der  Tod  eintreten,  welcher  dann  als  Folge  progressiven 
Absinkens  der  Gewebsalkalescenz ,  als  Wirkung  akuter  Säurevergifitung,  gedeutet 
werden  kann. 

Dagegen  wohnt  dem  Hunde  (bei  reichlicher  Fleischkost)  eine  grossere  Wider- 
standsfähigkeit gegen  die  bei  Muskelarbeit  entstehenden  Säuren  inne;  nach  einem 
zu  Beginn  der  Muskelanstrengung  schnell  erreichten  Minimum  der  Blutalkalescenz, 
wobei  übrigens  die  Schwankung  weit  weniger  beträchtlich  ist  als  beim  Pflanzen- 
fresser, tritt  ein  Regulationsmechanismus  in  Thätigkeit,  der  ein  weiteres  Absinken 
der  Alkalescenz  verhindert 

Auch  hier  könnte  man  nun  das  den  Karnivoren  zur  Verfugung  stehende 
labile  Alkafi  (Ammoniak)  zur  Erklärung  dieses  difierenten  Verhaltens  heranziehen. 
Ebenso  viel  Wahrscheinlichkeit  hat  jedoch  die  Annahme  einer  grosseren  Geschwindig- 
keit der  Oxydation  saurer  Zwischenstoffwechselprodukte  im  Organismus  des  Fleisch- 
fressers. 

Vielleicht  gewinnen  durch  das  Vorstehende  gelegentliche  klinische 
Beobachtungen  über  das  Erscheinen  von  Fleischmilchsäure 
im  Harn  von  Soldaten  nach  grossen  Märschen,  ferner  bei  Epileptikern 
nach  dem  Anfalle  und  bei  Trichinose  eine  gewisse  Bedeutung. 

Im  Chemismus  der  klinisch  zu  beobachtenden  Säureautointoxikationen 
kommt  der  Milchsäure  übrigens  nur  eine  relativ  geringe  Bedeutung  zu. 
Da  Minkowski  gezeigt  hat,  dass  ein  verhältnismässig  kleiner  Teil  des 
Leberparenchyms  genügt,  um  die  säurezerstörende  Funktion  zu  erfüllen, 
wird  es  auch  begreiflich,  wie  selten  und  in  wie  geringem  Grade  bei 
leberkranken  Menschen  die  Störungen  dieser  Funktion  sich  geltend  machen. 

Dass  übrigens  die  kranke  Leber  doch  nicht  immer  ihrer  Aufgabe  nach  dieser 
Richtung  vollkommen  gerecht  wird,  beweist  das  Auftreten  von  gelegentlich  be- 
trächtlichen Milchsäuremengen  bei  akuter  Leberatrophie  und,  wenigstens  in  einzelnen 
Fällen,  auch  bei  Lebercirrhose.  Konstanter,  aber  nicht  bedeutend,  erscheint  bei 
letzterer  Erkrankungsform  die  Acidität  des  Harns  erhöht.  Die  vermehrte  Ammon- 
ausscheidung  der  Leberkranken  muss  bei  einer  späteren  Gelegenheit  noch  einmal 
ausführlicher  diskutiert  werden. 

Bei  einem  jungen  Mädchen  mit  Icterus  catarrhalis  fand  R.  Oroni  eine  Blut- 
alkalezcenz  von  bloss  180  mg  Na(HO)  pro  100  ccm  (statt  der  Normalzahl  dieses 
Autors  205).  Renzi  und  Marotta  wollen  gar  in  einem  Falle  von  Gastroduod^al- 
katarrh  mit  intensivem  Ikterus  die  Reaktion  des  Blutes  „sauer"  (1)  gefunden  haben. 
In  einem  Falle  von  Hepatitis  interstitialis  mit  intensivem  Ikterus  und  in  emem 
Falle  von  akuter  gelber  Leberatrophie  soll  die  Reaktion  „neutral**  gewesen  sein. 
In  einem  Falle  von  hypertrophischer  Cirrhose  mit  Ikterus,  ebenso  in  einem  Falle 
von    atrophischer  Lebercirrhose   wird  die   alkalische  Reaktion  kaum   nachweislich 


Die  Säuren  CnHioOs  im  Ghemismus  der  Sftureaatointoxikation.  599 

bezeichnet  Auch  v.  Jak  ach  beobachtete  bei  einer  gewissen  Zahl  von  Kranken 
mit  schweren  Leberafiektionen  (ein  Fall  von  Carcinom,  drei  Fälle  von  hypertrophi- 
scher Cirrhose,  ein  Fall  von  Icterus  gravis,  ein  Fall  von  Icterus  febrilis)  ein  be- 
merkenswertes Absinken  des  alkalimetrischen  Titre.  Bei  katarrhalischem  Ikterus 
fand  V.  Jaksch  die  Blutalkalescenz  normal.  Peiper  endlich  konstatierte  gleich- 
falls verminderte  Alkalescenz  bei  vier  leberkranken  Individuen  (Cholelithiasis, 
Icterus  catarrhalis,  zwei  Fälle  von  Hepatitis  interstitialis).  Fünf  Fälle  von  Car- 
cinoma hepatis,  bei  welchen  für  die  Alkalescenzverminderung  des  Blutes  auf  das 
Neoplasma  an  sich  angeschuldigt  werden  könnte,  rechnet  Peiper  deshalb  nicht 
hierher. 

E.  Schütz  untersuchte  mit  verlässlicher  Methode  den  Harn  von  30  Krank- 
heitsfällen (Leberkrankungen,  Vitium  cordis,  dyspnoische  Phthisiker)  un<i  fand 
keine  Milchsäure.  Er  erhielt  bloss  oxyphenylessigsaures  (und  oxyphenylpropion- 
saures)  Zink  (und  Hippursäure  (?)).  Er  warnt  mit  Becht,  jedes  Zinksalz  aus  Harn 
auf  Grund  der  Kr y stallform  für  milchsauer  zu  halten;  die  Analyse  ist  unbedingt 
nötig. 

Abgesehen  von  Fleischmilchsäure  enthielten  die  Harne  von  Menschen,  deren 
Lebergewebe  schwer  erkrankt  ist,  gelegentlich  grössere  Mengen  von  Fettsäuren, 
hinsichtlich  deren  freilich  schwer  auszuschliessen  ist,  ob  sie  nicht  aus 
dem  Darme  stammen. 

Litterat  ur. 

1.  Araki,  T.,  Zeitschrift  für  physiol.  Chemie.   Bd.  15.  S.  335.   Bd.  15.  S.  546.  Bd.  16. 
8.  453.  Bd.  17.  S.  311. 

2.  Irisaws,  T.,  Ebendaselbst  Bd.  17.  S.  340. 

3.  Zillesen,  H.,  Ebendaselbst   Bd.  15.  S.  387. 

4.  Hoppe-Seyler,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Stoffwechsel  bei  Sauerstoffmangel.    Fest- 
schrift zn  R.  Virchows  70.  Geburtstage. 

5.  Minkowski,  Archiv  für  exp.  Pathologie.  Bd.  21.  S.  91  und  Bd.  31.  S.  214. 

6.  Cohnstein,  W.,  Virchows  Archiv.  Bd.  130.  S.  332. 

7.  Stadelmann,  Archiv  fttr  exp.  Pathologie.  Bd.  17.  S.  442. 

8.  Hallervorden,  Ebendaselbst.    Bd.  12.  S.  287. 

9.  Schatz,  £.,  Zeitschrift  fOr  physiol.  Chemie.  19.  Bd.  S.  482. 

10.  Manzer,  Prager  med.  Wochenschrift  1892.  Nr.  34. 

11.  V.  Jaksch,  Strassburger  Naturforscherversammlung.  1885. 

12.  Heuss,  Archiv  für  exp.  Path.  Bd.  26.  S.  147. 

13.  Moscatelli,  ibidem.  Bd.  27.  S.  158. 


2.  Mit  der  linksdrehenden  /?-Oxybuttersäure  muss  gleichzeitig  die 
Acetylessigsäure  CHs— CO— CHgCOOH  und  das  Aceton  CHg-CO—CHg  in 
Betracht  gezogen  werden. 

Zwischen  den  genannten  drei  Verbindungen  bestehen  sehr  nahe  chemische 
Beziehungen.  Insbesondere  geht  auch  ausserhalb  des  Organismus  die  Acetylessig- 
säure sehr  leicht  in  Aceton  über.  Die  Acetylessigsäure,  eine  /J-Ketonsäure,  kann 
als  Aceton  aufgefasst  werden,  in   welchem  ein  H-Atom   durch  Karboxyl  ersetzt 


600  AllgeiQ.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

ist,  so  dass  die  Bezeichtfung  Acetonkarboneäure  gerechtfertigt  erscheint  Beim 
Erwärmen,  beim  einfachen  Stehen  in  verdünnter  Lösung  spaltet  sich  auch  die 
Säure  in  Kohlensäure  und  Aceton.  Die  Salze  sind  ebenso  unbeständig  und  erleiden 
analoge  Zersetzimgen.  Wie  alle  Oxysäuren  mit  der  sekundären  Alkoholgruppe 
]>CHOH  ist  auch  die  /^-Oxybuttersäure  leicht  oxydierbar  zur  entsprechenden 
/^-Ketonsäure  (Acetylessigsäure).  Durch  Oxydation  mittelst  Chromsäuremischmig 
erfolgt  die  Überführung  direkt  in  Aceton.  Umgekehrt  ist  die  Oxybuttersäure  künst- 
lich darstellbar  durch  Reduktion  aus  Acetylessigsäure. 

Diese  nahe  chemische  Verwandtschaft  und  die  Thatsache,  dass  die 
/y-Oxybuttersäure  eigentlich  nur  mit  den  beiden  andern  genannten  Vor- 
bindungen gemeinsam  im  Harn  erscheint,  lässt  es  von  vornherein  als  selir 
wahrscheinlich  annehmen,  dass  alle  drei  Stoffe  der  gleichen  Nutri- 
tionsstörung  ihr  Entstehen  verdanken. 

Der  nähere  Zusammenhang  der  angeführten  drei  Verbindungen  im 
kranken  Organismus,  beziehungsweise  das  Verhältnis  der  Oxybuttersäure- 
ausscheidung  (Acetonacidurie)  zur  Acetylaceturie  (Diaceturie)  und  zur  Ace- 
tonurie  hat  jedoch  bisher  eine  verschiedene  Auffassung  erfahren. 

Wenn  alle  drei  Verbindungen  in  den  Harnen  kranker  Menschen  erscheinen, 
pflegt  kein  Parallelismus  zu  bestehen  zwischen  Oxybutter-  und  Acetonausscheidung, 
eher  zeigt  sich  hier  sogar  ein  Antagonismus.  In  zahlreichen  klinischen  FäUen 
erscheint  durch  längere  Zeit  Aceton  allein  im  Harn.  Besser  entsprechen  einander 
die  Mengen  der  ausgeschiedenen  Oxybuttersäure  und  der  Acetylessigsäure.  Da, 
wie  bereits  hervorgehoben,  der  Zerfall  der  Acetylessigsäure  in  Aceton  und  Kohlen- 
säure gar  nicht  in  Störungen  des  Organismus  begründet  zu  sein  braucht  und 
eventuell  nach  Massgabe  unbestimmbarer  Verhältnisse  erst  in  der  Harnblase  er- 
folgt sein  kann,  kommt  es  im  gegebenen  Falle  bloss  darauf  an,  das  Verhältnis 
der  darstellbaren  Oxybuttersäuremenge  gegenüber  dem  Gesamtquantum  Aceton 
festzustellen,  welches  als  £-  und  Produkt  neben  der  Buttersäüre  aus  dem  in  be- 
stimmter Zeit  abgesonderten  Harn  gewonnen  werden  kann.  Aceton  und  Acetyl- 
essigsäure erscheinen  unter  diesen  Verhältnissen  hinsichtlich  ihres 
Auftretens  im  Harn  einfach  nebeneinander  geordnet 

Auf  Grund  klinischer  Beobachtungen  steht  nun  aber  fest,  dass 
die  unter  bestimmten  Verhältnissen  als  kontinuierlich  anhaltende 
Abweichung  für  sich  eintretende  Acetonurie  prognostisch  eine  weniger 
schwere  Affektion  darstellt,  als  die  Ausscheidung  von  Acetylessig- 
säure mit  oder  ohne  gleichzeitiger  Exkretion  von  /^-Oxybuttersäure, 
Häufig  geht  auch  die  Acetonurie  in  Fällen,  welche  im  vorgerückteren  Krankheits- 
stadium mit  der  Ausscheidung  aller  drei  Verbindungen  verknüpft  sind,  zeitlich 
voraus.  £s  ist  ferner  analytisch  durch  v.  Jaksch  nachgewiesen,  dass 
mit  dem  Auftreten  der  Acetylessigsäure  das  präformierte  Aceton  im 
Harn  verschwinden  kann. 

Zu   einer  Zeit,   als  das   Vorkommen    der  Oxybuttersäure    im  Harn 


Die  Säuren  CnHsoOj  im  Ghemismiifi  der  Säureautointoxikation.  601 

noch  nicht  nachgewiesen  war,  hat  nun  v.  Jak  seh   zur  Erklärung  dieses 
differenten  klinischen  Verhaltens  folgende  Hypothese  aufgestellt: 

Wenn  Aceton  im  Körper  in  vermehrter  Menge  auftritt,  ruft  es  Vergiftungs- 
ßvmptome  hervor.  Ist  diese  Menge  enorm  gross ,  vereinigt  sich  das  Aceton  mit 
den  aus  der  Eiweissspaltung  resultierenden  Säuren,  besonders  mit  Ameisensäure, 
und  so  entsteht  die  Acetylessigsäure.  Zum  Teil  aber  auch  mit  einer  Reihe  anderer 
Säuren,  so  dasa  jene  übrigen  (sauren)  Verbindungen  gebildet  werden,  welche  oxydiert, 
Aceton  liefern.  Die  Abnahme  des  Acetons  im  Harn  bei  gleichzeitigem  Erscheinen 
der  /^-Oxybuttersäure  wäre  dann  allerdings  leicht  verständlich,  indem  das  Aceton 
bei  Bildung  der  Oxybuttersäure  Anwendung  gefunden  haben  muss.  Wie  alle 
übrigen  Autoren  vermag  nun  aber  auch  v.  Jaksch  der  Acetylessigsäure  keine 
(erhebliche)  spezielle  Giftigkeit  zu  vindizieren.  Giftig  sei  immer  nur  das  Aceton. 
Die  Diaceturie  wäre  bloss  ein  Ausdruck  dafür,  dass  der  Organismus  mit  so  grossen 
Mengen  von  Aceton  überladen  ist»  wie  sie  zur  Hervorbringung  schwererer  toxischer 
Symptome  ausreichend  sind. 

Seitdem  jedoch  die  /^-Oxybuttersäure  unter  den  hier  in  Betracht 
kommenden  Verhältnissen  im  Blut  und  Harn  nachgewiesen  worden,  wird 
a  priori  kaum  jemand  mehr  im  Zweifel  bleiben,  dass  diese  Säure,  dem 
Verlaufe  des  Stoffwechsels  im  allgemeinen  entsprechend,  die  Vorstufe  der 
Acetylessigsäure  und  des  Acetons  im  Körper  bildet.  Abgesehen  von  den 
in  den  obenstehenden  Zeilen  angeführten  chemischen  Beziehungen  der  drei 
Verbindungen  ist  folgender  Thierversuch  ausschlaggebend  für  diese  Auf- 
fassung: 

Wenn  bei  der  Oxydation  der  /^-Oxybuttersäure  im  Organismus  wirklich 
Acetylessigsäure,  bezw.  Aceton  als  Zwischenstufen  entstehen  und  in  der  Norm  so- 
fort weiter  zersetzt  werden,  so  kann  man  erwarten,  dass,  wenn  man  bei  Tieren 
(durch  Vergiftung  mit  Kohlenoxyd)  eine  möglichst  einfache  und  direkte  Hemmung 
der  Oxydationen  herbeifuhrt,  diese  Zwischenstufen  in  Körpersäften  und  Exkreten 
nachzuweisen  sein  werden.  Araki,  welcher  auf  Grund  dieser  Überlegung  mit 
Kohleboxyd  vergifteten  Hunden,  Kaninchen  und  Fröschen  die  Oxybuttersäure 
als  Natriumsalz  beibrachte,  konnte  in  der  That  Aceton,  bezw.  Acetylessigsäure  in 
den  Hamen  auffinden. 

Mit  dieser  Anschauungsweise  kommt  man  zunächst  über  den  Wider- 
spruch in  der  v.  Jaksch' sehen  Hypothese  hinweg,  die  einerseits  bei  der 
Diaceturie  das  ursprünglich  vorhandene  Aceton  eine  Verbindung  eingehen 
lässt,  so  dass  kein  präformiertes  Aceton  mehr  in  den  Harn  enitritt,  und 
andererseits  doch  wieder  das  Aceton  trotz  seiner  Überführung  in  Acetyl- 
essigsäure, Oxybuttersäure  u.  s.  w.  als  das  ausscliHesslich  toxisch  wirkende 
Agens  hinstellt.  Auch  ist  es  damit  leicht  erklärlich,  dass  in  einer  bestimmten 
Reihe  von  Fällen  die  Oxybuttersäure  noch  vollständig  zu  Aceton  oxydiert 
wird,  während  in  einer  Reihe  schwererer  Fälle  die  Oxydationen  nicht  mehr 
über  die  Oxybuttersäure  hinausgehen.  In  der  Menge  der  im  Körper  ange- 


602  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

häuften  Oxybuttersäure  und  sonstigen  Säuren,  beziehungsweise  in  der 
grösseren  Intensität  der  Säurautointoxikation  überhaupt,  ist  nach  Mas* 
gäbe  der  Untersuchungen  Chvosteks  ein  ausreichender  Grund  für  diese 
Oxydationsheniraung  gegeben.  Wie  auch  sonst  vielfach  unter  pathologi 
scheu  Verhältnissen  bewegt  sich  hier  der  tierische  Cliemismus  in  einem 
Circulus  vitiosus.  Die  Vermelirung  der  Säuren  in  der  Ökonomie,  welche 
von  einem  Gesiclitspunkte  aus  an  sich  schon  eine  Retardation  der  Ver 
brcnnungsprozesse  bedeutet,  >>irkt,  sobald  sie  eine  bestimmte  Höhe  erreicht, 
selbst  wieder  oxydationshemmend. 

Die  Acetonurie  (Acetonämie)  als  klinisches  SymptomeubilJ 
verliert  dann  natürlich  ihre  selbständige  pathologische  Stellung, 
sie  ist  nur  der  Ausdruck  einer  gewissen  Form  der  Säureautoin- 
toxikation in  gelinderer  Intensität.  So  wird  die  Thatsache  verständ- 
lich, dass  Eiweisszerfall  (Stickstoffausscheidung)  und  Acetonurie  im  gegebeneu 
Falle  nicht  direkt  pro[)ortional  sind,  während  ein  annähernder  Parallelismus 
zwischen  Ammoniakausscheidung,  (welche  bereits  an  einer  früheren  Stelle 
als  Mass  der  Säurevergiftung  bezeichnet  werden  konnte),  und  dem  im 
Harn  erscheinenden  Aceton  erfahrungsgemäss  die  Regel  bildet.  So  erklärt 
sich  die  weitere  Thatsache,  dass  die  Fälle  von  (hochgradiger)  Acetonurie 
auch  solche  von  herabgesetzter  Blutalkalescenz  sind.  Und  endlich  wird 
auf  diese  Art  begreiflich,  dass  wenigstens  die  reinen  Abarten  der  Acetonurie, 
z.  B.  die  febrile,  thatsächlich  durch  Alkalizufuhr  eingeschränkt  werden  kann. 
Überflüssig  erscheint  nach  derselben  Anschauungsweise  die  Auf- 
stellung einer  immer  länger  werdenden  Reihe  gesonderter 
klinischer  „Formen''  der  Acetonurie. 

Aceton  ist  auch  unter  normalen  Bedingungen  in  allerdings  nur  sehr 
geringen  Mengen  im  Harn  von  Menschen  und  Tieren  gefunden  worden 
(physiologische  Acetonurie).  Acetylessig-  und  Oxybuttersäure  dagegen  er- 
scheinen unter  physiologischen  Verhältnissen  wohl  kaum  jemals  in  den 
Gewebssäften  oder  Exkreten. 

Es  braucht  kaum  nochmals  betont  zu  werden,  dass  die  Ausschei- 
dung der  drei  in  Rede  stehenden  Verbindungen  in  letzter  Linie  als  Oxy- 
dationshemmung sich  darstellt.  Der  gesunde  Organismus  verbrennt  alle 
diese  Substanzen  leicht  und  vollständig  zu  Kohlensäure.  Das  bereits  er- 
wähnte Tierexperiment  von  Araki  beweist  aber  natürlich  nicht,  dass  in 
klinischen  Fällen  das  Auftreten  dieser  Substanzen  lediglich  durch  eine 
Behinderung  der  Oxydationen  und  zwar  infolge  Sauerstoffmangels  der  Ge- 
webe bedingt  ist!  Sauerstoffmangel  existiert  in  allen  hier  in  Betracht 
kommenden  klinischen  Fällen  im  Organismus  durchaus  nicht,  ebensowenig 
eine  allgemeine  Oxydationsstörung.  Es  handelt  sich  vielmehr  um 
eine  beschränkte  Oxydationsstörung  in  ganz  spezieller  Rieh- 


Die  Säuren  GnUsnOs  im  Chemismus  der  Säureautointoxikation.  603 

tiing,  für  welche  wahrscheinlich  auch  noch  anderweitige  besondere  Nutritions- 
störxingen,  deren  Lokalisation  in  bestimmten  Organen  anzustreben  ist, 
mit  verantwortlich  sein  werden. 

Bestimmtes  über  die  Herkunft  der  drei  genannten  Verbindungen  im 
Organismus,  beziehungsweise  über  die  Art  dieser  angenommenen  besonderen 
Stoffwechselstörung,  lässt  sich  gegenwärtig  allerdings  nicht  behaupten. 

Die  ältere  Prager  Schule  (Petters,  Kaulich)  und  Markownikow  hatten 
vermutet,  dass  —  wenigstens  bei  den  Diabetikern  —  das  Aceton  unter  dem  £in- 
fluss  eines  Fermentes  (im  Darm)  aus  den  Kohlenhydraten  hervorgehe.  Külz  hielt 
für  wahrscheinlich,  dass  die  Oxybuttersäure  ein  normales  Oxydation sprodukt  des 
Traubenzuckers  darstellt.  Gegenüber  solchen  a  priori  nicht  ganz  unwahrschein- 
lichen Vermutungen  erscheint  es  nur  auffallend,  dass  thatsächlich  die  Aceton- 
acidurie  durchaus  nicht  parallel  zu  gehen  pflegt  mit  der  Zuckerausscheidung  im 
Harn,  ja,  dass  Jahre  lang  bei  reichlicher  Zuckerausfuhr  die  Oxybuttersäure  fehlt. 
Bei  absoluter  Fleischdiät  tritt  dagegen  selbst  unter  physiologischen  Bedingungen 
Acetonurie  ein  und  gerade  von  den  Kohlenhydraten  ist  festgestellt,  dass  sie  unab* 
hängig  von  eventuellen  Beeinflussungen  des  Stickstoflumsatzes  die  Acetonaus- 
scheidung  herabdrücken.  Überhaupt  tritt  die  hier  in  Betracht  kommende  Form 
der  8äureintoxikation  vielfach  unter  Verhältnissen  ein,  in  denen  der  Kohlehydrat- 
stofi*wechsel  wesentliche  Abweichungen  sonst  nicht  darbietet 

Hierdurch  erscheint  die  ziemlich  allgemein  bevorzugte  Anschauung  näher  gerückt, 
nach  welcher  die  Oxybuttersäure  ein  Spaltungsprodukt  der  Eiweisskörper 
ist.  Auch  hier  sei,  wie  bereits  gelegentlich  der  Besprechung  der  Milchsäure  im  Chemis- 
mus der  Autointoxikation  nur  betont,  dass  eine  ganz  prinzipielle  Trennung  der  Frage, 
ob  das  Aceton,  bezw.  die  /J-Oxybuttersäure  von  den  Kohlenhydraten  des  Organismus 
oder  von  dem  N-freien  Beste  des  Eiweissmoleküles  herzuleiten  sei,  unnötig  ist: 
Die  Eiweissstofle  sind  eine  Quelle  für  die  Kohlenhydrate  des  Körpers.  Als  ent- 
fernter Grund  gelten  die  von  Gautier  und  Etart  über  die  Bildung  von  Kroton- 
saure  bei  der  Zersetzung  der  Eiweisskörper  angestellten  Untersuchungen  für  das  Ent- 
stehen verwandter  Säuren  ausEi weiss  im  Organismus.  Das  Auftreten  von  Aldehyden 
(Acctaldehyd,  Butylaldehyd)  bei  Oxydation  der  Eiweissstoflfe  könnte  vielleicht  eben- 
falls dafüf  verwertet  werden.  Mehr  Berücksichtigung  verdienen  aber  wohl  die  Spal- 
tungsprodukte speziell  derjenigen  Eiweisskörper,  die  beim  Aufbau  der  tierischen 
Zelle  hervorragend  beteiligt  sind.  Es  ist  nun  in  der  That  A.  Kos  sei  gelungen, 
einer  aus  Thymus  gewonnenen  Nukleinsäure  durch  Säurebehandlung  in  relativ 
reichlicher  Menge  Lävulinsäure,  als  Acetylpropion säure  eine  Homologe  der  Acetyl- 
essigsäure,  abzuspalten.  Die  Versuche  Wein  trau  ds,  diese  übrigens  nicht  spezifisch 
giftige  Säure  mit  dem  Auftreten  der  Diaceturie  und  Acetonurie  in  Beziehung  zu 
bringen,  hatten  insofern  ein  Ergebnis,  als  im  Harn  der  Versuchstiere  nach  Ver- 
abreichung grösserer  Mengen  von  Lävulinsäure  eine  die  Acetonreaktion  gebende 
flüchtige  Substanz  erschien.  Die  Mengen  des  ausgeschiedenen  Acetons  waren  aller- 
dings gering.  Acetylessigsäure  konnte  nicht  nachgewiesen  werden.  Wichtiger  als  diese 
vereinzelten    analytischen   und    experimentellen  Erfahrungen   scheint  vorläufig   die 


604  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

klinische  Thatsache,     dass   fortgesetzte    exklusive  Eiweissdiät    das  Eintreten  der 
Säureintoxikation  begünstigt. 

Vielfach  sind  als  ausschlaggebende  Bedingungen ,  unter  welchen  im 
Organismus  aus  Eiweiss  Oxybuttersäui'e  und  Aceton  entstehen,  zwei  Mo^ 
mente  diskutiert  worden :  1.  die  abnorm  grosse  Zersetzung  von  cirkulieren- 
dem  Eiweiss  bei  reichlicher  Fleischzufuhr,  und  2.  der  pathologische  Zer- 
fall von  Organeiweiss.  Gewisse  Beziehungen  zwischen  krankhaftem  Ge 
wcbszerfall  und  der  Bildung  der  genannten  Verbindungen  mögen  bestehen. 
Entscheidend  scheinen  aber  beide  Momente  nicht  zu  sein.  Fest  sticht 
dass  bei  Diabetikern  auch  ohne  sehr  reichliche  Fleischkost  Acetonurie  zu 
beobachten  ist,  und  in  einem  Diabetesfalle  Weintrauds  blieb  der  Kranke 
trotz  fortgesetzter  Oxybuttersäure-  und  Acetonausscheidung  im  Stickstoff- 
gleichgewicht! 

Wenn  man  einem  bestechenden  Ideengange  Mi nkowskTs  folgen  will, 
hängt  das  Erscheinen  der  Oxybuttersäure  vielleicht  mit  Störungen  der  nor- 
malen Zuckerbildung  aus  Eiweiss  im  Körper  zusammen.  Die  Oxybuttersäure 
könnte  entstehen,  wenn  an  dem  N-freien  Rest  der  gespaltenen  Eiweiss- 
körper  die  Zuckerbildung  nicht  im  physiologischen  Umfange  erfolgt  Da5s 
die  Säure  eine  normale  Vorstufe  bei  der  Synthese  des  Zuckers  ist,  er- 
scheint dabei  minder  wahrscheinlich,  als  dass  sie  erst  dann  entsteht,  wenn 
die  Bildung  von  Zucker  pathologischerweise  behindert  ist. 

Über  das  Verhalten  der  anderweitigen  in  Betracht  kommenden  orga- 
nischen Säuren  bei  der  Form  der  Autointoxikation,  welche  speziell  durch 
Auftreten  der  Oxybuttersäure  und  ihrer  Derivate  charakterisiert  er- 
scheint, ist  wenig  bekannt.  Besonders  auffallend  ist  die  geringe  Zahl  von 
Fällen,  in  denen  in  Oxybuttersäureharuen  auch  Fleischmilchsäure  sich 
nachweisen  lässt.  Hiermit  stimmt  die  experimentelle  Erfahrung  überein. 
dass  in  den  Muskeln  durch  Pankreasexstirpation  diabetisch  gemachter 
Tiere  die  Milchsäure  nur  in  auffallend  geringer  Menge  vorhanden  ist. 
Dagegen  erscheinen  in  allen  hier  zu  betrachtenden  pathologi- 
schen Prozessen  öfter  die  niederen  Fettsäuren  in  verinehrter 
Menge  im  Urin. 

Die  /^-Oxybuttersäure,  beziehungsweise  ihre  angeführten  Derivate,  die 
Acetylessigsäure  und  das  Aceton,  erscheinen  zunächst  (alle  oder  zum  Teile) 
im  Chemismus  mehrerer  experimentell  hervorrufbarer  pathologischer  Zu- 
stände, Obzwar  die  Mengen,  in  welchen  die  genannten  Verbindungen 
dort  auftreten,  durchaus  nicht  ausschlaggebend  sind,  um  ein  paroxysmales 
Vergiftungsbild  zu  verursachen,  enthalten  diese  experimentell  pathologischen 
Prozesse  doch  im  mehrfachen  Betracht  Andeutungen  und  Winke  auch  für 
die  uns  klinisch  meist  interessierenden  Säureintoxikationen. 

Zunächst  käme  hier  das  allerdings  noch  recht  fragliche  Beispiel  einer 


Die  S&uren  CoHsnOs  im  Chemismus  der  Sftureautointoxikation.  605 

durch    Exstirpation    des    Plexus    coeliacus  bei    Kaninchen    und 
Hunden  erzeugbaren  Acetonurie  zu  erwähnen. 

Lustig  hat  bei  den  genannten  Tiergattungen,  bei  ersteren  in  überwiegender 
Zahl,  unter  aseptischen  Kautelen  den  Plexus  coeliacus  exstirpiert.  Alle  Versuche, 
in  denen  die  Wundheilung  nicht  tadellos  war,  wurden  eliminiert.  Die  meisten  Tiere 
starben  in  der  zweiten  bis  dritten  Woche  nach  der  Operation.  Starke  Abmagerung, 
trotzdem  die  Fresslust  und  Verdauung  der  Versuchstiere  bis  kurz  vor  dem  Tode 
ungestört  blieb,  bildete  das  hervorstechendste  Symptom  des  Krankheitsbildes.  Nach- 
dem der  Harn  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation  zuckerhaltig  gewesen  war, 
trat  Aceton  auf,  welchem  später  Eiweiss  folgte.  Die  Harnmenge  nahm  ab  und 
es  zeigte  sich  ein  Nierenepithelien  und  Blut  enthaltendes  Sediment  Die  meisten 
Tiere  gingen,  ohne  dass  besondere  Erscheinungen  vorausgegangen  wären,  plötzlich 
zu  Grunde.  Bei  zwei  Tieren,  die  den  Eingriff  überlebten,  verschwanden  die  Acetonurie 
und  die  Albuminurie  allmählich. 

Lustig,  der  eine  gleichartige  Affektion  auch  hatte  erzeugen  können,  indem 
er  Kaninchen  mehrere  Gramm  Aceton  pro  die  durch  Inhalation  oder  per  os  zu- 
führte, trug  kein  Bedenken,  anzunehmen,  dass  das  nach  dem  Eingriff  in  den  Säften 
der  Versuchstiere  kreisende  reichliche  Aceton  Ursache  der  Albuminurie,  der  Nephritis 
und  selbst  des  unter  komatösen  Erscheinungen  schliesslich  erfolgenden  Todes  sei. 
Über  die  Entstehungsart,  bezw.  über  die  Bildungsstätte  des  Aceton  in  seinen  Ver- 
suchen enthielt  sich  Lustig  jeder  Vermutung. 

Peiper,  welcher  Lustigs  Versuche  bei  16  Kaninchen  wiederholte,  konnte 
die  bis  zum  Marasmus  sich  steigernde  Abmagerung  der  Versuchstiere  bei  gesteigerter 
Fresslust  bestätigen.  Er  beobachtete  ferner  ausgesprochene  Stuhlretardation.  Melli- 
turie  fand  sich  nur  in  den  ersten  Tagen.  Die  von  Lustig  behauptete  Ace- 
tonurie und  Albuminurie  vermochte  Peiper  bei  Wochen  hindurch 
fortgesetzter  Untersuchung  nur  bei  zwei  Kaninchen  in  ganz  geringem 
Grade  nachzuweisen.  Lustig  hatte  sich  zur  Prüfung  auf  das  Vorhandensein 
von  Aceton  der  bekannten  Methoden  von  Legal  und  Le  Nobel  bedient.  Peiper 
wendet  das  zuverlässige  und  scharfe  Verfahren  nach  Lieben,  Reynolds  und 
Gunning  an  und  ist  nicht  abgeneigt,  in  der  Verschiedenheit  des  eingeschlagenen 
Reaktionsverfahrens  den  Grund  zu  suchen,  dass  er  andere  Resultate  gefunden. 
Die  Nephritis  in  den  Experimenten  Lustigs  möchte  Peiper  aus  der  Ver- 
wendung des  Sublimats  zur  Desinfektion  des  Operationsfeldes  erklären. 

Wenn  nun  auch  Lustig  auf  Grund  neuer,  an  Hunden  und  Kanin- 
chen ausgeführter  Versuche  mit  ausreichenden  Methoden  des  Acetonnach- 
weises  nochmals  für  Acetonurie  als  Folge  der  Ausrottung  des  Plexus 
coelianufl  eingetreten  ist,  kann  man  dieses  Symptom  nach  dem  heutigen 
Stande  unserer  Kenntnisse  doch  nicht  als  etwas  Konstantes  und  Charak- 
teristisches gelten  lassen.  Wo  nach  dem  genannten  Eingriff  Acetonurie 
gelegentlich  als  Begleiterscheinung  neben  den  übrigen  vorherrschenden 
Symptomen  beobachtet  wird,  ist  zur  Erklärung  zunächst  an  die  enorme 
Beeinträchtigung    in    den    Funktionen    des    Darmes    zu    denken, 


606  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

welche  in  derartigen  Experimenten  ja  auch  die  Todesursache  wird.  Wir 
werden  später  noch  sehen,  wie  hervorstechend  wenigstens  in  der  mensch 
liehen  Pathologie  Digestionsstörungen  verschiedener  Art  für  die  Ent 
stehung  der  Situreintoxikation  (Acetonurie)  in  Betracht  kommen. 

Unter  solchen  Verhältnissen  können  weitere  Angaben  Lustigs,  dass  auch 
Resektion  der  beiden  Nn.  splanchnici,  Exstirpation  des  Plexus  abdominalis  leichte 
transitorische  Acetonurie  verursacht,  kein  besonderes  Interesse  beanspruchen.  Nur 
ganz  beiläufig  sei  schliesslich  erwähnt,  dass  Oddi  bei  fünf  Hunden  nach  der 
Cl.  Bernard  sehen  Piqüre  neben  Glykurie  auch  sieben  bis  neun  Tage  lang  an- 
haltende, dann  verschwindende  Acetonurie  beobachtete.  Die  Tiere  zeigten  stärkeren 
Gewichtsverlust  trotz  auffallender  Gefrässigkeit  Das  gleiche  Resultat  sollen  auch 
Einschneiden  des  einen  Hirnschenkels,  einseitige  Exstirpationen  im  Berdche  der 
motorischen  Rtndenfelder,  Entfernung  eines  Kleinhirnlappens  haben! 

Litteratur. 

1.  Lustig,  A,  Arch.  p.  1.  Scienze  Medlche.  Bd.  13.  S.  129. 

2.  Peiper,  K,  Zeitschrift  ffir  klin.  Medizin.  Bd.  17.  S.  498. 

3.  Lustig,  Lo  Sperimentale.  Bd.  45.  S.  435. 

4.  Oddi,  R.,  Ebendaselbst.  Bd.  45.  S.  458. 

Bedeutungsvoller  ist  die  Ausscheidung  der  in  Rede  stehenden  Ver- 
bindungen beim  künstlichen  Phlorhidzin-  und  beim  Pankreas- 
diabetes. 

Im  Phlorhidzin,  einem  in  der  Wurzelrinde  verschiedener  Fruchtbäume  sich 
findenden  Glykosid,  hat  v.  Mering  eine  Substanz  gefunden,  welche  per  os  oder 
subkutan  (auch  intravenös)  eingeführt  bei  Gänsen,  Hunden,  Kaninchen  und  auch 
beim  Menschen  Glykosurie  hervorruft  Die  Menge  des  ausgeschiedenen  Zuckers 
ist  dabei  unabhängig  von  der  Nahrung.  Die  Vermittelung  der  Leber,  des  Leber- 
gljkogens  und  der  Kohlenhydrate  des  Organismus  überhaupt  sind  für  das  Zustande- 
kommen der  Zuckerausscheidung  nicht  erforderlich.  Im  Hungerzustand  geht  dieser 
experimentelle  Diabetes  mit  gesteigerter  Harnstoffausscheidung,  also  mit  erhöhtem 
Eiweisszerfall  einher.  Es  besteht  kaum  ein  Zweifel,  dass  der  ausgeschiedene  Zucker 
bei  den  kohlenhydratfreien  Tieren  direkt  vom  eingeschmolzenen  Eiweiss  herrührt. 
Die  im  Harn  erscheinende  Zuckermenge  stellt  bei  entsprechend  gewählten  Ver- 
suchsbedingungen das  höchste  Zuckerquantum  dar,  dessen  Entstehung  aus  dem 
umgesetzten  Eiweiss  theoretisch  möglich  ist. 

Beim  Studium  der  Reaktion  kohlenhydratfreier  Tiere  auf  Phlorhizinzufuhr 
machte  nun  v.  Mering  die  Beobachtung,  dass  einer  der  vier  nach  langer 
Hungerperiode  mit  dieser  Substanz  vergifteten  Hunde  einen  dem 
Coma  diabeticorum  ähnlichen  Zustand  darbot  und  dass  bei  zweien 
der  Hunde  Ausscheidung  relativ  grosser  Mengen  von  Aceton  und 
/J-Oxybuttersäure  nebst  Vermehrung  der  Ammonausscheidung  im 
Harn  nachweisbar  war. 


Die  Säuren  CnHanOs  im  Chemismns  der  Säure  autoxikation.  607 

Das  Symptomenbild  bei  dem  komatösen  Versuchstier  war  folgendes:  Es  lag 
auf  der  Beite,  konnte  nicht  stehen,  reagierte  auf  wiederholtes  lautes  Anrufen  nicht. 
Mitunter  traten  leichte  Zuckungen  am  ganzen  Körper  auf.  Dargereichtes  Futter 
nahm  der  Hund  spontan  nicht.  Bei  künstlicher  Fütterung  verschluckte  er  sich 
oftmals.  In  der  Minute  erfolgten  sechs  bis  sieben  tiefe  Respirationen  und  150  Pulse. 
Der  vergorene  Harn  drehte  1,1  Teilstriche  im  Zweidecimeterrohr  des  Soleil- 
Ventzkeschen  Polarimeters  (die  quantitative  Bestimmung  nicht  ganz  einwandfrei). 
Die  Oxjbuttersaure  konnte  dargestellt  werden.  Der  Harn  enthielt  femer  0,24 ^/o 
Ammoniak  und  roch  stark  nach  Aceton.  Mit  dem  Aussetzen  des  Phlorhidzin, 
bezw.  mit  sistierender  Zuckerausscheidung  schwanden  auch  die 
komatösen  Erscheinungen  bald. 

Unter  dem  Einfluss  eines  chemisch  charakterisierbaren  Giftes  kommt 
es  also  zum  Übertritt  von  Zucker  in  den  Harn  und  bisweilen  daneben  zur 
Säureintoxikation.  Leider  können  wir  uns  über  die  nähere  Art  des  Vor- 
ganges kaum  eine  bestimmtere  Vorstellung  bilden  und  noch  weniger  den 
Zusammenhang  der  Glykurie  imd  der  Säurevergiftung  durchschauen.  Die 
Zuckerbildung  aus  Eiweiss,  welche  an  sich  jedenfalls  einen  normalen  Vor- 
gang im  Organismus  bezeichnet,  ist,  chemisch  betrachtet,  gewiss  ein  kom- 
plizierter Prozess,  bei  welchen  neben  Spaltungen  und  Oxydationen  vielleicht 
auch  Synthesen  eine  Rolle  spielen.  Auch  ist  der  Umfang  dieser  normalen 
Zuckerproduktion  aus  dem  N-freien  Rest  der  Eiweisskörper  selbst  nicht 
halbwegs  bestimmt  zu  schätzen.  Dass  ein  Gift  eine  solche  Summe  von 
chemischen  Aktionen  ungenügend  oder  abweichend  von  statten  gehen  macht, 
ist  a  priori  ganz  wohl  begreiflich. 

Wegen  des  vielfach  beobachteten  Fehlens  der  Hyperglykämie  bei  der 
Phlorhidzinvergiftung,  und  weil  die  Nierenexstirpation  nach  Einführung  von 
Phlorhidzin  nur  eine  geringere  Erhöhung  des  Zuckergehaltes  zur  Folge  hat, 
als  beispielsweise  die  Abtragung  des  Pankreas,  hat  man  allerdings  an- 
nehmen zu  müssen  geglaubt,  dass  jenes  Gift  Glykurie  verursacht, 
ohne  eine  Hauptrichtung  der  chemischen  Stoffbewegung  im 
Körper  direkt  zu  stören.  Diese  Annahme  ist  aber  wohl  eine  irrige. 
Denn  das  Dogma  Gl.  Bernards,  welches  die  Hyperglykämie  als  un-" 
erlässUche  Vorbedingung  der  diabetischen  Glykosurie  bezeichnet,  ist  durch 
die  Beobachtungen  von  See  gen  und  Andern  widerlegt.  Der  genügend 
festgestellte  Schwund  des  Leberglykogens  beim  Phlorhidzindiabetes  und 
die  Fettinfiltration  der  Leber  sprechen  ferner  gleichfalls  eher  für  eine 
Störung  des  Zuckerumsatzes  im  Körper  unter  dem  Einflüsse  dieses 
Giftes,  welches  sich  also  wie  ein  abnormes  Histozym  zu  verhalten 
scheint.  Vielleicht  handelt  es  sich  um  eine  raschere,  beziehungsweise 
absolut  erhöhte  Produktion  von  Zucker  aus  Eiweiss.  Den  bekannt  ge- 
wordenen Thatsachen  nicht  widersprechend  wäre  auch  die  Annahme,  dass 


608  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

die  Oxybuttersäure  und  die  ihr  verwandten  Verbindungen  indirekt  auf 
dem  chemischen  Wege  liegen,  welchen  der  N-freie  Eiweissrest  zur  Dextrose 
schreitet,  indem  diese  Säuren  eine  Oxydationsstufe  anderweitiger  (abnormer?) 
intermediärer  Produkte  darstellen.  Das  komatöse  Versuchstier  v.  Merings 
zeigte  allerdings  keine  auffallend  herabgesetzte  Zuckerausscheidung  vor 
dem  Eintreten  dieses  Symptoms. 

Litteratur. 

1.  V.  Mering,  Zeitschrift  fUr  klinische  Medizin.  Bd.  16.  S.  431. 

2.  Creroer,  M.  und  Ritter,  A.,  Zeitschr.  für  Biolog.  Bd.  29.  S.  256. 

3.  Minkowski,  Archiv  fttr  exp.  Pathologie.  Bd.  31.  S.  85. 

4.  Rosenfeld.  G.,  Zeitschrift  f.  klin.  Medizin.  Bd.  28.  8.  256. 

Auch  im  Verlauf  des  Diabetes  nach  Pankreasexstirpatiou 
können  beträchtliche  Mengen  von  Oxybuttersäure,  Acetylessigsäure  und 
Aceton  im  Harn  erscheinen. 

Eine  regelmässige  Folge  der  Operation  bildet  das  Auftreten  dieser  Verbin- 
dungen jedoch  nicht,  Minkowski  hat  ihr  Vorhandensein  im  Harn  nur  in  fünf 
Fällen  mit  Bestimmtheit  nachweisen  können.  In  dreien  von  diesen  fünf  Fällen 
erschien  die  Oxybuttersäure  erst,  als  der  Diabetes  bereits  wochenlang  bestanden 
und  zu  allgemeiner  Hypotrophie  gefuhrt  hatte.  In  den  beiden  anderen  Fällen 
trat  die  Eisenchloridreaktion  relativ  bald  nach  der  Operation  ein ;  die  beiden  Tiere 
gingen  auch  bald  zu  Grunde:  sie  hatten  alle  Nahrung  erbrochen.  Die  Obduktion 
wies  Magengeschwüre,  Knickung  des  Duodenums  (durch  Narben)  als  Komplikationen 
nach.  Die  Menge  der  ausgeschiedenen  Oxybuttersäure  war  selbst  in  den  vorge- 
schrittenen Stadien  des  experimentellen  Diabetes  nur  eine  massige:  in  einem  Falle 
fand  Minkowski  in  dem  24 stündigen  Harnquantum  etwa  4  g,  in  den  anderen 
Fällen  bloss  0,5— 2  g.  Dass  nach  Pankreasabtragung  diabetisch  gewordene  Hunde 
die  in  ihrem  Körper  entstehende  Oxybuttersäure  noch  teilweise  zu  oxydieren  ver- 
mögen, hat  der  direkte  Versuch  erwiesen.  Der  Harn  eines  solchen  Hundes,  welchem 
10  g  reines  oxybuttersaures  Natron  verabreicht  worden  waren,  enthielt  (bei  alkalischer 
Reaktion)  nur  wenig  linksdrehende  Substanz,  aber  reichlich  Aceton  bdzw.  Acetjl* 
essigsaure. 

Hinsichtlich  des  Auftretens  der  Oxybuttersäure  im  experimentelleu 
Pankreasdiabetes  scheinen  ähnliche  Erwägungen  am  Platze,  wie  bei  der 
Phlorhidzinglykurie.  Von  Bedeutung  scheint  es,  dass  bei  dem  erstgenannten 
die  Säuren  erst  zu  einer  Zeit  erscheinen,  in  welcher  die  Zuckerausscheidung 
abnimmt.  Es  sei  auch  nicht  unterlassen,  nochmals  auf  die  auffallend  ge- 
ringeMenge  der  Milchsäure  in  den  Muskeln  nach  Paukreasexstirpatio« 
zu  verweisen,  eine  Thatsache,  die  bereits  an  früherer  Stelle  erwähnt  wurde. 

In  einem  Falle,  in  welchem  das  diabetische  Versuchstier  nach  22  Tagen 
getütet  worden  war,  erhielt  Minkowski  aus  800  g  eine  Stunde  post 
mortem  verarbeiteter  Muskeln  nur  0,2  g  Zinklaktat 


Die  Krankheitsformen  des  Menschen  etc.  609 

Litteratur. 
1.  Minkowski,  Archiv  ftlr  exp.  Pathologie.  Bd.  31.  S.  86. 

D.  Die  Krankheitsformen  des  Menschen,  in  deren  Verlauf 
Sänreantointoxikation  infolge  von  Anhäafnng  der  /9'Oxy- 
bnttersänre  nnd  der  ihr  verwandten  Verhindangen  eintritt. 

Klinisches  Material  zum  Studium  einschlägiger  Fragen  der  Selbst- 
vergiftung liefern  akute  und  noch  viel  häufiger  chronische  Krankheits- 
prozesse des  Menschen.  Am  schwierigsten  zu  beurteilen  sind  in  patho- 
logischem und  selbst  in  rein  kasuistischem  Betracht  gewisse  akute,  an- 
scheinend selbständige  (kryptogenetische)  Formen,  sowie  akute  Psy- 
chosen. Besser,  aber  deshalb  nichts  weniger  als  vollständig,  beurteilen 
wir  die  zu  grösserer  oder  geringerer  Intensität  anwachsende  Säureintoxi- 
kation im  Diabetes,  im  Verlaufe  der  febrilen  Infekte,  bei  Krebs- 
kranken, bei  progressiv  anämischen  Individuen,  bei  Leukämikern 
und  im  Anschluss  an  verschiedene  aus  anderen  Gründen  entwickelte 
Formen  vorgeschrittener  Inanition. 

Alle  Bemühungen,  die  vorstehend  genannten,  sonst  vielfach  aus- 
einanderstrebenden  Prozesse  unter  gleichen  Gesichtspunken  einander  hin- 
sichtlich der  Genese  näher  zu  bringen,  haben  bisher  wenig  Erfolg  gehabt. 
Als  gemeinsam  im  Krankheitsbilde  wurden  besonders  folgende  Momente 
diskutiert.  Abgesehen  von  der  seltenen  kryptogenetischen  Form  und 
derjenigen  im  Ablaufe  fieberhafter  Krankheiten  handelt  es  sich  um  Pro- 
zesse mit  meist  ausgesprochen  chronischem,  zu  progressiver  konstitutioneller 
Hypotrophie  (Kachexie)  führenden  Decursus.  Der  Umstand,  ob  febril  oder 
nicht,  scheint  kaum  ausschlaggebend.  Wenn  man  sich  bloss  an  das  Schluss- 
resultat hält,  so  ist  der  Charakter  des  StofEwechsels  der  meisten  hier  in 
Betracht  kommenden  Krankheiten  vorzugsweise  dadurch  bezeichnet,  dass 
grossere  oder  geringere  Mengen  von  organisiertem  Eiweiss  auch 
unter  Bedingungen  abgeschmolzen  werden,  welche  dem  ge- 
sunden Menschen  Erhaltung,  bezw.  Vermehrung  des  Eiweiss- 
bestandes  sichern.  Die  Bedeutung  dieses  Kriteriums  ist  aber  deswegen 
vermindert,  weil  unter  den  hier  einschlägigen  khnischen  Bedingungen  der 
Eiweissumsatz  im  Organismus  und  die  Intensität  der  Säureintoxikation 
keineswegs  direkt  parallel  verlaufen.  Die  Bildung  von  Aceton,  Acetyl- 
essigsäure  mid  Oxybuttersäure  ist  fortgesetzt  möglich,  obwohl  die  betref- 
fenden Kranken  eventuell  nur  massig  grosse  Eiweissmengen  gemessen 
und  sich  im  Stickstoff gleichge wicht  befinden.  Ich  selbst  habe  sogar  bei 
Rekonvalescenten  nach  febrilen  Infekten  mehrere  Tage  Oxybuttersäure- 
ausscheidung   beobachtet!     Die    wiederholt   gemachte    Behauptung,   nach 

Lnbarsch-Oitertag,  Ergebnisse  Abteilang  II.  39 


610  Allgem.  patboL  Morphologie  nnd  Physiologie. 

welcher  Diaceturie  (Acetonurie)  zum  Schwinden  gebracht  wird,  wenn 
man  den  Kranken  soviel  N-freie  Nahrung  zuführt,  dass  das  Körper 
eiweiss  geschützt  bleibt,  ist  nicht  für  alle  Fälle  einwandfrei  nach 
gewiesen.  Der  Umstand,  dass  Nahrungsaufnahme  die  Acetonurie  eher 
herabsetzt,  wobei  den  einzelnen  NahrungsstoSen  immerhin  eine  verhältnis- 
mässig verschieden  grosse  Wirkung  (die  grösste  den  Kohlenhydraten) 
zukommen  mag,  spricht  vor  allem  nur  dafür,  dass  die  in  Rede  stehen 
den  Verbindungen  nicht  einfach  aus  dem  physiologischen  Abbau  der 
Nahrungsmoleküle  hervorgehen.  Die  fehlende  direkte  Abhängigkeit  der 
Intensität  der  Säurevergiftung  von  der  Zahl  der  zersetzten  Eiweissmoleküle 
und  die  (bereits  hei-vorgehobene)  Thatsache,  dass  in  den  einschlägigen 
Krankheitsformen  SauerstofiEmangel  im  Organismus  meist  nicht  nachweis- 
bar ist,  bringt  uns  die  Annahme  eines  speziellen  fehlerhaften  Chemismus 
des  N-freien  Restes  der  umgesetzten  Eiweisskörper  näher.  Wollte  man  aber 
etwa  im  Hinblick  auf  die  oben  erwähnte  chemische  Abstammung  der 
Lävuhnsäure  aus  dem  Nukleohiston  das  Auftreten  der  Oxybuttersäure 
und  der  verwandten  Verbindungen  an  die  Umsetzung  speziell  der  Nu- 
kleinsubstanzen  knüpfen,  so  fehlt  wenigstens  vorläufig  die  Kongruenz 
und  ebenso  jedwede  sonstige  bestimmbare  Beziehung  der  Säurevergiftung 
mit  einem  reichlicherem  Auftreten  der  aus  den  Zellkernen  stammenden 
AUoxurkörper  im  Organismus  völlig.  Letzteres  bildet  im  Gegenteil  für 
sich  das  charakteristische  Symptom  einer  ganz  abweichenden  sauren  Dys- 
krasie  (Harnsäuredyskrasie). 

Im  Symptomenbilde  der  hierher  gehörigen  Krankheitsprozesse  spielt 
ferner  die  Anämie  eine  Rolle.  Doch  wird  es  heute  wohl  kaum  jemand  mehr 
unternehmen,  mit  Riess  die  Ursache  des  bei  allen  früher  genannten  Er- 
krankungsformen möglichen  terminalen  Symptomenbildes  (Koma)  auf  rasch 
eintretende  Himanämie  zurückzuführen.  Die  komatös  endenden  Diabetiker 
brauchen  gar  nicht  stark  anämisch  zu  sein  und  gerade  die  mit  profuser 
Hämatemesis  jäh  abschliessenden  Fälle  von  Carcinoma  ventriculi  bieten 
den  massgebenden  Symptomenkomplex  des  Coma  der  Carcinomatösen 
nicht  ausgeprägt  dar.  Wenn  somit  auch  schwere  (perniciöse)  Anämie  mit 
ähnlichen  nervösen  Affektionen  (Coma)  enden,  ist  die  Anämie  nicht  die 
direkte  Ursache  der  letzteren. 

Weiterhin  beobachtet  man  in  der  Mehrzahl  der  einschlägigen  Krauk- 
heitsprozesse  noch  mehr  oder  weniger  ausgedehnte  Verfettungen  ge- 
wisser parenchymatöser  und  auch  muskulöser  Organe.  Unsere  theoretischen 
Erörterungen  über  diese  pathologischen  Prozesse  bewegten  sich  deshalb  seit 
A.  Fränkels  Untersuchungen  über  die  Folgen  schwerer  experimenteller 
Dyspnoe  vielfach  innerhalb  der  Formel:  Sauerstoffmangel  und  deshalb 
gesteigerter  Stickstoffumsatz,  Fettdegeneration,  retardierte  Oxydation  der  or- 


Die  Krankheitsfonnen  dea  lAenschen  etc.  611 

ganischen  Säuren.  Mit  dieser  einfachen  Formel  aber  kommen  wir  nicht 
weiter.  Die  erste  Supposüion,  der  Sauerstoffmangel,  fällt  hier  zu  allererst 
weg.  Die  Physiologie  der  normalen  Ernährung  kennt  ferner  keine  Fett^ 
bildung  aus  Eiweiss.  Die  pathologischen  akuten  Fettansamm- 
lungen in  einzelnen  Organen  jedoch  sind  vielfach  blosse 
Fettmetastasen.  Selbst  bei  der  Phosphorintoxikation  ist  eine  wirk- 
liche Zunahme  der  Fette  im  Gesamtorganismus  nicht  unzweifelhaft 
nachgewiesen.  Das  metastasierende  „Fett"  stammt  vermuthch  meist  aus 
den  Blutkörperchen  und  dem  Toldt  sehen  Fettgewebe. 

Die  Toxikologie  hat  nun  aber  bereits  eine  ganze  Reihe  von  Giften  nach- 
gewiesen, welche  im  Organismus  bei  normalem  Sauerstoff  Vorrat  in  Blut 
und  Geweben  erhöhten  Zerfall  von  organisiertem  eiweisshaltigen  Material 
(und  gleichzeitig  eine  Steigerung  der  Harnstoffausfuhr)  Zerfall  der  roten 
Blutkörperchen,  Gewebs Verfettung,  Albuminurie,  Auftreten  von  abnormen 
Säuren  im  Blute  und  Sinken  der  Blutalkalescenz  als  koordinierte  Stö- 
rungen bevrirken.  Wir  werden  somit  den  Thatsachen  der  mensch- 
lichen Pathologie  keinen  Zwang  anthun,  wenn  wir  als  Punctum 
saliens  in  den  oben  zusammengestellten  krankhaften  Prozessen 
die  Resorption  von  in  bestimmten  Geweben  gebildeten  ab- 
normen Umsetzungsprodukten  und  die  Wirkung  pathologi- 
scher Histozyme  (im  weitesten  Sinne  dieser  Bezeichnung)  an- 
nehmen. Eine  Hauptquelle  dieser  Gifte  müssen  wir  nach  einer  sorg- 
fältigen klinischen  Analyse  der  hierhergehörigen  pathologischen  Prozesse 
mit  Senator  im  Darmkanal  vermuten. 

Die  Oxybuttersäure ,  beziehungsweise  die  ihr  chemisch  verwandten 
Verbindungen  (Acetylessigsäure ,  Aceton)  werden  in  allen  den  mehrfach 
erwähnten  Krankheitsprozessen  gelegentlicH  zu  einem  Grade  im  Organismus 
angehäuft,  dass  die  Blutalkalescenz  nachweislich  absinkt  und  sonstige  Er- 
scheinungen von  Autointoxikation  resultieren.  Inwiefern  gewisse  terminale, 
paroxysmenartig  oder  subakut  erscheinende  und  vorwiegend  nervöse  Sympto- 
menkomplexe mit  Somnolenz  und  Koma  ausschliesslich  und  direkt  mit  der 
Säurevergiftung  zusammenhängen  und  inwieweit  anderweitige,  beziehungs- 
weise mehrfache  Ursachen  konkurrieren,  ist  nicht  für  alle  einschlägigen 
Fälle  bestimmt  festgestellt. 

a)  Diabetes  mellitus  und  Säureintoxikation. 

Bei  der  Säureautointoxikation  der  Diabetiker  ist  zunächst  der  Nach- 
weis überschüssiger  Produktion  bestimmter  Säuren  im  Körper 
und  deren  vermehrte  Ausscheidung  im  Harn  mit  grosser  Sicherheit  er- 
bracht und  dieselbe  quantitativ  genau  studiert.    Dies  gilt  vor  allem  hinsicht- 

39* 


612  Allgem.  paihol.  Moq>hologie  und  Physiologie. 

lieh  der  in  erster  Linie  in  Betracht  kommenden  Säuren,  der  /J-Oxybutter 
säure  und  der  Acetylessigsäure  imd  hinsichtlich  des  schon  oft  er 
wähnten  Derivates  derselben,  des  Acetons. 

Entdeckt  im  Diabetikerham  wurden  die  drei  genannten  Verbindungen  in  der 
umgekehrten  Reihenfolge,  als  in  der  sie  hier,  ihrer  Dignitat  entsprechend,  ad]^ 
zahlt  worden  sind.  Fetter s,  Assistent  des  älteren  Prager  Klinikers  t.  Jaksch, 
beschäftigte  sich  anlässlich  eines  beobachteten  Falles  von  Coma  diabetiooni» 
zuerst  mit  der  Ausmittelung  jenes  „geistig''  riechenden  Korper  im  Harn,  der  bd 
Diabetikern  schon  wiederholt  früher,  jedoch  immer  bloss  mit  dem  Geruchsinn,  kon- 
statiert war.  Das  Resultat  seiner  unter  Lerchs  Leitung  ausgeführten  Unt^- 
suchung  war,  dass  aus  Harn  tmd  Blut  ein  Körper  gewonnen  wurde,  welcher  nacb 
seinen  physikalischen  Eigenschaften  und  nach  seinem  chemischen  Verhalten  geg«D 
Schwefelsäure  imd  Ätzkali  für  Aceton  gehalten  werden  musten. 

Kaulich,  Petters  Nachfolger,  verfolgte  den  Gregenstand  weiter.  Er  stellte 
zunächst  —  gleichfalls  im  Laboratorium  Lerchs  —  die  fragliche  Verbindung  aufi 
neue  dar  und  wies  durch  Elementaranalyse  und  Siedepunktsbestimmung  nach, 
dass  es  chemisch  identisch  sei  mit  Aceton.  To Ileus  hat  dann  später  auch  die 
Dampfdichtebestimmung  zur  vollkommenen  Sicherstellung  der  Identität  nachgetrageo. 

Hinsichtlich  der  Säuren  hat  zuerst  R.  v.  Jaksch  die  bereits  von  Teilens 
geäusserten  Vermutungen  über  die  Form,  in  welcher  die  durch  Gerhardt  neben 
Aceton  entdeckte  eisenchloridrötende  Substanz  im  Diabetikerham  enthalten  ist, 
die  nötige  analytische  Unterlage  gegeben.  Auf  den  Umstand  hin  nämlich,  dass 
der  damals  gleichzeitig  von  Geuther  dargestellte  Acetylessigsäure -Äthyläther 
(Acetessigester  CHg — CO-CHg — COOCgHg)  dieselbe  burgunderrote  Farbe  annimmt 
auf  Zusatz  von  Eisenchlorid  und  leicht  eine  Spaltung  in  gleiche  Moleküle  Alkohol, 
Aceton  und  Kohlensäure  erfahrt,  hatte  Gerhardt  in  der  fraglichen  Substanz 
diesen  Äther  vermutet  und  letzteren  als  Quelle  des  Acetons  im  Körper  bezeichnet 
Vielfache^  zur  Losung  der  Frage  nach  der  Herkunft  des  Acetons  im  Diabetikef- 
harn  gemachte  Untersuchungen  füErten  aber,  dieser  Anschauung  entgegen,  zu  der 
Erfahrung,  dass  jener  Körper  nur  aus  angesäuertem  Urin  in  Äther  überging,  wo- 
durch er  sich  als  Säure  charakterisierte.  Auch  fand  Tollens  unter  den  Zer- 
setzungsprodukten keinen  Alkohol.  Den  vollen  Beweis  der  sauren  Natur  der 
eisenchloridrötenden  Verbindung  lieferte  nun  R.v.  Jaksch,  indem  er  das  Ammon-, 
Baryum-,  Zink-  und  in  grösserer  Menge  das  Kupfersalz  der  Säure  darstellte,  und 
das  letztere,  allerdings  in  nicht  völlig  reinem  Zustande,  analysierte.  Ausserdem 
fand  er,  dass  die  aus  dem  Harn  gewonnene  Säure  sich  identisch  zersetzt,  wie  die 
mittlerweile  von  Ceres ole  dargestellte  freie  Acetylessigsäure:  die  wässerige  Losung 
\  ihrer  Salze  liefert  nämlich  bei  der  Destillation  für  sich  oder  mit  Säuren  Aceton 
und  Kohlensäure. 

Nachdem  ferner  Hall  er  vorden  in  der  Naunyn  sehen  Klinik  (Königsberg), 
da  er  die  Ammonausscheidung  im  Harn  unter  pathologischen  Verhältnissen  studierte, 
bei  einer  Reihe  von  Diabetikern  eine  bedeutende  Steigerung  derselben  nachgewiesen, 
es  dabei  aber  noch  unentschieden  gelassen  hatte,  ob  hier  eine  Zunahme  der  nicht 
organischen    Säuren   vorliege    oder    ob    saure    Produkte    des    (Kohlenhydrat-  [?]) 


Diabetes  mellitus  und  Sftureintoxikation.  613 

Stoffwechsels  das  Ammoniak  an  sich  reissen  und  nach  aussen  fuhren,  gelangte 
Stadelmann  zu  dem  Schlüsse,  dass  im  Diabetikerharu  eine  dort  bisher  noch 
unbekannte  Säure  in  bedeutender  Menge  vorhanden  sein  müsse.  Stadelmann 
selbst  gelang  es  nur,  ein  Umwandlungsprodukt  der  eigentlichen  Saure  zu  isolieren; 
er  erhielt  nämlich  eine  von  den  Krotonsäuren  (und  zwar  CH3 — CH  — CH — COOH). 
Das  Auftreten  einer  Krotonsäure  im  Harn  musste  jedoch  befremden,  da  für  das 
Vorkommen  von  Säuren  aus  der  Reihe  der  ungesättigten  Kohlenwasserstoffe  bis 
dahin  kern  Analogen  existierte.  Mit  Rücksicht  auf  das  von  Stadelmann  bei 
der  Isolierung  angewendete  Verfahren  vermutete  deshalb  Minkowski,  dass  diese 
Säure  nicht  ursprünglich  im  Diabetikerharn  vorhanden  sei,  sondern  erst  bei  der 
Behandlung  aus  einer  anderen  Säure  hervorgehe.  Als  solche  ergab  sich  nun  die 
optisch  aktive  /?-Oxy buttersäure.  Von  letzterer  ist  bekannt,  dass  sie  beim 
Destillieren  mit  Schwefelsäure  unter  Wasserabspaltung  a-Krotonsäure  liefert  Da- 
durch bt  also  auch  der  frühere  Befund  von  Stadelmann  vollständig  aufgeklärt. 
Unabhängig  von  Minkowski  und  gleichzeitig  hat  Külz  die  Oxybuttersäure  im 
Diabetikerham  gefunden. 

Milchsäure  ist  im  Diabetikerham  jedenfalls  nur  ein  seltener  Befund. 
Es  liegt  zwar  eine  gegenteilige  Angabe  von  Bouchardat  vor.  Dieser  wollte 
Milchsäure  in  relativ  beträchtlicher  Menge  nachgewiesen  haben:  erstens  bei  den 
Diabetikern  der  schweren  Form,  wenn  sie  keinem  strengen  Regime  unterworfen 
sind,  zweitens,  bei  Greisen  mit  Glykurie,  deren  Blase  sich  unvollständig  entleert, 
drittens  wenn  zuckerhaltiger  Harn  einige  Zeit  konserviert  ist  Nie  sind  aber  diese 
x\ngaben  bestätigt  worden.  Stadelmann,  der  im  Harn  eines  Diabetikers  4,5  g 
Gärungsmilchsäure  pro  Tag  fand,  musste  auf  Grund  einer  speziell  darauf  gerichteten 
Untersuchung  die  von  Hallervorden  ganz  allgemein  geäusserte  Vermutung, 
nach  welcher  Milchsäureausscheidung  der  Grund  der  erheblichen  Ammoniakver- 
mebning  im  Diabetikerham  sei,  abweisen. 

In  einzelnen  Fällen  von  Diabetes  enthält  der  Urin  flüchtige  Fettsäuren. 
V.  Jak  seh  konnte  diesen  Befund  in  acht  untersuchten  Fällen  allerdings  nur  ein- 
mal machen. 

Die  spezielleren  Bedingungen  der  Aceton-  und  Oxybuttersäureaus- 
scheidung  im  Decursus  des  Diabetes  mellitus  sind  vielfach  studiert  und 
an  früherer  Stelle  bereits  teilweise  erörtert. 

Acetonurie  kommt>  dies  sei  nochmals  betont,  bei  Diabetikem  auch  ohne  reichlichen 
Fleischgenuss  zur  Beobachtung.  Aceton-,  Acetylessig-  und  Oxybutter^ureexkretion  sind 
selbst  im  N-Gleichgewicht  möglich.  Das  Verhältnis  des  ausgeschiedenen  Acetons 
zum  Stickstoff  unterliegt  Schwankungen.  Nahmngsaufnahme  setzt  die  Acetonaus- 
scbeidung  herab.  In  prognostischer  Beziehung  haben  wir  beim  Diabetesden  Umfang 
der  Oxybuttersäurebildung  in  erster  Linie  beachten  gelernt  Die  Oxybutter- 
säure weist  zu  allererst  auf  das  drohende  Koma  hin.  Hirschfelds 
einseitige  Betonung  der  prognostischen  Bedeutung  der  Acetonausscheidung  hat 
wegen  des  fehlenden  Parallelismus  zwischen  dieser  und  der  Oxybuttersäureexkretion 
mit  Recht  keinen  Anklang  gefunden.  Bei  Diabetes  bewirkt  die  Verabreichung 
von  Alkali    unter  Umständen    (ohne   Stömng   des  Stickstoffgleichgewichtes)  gegen 


614  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

die  Erwartung  eine  Steigerung  der  Acetonurie.    Vielleicht  hat  man  es  hierbei  mit 
einer  oxjdationsbefordernden  Wirkung  des  Alkali  zu  thun.*   Von  der  in  vennehrter 
Menge  gebildeten  Oxybuttersäure  erscheint  ein  grosserer  Teil  als  Aceton  im  Hara 
und  die  Oxjbuttersaureexkretion  als  solche  bleibt  scheinbar  unverändert   Im  Fieber 
verhalten   sich  diese   Dinge  einfacher:  dort  gelingt  es   vielfach,   durch  Alkalidar- 
reichung die  Acetonurie  zu  verringern.  Bekanntlich  verschwindet  die  nach  Kohlen- 
hydraten tziehung  zu  beobachtende  physiologische  Acetonurie  sofort,  wenn  Eohloi- 
hydrate  wieder  gereicht  werden.    Auch  die  diabetischen  Aceton-  und  Acetyl 
essigsäureexkrete  gehen  herunter  bei   Verabreichung  von  Kohlen 
hydrate n.     Man  hat  sich   hier  gedacht,   dass   beim  Abbau  der  Nahrungsmole- 
küle  (Kohlenhydratmoleküle)   durch  die  Aktivierung  von  Sauersto£F  eine  sekun- 
däre Oxydation  dieser  Verbindungen  nach  ihrer  Bildung  kommt.      Glyoerin  setzt 
gleichfalls   die  Acetonausscheidung   herab   (steigert   aber   die  Glykurie).     Ob  dies 
etwa  mit  der  Art  des  Abbaues  des  Traubenzuckers  zusammenhängt,  ist  nicht  er- 
forscht 

Die  weitere  Begründung  der  Analogie  der  diabetischen  Intoxikation 
mit  der  experimentellen  Säurevergiftung  ist  ebenso  wie  der  Nachweis  über- 
schüssig produzierter  Säuren  im  diabetischen  Organismus  vor  allem  das 
Verdienst  der  Schüler  Naunyns.  Allerdings  war  sieh  bereits  Külz  über 
die  Bedeutung  des  Verlustes  klar,  welchen  der  Organismus  durch  die  Aus 
fuhr  der  Oxybuttersäure  erleidet.  In  einem  letal  verlaufenen  Falle  l>e- 
rechnete  er  die  Menge  der  in  24  Stunden  ausgeschiedenen  Säure  auf  226,5  g. 
Minkowski  aber  schaffte,  nachdem  er  zunächst  durch  entsprechende 
klinische  Beobachtungen  den  Zusammenhang  zwischen  Oxybuttersäure  und 
Coma  diabeticorum  nahegelegt  hatte,  bestimmte  Klarheit  darüber,  dass  für 
eine  spezifisch  toxische  Wirkung  der  Säure  und  ihrer  Verwandten  keine 
ausreichenden  Anhaltspunkte  vorliegen.  Er  wies  nach,  dass  während  des 
Koma  die  Menge  des  Acetons  ab-,  der  Säuregehalt  jedoch  zunahm.  In  der 
Unterschätzung  der  toxischen  Wirkung  des  Acetons  ist  er  allerdings  vielleicht 
zu  weit  gegangen,  und  es  scheint  mir,  als  ob  man  hier  dem  älteren  Stand 
punkte  grössere  Zugeständnisse  machen  müsse.  Entschieden  verunglückt  ist 
der  von  Stadelmann  und  Minkowski  zu  Gunsten  der  Annahme  einer 
Säurevergiftung  versuchte  Hinweis  auf  den  therapeutischen  Erfolg  der 
Zufuhr  von  Alkalien  in  klinischen  Fällen  von  Coma  diabeticorum.  Auf 
Grund  von  12  einschlägigen  eigenen  Beobachtungen  ist  Referent  in  der  Lage. 
zu  berichten,  dass  durch  Injektion  von  kohlensaurem  Alkali  in  die  Venen, 
das  subkutane  Zellgewebe  und  den  Darm  in  den  von  Stadelmann  vor- 
geschriebenen Mengen  vielleicht  vorübergehende  Besserung  erzielbar  ist, 
dass  aber  schliesslich  die  Harne  anhaltend  saure  Reaktion  darbieten  und 
der  tödliche  Ausgang  nicht  abgewendet  wird.  Viel  wichtiger  als  die  beiden 
vorstehend  erörterten  Argumente  ist  zur  Begründung  der  vollkommenen  Ana- 
logie zwischen  diabetischer  und  Säureintoxikation  im  Sinne  unserer  früher 


Diabetes  mellitus  and  Sftareiotozikation.  615 

entwickelten  Grundsätze  die  Herabminderung  der  Alkalescenz  des 
Blutes  während  des  Koma  nachzuweisen.  Dieser  Beweis  ist  nunmehr 
durch  (Frerichs,  v.  Jaksch)  Minkowski  und  Referenten  sowohl 
durch  titrimetrische  Bestimmungen  als  durch  den  Nachweis  des  verminderten 
C'O^ -Gehaltes  im  Blute  sicher  erbracht.  Minkowski  hat  bloss  indirekte 
Bestimmungen  der  Blutalkalescenz ,  nämlich  COg-Bestimmungen  im  venösen 
und  arteriellen  Blute  von  an  diabetischer  Intoxikation  erkrankten  Individuen 
ausgeführt  und  sich  dabei  der  gasanalytischen  Methode  bedient.  Ich 
selbst  hatte  im  ganzen  in  13  Fällen  Gelegenheit,  Blutuntersuchungen  aus- 
zuführen und  das  Bestehen  einer  Säureintoxikation  zu  erweisen.  (Über 
zwei  Fälle  ist  schon  an  andrer  Stelle  berichtet.)  Ich  fand  Werte  von 
12,44,  9,83,  19,54,  19,62,  15,50,  19,33,  17,40,  10.50,  10,20,  19,77,  18,50, 
19,38,  10,59  Vol.  ®/o  (bei  76  cm  Druck).  Diese  Kohlensämrewerte  stehen 
wenigstens  zum  Teil  den  Zahlen  nahe,  welche  bei  experimenteller  Säure- 
vergiftuug  erhalten  wurden.  (Titrimetrische  Bestimmungen  der  Blutalkales- 
cenz wurden  nur  in  3  dieser  Fälle  gemacht,  sie  ergaben  alle  abnorm  nied- 
rige Werte.  In  einem  Falle  mit  12.44  Vol.  ®/o  CO^  stellte  sich  eine  sehr 
hohe  Basenkapazität,  0,347  g  Na(HO)  pro  100  cc  Blut  heraus).  1887  ist  es 
Hugouneng  gelungen,  die  Oxy buttersäure  auch  im  Diabetikerblut  direkt 
nachzuweisen  (4,27  pro  Mille  I).  In  einem  Falle  von  allgemeiner  Lähmung 
und  schwerem  Koma  (52jähriges  Weib  im  apoplektischen  Insult)  fand  ich 
bei  stark  aceton-  und  zuckerhaltigem  Harn  (1,9  ®/o  Dextrose  nach  der  Dreh- 
ung) 38,0  Vol.  ®/o  COg  im  Venenblut.  Die  während  des  Lebens  im  übrigen 
zweifelhafte  Haemorrhagia  cerebri  wurde  thatsächlich  durch  die  Sektion 
nachgewiesen.  Die  letztere  Beobachtung  beweist,  ebenso  wie  ähnliche  Erfah- 
rungen von  Minkowski  die  diagnostische  Verwertbarkeit  der  herabge- 
setzten Blutalkalescenz  in  unsicheren  Fällen.  Weder  der  Diabetes,  noch  die 
in  einem  anderweitigen  Koma  tief  darniederliegenden  Funktionen  des  Or- 
ganismus verursachen  eine  Verminderung  der  Blutkohlensäure,  sobald  eine 
abnorme  Säureproduktion  nicht  besteht. 

Nach  Massgabe  je  einer  Beobachtung  von  Löpine,  mir  selbst 
und  Rumpf  giebt  es  allerdings  komatöse  Zustände  bei  Diabetikern  ohne 
Ausscheidung  von  Oxybutter-  und  Acetylessigsäurel  Allein 
diese  Form  des  Koma  scheint  relativ  selten  zu  sein  und  ist  bisher  patho- 
genetisch ganz  unaufgeklärt. 

SchliessUch  kommt  noch  die  Frage  der  symptomatischen  Ver- 
gleichbarkeit in  Betracht.  Die  Erscheinungen,  unter  welchen  das  Coma 
diabeticorum  zu  verlaufen  pflegt,  sind  nach  dem  vorliegenden  relativ 
reichen  kasuistischen  Material  im  wesentlichen  folgende: 

1.  Eine  Dyspnoe  besonderer  Art.  Bei  fehlenden  Symptomen,  die  auf 
Stenosierung  der  Leitungen   deuten  würden,  scheinbar  hoch  gesteigerter 


616  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Thysiologie. 

Lufthunger.  Sowohl  die  Qual  der  Beengung,  welche  der  Patient  leidet, 
als  die  angestrengte  Thätigkeit  der  Atemmuskelu  („grosse"  Respiration), 
das  hörbare,  bisweilen  selbst  stöhnende  Geräusch,  welches  der  in-  und  ei- 
spiratorische  Luftstrom  im  Larynx  hervorruft  und  die  Beschleunigung  der 
sonst  regelmässigen  Atemzüge  (bis  40  pro  Min.)  weisen  darauf  hin.  Das 
venöse  Blut  strömt  augenscheinlich  leicht  gegen  den  Thorax.  Erst  spiit. 
wenn  sich  Lungenödem  entwickelt,  kann  statt  der  Blässe  sich  Cyanose  ein- 
stellen. Mit  der  Stärke  und  Zahl  der  Respirationen  kontrastiert  auffallend 
die  allgemeine  Muskelschwäche. 

2.  Die  beschleunigte  Herzthätigkeitund  die  Frequenz  des  Radial- 
pulses geht  bis  120,  selbst  bis  190;  die  Einzelpulse  sind  klein,  schwach, 
aber  regelmässig.  In  5  von  meinen  eigenen  Beobachtungen  von  diabetischer 
Intoxikation,  in  denen  genau  darauf  geachtet  wurde,  sistierte  die  respira- 
torische Thätigkeit  vor  der  kardialen. 

'  3.  Im  Ablaufe  der  Vergiftung  kühlen  die  Kranken  aus;  die  Achsel- 
höhlentemperatur kann  bis  auf  Werte  um  35®  herum  sinken. 

4.  Bestehen  (meist  vorübergehender)  Aufregungszustände,  Stöhnen, 
Schreien,  Jactation,  Konvulsibilität ,  der  schon  aus  Petters  erster  Schilde- 
rung bekannte  komatöse  Zustand.  Er  entwickelt  sich  manchmal  schon 
sehr  bald,  1  Stunde  nach  Beginn  der  Dyspnoe,  oft  auch  später.  Das 
Koma  kann  bis  zur  absoluten  Anästhesie  und  allgemeinen  Paralyse  fort- 
schreiten. Die  Pupillen  sind  meist  eher  verengt  als  weit.  Der  Exitus  er- 
folgt 20 — 40  Stunden  nach  Beginn  der  Dyspnoe. 

5.  In  einem  auffallend  grossen  Prozentsatz  der  Fälle  ist  die  Vergiftung 
eingeleitet  durch  gastrische  und  intestinale  Störungen:  Kardialgie, 
Dyspepsie,  Meteorismus,  Obstipation. 

Ein  Vergleich  dieser  Symptome  mit  dem  Vergiftungsbilde  der  ex- 
perimentellen Säureintoxikation  lässt  gewisse  Analogieen  nicht  verkennen. 
Gemeinsam  sind  die  eigentümliche  Dyspnoe,  die  Pulsbeschleunigung,  die 
vorausgehende  Respirationslähmung,  das  Auskühlen.  Selbständiger 
im  klinischen  Bilde  der  diabetischen  Intoxikation  stellt  sich 
das  Koma  dar.  Doch  müssen  wir  uns  erinnern,  dass  wir  das  prägnante 
Bild  der  Säure  Vergiftung  bloss  vom  Kaninchen  kennen. 

Die  angeführten  Berührungspunkte  sind  zahlreich  und  bedeutungsvoll 
genug,  um  die  hypothetische  Auffassung  des  Coma  diabeticorum 
als  Säureautointoxikation  weit  über  alle  älteren  einschläg- 
igen Theorieen  zu  stellen.  Zu  erwägen  bleibt  aber  noch,  ob  das 
ganze  klinische  Symptomenbild  in  allen  Einzelheiten  nur  durch 
Säurevergiftung  im  strengen  Wortsinn  hervorgerufen  wird  ?  Dies  ist  aller- 
dings minder  wahrscheinlich.  Auch  erscheint  die  letzte  Ursache  des 
Coma   diabeticorum  durch  eine  solche  Auffassung  noch  nicht  aufgeklärt, 


Die  Säureauiointozikation  sui  generis.  617 

da  ja  feststeht,  dass  weder  zwischen  Diabetes  an  sich,  noch  zwischen  koma- 
tösen Prozessen  im  allgemeinen  und  Säurevergiftung  ein  direkter  Zu- 
sammenhang besteht.  Ref.  scheint  es  naheliegend,  diese  letzte  Ursache  in 
Giften  aus  dem  Intestinal trakt  zu  verinut^n. 

Litteratur. 

1.  V.  Jaksch,  über  Acetonurie  und  Diaceturie.  Berlin  1885.  (Fasst  die  übrigen  ein- 
schlägigen Arbeiten  dieses  Forschers  zusammen.) 

2.  Minkowski,  Arch.  für  exp.  Pathologie.  Bd.  18.  S.  35. 

3.  Külz,  Zeitschr.  für  ßiol.  Bd.  20.  S.  165. 

4.  Stadelmann,  Arch.  für  exp.  Pathologie.  Bd.  17.  S.  419.  Deutsches  Arch.  f.  klin. 
Med.  Bd.  37.  S.  580  und  Bd.  38.  S.  302.  Therap,  Monatshefte  1887,  Novemberheft. 
Tageblatt  der  60.  Versamml.  der  Naturforscher  1887,  S.  126  u.  s.  w. 

5.  Hallervorden,  Arch.  für  exp.  Pathologie.  Bd.  12.  S.  237. 

6.  Wolpe,  Ibidem.  Bd.  21.  S.  157. 

7.  Minkowski,  Mitteilungen  der  med.  Klinik.     Königsberg  188S.  S.  174. 

8.  Kraus,  F.,  Zeitschrift  für  Heilkunde.  Bd.  10.  S.  106. 

9.  Lupine,  Rävue  de  möd.  Bd.  VIT.  S.  224. 

10.  Alhertoni,  Archiv  für  exp.  Pathologie.  Bd.  18.  S.  218. 

11.  Rosenfeld,  Dissertation   Breslau  1885. 

12.  Ephraim,  Dissertation.  Breslau  1885. 

13.  Jan  nicke,  Deutsches  Archiv  f.  klin.  Medizin.  Bd.  30.  S.  108. 

14.  V.  Engel,  Zeitsohr.  für  klin.  Medizin.  Bd.  20.  S.  520. 

15  Hir Sehfeld,  Deutsche  med.  Wochenschrift  1893.  S.  914. 

16.  Mflnzer  u.  Strasser,  Arch   exp.  Pathol.  Bd.  32.  S.  372. 

17.  Weintrand,  Bibliotheca  medica.  Heft  1.  1893.  Arch.  f.  exp.  Pathol.  Bd.  34.  S.  169 
u.  367. 

18.  Frerichs,  Zeitschr.  für  klin.  Medizin.  Bd.  VI.  S.  1. 

19.  V.  Jak  seh,  Zeitschr.  für  klin.  Medizin.  Bd.  XL  S.  307. 

20.  Nobel,  Centralbl.  med.  Wissenschaften.  1886.  S.  641. 

21.  Lupine,  R^vue  de  m^d.  Bd.  VIII.  p.  1004. 

22.  V.  Rokitansky,  (Loebisch),  Wiener  med.  Jahrbücher.  1887.  S.  205. 

23.  Bonchardat,  Glykosinurie  1875.  S.  17. 

24.  V.  Noorden,  Pathol.  des  Sto£fwechsels.  Berlin  1893. 

25.  Rumpf,  Berliner  klin.  Wochenschrift.  1895. 

b)  Die  Säureautointoxikation  sui  generis. 

Das  hier  einschlägige  klinische  Material  ist  allerdings  noch  ein  sehr 
dürftiges  und  teilweise  gerade  der  uns  meist  interessierenden  Einzelheiten 
wegen  wenig  genau  und  unvollständig  untersuchtes. 

Fünf  Fälle  von  Acetonurie  infolge  kryptogenetischer  Autoin- 
toxikation hat  V.  Jaksch  beobachtet,  einen  weiteren  Fall  beschrieb  Pawinski 
als  Asthma  acetonicum,  welchen  er  dem  von  v.  Jaksch  als  Epilepsia 
acetonica  bezeichneten  5.  Fall  an  die  Seite  stellt.  Ausserdem  wurde  ein  der- 
artiger Fall  von  Juf finge r  mitgeteilt.  In  den  beiden  letzteren  Beobachtungen  ist 
über  Diaceturie  nichts  angemerkt.  Das  Gleiche  bezieht  sich  auf  einen  von  Tuozek 
Teröffentlichten  Fall  mit  epileptiformen  Anfällen   nach  An tipyrin Vergiftung 


618  All  gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

bei  einem  4jährigen  Kinde.     Ferner  erwähnt  Stumpf  Acetonarie  als  regel- 
mässigen   Befund    bei  puerperaler  Eklampsie  und  ist  geneigt,  die^be 
als  Symptom  einer  Autointoxikation,  der  „Aoetonämie'S  aufzufassen.     Baginekj 
findet   bei    Kindern    mit  eklamptischen   Anfällen    den    Acetongehah 
des  Harns   enorm   gesteigert,  hält   aber  die  Acetonämie  nicht  für  die  Ur- 
sache der   Anfälle.     Auch   nach   v.   Jaksch    würde  ein  Teil  der  als  Eklampsia 
infactum    beschriebenen   Fälle    hierher    gehören.     Mehrfach    beobachtet   ist  Kon- 
gruenz von  Diaceturie  und  gestörter  Darmfunktion.     Gerhardt  faod 
Eisenchloridreaktion  wiederholt  bei  Alkoholisten.    v.  Jaksch  sah  Diacetarie 
bei    Psychosen    und   zweimal    bei    Enterostenose.      Das    Vorkommen  von 
Aceton  und   Acetylessigsäure  im  Harn   bei  akuten  Psychosen  ist  mir 
von    mehreren   Psychiatern    bestätigt    worden.      Vergiftungen   (mit  Schwefel- 
säure nach  G.  Hoppe-Seyler,  mit  Atropin  nach  Senator,  mit  Extractum 
filicis  maris   nach  Schrack)  können,   doch  wohl   gleichfalls  vom  Darme  her, 
Diaceturie  verursachen.     Litten  beobachtete  positive  Eisen chloridreaktion  1 4 mal 
bei  Krankheiten  des  Digestions-  und  chylopoetischen  Apparates  (Coma  dyspep- 
ticum).     Lorenz   hat  ebenfalls  eine  Reihe  von  Fällen   mitgeteilt,    in  denen  es 
sich  um  Acetonurie  bei  primärer  Erkrankung  des  Magens  und  Darms 
(und  zwar  sowohl  um  funktionelle  als  auch  um  meist   chronische  einchlägige  Pro- 
zesse) handelt.    Er  fand  nicht  bloss  Acetonurie,  sondern,  weni^tens  in  einzeben 
Fällen  auch  Diaceturie  höherer  Intensität.     Vielfach  Hess  sich  nachweisen,  dase 
die  Schwere   der  übrigen  Krankheitserscheinungen   in  geradem  Verhältnisse  stand 
mit  der  Acetonurie  und  dass  mit  dem  Abklingen    der  Symptome  entweder  gleich- 
zeitig oder  bald  nachher  auch  die  letztere  verschwand.      Häufig   konnte  Lorenz 
Aceton  in  den  Fäkalien,  und  im  Erbrochenen  finden.     Auf  /?-Oxy buttersäure 
wurde   nicht   in    allen  Fällen   geachtet,    wiederholt  aber   konnte  dieselbe  nachge- 
wiesen werden.     Die  von  Lorenz  in  Untersuchung  gezogenen  Krankheitsprozesse 
waren  sog.  Magenkatarrhe,  Ulcus  ventriculi,  Gastroduodenalkatarrh, 
akute  Gastroenteritis,   Darmocclusion,  Peritonitis,   tabische  gast- 
rische  Krisen,    hysterische  Magenneurosen,   Eklampsie   (Puerperium), 
Encephalopathia  saturnina,  epileptiforme  Zustände  bei  Kindern. 

Das  grösste  Interesse  verdienen  natürlich  solche  hierhergehörige  Beobachtungen, 
in  welchen  es  sich  um  wirklich  paroxysmale  Selbstvergiftungen  mit 
letalem  Ausgang  handelt.  Zwei  hierhergehörige,  wenn  auch  unvollständige 
Beobachtungen  vermag  ich  selbst  mitzuteilen. 

Prof.  Kahler  übergab  mir  seinerzeit  die  Notizen  über  folgenden  (in  Prag  beob- 
achteten) Fall:  Er  hatte  die  35jährige  Frau  vor  5  Jahren  zuerst  kennen  gelernt, 
damals  waren  im  Anschluss  an  akut  eingetretene  dyspeptische  Beschwerden  5  Wochen 
nach  einem  normalen  Partus  bei  der  selbst  stillenden  und  stark  essenden  Patientin 
meningeale  Reizerscheinungen  aufgetreten.  Die  Kranke  tobte  förmlich  über  die 
äusserst  intensiven  Kopfschmerzen,  wiederholt  stellten  sich  in  einzelnen  Muskel- 
gebieten Zuckungen  ein.  Alle  Reflexe  waren  gesteigert,  die  tieferen  Teile  druck- 
empfindlich. Fieber  bestand  nur  einen  Tag  und  in  geringer  Intensität  Der  Stuhl 
war  verstopft.    Hinsichtlich  des  Harns  wurde  bloss  angemerkt,  dass  er  Spuren  voo 


Die  Säureaatointoxikation  sui  generis.  619 

Eiweiss  und  ferner  Aceton  enthielt,  letzteres  auch,  nachdem  die  Temperatursteigerung 
beseitigt  und  die  Patientin  bereits  rekonvalescent  war.  Die  Prognose  wurde  sehr 
ernst  gestellt,  da  sich  im  Verlaufe  der  ersten  Beobachtungstage  eine  deutliche 
Neuritis  optica,  besonders  rechts,  entwickelte,  und  ausgesprochene  Sehstörungen 
sich  geltend  machten  (welch  letztere  allerdings  nicht  genauer  präcisiert  sind).  Nach 
5 — 6  tagiger  Dauer  der  schweren  Cerebralsymptome  sistierte  das  Brechen,  es  stellten 
sich  auf  ein  Abführmittel  reichliche  Stuhlentleerungen  ein  und  die  Kranke  erholte 
sich  rasch  und  vollständig.  Im  Laufe  der  folgenden  Jahre  wurde  der  Harn  nicht 
weiter  beachtet.  Die  Stauungspapille  blieb  bestehen.  Cerebrale  Symptome 
fehlten  sonst  ganz.  Die  Patientin  gebar  dazwischen  noch  einmal.  Fünf  Jahre 
nach  der  ersten  Erkrankung  abermals  ein  akuter  Magendarmkatarrh  „ohne  nachweis- 
liche besondere  Ursachen".  In  der  zweiten  Woche  desselben  wurden  sehr  heftige  Kopf- 
schmerzen, Delirien  konstatiert,  keine  Krämpfe,  wohl  aber  allgemeine  Muskelschmerzen 
und  gesteigerte  Sehnenphänomene.  Wiederum  sehr  ausgeprägte  Sehstörung  ohne 
neuerlich  nachweisbare  Veränderung  am  Augenhintergrund.  Am  11. — 12.' Krank- 
heitstage „Acetongeruch"  und  Koma.  Den  Harn  der  Patientin  während  dieser  Er- 
krankung habe  ich  selbst  zweimal  untersucht.  Er  enthielt  keinen  Zucker,  dagegen 
deutlich  nachweisbare  Spuren  von  Eiweiss,  reichlich  Aceton,  Acetylessigsäure.  Im 
Eindecimeter-Rohr  drehte  femer  der  Harn  einmal  11,  einmal  14  Minuten  links, 
er  enthielt  sonach  wohl  Ozybuttersäure.  Da  mir  das  Tagesquantum  unbekannt 
blieb,  vermag  ich  über  die  ausgeschiedene  Menge  nichts  weiter  anzugeben.  Die 
Patientin  starb,  eine  Obduktion  wurde  nicht  ausgeführt.  (Die  Möglichkeit  einer 
cerebralen  AfTektion  muss  ich  somit  dahingestellt  sein  lassen.) 

Einen  dieser  leider  mangelhaften  klinischen  Beobachtung  analogen  Fall 
habe  ich  in  der  Litteratur  nicht  aufßnden  können.  Auch  das  reiche  Material  der 
Wiener  Klinik  hat  uns  trotz  speziell  darauf  gerichteter  Aufmerksamkeit  nichts 
Ähnliches  zukommen  lassen.  Ich  war  deshalb  Herrn  Dr.  Müller,  Assistenten  der 
oculist  Klinik,  für  folgende  Notizen  aus  einer  einschlägigen  Krankengeschichte 
höchst  dankbar. 

Patientin  giebt  an,  am  22.  XII.  (Jahreszahl  fehlt)  noch  gut  gesehen  zu 
haben  (sie  hatte  damals  noch  ganz  gut  einen  Brief  geschrieben).  Am  23.  XIl. 
sah  sie  des  Morgens  sehr  schlecht.  Dieser  Zustand  veränderte  sich  nicht  weiter 
bis  zur  Untersuchung  durch  Dr.  Müller  am  30.  XII.  Müller  fand  die  rechte 
Pupille  etwas  weiter  als  die  linke;  beiderseits  gute  Reaktion  auf  Licht  und  Kon- 
vergenz. Papille  in  ihren  Grenzen  leicht  verwaschen  und  gerötet.  Die  Venen,  nament- 
lich die  kleineren  in  der  Maculargegend,  stark  geschlängelt.  In  der  Macula  selbst 
keine  Veränderungen.  Die  Annahme  einer  retrobulbären  Neuritis  wurde  gestützt 
durch  die  Untersuchung  des  Gesichtsfeldes.  Diese  wurde  mittels  einer  Eprouvette  vor- 
genommen, die  mit  Kali  hypermanganicum  gefärbt  war  und  hinter  welche  das  Licht 
gehalten  wurde.  Patientin  konnte  nur  in  der  Peripherie  des  Gesichtsfeldes  die  Farbe 
angeben.  Visus  R.:  Finger  in  ^/s  m;  L.:  Handbewegung.  Kein  Zucker;  kein 
Eiweiss. 

31.  XIL  Gesichtsfeld  mit  Wolle  aufgenommen.  Patientin  ist  etwas  be- 
nommen und  muss  wiederholt  gefragt  werden,  ehe  sie  Autwort  giebt.   Dabei  kann 


620  Allgem.  patbol.  Morphologie  nnd  Physiologie. 

man  doch  wieder  bestimmt  ein  grosses  centrales  Skotom  fiir  Blau,  Rot  und  Grün 
nachweisen.  Gelb  wird  überhaupt  nicht  erkannt.  Reaktion  der  Pupillen  gut 
Virus  R.:  Handbewegung,  L.:  nur  vor  dem  Auge.  Bei  Druck  auf  die  Bulbi  giebt 
Patientin  Schmerzhaftigkeit  an  und  fahrt  kraftig  zurück. 

2.  I.  Die  Pupillen  noch  starker  gerötet,  ein  wenig  geschwellt,  die  Venen 
wie  am  30.  XII.  Patientin  ist  in  ultimis.  Pupillen  reagieren.  Gestorben  2.  L 
Die  Sektion  am  3.  I.  ergiebt  quoad  cerebrum  nichts,  desgleichen  in  den  Meningen 
negativer  Befund.    Magen-Darmkatarrh.    Sehr  kleines  Herz  und  enge  Aorta. 

Am  2.  I.  war  (Klinik  des  Herrn  Hofrat  Nothnagel)  viel  Oxybutter- 
säure  (2,5^/o)  im  Urin  gefunden  worden.  Die  Leichenteile  rochen 
nicht  nach  Aceton. 

Das  diesen  beiden  Fällen  Gemeinsame  tritt  sehr  prägnant  hervor.  Sympto- 
matisch bemerkenswert  erscheint  mir  besonders  die  in  dem  einen  Falle  sicher  ge- 
stellte, im  ersten  Falle  zu  vermuthende  retrobulbäre  Optikusaffektion.  Ich  habe 
seither  in  einer  grösseren  Zahl  von  Fällen  von  Retrobulbämeuritis  ungicherer 
Ätiologie  wiederholt  die  Harne  ganz  vergebens  nach  der  gleichen  Richtung  unter- 
sucht. —  Es  ist  wenigstens  sehr  wahrscheinlich,  dassjene  beiden  nicht  diabe- 
tischen Individuen  einer  Säurein  toxikaton  intestinalen  Ursprungs  erlegen  sind. 

Das  in  den  vorstehend  angeführten  Beobachtungen  zahlreicher  Autoren 
niedergelegte  khnische  Material  erscheint  trotz  aller  anhaftenden  Mängel  be- 
reits genügend,  einen  genetischen  Zusammenhang  zwischen  ge- 
wissen Digestionsstörungen  und  Säureautointoxikation  (und zwar 
mit  Säuren  von  der  Zusammensetzung CnH2n08  und  deren  nächsten  Derivaten) 
zu  begründen.  Wenn  man  dann  ebenso  alle  sonstigen  klinischen  Formen 
dieser  Säurevergiftung,  also  ausser  der  kryptogenetischen  auch  die  infektiöse, 
die  diabetische,  die  carcinomatöse  Form  in  dieser  Richtung  vergleicht,  tritt 
überall  das  überaus  häufige  Zusammentreffen  von  Magendarm- 
erscheinungen und  Säureintoxikation  genügend  hervor.  Die  Regel- 
mässigkeit, mit  welcher  sich,  wie  Lorenz  nachwies,  die  leichteren  Intensitäts- 
grade der  Vergiftung,  besonders  die  Acetonurie,  bei  Magendarmaffektionen 
findet,  übertrifft  entschieden  die  Häufigkeit  der  Acetonurie  bei  Infekten,  beim 
Diabetes,  bei  Carcinomen  und  Inanitionszuständen.  Das  Verhältnis  zwischen 
Störung  der  Darmfunktion  und  Acetonurie  muss  geradezu  als  ein  ganz  ge- 
setzmässiges  anerkannt  werden.  Die  Säurevergiftung  bei  Digestionsstörungen 
stellt  nun  aber  eine  Reihe  dar,  die  von  den  leichtesten  Formen,  in  denen 
die  Acetonausscheidung  über  die  physiologischen  Grenzen  nur  wenig  hin- 
ausgeht, einen  fortschreitenden  Übergang  zeigt  zu  den  hervorragenden  h- 
toxikationen  mit  Oxybutter-,  Acetylessigsäure  und  Aceton  und  zum  tödlichen 
Ausgang.  Es  existiert  nicht  bloss  eine  klinische  Erscheinungsform 
der  Säureautointoxikation  bei  Digestionsstörungen;  man  wird 
vielmehr  kaum  fehl  gehen,  wenn  man  die  schwere  Säurever- 
giftung sui  generis  (die  kryptogenetische  Form)   auf  den  Darmtrakt 


Die  Säureaatointoxikation  sni  generis.  g21 

bezieht,  und  es  dürfte  sich  vielleicht  überhaupt  herausstellen,  dass  alle 
sonstigen  klinischen  Formen  der  Säurevergiftung  ebenfalls  accidentelle 
intestinale  Autointoxikationen  sindl 

Wenn  sich  nun  aber  auch  direkt  nachweisen  Hesse,  dass  der  Darm 
wirklich  die  letzte  Quelle  aller  einschlägigen  Formen  der  Selbstvergiftung 
birgt,  darf  doch  weder  gestörte  Darmfunktion  an  sich,  noch  das  Aceton  und 
die  Säuren  CiiHnaOs  als  einzige  Ursache  der  so  verschiedenartigen  Symp- 
tomenbilder der  kryptogenetischen  Säureintoxikation  aufgestelR  werden. 
Weder  das  Experiment  noch  die  klinische  Beobachtung  berechtigen  hierzu. 
In  vielen  Fällen  ist  hier  vermutlich  das  Auftreten  der  Säuren  bloss  ein  be- 
quem feststellbares  Symptom  einer  komplexen,  bisher  nur  unvollständig 
erkannten,  vom  Darme  herrührenden  Nutritionsstörung ;  das  Disparate  der 
Vergiftungsbilder  wird  sich  auf  verschiedene  erst  zu  ermittehide  toxisch 
wirksame  Komponenten  beziehen.  Trotzdem  bleibt  mindestens  der 
diagnostische  Wert  des  Acetons  und  der  Säuren  auch  für  diese  Fälle 
bestehen. 

Die  Bildung  der  Säuren  und  des  Acetons  im  Darmkanal  selbst  und  eine 
nachträgliche  Aufnahme  derselben  in  die  Säfte,  wie  dies  teilweise  Litten 
un(l  V.  Jaksch  angenommen  haben,  ist  wenig  wahrscheinlich.  Die  Aceton- 
menge  im  Magendarminhalt  ist  der  im  Harn  ausgeschiedenen  Menge  der 
entsprechenden  Verbindung  gegenüber,  rein  analytisch  betrachtet,  zu  gering- 
fügig, als  dass  ernstlich  eine  solche  Bildung  der  Säuren  und  des  Acetons 
im  Darmkanal  selbst  in  Betracht  gezogen  werden  könnte. 

Litteratur. 

1.  Petters,  Prager  Vierteljahrschrift.  19.  Jahrg.  8.  81. 

2.  K  an  lieh.  Ehendaselbst.  17.  Jahrg.  3.  58. 

3.  Senator,  Zeitschrift  für  klin.  Med.  Bd.  VII.  S.  235. 

4.  Litten,  Ebendaselbst.  Bd.  VII.  Sappl.  S.  81. 

5.  y.  Jaksch,  Ebendaselbst.  Bd.  X.  S.  362  nnd:  Über  Acetonurie  u.  Diacetnrie.  S.  126. 

6.  Pawinski,  Berlin,  klin.  Wochenschrift.  1888.  Nr.  50. 

7.  Juffinger,  Wiener  klin.  Wochenschrift.  1888.  Nr.  17. 

8.  Tnczek,  Berliner  klin.  Wochenschrift.  1889.  Nr.  17. 

9.  Stumpf,  Verhandinngen  der  deutschen  Gesellschaft  für  Gyn.  I.  Kongress  1886.  S.  169. 

10.  Baginsky,  Archiv  f&r  Einderheilkunde.  Bd.  9.  Nr.  1. 

11.  Gerhardt,  Wiener  med.  Presse.  1865.  Nr.  28. 

12.  Hoppe-Seyler,  G.,  Zeitschr.  für  klin.  Med.  Bd.  VI.  S.  478. 

13.  Schrack,  Jahrb.  für  Kinderheilkunde.  Bd.  29.  S.  411. 

14.  Lorenz,  H.,  Zeitschrift  für  klin.  Medizin.  Bd.  19.  S.  1. 

Febrile  Saureintoxikation. 

Litteratur. 

1.  Geppert,  Zeitschrift  für  klin.  Med.  Bd.  IL  S.  255. 

2.  Minkowski,  Arch.  für  exp.  PathoL  Bd.  19.  S.  209. 


622  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

3.  Kraus,  Zeitschr.  f.  Heilk.  Bd.  10.  S.  1. 

4.  Drouin,  Hämo-alcolim^trie.  Paris  1892. 

5.  Witticowski,  Arch.  für  exp.  Pathol.  Bd.  28.  S.  233. 

6.  K  lern  per  er,  6.,  Wiener  Kongress  f.  innere  Medizin. 

Sattreintoxikation  der  Carcinomatösen. 

Litteratur. 

1.  Klemperer,  G. ,   Charit^ Annalen.   Bd.  15.  S.  151  nnd   Berliner  klin.  Wochenschrift 
1889.  Nr.  40.  Charit^-Annalen.  Bd.  16.  S.  138. 

2.  V.  Jak  seh,  IL  Kongress  fttr  innere  Med.  S.  269. 

3.  Gärtig,  Dissert.  Berlin  1890. 

Die  Folgen  der  £ckdchen  Fistel  zwischen  der  unteren  Hohl- 
vene  nnd  der  Pfortader  für  den  tierischen  Organismas. 

Es  giebt  Autointoxikationeu  mit  Produkten  des  intermediären  Stoff- 
wechsels, in  deren  Chemismus  Säuren  mit  vorwiegend  spezifisch-toxi- 
scher Wirkung  eine  hervorragende  Rolle  spielen.  Vor  allem  ist  hier 
die  Carbaminsäure  Nllg— COOH,  das  Anfangsglied  der  Amidosäurereilie 
(CnH2ii(NH#) — COOH),  ein  saures  Produkt  bei  der  Umsetzung  der  Eiweis- 
körper  in  ihre  Endprodukte,  anzuführen. 

Diese  Säure  ist  (wenigstens  höchstwahrscheinlich)  der  Grundfaktor 
eines  experimentell  hervorrufbaren  Vergiftungsbildes,  welches  wegen 
seiner  hypothetischen  Beziehung  zur  Urämie  des  Menschen 
aus  pathologischen  Gesichtspunkten  das  höchste  Interesse  be- 
ansprucht. 

Als  M.  Nencki,  Pawlow,  Maassen  und  Hahn  bei  Hunden  die 
Ecksche  Venenfistel  anlegten,  durch  die  das  Pfortaderblut  aus  dem  Leber- 
kreislauf  ausgeschaltet  und  direkt  in  die  untere  Hohlvene  geleitet  wird, 
machten  sie  an  den  Versuchstieren,  welche  den  Fährlichkeiten  des  Ein- 
griffes entrannen,  die  nachstehenden  Beobachtungen  und  Untersuchungen. 
Die  Leber  der  Tiere  verfällt  dabei  in  verchiedene  Grade  einfacher  Atrophie 
und  progredienter  Verfettung. 

Ein  grosser  Teil  der  operierten  Hunde  verändert  plötzlich  für  kurze  oder 
längere  Zeit  seinen  Charakter.  Aus  sanften  und  gehorsamen  Tieren  werden  böse 
und  störrische.  Diese  Reizbarkeit  mildert  sich  allmählich,  aber  oft  ist  diese  Ruhe 
nur  der  Vorläufer  eines  neuen  Wutausbruchs;  das  Tier  ist  dann  in  rastloser  Be- 
wegung, es  dreht  sich  im  Käfig  hin  und  her,  steigt  an  den  Wänden  in  die  Höhe, 
benagt  alles,  überschlägt  sich,  verfallt  in  klonische  und  tetanische  Krämpfe.  Auch 
ist  eine  grössere  Atmungsfrequenz  bemerkbar.  Neben  dieser  Excitation  stellen  sich 
auch  Symptome  von  Depression  ein.  Es  geht  oft  ein  komatöser  Zustand,  eine 
allgemeine  Schwäche  der  geschilderten  Erregung  voran.  Das  Versuchstier  bleibt 
liegen,  erhebt  sich  nicht,  wenn  man  es  ruft,  und  schläft  fast  die  ganze  2ieit  Wird 
es  gezwungen    sich   zu  erheben,   so   schwankt  es,   die  Hinterbeine   schleifen  nach. 


Die  Folgen  der  Eckschen  Fistel  zwischen  d.  unteren  Hohlvene  u.  der  Pfortader  etc.     623 

das  Tier  fallt  nach  rückwärts  u.  dgl.;  endlich  lässt  sich  dasselbe  mit  dem  ganzen 
Körper  auf  den  Boden  nieder.  Grenötigt  zu  gehen,  zeigt  das  Tier  deutliche  Ataxie. 
Oft  verharrt  es  lange  in  sehr  unbequemer  Stellung,  auch  wenn  die  Pfoten  entfernt 
oder  gekreuzt  werden.  Im  Excitationsstadium  wird  die  Ataxie  noch  deutlicher, 
das  Tier  ist  dann  ununterbrochen  in  Bewegung,  aber  die  Bewegungen  sind  unge- 
schickt und  unschön.  Ausserdem  wird  das  Tier  blind  und  verliert  die  Schmerz- 
empfindung, während  Bewusstsein  und  Gehör  erhalten  bleiben.  Während  der 
Periode  der  Konvulsionen  geht  das  Bewusstsein  wahrscheinlich  verloren.  Den 
Krämpfen  folgt  wieder  ein  komatöses  Stadium.  Dann  liegt  das  Tier  ganz  regungs- 
los, nur  zuckt  es  zuweilen.  Dieser  Zustand  geht  in  den  Tod  oder  in  völlige  Heilung 
über.  Das  erholte  Tier  ist  aber  einer  Wiederholung  des  Anfalles  ausgesetzt,  wenn 
es  eine  starke  physische  oder  psychische  Erregung  erleidet  Die  Symptome  dieser 
Anfalle  treten  häufig  ganz  plötzlich  in  die  Erscheinung  und  folgen  sich  so  rasch, 
dass  nur  ein  Teil  dieses  klinischen  Bildes  beobachtet  werden  kann.  Oft  ent- 
wickelt sich  die  angeführte  Beihe  von  Erscheinungen  nicht  zu  Ende,  zuweilen 
b^nnt  der  Anfall  mit  den  Symptomen  des  mittleren  Stadiums  (Zuckungen).  Bei 
mehreren  Tieren  wiederholten  sich  die  Attacken.  Frühestens  treten  sie  am  10.  Tage 
nach  der  Operation  auf.  Einige  Hunde  erlagen  schon  dem  ersten  Anfalle,  andere 
viel  später.  Die  ersten,  mit  starken  Krämpfen  verbundenen  Attacken  wurden  von 
mehreren  Tieren  überstanden,  eine  Anzahl  von  Hunden  erlag  den  folgenden  schwächeren 
Anfallen,  andere  haben  sich  ganz  erholt.  Bei  allen  Versuchshunden  sank  am  Tage 
der  Operation  die  Temperatur.  Am  dritten  Tag  stieg  die  Temperatur  um  0,5 — 1  ^  C. 
über  die  Norm  und  blieb  so  durch  10 — 15  Tage.  Das  Körpergewicht  einzelner 
Tiere  nahm  progressiv  ab,  andere  nahmen  im  Gegenteil  zu.  Im  ersteren  Falle 
ging  die  Fresslust  verloren  oder  sie  bekamen  einen  „launenhaften**  Appetit  Andere 
Tiere,  die  sich  erholten,  erlangten  früher  als  das  Körpergewicht  die  Esslust  wieder, 
wurden  selbst  fett.  In  der  Periode  der  unzureichenden  Ernährung  wurden  öfter 
Erbrechen  und  Diarrhöen  beobachtet. 

Von  Anfang  an  war  eine  bestimmte  Beziehung  zwischen  der  Nahrung 
der  Versuchstiere  und  den  ersten  Anfällen  zu  erkennen.  Sobald  einer 
der  Hunde  sich  mit  Gier  auf  das  Fleisch  stürzte,  büsste  er  dies  mit  einem  Anfall, 
öfter  erfolgte  selbst  der  Tod.  Die,  welche  solche  Krisen  überdauerten,  rührten  lange 
kein  Fleisch  an,  dagegen  frassen  sie  N-freie  Nahrung  mit  Appetit  Von  diesem  Ge- 
sichtspunkt aus  lassen  sich  die  Tiere  in  zwei  Gruppen  einteilen.  Den  einen  wider- 
stand Fleich  von  allem  Anfang  an,  sie  begnügten  sich  mit  stickstofiarmer  Nahrung; 
sie  verhungerten  lieber,  ehe  sie  Fleisch  nahmen.  Die  andern  frassen  oder  verweigerten 
jedoch  nur  zeitweise  Fleischnahrung.  Sie  entsagten,  wenn  der  Genuss  eine  Störung 
nach  sich  gezogen  hatte.  Widerstanden  sie  später  nicht  mehr  der  Versuchung, 
wurden  sie  von  einem  neuen  Anfall  ergriffen.  Die  Hundekönnen  also  kein 
Fleisch  vertragen,  ohne  ernste  Störungen  des  Nervensystems,  die  oft  den  Tod 
im  Gefolge  haben. 

Die  Rückkehr  zur  Norm  hat  statt,  indem  sich  Kollateralbahnen  entwickeln, 
welche  der  Leber  Blut  zuführen.  Im  Falle,  als  die  Fistelöffnung  zwischen  Hals- 
vene und  Pfortader  sich  stark  verengert,  wird  der  erhöhte  Druck  zur  Ursache  des 


624  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

KoUateralkreislaufes  auch  ohne  Zusammenhang  der  Leber  mit  verschiedenen  Teilen 
der  Intestina  und  des  Mesenteriums. 

Der  Harn  der  Versuchstiere  wurde  nur,  wenn  Vergiftungserscheinungen  ein- 
getreten waren,  regelmässig  alkalisch.  Wurde  die  Eck 'sehe  Operation  mit  de; 
Unterbindung  der  A.  hepatica  kombiniert,  war  die  Reaktion  des  Harns  beständig 
alkalisch,  und  ausserdem  enthielt  derselbe  £i weiss  und  Hämoglobin.  Der  sofort 
nach  der  Operation  gelassene  Harn  enthielt  fast  immer  Bilirubin  und  ürobilin.  j 
Niemals  wurde,  in  zahlreichen  Analysen,  Oxybutter-  und  Milchsäure  gefundeo. 
Die  Harnanalyse  der  Hunde  mit  Eck  scher  Operation  und  Ligierung  der  Leber-  j 
arterie  ergab  eine  beträchtliche  Harnstoff  Verminderung.  Das  Verhältnis  des 
HarnstofT-N  zum  GesamtstickstofT,  welches  in  der  Norm  nur. in  sehr  engen  Grenzen 
schwankt,  erwies  sich  relativ  sehr  difierent  Das  Defizit  im  Verhältnis  von  Harn- 
stofT-N  und  Gesamtstickstoff  war  zunächst  teilweise  gedeckt  durch  eine  konstant 
sich  einstellende  Vermehrung  der  Harnsäureexkretion.  Die  Harnsäure  ver- 
minderte sich,  wenn  es  den  Tieren  gut  ging,  um  neuerdings  zuzunehmen,  sobald  sich 
Vergiftungserscheinungen  zeigten.  Ferner  war  nach  der  Eckschen  Operation  (ver- 
bunden mit  Unterbindung  der  A.  hepatica)  die  Ausscheidung  des  Ammoniaks 
erhöht.  Die  Steigerung  zeigt  sich,  nach  der  einfachen  Eckschen  Operation, 
wenn  die  Tiere  Fleischnahrung  verweigern  oder  wenn  sie  gezwungen  werden,  stick- 
stoffreiche Nahrung  zu  sich  zu  nehmen.  Die  Form,  in  welcher  der  Organismus 
dieses  Ammoniak  ausscheidet,  ist  das  leicht  zersetzliche  karbamin- 
saure  Salz.  Das  Auftreten  der  Earbaminsäure  in  gesteigerter 
Menge  muss  als  die  Folge  der  wesentlichsten  Störung  im  Stoff- 
wechsel der  Hunde  mit  Pfortaderfistel  bezeichnet  werden.  Da^ 
karbaminsaure  Salz  ist  im  Harn  viel  reichlicher  enthalten,  als  im  normalen  Hunde- 
harn  (in  welchem  ebenso  wie  im  normalen  Menschenurin  Spuren  von  Earbamaten 
nachweislich  sind).  Auch  im  Blute  der  Fistelhunde  sind  beträchtliche  Earbamin- 
säurem  engen  enthalten. 

Diese  chemischen  Befunde  gaben  Veranlassung  die  toxische  Wirkung 
der  karbaminsauren  Salze  am  Hunde  zu  studieren.  Nach  subkutaner  In- 
jektion stellten  sich  nun  beim  normalen  Hund  dieselben  Vergiftuugs^ 
Symptome  ein,  wie  bei  den  Hunden  mit  Eckscher  Fistel.  Auf  die  Einführung 
karbaminsaurer  Salze  per  os  reagierten  normale  Hunde  überhaupt  nicht;  die 
operierten  Tiere  dagegen  zeigten  ganz  dieselben  Intoxikationsphänomene,  wie 
sonst  spontan   oder   besonders  nach  Fleischnahrung. 

Das  Gesamtresultat  aller  vorstehend  angeführten  Versuche  berechtigt 
zum  wenigsten  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  Karbaminsaure  al< 
das  einzige  hier  massgebende  toxische  Agens  anzuerkennen.  Die 
giftigen  Karbaraate  gelangen  bei  den  operierten  Tieren  nach  reichliclieni 
Eiweissgenuss  mit  Umgehung  der  Leber  direkt  vom  Darm  in  die  unU^re 
Hohlader  (in  den  allgemeinen  Kreislauf)  und  entfalten  ihre  krampferregendo 
Wirkung  auf  das  Centralnervensystem.  Die  Annahme  liegt  nahe,  dass 
der  Leber  die  Funktion  obliegt,  unter  normalen   Verhältnissen 


Der  toxigene  £iweiB8zerfall.  625 

die   im    Blute    angesammelte   Karbaminsäure   in   Harnstoff  um- 
zuwandeln. 

Die  Ähnlichkeit  zwischen  diesem  Vergiftungsbilde  und  dem 
klinischen  Symptomenkomplex  der  Urämie  des  Menschen  ist 
eine  in  die  Augen  springende.  Beinahe  alle  Symptome  der  Urämie 
finden  sich  bei  den  Fistelhunden  wieder.  Die  Frage,  ob  die  Karbamin- 
säure nicht  auch  unter  den  Ursachen  der  Urämie  des  Menschen  eine 
wichtige  Rolle  spielt,  muss  jedenfalls  in  künftigen  Untersuchungen  ernstlich 
ventiliert  werden.  Unzweifelhaft  erscheint  es  schon  jetzt,  dass,  sobald 
es  gelingen  wird,  die  Karbaminsäure  im  Blut  und  Harn  quantitativ  zu 
bestimmen,  verschiedene  pathologische  Zustände  ein  besseres  Verständnis 
erlangen.  Erinnert  sei  hier  nur  an  die  vermehrte  Ammonausscheidung  bei 
interstitieller  Hepatitis;  wahrscheinlich  ist  die  Karbaminsäure  hiervon  teil- 
weise die  Ursache  u.  s.  w. 

Hofmeister  hat  (durch  £.  Pick)  bei  Hunden  und  Katzen  Schwefelsaure 
in  den  Ductus  choledoehus  einspritzen  lassen  und  dadurch  ein  Vergiftungsbild  er- 
zielt, das  hauptsächlich  durch  centrale  Narkose  und  terminale  Krämpfe  charakterisiert 
ist.  Das  Gemeinsame  mit  den  N  e  n  c k  i  sehen  Experimenten  dürfte  trotz  verschiedener 
Versuchsanordnung  der  Funktionsausfall  der  Leber  sein. 

Litteratur. 

1.  Nencki,  M.  u.  Pawlow,  J.,  Archiv  für  experimentelle  Pathologie.  Bd.  82.  S.  162  und 
(früher)  Arch.  de  scieno.  biol.  publ.  par  Tinstitat  imp.  de  möd.  exp.  ä  St.  Petersboorg. 
Bd.  I.  S.  401. 

2.  Drechsel,  Bericht  der  sächsischen  Akademie  der  Wissenschaften.  1875.  S.  177. 

3.  Drechsel  und  Abel,  Dubois  Archiv.  1891.  S.  236. 

4.  Abel,  The  Uoiversitj  Record  of  Michigan.  Jone  1892.  S.  46. 

5.  Abel  und  Muirhead,  Arch.  für  exp.  Path.  Bd.  31.  S.  15.  Bd.  32.  S.  467. 

6.  Slosse,  Dubois  Archiv.  1890.  S.  482. 

7.  Pick,  E.,  Archiv  für  exp.  Pathol.  Bd.  32.  S.  382. 

c)  Der  „toxigene''  EiweisszerfalL 

Die  Thatsache  des  krankhaften  Protoplasmazerfalls  bei  Krebskranken, 
welche  trotz  reichlicher  Nahrung  und  trotz  hohen  Eiweissgehaltes  derselben 
dauernd  Stickstoff  abgeben,  ist  zuerst  von  F.  Müller  auf  einen  autotoxi- 
schen Faktor  bezogen  worden.  Die  Abstammung  und  Natur  des  Giftes, 
insbesondere  die  Annahme,  dass  das  Carcinom  die  Bildungsstätte, 
ist  bisher  vollkommen  hypothetisch.  Jedenfalls  wäre  der  Vergiftung  ein 
Platz  unter  den  intermediären  Autotoxikosen  anzuweisen.  Klinisch  ist  es 
sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Krebskachexie  und  der  ihr  eigentümliche 
Schwund  des  Körpereiweisses  erst  mit  destruktiven  Prozessen  im  Neoplasma 
(Jauchung,  septische  Infektion)  platzgreifen. 

Labarack-Ostertag,  Ergebnisse.  U  Abteil.  40 


626  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Litteratur. 

1.  Müller.  F.,  Zeitschrift  für  klio.  Medizin,  ßd.  16.  S.  496. 

2.  Klemperer,  G.,  Ihidem.  Bd.  16.  8.  581. 

8.   V.  Noorden,  Pathologie  des  Stoffwechsels.    Berlin  1893. 

£.  Die  Harnsäarediathese. 

Eine  intermediäre  Autotoxikose,  welche  an  die  Dissimilation  derNuklein- 
stofEe  und  an  die  Expulsion  der  Produkte  dieser  Umsetzung  anknüpft,  ist 
die  Hamsäuredyskrasie.  In  der  Pathologie  war  bisher  letzteres  die  Be 
Zeichnung  für  jene  abnorme  Beschaffenheiten  des  Blutes  und  der  Säfte,  als 
deren  klinische  Manifestationen  die  G  i  c  h  t ,  die  L  i  t h  i  a  s  i  s  uratica  und  noch 
anderweitige  Symptomenbilder  verschiedener  Art,  welchen  nur  die  ver- 
mehrte Harnsäureexkretion  übereinstimmend  zukommt,  erschienen. 
Die  Zurückführung  aller  dieser  Krankheitsformen  auf  hinsicht- 
lich des  Zusammenhanges  und  der  Aufeinanderfolge  gemein- 
schaftliche Ursachen,  ist  aber,  wie  aus  dem  folgenden  hervor- 
gehen wird,  etwas  noch  zu  Erstrebendes. 

Bis  vor  kurzer  Zeit  verfügten  wir  zur  Beurteilung  der  Stellung  der  Harn- 
säure im  Stoffwechsel  zwar  über  zahlreiche  Einzelerfahrungen,  aber  es  fehlte  der 
verknüpfende  Gedanke  für  die  physiologischen  und  pathologischen  Gesetze  ihrer 
Bildung.  Einige  Tierordnungen  (Fische,  Amphibien,  Säugetiere  —  Mensch)  scheiden 
aU  typisches  Endprodukt  des  Eiweissstoffwechsels  Harnstoff,  andere  (Pulmonaten, 
Arthropoden,  Reptilien,  Vögel)  Harnsäure  aus.  Bei  den  letzterwähnten  Tierklassen, 
bei  welchen  der  mit  der  Nahrung  aufgenommene  Stickstoff  als  Harnsäure  zur 
Exkretion  gelangt,  gleichviel  ob  der  N  in  der  Form  von  Eiweiss,  Hamstofi, 
Ammonkarbonat,  Amidosäuren  eingeführt  wird,  erfolgt  die  Bildung  der  Harnsäure 
der  Hauptmenge  nach  vermutlich  in  der  Leber,  wobei  als  Konstituenten  Milch- 
säure, Ammoniak,  Kohlensäure  dienen.  Horbaczewskys  zweite  Synthese  der 
Harnsäure  (durch  Einwirkung  von  Trichlormilchsäureamid  auf  Harnstoff  oder  mit 
freier  Trichlormilchsäure  und  Ammoniak),  nach  welcher  die  Harnsäure  im  Medicus- 

NH-C— NH. 

sehen  Sinne   als  Akrylsäurediureid    C0<  C — NH'^  aufzufassen    ist, 

NH— C 
und  die  früher  angeführten  Experimente  Minkowskis  über  die  Folgen  der  Leber- 
ausschaltung bei  Gänsen  gestatten  einen  solchen  Schluss  auf  die  Entstehungsweise 
der  Säuren  im  Organismus.  Bei  den  übrigen  Tieren  sind  dagegen  als  (über- 
wiegende) Quelle  der  Harnsäure  die  Nukleine  anzusehen.  Von  der 
Nukleinsäure  leiten  sich  alle  sogen.  Xanthin-  oder  Alloxurkörper  ab.  Das 
Übereinstimmende  dieser  Verbindungen  besteht  darin,  dass  sie  sämtlich  einen 
Alloxan-  und  einen  Harnstoff  kern  enthalten,  wobei  unter  „Kern"  die  Harnstoff 
und    Alloxan    charakterisierende   Gruppierung    der    C-    und  N- Atome    verstanden 


Die  HarnaAnrediatheM.  ^27 

wird.      Aasserdem   sind   beide  Kerne   in   bestimmter    Weise   nach  dem    Schema 

N-C 

C<^  C  — ^N  Verbunden.   Die  Alloxurkorper  sind  zum  Teil  Basen.    Einige 

\        I  >C 

derselben  sind  als  regelmässige  Bestandteile  des  Harns  bekannt:  Xanthin,  Ouanin, 
Hjrpoxanthin,  Karmin-,  Para-  und  Heteroxanlhin.  Unter  pathologischen  Verhält- 
nissen (Leukämie)  ist  auch  das  hergehörige  und  besonders  wichtige  Adenin 
gefunden.  Die  Harnsäure  ist  eine  schwache  Säure  dieser  Gruppe,  welche  sich 
bloss  durch  einen  grösseren  0-Gehalt  unterscheidet  Die  Alloxurbasen  stecken 
in  der  Mehrzahl  der  Nukleine,  aus  denen  sie  durch  Säuren,  ja  selbst  durch  blosses 
Kochen  mit  Wasser  abspaltbar  sind.  Sie  sind  Bestandteile  der  Zellkerne  und 
deshalb  findet  sich  fast  in  allen  Geweben  des  Körpers  in  kleiner  Menge  die  eine 
oder  die  andere  dieser  Verbindungen. 

In  der  Norm  ist  die  Menge  der  mit  dem  Urin  secemierten  Alloxurbasen 
eine  sehr  geringe,  mit  100  ccm  Harn  werden  etwa  2,8 — 3,8  mg  Basen  ausge- 
schieden. Die  Alloxurkörper  entstehen  beständig  bei  den  chemischen 
Prozessen,  welche  sich  in  den  Zellkernen  abspielen;  sind  dieXanthin- 
körper  erst  einmal  gebildet,  scheinen  sie  nicht  weiter  zur  Harnsäure 
oxydierbar  zu  sein.  Wenn  nun  auch  nach  Maesgabe  der  Horbaczewski- 
scben  Versuche  die  Harnsäure  im  gesunden  Körper  gleichfalls  bei  der 
Desassimilation  der  in  allen  Geweben  enthaltenen  Nukleine  entsteht, 
erklären  sich  doch  die  raschen  physiologischen  (und  pathologischen)  Schwankungen 
der  Hamsäureproduktion  am  einfachsten,  wenn  man  in  bestimmten  Zellen, 
z.  B.  in  den  Leukocyten  die  Hauptbildner  der  Säure  anerkennt.  Denn 
diese  stellen  vor  allen  andern  solche  nukleinhaltige  Zellen  dar,  hinsichtlich  deren 
wir  einen  fortgesetzten  oder  sich  oft  wiederholenden  und  umfangreichen  Zerfall  im 
Körper  annehmen  dürfen.  Schon  eine  reichliche  Mahlzeit  erscheint  ausreichend,  eine 
nicht  unerhebliche  Vermehrung  der  Leukocyten  im  Blute  zu  bewirken,  und  da  diese 
Vermehrung  rasch  vorübergeht,  muss  daran  gedacht  werden,  dass  das  Nukle'm 
dieser  zerfallenden  Zellen  hauptsächlich  es  ist,  welches  sich  (entweder  in  Xanthin- 
basen  oder)  zu  Harnsäure  umsetzt  An  manchen  Personen  konnte  sich  Hor- 
baczewski  thatsächlich  überzeugen,  dass  nach  einer  stark  ei weisshaltigen  Mahlzeit 
am  Abschluss  einer  längeren  Fastenperiode  die  Harnsäureexkretion  erheblich  an- 
stieg. In  solchen  Fällen,  in  denen  nach  Einbringung  eiweissarmer  Nahrung  die 
Yerdauungsleukoc3rtose  ausblieb,  stellte  sich  auch  die  Vermehrung  der  Harnsäure- 
aasecheidung  nicht  ein.  Ebstein  ist  aus  pathologischen  Gesichtspunkten  (Gicht) 
gleichfalls  zu  dem  Schlüsse  gelangt,  dass  eine  Hauptbildungsstätte  der  Harnsäure 
das  Knochenmark  sei.  Bei  längerer  Beobachtung  ist  die  Harnsäureexkretion  für 
gesunde  Menschen  annähernd  konstant  und  variiert  höchstens  mit  dem  Alter.  Der 
Zerfall  der  Bestandteile  des  Körpers,  welcher  die  Harnsäureproduktion  vermittelt, 
hängt  zwar  von  der  Ernährung  ab,  aber  durchaus  nicht  im  Verhältnis  zur  ein- 
geführten Eiweissmenge.  Durch  Arbeiten  von  Pflüger  und  seinen  Schülern 
(L  Bleibtreu,  E.  Schnitze)    haben  wir  die  Art  der  Zersetzung  der  Ei  weiss- 

40* 


AmmonUk-N 

ExtnktiT«toff-N 

.     4,96     .     . 

.     .        9,48 

.     4,77     .     .     , 

.        8,16 

.     4,10     .     . 

.     16,70 

628  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

menge  im  Organismus  unter  wechselnden  physiologischen  Verhältnissen  kennen  zu 
lernen  angefangen.  Den  speziellen  Einfluss  der  Nahrung  auf  das  Mischungsver- 
hältnis der  N-Komponenten  im  normalen  Harn  (Harnstoff,  Ammoniak,  stickstoff- 
haltige Extraktivstoffe  wie  AUoxurkorper,  Kreatinin,  Pigmente)  bei  längerer  Be- 
obachtung bestimmte  seither  Oumlicli  für 

Harnstoff-N 
gemischte      Kost  mit     .     .     .     85,57     .     . 
mineralische     „       „       ...     87,07     .     . 
vegetabilische  „       „       ...     79,20     .     . 
Prozent  vom  ausgeschiedenen  Gesamtstickstoff. 

Bei  animalischer  Kost  ist  also  der  Extraktiv-N  ein  prozentisch  niedriger, 
bei  vegetabilischer  ein  hoher. 

Aus  diesen  physiologischen  Thatsachen  ergeben  sich  auch  für  die 
Pathologie  der  Harnsäurediathese  prinzipielle  Folgerungen.  Bei  patholo- 
gischen Untersuchungen  über  Hamsäurereproduktion  sind  wir  erstlich  viel 
mehr  als  in  anderen  Fällen  unabhängig  vom  übrigen  Stoffwechsel.  Die 
Aufstellung  einer  Relation  zwischen  den  im  Urin  ausgeschiedenen  Mengen 
von  Harnstoff  und  Harnsäure  setzt  längere  Beobachtungsdauer  und  die 
Berücksichtigung .  der  Kostordnung  voraus.  Von  einem  absoluten  Ver- 
hältnis (etwa  33  :  1  nach  Ha  ig)  kann  kaum  die  Rede  sein.  Bei  beliebig 
gewählten,  plötzlich  eingeschobenen  Mahlzeiten  wird  die  Relation  von 
Stunde  zu  Stunde  variren  können. 

Da  es  Horbaczewski  ausserhalb  des  Körpers  gelungen  ist,  aus 
dem  Nuklel'n  unter  bestimmten  Umständen  Xanthinkörper,  unter  andern 
Harnsäure  zu  gewinnen,  erscheint  von  vornherein  die  Annahme  nahe  ge- 
legt, dass  auch  im  Organismus  statt  Harnsäure  sich  Alloxurbasen  in 
grösserer  Menge  bilden,  bezw.  anhäufen  können,  dass  also  neben  der 
eigentlichen  Harnsäurediathese  noch  eine  Xanthinbasendyskrasie 
zu  unterscheiden  ist.  Einige  physiologische  und  pathologische  That- 
sachen sind  für  diese  Unterscheidung  verwertbar. 

Der  N  der  Xanthinkörper  wird  vermehrt  durch  Zufuhr  von  Pflanzennahrung 
(grünes  Gemüse,  Obst).  Bei  tuberkulösem  Fieber  (schlechter  ErnährungszuBtand) 
sind  die  Alloxurbasen  der  Harnsäure  gegenüber  vermehrt.  Ahnliches  ist  zu  be- 
obachten bei  schweren  Anämieen.  In  einschlägigen  Fällen,  in  welchen  schon  die 
starke  Urobilinurie  auf  Blutphthise  hinweist,  ist  manchmal  die  Hamsäureexkredon 
auffallend  herabgesetzt,  die  Ausfuhr  der  Xanthinbasen  erhöht  Weitere  That- 
sachen sind  zu  erhoffen  aus  den  neuen  schärfere  Methoden  zur  Trennung  der  Harn- 
säure von  den  Xanthinbasen  (vgl.  insbesondere  diejenigen  von  Krüger).  Vorläufig 
müssen  wir  uns  vielfach  begnügen  mit  Feststellungen  des  ganzen  „Extraktivstick- 
stoffes''. Bei  hohem  Fieber  ist  die  relative  Verminderung  des  Harnstoffs  ausge- 
glichen durch  verminderte  Exkretion  des  Exstraktivstoff-N.  Bei  den  Diabetikern 
erscheint  die  Menge  des  letztem  sehr  gering  (reichliche  Fleischnahrung?).  Leber- 
cirrhose,    Herzfehler    mit   Eompensationsstorungen   gehen   mit  einer  Vermehrung 


Die  Harnsfturediftthese.  629 

der  Ausscheidung  desselben  einher.  Beim  Hungern  ist  der  Extraküv-N  erhöht. 
Auch  im  urämischen  Anfall  scheint  eine  Ansammlung  desselben  im  Organismus 
stattzufinden.  In  einer  schönen  Untersuchung  hat  Töpfer  weiter  gezeigt,  dass 
im  Harn  von  Carcinomatösen  der  Harnstoffstickstoff  gegenüber  dem 
Extraktivstickstoff  bedeutend  vermindert  ist  Bei  9  Carcinomatösen  er- 
reichte der  Harnstofistickstoff  nur  80®/o  (und  schwankte  zwischen  65,2  —  79,9  ^/o); 
für  den  Extraktiv-N  entfallen  13  — 23^/o  des  Gesamtstickstoffs.  Auf  dieses 
Resultat  übt  die  Art  der  Ernährung  wenig  Einfluss. 

Die  Gift  Wirkung  der  Xanthinbasen  steht  allerdings  vielmehr  ausser 
Zweifel  als  die  Giftigkeit  der  Harnsäure.  Für  die  uns  interessierenden  Auf- 
gaben der  menschlichen  Pathologie  enthält  jedoch  das  akute  Vergiftungsbild 
nur  geringfügige  Anhaltspunkte.  In  der  Lehre  der  Autointoxikationen  käme 
als  Paradigma  noch  am  ehesten  die  „chronische  KafEeevergiftung"  in  Be- 
tracht („Neurasthenie",  Kopfschmerz,  Schwächung  der  Muskelkraft,  Tremor, 
Angst,  Herzklopfen,  Dyspepsie,  Kardialgie). 

Die  Toxizität  der  Harnsäure  wurde  dagegen  vielfach  als  unerheblich 
hingestellt.  Bouchard  hat  Versuchstieren  30  cg  der  Säure  pro  Kilo  Tier  in- 
jiziert, ohne  besondere  Folgen  zu  bemerken.  Im  Anschluss  an  die  pathologisch- 
anatomische Erfahrung,  dass  der  gich tische  Tophus  ein  halb  oder  ganz 
nekrotisches  Gewebe  darstellt,  hat  Ebstein  geglaubt,  dass  die  gelöste 
Harnsäure  eine  nekrotisierende  Entzündung  der  befallenen  Gewebe  erzeugt. 
Später  sollen  dann  die  durcli  Säuerungsprozesse  unlöslich  gewordenen 
ürate  in  den  Teilen  abgelagert  werden.  Pfeiffer  will  aber  experimentell 
nachgewiesen  haben,  dass  weder  die  Harnsäure  für  sich,  noch  die  durch 
Harnsäure  hervorgerufene  nichteitrige  Entzündung  wirklich  nekrotische 
Herde  zu  erzeugen  vermag.  Als  sicher  darf  man  wohl  annehmen,  dass 
die  Harnsäure  ein  chemisch  wirkendes  Gift  und  keine  bloss  mechanisch 
in  Krystallform  wirkende  Substanz  darstellt,  welches  verschiedene  Gewebe 
des  menschhchen  Körpers  schädigt,  wenn  es  mit  denselben  in  gewisser 
Konzentration  gelöst,  in  Kontakt  tritt.  Neben  lokalen  Entzündungspro- 
zessen ist  aber  auch  noch  die  Entstehung  anderweitiger  mehr  funktioneller 
Störungen,  z.  B.  aktiver  Hyperämieen  und  gewisser  Neurosen  nicht  unver- 
ständlich. Nicht  alle  klinischen  Bilder,  welche  wir  auf  Hamsäurediathese  zu 
beziehen  uns  gewöhnt  haben,  weisen  ausschliesslich  auf  lokale  toxische 
Wirkung  der  Säure  hin;  es  ergeben  sich  auch  von  vornherein  generali- 
sierte einschlägige  Störungen,  z.  B.  bei  den  „gichtischen  Neurasthenikem". 
Dass  Säureintoxikation  im  gewöhnlichen  Wortsinn  im  toxischen  Bilde  der 
Harnsäuredyskrasie  eine  Rolle  spielt,  dafür  fehlt  es  merkwürdigerweise 
fast  ganz  an  Belegen,  trotzdem  diese  Behauptung  immer  wiederkehrt,  seit- 
dem überhaupt  diese  Dyskrasie  angenommen  wird. 

Bei  Anwendung  der  Bezeichnung  Hamsäurediathese  (im  engeren 


g30  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Wortsinn)  scheint  es  an  der  Zeit,  einen  Unterschied  zu  machen,  je  nach- 
dem sich  vor  allem  eine  Neigung  der  Harnsäure,  im  Körper 
Niederschläge  zu  bilden,  kund  gibt,  oder  bloss  (gelöste)  Harn- 
säure reichlich  im  Organismus  sich  findet,  bezw.  in  denExkreten 
erscheint.  Beides  braucht  im  Einzelfalle  nicht  gleichzeitig  zu  bestehen. 
Leukämiker  z.B.  mit  unzweifelhaft  überreichlicher  Hamsäureproduktion 
(und  entsprechend  starker  Exkretion)  unterliegen  nicht  etwa  regelmässig 
der  Bildung  von  uratischen  Konkretionen. 

Freund  und  Zerner  betrachten  folgendes  Verhältnis  als  massgebend 
für  die  Abscheidung  von  Harnsäure  auch  in  den  Ueweben.  Im  Harne 
bildet  sich  kein  uratisches  Sediment,  wenn  das  Verhältnis  Harn- 
säure: P2O5  der  neutralen  Phosphate  kleiner  ist  als  0,35  —  0,4. 
Mangel  an  neutralen  Phosphaten  führt  die  Entstehung  des  Nieder- 
schlages auch  in  Harnen  mit  subnormalem  Harnsäuregehalt  und 
geringer  Acidität  herbei.  Die  Menge  der  sauren  Phosphate  scheinen 
die  Bildung  des  Sedimentes  überhaupt  wenig  zu  beeinflussen.  Dieses  Ver- 
hältnis auf  die  Gewebe  übertragen,  werden  wir  vielleicht  schon 
vor  dem  Auftreten  lokaler  gichtischer  Processe  die  Diagnose 
zu  stellen  in  der  Lage  sein.  Allerdings  bedürfen  wir  hierzu  einer  Methode 
zur  Bestimmung  der  Alkalinität  und  Acidität  des  Urins,  welche  die  Grösse 
aller  dieselben  bestimmenden  Faktoren  gestattet  (Mono-  und  Dinatrium- 
phosphat,  einfachund  doppelkohlensaures  Salz,  Urate,  freie  organische 
Säure).  Gegen  eine  entsprechende,  von  Freund  und  Toepf  er  angegebene 
Methode  hat  aber  neuestens  Lieblein  Bedenken  erhoben. 

Eine   weitere  Frage  wird  es  sein,  ob  in  den  klinischen  Fällen  von 

Hamsäurediathese  überschüssige  Bildung  oder  Retention  überwiegt 

Ersteres  wird  immer  die  einfachere  Annahme  sein,  wenn  durch  längere 

Zeit  abnorm  viel  Harnsäure  in  den  Exkreten  erscheint.    Indirekt 

spricht  dafür,  dass  beim  Menschen,  je  mehr  er  Harnsäure  erzeugt, 

desto  mehr  die  Rhodanbildung  herabgeht.    Im  Adenin 

HN  — C=N^ 

I  >CH 

NH  =  C         C— N^ 

HN       CR 
ist  nämlich  das  C  zum  Teil  doppelt  an  N  gebunden.    Beim  völligen  Zer- 
fall derselben  muss  daher  die  Cyangruppe  entstehen,  welche  sich  mit  nicht 
oxydiertem  S  verbindet  und  als  Rhodanalkali  in  Speichel,  Harn,  Milh  an- 
zutreffen ist. 

Alle  Gifte  und  Krankheiten,  welche  einen  beschleunigten  oder  verzögerten  Zer- 
fall von  Gewebszellen,  vor  allem  von  Leukocyten,  bewirken,  erhohen  oder  ver^ 
ringem  auch  die  Hamsaureexkretion.    £ue  Vermehrung  d&  Hamsauieausscheidung 


Die  Harnsäurecliatbese.  631 

wurde  von  Horbaczewgki  u.  a.  konstatiert  bei  der  Leukämie,  den  akuten  Infekten 
(besonders  der  Pneumonie),  der  Inanition,  verschiedenen  Kachexieen,  Lebercirrhose, 
bei  ausgedehnten  Hautverbrennungen.  Alle  diese  Fälle  sind  mit  der  Anschauung 
verträglich,  dass  die  Harnsäure  aus  dem  sich  umsetzenden  Nuklein  hervorgeht 
Seit  Garrod  durch  sein  bekanntes  Fadenezperiment  es  wahrscheinlich  gemacht 
hatte,  dass  die  im  Blute  von  Gichtikern  wenigstens  kurz  vor  und  während  eines 
Anfalles  enthaltene  Harnsäuremenge  meist  (etwas)  grösser  gefunden  wird,  als  in 
der  Norm,  sind  nur  vereinzelte  exakte  Untersuchungen  darauf  zurückgekommen. 
Abel  es  konnte  nicht  nur  nicht  die  ältere  Angabe,  dass  Leber,  Milz  und  Muskeln 
des  Menschen  Harnsäure  enthalten,  bestätigen,  er  fand  die  Säure  auch  in  den 
Gelenken  und  Knorpeln,  und  ebenso  im  normalen  Blute!  Im  Blute  kranker 
Menschen  liegen  leider  recht  wenig  genaue  Einzelbestimmungen  vor.  Salomon  wies 
Harnsäure  nach  im  Blute  von  vier  Pneumoniekranken  und  von  Gichtikern  (im 
Anfall).  Bei  akutem  Gelenkrheumatismus,  bei  Nephritis  und  Diabetes  mellitus 
hatte  er  negative  Resultate.  An  einem  bedeutenden  klinischen  Material  hat  von 
Jaksch  mit  der  Ludwigschen  Methode  solche  Bestimmungen  ausgeführt  Im 
Blute  Gesunder  konnte  er  Harnsäure  nicht  finden.  Die  untersuchten  Fälle  von 
Krankheiten  des  Nervensystems  ergaben  gleichfalls  negatives  Resultat  Die  Be- 
stimmung bei  Patienten  mit  Typhus  abdominalis  während  der  fieberhaften  Periode 
war  ebenso  umsonst  In  Krankheiten  der  Unterleibsorgane  stellte  sich  ein  wechselndes 
Ergebnis  heraus.  In  einem  Falle  von  Tumor  lienis  Hess  sich  eine  relativ  bedeutende 
Menge  Säure  nachweisen.  Ähnliches  ergab  sich  bei  Carcinoma  ventriculi  und  (hyper- 
trophischer Lebercirrhose.  In  10  Fällen  von  Kardiopathie  und  Erkrankung  der 
grossen  Gefasse  fand  sich  meist  negatives  Resultat  Dagegen  liess  sich  in  einem 
Falle  von  multipler  Serosenentzündung  eine  recht  bedeutende  Menge  von  Harn- 
säure nachweisen.  Im  Blute  von  6  Pneumonikern  wurde  regelmässig  ein  bedeutender 
Oehalt  an  Harnsäure  festgestellt  In  9  von  11  Fällen  von  Nieren  afiektion  ent- 
hielt das  Blut  Harnsäure,  öfter  in  beträchtlicher  Quantität;  besonders  gross  erwies 
sich  der  Hamsäuregehalt  in  den  Fällen  mit  Granularatrophie.  Positiv  war  end- 
lich auch  das  Ergebnis  bei  Anämie  mit  Leukocytose.  Die  von  v.  Jaksch  er^ 
mittelten  Thatsachen  stimmen  in  erfreulicher  Weise  zu  der  mehrfach  erwähnten 
Horbacze  WS  kischen  Annahme,  nach  welcher  wir  deutliche  Harnsäurereaktion  im 
Blute  in  solchen  Fällen  erwarten  müssen,  wenn  Symptome  für  abnorm  reichliche 
Neubildung  oder  von  gesteigertem  Zerfall  der  Zellen  (Leukocyten)  im  Organismus 
vorhanden  sind. 

Neusser  fand  in  Fällen  von  uratischer  Diathese  (Podagra,  Lithiasis  uratica, 
»irreguläre  Gicht"  als  Muskelrheumatismus,  Asthma  nervosum,  Hautafiektionen, 
gastro-intestinale  Störungen,  diab^te  gras,  Neuralgieen,  Neurasthenie)  im  Blute  bei 
Ehrl  ich  scher  Färbung  der  frisch  getrockneten  Präparate,  und  zwar  vor  allem  in 
den  mononuklearen  und  selbst  in  den  eosinophilen  Leukocyten  rings  um  den  Kern 
gelagerte,  mit  der  basischen  Komponente  (einer  etwas  modifizierten)  Triacidmischung 
intensiv  schwarz  gefärbte  Körner  und  Tropfen,  bald  unmittelbar  aus  dem  Kern 
in  das  Plasma  eindringend,  bald  dieses  rosenkranzförmig  einsäumend.  Es  handelt 
sich  wahrscheinlich  um  chemisch  modifizierte,  in  den  Protoplasmaleib  eingedrungene 


632  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  PhjRiologie. 

Kernbestandteile.  Die  Fälle  waren  yielfach  durch  Stoffwechseluntersachtuigen  als 
in  das  Bereich  der  Harnsäurediathese  fallend  verifiziert 

Nach  Neusser  wären  nun  die  Leukocjten  bei  Hamsäuredyskrasie  abnorm 
reich  an  nukleinartigen  Substanzen,  also  abnorm  reich  an  Vorstufen  der  Harnsäure. 
Das  Interesse  dieses  Blutbefundes  gipfle  darin,  dass  hierdurch  zunächst  ge- 
wisse bisher  nicht  erkannte  Manifestationen  der  Diathese  diagnos- 
tisch zugänglich  würden.  Derselbe  Blutbefund  sei  femer  für  Fälle  vod 
Tuberkulose  in  prognostischer  Hinsicht  bedeutungsvoll;  bei  seinem  VorhandenseiD 
habe  die  Phthise  einen  besondem,  zu  fibröser  Umwandlung  der  tuberkulösen  In- 
filtrate tendierenden  benigneren  Verlauf. 

Die  Neuss  er  sehen  Granula  scheinen  doch  wohl  identisch  mit  den  „pjreno- 
genen"  Körpern  Löwits  in  den  weissen  Blutkörperchen  des  Flusskrebses  (die 
Arthropoden  bilden  die  Harnsäure  nicht  aus  NukleinstofiTen)  und  in  gewissen 
Leukocyten  des  Knochenmarkes.  Damit  fiele  die  Erscheinung  derselben  in  das 
grosse  Gebiet  der  Karyorhexis  und  wäre  gleichbedeutend  mit  einer  Chromate- 
lytischen  Degeneration  der  Leukocyten.  Die  Karyorhexis  ist  teilweise  kadaveröser 
Natur;  inwiefern  die  Neusser  sehen  Granula  an  das  Leben  der  Zellen  geknüpft 
sind,  bleibt  zu  untersuchen.  Die  gewählte  Bezeichnung  „uratische  Veränderung 
der  Leukocyten'^  ist  aber  deshalb  noch  nicht  anfechtbar  und  es  bleibt  das  Interesse 
der  Neuss  ersehen  Granula,  sofern  sich  nur  durch  exakte  StofiTwechseluntersucfa- 
ungen  ausreichend  ihre  Beziehung  zu  Individuen  mit  Harnsäurediathese  bestätigen 
lässt,  kein  geringes. 

Hinsichtlich  der  letzten  Ursache,  welche  den  vorübergehend  oder 
dauernd  erhöhten  Gehalt  des  Blutes  und  der  Säfte  an  Harnsäure  bewirkt, 
und  über  die  unmittelbare  Bedeutung  derselben  für  die  Pathogenese  von 
Gicht  und  Lithiasis  differieren  die  Meinungen  der  Pathologen  ausserordentlich. 
Referent  ist  unvermögend,  die  verschiedenen  Ansichten  zu  vereinigen. 
In  Diskussion  stehen  die  Ansichten  von  Garrod,  Ebstein,  v.  Noorden, 
Pfeiffer,  Roberts.  Da  vermehrte  Produktion  von  Harnsäure  allein 
erfahrungsgemäss  nicht  regelmässig  zu  Gicht  und  Lithiasis  uratica  führt, 
so  scheint  es,  als  ob,  wie  bereits  betont,  in  Zukunft  den  harnsäure- 
lösenden  Faktoren  der  organischen  Flüssigkeiten  und  Sekrete  wieder 
grössere  Aufmerksamkeit  wird  zugewendet  werden  müssen.  Vielleicht 
werden  die  Untersuchungen  von  Roberts  das  Material  für  eine  brauch- 
bare Theorie  liefern.  Über  die  Alkalescenz  des  Blutes  der  Gichtiker 
liegen  keine  ausreichenden  Untersuchungen  vor.  Die  besondere  Vulne- 
rabilität der  Gewebe  gegenüber  einer  Säure  von  wenig  siguificanter  Wirkung 
legt  es  nahe,  an  abweichenden  Bedingungen  der  intimsten  Organisation  der 
Zellen  (Zellkerne)  zu  rekurrieren ;  bisher  ist  die  Aufnahme  der  pathologisch- 
anatomischen Prozesse  der  Gicht  in  die  überhaupt  wenig  gewürdigte  Gruppe 
der  Vegetations  anomalieen  allerdings  nicht  ernstlich  unternommen  worden. 


Die  AlkaptoDurie.  533 

Litteratur. 

1.  Ebstein,  Beiträge  zar  Lebre  von  der  bamsaaren  Diatbeae.    Wiesbaden  1891. 

2.  Levison,  Die  Hamsäurediatbese.    Berlin  1893. 

3.  Dnckwortb,  Die  Gicbt.    Dentscb  von  H.  Dippe.  1894. 

4.  y.  Noorden,  Patbologie  des  Stoffwechsels. 

5.  Hoffmann,  A,  Konstitution skrankbeiten.    Stuttgart  1893. 

6.  Pfeiffer,  E.,  Die  Gicbt.    Wiesbaden  1891  nnd  Berl.  klin.  Wocbenscbrift  1892. 

7.  Horbaczewski,  Sitzungsber.    d.  kais.  Akad.  der  Wissenscbaften.    Wien,  matbem. 
natoTw.  Klasse.  Bd.  III.  April  1891  n.  zur  Theorie  der  Harnsäurebildung.  Wiesbaden  1892. 

8.  MareS,  Archives  slaves  de  biol.  Bd.  III.  S.  207. 

9.  Munk,  J.,  Eulenburgs  Encyclopädie.  Bd.  21.  S.  877. 

10.  Camerer,  Deat.<M;be  med.  Wocbenscbrift.  1891.  Bd.  10.  S.  11. 

11.  Krager,  Zeitocbr.  f&r  pbys.  Chem.  Bd.  20.  S.  176. 

12.  Pascbkis,  H.  u.  Pal,  Wiener  med.  Jahrb.  Bd.  II.  S.  612. 

13.  Brnylants,  J..  Bull  de  Tacad.  de  m^d.  de  Belg.  (4)  2.  18.  1888. 

14.  y.  Jak  seh,  Zeitschrift  f.  Heilkunde.  Bd.  11.  S.  5. 

15.  Gumlicb,  Zeitschrift  f.  phys.  Chemie.  Bd.  17.  S.  10. 

16.  Formanek,  Sitzungsber.  der  kais.  Akademie.  Wien.  Bd.  III.  April  1892. 

17.  Rohland  und  Schurz  H.,  Pflflgers  Archiv.  Bd.  47.  Heft  9. 

18.  Bleibtreu  und  Schnitze.  Ebendaselbst.  Bd.  95.  S.  401. 

19.  Hirscbfeld,  Virchows  Archiv.  Bd.  117.  S.  301. 

20.  SalomoD,  G.,  Virchows  Archiv.  Bd.  125.  S.  554.  u.  Cbaritö-Annalen.  1878.  S.  139. 

21.  Roberts,   W.,  On  the  chemistrj  cet.   of  uric  acid,  gravel,   gout    London  1892  und 
Lancet  1892.  June  18. 

22.  Hai  g,  St.  Bartholomeus  hospitals  report.  1890. 

23.  Töpfer,  Wiener  klin.  Wochenschrift  1892.  Nr.  3. 

24.  Neuss  er,  Wiener  Naturforscherversammlung.  1894.  Tagblatt  S.  807. 

25.  Freund,  £.  und  T Opfer,  Zeitschrift  fttr  physiol.  Chemie,  19.  Bd.,  8.  84. 

26.  Lieblein,  V.,  Ebendas.  20.  Bd.  52. 

27.  Freund,  £.  und  Zerner,  Wiener  klin.  Wocbenscbrift  VI,  S.  272. 


F.  Die  Alkaptonarie. 

Hier  ist  auch  der  Platz  für  eine  kurze  Besprechung  des  Wesens  dieser 
allerdings  niemals  zu  autotoxischen  Paroxysmen,  ja  überhaupt  kaum  zu 
grober  Schädigung  des  Körpers  Anlass  gebenden,  an  die  Umsetzung  des 
aromatischen  Kernes  im  Eiweissmoleküle  geknüpften  Nutritionsstörung,  welche 
erst  seit  1891  ernstlich  diskutiert  wird.   Es  handelt  sich  dabei  um  das  Auf- 

OH 

OH 
treten    der   Trioxyphenylpropionsäure    (Uroleucinsäure)    CgH^Qjj 

C2H4COOH 

OH 
und    der    Dioxyphenylessigsäure     (Homogentisinsäure)      CgHsOH 

CH2COOH, 

welche  vom  Tyrosin  (Paraoxyphenyl-a-Amidopropionsäure) 

OTT   HO 

^•^*CH,— CHNH,— COOH  abstammen. 


634  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Nach  Boedeker  verstand  man  unter  AI kaptonurie  einen  Zustand,  bei  welchem 
der  Harn  auch  nach  Beseitigung  von  Ameisensäure,  Harnsäure,  Glykaronaäiire  und 
Zucker  die  Eigenschaft  behält,  kräftige  Reduktionen  auszufuhren  und  nach  Zusati 
von  Alkali  unter  Og- Absorption  sich  schwarz  zu  färben.  Bau  mann  und  Wolkow 
untersuchten  nun  den  Harn  eines  67jährigen  Mannes  mit  Alkaptonurie,  bei  welchem 
die  auffallende  Farbenveränderung  des  Harns  schon  seit  der  Jugend  bestand  ohne 
weitere  Gesundheitsstörung.  Eine  60jährige  Schwester  des  Patienten  hatte  gleich- 
falls seit  den  Kindeijahren  alkaptonartigen  Urin.  Beide  Forscher  isolierten 
die  Homogeptisinsäure  und  stellten  ihre  Konstitution  fest  Auch  hoben  sie 
die  nahe  Analogie  derselben  mit  der  von  Kirk  in  einem  Falle  aufgefundenen 
Uroleucinsäure  hervor,  deren  Natur  als  Trioxphenylpropionsäure  von 
Huppert  erkannt  worden  war. 

Das  Tyrosin  stammt  aus  dem  aromatischen  Kern  des  Eiweissmoleküles;  es 
gebort  zur  Phenolgruppe  der  mannigfaltigen  aromatischen  Spaltungsprodukte. 
Das  Tyrosin  ist  das  einzige  aromatische  echte  Verdauungsprodukt:  es  geht  aus 
der  Spaltung  des  Hemipepton  durch  Pankreasenzym  hervor.  Die  im  Darme  nie 
fehlenden  Fäulnisprozesse  geben  gleichfalls  Anlass  zur  Bildung  von  Tyrosin  aus 
Pepton.  Dass  Tyrosin  endlich  auch  bei  der  Umsetzung  der  Eiweisskörper  im 
Organismus  als  normales  Zwischenprodukt  resultiert^  istvonNenoki  und  Schultzen 
wenigstens  behauptet  worden.  Im  Darm  erfolgt  die  weitere  Zerlegung  des  Tyrosins 
durch  niedere  Organismen  in  aromatische  Oxysäuren,  Phenol.  Über  das  Schicksal 
des  resorbierten,  bezw.  in  die  Cirkulation  überführten  Tyrosins  ist  wenig  bekannte 
Nach  Tyrosingenuss  sind  beim  Menschen  und  beim  Hunde  weder  die  Hippursäuie 
noch  Phenol  und  die  gepaarten  Schwefelsäuren  im  Harn  vermehrt;  der  Benzolkem 
ist  verschwunden,  gerade  so,  wie  die  im  Eiweissmolekül  eingeschlossene  aromatische 
Atomgruppe  gleichfalls  vollständig  oxydiert  wird.  Mit  Leichtigkeit  spaltet  der 
gesunde  Organismus  die  NH^-enthaltende  Seitenkette  ab  und  bildet  NH,  und 
Harnstoff.     Vermutlich  ist  dies  eine  Funktion  der  Leber. 

Das  Versuchsindividuum  Bau  man  ns  und  Wolkows  schied  nun  bei 
Fütterung  mit  Tyrosin  nicht  bloss  mehr  Homogentisinsäure  aus,  sondern 
das  Tyrosin  überging  auch  nahezu  vollständig  in  diese  Säure.  Da  erhob 
sich  die  Frage,  handelt  es  sich  hier  um  eine  direkte  Umwandlung  in  den 
Organen  und  Geweben?  Bau  mann  hat  gewichtige  Einwände  gegen  die 
Entstehung  der  Homogentisinsäure  aus  Tyrosin  durch  den  tierischen  Stoff- 
wechsel erhoben.  Jene  Umsetzungen  vollziehen  sich  nach  ihm  vielmehr 
ausschliesslich  im  Darmkanal,  der  mit  hierfür  spezifischen  (bisher  un- 
bekannten) Mikroorganismen  infiziert  ist.  Den  vollen  Beweis  für  die  Ent- 
stehung der  Säure  im  Darm  vermochte  aber  Baumann  nicht  zu  erbringen. 

E  m  b  d  e  n  hat  Baumanns  Vermutung  durch  Versuche  geprüft.  Seine  Patientin 
schied  gleichfalls  bei  Tyrosinzufuhr  viel  mehr  Säure  aus.  Mittel,  welche  die 
Fäulnisprozesse  im  Darme  herabsetzen  (Terpentinöl,  Kefir,  Ricinusöl), 
vermindern  nicht  die  Alkaptonausscheidung.  In  den  Bicinusstühlen  Hess 
sich    keine   Homogentisinsäure   nachweisen,  die  Atherschwefelsäure  im  Harn  aber 


Die  interne  Sekretion  und  die  Antointoxikation.  635 

war  Termindert,  also  eine  stärkere  Zersetzung  der  Saure  im  Darm  unwahrscheinlich. 
Verabreicfate  Homogentisinsäure  fand  sich  zu  drei  Viertel  im  Harn  wieder;  der 
Rest  wird  nicht  im  Darm  durch  Fäulniss  zerlegt,  sondern,  wie  die  Bestimmung 
der  gebundenen  Schwefelsäure  des  Harns  erwies,  in  den  Geweben  oxydiert* 
Bei  subkutaner  Injektion  groasoer  Mengen  der  Säure  wird  ein  Teil  unverändert 
im  Harn  abgeschieden,  ohne  Vermehrung  der  gepaarten  Schwefelsäure.  Der 
Alkaptonharn  enthält  übrigens  bemerkenswerterweise  nur  einen  ge- 
ringen Teil  der  normalen  Harnsäuremenge.  In  Ogdens  Fall  (45jähriger^ 
sonst  gesunder  Mann),  in  welchem  täglich  ungefähr  5  g  Homogentisinsäure  aus- 
geschieden wurden,  zeigte  eich  gleichfalls  stark  verminderte  Hamsäureexkretion. 

Die  Embdenschen  Versuche  sprechen  gegen  Baumanns  Hypothese. 
Der  menschliche  Organismus  scheint  hier  doch  nicht  bloss  insofern  be- 
teiligt, als  er  ein  spezifisches  bakteritisches  Produkt  resorbiert  und  aus 
scheidet.  Ist  ja  doch  auch,  wie  das  Beispiel  der  Phosphorvergiftung  und 
der  schweren  Anämieen  beweist,  die  Vermutung  des  ausschliesslich  bakte- 
riellen Ursprunges  des  Tyrosins  zu  verwerfen.  Die  Aufklärung,  in  welchem 
Umfange  das  Tyrosin  physiologischen  Leistungen  des  Organismus  sein  Her- 
kommen verdankt  und  inwiefern  Uroleucin-  und  Homogentisinsäure  als 
Produkte  des  Intermediärstoffwechsels  gelten  dürfen,  bleibt  allerdings  weiteren 
Untersuchungen  vorbehalten. 

Das  Symptom  einer  besonderen  Krankheit  scheint  die 
Alkaptonurie  nicht  zu  sein.  Sie  kommt  bei  anscheinend  gesunden 
hidividuen  jeglichen  Alters  upd  im  Verlaufe  verschiedener  krankhafter 
Prozesse  zur  Beobachtung. 

Litteratur. 

1.  Boedeker,  Zeitschrift  für  rat.  Med.  (8)  Bd.  VII.  8.  180. 

2.  Eirk,  Brii  med.  Jouni.  1886.  Bd.  II.  S.  1017. 

3.  Happert,  Analyse  des  Harns.    Wiesbaden  1890.  S.  152,  155. 

4.  Wolkow  nnd  Banmann,  Zeitsofarift  f&r  physiol.  Chemie.  Bd.  XVII.  S.  228. 

5.  Garnier  et  Voisin,  Arch.  d.  phys.  (5).  IV.  p.  225. 

6.  Embden,  Zeitechr.  f.  physiol.  Chem.  Bd.  XVII.  S.  182  nnd  Bd.  XVIII.  S.  804. 

7.  Ogden,  H.  V.,  Zeitsch.  f.  physiol.  Chemie.    Bd.  XX.    S.  250. 

6.  Die  „mterne^^  Sekretion  nnd  die  Antointoxikation. 

Den  (gewöhnlich  mit  diesem  Namen  bezeichneten),  anf  äussere  Ober- 
flfichen  ergossenen  Sekreten  gegenüber  unteracheidet  die  Physiologie  seit 
Cl.  Bernard  und  Brown  S^quard  ins  Blut  zurückkehrende 
secernierte  Stoffe  (S^cretion  recrömentielle).  Jedes  Organ  nimmt 
thatsäohlich  Substanzen  aus  dem  Blute  auf,  welche,  chemisch  umgewandelt, 
wieder  in  Cürkulation  gesetzt  werden.  Vor  allem  aber  fallen  drüsige 
Bildungen,  wie  Pankreas,  Leber,  Schilddrüse,  Nebenniere,  Hypophysis 


636  Allgem.  pathoL  Morphologie  nnd  Physiologie. 

cerebri  und  wohl  auch  Nieren  [und  Speicheldrüsen  (?)]  unter  diesen  Ge- 
sichtspunkt. 

Das  in  den  letzten  Jahren  riesig  umfänglich  gewordene  Feld  der  (be- 
reits früher  erwähnten)  internen  Sekretionen  ist  für  die  den  Referenten 
gesteckten  Grenzen  einerseits  zu  gross,  andererseits  vorläufig  vom  chemisch- 
physiologischen Standpunkte  noch  nicht  genügend  exakt  ausgebeutet,  als 
dass  hier  über  gewisse,  für  die  intermediären  Autotoxikosen  bedeutungs- 
volle allgemeine  Momente  hinausgegangen  werden  könnte. 

Die  inneren  Sekrete  sind  entweder  den  Zwecken  des  Organis- 
mus dienende  Verbindungen  (Stufen  des  Intermediär-StofEwechsels,  z.B. 
Zucker)  oder  Exkrete  (wie  der  in  der  Leber  gebildete  Harnstoff).  Am 
meisten  Interesse  beanspruchen  jene  Stoffe,  welche  die  Hauptrich- 
tungen der  Stoffbewegung  weitgehend  modifizieren  (man  vgL 
als  Beispiel  die  Wirkung  des  Pankreas  auf  den  Kohlenhydratstoffwechsel 
der  Gewebe).  Die  Beziehungen  zwischen  Autointoxikation  und  innerer 
Sekretion  werden  nun  naturgemäss  umso  unmittelbarer  und  gewinnen  in 
dem  Masse  an  Umfang,  je  mehr  sich  die  Funktion  der  genannten 
Drüsen  als  exkretorische  herausstellt.  Denn  unter  dieser  Voraus- 
setzung erwachsen  zahlreiche  zur  Anhäufung  im  Blute  geneigte  toxische 
Substanzen,  welche  unschädlich  gemacht,  bezw.  entfernt  werden  müssen. 
Den  Mechanismus  dieser  Wirkung  kann  man  sich  vorläufig  durch  einen 
Vergleich  mit  den  Histozymen  Schmiedebergs  näher  bringen.  Spezieller 
Untersuchung  bleibt  vor  allem  vorbehalten,  wie  jene  Giftstoffe  chemisch 
geartet  sind  und  in  welchen  Organen  jedes  einzelne  derartige 
Sekret  gebildet  wird.  Aber  auch  der  mit  der  Ausschaltung  (Erkran- 
kung) der  entsprechenden  Organe  verbundene  Verlust  nützlicher  in- 
terner Sekrete  führt  —  auf  Umwegen  allerdings  —  zur  Selbstvergiftung: 
gewisse  Stoffwechselprozesse  bleiben  stehen  oder  geraten  in  (teilweise) 
falsche  Richtung.  Man  hat  bisher  den  Beweis  für  die  erstangeführte 
mögliche  Beziehung  immer  durch  Feststellung  der  Thatsache  zu  erbringen 
gesucht,  dass  das  Blut  von  Tieren,  die  an  der  Exstirpation  des  fragliehen 
Organes  starben,  bei  anderen  Tieren,  besonders  bei  gjolchen,  welchen  kurz 
vorher  dasselbe  Organ  entfernt  worden  war,  giftig  wirkt  Die  Schwäche 
dieser  Beweisführung  liegt  auf  der  Hand. 

H.  Die  Cachexia  thyroidiana« 

Zunächst  sei  an  dieser  Stelle  das  geringe  Thatsachenmaterial  ange- 
deutet, welches  für  die  Existenz  einer  sogenannten  Mucinämie  ver- 
wertet wird. 

Versuche  von  Horsley  haben  ergeben,  dass  bei  dem  durch  Schilddiüsen- 
ezstirpation  auftretenden  Myxödem  während  des  Lebens  eine  Vermehrung  des  durdi 


Die  Cachexia  thyroldiana.  6^7 

Speichel,  Dannkanal  und  Blase  ausgescbiedenen  Mucins  feststellbar  ist  Die  chemische 
Untersuchung  der  Kadaver  soll  Vermehrung  (Anhäufung)  von  Mucin  in  den  Ge- 
weben der  verschiedensten  Organe  und  im  Blute  nachgewiesen  haben.  Gley 
konnte  bei  Tieren  nach  der  totalen  Thyrektomie  im  Harn  eine  Substanz  nach- 
weiseoy  infolge  deren  toxischer  Wirkung  die  Injektion  des  Harns  bei  Kaninchen 
Zuckungen  hervorruft,  welche,  an  den  Masseteren  beginnend,  sich  über  die  ganze 
Muskulatur  verbreiten  und  das  Versuchstier  töten.  Vielleicht  handelte  es  sich  bei 
diesen  Experimenten  um  Mucin  (?).  Wagner  und  Hammerschlag  konnten  durch 
Macineinspritzungen  bei  der  Katze  bisweilen  tetanieähnliche  Symptome  hervorrufen. 
So  wäre  der  Gedanke  nahegelegt,  das  Myxödem  und  die  Tetanie  nach  Ejropfexstir- 
pation  als  eine  Form  der  Autointoxikation  durch  Mucin  aufzufassen. 

Man  sieht  leicht,  dass  zunächst  noch  weitere  Thatsachen  abgewartet 
werden  müssen,  wenn  in  diese  Frage  Gewissheit  kommen  soll.  Da  die 
Mucinfrage  überhaupt  noch  sehr  unvollkommen  erforscht  ist,  wäre  uns 
aber  auch  die  Sicherstellung  der  Mucinämie  vorläufig  in  ihrer  Bedeutung 
wenig  verständlich.  Dass  die  Mucine  im  IntermediärstofEwechsel  nicht 
gleichgiltig  sind,  geht  jedoch  zur  Genüge  aus  ihrer  weiten  Verbreitung 
innerhalb  des  Organismus  und  ihrem  reichlichen  Auftreten  in  bestimmten 
Geweben  hervor.  Ihre  Zersetzungsprodukte  müssen  eine  Rolle  spielen  in 
der  Frage  von  der  Entstehung  und  Abspaltung  der  Kohlenhydrate,  der 
Glykuronsäm-e  und  anderer  Atonikomplexe. 

Litteratur. 

1.  Horsley,  Brit  med.  Journ.  1892.  p.  1622. 

2.  Gley,  £.,  Arch.  de  physiol.  norm.  path.  (5).  T.  IV.  jan.  avril  1892. 

3.  Eiseisberg,  Über  Tetanie  im  Anschlass  an  Kropfoperationen.  Wien  1890  u.  Wiener 
klio.  Wochenschrift.  1892.  Nr.  5. 

4.  Schlesinger,  Wiener  Medizinalzeitiuig.  1890.  Nr.  30. 

Die  bekannten  klinischen,  physiologischen  und  morphologischen  That- 
sachen, welche  in  den  letzten  Jahren  den  Anstoss  zu  einer  von  Grxmd 
aus  veränderten  Auffassung  der  Funktion  und  der  Bedeutung  der  Glan- 
dula thyreoidea  geführt  haben,  können  an  dieser  den  intermediären  Auto- 
toxikose  gewidmeten  Stelle  eine  erschöpfende  Zusammenstellung  deshalb 
nicht  beanspruchen,  weil  der  Zusammenhang  von  Funktionsanomalien  der 
Schilddrüse  und  gewissen  Formen  schwerer  kachektischer  Allgemein- 
erkrankung thatsächlich  zwar  feststeht,  aber  bisher  aus  Abweichungen  des 
tierischen  Chemismus  höchstens  ganz  allgemein  verständhch  gemacht 
werden  kann.  Abgesehen  von  den  nicht  mehr  abweisbaren  Beziehungen 
zwischen  Cachexia  strumipura  und  Myxödem  einer-  und  pathologischen 
Funktionsabweichungen  der  Schilddrüse  andererseits,  drängen  sich  in  jüng- 
ster Zeit  auch  solche,  allerdings  noch  viel  weniger  aufgeklärte,   mit  dem 


638  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Morbus  Basedowii  auf.    Man  spricht  von  einer  chemisch-toxischen  Theorie 
dieser  öfter  kachektischen  Konstitutionsanomalie. 

Es  war  Moebius,  welcher  zuerst  einer  solchen  Auffassung  der  Beziehungen 
der  Glandula  thyreoidea  zur  Graves  sehen  Krankheit  sich  zuwendete.  Seine  Ad- 
sichten  werden  allerdings  in  ihrer  ursprünglichen  Fassung  Konrekturen  sich  gefallen 
lassen  müssen.  Diese  Ansichten  fussen  nämlich  auf  dem  supponierten  Oegensati 
in  anatomischen  Befunden  und  in  symptomatischer  Beziehung  zwischen  Base- 
dowscher Krankheit  und  Myxödem.  Aber  dieser  Gegensatz  ist  vielfach  kein  eo 
scharfer;  es  sind  Ähnlichkeiten  und  Übergänge  zu  berücksichtigen.  Auch  scheint 
ein  vorläufig  mehr  logischer  Gegensatz  wenig  geeignet,  die  Pathogenese  des  M. 
Graves  aufzuklären.  Die  einfache  Steigerung  einer  für  den  Organismus  unent- 
behrlichen Sekretion  als  krankmachendes  Agens  bedarf  zunächst  selbst  weiterer 
Aufklärung.  Ist  femer  Myxödem  wirklich  das  Ergebnis  einer  Mucinämie,  wie  stellt 
sich  der  Morbus  Basedowii  dar?  Wie  kompliziert  die  Vorgänge  im  Stoffwechsel  der 
Drüse,  in  der  Konstitution  ihres  Sekrets  und  dem  Modus  der  Resorption  sein 
müssen,  ist  uns  unmöglich  zu  durchschauen.  Inwieweit  sich  gesteigerte  Sekretions- 
tbätigkeit  und  (unbekannte)  qualitative  Veränderung  des  Sekretes  mit  spezifischer 
patbogener  Wirkung  kombinieren,  kann  bisher  nicht  abgegrenzt  werden.  Die  ver- 
einzelten Befunde  von  „Ptomainen*<  im  Harn  der  Basedow-Ejranken  beweisen 
wenig. 

Litteratur. 

1.  Moebius,  Centralbl.  far  Nervenheilkunde.   1887.  Nr.  8  und  Zeitschrift  für  Nerren- 
krankheiten.  Bd.  1.  1891. 

2.  Gaathier,  Rävue  de  mäd.  1890. 

3.  Müller,  Fr.,  Deutsches  Archiv  für  klin.  Med.  Bd.  51.  S.  4. 

4.  Chevalier,  Th^se.  Montpellier  1890. 

5.  Boinet,  Gazette  des  höpitaux.  1891.  p.  1062. 

Fr.  Kraus  (Graz). 


J.  Die  Urämie. 

Von 

G.  Honigmann»  Wiesbaden. 


Litteratur. 

1.  Alba,  über  die  Darstellung  von  Toxinen  aus  dem  Harn  bei  akuten  Krankheiten. 
Berl.  Klin.  Wochenschr.  1894.  Nr.  1.  —  Über  die  Ausscheidung  toxischer  Substanzen  aus 
dem  Organismus  bei  akuten  und  chronischen  Krankheiten.  Ibidem  Nr.  48. 

2.  Astaschewski,  Zur  Frage  von  der  Urämie.  Petersb.  med.  Wochensbhr.  1881.  Nr.  27. 

3.  Banti,  Über  urämische  Perikarditis.  Centrb.  f.  allg.  Pathologie  und  pathol.  Anatomie. 
1894.  S.  461. 

4.  Bari^,  Pathogönie  de  la  stomatite  urämique.     Gazette  des  höpitaux.  1892. 

5.  Beco,  über  die  Ätiologie  der  urämischen  Perikarditis.  Gentrbl.  f.  allg.  Path.  etc.  1894. 
€.    Binet,   Recherches  sur  nne  substance  thermogene  de  Turine.   Rev.   med.   de  la  Suisse 

rom.  1891.  Bd.  XII.  S.  10. 

7.  Bl  an  c ,  De  la  toxicit^  urinaire  de  la  femme  enceinte  etc.  Annales  de  Gynöcol.  Bd. 34  u.  36. 

8.  Boinet,  De  Th^mipMgie  nr^mique.  Revue  de  m^decine  Bd.  XII.  S.  12.  (1892)  (enthält 
die  gesamte  übrige  Litteratur  über  urämische  Hemiplegieen). 

9.  Bouchard,  Lebens  sur  les  maladies  de  Tautointoxication.  Paris  1887. 

10.  Brown-S^quardetd'Arsonval,  Comptes  rendues  de  la  societä  de  biologie.  Juin  1889. 

11.  Brown  Säquard,  Importance  de  la  secretion  interne  des  reins.  Archives    de  physiol. 
T.  V.  1893. 

12.  Gavazzani  e  Rebustello,  Azione  delP  ureasui  centri  vasomotori  dei  reni.  Arch.  pei 
le  Science  med.  Vol.  XVI.  cit.  nach  Yirchow-Hirsch. 

13.  Cohnheim,  AUgem.  Pathol.  II   Auflage.  S.  471. 

14.  Courdoux,  De  Thyperthermie  dans  Turömie.    Th^se  de  Paris  1894.  (enthält  fast  die 
gesamte  Litteratur  über  die  Hyperthermie). 

15.  Denny  et  Chouppe,  Ferö,  Yoisin,  iSoci^te  des  höpitaux  1892,  Seance  de  24.  YL 
ref.  Gazette  des  höp.  1892. 

16.  Dun  in,  Cerebrale  Herdsyptome  im  Yerlaufe  der  Urämie.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1889.  Nr.  7. 

17.  d'Espine,  De  Taccumulation  du  sei  de  potasse  dans  le  s^rum  pendant  l'attaque 
d'eclampsie.    Rev.  de  M^decine  1884.  S.  689. 


640  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

18.  Ewald  u.  Jakobsohn,  Über  ptomainartige  Körper  im  Harn  bei  chronischen  Kiank- 
heitsprozessen.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1894.  Nr.  2. 

19.  Feltz  et  Bitter,  De  Tur^mie  experiro enteile.  Paris  1881. 

20.  Ferr^ol,  Bull,  et  mömoires  de  la  societ^  m^dicale  des  hdpitaux.  Paris  1890.  cit  nach 
Brown-Säquard.  (Anmerk.  11.) 

21.  Fischer,  Zur  Kenntnis  der  Darmaffektionen  bei  Nephritis  und  Urämie.  Virchows 
Archiv  134. 

22.  Fleischer,  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Nierenkrankheiten.  Deutsch.  Arch.  f.  klin. 
Med.  29.  Berichte  des  Kongresses  für  innere  Medizin.  1885  und  1887. 

23.  Frerichs,  Die  Brightsche  Nierenkrankheit  Braunschweig  1851. 

24.  Geigel,  Die  Cirkulation  im  Gehirn  und  ihre  Störungen.   Vir  eh.  Arch.  Bd.  119.  S.  93. 

25.  Goldflam,  Ober  eine  eigenthamliche  Form  von  periodisch  familiärer,  wahrscheinlich 
autointoxikatorischer  Paralyse.  Ztschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  XIX.  Snpplem. 

26.  Griffith,  Compt.  rendues.  T.  113  u.  114.    Citiert  nach  Albu.    (Anm.  1.) 

27.  Gumlich,  Über  die  Ausscheidung  des  Stickstoffs  im  Harn.  Ztschr.  f.  phya.  Chemie. 
Bd.  XVII. 

28.  V.  Herff,  Zur  Theorie  der  Fklaropsie.    Centralbl.  f.  Gynäkol.  Bd.  XVI.  S.  230. 

29.  Hlava  und  Thomayer,  Über  die  pathol.  anat.  Bedingungen  des  uräm.  Symptomen- 
komplexes bei  Nephritiden.    Wiener  med.  Jahrbücher.  1882.  II.  Heft 

30.  Ho  ff  mann,  K.  B.,  Über  Kreatinin  im  normalen  und  pathol.  Harn.  Virchows 
Archiv.  Bd.  48.    Citiert  nach  v.  Noorden.  (Anm.  46.) 

31.  Hoppe,  citiert  nach  Bartels  Handbuch  der  Krankheiten  des  Hamapp.  S.  105. 

32.  Horbaczewski,  Beiträge  zur  Lehre  von  der  Urämie.    Wiener  med.  JahrbQcher  1888. 

33.  V.  Jaksch,  Über  die  Alkalescenz  des  Blutes  bei  Krankheiten.  Ztschr.  f.  klin.  Med. 
Bd.  XIII.    Über  Urämie.    £ulenburgs  Bealencyklopädie  1890.  Bd.  XXII.  S.  87. 

34.  Kobert,  Lehrbuch  der  Intoxikationen.  Stuttg.  1893.  8.  725. 

35.  Kruse,  Über  die  Beziehungen  des  kohlens.  Ammoniaks  zur  Urämie.  Inang.-Dias.  Greifs- 
wald 1887. 

36.  Landois,  Die  Urämie.    II.  Auflage;  Wien  und  Leipzig  1891. 

37.  Laulaniä  et  Chambrelent,  Recherches  exp^rim.  sur  la  toxicit^  de  rorine  pendant 
la  grossesse.  Arch.  de  Gynöcol.  Bd.  34. 

38.  Lupine  (Aubert,  Guörin),  Comptes  rendues  T.  101.  S.90;  Revue  de  Mödecin  1^, 
1884.  Citiert  nach  Albu.  Anm.  1. 

39.  Derselbe,  Sur  une  autointoxication  d'origine  renale.  Rev.  de  Möd.  1889. 

40.  Liebermann,  L.  Notiz  über  das  chemische  Verhalten  des  Nierenparenchyms.  Pflügers 
Arch.  Bd.  50.  S.  55.  -—  Neuere  Untersuchungen  über  das  Lecithalbumin.  Bd.  54.  S.  573 
Studien  über  die  chemischen  Vorgänge  bei  der  Hamsekretion.  Ibidem  8.  585. 

41.  V.  Limb  eck,  a)  Zur  Lehre  von  der  urämischen  Intoxikation.  Arch.  f.  exper  Path.  und 
Pharm.  Bd.  XXX.  —  b)  Zur  Lehre  von  der  Urämie.  Prager  med.  Wochenschr.  1892. 
Nr.  8.  Bd.  XVIL 

42.  Luff,  Englische  Doktordissertation.    Citiert  nach  Albu.  Anm.  1. 

43.  Mairät  et  Bosc,  Recherches  sur  les  causes  de  la  toxicit^  de  Turine  normaL  Arch. 
de  phys.  normale  et  path.  Bd.  XXIII.  8.  2. 

44.  Meyer,  Contribution  ä  la  pathog^nie  de  Turömie.  Arch.  de  physiologie.  Bd.  V.  1893. 

45.  V.  Noorden  u.  Ritter,  Untersuchungen  über  den  Stoffwechsel  Nierenkranker.  Zeit- 
schr.  f.  klin.  Med.  Bd.  XIX.  Supplem. 

46.  V.  Noorden,  Lehrbuch  d.  Pathol.  d.  Stoffwechsels.  Berlin  1893.  Daselbst  sind  die 
anderen  erwähnten  Autoren  genau  citiert. 

47.  Oppler,  Beiträge  zur  Lehre  der  Urämie.  Virchows  Arch.  Bd.  XXI.  Citiert  nach 
Bartels  Lehrbuch. 

48.  Peiper,  Alkalimetrische  Untersuchungen  des  Blutes.     Virch.  Arch.  Bd.  116. 

49.  Pouchet,  Contributions  ä  la  connaissance  des  matiöres  extract.  de  Furine.  Revue  de 
Paris  1880. 


Die  Urämie.  641 

50.  R^naut,  Sur  la  fanssc  impermäabilit^  de  certains   reins  brightiqaes  et  la  th^rapie  de 
ruT^mie  comatense.  Ball,  de  TAcad.  de  Mäd.  Bd.  XXIII.  1890. 

51.  de  Renzi,  Über  die  chemische  Reaktion  des  Blutes.  Virchows  Archiv  Bd.  102. 

52.  Riegel,   Über  die  Veränderung  des  Herzens  und   des  Gefässsystems  bei  akuter  Ne- 
phritis. Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  YII. 

53.  Rommelaire,  De  la  pathog^nie   des  Symptomes  ur^miques.   Journal    de   Mödecine. 
Bmxelles  1867. 

54.  Rosenstein,  Die  Pathol.  und  Therapie  der  Nierenkrankheiten.  III.  Aufl.  Berlin  1894. 

55.  Rothmann,  Über  die  transitor.  Erblindung  bei  Urämie.    Berliner  Klin.  Wochenschr. 
1894.  Nr.  30. 

56.  Rumpf,  W.,  Alkalimetrische  Untersuchungen  des  Blutes.  Centralbl  f.  klin.  Med.  1891. 

57.  Sacaze,  Utilitä  de  la  saignöe  dans  les  nephrites  infectieuses   avec  accidents  graves. 
Rev.  de  Mäd.  Bd.  XIII.  1893. 

58.  Schiffer,  Verhandlungen  des  Vereins  für  innere  Medizin.   Gitiert  nach  Stadthagen 
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59.  Schottin,    Beiträge    zur   Chakteristik   der   Urämie.     Archiv   fttr    phys.   Heilkunde. 
Bd.  XII.  1853. 

60.  Stadthagen,  Über  das  Harngift.    Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  XV. 

61.  Szpanbock,  Über  die  Veränderungen  in  der  Erregbarkeit  der  Gehirnrinde  bei  Unter- 
bindung der  Ureteren.    Gazeta  lekarska.  1891.  Nr.  48.  Cit  nach  Virchow-Hirsch. 

62.  Tarnier  et  Chambrelent,   Toxicit^   du  s^rum  sanguin    chez  les  femmes  enceintes 
atteintes  d'eclampsie.  Annales  de  Gynäcol.  Bd.  XXXVIII. 

63.  Thudichum,  Compt.  rendues  T.  106.  1888.  Gitiert  nach  Robert.  (Anm.  34.) 

64.  Traube,  Eine  Hypothese  Ober  den  Zusammenhang,  in  welchem  die  sogenannten  uräm. 
Anfälle  zur  Erkrankung  der  Urämie  stehen.    Ges.  Abhandl.  Bd.  II.  S.  551. 

65.  VannieManzini,   Nella  parte  che  spetta   al   rene   nella   patogenesi   della   uremia. 
Gaz.  degli  ospedali  1893.  Bd.  XU.  S.  16.  Gitiert  nach  Gentralbl.  f.  klin.  Med.  1894.  S.  561. 

66.  Voit,  Zeitschr.  für  Biologie  Bd.  IV.  S.  140. 


Mit  den  Anfängen  der  Kenntnis  des  unter  dem  Namen  der  Urämie 
zusammengefassten  Symptomenkomplexes  ist  in  die  Klinik  und  Pathologie 
der  Begriff  der  Selbstvergiftung  durch  Zurückhaltung  normaler  Ausschei- 
dungsprodukte,  der  allerdings  an  eine  schon  in  früheren  chemiatrischen 
Theorieen  herrschende  mystische  Vorstellung  anknüpfte ,  zum  ersten  Male 
wissenschaftlich  eingeführt  worden.  Wiewohl  die  Urämie  daher  den  An- 
stoss  zu  einer  neuen  Lehre  gegeben  und  wiewohl  ihr  Studium  schon  länger 
als  ein  halbes  Jahrhundert  das  Interesse  hervorragender  Forscher  wachge- 
halten, so  vermochte  sie  weder  ihrerseits  auf  den  weiteren  Ausbau  der 
Pathologie  der  Autointoxikationen  einen  bestimmenden  Einfluss  auszu- 
üben, noch  sind  die  durch  diese  besonders  in  den  letzten  Jahren  ge- 
wonnenen Fortschritte  der  endgültigen  Erledigung  der  für  sie  wichtigsten 
Fragen  zu  Gute  kommen.  Der  für  die  Aufstellung  und  Bekämpfung  von 
„Theorieen"  für  sie  verthane  Aufwand  steht  in  keinem  Verhältnis  zu  den 
brauchbaren  positiven  Thatsachen,  die  man  zu  ihrer  Aufklärung  benutzen 
kann,  geschweige  denn  zu  der  Möglichkeit  einer  einheitlichen  Erklärung 
der  mannigfaltigen  Erscheinungen.     Mein  Referat  wird  sich  daher  mehr 

Labarbch-Ostertag,  Ergebniiie  Abteil.  II.  41 


642  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

mit  der  Erörterung  theoretischer  Aüschauungen ,  als  mit  thatsachlichen 
Befunden  zu  beschäftigen  haben. 

Die  Frage,  welche  von  Anfang  an  die  Untersucher  interessierte,  i-l- 
gewisse  einzelne  Hambestandteile  oder  zusammengehörige  Gruppen  von  ?n': 
eben  für  <Jie  ganze  Symptomenreihe  verantwortlich  gemacht  werden  sollen, 
kann  jetzt  wohl  endgültig  verneint  werden.  Vom  Harnstoff,  dem 
zu  allererst  nach  den  Entdeckungen  Brights  die  Hauptrolle  zugeschriebeu 
w^urde,  ist  man  bekanntlich  auch  schon  in  den  ersten  Zeiten  wieder  abge- 
kommen, wenngleich  auch  vielfache  Untersuchungen  feststellten,  dass  in 
der  Regel  mit  der  Urämie  eine  HarnstofEüberladung  des  Blutes  einher 
gehe.  Die  Thatsache,  dass  auch  das  Blut  nicht  urämischer  Nepliritiker 
sehr  reich  daran  sein  könne,  vor  allem,  dass  damit  eingebrachte  Injektionen 
von  Tieren  sehr  gut  vertragen  wurden,  Hess  seine  Wirksamkeit  von  vorn- 
herein zweifelhaft  erscheinen  und  veranlasste  indirekt  wohl  hauptsächlich 
die  berühmte  Frerichssche  Ammoniakhypothese,  der  wir  weiter  unten  noch 
einige  Worte  widmen  werden.  Trotzdem  darf  auch  heute  noch  nicht  ver 
gessen  werden,  zu  registrieren,  dass  es  Voit  (66)  gelang,  nach  Einverleibung 
grösserer  HamstofiEmengen  dann  jedesmal  schwere  Vergiftungserscheiuungeu 
beim  Hunde  hervorzurufen,  wenn  er  gleichzeitig  die  Wassereinfuhr  be- 
schränkte und  dadurch  die  Elimination  des  Stofifes  erschwerte  oder  aufhob. 
Nach  den  neueren  Untersuchungen  von  Fleischer  (22)  steht  es  nunmehr 
fest,  wie  schon  früher  angenommen  wurde,  dass  die  ü- Vermehrung  ini 
Blut  während  der  Urämie  die  Regel  ist,  dass  eine  solche  jedoch  bei 
Nephritikern  bestehen  kann,  ohne  Urämie  hervorzurufen  imd  dass  anderer- 
seits selbst  beim  Anfall  eine  reichliche  Ausscheidung  von  Harnstoff  er- 
folgen kann.  Als  Zeugnis  für  die  verhältnismässige  Unschädlichkeit  des 
zurückgehaltenen  Stofifes  sei  übrigens  hier  eines  von  Ferreol(20)  ver- 
öffentUchten  Falles  gedacht,  in  welchem  nach  achttägiger  Anurie  an  einem 
Tage  10^/8  Liter  Urin  mit  147  g  Harnstofif  entleert  wurden.  Dagegen  hat 
Bouchard  (s.  u.)  unter  den  von  ihm  zu  isolieren  versuchten  toxischen 
Prinzipien  des  Urins  auch  den  Harnstoff  gefunden,  desgleichen  verdient 
eine  Untersuchungsreihe  von  Cavazzani  und  Rebustello  (12)  Erwäh- 
nung, welche  durch  sinnreiche  Experimente  festzustellen  vermochten,  dass 
Injektion  von  Harnstoff  auf  die  Vasomotoren  der  Nierengefässe  enien 
wesentiichen  Einfluss  ausübe  und  Gefässerweiterung  und  Stromverlang- 
samung  hervorriefe.  —  Ob  der  Harnstoff  also  an  der  Urämie  mitwirken 
kann,  ist  daher  durch  die  bisherigen  Untersuchungen  noch  nicht  ausge- 
schlossen. 

Von  anderen  stickstoffhaltigen  Ausscheidungsprodukten  sind  dann 
noch  die  sogenannten  Extraktivstoffe,  vor  allem  das  Kroatin 
bezw.  Kreatinin  genannt  worden.     Die  Aufmerkamkeit  auf  diese  wurde 


Die  Urämie.  •  643 

bekanntlich  zuerst  von  Schottin  (59)  gelenkt,  der  sie  im  urämischen  Blut 
und  Transsudat  vermehrt  ausrechnete.  lu  ähnlicher  Weise  äusserten  sich 
Oppler  (47)  und  Hoppe  (31),  alle  drei  sprachen  übrigens  auch  noch  die 
Vermutung  aus,  dass  durch  die  Beeinträchtigung  des  Stoffwechsels  bei 
Nierenkranken  intermediäre  Produkte  der  Eiweissoxydation  auftreten 
könnten,  die  ähnlich  wie  die  ErmüdungsstofFe  der  Muskeln  im  Centrainer ven- 
system  Lähmungs-  und  Reizerscheinungen  auswirkten.  Auch  in  neuerer 
Zeit  wurden  Beobachtungen  gemacht,  welche  die  Bedeutung  der  Extrak- 
tivstoffe in  den  Vordergrund  drängen  sollten.  Gumlich  (27)  trennte 
durch  Fällung  vermittelst  Phosphorwolframsäure  die  verschiedenen  N-hal- 
tigen  Produkte  des  Harns,  bestimmte  gleichzeitig  den  Betrag  des  Harn- 
ammoniak und  berechnete  so  den  Stickstoff  vom  Harnstoff,  Ammoniak 
und  „Extraktivstoffen' '  (inkl.  der  Harnsäure)  besonders.  Er  fand  in  einem 
Falle  von  Urämie,  der  unmittelbar  vor  und  nach  den  Anfällen  untersucht 
werden  konnte,  vorher  abnorm  geringe,  nachher  abnorm  hohe  Werte  dieses 
Stickstoff betrags  (5,4:19,0  ^Iq  gegenüber  den  normal  von  ihm  bei  Nephri- 
tikem  gefundenen  9—11  °/o  des  Gesamt-N).  Lange  vor  ihm  hatte  übrigens 
K.  B.  Hoff  mann  (30)  Kreatinverminderung  im  Harn  vorgeschrittener 
Nephritiker  auch  bei  kreatinreicher  Nahrung  nachweisen  zu  können  ge- 
glaubt. Schliesslich  fand  Landois  (36)  bei  seinen  noch  weiter  unten  zu  be- 
schreibenden Versuchen  künstlicher  urämischer  Anfälle  beim  Hunde  in 
dem  Kreatinin  einen  für  die  Herstellung  des  eklamptischen  Symptomenbildes 
sehr  wirksamen  Stoff.  Auch  von  den  übrigen  Harnbasen,  die  von  Thu- 
d  ich  um  (63)  isoliert  wurden,  besonders  von  den  darunter  befindlichen 
Harnfarbstoffen,  hat  Kobert  (34)  eine  Mitwirkung  vermutet,  ebenso 
auch  einige  französische  Forscher ,  die  neuerdings  die  Hamgiftigkeit 
studiert  haben  (Mairet  et  Bosc  (43)).  Dagegen  haben  die  Versuche  von 
Feltz  und  Ritter  und  auch  Bouchard  (9)  eine  besondere  Giftwir- 
kung des  Kreatinins  nicht  annehmbar  erscheinen  lassen. 

Feltz  und  Ritter  (19)  waren  es,  die  den  Aschenbestandteilen  des 
Harns  ihre  Aufmerksamkeit  zuwandten,  auf  deren  Giftigkeit  übrigens  auch 
schon  Voit  (66)  hingewiesen  hatte;  sie  sowie  unabhängig  von  ihnen 
Astaschewsky  (2)  fanden  im  Blut  nephrotomierter  Tiere  Vermehrung 
der  Kalisalze  vor  und  brachten  dies  mit  der  klinischen  Urämie  in  Zu- 
sammenhang. Sie  suchten  ihrer  Anschauung  dadurch  eine  experimen- 
telle Stütze  zu  verleihen,  dass  sie  die  Salze  des  Harns  in  3tägiger  Äqui- 
valentmenge Tieren  einspritzten,  die  dann  unter  Krämpfen  zu  Grunde 
gingen.  d'Espine  (17)  konstatierte  dann  im  Blutserum  eklamptischer 
Frauen  Vermehrung  des  Kali  bei  Kaliarmut  des  Urins.  Die  Verallge- 
meinerung dieses  Befundes  wurde  durch  die  Untersuchungen  von  Hor- 
baezewski  (32)  widerlegt.     Später  wies  jedoch  Landois  (36)  mit  Recht 

41* 


644  Allgem.  pftthol.  Morphologie  and  Physiologie. 

darauf  hin,  dass  die  von  Feltz  und  Ritter  erzeugten  Symptome  mit 
Urämie  nichts  gemein  hätten  und  nur  durch  die  Herzwirkung  des  Kali 
zu  deuten  seien,  und  von  Limbeck  (41a)  [s.u.]  erklärte  ihre  Blutbefundf 
aus  postmortalen  Veränderungen.  —  Die  Rolle  der  Aschenbestandteile  des 
Harns  als  selbständige  direkte  Ursache  der  Urämie  ist  daher  wohl  als  aus- 
gespielt zu  betrachten.  Sieht  man  von  ihnen  ab,  so  bleiben  die  normaler 
weise  ausgeschiedenen  stickstoffhaltigen  Stoffwechselprodukte  übrig,  welch»^ 
von  den  früheren  Autoren  der  Reihe  nach  für  das  Zustandekonunen  des 
Krankheitsbildes  verantwortlich  gemacht  wurden. 

Das  Unbefriedigende  dieser  einseitigen  Erklärungsversuche,  das  heute 
klar  auf  der  Hand  liegt,  wurde,  als  noch  alle  Untersuchungen  in  den  An 
fangen  steckten,  frühzeitig  von  Frerichs  (23)  scharfblickend  erkannt  Die 
von  ihm  sehr  geistreich  ersonnene  Theorie,  dass  es  etwas  anderes,  ueu 
hinzugekommenes  sein  müsse,  um  den  eigenartigen  Symptomenkomplex 
zu  schaffen,  das  er  bekanntlich  in  der  Giftwirkung  des  aus  dem  Harnstoff 
durch  Fermentwirkung  entstandenen  kohlensauren  Ammoniak  sah,  bildet 
den  ersten  Versuch,  auf  eine  andere  Weise  der  direkten  Frage  beizu- 
komraen.  Allerdings  nur  den  vergeblichen,  denn  die  thatsächlichen  Unter- 
lagen, die  er  zu  geben  versuchte,  konnten  exakten  Untersuchungen  nicht 
Stich  halten  und  nach  jahrelangen  Diskussionen  musste  die  Hypothese  als 
gänzlich  unhaltbar  beiseite  gelegt  werden.  Heute  denkt  kein  Mensch  mehr 
an  den  kohlensauren  Ammoniak  als  Ursache  der  Urämie,  überflüssiger- 
weise hat  noch  im  Jahre  1887  Landois  seinen  Schüler  Kruse  (35)  die 
Unzulänglichkeit  dieser  Anschauung  nachweisen  lassen.  —  Die  gauze 
Forschungsperiode,  die  unter  dem  Zeichen  von  Frerichs  Hypothese  stand, 
wurde  schon  von  Rom melaire  [1867]  (53)  und  Voit  [1868]  (66)  endgültig 
abgethan.  Ersterer  machte  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  wie  aus- 
sichtslos es  sei,  einem  einzigen  Harnbestandteile  die  Fähigkeit  zur  Er- 
zeugung der  fraglichen  Symptome  zuzuschreiben.  Diese  Wirkung  könne 
nur  durch  Retention  aller  N-haltigen  Substanzen  erzeugt  werden,  die  je 
nach  dem  verschiedenen  Grade  der  Oxydation,  den  sie  im  Organismus  er- 
fahren, der  eine  mehr,  der  andere  weniger  beteiligt  seien.  Ebenso  komme 
es  dabei  wahrscheinlich  auch  auf  die  Ausscheidungsgrösse  des  Wassers 
an.  Ähnlich,  aber  noch  allgemeiner,  sprach  sich  Voit  aus.  Es  treten 
die  krankhaften  Symptome  auf,  wenn  irgend  ein  Stoff,  der  nicht  zur  Zu- 
sammensetzung des  Körpers  gehört,  sich  ansammelt  und  nicht  fortgeschafft 
werden  kann.  Bei  der  Unterdrückung  der  Harnabsonderung  ist  es  daher 
nicht  ein  einziger  Bestandteil,  der  Schaden  bringe,  sondern  alle  mitander. 
Unter  den  gleichen  Umständen  könne  daher  aber  auch  irgend  ein  fremdes 
Salz,  wie  kohlensaures  Ammoniak  oder  Glaubersalz,  die  nämlichen  Er- 
scheinungen machen.    (So  gelang  ihm  dies  durch  Anhäufung  von  benzoe- 


Die  Urämie.  645 

saurem  Natron  im  Organismus.)   Er  hält  daher  auch  den  Namen  „Urämie" 
für  unangebracht. 

Die  Hauptschwierigkeit  der  Erklärung  des  Symptomenkomplexes  lag 
in  zwei  Umständen.  Zunächst  in  der  klinischen  Eigenart  des  Krankheits- 
bildes selbst,  das  einmal  eine  Summe  oft  heterogener  Allgemeinerschei- 
nungen (Lähmung ,  Reiz ,  Koma ,  Konvulsionen  etc.)  vereinigt ,  das 
andre  Mal  ganz  cirkumskripte  vereinzelte  Herderscheinungen  (Amaurose, 
Hemiplegien)  erzeugt,  manchmal  zu  stürmischen  Wiederholungen  neigt, 
manchmal  sich  mit  einem  einzigen  Auftreten  begnügt,  manchmal  schliess- 
lich einen  langdauemden  chronischen,  aber  weniger  intensiven  Krankheits- 
zustand hervorruft.  Mehr  noch  als  dies  musste  das  wechselnde  Verhalten 
der  Nieren  selbst  die  Erklänmg  erschweren,  das  mit  den  Anfällen  in 
keinen  richtigen  Parallelismus  zu  bringen  war,  weder  in  Bezug  auf  Form, 
Ausbreitung  und  Dauer  der  Erkrankung  noch  auf  das  Verhalten  des  Harns 
in  der  Ausscheidung  des  Wassers  oder  der  N-haltigen  Bestandteile.  Um 
alle  diese  so  verschiedenen  Momente  möglichst  in  Einklang  zu  bringen, 
hat  Traube  (64)  bekanntlich  eine  mechanische  Erklärung  versucht. 
Sie  sah  das  massgebende  Moment  an  der  bei  Nierenkranken  so  häufigen  Kom- 
bination von  Hydrämie  und  arterieller  Drucksteigerung.  Durch  Zunahme  der 
hohen  arteriellen/  Spannung  oder  der  Hydrämie  komme  es  dann  zu  Hirn- 
ödem und  Anämie  der  Hirnsubstanz ,  die  im  Grosshirn  lokalisiert  ledigUch 
Koma,  im  Mittelhirn  und  der  Med.  oblongata  Konvulsionen  hervorrufe.  Auch 
diese  Anschauung  ist  in  ihren  Einzelheiten  und  in  ihrer  Allgemeinheit 
längst  widerlegt,  vor  allem  durch  den  Umstand,  dass  das  Hirnödem  gar  kein 
konstanter  Befund  bei  Urämie  ist,  auch  lässt  sie  das  Entstehen  der  Urämie 
bei  plötzHcher  Anurie  infolge  von  Nierensteinen  etc.  ganz  ausser  acht. 
Trotzdem  ist  sie  noch  in  neuester  Zeit  zum  Ausgangspunkt  der  Darstellung 
geworden,  die  Rosenstein  (84)  auch  noch  in  der  letzten  Auflage  (1894) 
seines  bekannten  Lehrbuchs  giebt.  Nach  seiner  Auffassung  liegt  der 
Schwerpunkt  der  Traubeschen  Theorie  in  dem  Zustandekommen  einer 
akuten  Hirnanämie,  gleichviel  ob  mit  ob  ohne  Ödem.  Dies  könne 
iu  vielen  Fällen  wohl  in  der  von  Traube  auseinandergesetzten  Weise 
zustande  kommen,  kann  sich  aber  mit  gleichem  Erfolge  auch  in  ganz 
anderer  Weise  produzieren.  Es  kann  unter  den  zurückgehaltenen  Harn- 
bestaudteilen  sich  auch  ein  Stoff  befinden,  welcher  hauptsächlich  auf  die 
Gefässnerven  des  Gehirns  wirkt  und  eine  akute  Anämie  bald  dieser,  bald 
jener  Himteile  hervorruft.  Denn  nur  die  Theorie  der  Urämie  kann  auf 
Geltung  Anspruch  erheben,  welche  die  klinischen  Erscheinungen  in  ihrer 
Gesamtheit  erklärt.  Und  dies  thut  keine,  die  nicht  die  Möglichkeit  der 
Ursache  in  verschiedenen  Lokalisationen  des  centralen  Nervensystems  zu- 
lässt,  woraus  allein  die  Vielgestaltigkeit  der  Symptome  erklärlich  ist.    Die 


646  All  gem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

mittelbare  Ursache  ist  daher  die  Hamretention,  die  unmittelbare  die  Wir- 
kung auf  die  vasomotorischen  Nerven  aller  oder  vereinzelter  Himprovinzen 
—  ob   durch  Herzschwäche  (Cohnheim   13j  oder   durch   plötzliche   Ver- 
stopfung der  Hamkanälchen,  hervorgerufen,  müssen  noch  Untersuchungen 
lehren.      Der    eben    entwickelten   Anschauung    fehlt    jedoch    sowohl    die 
pathologisch  anatomische,  wie  die  experimentelle  Unterlage;  weder  ist  die 
Anämie  konstant,  noch  ist  ein  gefässkrampferregendes  Gift  nachgewiesen. 
Rosenstein  sagt  ja  auch  selber  bezeichnenderweise  :  Es  kann!  Fleischer 
(22)  nimmt  übrigens  auch  auf  Grund  der  Leichenbefunde  seiner  Versuchs- 
tiere einen  Gefässkrampf  an,  welcher  die  Blutverteilung  in  den  verschiedenen 
Organen  verändere  und  besonders  in  Hirn  Anämie  erzeuge.     Gei gel  (24) 
macht  auf  Grund  der  Versuche  dieses  Autors  den  supponierten  Gefässkrampf 
der  Himarterien  zum  Ausgangspunkt  seiner  Anschauung  über  die  Blutver- 
teilungsmechanik im  Gehirn  bei  Urämie,  (Kapillarenerweiterung  auf  Grund 
arteriellen  Blutgefässkrampfes),  die  jedoch  ohne  die  nicht  hierhergehörige 
Erörterung  seiner  allgemeinen  Theorie  der  Himblutcirkulation  nicht  verständ- 
lich ist.    Ebenfalls  von  dem  Bedürfnis,  die  Vielgestaltigkeit  des  urämischen 
Erkrankungsbildes  zu  erklären,  sind  die  Versuche  von  Landois  (36)  ausge- 
gangen.    Landois  stellte  fest,  dass  gewisse  Hanibestandteile ,   vor   allem 
die  Extraktivstoffe    und  die  Salze,    weniger   der  Harnstoff,   auf  die  in  der 
Äthernarkose  freigelegte  Oberfläche  des  Gehirns   von  Kaninchen,  Hunden 
und  Affen  gebracht,  infolge  von  chemischer  Reizung  der  Teile  Erscheinungen 
hervorrufen,  die  dem  urämischen  Anfalle  gleichen.     Je  nach    der  Dauer 
der  Einwirkung  und  der  Wahl  der  Applikationsstelle  vermochte  er   nicht 
nur  Koma  und  Konvulsionen,  sondern   auch   noch    andere    während   der 
Urämie  beobachtete  Vorgänge  hervorzurufen,  so  dass  unter  den  künstlich 
bei  den  verschiedenen  Versuchstieren  zustande  gebrachten  Erscheinungen 
kaum  Züge   fehlten,    welche    das  Ensemble   des   urämischen  Anfalls   zu- 
sammensetzen.    Diese  Versuche  veranlassen  ihn   zu  folgender  Erklärung. 
Das  Wesen  der  Urämie  besteht  in  einer  toxischen  Einwirkung  von  solchen 
Substanzen  auf   das  Gehirn,    welche    normalerweise  durch  den  Urin  ent- 
leert werden  sollen  und  zwar  der  sogenannten  Extraktivstoffe    und  Salze. 
Indem  diese  Stoffe  vom  Blut  aus,  in  dem  sie   sich  infolge   der   gestörten 
Hamabsonderung  aufspeichern  müssen,  mit  dem  Centralnervensystem  in 
innige  Berührung  gebracht  werden,  erzeugen  sie  in  demselben   einen  an- 
haltenden Reiz.    Als  das  hervorstechendste  Zeichen  bildet  sich  ein  Zustand 
im  Gehirn  aus,  der  von  ihm   als    die    „eklamptische  Erregbarkeits- 
stufe" bezeichnet  wird.     Derselbe  besteht  darin,  dass  es  durch  die  Sum- 
mation  der  anhaltenden,  an  sich  zu  schwachen  chemischen  Reize  zu  einem 
Ausbruch   der  Konvulsionen   kommt;    während    der  Entwickelung  dieser 
Krarapferscheinungen  wird  die  Thätigkeit  der  Hemmungsvorgänge  in  der 


Die  Urämie.  647 

Hirnrinde  geschädigt  oder  aufgehoben.  Der  Angriffspunkt  der  Krämpfe 
liegt  in  den  psychomotorischen  Centren  der  Grosshirnrinde,  doch 
können  sich  Erschütterungen  auf  Pons  und  MeduUa  oblongata  fortpflanzen. 
Oft  verbinden  sich  damit  Reizungs-  und  Depressionserscheinungen  in  anderen 
Gebieten  der  Rinde  (Koma,  Bewustseinsstörungen,  psychische  AnomaUen), 
schüessUch  kann  sich  der  Reizzustand  auch  dem  Rückenmark  mitteilen  und 
die  Reflexerregbarkeit  beeinflussen.  Des  ferneren  versucht  Landois  durch 
genauere  Analyse  der  einzelnen  urämischen  Symptome  in  den  verschiedenen 
Organen  den  centralen  Anteil  gegenüber  peripheren  Momenten  in  den  Vorder- 
grund zu  stellen,  was  ihm  auch  zum  grossen  Teil  gelingt.  —  Die  La  n  dois  sehen 
Versuche  sind  an  sich  wegen  der  grossen  Ähnlichkeit  der  erzielten  Rinden- 
reizwirkungen  mit  dem  urämischen  Anfall  bezw.  mit  Teilerscheinungen  des- 
selben sehr  interessant.  Auch  bezeichnet  der  von  ihnen  in  die  klinische 
Pathogenese  herübergenommene  Begriff  der  „eklamptischen  Erregbarkeits- 
stufe" einen  Zustand,  der  sich  mit  manchen  khnischen  Thatsachen  im 
Einklang  befindet,  da  zur  Hervorbringung  desselben  ausser  den  bei  Urämie 
zu  supponierenden ,  chronischen,  toxischen  Einflüssen  auch  noch  andere 
nervenerregende  Momente,  die  jeder  Kliniker  wohl  vor  Beginn  eines 
urämischen  Anfalls  oft  bemerkt,  mitwirken  können.  Namentlich  der  Puer- 
peraleklampsie  mit  ihrer  besonderen  Pathogenese  musste  er  zugute  kommen 
und  ist  in  der  That  auch  von  v.  Her  ff  (28)  als  Unterlage  zu  einer  speziellen 
Theorie  derselben  ausgenutzt  worden.  Aber  gerade,  wo  es  sich  um  den 
Mechanismus  des  Anfalls  handelt,  sind  die  Analogieen  Landois' 
mit  den  durch  örtliche  Rindenapplikation  der  toxischen  Stoffe  hervor- 
gerufenen Vergiftungserscheinungen  sehr  gewagt.  Landois  anerkennt 
dies  auch  selbst  und  nimmt  zur  Erklärung  desselben  an,  dass  das  Ge- 
fässsystem  die  Eigenart  habe,  die  im  Blut  deponierten  heterogenen  Sub- 
stanzen möglichst  ra«ch  an  die  Gewebe  abzugeben,  was  er  bei  Transfusions- 
versuchen mit  fremdartigem  Tierblut  am  Hämoglobin  beobachten  konnte. 
Dafür  sprächen  auch  die  Überschwemmungen  der  Gewebe  bei  Urämie 
mit  Harnstoff  und  dergleichen.  Damit  ist  aber  noch  lange  nicht  erklärt, 
dass  gerade  die  Hirnrinde  zum  Depot  dieser  Stoffe  besonders  einlädt; 
noch  weniger  ist  die  Verschiedenheit  der  Anfälle  bei  anscheinend  gleicher 
Schädigung  des  Gehirns  unserem  Verständnis  näher  gerückt.  Es  erscheint 
daher  fragUch,  ob  wirkUch  jeder  uränische  Insult  primär  von  der  Hirn- 
rinde ausgeht.  Auch  sonst  lassen  manche  der  Landois  sehen  Erklärungs- 
versuche noch  die  verschiedensten  Fragen  über  die  Symptomatologie  des 
Anfalls  offen.  So  sind  die  Fälle,  in  denen  er  nur  und  gleich  von  Anfang  an, 
aus  Lähmungs-  und  Depressionserscheinungen  (Hemiplegie,  Koma,  Amaurose) 
besteht,  ohne  irgend  welche  Reizerscheinungen  darzubieten,  durch  die  von 
ihm  angenommene  „Lähmung  durch  Überreizung*'  nicht  befriedigend  erklärt. 


648  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Nicht  unerwähnt  möchte  ich  übrigens  hierbei  eine  Arbeit  von  Szpan- 
bock  (61)  lassen,  welcher  die  elektrische  Erregbarkeit  der  Hirnrinde  Tor 
und  nach  Ureterenligatur  beobachtete  und  unter  Zunahme  der  urämischen 
Erscheinungen  Abnahme  derselben  feststellte  —  also  einen  Vorgang, 
der  eigentUch  eine  der  La ndois sehen  entgegengesetzte  Vorstellung  von 
der  Wirksamkeit  des  Harnverschlusses  auf  die  Erregbarkeit  der  Hirn- 
rinde erweckt.  SchHesslich  ist  es  sehr  willkürlich,  wenn  La  ndois  die  beim 
Tierexperiment  wirksamen  Extraktivstoffe  und  Salze  ohne  weiteres  als  die 
wirksamen  Agentien  für  die  menschUche  Urämie  proklamiert.  Im  Blut  und 
in  den  Geweben  ist  zudem  bisher  nur  das  ungiftige  Kreatin  nachgewiesen, 
das  giftige  Kreatinin  nur  in  sauren  Verbindungen,  wie  im  Harn  (siehe  auch 
oben  das  über  die  Extraktivstoffe  gesagte). 

Wieder  mehr  an  die  alte  Forschungsrichtung,  besonders  an  die  Yer- 
suche  von  Feltz  und  Ritter  knüpfen  eine  Reihe  moderner  Untersuch- 
ungen, hauptsächlich  französischer  Pathologen  an,  die  sich  mit  der  Fest- 
stellung der  Giftigkeit  des  normalen  und  pathologischen  Urins  beschäftigten. 
Die  Hauptvertreter  dieser  Richtung  sind  Bouchard  (9)  und  Lepine(3S) 
und  deren  Schüler.  Die  Untersuchungen  gingen  so  vor  sich,  dass  in  die 
Ohrvene  des  Versuchstieres  (Kaninchen)  so  lange  filtrierter  und  sterilisierter 
Harn  eines  Tieres  derselben  oder  einer  anderen  Species  injiziert  wurde, 
bis  der  Tod  eintrat.  Auf  diese  Weise  konnten  die  Symptome  studiert  und 
die  kleinste  Dose  ausgerechnet  werden,  welche  genügt,  um  ein  Tier  durch 
die  Harneinführuug  zu  töten.  Die  Harnmenge,  die  für  1  Kilo  Tier  hierzu 
nötig  ist,  wurde  von  Bouchard  urotoxische  Einheit,  die  Menge 
Urotoxie,  welche  1  Kilo  Mensch  in  24  Stunden  produziert,  der  urotoxische 
Koeffizient  genannt.  Als  Mittelwert  der  urotoxischen  Einheit  des  Menschen- 
harns für  Kaninchen  berechnete  Bouchard  ca.  50  ccm,  bei  einem  Gewicht 
von  60  Kilo  also  den  urotoxischen  Koeffizienten  =  0,4.  Bouchard  über- 
trägt diesen  Befund  auf  die  Wirkung  des  menschlichen  Harns  auf  den 
Menschen  selbst  und  nimmt  daher  an,  dass  ein  Mensch  in  2—3  Tagen 
Gift  genug  hervorbringe,  um  sich  zu  töten.  Die  Erscheinungen,  die 
Bouchard  durch  die  Giftwirkung  an  Tieren  erzielte,  waren  Myosis,  Ver- 
mehrung der  Atmungsfrequenz,  Herabsetzung  der  Atmungsgrösse,  Beschleu- 
nigung der  Herzaktion,  Zunahme  der  Harnsekretion,  Vermindermig  der 
Lid-  und  Komealreflexe ,  Apatliie,  Soranolenz,  Koma,  durch  Konvulsionen 
unterbrochen,  Exophthalmus,  Hypothermie  (bis  um  7°),  plötzlicher  Tod  oder 
nach  Nachlass  der  Einspritzung  Erholung  mit  nachfolgender  Polyurie.  Eine 
Isolierung  der  vermuteten  Stoffe  hat  Bouchard  nur  sehr  mangelhaft  ver- 
sucht, nur  durch  ihr  verschiedenes  Verhalten  gegenüber  Tierkohle,  Alkohol 
und  Mineralsalzen  hat  er  sie  unterschieden,  glaubt  jedoch  auf  diese  Weise 
ausser  den  giftigen  Kalisalzen  im  ganzen  sieben  verschieden  physiologisch 


Die  Urämie.  649 

wirksame,  organische  Substanzen  annehmen  zu  können  (eine  davon  ist  der 
Harnstoff,  Kreatinin  ist  nicht  dabei),  die  unter  der  Wirkung  verschiedener 
Umstände  auf  ihre  Produktion  (Tages-,  Nachtzeit,  Nahrung,  Ruhe  und  Be- 
wegung) sich  bilden,  gegenseitig  beeinflussen,  verstärken  und  herabsetzen 
können.  —  Weitere  Untersuchungen  ergaben  ihm,  dass  der  Urin  urämischer 
Patienten  weniger  toxisch  als  der  normale  sei;  dies  veranlasste  ihn,  die 
Urämie  als  eine  Vergiftung  durch  alleHamgifte  anzusehen,  die  normaler- 
weise in  den  Organismus  eingeführt  oder  in  ihm  gebildet,  durch  die  In- 
sufficienz  der  Nieren  zurückgehalten  werden.  Die  Stoffe  müssten  aus  dem 
Blut  stammen,  das  sie  aus  den  Geweben  herausspült,  zum  Teil  seien 
es  Zellschlacken,  zum  Teil  normale  Sekretionsprodukte  der  Verdauuugs- 
drüseu,  zum  Teil  schliesslich  Prodykte  der  Nahrung  und  der  Darmfäulnis; 
durch  Beeinflussung  der  Diät  lasse  sich  daher  auch  die  Giftigkeit  verändern. 
Die  Variabilität  der  Symptome  bei  der  Urämie  erkläre  sich  aus  der  verschie- 
denen Durchlässigkeit  der  noch  sekretionsfähigen  Teile  der  erkrankten  Niere 
für  die  verschiedenen  Stoffe.  —  Diese  Untersuchungen  haben  nun  eine  grosse 
Reihe  höher  oder  geringer  wertiger  Arbeiten  hervorgerufen,  die  mit  dem 
urotoxischen  Koeffizienten  wie  mit  einer  absolut  sicheren  Einheit  rechnen. 
Sie  ergänzten  die  Befunde  Bouchards  bei  normalen  und  patliologischen 
Harnen.  Einiges  Interesse  für  uns  haben  die  von  Tarnier  und  Chambre- 
lent  (62),  die  sich  mit  dem  Verhalten  bei  puerperaler  Eklampsie  beschäf- 
tigen und  Wechselbeziehungen  zwischen  der  Toxizität  des  Serums  und  Harns 
im  Sinne  einer  Toxinüberladung  des  Blutes  bei  Eklamptischen  feststellen 
zu  können  glaubten;  Laulanier  und  Chambrelent  (37)  fanden  zudem 
während  der  Gravidität  die  Harntoxizität  überhaupt  geringer  wie  normal  und 
schlössen  daraus  eine  Überschwemmung  des  schwangeren  Organismus  mit 
Toxinen,  wohingegen  Blanc  (7)  die  Differenzen  für  zu  gering  ansieht,  um  sie 
ätiologisch  für  die  Eklampsie  verwerten  zu  können.  Auch  bei  Epileptikern 
ist  vor  und  nach  den  Anfällen  die  Harngiftigkeit  geprüft  worden  [Denny 
et  Chouppe,  Fere,  Voisin  (15)]  und  vor  und  wälirend  des  Anfalls  „Hypo- 
toxie",  nach  demselben  „Hypertoxie",  bei  manchen  Epileptikern  auch  dau- 
ernde Hypotoxie  in  den  anfallsfreien  Zeiten  wahrgenommen  worden.  — 
Ohne  den  allgemeinen  Wert  der  Arbeiten  Bouchards  und  seiner  Schüler 
für  die  Pathologie  der  Autointoxikationen  in  Frage  stellen  zu  wollen, 
scheint  uns  doch  die  Ausbeute  gerade  für  die  Urämie,  von  der  sie  ihren 
Ausgang  genommen,  im  ganzen  sehr  gering.  Denn  der  von  ihm  experi- 
mentell hervorgerufene  Symptomenkomplex  ist  einmal  eben  so  gross,  dass 
er  natürlich  auch  Züge  der  klinischen  Urämie  enthalten  muss ;  aber  würde 
er  selbst  sich  enger  an  den  Rahmen  der  beim  Menschen  in  ganz  typischer 
Weise  sich  abspielenden  Zeichen  halten,  so  würde  die  Form  seines  experi- 
mentellen Eingriffs  das  Zustandekommen  der  Erscheinungen  dem  Verstand- 


650  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

nis  auch  mcht  näher  rücken,  als  es  die  früheren  Untersuchungen  mit  einem 
oder  dem  andern  Hamteil  gethan  haben.  Als  interessante  und  einer  spä- 
teren Verwertung  zugängliche  Thatsache  bleibt  nur  übrig,  dass  der  Harn 
des  gesunden  Menschen  für  gewisse  Tiere  giftig  ist  und  dass  bei  Urämie 
diese  Giftigkeit  sich  vermindert.  Welchen  Stoffen  diese  Giftigkeit  zuzu- 
schreiben ist,  darüber  haben  die  französischen  P'orscher  sich  wenig  zu  äussern 
vermocht.  Lupine, Aubert  und  Gu  er  in  (38)  fanden,  dass  die  Giftigkeit 
des  genuinen  Harns  die  seiner  Aschenlösung  um  15 — 20®/o.  überträfe,  dass 
daher  ungefähr  der  fünfte  Teil  der  Wirkung  organischen  Giften  zuge- 
schrieben werden  müsste.  Pouch  et  (49)  vermochte  aus  dem  Tanninnieder- 
schlag des  Harns  eine  sehr  giftige  Base,  deren  Menge  jedoch  zur  Elemen- 
taranalyse nicht  ausreichte,  zu  isolieren,  Bin  et  (6)  konnte  eine  thermogene 
Substanz  durch  Mitreissen  mit  amorphen  Niederschlägen  aus  dem  Harn 
entfernen,  die  sich  in  Gl3''cerin  löste  und  durch  Alkohol  fällbar  war.  Über 
ihre  chemische  Natur  giebt  er  jedoch  sonst  keinen  Aufschluss.  In  neuester 
Zeit  hat  auch  Sacaze  (57)  bei  Prüfung  der  Toxizität  des  Aderlassblui- 
serums  und  Urins  urämischer  Patienten  gefunden,  dass  die  giftigen  Stoffe 
zum  grössten  Teil  beim  Filtrieren  durch  Tierkohle  zurückgehalten  werden, 
daher  den  Farbstoffen  oder  Ptomainen  zuzuschreiben  seien.  Der  Äther- 
extrakt des  Kohlenrückstandes  erwies  sich  sehr  toxisch,  dagegen  die  nach 
Griffiths  (26)  und  Luff  (42)  (s.  u.)  zu  isolieren  versuchten  „Ptomaine'' 
als  ungiftig  (die  Angaben  über  die  Vornahme  dieses  Verfahrens  sind  sehr 
dürftig).  Es  handelte  sich  aber  in  dem  Falle  um  Urämie  bei  einem  Typhus, 
der  durch  Erysipel  kompliziert  war,  daher  kann  dem  Befund  keine  allge- 
meine Deutung  zugeschrieben  werden.  —  Von  deutschen  Forschern  hat  schon 
im  Jahre  1883  Schiffer  (58)  sein  Interesse  dem  Studium  der  Hamgiftigkeit 
zugewendet,  dessen  Versuche  im  Sinne  der  oben  citierten  Löpinescheu 
ausfielen  und  die  Überlegenheit  der  Toxizität  des  genuinen  Harnes  gegen- 
über seiner  Aschenlösung  erwiesen.  Stadthagen  (60j,  der  nach  Schiffers 
Tode  seine  Versuche  wieder  aufnahm,  vermochte  jedoch  durch  genaue 
Analyse  keine  neuen  giftigen  Verbindunge  weder  aus  der  Reihe  der 
Basen  noch  aus  derjenigen  der  Toxalbumine  nach  den  Methoden  von 
Stas-Otto  bezw.  Brieger  herzustellen.  Die  grössere  Giftigkeit  des  genuinen 
normalen  Harns  gegenüber  seiner  Aschenlösung  erklärt  er  im  Sinne  Voits 
(s.  o.)  durch  die  Überschwemmung  mit  den  normalen  Harnbestandteilen, 
Gewebs-  und  Nahrungsschlacken,  welche  die  osmotischen  Vorgänge  zwischen 
Ernährungsflüssigkeit  und  Zellen  behindern  und  die  Gewebe  wie  die  Asche  das 
Feuer  ersticken.  In  neuester  Zeit  haben  Griffiths  und  Luff  mit  neuen  Me- 
thoden aus  pathologischen  Harnen  Ptomaine  zu  kristallisieren  vermocht,  der- 
selben bediente  sich  auch  Albu  (1)  und  wies  damit  im  Harn  von  Kranken  be- 
sonders nach  Infektionskrankheiten  alkaloid-ähnliche  Stoffe  nach,  die  sich  bei 


Die  Urämie.  651 

Gesunden  nicht  vorfanden.  Dasselbe  gelang  auch  Ewald  und  Jacob- 
sohn (18).  Als  ein  für  die  Urämie  interessantes  Faktum  sei  von  diesen  Unter- 
suchungen hier  erwähnt,  dass  in  einem  Falle  von  Tetanie  (mit  Autopsie), 
der  sich  als  Autointoxikation  vom  Darm  aus  erwies,  von  Ewald  und 
Jacobsohn  sowohl,  wie  später  von  Albu  der  direkte  Nachweis  eines 
ptomainartigen  Körpers  gelang.  Ebenso  interessant  ist  übrigens  eine  Be- 
obachtung von  Goldflam  (25),  welche  auf  die  Beziehungen  zwischen  im  Harn 
befindlichen  toxischen  Substanzen  und  klinisch  beobachteten  nervösen  Herd- 
erscheinungen ein  Licht  wirft.  Goldflam  fand  bei  einem  merkwürdigen 
Falle  chronisch  bestehender  und  anfallsweise  auftretender  spinaler  Para- 
lyse bei  sehr  sorgfältiger  Prüfung  des  Harns  nach  Bouchardscher  Me- 
thode in  anfallsfreien  und  Anfallszeiten  eine  ganz  erhebliche  Zunahme  der 
Giftigkeit  des  Harns  während  der  Anfälle.  Hierbei  liessen  sich  unter  den 
toxischen  nervösen  Erscheinungen  der  vergifteten  Tiere  solche  wahrnehmen, 
welche  mit  den  klinisch  beobachteten  direkt  übereinstimmten;  die  Ver- 
gleiche zwischen  Aschenlösung  und  Harn  sprachen  zu  Gunsten  eines 
organischen  Giftes.  Leider  ist  eine  genauere  chemische  Analyse  nicht  ge- 
macht worden. 

Es  scheint  daher,  dass  das  "Studium  der  Hamgifügkeit  für  die  Erklä- 
rung der  Urämie  doch  einige  Perspektiven  eröffnet.     Einen  neuen  Gedanken 
brachte  Lupine  (39)  in  diese  Richtung.     Er  führte  in   den  freigelegten 
Ureter  eines  Hundes  sterilisierte  schwache  Sodalösung,  welche  den  Abfluss 
des  Harns  hinderte,  und  so  „vor  ihrem  Eintritt  ins  Blut  die  Niere  abspülte 
und  sich  mit  ihrem  Gewebssaft  mischte."  Diese  Versuche  riefen  Hyper- 
thermie bis  42"  und  Tod  unter  beginnender  exspiratorischer  Dyspnoe  her- 
vor.   Dasselbe  erzielte  er  durch  Injektion  eines  filtrierten  und  sterilisierten 
Nierenextraktes.    Er  nimmt  an,  dass  es  sich  daher  hier  nicht  um  Retention 
von  Harnstoffen,  sondern  im  Gegensatz  zur  Urämie  um  die  Resorption 
eines  giftigen   „suc  interstitilel"  der  Niere  handele.     Der  gleiche  Gedanke, 
dass  sich  bei  der  Niere  neben   der   Harnproduktion  durch  die  Zelltliätig- 
keit  eine  „innere Sekretion*' vollziehe,  gab  denAnstoss  zu  einer  Reihe 
von  Arbeiten,    die   allerdings    nach    dem    entgegengesetzten  Ziel  strebten, 
nämlich   gerade    die  Urämie   hieraus  im  Sinne   der  Cachexia  strumipriva 
und  des  Pancreasdiabetes  zu  erklären.  —  Brown-S^quard  (10),  der  Be- 
gründer des  Organtherapie,  hat  im  Verein  mit  d'Arsonval  die  Behaup- 
tung aufgestellt,   dass  nicht  nur  die  Blutdrüsen,    sondern  auch  die  Aus- 
führungsdrüsen  eine  solche  Sekretion  lieferten,   wie   sie  ja  vom  Pankreas 
durch  die  'Existenz  des  Pancreasdiabetes  bewiesen  sei.  Was  die  Niere  an- 
belangt, so  ergeben  seine  und   d'Arsonvals  Versuche,  dass  doi)pelseitig 
nephrotomierte  Kaninchen  und  Meerschweinchen  nach  Einspritzung  eines 
Nierenextraktes  „Nephrine"  den  Eingriff  länger  überlebten,  als  ohne  diese 


552  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

behandelt^ Tiere.  Für  das  Zustandekommen  der  Urämie  genüge  daher 
nicht  die  unzureichende  Entfernung  gewisser  Harnsubstanzen,  sondern  es 
ist  nötig  1.  die  Unzulänglichkeit  oder  Abwesenheit  gewisser  vom  normalen 
Nierengewebe  auf  das  Bhit  ausgeübter  chemischer  Einwirkungen,  2.  das 
Vorhandensein  von  krankhaften  chemischen  Veränderungen  des  Blutes, 
welche  durch  den  Ausfall  der  innern  Nierensekretion  entstehen,  3.  die  Be 
schaffenheit  der  Niere  selbst.  E.  Meyer  (44)  versuchte  nun  der  Frage 
dadurch  näher  zu  kommen,  dass  er  die  Wirkung  des  Ausfalls  der  Nieren- 
funktion und  deren  angemessenen  Ersatz  an  einem  einzigen  graphisch 
studierbaren  Symptom  verfolgte,  nämUch  in  dem  Cheyne-Sto keuschen 
Atemtypus,  den  Hunde  nach  Nephrotomie  darzubieten  pflegen.  Sobald 
diese  Atmungsveränderung  eingetreten  war  und  sich  graphisch  deutlich 
—  unter  Vermeidung  aller  Fehlerquellen  —  markierte,  spritzte  er  zunächst 
Nierensaft  ein  und  vermochte  dadurch  den  normalen  regelmässigen  Atmungs- 
typus wieder  herzustellen.  Würde  nun  die  fragliche  „modifizierende  Sub- 
stanz" wirklich  von  den  Nieren  für  das  Blut  geliefert,  so  musste  sie  sich 
überhaupt  im  arteriellen  Körperblut,  am  deutlichsten  aber  im  Nierenvenen- 
blut  vorfinden.  Und  in  der  That  gelang  es  hier  nach  Injektion  solchen 
defibrinierten  Blutes,  am  besten  mit  venösem  'Nierenblut,  die  Regelmässig- 
keit der  Atmung  wieder  herzustellen.  Die  beigefügten  Zeichnungen  be- 
stätigen seine  Angaben.  —  Brown-Sequard  (11)  hat  in  einer  weiteren 
Arbeit  die  klinische  Seite  der  Frage  erörtert;  er  macht  mit  Recht  auf  die 
zahlreichen  Fälle  langdauernder  Anürieen  auhnerksam,  die  ohne  jedes  urä- 
mische Symptom,  bei  völligem  Wohlbefinden  des  Patienten  verlaufen  können 
Er  fügt  eine  genaue  reichhaltige  Zusammenstellung  solcher  gut  beobachteter 
Fälle  bei,  in  denen  die  Anurie  sich  in  einer  Dauer  von  8—28  (!)  Tagen 
(Fall  von  Whiteland,  Lancet  1877)  bewegt.  —  Diese  Fälle  lassen  t*s 
unmöglich  erscheinen,  dass  die  Retention  experimenteller  Harnbestandteile 
als  Ursache  der  Urämie  anzusehen  sei.  Nach  seiner  Anschauung  liegen 
bei  der  Erkrankung  der  Niere  drei  Möglichkeiten  vor:  1.  Störung  sowohl 
der  inneren  wie  der  äusseren  Sekretion  —  schwere  Texturerkrankungen, 
experimentelle  doppelseitige  Nephrotomie:  Urämie;  2.  alleinige  Störung  der 
inneren  Sekretion  -  Fälle  von  Urämie  trotz  vorhandener  Hamsekretion ; 
3.  alleinige  Störung  der  äusseren  Sekretion  —  Fälle  von  Oligurie  und  Anurie 
ohne  Urämie.  Erst  wenn  die  Nierensubstanz  soweit  vernichtet  ist,  dass  gar 
keine  innere  Sekretion  mehr  stattfinden  kann,  kommt  es  zur  Urämie,  genügt 
doch  auch  bei  Exstirpation  der  Blutdrüsen  die  Zurückhaltung  eines  kleinen 
^wohlerhaltenen  Stückes  des  fraglichen  Orgaues,  um  die  Giftwirkung  der 
Exstirpation  zu  verhindern.  —  Eine  Nachprüfung  haben  die  Versuche  erst 
durch  eine  Arbeit  von  Vanni  und  Manzini  (65)  erfahren.  Sie  vergleichen 
die  Resultate  der  Eingriffe  nach  doppelseitiger  Ureterenligatur  und  Nephro- 


Die  Urämie.  653 

tomie,  ohiie  jedoch  wirklich  wesentiiche  Differeuzen  zwischen  beiden  Ope- 
rationen zu  konstatieren,  dagegen  schien  auch  in  ihren  Versuchen  das 
Leben  der  der  Nieren  beraubten  Tiere  sich  durch  Einspritzung  wässrigen 
Nierenextraktes  zu  verlängern. 

Man  wird  diesen  spärlichen  unzulänglichen  Versuche  und  ihrer  Aus- 
legung, die  übrigens  bereits  bei  einigen  französischen  Klinikern  enthusias- 
tischen Anklang  hervorgerufen  und  zu  therapeutischen  Versuchen  geführt 
haben,  natürlich  mit  grossem  Zweifel  und  Zurückhaltung  begegnen  müssen, 
besonders,  da  das  „grundlegende"  Experiment  von  Brown-Sequard  und 
d'Arsonval,    sowie  auch  das   der   letztgenannten   italienischen  Autoren 
von  sehr  fragwürdigem  Erfolge  ist,  wohingegen  allerdings  das  Meyer  sehe  zu 
denken  giebt.    Trotzdem  wäre  es  meines  Erachtens  nach  wohl  verfehlt,  das 
Kind  mit  dem  Bade  auszuschütten  und  die  Möglichkeit  der  von  Brown- 
S^quard   und   seinen  Anhängern  vermuteten  Vorgänge   a  limine   abzu- 
weisen.   Auch  von  anderer  Seite  ist  an   eine  derartige  Möglichkeit  schon 
andeutungsweise  gedacht  worden  (v.  Limb  eck)  (41a).     Die  Wirksamkeit 
des  Nierenparenchyms  bei  der  Synthese  der  Hippursäure  legt  nahe,  dass 
die  Niere  ausser   der   sekretorischen  auch  noch   andere   aktive  Thätigkeit 
entfalten  kann.  -—  Auch  möchte  ich  hier  auf  die  neuen  Untersuchungen 
L.  Liebermanns   (40)    hinweisen,   der  im  Nierengewebe  einen  nuklein- 
ähnlichen  sauer  reagierenden   Körper  Lecithalbumin  vorfand.     Dieser 
Substanz  kommt  die  Eigenschaft  zu,   gewisse  alkalisch  reagierende  Salze, 
wie  phosphorsaures  Natron  so  zu  zersetzen,  dass  eine  Lösung  des  Salzes 
durch  eine  Schichte  der  Substanz  filtriert,    ein  sauer  reagierendes  Filtrat 
giebt.     Serum   und  defibriniertes  Blut  von  Rindern,   über  Lecithalbumin 
vorsichtig   filtriert,    ergab   eine  saure,    dem    Pflanzenfresserharn    ähnliche 
Flüssigkeit  im  Filtrat.     Wir  haben  demnach  von  der  Chemie  noch  weitere 
Aufschlüsse  über  die  Natur  des  Nierenparenchyms  zu  erwarten,   die  mög- 
licherweise auch  einiges  Licht  über  den  von  die  genannten  französischen 
Forschem  vermuteten  Beziehungen  bringen  können. 

Überblicken  wir  im  Zusammenhang  das  Ergebnis  der  bisherigen  Zu- 
sammenstellung, so  müssen  wir  gestehen,  dass  trotz  mannigfacher  interes- 
santer Ermittelungen  von  all  den  Hypothesen  keine  einzige  unser  Kausal- 
bedürfnis zu  befriedigen  imstande  ist.  Jede  von  ihnen  enthält  wohl  richtige 
Gedanken,  welche  Anregungen  und  Ausgangspunkte  für  spätere  Forschungen 
geben  wird,  aber  alle  sind  zu  leicht  gezimmert,  der  thatsächliche  Unterbau 
ist  viel  zu  schwach.  Vor  allem  muss  befremden,  dass  fast  alle  Bearbeiter 
sich  bereit  fanden,  Hypothesen  aufzustellen,  ohne  die  Analyse  des  Vorgangs, 
soweit  es  sich  um  die  Feststellung  der  pathologisch-anatomischen  und  patho- 
logisch-physiologischen Vorgänge  handelt,  erschöpft  zu  haben.  Unter 
den  genannten  Arbeiten  befinden  sich  ja  allerdings  einige,   welche  nach 


654  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

diesem  Zid  streben  und  daher  sich  auch  als  nutzbringend  erwiesen  haben. 
Aber  erst  in  letzter  Zeit  ist  in  dieser  Hinsicht  mehr  gethan  worden.  El? 
bleibt  uns  daher  noch  übrig,  über  eine  Anzahl  Untersuchungen  zu  be- 
richten, welche  in  rein  induktiver  Weise  sich  mit  der  Analyse  der  frag 
liehen  Verhältnisse  befassen  und  mit  der  Aufdeckung  und  genauer  Registrie- 
rung wichtiger  Thatsachen  begnügen,  ohne  sie  von  vornherein  in  den  Dienst 
einer  vorgefassten  Theorie  zu  stellen.  Hierher  gehören  zunächst  die  Stoff- 
Wechseluntersuchungen  an  Nierenkranken  überhaupt,  ohntr 
deren  genaue  Kenntnis  eine  richtige  Würdigung  der  dem  urämischen  Bilde 
zu  Grunde  liegenden  Kenntnisse  gar  nicht  denkbar  erscheint.  Diese  be- 
ziehen sich  hauptsächlich  auf  N-Stoffwechsel ,  der  bei  sorgfältiger  Analyse 
der  Nahrungseinfuhr  in  längeren  Untersuchungsreihen  hauptsäclüich  von 
V.  Noorden  (15)  in  Gemeinschaft  mit  Ritter  untersucht  worden  ist,  nach- 
dem vorher  schon  Fleischer  (s.  o.)  über  die  Harnstoffausscheidungsbt- 
dingungen  und  Prior  (46)  über  den  Einfluss  der  Nahrung  auf  die  Albu- 
minurie bemerkenswerte  Thatsachen  festgestellt  hatten.  Ihm  schlössen  sicL 
die  Untersuchungen  von  Mann,  Kornblum,  P.  Müller  und  Hirsch- 
feld (46)  an.  v.  Noorden  (46)  fasst  in  seinem  Lehrbuch  der  Pathologit 
des  Stoffwechsels  die  bisherigen  Forschungsergebnisse  dahin  zusammen, 
dass  für  das  Verhältnis  von  Nahrungseinfuhr  zur  N- Ausscheidung  drei 
Möglichkeiten  vorlägen.  1.  Ein  Parallelismus  zwischen  N-Ein-  und  Ausfuhr. 
2.  Verminderung  der  N- Ausfuhr  gegen  die  Einfuhr  —  d.  h.  (bei  Ausschluss 
des  Eiweissansatzes)  entweder  Retention  von  N  im  Körper  oder  vikariierende 
Ausscheidung  durch  andere  Organe.  3.  Die  N-Ausfuhr  übertrifft  die  Ein- 
fuhr, d.  h.  „bei  wachsender  Durchgängigkeit  der  Niere  körmen  angehäufte 
Zerfallsprodukte  in  breitem  Strome  entfernt  werden.*'  Die  verschiedenen 
Arten  der  Nephritis  gewähren  also  dem  Austritt  der  stickstoffhaltigen  Aus- 
fuhrproduktion im  Einzelfall  die  mannigfachsten  Bedingungen.  Speziell 
füi*  die  Schrumpf niere  wies  v.  Noorden  und  Ritter  nach,  dass  perioden- 
weise sohlechte  und  gute,  ja  vortreffliche  EUmination  sich  ablösen  können, 
ohne  dass  das  Allgemeinbefinden  einen  Fingerzeig  dafür  gäbe.  So  konnte 
er  die  Untersuchungen  früherer  Forscher  bestätigen,  dass  grosse  N-Retention 
vorkommen  kann,  ohne  dass  irgend  ein  nervöses  oder  sonstiges  Symptom 
von  Urämie  die  Aufstapelung  der  Ausfuhrprodukte  im  Körper  verriete: 
dann  gingen  diese  Perioden  der  Zurückhaltung  von  Stickstoff  ganz  schroff 
in  solche  guter  N-Elimination  über.  „Das  Unberechenbare,  fast  bizarre  der 
N-Ehmination  drückt  dem  Stoffwechsel  der  Nierenkranken  gerade  den  be- 
zeichnenden Stempel  aufl" 

Der  Stoffwechsel  der  Salze  und  der  Extraktivstoffe  ist  bisher  nur  in 
so  vereinzelten  Untersuchungsreihen  bestimmt  worden,  dass  eine  Wieder- 
gabe dieser  Resultate  mir  noch   verfrüht  erschiene,  zum   Teil  sind  diese 


Die  Urämie.  655 

Beobachtungen  auch  schon  eingangs  erwähnt.  Jedenfalls  bietet  der  Ham 
der  Nephritiker,  besonders  der  an  chronischer  Urämie  Leidender  noch 
Angriffspunkte  genug  zu  stoffwechselanalytischen  Untersuchungen. 

Auch  über  die  Chemie  des  Blutes  sind  einige  wissenswerte  Thatsachen 
eruiert  worden,  v.  Jak  seh  (33)  fand  die  Alkaünität  desselben  bei  Nephri- 
tikern  im  allgemeinen  normal,  de  Renzi  (51)  höher  als  normal,  bei  Urämie 
bestimmte  v,  Jaksch  (33),  ebenso  Peiper  (48)  und  W.  Rumpf  (56)  sehr 
geringe  Werte.  Noch  stärkere  Abnahme  der  Alkalescenz  sah  v.  Lim- 
beck  (41b)  in  einem  Falle,  dagegen  gab  die  Blutanalyse  der  künstüch 
urämisch  gemachten  Tiere  keine  Veränderung  der  Reaktion  nach  dieser 
Seite.  Während  daher  v.  Jaksch  nicht  ansteht,  der  verminderten  Blut- 
alkalescenz  eine  wesentliche  Rolle  beim  Zustandekommen  des  Krankheits- 
bildes, wenn  auch  nicht  das  allein  bestimmende  Moment  zuzuschreiben  und 
das  Krankheitsbild  den  Säurevergiftungen  anzureihen,  hält  v.  Limbeck  (41  a) 
es  nur  für  eine  Begleiterscheinung  ohne  wesentliche  Bedeutung.  Letzterer 
hat  übrigens  bei  seinen  gleich  weiter  unten  zu  besprechenden  Versuchen 
auch  geprüft,  ob  sich  als  Anzeichen  einer  Aufstapelung  von  anorganischen 
Salzen  eine  Steigerung  der  sog.  Isotomie  des  Blutes  nachweisen  lasse. 
Er  fand  jedoch  die  Werte  sowohl  bei  diesen,  als  auch  in  einem  klinischen 
Falle  normal,  so  dass  an  eine  Anhäufung  von  Chloriden  oder  sich  älmUch 
gegen  das  Blutstroma  verhaltenden  Salzen  nicht  die  Rede  sein  konnte. 
Die  Phosphate  untersuchte  er  besonders  und  bemerkte  bald  Vermehrung, 
bald  Verminderung,  also  durchaus  kein  regelmässiges  Verhalten.  Ebenso 
führte  er  den  Nachweis,  dass  der  Kaligehalt  des  Blutes  durch  die  experi- 
mentelle Harnretention  nicht  zunähme ;  erst  nach  dem  Tode  tritt  auf  Kosten 
des  aus  der  Muskulatur  geschwundenen  Salzes  eine  Vermehrung  des  Blut- 
kali auf 

V.  Limbeck  (41a)  betont  den  richtigen  Gesichtspunkt,  dass  dem 
Versuche  experimentell  zu  erzeugender  Urämie  durch  Einführung  gewisser 
Stoffe  ein  genaues  Studium  des  beim  Tier  durch  Nephrotomie  oder 
UreterenUgatur  zu  Stande  gebrachten  Symptomenbildes  vorangehen  müsse 
und  hat  daher  diese  Aufgabe  zu  erfüUen  gesucht.  Er  kam  dabei  zu  dem 
Resultat,  dass  die  centrale  Narkose  das  Bild  beherrsche;  dieselbe  tritt 
zuerst  in  Form  von  Stumpfheit  und  Schläfrigkeit  auf,  führt  dann  zu 
mangelhafter  Beherrschung  der  koordinierten  Bewegungen,  zu  Koma,  endlich 
zum  Stillstand  der  Respiration,  Vor  dem  durch  Lähmung  des  Atmungs- 
centrmns  erfolgten  Tod  findet  in  der  Regel  eine  Beeinflussung  der  Vaso- 
motoren und  des  Vaguscentrums,  in  einzelnen  Fällen  auch  der  automatischen 
Herzganglien  statt,  welche  fast  konstant  durch  eine  vorübergehende  Vagus- 
reizung ausgezeichnet  ist.  v.  Limbeck  steht  nicht  an  —  auch  unter 
Berücksichtigung  dieses  letzteren,  bei  narkotischen  Vergiftungen  oft  genug 


656  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

beobachteten  passageren  Reizsymptoms  —  das  urämische  Vergiftungsbil-i 
in  allen  seinen  Einzelheiten  mit  der  Wirkung  eines  narkotischen  Giftes  zu 
vergleichen  und  den  von  anderen  Forschem  durch  Injektionen  etc.  hervor- 
gerufenen Konvulsionen  jede  wesentliche  Bedeutung  abzusprechen.  —  Die 
Limb  eck  sehe  Arbeit  zeigt  jedenfalls,  wie  willkürlich  es  ist,  die  Tier- 
experimente ohne  weiteres  auf  den  Menschen  zu  übertragen  und  raubt 
daher  auch  den  Landoisschen  Versuchen  einen  grossen  Teil  ihrer  Be- 
deutung. 

Von  klinischer  Seite  ist  eine  subtilere  Analyse  der  einzelnen  Krank- 
heitszeichen in  den  letzten  Jahren  so  gut  wie  gar  nicht  erfolgt,  die  Beschreib- 
ungen derselben  enthalten  auch  in  den  neuesten  Auflagen  der  bekannten 
Lehrbücher  keine  andere  Schilderung  und  Vertiefung  des  Symptomenbildes  als 
sie  im  wesentlichen  sich  schon  in  den  früheren  klassischen  Darstellungen 
von  Bright,  Bartels,  Wagner  und  Rosenstein  sich  findet.  Nur  ver- 
einzelte Angaben  rücken  manche  Thatsache  in  helleres  Licht.  So  möchte 
ich  hier  z.  B.  der  von  Riegel  (52)  entdeckten  Thatsache  gedenken,  dass 
sieh  bei  akuter  Scharlachnephritis  synchron  mit  dem  ersten  Auftreten  der 
Albuminurie  noch  vor  dem  Vorhandensein  einer  Herzhypertrophie  erhöhte 
Pulsspannung  und  Pulsverlangsamung  ausbildet,  ein  Umstand,  der  sicher 
auf  eine  toxische  Einwirkung  zurückzuführen  ist.  Von  den  französischen 
Autoren  (14)  ist  in  letzter  Zeit  dem  Verhalten  der  Temperatur  bei 
Urämie  ein  besonderes  Interesse  zugewendet  worden.  Merkwürdigerweise 
zeigen  sich  sowohl  bei  Koma  als  bei  Konvulsionen  Temperaturherab- 
setzungen sowie  Temperaturerhöhungen  in  hohen  Graden,  die  in  inte- 
grierenden Zusammenhang  mit  der  Urämie  gebracht  werden  müssen 
und  daher  sich  nicht  allein  durch  Abkühlung  (Koma)  bezw.  auf  Grund 
der  eventuell  vorhandenen  Konvulsionen  gesteigerten  Wärme  gedeihen, 
sondern  als  direkte  Beeinflussung  des  Wärmecentrums  nur  deuten 
lassen.  Berichte  über  centrale  Herderscheinungen,  Lähmungen  wie  Rei- 
zungen, liegen  eine  ganze  Anzahl  vor,  besonders  über  rein  urämische 
Hemiplegieen  [vgl.  Boinet  (8)]  sowie  über  Krämpfe  vom  Charakter  der 
Jackson  sehen  Epilepsie  [Dunin  (16)].  Ebenso  verdient  eine  Arbeit  von 
M.  Rothmann  (55)  über  die  urämische  Amaurose  Erwähnung.  An  der 
Hand  eines  Falles,  der  zuerst  plötzlich  eintretende  ErbUndung  des  einen 
Auges  mit  aufgehobener  Pupillarreaktion,  und  ausserdem  später  eine  pe- 
riodisch wiederkehrende  Erblindung  des  anderen  darbot,  sucht  der  Verf. 
die  Unabhängigkeit  der  Optikuskompression  für  das  Zustandekommen  der 
Pupillarreaktion  darzuthun  und  die  Entstehung  dieser  Amaurose  auf  Grund 
eines  flüchtigen  Ödems  der  Optikusscheide  wahrscheinlich  zu  machen. 

Einige  Verwunderung  muss  schliesslich  erregen,  dass  die  pathologisch 
anatomischen  Veränderungen  an  den  Nieren  urämisch  Verstorbener  so  gut 


Die  Urämie.  657 

wie  gar  keine  erneute  Bearbeitung  gefunden  haben.     Während  diese  Ver- 
hältnisse an  den  Nieren  und  anderen  Organen  bei  der  Puerperaleklampsie 
durch  eine  grössere  Anzahl  Untersuchungen,  die  bereits  an  einer  anderen 
Stelle    dieses  Werks   besprochen   sind*),   jetzt   völlig   klargestellt   zu   sein 
scheinen.    Es  ist  mir  nur  gelungen,    im   ganzen  zwei  Arbeiten   ausfindig 
zu  niachen,  die  sich  mit  der  Frage  beschäftigen,   ob    der  Befund  an  den 
Nieren  urämisch  verstorbener  Nephritiker  sich  von   dem    anderer   unter- 
scheidet.    Die  eine  von  Hlava  und  Thomayr  (29)  stammt  aus  dem  Jahr 
1882  und  hat  22  Fälle  von  Nephritis  zur  Grundlage,  die  zum  Teil  unter 
Urämie,    zum   Teil   an  andern  Todesursachen  zu  Grunde  gegangen  sind. 
Es  zeigte   sich   nun,    dass    weder   die   Hamkanälchenepithelien   noch   die 
Glomeruli  Veränderungen  aufwiesen,  die  zu  den  bestandenen  urämischen 
Zeichen  in  Parallelismus  gestanden  hätten.    Dagegen  waren  die  urämischen 
Fälle  fast  alle   von   kleinzelügen  Infiltrationen    begleitet,    die  mehr  oder 
weniger   massenhaft,   zumeist   ganz   frisch  sich  in  der  Nachbarschaft  der 
Malpighischen  Knäuel  etabUert  hatten,   vorzüglich  an  der  Stelle,   wo   das 
Vas  afferens  und  efferens  die  Mülle rsche  Kapsel  durchdringt,   femer  an 
den  aus  den  Blutgefässboden  entspringenden  interlobulären  Arterien  und 
schliesslich  in  der  Umgebung  anderer  Rindengefässe.    Die  Verfasser  bringen 
demgemäss   die   Erscheinungen   mit   einer  Kompression   der  zuführenden 
Gefässe   und   einer   Behinderung   der   Wasserfiltration  zusammen.  —  Die 
andere  Arbeit  stammt  von  R^naut  (50)  aus  dem  Jahr  1890.   Dieser  stellte 
an  den  von  ihm  untersuchten  Fällen  fest,  dass  die  Urämie  in  keinem  Zu- 
sammenhang mit  der  Ausbreitung  der  Nierenläsion  stünde.     Er  fand  bei 
diesen,  von  denen  er  einen  typischen  mitteilt,  enorme  Blutüberfüllung  der 
Nieren,    dunkelblaue  Schnittfläche,    auf   der   sich  Mark    und  Rinde  nicht 
unterscheiden  Hess,  die  Kapsel  überall  von   der   Rinde   gelöst,    die   inter- 
lobulären Bindegewebsspalten  erweitert.     Die  mikroskopische  Prüfung  der 
Rinde  ergab  nur  wenig  geschädigte  Glomerulussysteme,  95  °/o  aller  Glome- 
ruli waren  intakt.     Nach  seiner  Ansicht  handelt  es  sich  um  ein  auf  bulbo- 
cerebralem  Wege  zustande  gekommenes  Odem  der  Nierenrinde,  dass  er  mit 
der  ürtikariaquaddel    vergleicht.     Entlang    den  Markstreifen  und  um  die 
Glomeruü  herum  an  der  Umgebung  der  Vasa  efferentia  findet   eine   leb- 
hafte Transudation  statt,  welche  die  Vasa  efferentia  verschliesst  und  so  die 
Sekretion  zum  Stocken  bringt.     Schliesslich    seien   hier   noch    die   patho- 
logisch-anatomischen Arbeiten  von  J.  Fischer  (21),  der  das  Verhalten  des 
Darms  bei  Urämie,  von  Bariö  (4),  der  eine  Stomatitis  uraemica  beschreibt, 
sowie  von  Banti  (3)  und  Beco  (5)   über  urämische  Perikarditis  erwähnt. 
Die  erwähnten  Pubükationen,  von  denen  die  Fi  scher  sehe  sich  durch  sehr 


^)  0.  Labarsch,  Die  Puerperaleklampsie,  I.  S.  113  ff. 
Lübarsch-Ostertag,  Ergebniise  Abteil,  n.  42 


658  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

sorgfältige  und  detaillierte  Untersuchungen  auszeichnet,  zeigen,  dass  die 
Urämie  Zustände  in  den  Organen  schafft,  oder  besser  gesagt  mit  solcko 
einhergeht,  die  an  sich  nichts  Spezifisches  haben,  aber  zu  katarrhahscheo 
und  entzündhchen  Veränderungen  disponieren.  Beco  glaubt  auf  GruuJ 
eines  Falles  der  urämischen  Perikarditis  die  Thätigkeit  der  Bact.  coli 
commune  hierbei  nicht  ausschliessen  zu  können. 

Alle  die  zuletzt  besprochenen  Untersuchungsresultate,  die  unter  sich 
keine  zusammenhängende  Erklärung  gestatten,  sind  meiner  Ansicht  iia<?li 
vereinzelte  Bausteine,  die  in  späterer  Zeit  am  Aufbau  einer  einheitlichen 
Auffassung  werden  mithelfen  können.  Ich  habe  es  daher  absichtlich  ver- 
mieden, irgend  welche  weitergehende  Schlussfolgerungen  aus  ihnen  zu 
ziehen.  Ein  wirklicher  Fortschritt  wird  sich  in  der  lang  umstritteDeü 
Lehre  von  der  Urämie  wohl  erst  dann  erzielen  lassen,  wenn  Klinik,  pa 
thologische  Anatomie  und  Chemie  unsere  Kenntnis  von  den  thatsächlichen 
Veränderungen  im  Organismus  derartig  erweitert  haben  sollten,  dass  es 
dann  auch  nicht  mehr  schwer  fallen  kann,  synthetisch  experimentell  durch 
Nachahmung  der  klinischen  Verhältnisse  der  Lösung  der  Frage  näher  zu 
kommen.  Bei  dem  heutigen  Stand  der  Kenntnisse  scheint  aber  dieser 
Weg  noch  eher  vom  Ziele  ab,  als  zu  ihm  hinzuführen. 


I 


2. 

Fieben 

Von 

Fr.  Kraus,  Graz. 
Einleitang. 

Litteratur. 

1.  Wunderlich,  C.  A.,   Das  Verhalten  der  Eigenwärme  in  Krankheiten.    Leipzig  1870. 

2.  Liebermeister,  C,  Handbach  der  Pathologie  und  Therapie  des  Fiebers.   Leipzig  1875. 

3.  Naunjn,  B.,  Archiv  fQr  exp.  Pathologie.    Bd.  18. 

4.  Rabe,  A.,  Die  modernen  Fiebertheorieen.    Berlin  1894. 

5.  üghetti,  G.  B.,  Das  Fieber  (Deutsch:  Dr.  R.  Teuscher).    Jena  1895. 

6.  Volkmann  und  Genzmer,  Volkmanns  Vorträge.  Nr.  21. 

7.  Murri,  A.,  Febbre  ed  antipiresi,  Resveonto.    I^.  Congresso  medico  di  Roma  1888. 

8.  Herz,  M.,  Untersuchungen  über  Wärme  und  Fieber.    Wien  1893. 

Wer  auf  den  lebhaften  Meinungskampf  zurückblickt,  der  bis  zum 
Ende  der  Siebziger  Jahre  um  die  Fieberprobleme  wogte,  und  die  augen- 
blicklich auf  diesem  Forschungsfelde  herrschende  Ruhe  zum  Massstabe 
wählte,  könnte  zum  Glauben  verführt  werden,  dass  entweder  alle  ein- 
schlägigen Fragen  zum  endgiltigen  Abschluss  gebracht  sind,  oder  dass 
doch  heute  für  die  Fieberlehre  wenig  mehr  geleistet  wird. 

Der  unbefangene  Vergleich  der  jüngsten  mit  jener  so  wenig  hinter 
uns  liegenden  Periode  fällt  aber  kaum  zum  Nachteil  der  letztern  aus. 

Eine  exakte  Definition  des  Fiebers  und  die  Aufstellung  einer  abge- 
schlossenen Fiebertheorie  erscheint  allerdings  auch  heute  unmöglich.  Nach 
der  gegenwärtig  noch  vorherrschenden  Auffassung  gilt  jede  aus  einem 
innern  Grunde  resultierende  krankhafte  Temperaturerhöh- 
ung als  „fieberhaft".    Aber  nur  mehr  aus  rein  diagnostischen 

42* 


660  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Rücksichten,  weil  sie  nicht  so  leicht  gleich  exakter  Messung  zugänglich 
sind,  werden  die  zahlreichen,  meist  daneben  zu  beobachtenden  anderweitigen 
Symptome,  welche  sich  auf  Stoffwechsel,  Nervensystem,  Cirkula- 
tions-  und  Respirationsapparat,  auf  den  Digestionstrakt  und 
die  Se-  und  Exkretionsorgane  beziehen,  gegenüber  der  genauen  Re- 
gistrierung der  Körperwärme  \md  des  Temperaturverlaufes  m  zweite  Linie 
gestellt.  Die  Begriffe  „Hyperthermie*'  und  „Fieber"  decken 
sich  nicht  mehr  völlig.  Li  diesem  symptomatischen  Sinne,  als  kon- 
stitutionelle Phänomeneinheit  wurde  die  Definition  des  Fiebers  durch 
J.  Müller,  Henle  und  Wunderlich  vollendet. 

Wohl  als  dauernd   beseitigt  darf  man  die  bis  vor  kurzem  allgemein 
geltende  Liebermei  st  ersehe  Doktrin  ansehen,  welche   die  meisten  Er- 
scheinungen des  febrilen  Symptomenkomplexes  auf  einen  imd   denselben 
Erklärungsgrund,  die  Überhitzung,  zurückführt  und  daran   deren  pro- 
gnostische Bedeutung  misst.    Der  Hyperthermie  pathogenetisch   unmittel- 
bar   angegliedert   bleibt   nurmehr    die   gesteigerte   Pulsfrequenz  und   die 
Wärmedyspnoe.    Die  übrigen  Fiebersymptome  stellen  in  der  grossen  Über- 
zahl der  Fälle,  in  denen  uns  das  Fieber  am  Krankenbett  gegenübertritt, 
gleichwertige  Äusserungen  der  Infekte,   d.  h.  der  Dauerzustände 
dar,  in  welche  der  tierische  Organismus  durch  die  Infektion  versetzt  wird, 
und  der  Wahrnehmung  sämtlicher  biologischer  Faktoren  im  Infekte  muss 
gegenwärtig   unser  vollstes  Interesse   gleichmässig   zugewendet   sein.    Es 
handelt  sich  darum,  mit  allen  Mitteln  der  pathologischen  Forschung  den 
Mechanismus  sämtHcher  Konsequenzen  der  Infektion  festzustellen,  wie  sicli 
dieselben   darstellen  als  Abweichungen   des  Stoffwechsels,    als  Funktions- 
störungen des  Nervensystems  (insbesondere  des  vasomotorischen  Apparates), 
als  Abnormitäten  in  den  Sekretionen,  als  Albuminurie,  NukleoalbunÜDurie, 
sowie  ferner  in  bestimmten  anatomischen  Primärlokalisationen  (Digestions- 
trakt, Respirationsapparat,  seröse  Membranen)  als  Kongestionen,  Entzün- 
dungen, Nekrosen,  Ödeme,  Hämorrhagieen  u.  s.  w.  An  der  Hand  einer  solchen 
allgemein  pathologischen  Auffassung  steuern  wir  vielleicht  der  theilweisen 
Auseinandergliederung  des  Fieberbegriffes  zu  Gunsten  der  Begriffsformen 
der  spezifischen  EinzeUnfekte  entgegen.   Das  trotz  der  spezifisch-hete- 
rogenen Natur  der  äusseren  Krankheitsursachen  im  Decursus 
der   Infekte    gemeinsame    konstitutionelle  Symptomenbild  ver- 
bleibt  aber  Objekt   der  Fieberlehre.     Zahlreich   sind  neben  solchen 
allgemein  pathologischen  die  unmittelbar  der  gröberen  und  feineren  klini- 
schen Wahrnehmung    entnommenen   Gründe,  welche   uns    zwingen,  die 
Überhitzung  des   Körpers  als  Kardinalsymptom  des  Fiebers  im  Lieber- 
meister sehen  Sinne  und  als  ausschliessüchen  Massstab  der  Gefahr  fallen 
zu  lassen.   Der  Grad  der  Hyperthermie  entspricht  nämlich  durchaus  nicht 


Fieber.  661 

immer  und  fast  nie  genau  der  Intensität  der  Infektion.  Dies  gilt  insbe- 
sondere für  gewisse  Infekte  (z.  B.  die  Febris  recurrens).  Dass  gerade  in 
den  raschesten  und  schwersten  verlaufenden  Fällen  von  Sepsis  die  Tem- 
peratursteigerung gelegentlich  ganz  fehlt,  dass  in  einzelnen  Typhusepide- 
demieen  gerade  die  Fälle  mit  beinahe  fieberlosem  Decursus  als  höchst  ge- 
fährhch  sich  herausstellen,  sind  ebenso  banale  klinische  Thatsachen.  Ganz 
bestimmt  darf  man  ferner  sagen,  dass  zwischen  der  Temperaturhöhe  und 
der  Art  und  dem  Grade  der  sonstigen  Manifestationen  des  Infektes  weder 
im  ganzen,  noch  in  Hinsicht  auf  die  Einzelsymptome  ein  strenger  Paral- 
lelismus zu  bestehen  braucht.  So  hängt  die  Intensität  der  Steigerung  der 
Eiweisszersetzung  in  den  Infektionsfiebern  viel  mehr  von  der  Nahrung, 
dem  Ernährungszustände  und  der  besonderen  Natur  des  Einzelinfektes  als 
vom  Grade  der  Überhitzung  ab,  die  Vermehrung  der  N-Ausscheidung 
scheint  nicht  einmal  für  alle  Infektionskrankheiten  ausgesprochen  zu  gel- 
ten, sie  stellt  sich  durchaus  nicht  erst  mit  Beginn  der  Temperatursteige- 
rung ein  und  überdauert  die  letztere  auch  mehr  oder  weniger  beträchtlich. 
Auch  der  Grad  der  infektiösen  Säureintoxikation  lässt  erfahrungsgemäss 
durchaus  keine  direkte  Abhängigkeit  von  der  Höhe  und  dem  zeitlichen 
Ablauf  der  Fiebertemperatur  feststellen:  die  nach  dem  CO  «-Gehalt  des 
Blutes  zu  schätzende  Säurevergiftung  gestattet  im  Gegenteil  die  Intensität 
der  Infektion  bestimmter  zu  messen  als  die  Thermometrie.  Bei  künstlicher 
und  natürlicher  Entfieberung  dauert  die  Säureintoxikation  noch  fort;  Ref. 
hat  bei  selbst  vorgeschrittener  Kekonvalescenz  noch  die  Oxybuttersäure 
im  Harn  getroffen.  Die  infektiöse  Leukocytose  hängt  gleichfalls  nur  schein- 
bar mit  dem  •  Temperaturverlauf e  zusammen.  Die  in  den  meisten  fieber- 
haften Prozessen  nachweisliche  Verminderung  der  oxyphilen  Leukocyten 
schwindet  nach  Aufhören  des  Fiebers  nicht  sofort,  sie  bleibt  mehr  oder 
weniger  zurück.  Selbst  die  kritischen  Exkretionen  können  dem  Absinken 
der  Temperatur  erst  folgen. 

Es  kann  nicht  verschwiegen  werden,  dass  jenseits  der  im  Vorder- 
grunde stehenden  Gruppe  der  „Infektionsfieber"  ein  Rest  von  Pyrexieen 
bleibt,  für  welche  Beziehungen  zur  Infektion  zu  fehlen  scheinen.  Die 
Hyperthermien  bei  gewissen  Koliken,  beim  Katheterismus  u.  dgl.  wird  man 
allerdings  als  rein  vasomotorische  Phänomene  von  kurzer  Dauer  zweckmässig 
in  andere  pathologische  Gebiete  verlegen.  Auf  das  „aseptische  Eieber'* 
Volkmanns,  auf  die  Pyrexie  bei  schweren  Anämieen,  bei  der  paroxys- 
malen Hämoglobinurie,  bei  Urämie  u.  s.  w.  wird  man  aber  doch  wohl  den  Fieber- 
begriff anwenden  müssen.  Keinesfalls  sind  wir  jedoch  deshalb  zur  Aufstellung 
zweier  prinzipiell  differenter  Fiebertypen  mit  einer  von  aussen 
kommenden  infektiösen  und  einer  im  Innern  des  Körpers  entspringenden 
Ursache  (Febris  mixta,  complicata  und  Febris  simplex)  genötigt,  oder  zum 


662  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Leugnen  der  chemischen  Theorie  der  Pyretogenese  berechtigt  Das  ver- 
bindende pathologische  Glied  bleibt  die  Intoxikation.  Bei  den 
Infektionsfiebem  rekurrieren  wir  auf  die  Wirkung  der  im  kranken  Körper 
als  Nährboden  erzeugten  Bakteriengifte.  Untrennbar  davon  scheint  übri- 
gens die  begleitende  Autointoxikation  mit  den  chemischen  Trümmern  der 
Gewebe  des  infizierten  Organismus.  Dass  ausserhalb  der  Gruppe  der  Bak- 
teriengifte auch  Stoffe  nicht  bakteriellen  Ursprungs,  welche  im  Körper  ent- 
stehen oder  von  aussen  eingeführt  werden,  und  sonst  vergleichbare 
toxische  Wirkung  besitzen,  gleichfalls  Hyperthermie  und  selbst  Fieber 
hervorrufen  können,  ist  a  priori  nicht  anzuzweifeln. 

Wenngleich  der  febrile  Symptomen  komplex  den  ätiologisch  verschie- 
denen Infekten  gemeinsam  zukommt  und  auch  sonst  klinisch  sich  relativ 
einförmig  darstellt,  muss  gegenwärtig  doch  die  Frage  nach  der  Einheit 
oder  Vielfältigkeit  dieses  in  Wirklichkeit  hochkomplizierten  pathologischen 
Prozesses  aufgeworfen  werden.  Es  handelt  sich  hierbei  darum,  zu  ergrün- 
den, ob  die  spezifisch  verschiedenen  Krankheitserreger  immer  vermöge  des 
gleichen  Mechanismus  auf  dieselben  Elemente  des  infizierten  Körpers  ein- 
wirken, oder  ob  dieser  Mechanismus  je  nach  den  verschiedenen  äussern 
Krankheitsursachen  variiert  und  nur  das  äusserlich  symptomatische  End- 
ergebnis dasselbe  bleibt.  Die  Frage  scheint  eine  offene.  Wahrscheinlicher 
a  priori  ist  die  Pluralität. 

Bis  in  die  jüngste  Zeit  hatte  man  unter  der  Bezeichnung  „Fieber** 
vorwiegend  Symptomenbilder  vor  Augen,  welche  dem  Organismus 
der  höheren  Ordnungen  des  Tierreiches  eigentümlich  sind.  Erst  vor 
kurzem  wurde  ernstlich  der  Versuch  unternommen,  auch  von  Hyperthermie 
begleitet^  pathologische  Zustände  jeder  Zelle  überhaupt  (insbesondere 
falls  das  ätiologische  Moment  der  Infektion  hinzutritt)  als  fieberhaft  zu 
bezeichnen.  In  einer  gewiss  unsere  vollste  Beachtung  verdienenden  origi- 
nellen Arbeit  betrachtet  M.  Herz  die  Temperatur  einer  durch  ihren  Stoff- 
wechsel Wärme  entbindenden  Zelle  abhängig  vom  Temperaturoptimum 
ihrer  Lebensthätigkeitund  von  der  mehr  oder  weniger  ausreichenden  Wärme- 
isoUerung  gegenüber  dem  monde  ambiant  und  erhärtet  seine  Anschauungen 
durch  Untersuchungen  an  gärender  Hefe.  Jeder  pathologische  Zustand 
einer  Zelle,  welche  ein  Freiwerden  übemormaler  Wärmemenge  zur  Folge 
hat,  bedeutet  nun  nach  Herz  für  dieselbe  ein  Fieber.  Durch  Einftihrung 
der  Infektion  als  ätiologisches  Moment  dieser  Temperaturerhöhung  glaubt 
er  die  Diagnose  Fieber  absolut  sicher  zu  stellen.  Um  einen  Infektionsstoff 
zu  gewinnen,  liess  er  mit  Wasser  versetzte  Bäckerhefe  durch  Wochen 
faulen.  Die  Einverleibung  einer  kleinen  Menge  der  so  gewonnenen,  von 
Bakterien  wimmelnden  Flüssigkeit  in  eine  Hefe-Zuckerlösimgmischung  stellt 
sich  thatsächlich  als  Ursache  eines  starken  Aufschwungs  der  Kohlensäure- 


Fieber.  663 

entwickelung  dar.  Die  gesteigerte  Temperatur  ist  äusseren  Einwirkungen 
gegenüber  stabiler  als  im  normalen  Zustand.  Auch  der  Einfluss  von  Anti- 
pyreticis  wurde  in  speziellen  Versuchen  geprüft.  Es  fällt  nun  Herz  aller- 
dings nicht  ein,  alles,  was  er  bei  der  infizierten  Hefe  findet,  rückhaltslos 
auf  den  fiebernden  Menschen  zu  übertragen,  aber  er  betrachtet  doch  alles, 
,,was  bei  den  Zuständen  erfahrungsgemäss  als  gemeinsam  sich  erweisen 
sollte",  beim  Säugetier  nicht  mehr  als  Wirkung  emes  komplizierten  Organ- 
systems, sondern  als  direkte  Äusserung  des  lädierten  Zellleibs.  So  verschiebt 
er  den  Schwerpunkt  vom  fieberkranken  Organismus  auf  das  fieberkranke 
Protoplasma.  Er  verpönt  es  also,  zum  Aufbau  einer  Fiebererklärung 
das  „zweifelhafte  Material  der  Nerven-  und  Gefässwirkungen,  mit  denen 
man  erklären  kann,  was  man  will",  heranzuziehen. 

In  der  WirkHchkeit  hat  M.  Herz  auf  diesem  Wege  nur  wieder  aufs 
neue  bewiesen,  dass  einzellige  Organismen  pathologischen  Zuständen  unter- 
worfen sind,  welche  gewisse  Anologieen  mit  jenen  des  hochorganisierten 
und  differenzierten  Zellenstaates  der  Wirbeltiere  besitzen.  Abgesehen  davon, 
dass  Herz  die  Begriffe  „Krankheit,"  „Entzündung,"  „Fieber"  zusammen- 
fiiessen  lassen  muss,  und  abgesehen  davon,  dass  er  nicht  mit  Reinkulturen 
gearbeitet  hat,  sind  seine  interessanten  Versuche  auch  deshalb  nicht  voll- 
kommen einwandsfrei,  weil  keine  Rücksicht  auf  die  Vermehrung  der 
Hefezellen  genommen  wurde,  sodass  man  aus  den  Kurven  keinen  Schluss 
ausschliesslich  auf  die  Schwankungen  des  Stoffwechsels  in  den  ursprüng- 
lich gegebenen  Zellen  ableiten  sollte. 

Der  folgende  Bericht  bezieht  sich  ausschliesslich  auf  den  Mechanis- 
mus des  Fiebers  als  Wirkung  des  komplizierten  Organsystems  der  höheren 
Tierordnungen.  Ref.  scheint  die  Frage:  Wenn  ein  fiebernder  Organismus 
in  seine  Zellen  zerfällt,  was  unterscheidet  jede  einzelne  derselben  von  einer 
gleichartigen  gesunden?  darum  nicht  minder  beachtenswert.  Aber  der 
Mechanismus,  der  aus  dem  Zusammenleben  der  Zellen  im  Zellenstaat  resul- 
tiert, der  sich  auf  Differenzierung  und  Arbeitsteilung  einer  riesigen  Zahl  von 
einander  abhängiger  Zellen  gründet  und  nicht  denkbar  scheint  ohne  die  Vor- 
aussetzung einer  Centralisation  der  Verwaltung  durch  das  Nervensystem: 
dieser  Mechanismus  ermöglicht  es  auch,  dass  auf  pathologische  Einwirkimgen 
von  aussen  an  dieser  oder  jener  Stelle  in  (beschränkt)  zweckmässiger 
Weise  gerade  dieses  oder  jenes  Organ  reagiert  und  zur  Erhaltung  des 
Ganzen  in  feiner  Harmonie  bestimmte  Zellen,  Gewebe  und  Organe  zu- 
sammenwirken. Die  Einflüsse  der  topographischen  Verhältnisse  und 
das  konstitutionelle  Moment  sind  sonach  allerdings  geeignet,  beim 
hochorganisierten  Tiere  das  Fieberbild  zu  kompUzieren,  aber  sie  gehören 
zu  seinem  Wesen. 


664  Allgem.  patho].  Morphologie  und  Physiologie. 

Sowohl  die  thatsächliche  Erforschung,  als  auch  die  theoretische  Be- 
trachtung des  febrilen  Symptomenkomplexes  knüpft  gegenwärtig  hauptsäch- 
lich an  folgende  fünf  Gruppen  von  für  die  Fieberlehre  massgebenden  Fak- 
toren an:  a)  Die  ätiologischen  Momente,  b)  die  nervösen,  besonders  die 
vasomotorischen  Störungen,  c)  die  StofEwechselabweichungen,  d)  die  Tempe- 
raturverhältnisse, e)  das  therapeutische  Problem. 

a)  Die  ätiologische  Richtung  in  der  Fieberlehre. 

Litteratur. 

1.  Charrin,  Archives  de  Physiologie,  1886. 

2.  Charrin  et  Raffer,  G.  r.  de  la  soc.  de  biologie.  1889. 
8.   Charrin,  ToziqneB  et  temperature.    Paris  1893. 

4.  Roassy,  Sur  la  pathog^nie  de  la  fi^vre.    Gazette  des  höpitaux.  1889. 

5.  Krehl,   L  ,   Versuche  über  die  £rzeugaiig  von  Fieber    bei  Tieren.     Arch.  fUr  exp. 
Pathol.  Bd.  35. 

6.  Centanni,   E.,   Untersachungen  über  das  Infektionsfieber.     Deutsche   med.  Woeheo- 
Schrift  1894. 

7.  Bachner,   H.,   Berlin,  klin.  Wochenschrift  1890  und  Mttnch.  med.  Wochenschr.  1891. 

8.  Voges,  Zeitschrift  für  Hygieine.    Bd.  17. 

9.  Rouquds,  Substances  thermogdnes  extraites  des  tissus  animaux  soins.    Paris  1893. 

10.  Charrin,  La  maladie  pyocyanique.    Paris  1889. 

11.  Bouchard,  Lebens  sur  la  autointoxications.    Paris  1887. 

12.  Löpine,  C.  r.  de  TAcad.  des  sc.  1889. 

13.  Royer,  C.  r.  de  soc.  de  biol.  1893. 

14.  Gangolphe  et  Courmont,  Arch.  de  med.  exp.    T.  III. 

15.  Edelberg,  Arch.  f.  exp.  Pharm.    Bd.  XII. 

16.  Hammerschlag,  Ebendas.    Bd.  XXVII. 

17.  Hildebrandt,  Virchows  Arch.    Bd.  CXXl  u.  CXXXl. 

18.  Math  es,  Arch.  für  klin.  Medizin.    Bd.  LIV. 

19.  Horbaczewski,  Allgem.  Wien.  med.  Zeitung.  1892. 

20.  Goldscheider,  Deutsche  med.  Wochenschrift.  1894. 

21.  Spiegier,  Centralbl.  fdr  klin.  Med.  1894. 

22.  V.  Mosetig,  Wiener  med.  Presse.     1893. 

23.  Donath,  Wiener  med.  Wochenschrift,  1894. 


Die  Frage  nach  den  pyrogenen  Ursachen  ist  bisher  vorwiegend  so 
verstanden  worden,  dass  es  sich  um  Feststellung  der  Agentien  handelt, 
welche  auf  den  Organismus  einwirkend  als  schhessliches  Ergebnis  Fieber, 
vor  allem  erhöhte  Körpertemperatur  hervorrufen.  Die  Art  der  primären 
Störung  durch  diese  Agentien,  die  Möglichkeit  einer  Variation  der  Wir- 
kung derselben  Ursache  oder  d|e  identische  Wirkung  der  verschiedenen 
Ursachen,  also  alles,  was  den  Mechanismus  der  Wirkung  begreift, 
ist  Gegenstand  spezieller  Untersuchungen,  deren  bisherige  Ergebnisse  als 
spärhche  bezeichnet  werden  dürfen. 


Die  ätiologische  Richtung  in  der  Fieberlehre.  665 

Ferner  lassen  sich  bereits  bestimmt  zwei  differente  geschichtliche 
Perioden  der  ätiologischen  Richtung  in  der  Fieberlehre  unterscheiden. 
Li  der  ersten  dieser  Perioden  wurde  hauptsächlich  die  Verbindung 
zwischen  Fieber  und  Entzündung  gesucht.  Von  den  Ideen,  welche 
sich  nach  dieser  Richtung  geltend  zu  machen  suchten,  ist  bekanntUch  die 
Annahme  einer  Verbreitung  der  erhöhten  Wärme  vom  hochtemperierten 
Entzündungsherde  aus  endgiltig  abgelehnt  Seit  ferner  Gaspard  (1832) 
durch  experimentelle  Untersuchungen  die  fiebererregende  Eigenschaft  des 
unter  die  Haut,  in  die  Pleura  und  das  Peritoneum  eingespritzten  Eiters 
nachgewiesen  hatte,  überzeugten  sich  dann  Virchow,  Billroth,  Weber, 
Stricker  u.  a.,  dass  in  den  Organismus  eingebrachtes  „Pus  bonum  et 
laudabile*'  fiebererregend  wirkt  und  dass  auch  dem  Eiterserum  für  sich 
diese  Eigenschaft  zukommt.  Spätere  Untersuchungen  dieser  ersten  Periode 
haben  aber  rasch  diesen  älteren  spezifischen  Standpunkt  widerlegt.  Es  kam 
hervor,  dass  die  Infusion  in  Wasser  suspendierter  Stärke,  Blut  von  gesunden 
Tieren  ebenfalls  pyretogen  sei.  Weiss  Gott  übrigens,  was  neben  den  ge- 
nannten Dingen  damals  alles  mit  injiziert  wurde!  Dazu  kam  endlich  in 
neuerer  Zeit  der  erbrachte  Beweis  konstanter  Relationen  zwischen  Infek- 
tion und  Entzündung.    Da  musste  von  vorn  angefangen  werden. 

Die  zweite  Periode  erscheint  demgemäss  durch  das  Bestreben  charak- 
terisiert, unsere  Kenntnisse  über  den  Zusammenhang  von  Infekt  und 
Fieber  zu  erweitern  und  zu  vertiefen. 

Als  erste  Frage  tritt  uns  hier  entgegen:  Sind  die  Infektionser- 
reger als  solche  pyretogen,  oder  sind  es  von  ihnen  erzeugte  chemi- 
sche Produkte?  Die  Erkenntnis,  dass  zwar  die  unstreitig  häufigste  und 
klar  liegendste  Ursache  des  Fiebers  auf  das  Eindringen  niederer  Lebewesen 
in  den  Körper  homoiothermer  Tiere  sich  zurückführen  lässt,  dass  aber  unter 
natürlichen  Verhältnissen  bei  den  Infekten  die  Bakterien  öfter  entweder 
gar  nicht  oder  nur  späriich  in  den  Kreislauf  gelangen,  nötigte  von  vorn- 
herein, die  löslichen  Produkte  in  Betracht  zu  ziehen,  welche  die  Mikro- 
organismen von  den  Kolonisationsherden  aus  verbreiten.  In  Fluss  gebracht 
wurden  die  einschlägigen  Fragen  durch  eine  der  französischen  Akademie 
vorgelegte  Arbeit  von  C  harr  in  und  Ruf  f  er,  welche  Forscherzeigten,  dass 
man  durch  Injektion  von  sterilisierten  und  von  mikrobenfreien  Kulturen  des 
Bacillus  pyocyaneus,  also  ausschliesslich  durch  den  Einfluss  der  löslichen 
Produkte  der  Kulturen,  bei  Kaninchen  Temperaturerhöhung  hervorrufen 
kann.  Seither  hat  der  grösste  Teil  der  Pathologen  und  der  beigebrachten 
Gründe  für  pyretogene  Gifte  entschieden.  Alle  Erscheinungen  der 
Infektionskrankheiten  gelten  nunmehr  als  Vergiftungssymp- 
tome. Von  diesen  macht  einen  wichtigen  Teil  das  Fieber  aus. 
Naturgemäss  wurde   dann   die  Frage  erweitert  und  alle  chemischen  Sub- 


666  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

stanzen,  welche  überhaupt  Hypertliermie  verursachen,  mit  ins  Bereich  ein- 
schlägiger Untersuchungen  einbezogen. 

Strittig  war  dann  zunächst,  woher  jene  die  Wärmeregulation 
beeinflussenden  Bakteriengifte  stammen?  Zwei  Möglichkeiten  kamen 
in  Betracht:  die  Mikroorganismen  bilden  sie  aus  den  Körpergeweben  als 
ihrem  Nährboden,  oder  die  Bakterienleiber  sind  selbst  das  Gift,  indem  sie  zer- 
fallen, so  dass  die  entsprechenden  löslichen  Substanzen  in  die  Cirkulation  ge- 
raten. Es  ist  indessen  fraglich,  ob  eine  solche  allzustrenge  Unterscheidung 
mit  Recht  geschieht.  Zunächst  scheint  es  kaum  möglich,  mit  Sicherheit  die 
einen  und  die  anderen  absolut  zu  isolieren.  In  allen  Nährböden  gehen  Bak- 
terien zu  Grunde;  das  von  ihrer  Leibessubstanz  Lösliche  geht  in  die  Flüssig- 
keit über.  Auch  von  festen  Nährböden  aber  gewinnt  man  die  Leiber  kaum 
absolut  rein.  In  der  Umgebung  liegen  ja  gewiss  die  Substanzen,  welche  durch 
die  Lebensthätigkeit  der  Mikroorganismen  aus  dem  Nährboden  gebildet 
wurden.  Auch  scheint  eine  so  strikte  Differenzierung  kaum  nötig,  weil 
doch  alle  Stoffwechsel produkte  einmal  Teile  der  Bakterienleiber  gewesen 
sind.  Bei  dieser  von  Krehl  verteidigten  Auffassung  kommen  sowohl  die 
Bakterien,  wie  die  Art  des  Nährbodens  zu  ihrem  Recht.  Zahlreiche  Er- 
fahrungen sprechen  dafür,  dass  die  von  den  Mikroorganismen  erzeugten 
chemischen  Stoffe  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vom  Nährboden  abhänß:ig 
sind.  Die  speci fischen  Gifte  mancher  Mikroorganismen  werden  aller- 
dings auch  auf  seht  einfach  zusammengesetzten  Nährböden  gebildet 
und  es  liegt  auch  Grund  zur  Annahme  vor,  dass  diese  Gifte  vorwiegend 
in  den  Bakterienleibern  aufgespeichert  sind. 

Über  Natur  und  Herkunft  der  speziell  Fieber  erzeugenden  Bakterien- 
gifte liegen  aus  jüngster  Zeit  mehrere  eingehende  Untersuchungen  vor. 
Zunächst  erscheint  sicher  gestellt,  dass  dieselben  in  den  Kulturen  lebender 
wie  abgetöteter  Mikroorganismen  enthalten  sind.  Die  gegenwärtig  haupt- 
sächlich noch  zur  experimentellen  Diskussion  gestellten  Fragen  sind  fol- 
gende. Erzeugen  alle  Bakterienarten  bei  allen  höheren  Tieren  Fieber? 
Existieren  auch  temperatursenkende  Gifte?  Wird  die  Pyrexie  durch  einen 
allen  Bakterien  gemeinsamen  Giftstoff  bewirkt?  Welche  chemische  Natur 
besitzt  die  pyretogene  Substanz  ?  Hängt  die  temperatursteigemde  Wirkung 
eines  Mikroorganismus  bei  einer  bestimmten  Tiergattung  mit  der  Patho- 
genität für  dieselbe  zusanomen? 

In  einer  höchst  sorgfältig  zusammengestellten  Tabelle,  welche  einen 
Anhang  zu  der  oben  citierten  einschlägigen  Arbeit  bildet,  legt  L.  Krehl 
sämtliche  bisher  vorliegenden  Erfahrungen  der  Autoren  und  seine  eigenen 
Untersuchungsergebnisse  über  den  Einfluss  von  lebenden  imd  abgetöteten 
Mikroorganismen  auf  die  Temperatur  der  Säugetiere  dar.  Es  ergiebt  sich, 
dass  der  aus  der  gleichen  Bakterienart  gewonnene  Stoff  bei  verschiedenen 


Die  ätiologische  Richtung  in  der  Fieberlehre.  6g7 

Tieren  ausserordentlich  verschieden  wirkt.  Eine  sichere  Beziehung  zwischen 
Erzeugung  von  Fieber  durch  die  abgetöteten  Produkte  eines  Mikroorganis- 
mus bei  einer  Tierart  und  der  Pathogenität  des  Bakterium  für  dieselbe 
Art  scheint  nicht  zu  bestehen.  Durch  Kochen  können  in  gewissen  Kul- 
turen fiebererzeugende  Substanzen  zu  Grunde  gehen.  Die  verschiedenen 
Tierarten  zeigen  sich  sehr  verschieden  empfindlich  gegen  Eingriffe  auf 
ihre  Körperwärme.  Bei  gewissen  Tieren,  z.  B.  Meerschweinchen,  erhöhen 
kleinere  Giftdosen  die  Temperatur,  grössere  vermögen  sie  im  Gegenteil 
zu  senken.  Der  Applikationsort  ist  für  den  Erfolg  zunächst  insofern  mass- 
gebend, als  die  Stoffe  vom  Blut  aus  am  schnellsten,  vom  Unterhautgewebe 
am  langsamsten  zu  ihrem  eigentlichen  Angriffspunkte ,  dem  Centralnerven- 
system,  gelangen  können.  Beim  Peritoneum  kommen  dagegen  konkur- 
rierende Reflexe  auf  die  Gefässe  in  Betracht;  Meerschweinchen  z.  B.  sind 
von  hier  aus  schon  durch  kleine  Dosen  lebender  Bakterien  unter  starkem 
Temperaturabfall  zu  töten. 

Bei  keiner  Infektion  ist  es  übrigens  bisher  gelungen,  das  Vorhanden- 
sein eines  Pyrotoxins  im  Blute  und  den  Säften  der  kranken  Indi- 
viduen nachzuweisen. 

Hinsichtlich  der  chemischen  Natur  der  fiebererzeugenden  Substanz 
dachte  Buchner  an  Eiweisskörper.  Krehl  fand  in  den  Leibern  von 
Bacterium  coh  eine  Albuminose,  welche  die  Temperatur  von  Hunden, 
Kaninchen  und  Meerschweinchen  zu  steigern  vermag.  Krehl  ist  übrigens 
selbst  im  Zweifel,  ob  es  ihm  thatsächlich  gelungen,  die  eigentlich  wirksame 
Substanz  zu  gewinnen.  Voges  züchtete  Prodigiosus  und  Subtilis  auf 
Us ch in sky scher  Nährlösung  und  erhielt  durch  Fällung  mit  Ammon- 
sulfatlösung  oder  Alkohol  eine  Substanz,  welche  keine  Biuretreaktion  gab 
und  in  kleinen  Dosen  injiziert  die  Temperatur  von  Meerschweinchen  stei- 
gerte, während  grosse  Gaben  sie  herabsetzten. 

E.  Centanni  gewann  das  Fiebergift  der  Bakterien  (Pyrotoxina  bac- 
terica)  nach  einem  Verfahren,  das  auf  den  Eigenschaften  des  wirksamen 
Stoffes,  dem  Kochen  zu  widerstehen,  durch  den  Dialysator  zu  gehen,  in  ab- 
solutem Alkohol  unlöslich  und  in  Wasser  löslich  zu  sein  beruht.  Es  handelt 
sich  um  keine  Albuminsubstanz,  auch  ist  das  Pyrotoxin  kein  Ptomain 
oder  Enzym.  Mittelst  dieses  Fiebergiftes  kann  man  an  Kaninchen  alle 
Haupterscheinungen  hervorbringen,  welche  die  klinische  Beobachtung  bei 
dem  Bakterienfieber  verzeichnet:  Änderungen  der  Temperatur,  Konsump- 
tion  des  Organismus,  Diarrhoe  {?),  Steigerung  der  Puls-  und  Respirationsfre- 
quenz. In  Röhrchen  unter  die  Haut  gebracht,  zeigt  sich  das  Pyrotoxin 
Centannis  als  mit  energischer  positiv-chemotaktischer  Kraft  begabt.  Gelöst 
injizirt  verursacht  es  keine  Eiterung.  Die  ganze  Familie  der  Bakterien 
soll  ein  wesentlich  gleiches  Fiebergift  gemeinschaftlich  besitzen. 


668  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

das  unzertrennlich  an  ihre  Existenz  gebunden  ist  und  von  welchen  das  typisch 
gleichförmige  Bild  der  sogenannten  allgemeinen  Störungen  im  Decursus  der 
sonst  verschiedenen  Bakterienkrankheiten  abhängt.  Bei  den  einzelnen 
Bakterienarten  steht  die  pyrotoxische  Kraft  nicht  im  Verhältnisse  zu  ihrer 
spezifischen  Pathogenität.  Das  Fiebergift  macht  einen  Teil  des  Körpers 
der  Bakterien  aus. 

Hinsichtlich  der  nicht  von  Bakterien  erzeugten  Stoffe,  welche  die 
Körpertemperatur  erhöhen,  scheinen  noch  ausgedehnte  Beobachtungen 
nötig,  um  zu  einem  abschliessenden  Urteil  zu  gelangen.  Zunächst  muss 
dabei  immer  im  Auge  behalten  werden,  dass  Temperatursteigerung  ohne 
erhöhte  Konsumption  im  Organismus  u.  s.  w.  nicht  ohne  Einschränkung 
mit  Fieber  identifiziert  werden  darf.  Ferner  ist  bisher  nicht  immer  ge- 
nügend darauf  Rücksicht  genommen,  ob  nicht  die  Giftwirkung  der  zahl- 
reichen hier  in  Betracht  kommenden  Substanzen  auf  dieselben  oder  do<.h 
auf  einige  wenige  Störungen  hinausläuft,  sodass  diese  letzteren,  z.  B.  Hämo- 
lyse  u.  dgl,  dann  als  die  eigentlichen  Ursachen  der  Hyperthermie  an- 
zusprechen sind.  Natürlich  verdienen  schliesshch  diejenigen  Substanzen 
ein  grösseres  Interesse,  welche  irgend  welche  Beziehungen  zum  tierischen 
Körper  haben,  sei  es,  dass  sie  in  demselben  entstehen  oder  ihn  doch 
passieren,  sei  es,  dass  sie  den  Stoffen  des  Organismus  bloss  chemisch 
nahe  stehen. 

Auch  hier  verdanken  wir  Krehl  eine  sorgfältige  Zusammenstellung 
früherer  Versuche  und  eigene  wertvolle  Beobachtungen.  Nicht  nur  in  den 
Bakterienzellen,  sondern  im  Protoplasma  aller  lebenden  Zellen  scheinen 
temperatursteigernde  (eiweissartige)  Stoffe  vorhanden  zu  sein.  Auch  die 
Sekrete  des  tierischen  Organismus  (Milch,  Harn)  erhöhen  die  Temperatur 
von  Versuchstieren.  Injektionen  von  Blut  einer  fremden  Tierart  wirkt 
pyretogen.  Das  Fibrinferment  erzeugt  starke  Temperaturerhöhungen.  Ist 
Gelegenheit  zur  Entstehung  dieses  Körpers  im  Blute  gegeben  (Transfusion 
fremden  Blutes,  Injektion  grösserer  Wassermengen),  steigt  die  Temperatur. 
Es  scheint  denkbar,  dass  das  Volkmannsche  aseptische  Fieber  hierher 
gehört  (?).  Betont  muss  aber  an  dieser  Stelle  werden,  dass  zwar  bei  septi- 
schem Fieber  des  Menschen  Fibrinferment  gefunden,  bei  zahlreichen 
anderen  Fiebern  aber  vermisst  worden  ist.  Die  unreinen  (eiweisshaltigen?) 
Präparate  mancher  Enzyme  (Pepsin,  Lab,  Pankreatin,  Invertin  etc.)  er- 
zeugen nach  subkutaner  oder  intravenöser  Einverleibung  bei  Kaninchen. 
Hunden  und  Menschen  Fieber  (Blutkörperchenlösung  ?),  sehr  reine  Enzyme 
scheinen  im  Gegenteil  unwirksam.  Schlangenbiss  verursacht  beim  Menschen 
meist  Herabsetzung  der  Temperatur ;  Fugurvergiftung  setzt  (beim  Menschen) 
die  Temperatur  bis  auf  33,5®  C.  herab.  Hydrierte  Eiweisskörper  wirken 
nur    schwach     und    inkonstant    hyperthermisch.      Auch    sehr    zahlreiche 


Die  vasomotorischen  Phänomene  im  Fieber.  669 

niedriger  konstituierte  Stoffe  aber  (z.  B.  Harnstoff,  hamsaures  Alkali, 
Leucin,  Neurin,  Kadaverin  etc.),  selbst  mineralische  Salze,  beeinflussen  bei 
mit  besonderer  Reaktionsfähigkeit  ausgestatteten  Versuchstieren  die  Tem- 
peratur. Eine  beträchtliche  Reihe  von  Substanzen  (zum  grossen  Teil  den 
Eiweisskörpern  zugehörig)  bewirkt  am  tuberkulös  infizierten  Organismus 
stärkere  Temperaturänderungen,  als  am  gesunden. 

Sowohl  bei  Fieberversuchen  mit  Bakteriengiften  als  bei 
solchen  mit  den  zahlreichen  angeführten  anderweitigen  Stoffen 
zeigt  es  sich,  dass  eine  direkte  Übertragung  der  Erfahrungen 
von  einer  Tierart  auf  die  andere  und  vom  Tier  auf  den  Menschen 
unstatthaft  ist.  Das  Fieber  des  Menschen  kann  in  ätiologischer 
wie  in  jeder  andern  Richtung  nur  nach  Untersuchungen  am 
Menschen  selbst  massgebend  beurteilt  werden. 

b)  Die  vasomotorischen  Ptiänomene  im  Fieber. 

Litteratur. 

1.  Richet,  Gh.,  C.  r.  XCVIII,  827  u.  CIX  Nr.  5. 

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21.  Mosen,  Deutsches  Archiv  für  klin.  Medicin,  Bd.  52,  S.  601. 

Eine  analytische  Behandlung  der  Fieberlehre  auf  Grund  unserer 
physiologischen  Kenntnisse  über  den  Einfluss  des  Centralnervensystems 
auf  die  Wärmebildung  erscheint  ausgeschlossen.  Die  Abhängigkeit  der 
Wärmeverhältnisse  vom  Nervensystem,  welche  ihren  Ausdruck  in  der 
Hoinöothermie  findet,  ist  auch  unter  normalen  Bedingungen  ein  nur  teil- 
weise gelöstes  Problem  und  die  Übertragung  allgemeiner  physiologischer 


670  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Begriffe  auf  pathologisches  Gebiet  hat  liier  thatsächlich  geradezu  Schaden 
gestiftet. 

Für  den  Standpunkt  der  Fieberlehre  ist  der  Einfluss  des  centralen 
Nervensystems  auf  die  Erwärmung  der  Teile  des  Körpers  kurz  durch  fol- 
gende Sätze  präcisiert:  Die  Steigerung  und  das  Absinken  der  gesamten 
und  der  lokalen  Temperatur  nach  Verletzungen  des  Rückenmarkes  und 
verschiedener  Hirnteile  erklärt  sich  aus  der  Erweiterung  und  Verengerung 
der  Gefässe  und  die  dadurch  veränderten  Bedingungen  des  Blutumlauft^ 
und  der  Wärmeabgabe.  Eventuelle  Muskellähmungen  verursachen  dann 
noch  ausserdem  den  Ausfall  der  wichtigsten  Wärmequelle.  Auch  die  Rei- 
zung der  thermisch  wirksamen  Rindencentren  führt  zur  Steigerung  des 
Blutdruckes  infolge  von  Kontraktion  der  kleinen  Arterien.  Läsionen  des 
Streifenhügels  und  des  basalen  Marklagers  haben  (vielleicht)  auch  einen 
direkten  Einfluss  auf  die  Wärmeproduktion.  Das  Nervensystem  steht  also 
auf  chemischem  Wege  (durch  Erregung  der  Muskeln,  wohl  auch  der 
Drüsen)  und  auf  mechanischem  W^ege  (mittelst  seiner  vasomotorischen 
Bahnen)  für  die  Homöothermie  ein. 

Der  Mechanismus  der  physiologischen  Wärmeregulation  ist  für 
den  Menschen  in  jüngster  Zeit  durch  A.  Loewy  neuerdings  genauer  festge- 
stellt worden.  Das  Thatsächliche  derselben  besteht  darin,  dass  auf  einen 
äusserlichen  Kältereiz  als  erstes  eine  Kontraktion  der  Haut  und  ihrer 
Gefässe  eintritt,  die  durch  Beschränkung  der  Wärmeausgabe  eine  bei  ge- 
ringer Entziehung  vollkommene,  bei  stärkerer  eine  unvollkommene  Kom- 
pensation bewirkt;  im  letzteren  Falle  sinkt  auch  die  Temperatur  mehr 
oder  weniger,  während  sie  im  ersteren  konstant  bleibt.  Der  Frost  als 
thermischer  Regulierungsapparat,  welcher  durch  tonische  und  klonische 
Muskelkontraktionen  eine  Erhöhung  der  Wärmeproduktion  hinzugefügt, 
steht  beim  Menschen  weit  hinter  der  Haut  (mit  dem  schlechtleitenden 
Pannikulus  als  eingeschalteter  Isolator)  zurück. 

Es  ist  nie  bezweifelt  worden,  dass  die  pyretogene  Substanz  auf  jene 
Teile  des  Organismus  einwirkt,  welche  dessen  Wärmeverhältnisse 
beherrschen.  Aber  nur  Murri  und  M.  Herz  haben  angenommen,  dass 
ohne  jeden  Einfluss  des  Nervensystems  in  den  Geweben  (Zellen) 
selbst  durch  die  pyrogene  Ursache  hervorgerufene  neue  chemische,  be- 
ziehungsweise physikalische  Vorgänge  platzgreifen,  welche  ihren  Ausdruck 
im  Fieber  finden.  Dass  die  toxischen  Substanzen,  welche  in  dem  zum  Nähr- 
boden pathogener  Mikroben  gewordenen  Kranken  cirkuHeren,  wirklich  teil- 
weise direkt  auf  die  Organe  des  Stoff-  und  Kraftwechsels  einwirken,  steht 
ausser  Zweifel:  die  Autointoxikation  mit  den  chemischen  Trümmern  der 
durch  die  Bakterienprodukte  geschädigten  Zellen  ist  neben  der  unmittel- 
baren  Vergiftung    durch    die  Toxine    ein    integrierender  Bestandteil   des 


Die  phasomotorischen  Phänomene  im  Fieber.  671 

typischen  Kjankheitsbildes  der  einzelnen  Infekte.  Aber  fast  allen  übrigen 
Fiebertheoretikern  ist  es  ebenso  evident  erschienen,  dass  speziell  die 
Ursachen  der  febrilen  Hyperthermie  zuerst  das  Nerven- 
system angreifen.  Liebermeister  und  Finkler  nehmen  eine  von 
funktioneller  Alteration  der  die  Temperatur  reguherenden  Nervencentren 
abhängige  vermehrten  Thätigkeit  der  Oxydation  an.  Traube,  Marey, 
Vulpian,  Gl.  Bernard,  Senator,  Winternitz,  Rosenthal  erkannten 
den  Zusammenhang  der  febrilen  Erscheinungen  mit  dem  vasomotorischen 
Nervensystem.  Ihre  Auffassungen  differieren  nur  in  der  Voraussetzung 
einer  von  vasomotorischen  Faktoren  abhängigen  Steigerung  der  organischen 
Verbrennungen  und  einer  Verminderung  des  Wärme  Verlustes 
durch  Wirkung  vaso  motorischer  Einflüsse  ohne  Erhöhung 
des  kombustiven  Stoffwechsels.  (Mosso  nimmt  ein  Fieber  unab- 
hängig und  eines  abhängig  vom  Nervensystem  an.) 

Da  sich  unter  normalen  Bedingungen  Erhöhungen  des  Stoffwechsels 
mit  entsprechender  Steigerung  der  Wärmebildung,  welche  weit  hinausgehen 
über  die  im  Fieber  wirkUch  nachgewiesene  und  denkbare  Verstärkung  der 
wärmebildenden  Prozesse  zu  ereignen  pflegen,  ohne  dass  die  Körpertempera- 
tur halbwegs  dauernd  steigt;  da  ferner  selbst  im  Fieber  die  Überhitzung 
keineswegs  von  der  Menge  der  gebildeten  Kalorien  direkt  abhängig  erscheint: 
kann  die  fieberhafte  Hyperthermie  nur  auf  geänderte  Anpas- 
sung der  Wärmeabgabe  an  die  Thermogenese  zurückgeführt 
werden.  Als  unmittelbare  Konsequenz  daraus  geht  hervor,  dass  die  vas- 
kulären Phänomene,  ein  Hauptmoment  im  Fieber  darstellen, 
weil,  wie  wir  sahen,  der  Wärmeverlust  des  Körpers  hauptsäclüich  von  den 
Gefässnerven  geregelt  wird. 

Das  einschlägige  experimentelle  Material  ist  bisher  folgendes.  An 
vorderster  Stelle  sei  älterer  wichtiger  Versuche  von  Heidenhain  gedacht, 
welche  zuerst  exakt  ein  charakteristisches  abweichendes  Verhalten  der  Haut- 
gefässe  im  Fieber  nachgewiesen  haben.  Heiden hain  beobachtete,  dass 
bei  normalen  Hunden  durch  direkte  oder  reflektorische  Reizung  des  vaso- 
motorischen Hauptcentrums  eine  Zunahme  des  Blutdruckes  mit  gleich- 
zeitigem Sinken  der  Innentemperatur  bewirkt  wird,  und  zwar  dadurch,  dass 
infolge  der  Reizung  sich  allerdings  auch  die  Hautgefässe,  aber  doch  nicht 
in  dem  Masse  verengem,  dass  die  Wirkung  des  erhöhten  Druckes  ausge- 
glichen würde.  Das  infolge  dessen  in  den  peripheren  Teilen  stärker  strö- 
mende Blut  führt  mehr  Wärme  aus  dem  Körperinnern  ab  als  früher.  Die 
Haut  erwärmt  sich  auf  Kosten  der  tieferen  Schichten.  Bei  durch  Eiter- 
injektion fiebernd  gemachten  Hunden  dagegen  erfolgt  auf  ganz  gleiche 
Reize  eine  viel  stärkere  Zusammenziehung  der  Gefässe,  wie  aus  dem  be- 
obachteten Steigen  des   arteriellen  Druckes  und  der  gleichzeitigen  Abküh- 


672  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

lung  der  Haut  geschlossen  werden  müsste.  Die  stärkere  Verengerung  der 
Hautgefässe  verursacht  Stauung  des  Blutes  im  Körperinnem,  sodass  die 
Temperatur  desselben  nicht  nur  nicht  sinkt,  sondern  meist  ansteigt. 

An  zweiter  Stelle  seien  die  an  Kaninchen  und  Hunden  ausgeführteo 
Experimente  von  Senator  erwähnt,  durch  welche  gezeigt  wurde,  dass  auf 
der  Höhe  eines  Injektionsfiebers  die  Gefässe  der  Haut  (des  Ohrs)  keines- 
wegs dauernd  und  gleichmässig  in  demselben  Zustande,  weder  in  lähmungir- 
artiger  Erschlaffung,  noch  in  tetanischer  Kontraktion  verharren,  sondern 
sich  abwechselnd,  verglichen  mit  der  Norm,  in  übertriebener  Weise  erweitem 
und  verengern. 

In  jüngster  Zeit  haben  Bouchard  imd  seine  Schüler  die  vasomotori- 
schen Faktoren  geradezu  in  den  Mittelpunkt  einer  systematischen  Theorie 
des  Infektes  mit  all  seinen  lokalen  und  allgemeinen  Unfällen,  mit  der  Heilung 
und  mit  der  erworbenen,  sowie  der  natürlichen  Immunität  gestellt.  Den 
Ausgangspunkt  der  einschlägigen  Überlegungen  bildete  die  experimentelle 
Erfahrung,  dass  es  Bakteriengifte  giebt,  welche  die  Auswanderung  der  Leu- 
kocyten  begünstigen,  und]  andere,  welche  dieselbe  hemmen.  Während  ge- 
wisse pathogene  Mikroben  bei  prophylaktisch  geimpften  Versuchstieren  Ent- 
zündung und  Eiterung  hervorrufen  und  dadurch  den  Phagocytismus  er- 
möglichen, lässt  sich  diese  lokale  günstige  Erscheinung  durch  vorherige 
Injektion  gewisser  anderer  Bakterien  verhindern.  Der  Phagocytismus, 
welcher  eine  konstante  Funktion  im  gesunden  Zustande  darstellt,  sei  es, 
wurde  daraus  geschlossen,  nicht  mehr  im  Infekt  und  er  mache  sich  bloss 
geltend  gegen  nicht  pathogene  oder  gegen  abgeschwächte  pathogene  Mi- 
kroben. Worin  also  dasjenige-  was  einen  Mikroorganismus  eigentlich  zum 
pathogenen  macht,  gipfle,  sei  die  Erzeugung  eines  lösHchen  Giftes  im  Körj>er, 
welches  die  Diapedese  verhindert.  Als  unerlässliche  Vorbedingung  der  Emi- 
gration aber  wurden  theoretisch  reaktive  Vorgänge  von  seite  der  Gefässe, 
und  zwar  eine  reflektorisch  ausgelöste  aktive  Gef ässdilatation ,  angesehen. 
Charrin,  welcher  die  letzte  Hypothese  experimentell  prüfte,  überzeugte 
sich  in  der  That,  dass  Injektionen  löslicher  Bakterienprodukte  Vasokou- 
striktion  und  Steigerung  des  arteriellen  Druckes  nicht  zur  Folge  hat,  dass 
aber  beispielsweise  unter  den  flüchtigen  Produkten  des  Bacillus  pyocyaneus 
solche  vorhanden  sind,  welche  die  Erregbarkeit  des  bulbären  und  medullären 
vasodilatatorischen  Apparates  wesentlich  herabsetzen,  vorübergehend  selbst 
lähmen.  Das  Koch  sehe  Tuberkulin  wiederum  besitzt  eminent  vasodilatatori- 
sche  Wirkung.  Das  von  Charrin  unter  dem  Einfluss  der  Pyocy aneusprodukte 
beobachtete  Ausbleiben  der  Erweiterung  der  Arterien  (der  Blutdruckherab- 
setzung)  bei  Reizung  des  centralen  Endes  des  N.  depressor  und  des  unter 
dem  Namen  des  Snellen-Schiffschen  bekannten  Gefässreflexes  dürfen 
wohl  als  verlässliche  Versuchsergebnisse  angesehen  werden.    Dass  es  aber 


Die  vasomotorischen  Phänomene  im  Fieber.  g73 

bloss  die  auf  dem  Wege  der  Reizung  oder  Lähmung  von  Nerven  herbei- 
geführte GefässerschlafEung  ist,  welche  zur  Emigration  Anlass  geben  soll, 
wird  wohl  ^on  allen  übrigen  Pathologen  angefochten  werden.  Lässt  man 
Charrins  Beweisführung,  welche  darthun  will,  dass  es  sich  in  seinen  Ex- 
perimenten nicht  um  allgemeine  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  des  cen- 
tralen Nervensystems  handelt,  als  ausreichend  gelten,  so  stehen  wir  vom 
Anbeginn  vor  einer  gewissen  Schwierigkeit,  die  Beobachtungen  des  letzt- 
genannten Forschers  mit  denjenigen  Heidenhains  und  Senators  auch 
nur  unter  den  allgemeinsten  Gesichtspunkten  zu  vereinigen.  Nach  Charrin 
wurde  es  sich  um  eine  Verminderung  der  Erregbarkeit  bestimmter  Gefäss- 
centren  handeln,  aus  den  Versuchsergebnissen  der  beiden  anderen  Forscher 
aber  dürfte  man  wohl  entgegengesetzt  schliessen,  dass,  in  fieberhaftenZuständen 
die  Erregbarkeit  der  vasomotorischen  Nerven  der  Versuchstiere,  besonders 
der  Hautarterien  derselben,  abnorm  erhöht  ist. 

Entgegen  dem  Verhalten  in  der  allgemeinen  Decke  ist  nach  Wolff 
die  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  in  der  A.  carotis  herabgesetzt.  Marey 
und  Chauveau  beobachteten  bei  fiebernden  Pferden  mittelst  manometri- 
scher Messungen  Herabsetzung,  Rosenstein  im  Fieber  nach  Pepsininjektion 
Steigerung  des  Druckes,  u.  s.  w. 

Dieses  wenig  umfängliche  experimentelle  Material  lässt  schon  aus- 
reichend erkennen,  um  wie  verwickelte  Cirkulationsstörungen  es  sich  in  den 
febrilen  Infekten  handeln  muss.  Auch  die  klinische  Untersuchung  hat  sich 
durch  die  gegebenen  Schwierigkeiten  nicht  abschrecken  lassen,  ihre  Hilfs- 
mittel (die  Sphygmomanometrie,  die  Plethysmographie,  die  thermoelektrische 
Methode,  die  partielle  KaJorimetrie  und  die  Bestimmung  des  Plasmavoluras 
des  Blutes)  auszunutzen^  um  dem  Verhalten  der  Gefässe  und  des  Kreis- 
laufes des  fiebernden  Menschen  anders  als  wie  bisher  vorwiegend  spe- 
kulativ nahe  zu  kommen. 

Mittelst  des  von  Baschschen  Sphygmomanometers  gemachte 
Druckbestimmungen  lassen  vermuten,  dass  im  recenten  Fieber  beides, 
Blutdruckerhöhung  und  -Erniedrigung,  vorkommen  kann;  zumeist  erwies 
sich  allerdings  die  beobachtete  Steigeruqg  geringfügig. 

Mit  dem  Mossoschen  Wasserplethysmographen  konnte  Marag- 
liano  nachweisen,  dass  sich  während  der  spontanen  Invasion  eines  Fiebers 
(Intermittensanfall)  die  Gefässe  verengern,  bevor  noch  in  der  Achselhöhle  eine 
Steigerung  der  Temperatur  nachweislich  ist.  Erst  mit  dem  Fortschreiten 
der  Gefässkontraktion  fängt  die  Temperatur  zu  steigen  an  und  beide  er- 
reichen den  Höhepunkt  zur  gleichen  Zeit.  Dem  Sinken  der  Temperatur 
geht  wiederum  eine  Erweiterung  der  Blutgefässe  voran,  imd  die  Norm  wird 
erreicht,  sobald  die  Dilatation  am  grössten  geworden  ist.  Die  sog.  Anti- 
pyretika  setzen  die  Temperatur  insofern  herab,  als  sie  eine  Erweiterung  der 

Labarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil.  IL  43 


674  Alldem,  pathol  Morphologie  und  Physiologie. 

Blutgefässe  bewirken.  Diese  Versuche  von  Maragliano  sind  nicht  ganz 
eindeutig,  weil  die  Verminderung  der  GefässfüUe  die  Folge  einer  Gefäss- 
kontraktion,  aber  auch  einer  Druckherabsetzung  in  der  Aorta  sein  kann. 
Franijois  Franck,  welcher  mit  Hilfe  desselben  Versuchsverfahrens  Unitr 
suchungen  über  die  vasomotorischen  Reflexe  machte,  hatte  gefunden,  da«^ 
nach  Abkühlung  der  einen  Hand  sich  die  Gefässe  der  anderen  niit  kontra- 
hieren. Maraglianos  Beobachtungen  zufolge  sind  die  analogen  Reflexe 
im  Fieber  energischer,  prompter,  dauerhafter.  Meist  äussern  sich  die  vaH> 
motorischen  Reflexe  im  Fieber  als  Gefässkonstriktion. 

Die  thermoelektrische  Methode  wurde  zur  Untersuchung  der  Bedin- 
gungen der  Wärmeabgabe  im  Ablaufe  des  Fiebers  zuerst  von  Geige  1  ver- 
wertet. Durch  systematische  Messungen  der  Hauttemperatur  in  den  ver- 
schiedenen Fieberperioden  überzeugte  sich  derselbe,  dass  im  Frost  die  Haut 
bedeutend  kühler  ist.  Beim  kritischen  Temperaturabfall  und  bei  Verab 
reichung  von  Antipyreticis  folgt  auf  ein  Ansteigen  ein  beträchtliches  Ab- 
fallen der  Hauttemperatur  mit  Schweissbildung. 

Referent  hat  selbst  eine  Zahl  von  thermoelektrischen  Temperatur- 
bestimmungen an  gesunden  und  fiebernden  Menschen  ausgeführt,  welche 
zum  Zwecke  hatten,  die  Differenz  zwischen  Rektum  und  den  tieferen 
Schichten  des  Unterhautbindegewebes  unter  bestimmten  abweichenden  phy- 
siologischen Beding\mgen,  besonders  aber  in  verschiedenen  Fieberstadien 
fortlaufend  festzustellen.  Wenn  man  einen  leicht  bedeckten  gesunden 
Menschen  mit  konstanter  Achselhöhlentemperatur  beobachtet  und  durch 
längere  Zeit  die  Bussolenausschläge  als  Ordinaten  auf  die  Haut  als  Ab- 
scisse  aufträgt,  so  entsteht  eine  der  Abscisse  fast  parallele  Wellenlinie 
mit  ganz  seichten  Thälern.  Bei  Entfernung  der  Decke  tritt  bei  gleich 
bleibender  centraler  Temperatur  ein  Steigen  der  Kurve  von  der  Abscisse 
weg  ein,  dem  ebenso  rasch  wieder  ein  Sinken  zur  letzteren  folgt,  wenn  das 
Individuum  wie  früher  bedeckt  ist.  Diese  von  der  Haut  auslösbaren  vaso- 
motorischen Reflexe  sind  bei  fiebernden  Menschen  erhalten.  Bei  dem  durch 
Tuberkulin  herbeigeführten  oder  bei  natürlich  eintretendem  Fieberanstieg 
und  ganz  ähnlich  im  spontanen  imd  künstlich  bewirkten  Fieberabfall  stellt 
sich  weder  ein  ähnliches  Steigen  noch  ein  entsprechendes  Sinken  der  Kurvte 
heraus,  die  letztere  stellt  vielmehr  eine  unregelmässige,  der  centralen  Wärnie- 
bewegung ganz  disgruente  Wellenlinie  dar,  deren  Berge  und  Thäler  aller- 
dings weit  tiefer  sind,  als  bei  konstanter  Körpertemperatur.  Des  Referenten 
Beobachtungen,  welche  nicht  so  einfach  ersdieinen,  wie  die  einschlägigen 
des  jüngeren  (W.)  Rosenthal,  sprechen  entschieden  dagegen,  dass  die 
zu  Grunde  liegenden  vasomotorischen  Vorgänge  von  der  Peripherie  im 
Fieber  auf  einfache  tetanische  Kontraktion  und  gleichförmige  Erschlaffungs- 
zustände  ausgedehntem   Gefässgebiete  im  Fieber  hinauslaufen.     Die  peri- 


Die  vasoniotorischen  Phänomene  im  Fieber.  675 

pheren  Gefässe  scheinen  vielmehr  sowohl  bei  steigender  als  bei  fallender 
Temperatur  sich  beständig  abwechselnd  zu  verengern  und  zu  erweitern. 

Wenn  die  Innentemperatur  rasch  steigt,  während  nach  Massgabe 
eines  (Rosenthal  sehen)  Kalorimeters  eine  Verminderung  der  Wärme- 
abgabe von  der  Haut  eingetreten  ist;  oder,  falls  nach  längerem  konstanten 
Verhalten  des  Manometers  desselben  bei  rasch  sinkender  centraler  Tem- 
peratur die  Ausfuhr  erhöht  ist,  stellt  die  partielle  Kalorimetrie  gleichfalls 
ein  Mittel  dar,  das  Verhalten  der  die  Wärmeverluste  regulierenden  Gefäss- 
nerven  zu  prüfen.  Referent  hat  nun  selbst  an  vielen  Menschen  mit  ver- 
schiedenen fieberhaften  Krankheiten  zahlreiche  solche  Bestimmungen  aus- 
geführt und  dabei  möglichst  grosse,  Stunden  dauernde  Ausschnitte  aus  dem 
Decursus  zu  gewinnen  gesucht.  Dabei  konnte  derselbe  die  einschlägigen 
Beobachtungen  der  beiden  Rosen thal  bestätigen  und  mehrfach  ergänzen. 
Am  meisten  Erfahrungen  konnten  hinsichtlich  des  künstUchen  und  natür- 
lichen Fieberabfalles  gesammelt  werden.  Alle  sog.  Antipyretika  steigern  die 
Wärmeabgabe.  In  diesem  Sinne  ist  auch  Amylnitrit  ein  ganz 
energisches  Antithermikum.  Chinin  wirkt  beim  Menschen  nicht,  wie 
man  etwa  nach  Gottliebs  Tierversuchen  schliessen  könnte,  wesentlich 
anders  als  Antifebrin  etc.,  nur  träger.  Bei  spontaner  Entfieberung  besteht 
ein  ähnliches  Verhalten,  nur  weniger  rasch  und  prägnant.  Mit  dem  fieberfreien 
Zustand  verglichen  ist  im  Fieberanstieg  die  Kalorienabgabe  immer  vermindert. 
Die  abweichende  Wärmeabgabe  an  das  Kalorimeter  kann  kaum  anders  zu- 
stande kommen,  als  dadurch,  dass  auf  die  vasomotorischen  Centren  eingewirkt 
und  dabei  entweder  Erregung  der  Vasokonstriktoren  oder  Reizunempfind- 
Uchkeit  der  Dilatatoren  hervorgerufen  wird,  so  dass  dann  die  Konstrik- 
toren  überwiegen.  Die  Antipyretika  schwächen  entweder  die  Erregkarkeit 
der  letzteren,  oder  sie  erhöhen  diejenige  der  Dilatatoren. 

In  der  Zusammensetzung  und  physikalischen  Beschaffenheit 
des  Blutes  verfügen  wir  gleichfalls  über  ein  geeignetes  Mass  vasomoto- 
rischer Beeinflussungen.  Auf  Veranlassung  des  Ref.  hat  Dr.  Th.  Pfeiffer  mit 
dem  Bleibtreuschen  Verfahren  der  Bestimmung  des  Blutkörperchenvolums 
einschlägige  Untersuchungen  an  fiebernden  Menschen  gemacht.  Es  ergab 
sich,  dass  in  der  Fieberhitze  das  Plasmavolum  und  die  Grösse  des  einzelnen 
roten  Blutkörperchen  von  der  Norm  nicht  wesentlich  abweichen.  Diese 
Versuchsergebnisse  stehen  mit  anderweitigen  Beobachtungen  Hammer- 
schlags im  Einklang,  nach  denen  die  fibrile  Hydrämie  überhaupt  zweifel- 
haft (oder  doch  äusserst  gering)  ist.  Würde  es  sich  um  aus  starker  Beein- 
flussmig  des  Kopfmarkes  resultierende  Verengung  (Erweiterung)  sämtlicher 
oder  fast  sämtlicher  Gefässgebiete  des  grossen  Kreislaufes  im  Fieber  handeln, 
könnte  eine  Konzentrationsänderung  nicht  fehlen.   Die  vasomotorischen  Vor- 

43* 


676  Allgem.  pathol.  Morphologie  and  Physiologie. 

gänge  im  Fieber  stellen  sich   sonach  als   nur  auf  einzelne  Provinzen  be- 
schränkte Gefässreflexe  dar. 

Wenn  die  Fiebertheoretiker  aus  allgemeinen  physiologischen  und 
pathologischen  Gründen  und  an  der  Hand  eines  selbst  reicheren  experi- 
mentellen und  klinischen  Thatsachenmaterials,  als  es  gegenwärtig  vorliegt, 
gleich  eine  abgeschlossene  Fiebertheorie  aufbauen  wollen,  müssen  sie 
hiezu  mehr  Gestaltungskraft  aufwenden,  als  in  den  induktiven  Wissen- 
schaften erlaubt  scheint.  Dies  gilt  für  alle  fertigen  nervösen  Fiebertheorieen 
überhaupt:  wir  stehen  hier  wie  überall  in  der  Fieberlehre  am  Anfange! 
Wenigstens  hinsichtlich  einer  grundlegenden  Frage,  der  febrilen  Wärme- 
regulation, ist  jedoch  bereits  durch  das  Studium  der  vasomotorischen  Er- 
scheinungen eine  gewisse  Entscheidung  erzielt.  Als  einen  Haupt- 
angriffspunkt schädigen  die  toxischen  Erzeugnisse  der  In- 
fektion die  Orte,  von  welchen  aus  die  Anpassung  der  Wärme 
bildenden  und  abgebenden  Prozesse  geleitet  wird. 

c)  Der  Sto£Fwechsel  im  Fieber  (Gesamtstoffwechsel). 

Litteratur. 

1.  Kraus,  F.,   Zeitschr.  für  klin.  Med.  Bd.  18  u.  Wiener  klinische  Wochenschrift  189  . 

2.  Loewy,  A.,  Virchows  Arch.  CXXVI  Bd. 

3.  Gavallero  e  Riva  Rocci,  Rivista  clinica  1890. 

4.  May,  R.,  Zeitschrift  f.  Biol.  Bd.  XXX.  1.  Heft. 

5.  V.  Noorden,  Pathologie  des  Stoffwechsels.    Berlin 


An  die  Spitze  darf  der  Satz  gestellt  werden,  dass  alles,  was  in  jüngster 
Zeit  über  den  febrilen  Gesamtstoffwechsel  ermittelt  wurde,  mit  der  An- 
nahme einer  erheblichen  Steigerung  der  Oxydationen  im  Fieber  durchaus 
nicht  in  Einklang  zu  bringen  ist. 

Ref.  kam  zuerst  gegenüber  älteren,  viel  weiter  gehenden  Schätzungen 
bei  der  Untersuchung  des  respiratorischen  Gasaustausches  fiebernder 
Menschen  nach  dem  Zuntz-Geppertschen  Verfahren  zum  Resultate, 
dass  die  febrile  Erhöhung  des  0-verbrauchs  höclistens  20®/o  der  Norm 
beträgt.  Die  früher  gefundenen  hohen  Werte  für  die  COg- Abgabe  kommen 
wesentlich  auf  Rechung  der  gesteigerten  Muskelthätigkeit  (Frost).  Der  respira- 
torische Koeffizient  ist  auch  in  der  Pyrexie  nur  vom  augenbHcklichen 
Ernährungszustände  abhängig.  Die  Steigerung  des  Sauerstoffkonsmns  und 
der  Kohlensäureausfuhr  erklären  sich  schon  durch  den  erhöhten  N-Umsatz, 
für  gleichzeitige  Steigerung  des  Fettzerfalls  hegen  ausreichende  Gründe 
kaum  vor. 

A.  Loewy  konstatierte  eine  Erhöhung  der  Sauerstoffaufnalime  in  den 
meisten  Fällen,  dieselbe  ist  sehr  schwankend  und  oft  gering.   Die  gesteigerte 


Der  Sto£fwechBe]  im  Fieber  (Gesamtetoffwechael).  677 

Muskelaktion  (Frösteln  etc.)  ist  von  evidentem  Einfluss.  Die  Mehrzersetzung 
scheint  hauptsächlich  durch  gesteigerten  Eiweisszerfall  gedeckt,  der  Fett- 
bestand wird  kaum  angegrifEen. 

Auch  G,  Cavallero  imd  S.  Riva  Rocci  finden  wohl  im  allgemeinen 
den  respiratorischen  Gaswechsel  im  Fieber  erhöht,  aber  nur  in  sehr  geringem 
Grade;  der  Verbrauch  geschieht  grösstenteils  auf  Kosten  des  Körper- 
bestandes. Sogar  höher  als  bei  gut  genährten  gesunden  Menschen  kann 
der  StickstofEverbrauch  sich  gestalten.  Mit  der  Temperaturhöhe  halten 
N- Ausscheidung,  Wasserverbrauch  und  Körpergewicht  nicht  gleichen  Schritt. 

R.  May  hat  einschlägige  Versuche  an  hungernden  Kaninchen  ange- 
stellt, die  mit  Schweinerotlauf  infiziert  wurden.  Der  respiratorische  Stoff- 
wechsel wurde  mit  dem  kleinen  Voit sehen  Apparat  bestimmt.  Ausserdem 
wurde  die  N-Exkretion  gemessen,  der  C  nach  den  Angaben  Rubners  be- 
rechnet. Mays  Untersuchungen  sprechen  für  eine  Steigerung  der  Gesamt- 
kalorienproduktion  im  Fieber,  welcher  auf  einer  Mehrzersetzung  von  Ei-* 
weiss  beruht.  Der  Eiweisszerfall  im  Fieber  kann  durch  Zufuhr  von 
Kohlenhydraten  vermindert  werden.  Das  Glykogen  der  Leber  schwindet  im 
Fieber  rascher  als  bei  normaler  Temperatur.  Der  Glykogengehalt  der  Muskeln 
war  dagegen  beim  Fiebertier  etwas  grösser  als  beim  Kontrolltier.  Das  Ver- 
hältnis von  N  und  C  ist  im  Fieberharn  geändert,  der  febrile  Harn  ist 
C-reicher.  May  ist  der  Ansicht,  dass  die  Vermehrung  der  Eiweiss- 
zerstörung  im  Fieber  der  Hauptsache  nach  bedingt  sei  durch 
den  Mehrbedarf  des  fiebernden  Organismus  an  Kohlen- 
hydraten,   Diese  Annahme  bedarf  aber  doch  wohl  noch  weiterer  Prüfung. 

Hinsichtlich  der  Erhöhung  des  Eiweisszerfalles  beim  fiebernden 
Menschen  liegen  grössere  Beobachtungsreihen,  die  allen  modernen  Anforde- 
rungen Rechnung  tragen,  aus  jüngster  Zeit  sonst  nicht  vor.  Man  ist  nun- 
mehr aber  darüber  einig,  dass  die  Ursache  der  pathologischen  Steigerung 
des  Eiweisszerfalles  nur  zum  geringsten  Teile  in  der  erhöhten  Körper- 
wärme selbst  liegt,  höchstwahrscheinlich  ist  sie  zu  suchen  in  Protoplasma- 
giften, welche  durch  die  Invasion  der  Krankheitserreger  im  Körper  auftreten. 
Der  im  Fieberharn  vorfindliche  N  ist  somit  theils  solcher,  welcher  aus 
toxigenem  Eiweisszerfall  hervorgeht,  teils  solcher,  welcher  der  Art  der  Er- 
nährung entspricht.  Die  gesamte  Stoffzersetzung  fiebernder  Menschen  ist 
jedenfalls  nur  unwesentlich  grösser,  als  die  normaler  Individuen,  und  jeden- 
falls kleiner,  als  die  des  Arbeiters.  Dass  die  febrile  Konsumption  in  ein- 
zelnen Fällen  eine  so  bedeutende  wird,  muss  weniger  den  toxischen  Ei- 
weissverlusten  zugeschrieben  w^erden,  als  vielmehr  der  chronischen  Inani- 
tion.  Ein  halbwegs  zuverlässiges  Mass  für  die  Beurteilung  der  Grösse  des 
Calor  praeter  naturam  im  fiebernden  Körper  gestatten  uns  die  vorliegenden 
Stoffwechseluntersuchungen  nicht;  vom  Anbeginn  des  Fiebers  muss 


678  Allgem.  pathol.  Morphologie  aod  Physiologie. 

mit  Wärmeretention  gerechnet  werden,  sofern  man  im  Stoff- 
wechsel die  einzige  oder  doch  ausschlaggebende  Wärmequelle 
voraussetzt. 

d)  Der  Wärmehaushalt  im  Fieber. 

Litteratur. 

1.  Rabner,   Ludwigs  Festschrift  1891.  Berl.  klin.   Wochenschr.  1891.  Zeitschrift  ffir 
Biol.    Bd.  XXX. 

2.  Rosenthal,  J.,  1.  c. 

8.  Richet,  Gh.,  La  chaleur  animale.    Paris  1889. 

4.  Herz,  M.,  L  c. 

5.  £.  Wiedemann  und  Lüdeking,  Gh.,  Annalen,  N.  F.  Bd.  25,  8.  145. 

6.  Pfeiffer,  Th.,  1.  c. 

7.  Glax,  J.,  Wasserretention  im  Fieber.    Jena,  1894. 

8.  Nebel thau,  £.,  Zeitschrift  fQr  Biologie,  Bd.  31,  S.  293. 

Der  Wert  der  thermometrischen  Methoden  für  die  Lehre  der  Pyro- 
genese  wird  gegenwärtig  nicht  mehr  überschätzt.  Es  ist  die  Erkenntnis  durch- 
gedrungen, dass  das  Thermometer  auch  im  Fieber  zu  nichts  anderem 
dienen  kann,  als  Auskunft  zu  geben  über  die  Wärmeverteilung  im  Körper; 
hinsichtlich  der  Frage  nach  den  Wandlungen  der  Thermogenese  bleibt  es 
stumm.  Die  letzteren  lassen  sich  nur  mit  Hülfe  der  Kalorimetrie,  für 
welche  erst  in  jüngster  Zeit  geeignete  Apparate  geschaffen  wurden  (Ch. 
Riebet,  Rosenthal,  Rubner,  d*Arsonval)  und  an  der  Hand  der  fest- 
gestellten Bestimmungsgrössen  des  Stoffwechsels  verfolgen. 

Letzteres  ist  wenigstens  der  Standpunkt  der  „konservativen''  Pyre- 
tologie.  Diese  geht  bei  Betrachtung  der  Temperaturverhältnisse  im  Fieber 
von  Lavoisiers  Anschauung  aus,  nach  welcher  die  Wärme  im  Tierkörper 
durch  die  dauernd  in  demselben  vor  sich  gehenden  chemischen  Prozesse 
(Oxydationen)  erzeugt  wird.  Darnach  ist  die  tierische  Wärme  nichts  anderes 
als  die  Verbrennungswärme  der  durch  den  eingeatmeten  Sauerstoff  ver- 
brannten Eiweisstoffe,  Fette,  Kohlenhydrate.  Das  Durchdringen  des  Grund- 
satzes von  der  Erhaltung  der  Energie  hat  dazu  geführt,  die  anscheinende 
Vielheit  der  im  Organismus  gefundenen  Wärmequellen  (mechanische  Arbeit 
im  Cirkulationsapparat,  Ne^^^enf unktion ,  die  zuerst  von  Matteucci  hier 
verwertete  Quellung  trockener  Substanzen)  doch  insgesamt  auf  die  genannte 
einzige  Ursache  zurückzuführen.  Beim  ruhenden  Menschen  werden  die 
mit  der  Nahrung  eingeführten  chemischen  Spannkräfte  fast  vollständig  als 
Wärme  frei.  Die  konservative  Fieberlehre  lässt  es  nicht  gelten,  dass  im 
Organismus  ein  geheimer  Vorrat  von  schnell  und  anders  als  in  der  typi- 
schen Weise  (Oxydations-  und  Spaltungsprozesse  mit  0-aufnahme  und 
COa-entwickelung)  frei  zu  machenden  Spannkräften  existiere,  der  bei  Hunger 


Der  Wärmehaashalt  im  Fieber.  679 

allmählich  verbraucht,  bei  guter  Ernährung  auf  gleicher  Höhe  erhalten, 
oder  selbst  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  gesteigert  wird.  Sie  hält  es 
demgemäss  auch  für  unberechtigt  anzunehmen,  dass  im  Fieber  diese  vor- 
handene Spannkraft  unter  dem  Einfluss  der  krankmachenden  Ursache  in 
Wärme  umgesetzt  werden  und  so  den  unzweifelhaft  vorhandenen  Über- 
schuss  des  Körpers  an  Wärme  auf  der  Fieberhöhe  erklären  könne.  Der 
Vergleich  der  Wärme-  und  der  Kraftbilanz  muss  auch  unter  diesen  Be- 
dingungen ein  glattes  Resultat  üefern,  es  giebt  kein  Manko  und  keinen 
Überschuss.  Auch  das  Kaloriendefizit  durch  den  sogenannten  „Ansatz*' 
ist  in  der  Norm  ein  relativ  geringes. 

Der  letzte,  welcher  den  Vergleich  der  tierischen  Wärme  mit  der  Ver- 
brennungswärme der  NahrungsstofFe  unter  Berücksichtigung  aller  biolo- 
gischen Faktoren  zur  selben  Zeit  in  musterhaft  abschliessender  Weise 
durchführte,  war  Rubner.  Er  hat  alle  für  die  Erkenntnis  der  Stoffzer- 
setzung notwendigen  Werte  genau  festgestellt.  Bei  Hunger  (Hund)  zeigte 
das  mittlere  Ergebnis  bei  der  direkten  Wärmebestimmung  ein  geringes 
Defizit  (1,4  °/o),  bei  Fettnahrung  von  nicht  einmal  1  ®/o,  bei  Fleischfettnah- 
rung von  nicht  V2  ^/o.  Bei  ausschliesslicher  Fleischnahrung  blieb  ein  ge- 
ringes Plus.  Im  Gesamtdurchschnitt  aller  Rubner  sehen  Versuche  sind 
nach  der  kalorimetrischen  Methode  um  etwa  V«  ^/o  weniger  an  Wärme 
gefunden  worden,  als  nach  der  Berechnung  der  Verbrennungswärme  der 
zersetzten  Körper-  und  Nahrungsstoffe. 

Über  ein  strenges  Mass  für  die  Grösse  der  absoluten  Erhöhung  des 
Wärmevorrathes  im  fiebernden  Körper,  welch  letztere  als  feststehende 
Thatsache  bezeichnet  werden  darf,  verfügen  wir  nicht.  Nach  Massgabe  der 
früher  mitgeteilten  Erfahnmgen  über  den  febrilen  Stoffwechsel,  welche  in 
der  konservativen  Fieberlehre  ausschlaggebend  sind,  ist  die  Kalorienpro- 
duktion im  Fieber  (im  recenten  Fieber)  nur  in  relativ  geringem  Umfange 
erhöht.  Bei  länger  dauernden  Fiebern  handelt  es  sich  bloss  mehr  um  eine 
Verschiebung,  denn  um  eine  Steigerung  des  Gesamtstoffwandels. 

Die  direkte  Bestimmung  der  Wärmeproduktion  auf  kalorimetrischem 
Wege  mit  guten  Apparaten  hatf  für  Tiere,  deren  Temperatur  infolge  Fieber 
erzeugenden  Injektionen  ansteigt,  ergeben,  dass  die  Wärmeausfuhr  während 
des  Temperaturansteigens  stets  vermindert  ist.  Schätzt  man  aus  der 
Temperaturzunahme  den  Betrag  an  Wärme,  welcher  von  dem  Tiere  zu- 
rückgehalten worden  ist,  und  addiert  denselben  zu  der  an  das  Kalorimeter 
abgegebenen  Menge,  so  erhält  man  irgend  eine  Vorstellung  über  die  ganze 
Wärmeproduktion  während  des  Fieberanstieges.  Dieselbe  weicht  nur  relativ 
wenig  von  der  Produktion  vor  der  Injektion  ab,  so  dass  man  fast  die 
ganze  Zunahme  der  Temperatur  durch  Wärmestauung  erklären 
muss.     Dass  die  febrile  Steigerung  der  Körperwärme  ausschliesslich 


680  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

durch  Retention  bewirkt  wird,  ist  nicht  ausgeschlossen,  aber  auch  nicht 
streng  bewiesen.  Hält  das  Fieber  längere  Zeit  an,  erreicht  die  Wärme- 
ausgabe wieder  den  normalen  oder  selbst  einen  etwas  höheren  Wert 
Antipyretika  bewirken  Temperaturabfall  und  bedeutende  Steigerung  der 
Wärmeausgabe.  Es  unterliegt  kaum  einem  Zweifel,  dass  die  Wärnaere- 
tention  in  der  Periode  des  Fieberanstieges  ebenso  auf  vasomotorische  Ein- 
flüsse zurückgeführt  werden  darf,  wie  die  normale  Wärmeregulierung.  Das- 
selbe gilt  auch  vom  Temperaturabfall. 

Rubner  hat  die  Erscheinungen  des  Kraftwechsels  aber  nur  am 
ruhenden  Versuchstier  direkt  gemessen.  Schon  die  physiologische 
Energetik  bei  Entwickelung  mechanischer  Energie  (Bewegung  des  Körpers)  ist 
lückenhaft;  da  kennen  wir  noch  nicht  einmal  genau  die  Anfangs-  und  End- 
gliede  der  Reihe.  Durch  Quellung  werden  beispielsweise  gewaltige  Energie- 
werte erzeugt.  Welches  aber  die  vielverschlungenen  Wege  des  Kraftwechsels 
hier  und  überhaupt  sind,  ist  uns  ziemUch  unbekannt.  Es  ist  gar  nicht 
absolut  notwendig,  dass  im  einzelnen  der  Kraftwechsel  des  fiebernden  Orga- 
nismus der  Norm  völlig  kongruent  ist,  dass  aus  den  eingeführten  Energieen 
dieselben  Zwischenzustäude  resultieren  und  dass  der  Energievorrat  identische 
Rückverwandlungen  erfährt,  um  schliesslich  als  Wärme  den  Körper  zu 
verlassen. 

Angesichts  der  Unbestimmtheit  des  Fieberproblems  nach  dieser  Rich- 
tung hat  nun  Herz  sich  auf  den  unbefangensten  und  radikalsten  Standpunkt 
stellen  zu  sollen  geglaubt.  Er  leugnet  beinahe  die  Lebenserscheinungen  als 
Ausdruck  des  kontinuierlichen  Wechsels  der  Materie,  aus  welcher  der  Orga- 
nismus besteht.  Für  ihn  ist  0- Konsum  und  COg-Produktion  im  Verein  mit 
der  HarnstofFbildung  kein  Mass  der  StofEwechsehntensität.  Denn  die  Zellen 
haben  auch  andere  Möghchkeiten,  Wärme  zu  binden  und  frei  zu  machen, 
als  die  Oxydationen.  Bei  dem  Eintreten  eines  Nahrungsatoms  in  die  Zelle 
und  bei  der  Umwandlung  des  toten  in  ein  lebendiges  Molekül  wird  Wärme 
gebunden  (?);  gerade  so  viel  wird  produziert,  wenn  die  Zelle  einen  Teil  ilires 
Leibes  verbrennt.  In  der  Norm  besteht  Gleichgewicht  von  Bindung  und 
Ausgabe  (Wärmegleichgewicht).  Wenn  aber  die  Zelle  nur  ausgiebt,  w/ih- 
rend  die  ersatzschaffende  Funktion  darnieder  liegt,  wird  mehr  Wärme  frei. 
Dies  gilt  für  die  fiebernden  Zellen.  Eine  weitere  Wärmequelle  im  Fieber 
ist  die  Aufnahme  von  Wasser  in  die  Zellen  (frei werdende  QueUungs wärme). 
Ein  wärmeregulierendes  Centrum  zieht  er  ebenso  wenig  m  Betracht,  wie 
die  früher  mitgeteilte  Anschauung  betrefiEs  der  physiologischen  Wärme- 
regulierung, nach  welcher  der  Blutgehalt  der  Haut  durch  den  Einfluss 
nervöser  Mechanismen  zweckmässig  wechselt,  um  bald  mehr,  bald  weniger 
Wärme  abzuführen. 


Der  Wärmehaushalt  im  Fieber.  ßgl 

Auf  Grund  von  Untersuchungen  über  die  Perspiratio  insensibilis 
schliesst  M.  Herz,  dass  die  subepitheliale  Flüssigkeit  in  der  Haut  bei 
weitem  nicht  einen  dem  Wasser  und  salzigen  Lösimgen  entsprechenden 
Dampfdruck  in  einer  auf  die  Körperoberfläche  aufgesetzten  Glocke  bewirkt. 
Eine  andere  Bindung  ist  das  Hindernis.  Bei  Fiebernden  fand  er,  dass  auf 
erhöhten  Dampfdruck  über  der  Haut  stets  Abfall  der  Temperatur,  auf  ver- 
minderten dagegen  Ansteigen  folgte.  Die  Minderung  des  Dampfdruckes 
zeigt  stärkere  Bindung  des  Wassers  in  den  Geweben  an,  die  Zellen  quellen 
und  erhitzen  sich.  Da  die  tiefgelegenen  Zellen  viel  quellungsfähiger  sind, 
als  die  oberflächUchen,  in  der  Haut  gelegenen,  so  wird  das  Blut  der  Haut 
entzogen  (Schüttelfrost).  Die  Kalorimetrie  verwirft  M.  Herz  gleichfalls: 
sie  misst  die  Wärmeabgabe  zu  schlecht.  Besser  ist  es,  man  misst  die  „Heiz- 
kraft" der  Haut,  d.  h.  ihre  Fähigkeit,  die  Umgebung  zu  erwärmen.  Er  setzt 
also  eine  mit  einem  Thermometer  versehene  Kapsel  auf  die  Haut  und 
schätzt  die  Geschwindigkeit  des  Temperaturanstiegs  an  dem  mit  Zeitgraden 
armierten  Instrument.  Herz  findet  die  kalorimetrische  Wärmeabgabe  nicht 
selten  gering,  wo  er  gesteigerte  Heizkraft  annehmen  muss. 

Th.  Pfeiffer,  welcher  das  Volum  der  Erythrocyten  im  Fieberblut 
mit  jenem  der  fieberfreien  Zeit  bei  demselben  in  sieben  Krankheitsfällen 
verglich,  fand  fast  identische  Werte  für  beide  Zustände.  An  den  roten  Blut- 
körperchen ist  also,  entgegen  den  einschlägigen  Behauptungen  von  M.  Herz 
eine  Quellung  des  Protoplasmas  nicht  nachweisbar.  Auf  eine  weitere  Kritik 
der  Herzschen  Fiebertheorie  sei  diesmal  nicht  eingegangen.  Nur  das  Eine 
sei  noch  betont:  Wasserretention  von  selten  des  fiebernden  menschlichen 
Körpers  istkünisch  als  typische  Erscheinung  überhaupt  nicht  erweislich. 
Wenn  in  einzelnen  Fällen  Wasserretention  platzgreift,  sind  stets  grobe 
anderweitige  Störungen  (z.  B.  Herzschwäche  etc.)  vorhanden. 


HAND-  \m  LEHRBÜCHER,  GRUNDRISSE, 
KOMPENDIEN,  ATLANTEN  ETC. 


I.  Der  menschlichen  Pathologie. 

Von 

Albert  Thierfelder  in  Rostock, 


Litteratur. 

1.  Birch-Hirschfeld,  V.,  Lehrbuch  der  pathologischen  Anatomie.  2  Bd.  4.  Aail. 
Leipzig.  Vogel  1894. 

2.  Derselbe,  Grundriss  der  allgem.  Pathologie.  Leipzig.  Vogel.  1892. 

3.  Kleb 8,  Edw.,  Handbuch:  Die  allgem.  Pathologie  oder  die  Lehre  von  den  Ursachen 
und  dem  Wesen  der  Krankheitsprozesse.  8  Teile.  Bisher  erschienen:  1.  TL  Allgem. 
pathol.  Ätiologie.  Jena,  Fischer  1887  und  2.  Tl.  Allgem.  pathol.  Morphologie.  Ebenda. 
1889. 

4.  Langerhans,  R.,  Kompendium  d.  pathol.  Anatomie.  Berlin.  Karger.  1891. 

5.  Ne eisen,  F.,  Prof.,  Dr.  M.  Perls  Lehrbuch  d.  allgem.  Pathologie.  3.  Aufl.  Stattgari 
Enke.  1894. 

6.  Orth,  Js,  Lehrbuch  der  spez.  patholog.  Anatomie.  Berlin.  Hirschwald.  1883—1894. 
Bisher  erschienen:  I.  Blut  und  Lymphe,  blutbereitende  und  Girkulationsorgane,  1883. 
II.  Respirationsorg.  u.  Schilddrüse,  1885.  III.  Verdauungsorgane,  1887.  IV.  Neben- 
niere und  Hamorgane,  1889.  V.  u.  VI.  Geschlechtsorgane,  1891  u.  1893.  VII.  Gehör- 
organ.   VIII.  Histopathologie  der  Hautkrankheiten  bearbeitet  von  P.  G.  Unna.  1894. 

7.  Derselbe,  Patholog.-anatom.  Diagnostik  nebst  Anleitung  zur  AnsfOhrung  von  Ob- 
duktionen sowie  von  patholog.-histolog.  Untersuchungen.  5.  Aufl.  Berlin.  Hirscb- 
wald.  1894. 

8.  von  Recklinghausen,  F.,  Handbuch  der  allgem.  Pathologie  des  Kreisläufe  und  der 
Ernährung.    Stuttgart.  Enke.  1883. 


Hand-  und  Lehrbücher  der  menschlioheD  Pathologie.  633 

9.   Rindfleisch,  £d.»  Lehrbach  der  pathoL   Gewebelehre  mit  Einschliiss   d.  patholog. 
Anatomie.  6.  Aafl.  Leipzig.  Engelmann.  1886. 

10.  Schmaus,  H.,  Grondriss  der  path.  Anatomie.   2.  Aufl.  Wiesbaden.  Bergmann.  1895. 

11.  Thoma,  Rieh.,  Lehrbuch  der  patholog.  Anatomie.  2  Tle.    Bisher  erschienen:  AUgem. 
pathol.  Anatomie  mit  Berflcksichtigung  der  allgem.  Pathologie.  Stattgart.  Enke.  1894. 

12.  Weichselbaum,  .A.,  Grundriss  der  pathol.  Histologie  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  üntersuchungsmethodik.  Leipzig  u.  Wien.  Deut  icke.  1892. 

13.  Ziegler,  £.,  Lehrbuch  der  allgem.  Pathologie  und  der  patholog.   Anatomie.  2  Bde. 
8.  Aufl.  Jena.  Fischer.  1895. 


14.  Karg,  C.  und  Schmorl,  G.,  Atlas  der  pathologischen  Gewebelehre  in  mikrophoto- 
graphischer  Darstellang.  27  Tafeln  in  Kupferätzung.  Mit  einem  Vorwort  von  Birch- 
Hir Sehfeld.  Leipzig.  Vogel.  1893.    Bisher  erschienen:  Lfrg.  1— IV. 

15.  Grawitz,  P.  Atlas  d.  pathol.  Gewebelehre.    Lfrg.  l—V,    Berlin.    Scholz  1893. 

16.  Rnmpel,  Th.,  Aus  den  Hamburger  Staatskrankenhftusern.  Pathologisch-anatomische 
Tafeln  nach  frischen  Präparaten.  Mit  erläuterndem  anatomisch-klinischem  Text  unter 
Mitwirkung  von  Käst,  Alf.  Wandsbeck -Hamburg,  Kunstanstait  (von  G.  W.  Seitz). 
1892.    Bisher  erschienen  12  Lieferungen. 

17.  Rieder,  H.,  Atlas  der  klinischen  Mikroskopie  des  Blutes.  12  Taf. -mit  48  Abbildungen 
in  Farbendruck.  Leipzig.  Vogel.  1893. 


18.  Chiari,  H.,  Pathologisch-anatomische  Sektionstecbnik.    Mit  28  Holzschnitten.   Berlin. 
Fischer-Kornfeld.  1894. 

19.  Ne eisen,  F.,  Grundriss  der  patholog.-anatomisch.  Technik.  Stuttgart.  Enke.  1892. 

20.  Nauwerck,  C,  Sektionstechnik.    Mit  51  Abbildungen.  2.  Aufl.  Jena.  Fischer.  1894. 

21.  Virchow,  R.,   Die  Sektionstechnik  im  Leichenhause  des  Charit^-Krankenhauses  mit 
besonderer  Rücksicht  auf  gerichtsärztliche  Praxis.  4.  Aufl.  Berlin.  Hirschwald.  1893. 


Der  nachfolgenden  Besprechung  seien  einige  Bemerkungen  voraus- 
geschickt. Dass  das  obige  Verzeichnis  nicht  nur  die  in  den  letzten  Jahren 
erschienenen  Werke  umfasst,  sondern  etwas  weiter,  etwa  ein  Jahrzehnt, 
zurückgreift,  bedarf  wohl  weder  einer  Entschuldigung  noch  einer  ein- 
gehenden Begründung.  Es  ist  der  erste  Band  der  Ergebnisse,  und  es 
sollte  in  ihm  eine  Basis  geschaffen  werden,  auf  welchen  sich  das  in  den 
folgenden  Jahren  neu  Hinzukommende  leicht  aufbauen  lässt;  es  soll  wo- 
möglich vermieden  werden,  dass  weit  zurückgreifende  Ergänzungen  und 
Nachträge  sich  notwendig  machen;  zudem  sind  die  aufgeführten  Werke 
sämtlich  im  Gebrauch  und  verdienen  schon  um  deswillen  Berück- 
sichtigung. 

Giebt  das  Verzeichnis  somit  ein  Mehr,  als  vielleicht  erwartet  wurde, 
so  weist  es  auf  der  anderen  Seite  doch  noch  grosse  Lücken  auf,  und 
namentlich  fehlt  die  ausländische  Litteratur  der  Lehrbücher  u.  s.  w.  noch 
gänzlich.  Auch  das  hat,  wenigstens  zum  Teil,  seinen  Grund  darin,  dass 
es  sich  um  den  Anfang  eines  Werkes  handelt  und  möge  damit  entschul- 
digt werden. 


684  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Unter  den  in  den  Ergebnissen  abgehandelten  Werken  und  Einzel- 
arbeiten nehmen  die  Lehrbücher  insofern  eine  besondere  Stelle  ein,  als  ihr 
Zweck  es  verlangt,  dass  sie  das  thatsächlich  Feststehende,  das  von  allen 
Sachverständigen  oder  doch  deren  grössteui  Teile  als  gültig  Anerkannte  in 
übersichtlicher  Weise  und  dabei  in  thunlichst  knapper  Form  wieder  geben. 
Hiermit  soll  selbstverständlich  weder  die  wissenschaftlich  begründete  HyjK> 
these  noch  die  Erörterung  von  Fragen ,  die  im  Mittelpunkt  des  Interesses 
stehen,  ihrer  endgültigen  Beantwortung  aber  noch  harren,  aus  unseren 
Lehrbüchern  gänzlich  verbannt  werden.  Der  akademische  Lehrer  kann  uinl 
soll  es  nicht  umgehen,  die  Lücken  und  Mängel  seiner  Wissenschaft  klar  zu 
legen;  er  soll  die  Grenze  zu  bestimmen  suchen,  wo  das  positive  Wissen 
aufhört  und  darf  auch  kein  Bedenken  tragen,  wichtige  Streitfragen  mit 
seinen  Schülern  zu  besprechen.  Ist  doch  das  heranwachsende  Geschlecht 
berufen,  da  die  Arbeit  aufzunehmen  und  fortzuführen,  wo  sie  unserer 
Hand  entfällt.  Die  eingehende  Behandlung  solcher  Fragen  jedoch  gehört 
meiner  Meinung  nach  vorwiegend  in  die  Handbücher,  welche  wie  das 
Kleb s sehe,  leider  noch  unvollendete  Werk  (8)  auf  breiterer  Basis  auf- 
gebaut sind  und  ausser  den  speziellen  Schülern  des  Autors  namentlich 
dem  Fachmann  und  dem  durchgebildeten,  erfahrenen  Arzt  Anregimg  und 
Belehrung  bieten.  In  dem  Lehrbuch,  das  den  Studenten  als  tägliclier 
Auskunftgeber  durch  seine  Studienjahre  begleiten  soll,  werden  Streitfragen 
immer  nur  in  beschränktem  Masse  Platz  finden  können.  Ist  der  oben  an 
die  Spitze  gestellte  Satz  richtig,  so  wird  jedes  Lehrbuch  an  sich  schon  die 
wichtigsten  „Ergebnisse"  der  fachwissenschaftlichen  Forschung  bis  zur  Zeit 
seines  Erscheinens  enthalten,  und  die  Abweichungen,  welche  die  einzehien 
nach  Inhalt  und  Anordnung  des  Stoffes  aufweisen,  entsprechen  sodann  dt^ 
Herausgebers  individueller  Auffassung  von  der  Wichtigkeit  des  betreffenden 
Forschungsresultats  und  von  dessen  Stellung  im  Gesamtgebiet  der  patho- 
logischen Wissenschaft. 

Wenn  auch  im  folgenden  eine  anerkennende  oder  abweisende  Be- 
merkung ihren  Platz  finden  muss,  so  liegt  es  doch  nicht  in  meiner  Ab- 
sicht, Kritik  zu  üben;  dazu  wäre  es  einmal  erforderlich,  auf  Einzelheiten 
einzugehen,  wie  sie  in  dem  speziellen  Teile  der  Ergebnisse  thatsäclilich 
zur  Besprechung  stehen  werden,  in  einen  zusammenfassenden  Bericht 
jedoch  nicht  gehören  —  und  dann  setzt  die  Abgabe  einer  Kritik  voraus, 
dass  der  Beurteilende  die  betreffenden  Bücher  wirklich  -—  wenn  auch  nur 
einmal  —  durchgelesen  hat.  Das  habe  ich  nicht  gethan  und  es  wird,  wie 
ich  wohl  annehmen  darf,  auch  niemand  diese  Forderung  an  mich  stellen. 
Es  ist  aber  auch  nicht  meine  Aufgabe,  hier  Kritik  zu  üben  noch  auch 
die  im  Verzeichnis  aufgeführten  Werke  einzeln  zu  besprechen.  Ich  werde 
mich  im   folgenden  zunächst  darauf  beschränken,   diejenigen  Kapitel  der 


Hand-  und  Lehrbücher  der  menschlichen  Pathologie.  685 

allgemeinen  Pathologie  hervorzuheben,  deren  Inhalt  als  Ergebnis  ge- 
meinsamer Arbeit  während  des  letzten  Jahrzehnts  gelten  darf,  oder 
welcher,  als  Arbeit  eines  Einzelnen,  die  Anerkennung  der  Fachgenossen 
gefunden  hat. 

Endlich  soll  in  einem  besonderen  Abschnitt  der  Abbildungen  sowie 
der  Bildwerke  gedacht  werden. 

Begreiflicherweise  ist  der  Ätiologie,  welche,  durch  die  Ausbildung 
und  Ausdehnung  der  bakteriologischen  Forschung  wesentlich  be- 
reichert, einen  so  bedeutsamen  Aufschwung  genommen  hat,  ein  relativ 
breiter  Raum  in  allen  Lehrbüchern  zugestanden  worden.  Es  ist  hoch  er- 
freulich zu  konstatieren,  wie  die  Darstellung  der  auf  Infektion  zurück- 
zuführenden Krankheitsprozesse  an  Klarheit  und  Einheit  gewonnen  hat, 
—  wie  das  Zusammenfassen  ätiologisch  zusammengehöriger  Krankheits- 
bilder dem  Verständnis  des  Lernenden  entgegen  kommt  und  ihm  die 
Arbeit  beim  Aneignen  des  gewaltigen,  fast  täglich  anwachsenden  Stoffes 
erleichtert.  In  allen  Lehrbüchern  finden  die  Resultate  der  bakteriologischen 
Forschung  an  geeigneter  Stelle  ihren  Platz  und,  soweit  die  Anwendung 
bestimmter  F'ärbungsmethoden  oder  kulturelle  Eigentümlichkeiten  patho- 
gener  Organismen  ihr  Erkennen  und  Unterscheiden  von  anderen  ermög- 
lichen, gehören  auch  solche  Angaben  in  die  betreffenden  Kapitel,  und 
selbst  ein  instruktiver  Wink  über  Technicismen  ist  sehr  erwünscht  und 
fördert  das  Verständnis.  Nun  finden  sich  aber  in  einzelnen  Lehrbüchern 
spezielle  Anleitungen  zu  den  bakteriologischen  Untersuchungs-  und  Züch- 
tigungsmethoden. Von  den  älteren  Autoren  giebt  Klebs  (3)  eine  solche, 
und  auch  Thoma  (11)  widmet  der  „Methode  der  Untersuchung  pathogener 
Spaltpilze"  ein  besonderes  Kapitel.  Es  lässt  sich  wohl  darüber  streiten, 
ob  derartige  technische  Instruktionen,  so  vorzüglich  und  wertvoll  ihr  In- 
halt ist,  in  einem  Lehrbuch  der  allgemeinen  Pathologie  sachlich  begründet 
eine  Stelle  finden  sollen;  oder  ob  sie  nicht  besser  in  einem  Anhang 
(Birch-Hirschfeld)  bezw.  in  einer  noch  loser  verbundenen  Beigabe 
(Ziegler)  unterzubringen  wären.  Zudem  existieren,  abgesehen  von  den 
zahlreichen  grossen  und  kleinen  Lehrbüchern  der  Bakteriologie,  auch 
Werke  geringeren  Umfangs,  welche  die  hier  in  Rede  stehenden  Bedürfnisse 
des  jungen  Mediziners  in  ausgezeichneter  Weise  berücksichtigen;  so  ge- 
schieht dies  in  Weichselbaums  Grundriss  (12),  der  noch  an  anderer 
Stelle  Erwähnung  finden  wird.  Die  Gründe,  weshalb  der  Herausgeber 
eines  Lehrbuchs  der  pathologischen  Anatomie  in  diesem  der  Untersuchungs- 
technik einen  so  grossen  Raum  gönnt,  sind  mir  wohl  verständlich  und 
einer  scheint  mir  sehr  berechtigt:  es  ist  der  Wunsch,  dem  jungen  Medi- 
ziner, dessen  Studium  die  Anschaffung  einer  Anzahl  kostspieliger  Werke 
mit  sich   bringt,   möglichst  viel  in  einem  Buche  darzubieten,  ihm  eine 


686  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

weitere  Ausgabe  zu  ersparen.  Und  so  mag  diese  Kombination,  von  der 
ich  gerne  zugebe,  dass  sie  manche  BequemHchkeiten  hat,  besteben  bleiben. 

—  obgleich  sie  mir  ihrem  Wesen  nach  nicht  statthaft  erscheinen  will. 

Das  Studium  der  Infektionskrankheiten,  —  besser  gestützt  als  bisher 
durch  den  relativ  leichten  und  doch  sicheren  Nachweis  pathogener  Organis- 
men und  ihrer  Verbreitungswege  im  menschüchen  und  tierischen  Körper, 

—  hat  auch  zu  einer  präciseren  Fragestellung  nach  Krankheitsdispo- 
sition und  erblicher  Übertragung  (accidentelle  Vererbung)  geführt 
Wir  dürfen  um  so  mehr  hoffen,  klare  Antworten  zu  erhalten,  als  bereit* 
das  Tierexperiment  mit  Erfolg  herangezogen  worden  ist  und  wertvolle, 
wenn  auch  umstrittene  Resultate  geliefert  hat.  Es  sei  auf  die  Lehrbücher 
von  Klebs  (3),  Birch-Hirschfeld  (1),  Ziegler  (13)  und  Thoma  (11) 
hingewiesen,  sowie  auf  das  Kapitel  „Hauptgruppen  disponierender  Krank- 
heitsursachen'* in  Birch-Hirschfelds  Grundriss  (2). 

Hieran  mögen  sich  Bemerkungen  schliessen,  welche  sich  auf  die  Ka- 
pitel Heilungsvorgänge  bei  den  Infektionskrankheiten,  Phagocy- 
tose,  Chemotropismus,  Immunität  beziehen. 

Diese  für  den  Forscher  ebenso  wie  für  den  Praktiker  hochinteressanten 
Tagesfragen  finden  in  allen  Lehrbüchern  und  Grundrissen  eine  mehr  oder 
w^eniger  eingehende  Besprechung.  Ausgenommen  sind,  so  weit  ich  sehe, 
nur  diejenigen  Bücher,  deren  Inhalt  und  Zweck  eine  Berücksichtigung  dieser 
Fragen  von  vornherein  ausschloss  —  v.  Recklingshausens  Handbuch, 
Orths  Diagnostik  —  oder  deren  Erscheinen  in  eine  Zeit  fällt,  in  der  sich 
das  lebhafte  allgemeine  Interesse  diesen  Fragen  noch  nicht  zuwenden 
konnte,  weil  die  neuen  Wege  noch  nicht  eröffnet  waren,  die  uns  jetzt  ihrer 
Beantwortung  und  Klärung  näher  zu  führen  versprechen.  So  behandelt 
Klebs  (3),  der  schon  „früher,  als  noch  alles  den  Anschauungen  von  dem 
Wesen  der  Infektionskrankheiten  abgeneigt  war,  dieselben  vertrat*',  und 
dessen  „Anteil  an  dem  Ausbau  der  neuen  Lehre*'  gewiss  kein  Pathologe 
unterschätzen  wird,  —  die  Immunitätsfrage  und  die  Abschwächungsfähig- 
keit  der  Bakterien  etc.  nicht  in  einem  gesonderten  Kapitel,  welches  liier 
angezogen  werden  könnte.  In  den  anderen  vorliegenden  Werken  seien 
besonders  hervorgehoben  bei  Ziegler  (13)  die  Abschnitte:  „Schutzkräfte 
des  Organismus  gegen  Infektion,  bakterizide  Eigenschaften  des  Blutes. 
Heilkräfte  des  Organismus,  Immunität  u.  fE.".  Klarheit  und  Übersichtlich- 
keit in  der  Anordnung  des  Stoffes  ermöglichen  hier  auch  demjenigen  eine 
gründliche  und  doch  leichte  Ori,entierung,  der  sich  als  Anfänger  zum  ersten- 
male  mit  diesen  Dingen  zu  beschäftigen  hat.  Dasselbe  gilt  von  dem  be- 
treffenden Abschnitt  bei  Birch-Hirschfeld  (1)  und  von  dem  Kapitel: 
„Pflanzliche  Organismen  als  Krankheitserreger"  in  dem  Grundriss  desselben 
Autors  (2),  einem  Buche,  nach  dem  ich  gern  greife,  und  dem  ich  weiteste 


Hand-  und  LehrbQcher  der  menschlichen  Pathologie.  (j87 

Verbreitung  unter  den  Studierenden  und  Ärzten  wünsche,  obwohl  ihm,  — 
in  meinen  Augen  keineswegs  ein  Fehler,  —  der  Schmuck  und  das  Hilfs- 
mittel bildlicher  Darstellungen  abgeht  Eine  präcise  und  daneben  sehr 
gefällige  Behandlung  des  in  Rede  stehenden  Stoffes  zeichnet  auch  die  ein- 
schlägigen Kapitel  „Infektion  und  Parasiten'*  beiThoma  (11),  sowie  „Dis- 
position-Immunität" bei  Ne eisen  (5)  aus.  Endlich  liefert  die  kürzeste, 
dabei  aber  eine  der  Aufgabe  seines  Grundrisses  wohl  entsprechende  Dar- 
stellung der  Immunität  und  der  mit  ihr  zusammenhängenden  Theorieen 
Schmaus  (lOj. 

Bei  dem  Kapitel  „Cirkulationsstörungen*'  sei  an  erster  Stelle 
das  Handbuch  der  allgemeinen  Pathologie  des  Kreislaufes  und  der  Ernäh- 
rung von  von  Recklinghausen  (8)  genannt;  einer  besonderen  Hervor- 
hebung bedarf  es  nicht;  denn  seit  länger  als  einem  Jahrzehnt  wirkt  es 
belehrend  und  anregend  in  fachmännischen  und  ärztlichen  Kreisen.  Seine 
klare,  dabei  jede  einschlägige  Beobachtung  und  jedes  Detail  berücksich- 
tigende Behandlung  des  Stoffes  in  klassisch  abgerundeter  Form,  sowie  die 
bis  zur  Zeit  seines  Erscheinens  vollständigen  Litteraturangaben  sichern  von 
Recklinghausens  Handbuch  dauernd  den  Platz  eines  Quellen werkes 
ersten  Ranges. 

Femer  sei  auf  die  originelle  Behandlung  hingewiesen,  welche  die 
Cirkulationsstörungen  durch  Thoma  (11)  erfahren  haben.  Waren  auch 
die  Resultate  seiner  wissenschaftlichen  Arbeit  „in  die  Mechanik  des  patho- 
logischen Geschehens  einzudringen"  in  Fachkreisen  seit  langem  bekannt 
und  geschätzt,  so  wird  es  doch  jeden  freuen,  ihnen  nunmehr  hier,  in  über- 
sichtlicher Zusammenstellung  und  den  Lernenden  zugänglicher  gemacht, 
zu  begegnen.  Ich  zweifle  nicht,  dass  die  von  Thoma  aufgestellten  bis to- 
mechanischenPrinzipien  und  die  aus  ihnen  abzuleitenden  weittragen- 
den Sätze  bald  auch  in  andere  Lehrbücher  übergehen  und,  soweit  dies 
nicht  bereits  geschehen  ist,  die  ihnen  gebührende  Berücksichtigung  finden 
werden.  —  Im  übrigen  bieten  die  Bearbeitungen,  welche  die  allgemeinen 
und  lokalen  Cirkulationsstörungen  in  den  gebräuchUchen  Lehrbüchern  ge- 
funden haben,  nur  wenige  Abweichungen  von  einander  dar. 

BezügUch  der  Organisation  des  Thrombus  scheint  hinsichtlich  der  Rolle, 
welche  die  zelligen  Elemente  der  Gefässwand  spielen,  völlige  Übereinstim- 
mung zu  bestehen;  diese  Frage  darf  zu  den  vorläufig  erledigten  gezählt 
werden.  Dagegen  ist  die  Frage  nach  der  Bedeutung  der  Blutplättchen  für 
das  Zustandekommen  der  Blutgerinnung  noch  gänzlich  unentschieden. 
Neuerdings  scheint  die  Auffassung  Löwits,  nach  der  es  sich  bei  der  Bil- 
dung der  Blutplättchen  um  eine  Globulinausfällung  handelt,  mehr  Anhänger 
zu  finden. 


688  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Soviel  auch  die  Arbeiten  der  letzten  Decenni'en  unser  Wissen  von  den 
Einzelvorgängen  bei  der  Entzündung  erweitert  und  vertieft  haben:  alle 
Versuche,  eine  präcise  Definition  dessen  zu  geben,  was  man  unter  Ent- 
zündung zu  verstehen  habe,  sind  als  erfolglos  zu  bezeichnen;  eine  Defi- 
nition, welche  wenigstens  den  pathologischen  Anatomen  befriedigte,  giebt 
es  nicht.  Die  Klebssche  Definition  bezeichnet  ihr  Autor  selbst  „nur  als 
eine  klinische  oder  symptomatische"  und  fügt  dann  hinzu,  dass  der  Begriff 
der  „gesteigerten  Reaktion'*  eigentlich  keine  Erklärung,  sondern  nur  eine 
Umschreibung  des  Vorganges'*  sei.  Der  jüngste  Erklärungsversuch  rührt 
von  Ziegler  her;  nach  ihm  ist  die  Entzündung  „eine  mit  pathologischeu 
Exsudationen  aus  den  Blutgefässen  verbundene  örtliche  GewebsdegeneratioD". 
Ich  kann  den  Einwänden,  welche  Thoma  (S.  618  u.  f.)  gegen  diese  Defi- 
nition vorbringt,  nur  beipflichten.  Die  örtliche  Gewebsdegeneration  ist  über- 
haupt etwas  Inkonstantes  bei  der  Entzündung ;  sie  ist  aber  inkonstant  auch 
insofern,  als  sie  in  dem  einen  Falle  als  Ursache,  in  einem  andern  als  Folge- 
zustand der  Entzündung  aufzufassen  sein  kann.  Ein  weiteres  Eingehen 
auf  diese  Frage  scheint  mir  hier  nicht  am  Platze;  es  gehört  in  den  spe- 
ziellen Teil  der  Ergebnisse. 

Wenn  man,  wie  ich  es  behufs  Zusammenstellung  dieses  Berichtes 
jüngst  gethan  habe,  alles  Vortreffliche  an  sich  vorüberziehen  lässt,  was 
Forschcreifer  und  Gelehrtenfleiss  in  den  hier  vorliegenden  Büchern  über 
Entzündung  gearbeitet  und  zusammengefügt  haben,  in  dem  Streben,  das 
Wesen  des  Prozesses  zu  ergründen,  und  man  dieses  Streben  als  ein  ver- 
gebUches,  wenn  auch  kein  fruchtloses  —  bezeichnen  muss,  so  ist  man 
allerdings  geneigt,  den  Vorschlag  derer  anzunehmen,  welche  die  Einzel- 
vorgänge, die  in  ihrer  Gesamtheit  den  Entzündvmgsprozess  bilden,  unter 
die  Kreislaufstörungen  bezw.  unter  die  Regenerations-  und  Degenerations- 
vorgänge gestellt  zu  sehen  wünschen,  man  ist  geneigt,  den  Entzündungs- 
begriff als  einen  einheitlichen  fallen  zu  lassen.  Dem  stehen  nun  aber  doch 
neben  anderen  äusseren  Schwierigkeiten,  die  am  Ende  zu  überwinden  sein 
würden,  auch  sachlich  begründete  Bedenken  gegenüber;  von  Reckling- 
hausen schliesst  seine  einleitenden  Bemerkungen  zu  dem  Kapitel  „Ent- 
zündung" mit  den  Worten :  „  .  .  .  so  tragen  doch,  einmal  eingetreten,  die 
weiteren  Erscheinungen  der  Entzündung  ein  so  typisches  Gepräge,  die 
Art  und  Weise,  wie  diese  Phänomene,  obwohl  wechselnd  in  Dauer  und 
Stärke,  mit  einander  vergesellschaftet  sind,  giebt  dem  Vorgang  der  Ent- 
zündung einen  so  besonderen  Charakter,  dass  er  sich  auch  in  Zukunft  wohl 
das  alte  Bürgerrecht  in  der  pathologischen  Lehre  bewahren  wird."  Diese 
Worte  haben  meiner  Ansicht  nach  auch  heute  noch,  trotz  der  besseren 
Einsicht,  welche  wir  in  die  entzündlichen  Vorgänge  gewonnen  haben,  ilire 
volle  Geltung. 


Hand-  und  LehrbOcher  der  mensohlichen  Pathologie.  689 

Die  unablässigen  Bemühungen,  das  Wesen  dieses  Prozesses  zu  er- 
kennen und  das  Beständige  in  seinen  wechselnden  Erscheinungsformen 
fest  zu  halten,  bildeten  die  Veranlassung  zu  einer  Fülle  scharfsinniger 
experimenteller  Untersuchungen  und  Gegenuntersuchungen,  und  haben  zu 
einem  lebhaften  Meinungsaustausch  der  Beobachter  unter  einander  geführt. 
Dieser  Umstand  gestaltet  die  sichtende  Bearbeitung  des  überreichen  litte- 
rarischen Materials,  behufs  übersichtlicher  Darstellung  in  einem  Lehrbuche, 
zu  einer  der  schwierigsten,  aber  zugleich  auch  lohnendsten  Aufgaben. 
Die  oben  angeführten  Werke  legen  beredtes  Zeugnis  dafür  ab,  dass  diese 
Aufgabe  in  vorzügUcher  Weise  gelöst  ist. 

Rückblicke  auf  die  Entwickelung  der  Entzündungslehre  und  Kritiken 
der  einzelnen  Theorieen  finden  sich,  mehr  oder  weniger  eingehend,  in 
sämtlichen  lunf angreicheren  Hand-  und  Lehrbüchern.  Auf  die  von  Thoma 
(11)  gegebene,  kurze  aber  gut  orientierende  Darstellung  ist  schon  oben 
Bezug  genommen  worden.  Ich  glaube  es  nicht  unterlassen  zu  sollen,  das 
Kapitel  „Entzündung''  in  Birch-Hirschfelds  (2)  Grundriss,  bezw.  den 
Abschnitt  „Genese  der  einzelnen  Teile  des  Entzündungsprozesses"  hier 
hervorzuheben,  in  welchem  Verf.  auch  eine  mich  sehr  ansprechende,  ge- 
drängte Darstellimg  der  chemotaktischen  Erscheinungen  in  ihrer  Beziehung 
zur  Entzündung  giebt. 

Zu  dem  Kapitel  „Rückgängige  Metamorphose,  —  örtlicher 
Tod,  Degeneration"  mögen  nur  zwei  kurze  Bemerkungen  hier  Platz 
finden. 

Angesichts  der  grossen  Mengen  von  Beobachtungen  und  Thatsachen, 
welche  die  wissenschaftliche  Arbeit  vieler  jährlich  ans  Licht  bringt,  ver- 
dient das  Bemühen,  solche  Einzelresultate  unter  gemeinsame  Gesichtspunkte 
zusammenzufassen  und  Verwandtes  zu  Verwandtem  zu  ordnen  —  beson- 
deren Dank.  Das  gilt  nach  meinem  Dafürhalten  von  Weigerts  Hypo- 
these, nach  welcher,  analog  der  Fibringerinnuug,  unter  besonderen  Be- 
dingungen das  Protoplasma  absterbender  Zellen,  bei  gleichzeitig  eintreten- 
dem Keruschwund,  gerinnen  soll.  Diese  Hypothese  von  der  Koagulations- 
nekrose  finde  ich  acceptiert  und  eingehend  besprochen  in  den  Werken 
von  Klebs  (3),  Birch-Hirschfeld  (1),  Ziegler  (13)  und  Neelsen  (5); 
den  Aufgaben  ihrer  „Grundrisse"  entsprechend,  kurz  erwähnt  von  Weichsel- 
baum (12)  und  Schmaus  (10),  wälirend  sie  Thoma  (11)  mit  Gründen, 
denen  ich  nicht  beizupflichten  vermag,  zurückweist.  Langerhans  (4)  er- 
wähnt sie  nicht. 

Durch  seine  Untersuchungen  über  das  Hyalin  hat  von  Reckling- 
liausen  einen  neuen  Anstoss  gegeben  zur  Prüfung  der  physikalisch-chemi- 
schen und  morphologischen  Eigenschaften  der  Degenerationsprodukte  des 
Zellprotoplasmas.   Eine  Reihe  dieser  Arbeiten  wird  in  dem  speziellen  Teile 

Lubarsch-Ostertag,  Ergobuisse  Abteil.  U.  44 


690  AUgem.  pathol.  Morphologie  und  Pathologie. 

dieses  Werkes  ihren  Platz  finden.  Die  hyaline  Entartung  selbst  ist  als  eine 
besondere  Degenerationsfonn  von  sämtlichen  Autoren  anerkannt  und 
wird  als  solche  besprochen. 

Unsere  Kenntnisse  von  den  progressiven  Gewebsmetamor- 
phosen  ruhen  noch  alle  auf  den  grundlegenden  Arbeiten  R.  Virchow's; 
sie  haben  aber  in  den  letzten  zwanzig  Jahren  eine  bedeutsame  Bereicherung 
erfahren  durch  die  genauere  Erforschung  der  Zell-  und  Kemteilungsvor- 
gänge.  Die  Tragweite  der  auf  diesem  Gebiete  bereits  gewonnenen  Resul- 
tate ist  eine  sehr  grosse,  in  ihren  Grenzen  vorläufig  nicht  zu  bestimmende. 
So  wenig  geklärt  die  Ursachen  der  Zellneubildung  —  der  normalen,  wie 
der  pathologischen  —  sind:  die  Frage  nach  den  Vorgängen  bei  diesem 
Prozess  ist  zum  Teil  beantwortet,  zum  Teil  ihrer  Beantwortung  um  vieles 
näher  gertickt.  Im  konkreten  Falle  gestattet  der  Nachweis  charakteristiseher 
Kern-  und  Zellteilungsfiguren  schon  jetzt  sicher  verwertbare  Schlussfolge- 
rungen. Alle  Autoren  tragen  dieser  Thatsache  Rechnung  durch  teilweise 
sehr  eingehende  Besprechung  und  durch  Beigabe  instruktiver  Abbildungen. 

Einem  solchen  Forschimgsergebnis  gegenüber  mutet  mich  die  jüngst 
von  Grawitz  aufgestellte  Schlummerzellentheorie  wie  ein  Aufgeben 
sicheren  Besitztums  an  und  ich  bezweifle  gleich  Anderen  die  Richtigkeit 
in  der  Deutung  seiner  Beobachtungsobjekte.  Die  Schlummerzellen  finde 
ich  erwähnt  bei  Schmaus  (10),  nicht  aber,  wie  ein  Recensent  seine? 
Grundrisses  behauptet :  „hier  zum  erstenmale  bedingungslos  ang^nonomen". 
Thoma  (11)  und  Ziegler  (13)  weisen  die  Grawitzsche  Lehre  zurück. 

Dass  die  Resultate,  welche  die  Entwickelungsgeschichte  in  den  letzten 
Jahren  zu  verzeichnen  gehabt  hat,  von  den  Pathologen  gewürdigt  worden 
sind,  und  dass  sie  in  ausgiebiger  Weise  zur  Erklärung  pathologischer  Bil- 1 
düngen  herangezogen  werden,   bedarf   wohl   kaum   einer   besonderen  Er- 1 
wähnung.  Sehr  gute,  instruktive  Abbildungen  haben  neben  solchen  älteren  I 
Autoren  aus  den  bekannten  Arbeiten  von  His,  Hertwig,   von  Reck-I 
linghausen,  Ahlfeld  u.  a.    wohl   verdiente  Aufnahme   in    den  Lelir- 1 
büchern  gefunden  und  zwar  sowohl  in  dem  Kapitel  „Missbildungen",! 
als  auch  bei  der  Besprechung  der  Missbildungen  einzelner  Organe.   Speziell 
sei  hingewiesen  auf  die  Bearbeitung  dieses  Abschnittes  in  Thoma 's  (11) 
Lehrbuch.   Die  kurzen  Bemerkungen  über  die  experimentelle  Erzeugungeu 
von  Doppelmissbildungen  u.  s.  w.,  sein  Eingehen  auf  die  Bedeutung  der 
placentaren  Anastomosen  und  deren  Beziehungen  zu  den  CSrkulationsstö- 
rungen  beim  Fötus  und  Erwachsenen  haben  mich  besonders  angesprochen. 
Hier  imd  nicht  unter  dem  Abschnitt  „Ätiologie*'  sei  noch  der  Erblichkeit 
und  Vererbung  gedacht.     Neben  den   vielumstrittenen,   aber   von  der 
Mehrzahl  der  Forscher  als  bedeutsam  anerkannten  Theorieen  Darwins,  die 
seit  Decennien  unsere  Anschauung  mächtig  beeinflussen,  wendet  sich  ia 


Hand-  und  Lehrbücher  der  menschlichen  Pathologie.  691 

neuerer  Zeit  denjenigen  Forschungsresultaten  ein  lebhaftes  Literesse  zu, 
welche  sich  auf  den  Kopulationsvorgang  selbst,  auf  den  Furchungskern 
und  die  Geschlechtskeme  beziehen.  Eine  sehr  eingehende,  diese  Fragen 
erwägende  Besprechung  giebt  Ziegler  (13);  gleichzeitig  sei  auf  die  betr. 
Kapitel  in  Birch-Hirschfeld's  Lehrbuch  (1)  und  Grundriss  (2)  verwiesen. 

Was  mir  als  ein  Ergebnis  bei  dem  Durchblättern  der  Kapitel  „Neu- 
bildungen'* in  den  oben  genannten  Werken  aufgefallen  ist,  besteht  in 
der  Thatsache,  dass  zwar  die  von  R.  Virchow  eingeführten  oder  von 
ihm  aus  früheren  Autoren  übernommenen  Namen  der  Geschwülste  bei- 
behalten worden,  dass  aber  die  Virchowschen  Bezeichnungen  der 
einzelnen  Geschwulstgruppen  nur  mit  gewissen  Einschränkungen  gebraucht 
werden,  oder  dass  sogar  unter  einer  Virchowschen  Bezeichnung  ganz 
andere  Tumoren  zusammengefasst  sind,  als  der  Autor  bei  der  Wahl  der 
Bezeichnung  unter  ihr  zusammengefasst  sehen  wollte.  —  So  führt  z.  B. 
Birch-Hirschf eld  (1  u.  2)  als  organoide  Geschwülste,  welche  dem 
epithelialen  Typus  angehören,  die  folgenden  auf:  Clavus,  Schwiele,  Comu- 
eutaneum,  Epithelioma  papilläre,  Adenom  und  die  verschiedenen  Carcinome; 
während  Thoma(ll)  Virchow s  histioide  Geschwülste  —  mit  alleinigem 
Ausschluss  des  Sarkoms,  das  er  zu  den  cellulären  autonomen  Neubildungen 
»Iftllt  —  als  organoid  bezeichnet;  er  will  dem  Anteil  Rechnung  tragen, 
welchen  das  gefässhaltige  Bindegewebe  am  Aufbau  auch  dieser  Geschwülste 
regelmässig  nimmt.  Organoid  sind  also  nach  Thoma:  Fibrom,  Lipom, 
Myxom,  Chonckom,  Osteom,  Gliom,  Angiom,  Myom,  Neurom,  Papillom, 
Adenom  und  Kystwaa.  Also  nur  Papillom  und  Adenom  bezeichnet  sowohl 
Birch-Hirschfeld  als  Thoma  als  organoide  Geschwülste  und  beide 
Autoren  stimmen  auch  dann  überein,  dass  die  Teratome  ihrer  Mehrzahl 
nach  zu  den  Missbildungen  zu  rechnen,  oder  doch  am  passendsten  mit 
diesen  zu  besprechen  seien.  —  aber  bezüglich  der  systematischen  Stellung 
aller  andern  Proliferationsgeschwülste  weichen  beide  von  einander  ab. 

Um  derer  willen,  die  lernen  sollen,  und  für  die  eine  Einteilung  des 
Stoffes  nicht  nur  zum  Verständnis,  sondern  auch  zum  Festhalten  des 
Gelernten  fast  unentbehrlich  erscheint,  ist  es  zu  bedauern,  dass  in  zwe 
vielbenutzten  Lehrbüchern,  wie  es  die  der  genannten  Autoren  sind,  ein 
und  dieselbe  Bezeichnung  so  differente  Dinge  umfasst.  Das  muss  den 
Anfänger  verwirren  oder  ihn  zu  der  Annahme  drängen,  dass  eine  syste- 
matische Einteilung  der  Geschwülste  etwas  Gleichgültiges,  ja  Überflüssiges 
sei.  Nach  meinem  Dafürhalten  wäre  es  richtiger  gewesen,  wenn  Birch 
Hirschfeld,  der  als  Grundlage  für  die  Einteilung  der  Geschwülste  die 
aus  der  Histogenese  abgeleitete  „Beziehung  auf  den  entsprechenden 
physiologischen  Gewebstypus"  betrachtet  wissen  will,  —  die  Bezeichnungen 
histioid  und  organoid  ganz  fallen  gelassen    und   nur  die  typischen 

44* 


ß92  Alldem,  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

und  atypischen  Geschwülste  der  Bindesubstanzen,  des  Epitliels  und  der 
durch  Kombination  mehrerer  Geschwulstformen  entstehenden  nebeneinander 
gestellt  hätte.  Ebenso  hätte  Thoma  den  Ausdruck  „organoid'^  der 
nun  einmal  von  Virchow  im  Gegensatz  zu  histioid  und  teratoid  eingeführt 
und  Jahrzehnte  lang  angewendet  worden  ist,  nicht  dem  „cellulär"  gegen- 
über  stellen  sollen,  sondern  hätte  für  seine  organoiden  Geschwülste  besser 
einen  ganz  anderen  Namen  gewählt. 

So  erwähnt  zwar  Ziegler  (13)  die  Virchowsche  Nomenklatur, 
teilt  aber  die  Geschwülste  ebenso  wie  Rindfleisch  (9)  nur  in  zwei 
grosse  Gruppen:  die  Bindesubstanzgeschwülste  und  die  epithelialen.  Klebs 
(3)  bedient  sich  „der  von  His  erdachten  Bezeichnungen"  und  spricht 
von  Parablastomen,  Arcliiblastomen  und  Teratoblastomen. 

Auch  Weichselbaum  (12)  unterscheidet  nur  Bindesubstanzge- 
schwülste und  epitheUalo;  er  nähert  sich  aber  insofern  der  Birch- 
Hirschfeldschen  Einteilung,  als  er  in  der  ersten  Gruppe  solche  mit 
vollkommener  Gewebsreifung  denen  mit  unvollkommener  gegenüberstellt; 
die  letzteren  sind  die  Sarkome.  Schmaus'  (10)  unterscheidet  homologv 
und  heterologe  Geschwülste,  und  diese  decken  sich  inlialtlich  mit  Thomas 
organoiden  und  cellulären  Tumoren. 

Ne  eisen  (5)  erklärt  ausdrückUch:  „man  kann  mit  Virchow  vou 
histioiden  und  organoiden  Neubildungen  sprechen"  und  behält  auch 
diese  Einteilung  bei;  nur  scheidet  er  die  Infektionsgeschwülste  aus  und 
bespricht  dann  in  einem  Anhang  die  lymphatischen  Geschwülste  (Lym- 
phom, malignes  Lymphom,  Leukämie,  Lymphosarkom)  und  das  Melanom. 

Ohne  jegUche  Einschränkung  beibehalten  finde  ich  die  Virchowsche 
Einteilung  nur  bei  Langerhans  (4).  Er  rechnet  auch  die  leukämischen 
Tumoren,  die  typhösen,  skrofulösen  und  hyperplastischen  Lymphome  und 
die  Tuberkel  zu  den  histioiden  Geschwülsten  und  sein  Kompendium  ist 
das  einzige  unter  den  oben  verzeichneten  Büchern,  in  welchem  man  das 
Wort  „Adenom''  vergeblich  sucht.  Das  Kapitel  „Carcinom"  ist  von  Langer- 
hans selbst  bearbeitet;  —  er  lässt  die  „zwiebelschalenartig  zu  Epidermis- 
kugeLn  angeordneten  Zollen  des  Cholesteatoms,  gerade  so  wie  die  gleichen 
Perlen  des  Kankroids,  heteroplastisch  aus  Bindegewebe  entstehen  — 
und  beim  Carcinoma  gelatinosum  ist  „die  Gallertmasse  als  eine  Art  Schleim- 
gewebe aufzufassen,  das  ziu:  Wand  der  Alveolen,  zum  Stroma  gehört.'* 
Das  Buch  enthält  viel  Unrichtiges.  Doch  ich  will  hier  auf  Einzelheiten 
nicht  weiter  eingehen. 

Die  in  thunhchster  Kürze  gegebene  Übersicht  über  die  Einteilimg 
der  Geschwülste  lehrt  die  mannigfachen  Abweichungen  der  Autoren  unter- 
einander. Die  Mehrzahl  sucht  den  seit  Virchow 's  bahnbrechenden  Unter- 
suchungen  gewonnenen  Forschungsresultaten  Rechnung   zu   tragen.    Die 


Hand-  und  Lehrbücher  der  menschlichen  Pathologie.  693 

Auffassung,  dass  das  Bindegewebe  als  die  gemeinsame  Matrix  der  die 
Proliferationsgeschwülste  konstituierenden  zelligen  Elemente  anzusehen  sei, 
erscheint  nicht  mehr  haltbar  gegenüber  der  Erkenntnis,  dass  jede  Zelle, 
wean  sie  einen  gewissen  Grad  ihrer  Ausbildung  erreicht  hat,  nur  Zellen 
ihrer  Art  produzieren  könne,  und  dass  alle  Abkömmlinge  einer  Zelle  den 
Typus  derselben  festhalten,  sowohl  in  ihrem  Chemismus  als  in  ihren  wesent- 
lichen morphologischen  Eigentümlichkeiten  und  zwar  in  dem  Masse  mehr, 
als  sie  ihrer  definitiven  Ausbildung  nahe  kommen.  Ein  Gewebe  also,  es 
proliferiere  zum  Zwecke  des  Wiederersatzes  oder  autonom  (Virchow),  liefert 
nur  Zellen,  die  ihm  nach  seiner  Zugehörigkeit  zu  emem  bestimmten  Keim- 
blatte zukommen;  es  bewahrt  seine  Spezifizität  in  allen  seinen  Descendenten. 
Nachdem  dies  als  ein  gesetzmässiges  Geschehen  erkannt  worden  war,  musste 
es  auch  bei  der  Einteilung  der  Geschwülste  berücksichtigt  werden  —  und 
das  Bestreben,  dies  zu  thun,  ist  als  ein  Ergebnis  zu  bezeichnen,  auch  wenn 
es  bisher  noch  nicht  zu  einer  allseitig  angenommenen  Klassifizierung  der 
Geschwülste  geführt  hat. 

Ein  näheres  Eingehen  auf  die  Bearbeitung  einzelner  Abschnitte  in 
den  der  speziellen  pathologischen  Anatomie  gewidmeten  Lehr- 
büchern erscheint  mir  bei  der  hier  gestellten  Aufgabe  um  so  weniger 
nötig,  als  die  Forschungsresultate  in  den  besonderen  Abschnitten  dieses 
Werkes  Berücksichtigung  finden. 

Ich  bedauere,  dass  das  gross  angelegte  Lehrbuch  von  Orth  (6)  noch 
nicht  vollendet  ist,  trotz  der  Mitarbeiter,  die  er  herangezogen  hat,  —  ich 
freue  mich  aber,  dass  er  den  Schatz  an  Abbildungen,  den  es  birgt,  einem 
grösseren  Kreise  dadurch  zugänglich  gemacht  hat,  dass  er  sie  in  seine 
Diagnostik  (7)  aufgenommen  hat.  Schon  ein  flüchtiger  Blick  in  sein  Kom- 
pendium der  Diagnostik  vom  Jahre  1876  und  in  den  stattlichen  Band,  den 
dessen  vorliegende  5.  Auflage  bildet,  lässt  die  bedeutenden  Verbesserungen, 
die  Ausarbeitung  und  Vertiefung  erkennen,  die  das  Werk  erfahren  hat  und 
diese  rechtfertigen  die  Anerkennung,  deren  es  sich  bei  den  Studierenden 
erfreut. 

In  noch  höherem  Masse,  den  weiter  gesteckten  Zielen  ihrer  Lehr- 
bücher entsprechend,  gilt  das  eben  Gesagte  von  den  Werken  Birch- 
Hirschfeld's  (1)  und  Ziegler's  (13).  Sie  gereichen  in  ihrer  gegenwärtigen 
Form  unserer  Fachlitteratur  zu  hoher  Zierde  und  kommen  durch  sorg- 
fältige Litteraturangaben  auch  dem  Bedürfnis  des  Fachmanns  in  trefflicher 
Weise  entgegen. 

Ich  bin  kein  Freund  von  Kompendien  und  Grundrissen :  sie  werden 
häufig  von  jüngeren  Gelehrten  geschrieben  mehr  zur  eigenen  Empfehlung 
und  Belehrung,  als  zur  Ausfüllung  einer  fühlbaren  Lücke  in  unserem 
Lehrmittelschatz,    und  dann  werden  sie  meist  —  wenn   auch  gegen   den 


694  Allgem.  patbol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Wunsch  ihrer  Autoren  —  nicht  neben,  sondern  anstatt  eines  ausführlichen 
Lehrbuchs  vom  Studierenden  benutzt  und  bilden  wohl  gelegentlich  die 
einzige  Quelle  seines  Wissens.*)  Beides  findet  selbstverständlich  auf  Birch- 
Hirschfelds  (2)  Grundriss  keine  Anwendung ;  ich  brauche  dem  oben  über 
dieses  Buch  Gesagten  wohl  nichts  hinzuzufügen.  Aber  auch  von  Schmaus  (10) 
Grundriss  soll  es  nicht  gelten.  Das  Buch  empfiehlt  zwar  seinen  Autor; 
aber  ich  werde  es  auch  gern  den  Studenten  empfehlen,  denn  es  wird, 
richtig  benutzt,  nur  Gutes  wirken. 

Es  sei  an  dieser  Stelle  noch  der  Abbildungen  gedacht,  die  schwarz 
und  farbig,  in  z.  T.  verschwenderischer  Fülle  die  meisten  der  oben  ange- 
führten Lehrbücher  zieren  und  deren  Wert  als  Unterrichtsmittel  um  ein 
Beträchtliches  erhöhen.  Alle  gebräuchlichen  Arten  der  Vervielfältigung, 
wie  Holzschnitte,  Zinkographie,  Lithographie,  Photographie,  Photographie- 
druck  u.  s.  w.  finden  Verwendung,  und  es  ist  in  allen  sehr  Anerkennens- 
wertes, stellenweise  das  überhaupt  Erreichbare  geleistet. 

Ich  würde  es  bedauern,  wenn  die  Zinkographie,  wegen  des  geringeren 
Kostenaufwandes,  den  ihre  Herstellung  erfordert,  den  Holzschnitt  aus  un- 
seren Lehrbüchern  mehr  und  mehr  verdrängen  sollte.  Wo  beide  in  dem- 
selben Lehrbuch  angewendet  werden,  wie  bei  Neelsen  (5),  Thoma  (11), 
Weichselbaum  (12)  u.  A.  ist  der  Unterschied  z.  T.  sehr  auffallend.  Bei 
grösster  Klarheit  und  Schärfe  ist  der  gute  Holzschnitt  immer  weich;  auch 
die  beste  Zinkographie  hat  etwas  Hartes  und  dabei  Verschwommenes. 
Trotzdem  eignet  sie  sich  für  die  Darstellung  gröberer  Objekte  oder  ein- 
facher Schemata;  bei  der  Wiedergabe  feiner  Strukturbilder  sollte  sie  keine 
Verwendung  finden.  Auf  den  farbigen  Druck  und  die  Photographie 
komme  ich  weiter  unten  zu  sprechen. 

Ihrem  Inhalt  nach  können  die  Abbildungen  reine  Schemata  sein; 
wie  z.  B.  die  Bollinger sehen  in  Schmaus  (10)  Grundriss,  welche  den 
Wirtswechsel  der  Tänien  mit  sehr  einfachen  Mitteln  in  instruktivster  Weise 
zur  Anschauung  bringen ;  sie  können  halbschematische  sein,  wie  solche 
von  Ziegler  (13)  in  Fig.  10—12,  von  Thoma  (11)  in  Fig.  225  benutzt 
sind,  um  das  Charakteristische  des  langsam  oder  beschleunigt  fliessenden 
Bhitstromes  zu  veranschaulichen ;  —  oder  sie  versuchen  das  Histologische, 
bezw.  das  mit  blossem  Auge  wahrnehmbare  Bild  eines  Präparates  mög- 
hchst  naturgetreu  zu  reproduzieren.  Die  Abbildungen  der  letzten  Art 
überwiegen  und  meist  wohl  nicht  zum  Nachteil  des  Lernenden.  Stellen- 
weise jedoch   könnte   das  Schema  imd   die   halbschematische  Zeichnung 


1)  Von  einer  Besprechung  der  Grundrisse  von  Fütter  er  und  von  Ger  des  wurde  des- 
wegen abgesehen,  weil  sie  selbst  diesen  bescheidenen  Anforderungen  kaum  genflgen. 


Hand-  und  Lehrbücher  der  menschlichen  Pathologie.  g95 

noch  mehr  Verwendung  finden.    Es  kommt  dem  Lehrer  häufig  nicht  so- 
wohl darauf  an,  die  Erscheinungsform  eines  bestimmten  Prozesses  in  einem 
konkreten  Fall  zu  demonstrieren,  als  vielmehr  den  Prozess  als  solchen,  wie 
er  jedesmal  nach  tausendfältiger  Erfahrung  verschiedenster  Beobachter  in 
seinem  Ablauf  und  seiner  Ausbreitung  sich  darstellt.    Die  gute  schema- 
tiscbe  Wandtafelzeichnung  einer  kroupös  entzündeten  Lungenalveole  giebt 
dem    Schüler   ein   besseres,  weil   viel   leichter   verständUcheres  Bild   des 
fibiinös-zelUgen  Exsudats  als  die  natiurgetreueste  Abbildung  oder  die  voll- 
endete Photographie  eines   natürlichen  Präparats.     Man"  vergleiche  doch 
einmal  die  Bilder,  welche  die  Lehrbücher  von  der  kroupöseu  Pneumonie 
bringen  mit  Fig.  2,  Taf.  VUI  im  Karg -Schmor  Ischen  AÜas  (14);   das 
treueste  ist  das  letztgenannte,  aber  es  leistet  dem  Lernenden  nicht  mehr 
als  die  übrigen.    Freilich  kann   eine  schematische  oder  halbschematische 
Figur  auch  eine  unrichtige  Vorstellung  von  einem  Naturobjekt  erwecken; 
das  gut  nach  meiner  Meinung  von  der  Langerhansschen  (4)  Abbildung 
des  Penicillium  glaucmn,  Fig.  1.  S.  179.    Hier  hätte  mit  der  Aufwendung 
geringerer  Mittel    und    mit   weniger   Strichen   Besseres    gegeben    werden 
können. 

Diejenigen  Abbildungen,  bei  denen  neben  schwarzem  Druck  nur 
eine  oder  höchstens  zwei  Farben  benutzt  sind —  bei  Weichselbaum  (12) 
die  Figg.  111,  146  und  185;  bei  Ziegler  (13)  die  Figg.  76,  90,  193;  bei 
Birch-Hirschf eld  (1)  IL  Bd.  die  Figg.  55  und  108  —  ziehe  ich  im  allge- 
meinen den  ganz  farbig  gedruckten  vor,  namentlich  wenn  zur  Herstellung 
der  letzteren  im  wesenüichen  nur  eine  Farbe  benutzt  wurde.  So  könnten 
im  2.  Teile  des  Kl ebs sehen  (3)  Handbuches  die  Figg.  56  und  63  anstatt 
braun  bezw.  rot,  ebenso  gut  schwarz  gedruckt  sein.  Dasselbe  gilt  von 
einigen  seiner  lithographischen  Tafeln,  z.  B.  Taf.  49.  Hier  bietet  die 
Farbe,  so  weit  ich  sehe,  gar  keinen  Vorteil.  Wie  anschauUch  und  die 
Tinktionsfärbimg  des  Präparates  treu  wiedergebend  einzelne  bunte  Ab- 
bildungen sein  können,  lehren  die  Figg.  23  und  340  im  1.  Band  von 
Zieglers  Lehrbuch  (13). 

Der  Photographie  und  den  verschiedenen  auf  ihre  Mitwirkung  ange- 
wiesenen Methoden  der  Reproduktion  wird  meist  nachgerühmt,  dass  sie 
die  Objekte  ganz  getreu,  d.  h.  unabhängig  und  befreit  von  der  subjektiven 
Auffassung  und  dem  manuellen  Geschick  des  Darstellers,  wieder  gäben. 
Ich  glaube  nicht,  dass  dies  zutreffend  ist  und  glaube,  dass,  wenn  es  zu- 
trifft, hierin  keineswegs  ein  so  bedeutender  Gewinn  erblickt  werden  darf. 
Subjektiv  bleibt  die  Wahl  des  Objekts  und  subjektiv  die  Wahl  der  Ebene 
für  die  Einstellung.  Das  zweite  Moment  fällt  dann  etwas  weniger  ins 
Gewicht,  wenn  es  sich  um  sehr  dünne  Mikrotomschnitte  oder  etwa  um 
einzelne  pflanzliche  und  tierische  Zellen  handelt;  aber  bedeutungslos  ist 


696  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

es  nicht.  Die  Wahl  des  Objekts  dagegen  wird  stets  die  subjektive  Auf- 
fassung des  Sachverständigen  zum  Ausdruck  bringen ;  weil  eine  Abbildung 
um  so  instruktiver  ist,  je  weniger  verschiedene  Deutungen  sie  zulässt,  so 
wird  er  immer  diejenige  Stelle  im  Präparat  auswählen,  die  seine  Auffassung 
von  dem  Prozess  oder  der  Veränderung  am  klarsten  zu  beweisen  scheint, 
die  er  für  eindeutig  hält.  Ich  weiss  eine  ganz  naturgetreue  Abbildimg 
sehr  wohl  zu  schätzen.  Wenn  es  sich  darum  handelt,  etwas  Neues,  bis 
daliin  noch  von  keinem  Anderen  Beobachtetes  zur  Anschauung  zu  bringen, 
wie  seiner  Zeit  die  Geiselfäden  an  gewissen  Bakterien,  die  Malaria-Plas- 
modien  in  den  Blutkörperchen,  oder  wenn  es  gilt,  ganz  genaue  Grössen- 
verhältnisse  zu  bestimmen:  da  kann  die  Photographie  ein  untrügliches 
und  bequemes  Beweismittel  für  die  gemachte  Beobachtung  werden  und 
die  photographische  Vervielfältigung  eines  solchen  Objekts  sehr  er\vünscht 
sein.  Derartige  Beobachtungen  und  Abbildungen  gehören  aber  zunächst 
in  unsere  fachwissenschaftlichen  Zeitschriften  imd  Archive;  für  die  Lehr- 
bücher sind  später,  wenn  die  Beobachtung  anerkannt  ist,  möghchst  ein- 
fache und  korrekte  Zeichnungen  vollständig  ausreichend.  Denn  die  Abbil- 
dungen in  einem  Lehrbuche  sollen  die  Auffassung  des  Autors  vor  allem  zum 
Ausdruck  bringen ;  sie  sollen  seinen  Worten  nicht  etwa  zum  Beweis  dienen, 
sondern  sollen  deren  Verständnis  erleichtern.  Die  Abbildungen  sind  um 
des  Textes  willen  beigegeben,  nicht  umgekehrt.  Und  deshalb  genügt,  nach 
meiner  Meinung,  ein  gutes  Schema  oder  die  schematisierte  Wiedergabe 
eines  instruktiven  Präparats;  eine  solche  ist  frei  von  dem  zufälligen  Bei- 
werk, das  jedem  natürüchen  Objekt  und  jeder  treuen  photographischen 
Wiedergabe  anhängt  und  das  die  Aufmerksamkeit  des  Lernenden  eher  ab- 
lenkt, als  es  seinem  Verständnis  förderlich  ist. 

Wie  verhält  sich  dies  nun  bei  einem  Atlas?  Im  Atlas  ist  freilich  die 
Abbildung  die  Hauptsache,  und  der  meist  kurze  Text,  so  notwendig  er  auch 
zum  Verständnis  ist,  bildet  die  Beigabe.  Insofern  es  sich  aber  um  die  Dar- 
stellung von  mikroskopischen  Strukturbildern  auf  photographischem  Wege 
handelt,  und  der  Herausgeber  eines  solchen  Atlas'  die  Absicht  hat,  an  erster 
Stelle  ein  Lehrmittel  zu  schaffen,  gilt  das  oben  Gesagte  auch  von  seinem 
Werke.  Die  absolute  Naturtreue  braucht  bei  sorgfältiger  Auswahl  der  Ob- 
jekte nichts  Störendes  zu  haben,  sie  ist  aber  nicht  erforderiich  und  erhöht 
die  Brauchbarkeit  des  Werkes  nicht  in  dem  Masse,  als  es  Mühe  und  Kosten 
verursachte,  sie  zu  erreichen. 

Die  Naturwahrheit  der  Abbildungen  in  dem  Atlas  der  pathologischen 
Gewebelehre  von  Karg  und  Schmorl  (14)  ist  thatsächUch  eine  über- 
raschende, und  wer  die  dargestellten  Objekte  kennt,  wird  in  gleicher  Weise 
der  technischen  Vollendung  der  mikroskopischen  Präparate,  wie  ihrer  sehr 
sorgfältigen  Auswahl  seine  volle  Anerkennung  nicht  versagen.    Freilich  in 


Hand-  und  Ijehrbttcher  der  inenachHchen  Pathologie.  697 

(las  Lob  eines  Recensenten,  „dass  die  Tafeln  geeignet  seien,  die  besten 
Präparate  zu  ersetzen",  kann  ich  trotz  alledem  nicht  einstimmen; 
wenigstens  könnte  ich  dem  Atlas  dann  keine  Verbreitung  unter  unsem 
Studierenden  wünschen.  In  dem  Präparat,  im  Naturobjekt  selbst  müssen 
sie  sich  zurecht  finden  lernen,  und  jede  Abbildung,  sei  sie  schlecht  oder 
vollkommen,  hat  nur  den  Zweck,  diese  Orientierung  zu  vermitteln  oder  zu 
erleichtem.  Trotz  der  treuen  photographischen  Wiedergabe  der  Objekte  in 
dem  vorliegenden  Werke,  scheinen  die  Bilder  mir  teilweise  doch  recht 
schwer  verständlich,  besonders  für  den  weniger  Geübten.  Jedenfalls  ist 
z.  B.  das  auf  Taf.  VI  in  Fig.  1  dargestellte  Präparat:  Hyaline  Thromben 
in  den  Glomerulusschlingen  bei  Eklampsia  parturientium  im  Original  be- 
deutend klarer  und  bei  Fig.  4  derselben  Tafel  „Blasser  Niereninfarkt'' 
wünscht  man  unwillkürlich,  auch  einmal  die  stärkere  Vergrosserung  an- 
wenden zu  können.  Und  endlich  vermisse  ich  hier  bei  solcher  Naturwahr- 
heit mehr  als  in  einer  halbschematischen  Zeichnung:  die  Farbe.  Auch  die 
schönste  Photographie  eines  farbigen  Objektes  ist  immer  nur  ein  Schatten; 
Gedächtnis  und  Einbildungskraft  des  Beschauers  müssen  ihr  Farbe  und 
Inhalt  geben ;  das  gilt  von  der  Photographie  einer  Person  ebenso,  wie  von 
der  eines  mikroskopischen  Präparats,  das  wir  in  solcher  Deutlichkeit  nur 
farbig  zu  sehen  gewohnt  sind.  Man  wird  hofEentlich  in  diesen  Bemerkungen 
weder  eine  ungerechte,  thörichte  Forderung  finden,  noch  die  kleinliche 
Bemängelung  eines  technisch  vollendeten  und  vorzüglich  ausgestatteten 
Werkes:  ich  habe  mich  nur  über  den  Wert  der  Naturtreue  von  histologi- 
schen Abbildungen,,  die  dem  Lehi7;wecke  dienen  sollen,  ausgesprochen. 

In  dem  Atlas  der  pathologischen  Gewerbelehre  von  Grawitz  (15) 
haben  die  Abbildungen  die  Bedeutung  eines  Beweismaterials  für  die  oben 
berührten  Anschauungen  des  Autors  über  die  Beteiligung  der  Bindegewebs- 
grundsubstanz  an  der  entzündlichen  Zellneubildung;  sie  sollen  die  Rück- 
bildung dieser  Substanz  „von  dem  ^hromatinfreien ,  fibrillären  Zustand  in 
den  färbbaren  Kernzustand'*  demonstrieren.  Bei  dieser  Absicht  des  Verf. 
ist  die  Wahl  der  photographischen  Vervielfältigung  ganz  am  Platze.  Die 
Wahl  des  Titels  scheint  mir  nicht  gerechtfertigt;  der  Atlas  umfasst  nur 
einen  sehr  kleinen  Teil  der  pathologischen  Geweblehre;  er  ist  eine  Mono- 
graphie über  die  Schlummerzellen  mit  vielen  Abbildungen. 

Ein  bedeutendes,  gross  angelegtes  und  prachtvoll  ausgestattetes 
Lieferungswerk  liegt  uns  in  den  von  Käst  und  Kumpel  (16)  heraus- 
gegebenen pathologisch-anatomischen  Tafeln  aus  den  Hamburger  Staats- 
krankenhäusern vor.  Ich  wüsste  ausser  Cruveilhiers  klassischem 
Atlas  keinen  zu  nennen,  der  dem  Käst- Kumpel  sehen  an  die  Seite  zu 
stellen  wäre.  Die  bisher  erschienenen  12  Lieferungen  sind  mustergültig 
in  Wahl  und  Wiedergabe  der  Präparate.   Sie  werden  jedem  akademischen 


698  Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Lehrer  als  Aushilfsmittel  bei  etwa  eingetretenem  Mangel  eines  frischen 
Präparates  oder  auch  neben  einem  solchen  zm*  Unterstützung  seiner  Demon- 
stration hoch  willkommen  sein.  Aber  —  leider!  wohl  auch  nur  dem  aka- 
demischen Lehrer.  Denn  trotz  des  ungemein  billigen  Preises  sind  doch  nur 
recht  wenige  Ärzte  und  noch  weniger  Studenten  in  der  Lage,  neben  einem 
Lehrbuche,  dessen  sie  an  erster  Stelle  bedürfen,  ein  derartiges  Werk 
sich  anzuschaffen.  Dozenten,  Institute  und  allenfalls  BibUotheken  bilden 
wenigstens  in  Deutschland  ausschliesslich  den  Kreis  seiner  Abnehmer; 
das  gilt  in  gleicher  Weise  wohl  für  den  Karg- Schmorischen  Atlas. 
Erwähnt  sei  endlich  noch  Rieders  (17)  Atlas  der  klinischen  Mikroskopie 
des  Blutes.  Er  ist  gleich  ausgezeichnet  durch  die  sorgfältige  Auswahl  der 
Präparate,  wie  durch  ihre  vortrefiEliche  farbige  Wiedergabe  imd  die  ge- 
samte, sehr  geschmackvolle  Ausstattung. 


LedigUch  Anleitung  zur  Ausführung  pathologisch-anatomischer,  bezw. 
gerichthcher  Sektionen  und  zur  Abfassung  der  Obduktionsprotokolle  geben 
die  technischen  Lehrbücher  von  Virchow  (21),  Chiari  (18)  und  Xau- 
werck  (20).  Eine  willkommene  Beigabe  bilden  Musterprotokolle  und  bei 
Letztgenanntem  verdient  die  eingehende  Berücksichtigimg  dankend  erwähnt 
zu  werden,  die  er  den  gcrichtsärztlichen  Vorschriften,  Regulativen  und 
Instruktionen  zu  teil  werden  lässt,  welche  in  den  verschiedenen  deutscheu 
Staaten  Geltung  haben.  Ne eisen  (19)  widmet  neben  der  Sektionstechnik 
den  pathologisch-histologischen  Untersuchungsmethoden  (Grundriss  2.  Teil) 
eingehende  Besprechung  und  nähert  sich  in  dieser  Beziehung  der  Orth- 
schen  Diagnostik  (7),  welche  an  die  Anleitung  zur  Vornahme  von  Obduk- 
tionen, diejenige  zur  weiteren  Untersuchung  der  gewonnenen  Präparate 
anschliesst.  —  Die  genannten  Werke,  mit  Ausnahme  des  von  Neelsen, 
enthalten  gute  Abbildungen,  von  denen  hier  nur  diejenigen  hervorgehoben 
sein  sollen,  welche  die  verschiedenen  Handstellungen  des  Sezierenden  oder 
die  Schnittführung  und  Schnittrichtung  bei  der  Untersuchung  und  Eröff- 
nung einzelner  Organe  in  sehr  instruktiver  Weise  anschaulich  machen. 
Besonders  reich  an  solchen  Abbildungen  sind  die  Bücher  von  Chiari  (18) 
und  Nauwerck  (20). 


IL 

Lehrbücher  der  Tierpathologie. 

Von 

R.  Ostertag,  Berlin. 


Pathologische  Anatomie  der  Hanstiere. 

Die  tierärztliche  Litteratur  ist  arm  an  Lehrbüchern  der  pathologischen 
Anatomie.  Zum  ersten  Male  finden  wir  die  pathologische  Anatomie  der 
Haustiere  berücksichtigt  in  dem  „Handbuch  der  pathologischen  Anatomie 
des  Menschen  und  der  Tiere''  von  Otto*),  sowie  in  dem  gleichnamigen 
Lehrbuche*)  desselben  Autors.  Ferner  hat  Schwab  einen  Anlauf  genom- 
men, in  seinen  „Materialien  zur  pathologischen  Anatomie  der  Haustiere"^) 
Grundsteine  zu  einer  pathologischen  Anatomie  der  Haustiere  zusammen- 
zutragen. Die  erste  systematische  Bearbeitung  erfuhr  unsere  Disziplin  aber 
erst  durch  Gurlt. 

Das  „Lehrbuch  der  pathologischen  Anatomie  der  Haussäugetiere''  von 
Gurlt*)  hat  sich  s.  Zt.  ausgezeichnet  durch  die  sorgfältige  Sammlung  der 
in  der  Litteratur  zerstreut  liegenden  pathologisch -anatomischen  Notizen, 
femer  durch  die  zusammenfassende  Behandlung  der  bei  den  Haustieren 
vorkommenden  Zooparasiten  und  insbesondere  durch  die  im  zweiten  Teile 
enthaltene  Bearbeitung  der  tierischen  Missbildungen.  Dieser  Teil  des  Gurlt- 
schen  Werkes  ist  auch  heute  noch  von  Wert.  Eine  zweite  Auflage  erfuhr 
das  vorzügliche  Werk  nicht,  weil  die  erste  „im  Verhältnis  zu  gross"  ge- 
macht worden  ist.  Um  sein  Buch  auf  der  Höhe  zu  erhalten,  gab  Gurlt 
im  Jahre  1849  „Nachträge  zum  ersten  Teil  der  pathologischen  Anatomie 
der  Haussäugetiere"  heraus. 


1)  Brealaa  1814. 

2)  Berlin  1830. 

8)  München  1815. 
4)  Berlin  1831. 


700  Allgem.  paihol.  Morphologie  und  Physiologie. 

Ein  ähnliches  Schicksal  erlebten  die  beiden  später  erschienenen  vete- 
rinär-pathologischen  Werke,  die  „Pathologische  Anatomie  der  Haussäuge- 
tiere" vonFuchs^)  und  das  „Lehrbuch  der  pathologischen  Zootomie'' von 
Bruckmüller*). 

Auch  diese  Bücher,  von  welchen  namentlich  das  zuletzt  genannte 
durch  die  Fülle  eigener,  vom  Verfasser  an  dem  reichen  Material  des  Tierarznei- 
Instituts  zu  Wien  gemachten  Erfahrungen  ausgezeichnet  ist,  wurden  nur 
einmal  aufgelegt  und  waren  dementsprechend  bald  veraltet. 

In  den  70er  und  80er  Jahren  fehlten  zeitgemässe  tierärztliche  Werke 
über  pathologische  Anatomie  völlig.  Dieser  Mangel  ist  umso  verwunder- 
licher, als  für  den  Tierarzt  die  pathologische  Anatomie  in  unmittelbar  prak- 
tischer Hinsicht  eine  viel  bedeutendere  Rolle  spielt,  als  für  den  Arzt  Jeder 
Tierarzt,  nicht  nur  der  beamtete,  sondern  auch  der  praktische  Tierarzt, 
kommt  tagtäglich  in  die  Lage,  Sektionen  vorzunehmen,  um  Seuchen  fest- 
zustellen oder  über  Währschaftsansprüche  bei  frisch  gekauften  Haustiereu 
zu  entscheiden.  Kitt  bezeichnet  die  Sachlage  richtig,  wenn  er  in  der  Vor- 
rede zu  seiner  Diagnostik  (s.  u.)  sagt:  Der  Tierarzt,  welcher  so  viel  und 
notwendig  anatomisch  die  Krankheiten  der  Haustiere  zu  bestimmen  hat, 
war  gezwungen,  sich  einerseits  die  pathologisch-anatomischen  Kapitel  auf- 
zusuchen, andererseits  sich  an  die  Werke  der  Menschenheilkunde  zu  halten, 
welche  die  gemeinsame  Basis  abgeben,  aber  nur  sparsam  und  ausnahms- 
weise Notizen  über  Tierpathologisches  enthalten;  der  Student  war  vorzugs- 
weise auf  Kollegienskripten  und  auf  das,  was  ihm  von  Demonstrationen 
her  im  Gedächtnis  blieb,  angewiesen. 

Der  Mangel  eines  Lehrbuchs  der  pathologischen  Anatomie  der  Haus- 
tiere wurde  dadurch  in  etwas  ausgeglichen,  dass  die  tierärztlichen  Werke 
über  Pathologie  und  Therapie  in  die  Darstellung  der  einzelnen  Kapitel 
genauere  Sektionsbefunde  einfügten.  Besonders  erwähnt  sei  in  dieser  Hin- 
sicht das  „Lehrbuch  der  speziellen  Pathologie  und  Therapie  der  Haustiere" 
von  Friedberger  und  Fröhner^).  Auch  in  dem  neuerdings  erschienenen 
„Handbuch  der  Fleischbeschau''  von  Ostertag*)  ist  die  pathologische 
Anatomie  der  sclilachtbaren  Haustiere  auf  Grund  der  Erfahrungen  in  den 
Schlachthäusern  vom  diagnostischen  Standpunkte  aus  gewürdigt  worden. 
Für  die  Fleischbeschau  ist  die  pathologische  Anatomie  die  wissenschaftliche 
Grundlage.  Denn  die  Fleischbeschau  ist  nach  Bollingers  zutreffender 
Bezeichnung  nichts  anderes  als  angewandte  pathologische  Anatomie. 


1)  Leipzig  1859. 

2)  Wien  1869. 

3)  3.  Aufl.    Stuttgart  1892. 

4)  2.  Aufl.    Stuttgart  1895. 


LehrbOober  der  Tierpatbologie.  701 

Diese  beiläufige  Behandlung  der  pathologischen  Anatomie  in  anderen 
Büchern  genügt  aber  dem  Bedürfnisse  nur  als  Notbehelf.  Aus  diesem 
Grunde  wurde  es  mit  Freuden  begrüsst,  als  Johne  in  dem  „Lehrbuch 
der  pathologischen  Anatomie''  von  Birch-Hirschf eld^),  die  allgemeine 
pathologische  Anatomie  der  Haustiere  vergleichend  bearbeitete.  Es  wurde 
auf  diese  Weise  ein  Werk  geschaffen,  welches  zur  vergleichenden  Forschung 
anregt  und  dem  Studierenden  der  Medizin  wie  demjenigen  der  Veterinär- 
medizin in  gleicher  Weise  als  Lehrbuch  dienen  kann.  Leider  hat  sich 
aber  die  Mitarbeit  John  es  auf  die  allgemeine  pathologische  Anatomie  be- 
schränkt. Der  spezielle  Teil  des  Lehrbuchs  von  Birch-Hirschfeld  ist 
—  aus  Rücksicht  auf  den  Umfang  —  ohne  tierpathologische  Beiträge  er- 
schienen. 

Das  erste  selbständige  Werk  über  pathologische  Anatomie  der  Haus- 
tiere seit  der  Edition  des  Bruckmüllerschen  Lehrbuchs  —  nach  25jäliriger 
Litteraturpause  —  verdanken  wir  Kitt.  Das  „Lehrbuch  der  pathologisch- 
anatomischen Diagnostik  für  Tierärzte  und  Studierende  der  Tiermedizin*'  ^) 
von  Kitt  ist  „eine  zusammenfassende  Übersicht  der  speziellen  patholo- 
gischen Anatomie  der  Haustiere  für  die  Lernzwecke  des  Studierenden  und 
eine  Anleitung  für  den  praktischen  Tierarzt  zur  Bestimmung  krankhafter 
Organbefunde  bei  Sektionen."  Die  wichtigsten  Abschnitte  der  allge- 
meinen Veterinär-pathologischen  Anatomie  hatte  Kitt  bereits  in  seiner 
„Bakterienkunde  und  pathologischen  Mikroskopie"  2)  in  ähnUcher  Weise 
bearbeitet. 

Von  dem  Kittschen  Lehrbuche  der  pathologisch-anatomischen  Dia- 
gnostik ist  der  1.  Teil  erschienen.    Derselbe  umfasst  folgende  Kapitel: 
Sektionstechnik  bei  den  verschiedenen  Haustieren, 
Pathologisch-anatomische  Beschreibung, 
Missbildungen, 
Anomalien  der  Haut, 

„  des  Hufes  und  der  Klauen, 

„  der  Milchdrüse, 

„  „    Muskeln, 

„  „    Schleimbeutel,  Sehnenscheiden  und  Sehnen, 

„  „    Knochen  und  Gelenke, 

„  „    Zähne, 

„  .  „    Maulschleimhaut,  Zunge  und  Rachenhohle, 

„  „    Speicheldrüsen, 


1)  4.  Aufl.    Leipzig  1889. 

2)  1.  Bd.    Stuttgart  1894. 

3)  Wien  1893. 


702 


Allgem.  pathol.  Morphologie  und  Physiologie. 


Anomalien  der  Luftsäcke  des  Pferdes, 
des  Schlundes, 
der  Vormägen, 
des  Magens, 

der  Leber  und  Gallenwege, 
„    Bauchspeicheldrüse. 

Kitt  hat  die  einzelnen  Kapitel  des  ersten  Bandes  auf  Grund  seiner 
reichen  Erfahrung  und  unter  elektiver  Verwertung  der  Litteratur  über- 
sichtlich und  für  das  gesteckte  Ziel  erschöpfend  behandelt.  In  Bezug  auf 
Systematik  weist  das  Buch  Lücken  auf.  Es  sollte  aber  nach  der  aus- 
gesprochenen Absicht  des  Verfassers  weniger  systematisch,  als  hinsichtlich 
der  praktischen  Bedürfnisse  des  Tierarztes  vollkommen  sein.  Zahlreiche 
gut  ausgeführte  Abbildungen  pathologisch-anatomischer  Veniuderungen  bei 
Haustieren  erhöhen  den  Wert  des  schönen  Buches. 


Autorenregister. 

(Die  feit^edraekten  Ziffern  beziehen  sich  aof  die  LitteratunrerzeichnisBe.) 


A. 

Abel,  J.  874,  376,  625. 
Abel,  L.  600,  510. 
Abeles  631. 
Abesser  494,  495. 
Ackermann,  Th.  302,  353, 354, 

368,  421,  436. 
Acri  170. 
Adamkiewicz  429,  468,   478, 

479,  482,  484,  512. 
Aeby  112. 
Ahlfeld  690. 
Albarran  468. 
Albertoni  617. 
Alberts  467,  464,  468,  474. 
Albrecht,  E.  187,  188,    149, 

151,  356,  361,  487,  488. 
Alba  689,  650,  651. 
Aldibert  886,  388. 
Alexander  111,  888,  384. 
Algen  19,  34. 
Aisberg  810,  312,  313,  317. 
Alt  35. 
Altmann,  S.  4,  12,  17,  18,  23, 

30,  147,  148,  158,  159,  160, 
188,  552. 
Alvarez  186,  190. 
Andeer  4,  12. 
Andral  69. 
Angelucci  225,  280. 
Antony  810,  317. 
Apathy  4,  16. 
Appert  77. 


Aoyama  420,  436. 

Araki  594,  595,  599,  601,  602. 

Armandet  451,  468,  474. 

Amaud  881,  333,  334. 

Amheim  143,  144. 

Arnold,  J.  64,  78,  89,  102, 
116,  128,  129,  130,  131,  135, 
225,  242,  244,  262,  268,  265, 
266,  267,  284,  308,  316,  331, 
361,  864,  366,  421,  426,  428. 

Amstein  106. 

Aronsohn  669. 

d'Arsonval  689,  651,  653,  678. 

Aschoff,  L.  286,  288. 

Askanazy  174,  178,  179,  225, 
389. 

Astaschewski  689,  643. 

Aubert  650. 

Auchö  511,  518,  519. 

d' Audibert  Caille  du  Bourguet 
805. 

Auerbach  160. 

d'Aulnay  898,  408. 


Bab^s  306. 

Baginsky  533,  618,  621. 

Balfour  564. 

Ballance  225,  282,  268,  267, 

452,  456,  457,  458,  466,  468, 

471,  472,  474,  495. 
Balzer  320,  887,  391. 
Banti  689,  C57. 


Bannwarth  225. 

Barbacci  842,  348. 

Bard  225,  234,  260,  262,  266, 

289,  295,  424,  488,  439,  440, 

541,  552. 
B(u-denheuer  225,    242,   497, 

500. 
Barfurth  24,   225,   233,   234, 

239,  246,  247,  248,  249,  262, 

541,  547,  552. 

Bariä  689,  657. 

Barlow  418,  416,  417. 

Bartels  656. 

Barth  225,  241,  254,  887,  390. 

Bartsch  469,  484. 

Basch,  S.  V.  36,  39,  40,  42, 
43,  47,  48,  52,  62,  673. 

Battaglia  866,  369,  370,  371. 

Bauby  534,  535. 

Baumann  634,  685. 

Baumgarten  64,  226,  243,  245, 
261,  268,  264,  267,  269,  275, 
276,  279,  280,  283,  304,  374, 
421,  435,  482,  506,  539,  560. 

Bayer  842,  347. 

Bayha  457,  465. 

Beck,  C.  187,  151,  152,  153, 
155,  156. 

V.  d.  Becke-Callenfels  86. 

Becker  898,  412. 

Beco,  M.  689,  657. 

Behring  575. 

Beltzow  226. 


704 


Autorenregiater. 


Benario  146,  157,  158,  160. 

Benda,  C.  ^1. 

Benecke,  F.  W.  494,  496,  515. 

Benecke,  R.  18,  30,  31,  37, 
64,  81,  200,  206,  ±26,  244, 
342,  dia,  344.  347,  d48,  349, 
350,  351.  352,  354,  355,  880, 

381,  389,  412,  421,  423,  424, 
427,  449,  450,  451,  453,  455, 
457,  464,  465,  466,  482,  491, 
494,  497,  518,  519,  520,  521, 
523,  524,  525,  526,  529. 

.  Berdez    115,   874,   375,    376, 
377. 

Berent  220. 
.Beresowski  226,  241,  254. 

Bergkammer  226. 

V.  Bergmann  226,  473. 

Bergonzini  19,  23,  32,  182, 
203. 

Berliner  805,  306,  307. 

Bernard,  Cl  606,  607,  635,  671. 

B^rnauer  128,  133. 

Berthenson  822,  324. 

Bertelsmann  245. 

Bessel-Hagen  392. 

Bidault  457,  465,  538. 

Biedermann  399,  446. 

Biemer  117. 

Billroth  226,  244,  472,  499,  665. 

Binet  689,  650. 

Binz  64,  77. 

Biondi  19,  20,  22,  23,  27,  29, 
32,  182,  266,  278. 

Birch-Hirschfeld  18,  27,  107, 
185,  200,  212,214,215,210, 
221,  224,  226,  284,  290,  292, 
293,  295,  299,  888,  341.  381, 

382,  887,  3b8,  389,  390,  391, 
392,  421,  436,  688,  685,  686, 
689,  691,  692,693,  694,095, 
701. 

Bizozzero  226,  288,  236,  237, 
240,  259,  200,  368,  372. 

Blanc  689,  649. 

Blaschko  810,  316,  317,  318. 

Bleibtreu,  M.  u.  L.  691,  627, 
633,  675. 

Blum,  F.  4,  9. 

Blum,  J.  4,  9,  10. 

Blumberg  527,  532,  533. 

Bockendahl  226,  239. 

Bödecker  034,  685. 


Böhmer  23. 

Börner,  P.  601,  505. 

Böttcher  333. 

Boice  468. 

Boinct  688,  689,  650. 

Bollinger  48,  50,  68,  401,  405, 

694,  700. 
Bonde  461,  453,  456. 
Bonnet,  R.  225. 
Bonnet,  Frz.  457,  466. 
Bonome  128,  134,   135,  226, 

251. 
Bonorden  898,  412. 
Borchard  887,  388. 
Borchers  451,  453,  467,  461, 

501,  503. 
Bomaud  888,  341. 
Bordet  65,  78. 
Born  4,  10,  541,  546,  547,  548, 

551,  552. 

Bomemann  898,  409,  410. 
Borrel  264,  276,279,468,481. 
Borrisow  264,  267. 
Bosc  640,  643. 
Boström  105,  106. 
Bouchard   95,   576,  578,  579, 
629,  689,  642,  643,  648,  649, 

651,  664.  669,  672. 

BoQchardat  613,  617. 

Boveri  165,  546. 

Brandl  374,  376. 

Braem  541. 

Braithwaite  519,  523. 

Brault  359. 

Braun  367,  368,  371,  457,  460. 

Braunschweig  867,  369. 

Bret  502,  504. 

Breus  881,  335. 

Brieger  650. 

Bright  575,  642,  656. 

Brigidi  805,  309. 

Brown  87,  887,  393,  471. 

Brown-Söquard  635,  689,  651, 

652,  653. 
BruckmüUer  700,  701. 
Bruner  374. 

V.  Brunn  108,  288. 
Bruns  805,  307,  308,  309,  310, 
450. 

Bruylants  688. 
Bubnoff  77. 
Buchanan  215,  221. 


Bücher  449,  945. 
Buchholz  888,  339. 
Bachner  64,  78,  79.  6W,  GC7. 
Bucquoy  810,  317. 
V.  Bünau  810,  319. 
V.  BQngner  228,  251. 
BQtschli  176,  408,  486. 
Büttner  801,  332. 
Bunge  64,  584. 
Burchardt   18,    28,  468,  V.u, 
488. 

Burmeister,  Th.  137, 148,  Ij\K 

189,  203. 
Busachi  226,  245. 
Busse  4,  16,  394. 
Butlin  451,  455,  456,  457. 
Butterkirch  529. 


Cahen  467,  466. 
I  Camerer  683. 
I  Campell,  A.  W.  118. 
)  Carbone  106,  109. 

Cario  514. 

Carmalt  429. 

Carter  867.  369,  370,  371. 

Caspary  418,  417,  419. 

Castellino  511,  517. 

Cattani  64. 

Cattle  468. 

Cavallero  676,  677. 

Cavazzani  187,  152,  154,  639. 
642. 

Cazin  887,  394,  469.  4dl. 

Celli  106. 

Centanni  664,  067. 

Ceresoie  612. 

Chabry   641,    546,   547,  55u, 
551. 

Chambrelent  610,  641.  640. 

Charcot  95. 

Charles  267. 

Charram  533. 

Charrin  224,  664,  665,  069, 

672,  673. 
Chauffard  320. 
Chauveau  673. 
Chenantais  421,  437. 
Chetchovski  888,  386. 
Chevalier  99,  688. 


Autorenregister. 


705 


Chiari  4,  7,  13.  291.  828,  411, 

431,  437,  688,  698. 
Chocbamoyicz  457,  460. 
Choappe 
Christ  296,  240. 
Chriatiani  226.  254^ 
Chan  541,  546,  547,  551. 
Cbvostek  511,  513,  588,   587, 

588.  602. 
Ciaglinsky  4,  14,  19,  35. 
Ciaessen  469. 
Clarke  887,  393,  476. 
Clement  421,  433,  458,  467, 

527,  537,  539. 
Coats  469,  481. 
CoSn  226,  251. 
Cohn,  F.  451,  453,  498. 
Cohn  887,  390. 

Cohnheim  64,   69,   77.  81,  96, 
97,  135,   136,  158.  220,  226, 
265,  296,  299,  300,  308,  328, 
388,  420,  449,  450, 689,  646. 
Cofanstein  599. 
CondoreUi  140,  200,  224. 
Courdoux  689. 
Coarmont  664. 
Coranda  588. 

Cordua  200,  215,  221,  421,  435. 
Cornil  186,  190,  284, 421,  426, 

428,  432,  469,  473,  481. 
Cozzolino  458,  464. 
Cremer  608. 
Crone  458,  466. 
Crooke  488,  441. 
Cruveilhier  98,  697. 
Czapek  822,  324. 
Czermak 

Czemy  166, 168, 169,  177.  178, 
179,  200,  214,  220,  223,  224. 


Dache  64. 

Dardufi  226,  259. 

Dareste  541,  545,  550. 

Darier  484. 

Dartigolles  810,  317. 

Darwin  690. 

Dehio  55,  60,  61,  68,  511. 

Dekhuyzen  150,  226,  242. 

Delafield  25. 

D^Iepine,  Sheridan  469,  481. 


Demme  503. 

Deneke  421. 

Denny  639,  649. 

Le  Dentu  536. 

Derbe  226. 

Desnos  810,  317. 

Dittrich  106, 451,  453,  454,  456. 

Djatacbenko  226,  253. 

Doederlein  887,  388,  389. 

Dolore  535. 

V.  Dombrowski  825,  327. 

Donath  664. 

Dor  810,  315. 

Doran  887. 

Dontrelepont  458,  464. 

Drechsel  625. 

Dressler  115. 

Drews  226. 

Dreyfuss  413,  415,  416. 

Driesch  227,    234,   239,  541, 

546,  550,  551,  552,  565. 
Driessen  166,    173,    174,   178, 

867,  370,  389. 
Drouin  591,  622. 
Dnbler  65. 
Duckworth  688. 
Dnclert  65. 
Danin  689,  657. 
Dunschmann  421,  433. 
Duplay  887,  394. 
Durand  501,   503,  451,    456, 

458,  461. 
Dürr  421,  423. 
Dutrochet  77. 
Duval  240. 

Earling  463. 

Eberth  65,  78,  81,  118,  121, 
141.  212,  222,  227,  242,  243, 
268,  267,  268,  469,  489. 

Ebstein  888,  385,  627,  629,  630, 
632,  688. 

Eck  622,  624. 

Eckardt,  C.  867,  509,  510. 

Eckardt,  P.  541,  550. 

Edelberg  664. 

Edinger  7. 

Ebrendorfer  497,  498 

Ehrlich,  P.  18,  19,  20,  24,  31, 
32,  90,  166,  167,  168,  169, 
170.  174,  175,  179.  182,  268, 
277.  517,  631. 


I'abarsch-Ostertag,  Ergebnisse  Abteil,  n. 


Ehrlich,  W.  488,  441. 

Ehnnann  112,  811,  315. 

Einhorn  511,  517. 

Eichhorst  485. 

Eisenhart  451,  453. 

Eisenlobr  888,  341. 

y.  Eiseisberg  227,  254,   293, 

887,  394,  418,  420, 421,  424, 

687. 
Eiselt  115. 
Eisenreiter  842. 
Eliscber  509,  510. 
Elscbnig  4. 
Embden  685. 
Enimery  558,  559. 
Enderlen  227,  244. 
Endres  542,  547,  550. 
V.  Engel  617. 
Engelmann  58,  65,  78. 
Engaet  118,  121. 
Ephraim  617. 
Eppinger  291,  419. 
Erbkammer  227. 
Erichsen  496. 
Ernst,  P.  18,  20,  24,  26,  65, 

200,  202,  203,  206,  209,  867, 

371. 
Eschle  187,  142. 
Eschweiler  451,  453. 
V.  Esmarch  887,  393,  452,  456, 

458,  464,  465,  495. 
d'Espine  689,  648. 
Etart  603. 

Ewald,  C.  A.  511,  640,  651. 
Ewetzky  218. 
Eylandt  587. 


F. 

Fahre  534. 

Faisans  99. 

Falk  23,  206,  210,  264,  275. 

Favre  159. 

Felix  227,  250. 

Feltz  640,  643,  644,  648. 

Ferö  689,  649. 

Ferrari  470. 

Ferr^ol  610,  642. 

Feurer  418,  420,  507. 

Feulard  811,  320,  321. 

Fiedler  542,  546,  547. 

Field  4,  15. 

Fiessinger  469,  474,  496. 

45 


7()6 


Autorenregister. 


Fink  348. 

Finkler  671. 

Fi8chei:4e9. 

Fischer,  A.  425. 

Fischer  227,  640,  657. 

Flaischlen  199,  372,  421,  436. 

V.  Fleische!  516. 

Fleischer  «40,  642,  646,  654. 

Flemming  12,  18,  29,  32,  145, 

162,  164,;;227,  236.  240,  242, 

245,  314,  320,  358,  488. 
Floyd  110. 

Foa  409,  476,  477,  483,  487. 
Foerster  584. 
Formanek  688. 
Forster,  L.  227,  250. 
Le  Fort^627,  532. 
Fox  180,  181. 
Fraenkel,  A.  80,  264,  275,  867, 

372,?  374,  610. 
Fraenkel,  B.  407,  498. 
Fraenkel-Breslaa,  £.  600,  510. 
Fraenkel  £.  286,  288. 
Fraisse  227. 

Francotte.888,  339,  511,  518. 
Fran^ois  Frank  677. 
Franke  867,  369,  411,  472,  407, 

627,  533,  472. 
Frankenhäuser  485. 
y.  Franquö  227. 
Freire  472,  512. 
Frenzel  227.  I 

Freudberg  688,  601.  I 

Freund,  E.611,  515,  516,  630,  j 

688.  I 

Freund,  H.  602,  506.  ' 

V.  Frey  107.  ' 

Frericha  219,  222,  615,   617, 

640,  642,  644. 
Frick  887,  390,  453,  456,  462, 

602,  503. 
Friedberger  700.  | 

V.  Friedländer  468,   461,  527,  j 

536.  ' 

Friedländer,  K.  435,  442,  468, ' 

462.  ' 

Friedmann  147,  155,  156,  227. 
Friedreich  194,  450. 
Fröhner  700. 

Frohmann  602,  507,  509.  ' 

V.  FroBchauer  421,  426. 
Fuchs  700. 
Fürbriuger  218,  222. 


Farstner  7. 
Fütterer  694. 


G. 


Gabritschewsky  66,  78,   166, 

167,  168,  174,  179. 
Gaethgens  688. 
Gärtig  611,  513,  515,  622. 
Galeotti  18,  27,  187,  161,  163, 

164,  227,  229,  249. 
Galloway  469,  476. 
Garoia  227,  239. 
Garel  898,  409. 
Garnier  686. 
Garr^  227,  253,  286,  287,  806, 

308,  309,  310.  341,  627,  532, 

533. 
Garrod  631,  632. 
Gaskell  58. 
Gaspard  665. 
Gaule  32,  145. 
Gautier  577,  603,  688. 
Gebhard  488,  442. 
Geigel  640,  646,  669,  674. 
Geissler  488,  443,  469,  484. 
Genzmer  669. 
Geppert  621. 
Gerdes  694. 

Gerhardt  62, 68,  612,  618,621. 
Gerlach,  L.  642,  545,  551. 
Geuther  612. 
van  Gieson  18,  20,  24,  26,  182, 

202,  203. 
Giles  468. 
Giovanni  227,  239. 
Girodes  880.  331. 
Glax  678. 
Gläser  412. 
Gley  687. 
Gluck  254. 

Goebel  98,  103,  104,  105. 
Goldberger  251. 
Goldenberg  227. 
Goldflam  640,  951. 
Goldmann  144,  180,  182,  183, 

185,  227,  245,  253,  266,  284, 

806,  308,  309,  309.  888,  341. 
Goldscheider  664. 
Golgi  10,  32,  86,  106,  367. 
GottUeb  669,  675. 
Gottsacker  342. 
Gottschalk  881,  332,  333,  334, 

335,  337,  338. 


Graf  462,  456,  469.  474. 
Gram  26,  182. 
Grangolphe  664. 
V.  Graser  227,  242. 
Grawitz,  £.  611,  516. 
Grawitz,  P.  4,  8,  66,  81,  140. 

206,  216,  217,  227,  228,  242, 

243,  244,  249,  262,  dB4,  2&o. 

313,  323,  389,  432,688,  r/«', 

697. 
Green  874,  379. 
Griffini  228,  288,  240. 
Griffith  828,  329,  610,  650. 
Grosch  811,  313,  314,  315.  528. 
Gross  494,  531. 
Grflnwald  488,  442. 
Grunert  633. 

GueiUot  462,  469,  474,  535. 
Gnörin  650. 
GuUand  17,  228. 
Gumlich  688,  640,  643. 
Gunning  605. 
Gurlt  699. 

Gussenbauer  114,  ü»,  450. 
Gutermann  669. 
Guttmann,  P.  342,  346. 

H. 

Haab  404. 
I  üaasler  228. 

Habermann  533. 
!  Haeberlin  384,  453,  454,  455, 
456,  496,  611,  516. 

Häckel,  £.  440,  552. 

Uäckei,  H.  811,  316. 

Hacker  187.  165,  565. 

Haferkom  811,  317,  318. 

Hahn,  K.  473. 

Hahn,  M.  622. 

Haig  628,  688. 

Halban  228,  250. 

Haie  669. 

HaUervorden688, 699, 612. 617. 

Hallopeau  811,  317,  320,  321. 
'  Hamburger  874,  376,  377. 

Hammer  888,  384,  385. 

Hammerschlag  637,  664,  675. 

Hampeln  68. 

Hanau  200,  208,  266,  283,  289. 

300,  302,  826,  326,  880,  331, 

352,  391,  394,  416,  421,  423, 

,      431,  488,  449  468,  4G3,  469, 

473,  609,  519,  520,  521,  b2?u 


Autorenregister. 


707 


Hanns  188,  252. 

Hansemann  165,  106,  132, 135, 
165,  aOO,  212,  217,  218,  222, 
228,  234,  235,  237,  240,  242, 
245,  255,  260,  261,  262,  289, 
292.  294,  295,  303,  848,  349, 
350,  351,  352;  356,  360,  361, 
980,  381,  390,  898,  401,  421, 
423,  426,  427,  429,  431,  432, 
488,  439,  440,  448,  469,  506, 
SM,  519,  520,  521,  526,  642, 
552,  556,  563,  565,  506,  567, 
568,  571. 

HanseD,  228,  244. 

Harris  876,  377,  378. 

Hasse  116. 

Haag  4,  12,  842,  346. 

Häuser  66,  101,  276,  882,  335, 
336,  337,  887,  390,  421,  423, 
425,  427,  430,  431,  432,  438, 
441,  444,  445,  446,  448,  449, 
450,  468,  461,  462,  469,  482, 
494,  495,  496,  497,  500,  501, 
602,  503,  504,  506,  509,  619, 

520,  521,  522,  524,  525,  526. 
Haassmann  415. 

Hayem  98.  384. 
Heidemann,  £.  264. 
Heidemann,  W.  264,  268,421, 

431,  432,  433,  449. 
Heidenhain,  L.  602,  508. 
Heidenhain,  M.  6.  17,  18,  29, 

65,  88,  162,  163,  182,  351. 
Heidenhain,  R.  669,  671,  673. 
Heitzmann  81. 
Helferich  601,  505. 
Hendley  496. 
Henle  167,  170,  660. 
Hennig  874,  380. 
Henningsen  811,  316,  317,  318. 
Herbert  552,  558. 
Herczel  305,  308,  309. 
V    Herff  640,  647. 
Hermann  4,  9,    10,   14,  32, 

160,  162, 
Hartwig,  0.  228,  234,  235,  255. 

521,  522,  542,  546,  549,  550, 
551,  552,  554,  555,  557,  558, 
559,  561,  662,  563,  565,  567, 
568,  569,  571,  690. 

Uertwig,  R.  542,  546. 
Herxheimer  22,  31. 


Herz,  M.  669,  662,  663,  678, 

680,  681. 
Hess  882,  333,  335. 
Heahner  60,  61,  62,  68. 
y.  Heakelomm  849,  352,  355, 

357,  360,  361, 488,  441,  468, 

464. 
Heoss  699. 
Heydemann  280. 
Heymann  328. 
Hüdebrand  174,  228,  842,  346, 

390,  452,  453,  664. 
Hindenlang  102. 
Hinterstoisser  452,  453,  455. 
Hintze  93,  104,  105. 
V.  Hippel  867,  368,  602,  507. 
Hirsohberg  109,  228,  537. 
Hirschfeld  613,  617,  688,  654. 
His,  W.  294,  642,  556, 690,  692. 
His  Jan.  58,  68. 
Hitzig  418,  416. 
Hjelmann  200,  215,  2|6. 
Hläva  469,  640,  657. 
Hoohhaas  62,  68,  888,  339. 
Hodge  187,  149,  150,  152. 
Hodgkin  215. 
Hoffmann,  A.  688. 
Hoffmann,  E.  551. 
Hoffmann,  J.  888,  340,  441, 

468,  463. 
Hoffmann,  K.  B.  640,  643. 
Hofmann,  F.  187,  153. 
Hofmann  688. 
Hofineister  625. 
Holschewnikoff  200,  206. 
Holz  89. 

I  Honigmann  573. 
I  Hoppe  640,  643. 
Hoppe-Seyler  511,  514,  593, 

595,  699,  618,  621. 
Horbaczewski  514,   626,    627, 

628,   631,    688,    640,    643, 

664. 
Horsley  636,  687. 
Hoyer  18,  23,  28. 
Habner  515. 
Hüter  80. 

Hufschmied  418,  417,  418. 
Hugouneng  615. 
Hulke  537. 
Huppert  634,  686. 
Hutchinson    811,    322,    458, 

4G2. 


I. 

Ikeda,  S.  17. 

Irisawa  595,  699. 

Israel,  J.  887,  388. 

Israel,  0.  66,  187,  139,  142, 
143,  147,  148,  159,  209,  232, 
398,  400,  401,  403,  489,  441, 
447,  449,  474. 

Izqnierdo  393. 

J. 

Jacobson  611. 
Jacobsohn  640,  651. 
Jacquet  590,  691. 
Jadassohn  264,  276,  277,  279. 

882,  333.  334,  335,  433. 
Jaennicke  617. 
Jahn  888,  386. 
V.  Jaksch  611,   513,  516,  517, 

574,  675,  691,699,601,  612, 

613,  615,  617,  618,621,622, 

631,  688,  640,  655. 
Janowski  66. 
Jarisch  112,  113. 
Jaworski  462,  453. 
Jeanseime  811,  317. 
Jenker  188. 
Johne  701. 
Johnston  811,  321. 
Joes  115. 

Jordan  805,  308,  309,  310. 
Joes  98. 
Jürgens  806,  307,  822,  324, 

393. 
Juffinger  266,  281,  617,  621. 
Jungengel  228,  253. 
Jurka  489,  441. 

K. 

Kahane  469,  479,  484,  485,  486, 

517. 
V.  Kahlden  18,  24,  26.  98,  110, 
111,  117,  203,228,240,251, 
j      252,  286,  288,  887,  395,  418, 
I      418. 
{  Kahler  618. 
Kaiser  19,  33. 
I  Kaltenbach  494,  496. 
Kalustow  391. 
!  Kamocki  200,  202. 

45* 


rog 


Autorenregister. 


Kantorowicz  18,  26,  28.  502, 
504. 

Kaposi  110,  111,  347,  400. 

Karewski  828. 

Karg  112,  113,  228,  253,  254, 
421,  429,  409,481,  491,688, 
695,  696,  698. 

Käst  825,  326,  888,  385,   697. 

Kaufinann  65,  534. 

Kaulich  603,  612,  621. 

Kazowski  188,   152,  154,  156. 

Kelsch  106. 

Keresztszeghy  188,  156,  157, 
228,  252. 

Keroer  77. 

Kickhefel  822,  323. 

Kiener  65. 

Kinscherf  469,  484. 

Kirby  228.  246.  248,  249. 

Kirk  685. 

Kitt  700.  701,  702. 

Klaussner  542. 

Klelm,  E.  94,  128,  135,  139, 
140,  141.  143,  144,  151,  166, 
178,  180,  193,  195,  196,  197, 
198,  200,  202,  206,  207,  208, 
210,  219,  220,  222,  228,  289, 
290,  291,  293,  294,  297,  298, 
299,  306,  310,  811,  314,  849, 
350,  352,  353,  355,  357,  359, 
360,  362,  366,  867,  368,  370, 
880,  381,  399,  401,  418.  417, 
421,  429,  430,  437,  489,  441, 
450,  452,  456,  469,  474,  485, 
497,  517,  519,  526,  682,  684, 
685,  686,  688,  689,  692. 

Klebs,  G.  196. 

Klemensiewicz  65,  228,  242, 
268,  267,  268. 

Klemperer  511,  512,  513,  514, 
516,  622. 

Klien  180,  182,  183,  184.  185, 
186,  187,  188,  189,  190,  191. 

Klingel  418,  417. 

Kloster  228. 

Knaak  289,  293,  296,  297. 

Knauff  116. 

Knauss  811,  319,  320,  321. 

Kobert  128,  130,  574,  575, 640, 
643. 

Kobler  511,  519. 

Kocher  171,  458,  463. 

Kockel  118,  122, 


y.  Köllikcr  58,  68,  112,  250. 
Köster  5,  6,  212,  822,  323,  373, 

435,  489. 
Köttnitz  811,    317,   527.   528, 

529. 
V.  Kogerer  97,  98 
Kolaczek  367. 
Kolisko  331,  887,  390. 
Kollmann  542,   546,   549,  550. 
Kopfstein  484. 
Kornblum  654. 

Korotneff  469.   478,   490,  491. 
Koscynski  452,  453. 
Kossei  A.  18,21,  65,493,603. 
Kossinsky  469. 
Kostenitsch  276,  279. 
Kostjurin  200,  213. 
Kottlar  118. 
Koubasoff  472. 
Krafft  228,  245. 
Kraske  228,  246. 
Kraus  143,  144,  145. 
Kraus  F.  511,  513.  579,  578, 

591,  617,  622,  669,  676. 
Krawkow  224. 
Krehl  48,    49,   50,    53,  54,  55. 

56,  58,  68,   519,  664,   666, 

667,  668. 
Kretschky  97. 
Kretz  291,  418,  415,  419. 
Kriege  200,  206,  207,  310. 
Kriscfae  128,  135. 
Krösing  229,  244,  249. 
Kromayer   18,   30,    113,   898, 

400,  401,  405. 
Kronachei-  65,  80. 
Kronthal  888,  339. 
Kruckenberg  449,  450. 
Krückmann  4,  9,  10,  218,  220, 

265,  283,  284,  864,  365,  421, 

433,  467. 
Krüdner  200,  216,  221. 
Krüger  628,  688. 
Kruse,  A.  264,  268,  842,  348, 

898,  412. 
Kruse  640,  644. 
Krynski  65. 

Krysinski  4,  842,  346,  347. 
Kühn  449.  450. 
Külz  117,  166,  603,   613,  614. 
Künne  811,  318. 
Kürsteiner  898,  410,  411,  418, 

418,  420,  470,  481,  488. 


Kulenkampf  109. 
Knltschitzky  4,  15,  19,  33.  34. 
Kummer  534. 
Kunze  882,  333,  334. 
Kurloff  470,  478,  490. 
Kurz  588. 
Kyrieleis  310. 


Labougle  532,  533. 
Lacroix  888,  341. 
La6nnec  116. 
Lahmann  310. 
Laker  511,  515. 
Lanceranz  99. 
Landau  509,  510. 
Landemann  898.  409. 
Landerer  470,  473. 
Landois  610,    643.   644,  646. 

647,  648,  656. 
Landsteiner  583. 
Landwehr  177,  376. 
Lang  458,  464,  538. 
Lange  898.  409. 
Langendorff  58,  68. 
Langer  811,  314,  315,  317. 
Langerhans  688,  689,692,695. 
Langhans  18,  24,  27, 101, 102. 

114,  166,  167,  168,169,171, 

172,  173,  174,  175,  178,  181. 

193,  194,  208,  209,  283,  284. 

375,  377.  379,  418,  415.  420. 

436,  481,  507. 
Lanz  374,  380. 
Lassar  588. 

Laudenheimer  511,  515. 
Laulannniä  610,  649. 
Lautenbach  89. 
Laver  an  106. 
Lavoisier  678. 
Lebedeff  542. 
Lebensbaum  502,  508. 
Leber  65,  78,  79,  83. 106,  216, 
Ledere  418.  420. 
Ledderhose  286,  287. 
Legal  605. 
Legrain  805. 
Lehmann  875. 
Leichtenstern  452,   456.  oll. 

516. 
Lehzen  811,  319,  320,  321. 
Lemiäre  65. 


Aaio  reo  regia  ter. 


709 


Leloir  111. 

Lemke  523. 

V.  Lenboss^k  19,  35,  36. 

Leopold  135,  229,  240,  299. 

Lepine  502,  504,615,617,640, 
648.  650,  651,  664. 

Lerch  612. 

LerebouUet  542,  544,  550. 

Lesser  216. 

V   Lesser  842,  848,  346,  347. 

Letulle  65. 

Leutert  18,  28. 

Lenzinger  502,  505. 

Leven  229,  248. 

Levin,  A.  65. 

Levison  688. 

Levy  65,  227.  229,  249. 

Lewin  98. 

Lie  265,  281. 

Liebe  458,  462,  463. 

Lieben  605. 

Lieberkühn  237,  240,  284. 

Liebermann  640,  653. 

Liebermeister  659,  671. 

V.  Liebig  588. 

Lieblein  630,  688. 

Liebmann  880,  382. 

Lilienfeld  18,  21,  493. 

V.  Limbeck  65,  888,  384.  511, 
516.  517,  518,  591,640,644, 
653,  655,  656. 

Lister  80. 

Litten  142,  153,  200,  219,  220, 
222,  618,  621, 

Loeb,  A.  458,  466. 

Loeb,  J.  542,  545. 

Loehlein  494,  496. 

Löwenthal  162,  887.  392,  458, 
459,  528,  529,  530,  531,  532. 

Löwit  19,  32,  65,  632,  687. 

Löwy.  A.  591,  669,  676. 

Loos  65. 

Lorenz  618,  621. 

Lothrop  229.  242. 

Lovän  65,  36. 

Lubarsch  3,  18,  23,  98,  104, 
105,  111,  118,  124,  125,  128, 
131,  148,  166,  173, 180,  182, 
183.  200,  201,  212,  257,  264, 
275,  283.  286,  288,  289,  291, 
849,  867,  369,  370,  372,  880, 
.381,  389,  390  392.  418.  416, 
421,  423,  424,  435,  436,  489, 


441,  444,  445,  452,  453,  458, 
466,  497,  500,  502,  506,  522, 
537,  538.  657. 

Ludwig  213,  631. 

Lücke  848,  344,  421,  437. 

Lücken  867. 

Lfideking  229,  678. 

Luff  640,  650. 

Lukjanow  146,  158,  160. 

Lunin  584. 

Lustig  605,  606. 

Lys  118. 


I  Maas  U.  136. 
I  Maass  103,  108. 

Maassen  622. 
I  Macallum  898,  401,  408. 
I  Madelung  811,   314,  315,  391. 
I  Mafucci  472. 
I  Mairet  640,  643. 
I  Maksutoff  265,  280. 
iMalassez  411,   412,   418,  450. 

Malkolm  887,  388. 

Malherbe  422,  437. 

Mall  65,  88. 

Mallory  19,  35,  36,  339. 

Malvoz  64. 

Maly  591. 

Manasse   98,    108,   201,    206, 
207,  208,  265,  283,  284. 

Manchot  31,  98,  99. 

Mandelstamm  216. 

Mandry  496. 

Mangeri  200,  224. 

Mann  654. 

Manz  864,  366. 

Manzini  641,  652. 

Maragliano  511,517,669, 
674. 

Marc  98,  111. 

Marchand  118,  122,  123, 
171,  199,  229,  242,  243. 
264.  266,  268,  283,  284, 
324,  325,  331,  867,  369, 
372,  422,  436,  458,  460, 

Marchiafava  106. 

Mares  633 

Marey  671,  673. 

Marchi  19,  34. 

Markownikow  605. 

Markwald  286,  848,  344,  411. 


673, 


167, 


,370. 
.542. 


Marotte  598. 

V.  Marschalko  264,  276,  277, 

278,  279,  281,  362,  363,  422, 

433. 
Marschall,  J.   422.    422,   489, 

440,  452,  458,  466,  519,  523, 

524. 
Martens  887,   392,  528,   536, 

537. 
Martin  4,  15. 
Martinotti  229,  242. 
Martius  88,  59,  62.  68. 
Massart  65.  66,  78. 
Masselin  188,  152,  157. 
Massin  898,  412. 
Matrai  511,  516. 
Matthes  229,  240,  664. 
Matteucci  678. 
Maurel  452,  453. 
May  181,    182,   183,  187,  188, 

189,  676,  677. 
Mayer.  P.  5,  17,  25,  26. 
Mayer,  S.  163,  229,  249. 
Mays  109. 
Mayzel  229,  238. 
Meckel  106. 
Meibom  242. 
Meier,  J.  229. 
V.  Meister  229,  241. 
Meltzer  504. 
M^nötrier  519,  523. 
V.  Mering  606,  608. 
Merkel,  Fr.  20,  225,  229,  233, 

524. 
Merkel  116. 
Meslay  118. 
Metschnikoff  66.  67,  268,  265, 

266,.  267,  280,  284,  470.  476. 
Meyer,  C.  66.  265,  283,  284. 
Meyer,  £.  640,  652. 
Meyer,  H.  591. 
Meyer,  P.  96. 
Meyer  229,  244. 
Meynert  6. 
MibeUi  31. 

Middeldorpf  392,  418,  420. 
Mikulicz  281. 
Mingazzini  898,  404,  405. 
Minkowski  107,  166,  170.  596, 

597,  598,  699,  604.  608.  609, 

613,  614,  615,  617,  621,  626. 
Miqu(^l  587. 
Mischaikoff  828,  329. 


710 


Auturenregister. 


Miara  888,  339,  340.  864,  366. 

Moebius  229,  688. 

Moeli  7. 

Moericke  229,  240. 

MSrner  115,  876,  376. 

Mohr  826,  327. 

Monod  811,  313,  317. 

Morgan  512,  546. 

Morpargo  259. 

Moscaielli  699. 

Mosen  669. 

Moses  895,  309. 

Mosso,  U.  689,  671,  673. 

V.  Mosetig  664. 

M&Uer,  Fr.  511,  513,  514,  515, 

517,  625,  626,  688. 
Müller,  H.  F.  19,  32,  33,  34, 

35,  229,  242. 
MfiUer,  J.  660. 
Moller,  K.  66. 
Müller,  M.  128,  135. 
Müller,  V.  849,  359,  361,  421, 

428,  470. 
Müller,  P.  811,  315«  619,  654. 
MüDser  19,  34,  599,  617. 
Munk,  J.  688. 
Murri  659,  670. 
Morset  140. 
Moirhead  626. 
Muscatello  343. 
Muskatblüth  229. 
Musser  458,  460. 

N. 

Nägeli  552,  557,  567, 

Nakel  828. 

Nassari  470. 

Naunyn  107,   576,   612,  614, 

659. 
Nauwerck  229,  246,  247,  248. 

249,  418,  417,  418,688,692. 
Nebelthau  678. 
Neelsen  225,  229,  280,   238, 

867,  372,  373,  374,  682,  688, 

687,  689,  692,  694,  698. 
Neese  280,  238. 
Neisser    80,    279,    898,   400, 

401,  402,  403,  404,  405,  406, 

407,  408,  470,  481. 
V.  Nencki  115,  874,  375,  376, 

377,  -576,  622,  626,  634. 
Nerlich  151,  153. 


Nengebaner  422,  436. 
Neumann,  E.  66,   67,  90,   91, 

101,  102,  104,  106,  108,  135, 

171,  280,  242,  246,  247,  420. 
Neusser  631,  032,  688. 
Newport  542,  544. 
Niehus  181. 182, 183,  184,  185, 

187,  190. 
Nielsen  468,  465. 
Nikikoroff  19,  32,  66,  152, 280, 

242,  268. 
Nissl  19.    35,    36,   149,   152, 

155,  156. 
Nithak  468,  465. 
le  Nobel  605,  617. 
Nöggerath  470,  481. 
y.  Noorden,  C.  511,  513,  514, 

515,  516,  517,591,617,626, 

632,  688,  640,  654,  676. 
V.  Noorden,  W.  422,  437. 
Nothnagel  112,  280,  242,  256. 

257,  620. 
Notthaft  280,  252. 
Nussbanm  280,  542,  548,  564. 

O. 

Obolonsky  160. 

Obrzat  201,  222,  409. 

Ochotine  66,  85,  280. 

Oddi  606. 

Oellacber  542,   544,   546,  550. 

Ogata  145. 

Ogden  685. 

V.  Oblen  867,  370. 

Ohlmacher  470. 

Ohloff  489,  442. 

Obren  452,  453,  455,  456. 

üllivier  97. 

Olshausen  506. 

Opencbowski  189. 

Oppenheim  511,  512,  514,  519. 

Oppenbeimer  875,  379. 

Oppler  640,  643. 

Oroni  598. 

Orth  135,   201,  212,  213,  280, 

245,  822,  323,  325,  372,  382, 

437,  682,  693,  698. 
Ortner  264,  275. 
Osterspey  512,  517,  518. 
Ostertag  699,  700. 
Ott  669. 
,  Otto  699. 


Paget  452,  455,  456,  472,  484, 

494, 
Päl  19,  33,  34,  683. 

Paladino  162. 

Paltauf  264,  867,  369. 

Pandi  188,  147,  155. 

Pannel  452,  455,  456. 

Panse  533. 

Panom  542,  545. 

de  Paoli  66,  85,  174,201,215, 

867,  370. 
Partech  4  13. 
Paschkin  688. 
Passarge  280,  244. 
Paulsen  280. 
Pawinski,  617,  621. 
Pawlow  280,  622,  625. 
Pawlowsky  190,  264,  265,  276, 

280,  281,  282,  887,  393, 470, 

492. 
Pearson  116. 
Pecirka  898,  410. 
Pecqueur  151. 
P^e  512.  518. 

Peiper  599,  605,  606,640,655 
Peipers  280,  241. 
Pel  888,  385. 
Penzo  280,  259. 
Peremeschko  242. 
Perls  101,  109,  377,  443,  682. 
Perry  118. 
Peters  280,  238. 
Petersen  898,  401,  406,  407. 
Petrone  8,  6,  280,  242. 
Pettors  575,  576,  603, 612, 616. 

621. 
Pfalzgraf  502,  505. 
Pfannenstiel    302,   303,  372, 

422,  436,  494,  495,  497,  4!)6, 

499,  502,  506,  508. 
Pfeffer  66,  78. 
Pfeiffer,  E.  629,  632,  633. 
Pfeiffer,  L.  288,  404,405,422, 

429,  470,  474,  478,  479,  4ö2, 

484,  509,  510,  512. 
Pfeiffer  874,  376. 
Pfeiffer,  Tb.  675,  678,  681. 
Pfitzner   143,    162,    164,  280, 

282,  245,  355,  356,  486,  487. 
Pflfiger  91,  548,  545,  546,  548, 

552,  627. 


Atttorenregister. 


711 


Philippson  265,  280. 

Pic  502,  504. 

Pick,  R.  188, 148, 889, 404, 625. 

Pick,  L.  201,  887,  388,  396. 

Pick  8,  7. 

Piering  489,  442. 

PiUiet  188,  149,  280, 888,  342, 

399,  410,  470,  512. 
Pisenti  170,  286,  288. 
Pitres  7. 
Plettner  314. 
Plimmer  470,  477,  483. 
Pluschkoff  113. 

Podroazek  494,  495. 

Podwyssozki  154,  280,  236, 
241,  242,  470,  476,  477,  488, 
489,  490,  491,  492, 

Poehl  578,  579. 

Poggi  281. 

Pommer  128,  135. 

Pomorski  497,  499. 

Ponfick  281,  241,  242,  256, 
258,  291,  412. 

Pooley  805,  306,  309. 

Popoff  188,  152. 

PosDer  18,  21,  181,  195,  196, 
197,  198,  199,  493. 

Post  93,  113,  114. 

Potain  810,  317,  318. 

Pott  811,  316. 

Poucbet  640,  650. 

Poalet  532,  533. 

PoweU  118. 

Power  470. 

Prausnitz  8,  5. 

Prior  654. 

Prochownik  882,  337. 

Pnritz  888,  385. 

Purkinje  150. 

PuteUi  825,  327. 


Qaänu  311,  31G. 
Quinke  62,  94,  101,  102. 


Rabe  659. 

Radasewsky  55,  56,  57,  68. 
Raehlmann  201,  206,  216,  222. 
Ranvier  77,  97,  281,  244,  284. 


Rapook  452,  453.  456,  458, 
462,  466,  497. 

vom  Rath  281,  236,  239. 

Raaber  548,  544,  551. 

Ranm  181,  182,  470. 

Ravolgi  899,  406. 

Raymond  458,  465,  482. 

RebasteUo  689,  642. 

V.  ReckUnghauaen  26,  68,  94, 
95,  96,  97, 98,  101,  102,  104, 
105,  107,  108,117,128,129, 
131,  133,  134,  135,  181,  187, 
189,  191,  201,  202,  206,  207, 
208,  213,  215,  216,  220,  221, 
281,  233,  236,  240,  242, 
246,  253,  260,  261,  307,  309, 
310,  316,  825,  326,  882,  335, 
371,  443,  446,  502,  505,  682, 
686,  687,  688,  689.  690. 

Reclus  419. 

Redlicb  19,  34,  187,  192,  193, 
195,  196. 

Reich  882,  334. 

Reicbmann  669. 

Reimar  4,  10. 

Reinbach  384,  512,  518. 

Reinecke  828,  329. 

Reinke  5,  17,  18,29,281,242, 
268,  267,  358,  522. 

Ränaut  641,  657. 

de  Renzi  598,  641,  655. 

Retterer  451. 

Reuggli  348. 

Reverdin  281,  254,  532. 

Reynolds  605. 

Ribbert  66,  118, 126,  127,  281, 
242.  243,  245,  261,  268,  267, 
289,  308,  281,  301,  302,  303, 
304,  316,  825,  327,  828,  329, 
880,  331,  336,  337,  348,  387, 
389,  399,  421,  429,  430,  433, 
434,  489,  443,  444,  445,  446, 
447,  448,  449,  458,  467,  468, 
470,  481,  491,  497,  502,  508, 
519,  522,  524,  528,  537,  538, 
539,  540. 

Riebet  669. 

Richter  548,  546,  458,  465. 

Rieder  43,  48,  50,  51.  68.380, 
331,  512,  514,  518,683,698. 

Riederer  387. 

Riegel  60,  641.  656. 

Riehl  109,  110,  112. 


Ricas  610. 

Rindfleisch  132,  158,  281,  291, 
375,  377,  378,  688,  692. 

Ritschi  281,  245. 

Ritter,  A.  608,  640,  643,  644, 
648,  654. 

Rivolta  401.  405. 

Robert  281. 

Roberts  632,  683. 

Robin  822,  324. 

Rocci,  Riva  676,  677. 

Roemer  19,  32,  66. 

Rösger  882,  333. 

Roger  66,  85. 

Rogowitsch  216. 

Rohland  688. 

RoUet  458,  463. 

RokiUnsky  458,  466,  537,  617. 

Romberg  49,  50.  53,  55,  58, 
63. 

Ronmelaire  641,  644. 

Rosenbach  38,  39,  41,  42,  45, 
j      46,  47,  62,  80,  151. 
I  Rosenfeld  608. 

I  Rosenheim  458,  464,  509,  510. 
I  Rosenstein  641,  645,  646,  656, 
I      673. 

Rosenthal  669,  671,  674,  675, 
678. 

Roth  153,  383,  384. 

Rothmann  138,  641,  656. 

Ronquäs  664. 

Ronssy  664. 

Roux  231,  234,  235,  255,  289. 
299,  308,  309,  548,  545,  546, 
547,  648,  550,  551,  552,  553, 
554,  555,  557,  560,  561,  562, 
563,  564,  565,  571. 

Roy  87. 

Royer  664. 

Rubin  stein  828. 

Rubner  678,  679,  680. 

Ruffer470,  477,  483,  664,665. 

Rüge  162,  298,  335. 

Rumpel  683,  697. 

Rumpf  512,  516.  591,615,617, 
641,  655. 

Rumschevitsch  201,  216,  221. 
I  Rüssel  18,  27,  177,  181,  182, 
!  183,  184,  185,  186,  188,  190, 
;      192,  199,  202,  433,  472,  487. 


712 


H. 


Sacage  041,  650. 

Sachs,  H.,  458,  462. 

Sachs  181,  182,  183,  184,  185, 

187,  6Ö9. 
Sack  57,  68. 
SaeDger  19. 

Sahli  19,  35,  36,  118,  121. 
Salkowski  588. 
Salomon  688. 
Salomoni  887,  388. 
Saltzmann  867,  369. 
Salzer  822,  867,  369. 
Samter  848,  346,  347. 
Samuel  64,  66,  71,  84,  85,  86, 

87,  89.  91. 
Sanarelli  281.  251. 
Sandmeyer  166,  170. 
Sandu-Mideaco  468,  466. 
Sarbo  156,  157. 
Sasse  508,  505. 
Sauerhering  188,  149. 
Saveliew  118,  123. 
Sawtschenko  471,    476,   477, 

488,  492. 
Schäflfer,   W.    153,   209,   509, 

510. 

Schaffer,   K.   188,    155,    157, 

163,  281,  250. 
Scbafstein  497,  498,  502,  505. 
Schaper  128,  136,  512,  518. 
Schede!  282. 
Schering  11. 
Scherl  109. 

Scheuerien  66,  80,  472. 
Scheven  118,   124,   125,   128, 

131,  134,  135. 
Schiefferdecker  35. 
Schiele  167,  171,  175. 
Schiffer  641,  650. 
Schilling  118,   188,    148,    158, 

159,  160. 
Schimmelbusch  121,  208,  392, 

418,  416,  417,419,494,495, 

527. 
Schklarewski  66,  77. 
Schleiffarth  264,  268. 
Schleich  289,  206,  297. 
Schlesinger  687. 
Schmaus  19,  35, 187, 188, 149, 

151,  268,  356,361,  487,488, 

688,  687,  689,  690,  692,  694 


Autorenregister. 

I  Schmidt,  O.  B.  811.  316,  888, 

384,  418,  418,  516. 
Schmidt,  H.  264. 
Schmidt,  M.  B.  98,   101,    115, 

261,  811,  316, 875,  377, 422, 

435,  436. 
Schmidt  452,  453. 
Schmiedeberg  575,   576,  577, 

579,  588 
Schmitt,  A.  282. 
Schmitz  282. 
Schmorl   112,  688,  695,  696, 

698. 
Schneider,  Aim^  479. 
Schneider,  G.  512,  517,  518. 
Schönstedt  418,  417. 
Schottin  641,  643. 
Schottländer   162,   882,    335, 

336. 
Sohottmttller  811,  315. 
Schrack  618,  621. 
Schrader  452,   453,  455,  512, 

518. 
Schrakamp  66. 
Schröder,  C.  335,  503. 
V.  Schroeder  576. 
Schrohe  548,  545. 
Scbnchardt  23,  458,  459,  463. 
Schatz  805,  306.  307,  422,  427, 

428,  429,  471. 
£.  Schatz  599. 
Schultbess  452,  454,  456. 
Schultze,  K.  627,  688. 
Schnitze,  0.   282,   548,   545, 

548,  549,  552. 
Schnitzen  634. 
Schumacher  66. 
Schurz,  U.  688. 
Schuster  201,  213,   215,  222. 
Schwab  699. 
Schwalbe  113,  239. 
Schwann  252. 
Schwarz  471,  481. 
Schweizer  418,  419. 
Schweninger  534. 
Schweppe  502,  503,  512,  519. 
Schwimmer  111. 
Seegen  607. 
Seeger  497,  499. 
Seelig  502,  504. 
Seifert  181,  182,  183,  184,  185, 

187,  188. 
Seitor  811,  312.  313,  317. 


Semen  497,  498. 
Senator  512,    514,   618.  669, 
I      671,  €f72,  673. 
I  Senftleben  77. 
!  Seslavin  422,  427,  432. 
I  Severeau  535. 
Shattock  452,  456,  457,  ^\ 

466,  471,  472,  474,  495. 
Shernngton  282,  268,  267. 
Sick  811,  315. 
Siebel  77. 
Sieber  109. 
Siegel  489,  442. 
Siegert  181,    192,   193,  194. 

195,  196,  197,  198,  199,  8B7. 

373,  374,  899,  409,  410,  439, 

441,  458,  460. 
Siegrist  452,  456.  I 

Siemerling  4,  6,  512,  519.  '] 

Sieveking  282,  245. 
de  Sinöty  282,  240.  j 

Singer  34.  i 

Sippel  528,  535.  536.  i 

Sjöbring471,   475,  476,  477, 

488,  489,  490,  492. 
Slosse  625. 
Smimow  280. 
Smith  118,  321. 
Solger  188.  150,  162. 
Somya  282,  238. 
Sorel  471,  474. 
Soudakewitsch  471,  475,  476, 

477,  479,  488.  489,  490. 
Spencer  544,  552,  558,  559. 
Spiegier  664. 
Spronck  19,  32,  242,  388,  386, 

471. 
Stadelmann  588, 599, 613,  614, 

617. 
Stadthagen  641,  650. 
Stange  118. 
Statkewitsch   188,    145,    152, 

154,  155,  157,  160.  161. 
Steiner  825,   327.   452.   456, 

458,  462,  496. 
Steinhaus  66,  145,  849,  471, 

481. 
Steinhauser  528,  537,  538. 
Steinheil  811,  315,  316.  318. 
{  Steinmetz  887,  390,  409. 
I  Stern  391,  669. 
'  Steudel  282,  825,  326. 
Steudner  193. 


Au  torenregister. 


713 


Steven  887,  393,  471. 

Stick  er  515. 

Stieda  282,  239. 

Stüling  18,  27,  188,  150.  194, 
195,  196,  197,301,212,  217, 
218,  222,  280,  282,  245. 

Stöhr  86.  77,  282,  245. 

Stoll  811,  314,  316,  317,  318. 

Stolnikow  145. 

Stout  811,  320. 

Strahl  282,  240. 

Strasser  617. 

Stratz  218,  418,  416. 

Strauer  485,  512,  517. 

Strauss  99. 

V.  d.  Stricht  282. 

Stricker  66,  81,  87,  282,  665. 

Stroebe,  19,  35,  36,  188,  152, 
153.  282,  251,  252,  254,  296, 
298,  888,  339,  340,  341,  848, 
355,  356,  359,  360,  361,  362, 
864,  365,  366,  422,  426,  427, 
428,  429,  432,433,471,481, 
487,  522. 

StrümpeH  170. 

Stumpf  618,  621. 

Stnrzenegger  502. 

Suchanneck  4,  14,  805.  306. 

Sadeck  389. 

Szbanbock  641,  648. 


T. 

Taenzer  18,  21,  30,  31. 

Talko  875,  380. 

Tangl  282. 

Tarnier  898,  409,  641,  649. 

Tepljaschin  282,  253. 

Thibierge  111,   811,  320,  821. 

Thierfelder,  A.  372,  451,  682. 

Thiersch  282,  244,  488,  441, 
442,  449,  519,  524,  525. 

Thoinot,  188,  152,  157. 

Thoma  4,  8,  9,  13,  66,  77,  78, 
282,  244,  268,  286,  289,  290, 
291,  293,  300,  311,  313,  822, 
338,  341,  342,  818,  344,  345, 
346,  349,  864,365,371,880, 
415,  471,  475,  688,  685,  686, 
687.  688,  689,  690.  691,  692, 
694. 

Thomayer  640,  657. 


Thorn  502,  508,  528,  535,  536.  I 
Thost  497,  498. 
Thudichum  641,  643.  j 

Tietze  288.  | 

Tilger  286,  287,  380,  382,  395. 1 
Tilimanns  102,  471,  474.  i 

Töpfer  512,  630,  688.  | 

Török  184,  811,  319,  320,  321,  j 

322,  899,  401,471,481,487,1 

491. 
Toldt  314.  611. 
Tollens  612. 

Tommasoli  184,  899,  401. 
Touton    181,    182,    ISIJ,    185, 

186,  187,  188,  189,  811,  319, 

320,  899,  402,  403,  404,  406, 

407,  408. 
Toyama  5,  17. 
Trachtenberg  588. 
Trambusti  166,  168,  169,  170, 

201. 
Traube  116,  641,  645,  671. 
Trinkler  512,  515,  516. 
Troisier  502,  504. 
Troje  288,  264,  275. 
Tross  502,  508. 
Tschennak  201,  213,  224. 
Tschetweruschin  160. 
Tuczek  621. 

U. 

Ughetti  659. 

U lasse  534. 

Unna  18,  21,  27,  30,  31,  184, 
264,  265,  269,  270,  271,  272, 
273,  274,  276,  277,  278,  279, 
281,  282,  283,805,300,307, 
309,  310.  811,  314,  318,  319, 
320,  322,  327,  849,  362,  363. 
875,  379.  899,  401,  422,  425, 
432,  4:53,  471,  481,  487,  489. 

Uschinsky  188,  141,  667. 

Uskow  98. 

Uter  882,  330. 


Veit  452. 

Verhoef  887,  388. 

Verneuil  509,  511,  534. 

Veraon  288. 

Vidal  404. 

Viering  288,  244,  264. 

Vigues  452,  471,  474. 

Vincent  265,  283,  471. 

Virchow  6,  7,  66,  98,  101,  105, 
106,  115,  116,  129,  136,  138, 
139,  143,  157,  158,  198,  212, 
219,  257,  260,  268,  290,  293, 
295,  302,  304,  306,  811,  312, 
313,  314,  315,  318,  825,  326, 
828,  329,  342,  343,  349,  401, 
422,  429,  430,  437,  489,  440, 
442,  471,  472,  473,  494,  504, 
538,  665,  688,  690,  691,  692, 
693,  698. 

Voelker  119. 

Vogel  128. 

Vogues  664. 

Voisin  689,  649. 

V.  Voit  576,588,641,  642,644, 
650. 

V.  Volkmann  188,  141,  153, 
288,  246,  247,  248,  249,  251, 
254,  452,  453,  455,  458,  462, 
463,  497,  502.  503,  532. 

Volkmann  650,  668. 

Vorenhecke  184. 

Vossius  201,  206,  216,  221, 
377. 

de  Vries  288,  234,  552,  567, 
568. 

Vulpian  671. 


W, 


V. 

'  Valentin  545. 
Vanni  641,  652. 
Vas  188,    147,    149,   152,  150. 
Vassale  226, 228, 288,  236,  240. 
Vedeler  882,  338,  387,  393. 


!  Wagemann  119,  899,  411. 
Wagner  115,  372,  494,  037,  656. 
Waldeyer  247,   277,  351,  429, 

489,   441,   442,  443,  449. 
Waldstein  106. 
Walker  470,  477. 
Wallach  875,  376. 
Waller  66,  77. 
Walter,  F.  587,  588. 
Walter  875,  377. 
Wasilieff-Kleinmann  66. 
Weber  246,  665. 
Wehr  394,  473. 


714 


Autorenregister. 


Weichselbaum  201,  688,  685,  j 
689,  692,  694,  695. 

Weigert  5,  6,  7,  9,  10,  16,  17, 
18,  19,  20,  21,  22,  23,  24, 
27,  29,  30,  33,  34,  37,  66, 
67,  81,  96,  128,  130,  131, 
142,  143,  144,  175,. 181,  182, 
190,  199,  aOl,  202,  203,  206, 
207,  208,209,210,  219,  220, 
257,  264,  268,  275,  284.  299, 
331,  338,  340,  429,  689. 

Weil  602,  508. 

Weintraud  128,  131,  485,  486,  i 
512,  517,  603,  604,  617. 

Weiss  66. 

Weissmann  288,  234,  235,  544, 
552,  553,  562. 

Welti  201. 

Westphalen  310,  395. 

Wheeler  450,  464. 

Wichmann  181,  196,  197. 198, ' 
199.    201,    212,    214,    218, 
219,  221. 

Wiedemann  678. 

Wieger  206. 

Wiesner  552.  I 

Wild,  G.  531.  i 


Wild,  K.  201,  206,  216,  217. 

Wilk  215, 

Williams,  887,  396,  418,  416, 

418,  452,  453,  500. 
Wilson  544,  551. 
Winiwater  452,  456. 
Winkel,  390. 
Winter  502,  508. 
Winternitz  591,  671. 
Wintersteiner  888,  341. 
Wittkowski  622. 
Wlassow  67,  119,  120,  121. 
Woerner  452,  453,  455. 
Wolfensberger  880,  331,  352, 

391. 
Wolflf  288,  239.  673. 
Wolkow  276,  279,  634,  685. 
Wolpe  617. 
Wolters   19,  31,  33,  34,  35, 

882,  333,  335. 
Woodhead  472,  519,  524. 
Wunderlich  659. 
Wyder  288,  240. 

Y. 

Yamagiva  188,  141,  146,  ^88, 
244. 


Zabarrowski  288. 

Zahn  129,  133,  134,  135,  136, 
196,  197,  216,  268,  267,  299, 
489,  441. 

Zanda  828,  329. 

Zehnder,  129,  132. 

Zeller  288. 

Zeiss  494,  496. 

Zenker,  H.  489,  442,  459,  460, 
461. 

Zenker,  K.  4, 11,  116, 129, 134, 
880,  422,  435,  495,  466. 

Zemer  688. 

Zeroni  302,  825,  326. 

Ziegler,  E.  67,  82,  89,  1», 
161,  166,201,206,216,217, 
220,  288.  239,  242,  243,  257, 
258,  268,  266,  267,  268,  284, 
286,  289,  292,  294,  299,  30ö, 
888,  342,  848,  344,  345,  36.% 
369,  899,  402,  412,  422,  436, 
437,  688,  685,  686,  688, 6S0, 
690,  691,  692.  693,694,610. 

Ziegler,  H.  544. 

Zilleseu  595. 

Zimmermann  889,  411. 


Sach-Register. 


Abbildnngen,  photographische  694. 

—  schematische  695. 
Accommodation  des  Herzens  40. 

—  histologische  560,  561. 
Acetessigsäare  517. 
Aceton  585,  599,  600. 
Acetoniirie  602,  605,  606,  608,  617. 

—  bei  Eklampsie  618. 

—  bei  Magendarmkrankheiten  618. 

—  nach  Exstirpation  des  Plexus  coeliacus  605. 

—  transitorische  606. 
Acetylessigsäure  517. 
Achrooamyloid  222. 
Achrooglykogen  177. 
Achsencylinder,  Färbung  ders.  34,  35. 

—  Verhalten  bei  der  Nervenregeneration  252. 
Actinomykome,  Histogenese  ders.  280. 

—  Plasmazellen  in  dens.  273. 

—  Struktur  282. 

Adenom,  Ätiologie,  parasitäre  dess.  420. 

—  Beziehung  zur  knotigen  Hyperplasie  415. 

—  Definition  dess.  414. 

—  Entstehung,  kongenitale  418. 

—  —    durch  Traumen  und  Entzündung  419. 

—  —    durch  Goccidium  oviforme  419. 

—  Funktion  dess.  417. 

—  malignes  (destruierendes)  420. 

—  Metastasenbild nng  bei  dems.  420. 

—  polypöses  des  Darms  416. 

—  Struktur  415,  416. 

Alkalien,  physiol.  Bedeutung  ders.  581. 
Alkaptonurie  633,  634. 


Alloxurkörper  627. 
Altruismus  der  Zellen  556,  565  ff. 
Alv eolärsarkom  350. 
Amoeba  kachexica  478. 
Amoebidium  parasiticum  478. 
Amputationsneurom  342. 
Amyloid,  Färbung  dess.  27,  28. 
Anämie  bei  Krebskranken  516. 

—  bei  Säurevergiftung  610. 

—  Einfluss  ders.  auf  die  Entzündung  85,  86. 
Anaplasie  der  Carcinomzellen  521,  523. 
Augiom  s.  Häm*  und  Lymphangiom. 
Angiosarkom,  Einteilung  dess.  368. 

—  Entstehung  dess.  369.    Siehe  auch  Gylin- 
drome,  Myxosarkome. 

Anthrakose  116. 
Arachnoidea,  Osteome  ders.  329. 
Argyrie  116,  117. 
Asthma  acetonicum  617. 
Atherom  411. 
Atrophie  149. 

—  des  Hodens  150,  151. 

—  braune,  des  Herzens  bei  Garcinomat.  518. 
Auge,  Gliom  dess.  341. 
Autointoxikation,  Bedeutung d.  Hydroxy- 

fettsäuren  bei  ders.  592. 

—  kryptogenetische  617. 

—  und  innere  Sekretion  635. 

—  Ursachen  ders.  573. 

—  Verhältnis  zur  Infektion  574. 
Autotoxikosen    des    intermediären    Stoff- 
wechsels 577. 


716 


Sacb-Kegister. 


Bindegewebe,  Regeneration  doss.  242. 

—  ödematöses,    Verhältnis    zum    Scbleimge-   ' 
webe  323.  ' 

Blastome  293,  294.  | 

Bl  astomyceten    in    epithelialen    Neubil-     j 

düngen  472. 
Blut,  Chemie  dess.  bei  Urämie  655. 
~    Giftigkeit  dess.  bei  Krebskranken  512. 

—  phy sikal.  Beschaffenheit  dess.  im  Fieber  675. 

—  Reaktionsverhältnisse  dess.  590. 

—  Verhalten  dess.  bei  Carcinomatösen  515  ff. 
Blutgefässe,  Regeneration  ders.  244. 
Blutkörperchen,  rote,  Veränderungen  ders, 

bei  Krebskranken  517,  518. 

—  weisse  s.  Leukocyten. 
Blutplättchen,  Entstehung  ders    119. 
Blutpräparate,  Färbung  ders.  32. 
Blutung,  kapilläre  95. 

—  neuro 


Cache xie  bei  Krebskranken  515. 
Cachexia  strumipriva  637,  651. 

—  thyreoidiana  686. 
Carcinom,  Ätiologie  dess.  449  ff. 

—  Altersstatistik  bei  dems.  453,  454. 

—  Anatomie  dess.  422. 

—  branchiogenes  450.  | 

—  Bedeutung  v.  Ernährung  u.  Klima  für  dass.   ' 
496,  497,  534,  535. 

—  Beziehungen  zum  Lupus  465,  537,  538. 

—  —    zur  Syphilis  464. 

—  —    zur  Tuberkulose  466,  467,  537,  538. 

—  Diagnose  dess.  526. 

—  Disposition  far  dass   494,  495. 

—  Einteilung  dess   437,  438. 

—  Entartung,  hyaline  dess.  435,  436' 

—  —    tuberkulöse  dess.  435. 

—  Einfluss  dess.  auf  den  Gesamtorganiamus 
511  ff. 

—  —    auf  die  Verdauungsorgane  514. 

—  Entstehung  aus  versprengten  Keimen  450. 

—  —    durch  einmalige  Reize  460. 

—  —    durch  chron.  Reize  460-  -468. 
Carcinom,    Entwickelung  dess.  auf  Narben 

461,  462. 
dess.  in  Fistelgängen  461,  536. 

—  —    dess.  bei  Briquettarbeitern  468. 

—  —     dess.  bei  Tabakrauchern  462. 


Carcinom,   Entwickelung  dess.   bei   Theer-, 
Paraffinarbeitem    und    Scbomsteinfegero  1 
462—464.  ' 

—  Geschlechtsdisposition  für  dass.  455.  i 

—  Heredität  dess.  456,  457. 

—  Histogenese  439. 

—  Leukocyteneinwanderung  in  dass.  429, 430. 

—  Metamorphosen  dess.  434. 

—  Metastasenbildung  dess.  503  ff. 

Häufigkeit  der  503.  505. 

durch  Implantation  506. 

im  Knochen  505. 

Ursachen  ders.  507. 

—  Multiplizität  dess.  496,  501,  538. 

—  Recidive  dess.  508. 

—  Spaltpilze  in  ihnen  472,  511. 

—  Sprosspilze  in  ihnen  472. 

—  Theorieen  Über  dasselbe. 

Kösters  439. 

Ribberts  443. 

I Thiersch-Waldeyers  440,  441. 

' Virchows  440,  442. 

parasitäre  472. 

'   —    Übertragbarkeit  dess.  u.  Übertragunjjjsver- 

suche  473,  535,  536. 
I   —     Umwandlung  gutartiger  Neubildung  in  dieä. 

I  498. 

—  Vorkommen  dess.,  endemisches  474,  5o4. 

' von  Psammomkugeln  in  dens.  436. 

i von  Riesenzellen  in  dens.  428,  433,  536. 

.  —     Verhalten  der  Nachbarschaft  509,  510. 

—  Zelleinschlttsse  in  dens.  475. 
Carcinomprotozoen,    Deutung   ders.  als 

Zell-  u.  Kemdegenerationen  487  ff. 

—  Entwickelung  ders.  476,  477,  478, 

—  Metachromasie  ders.  475,  476,  492,  493. 

—  Vermehrung  ders.  im  Kaninchengehim  479. 

—  Vorkommen  ders.  475. 
ders.  im  Blute  480,  481. 

—  Kritik  der  Angaben  481  ff. 
Carcinomzellen,  Anaplasie  ders.  521,  52:1 

—  Bewegungserscheinungen  an  dens.  429. 

—  Funktion  ders.  424. 

—  Hinfälligkeit  ders.  426. 

—  Mitosen  ders.  427. 

—  Protoplasmastruktur  ders.  423,  425. 
Celloidineinbettung,    Kombination    mit 

Paraffineinbettung  15. 

—  Nachteile  ders.  14. 

—  Schnittserien  dabei  16. 

—  Verbesserung  ders.  16. 
Chemotaxis  78,  79,  363,  430. 
Chloromc  101,  106. 


Saeb -Register. 


717 


Cholesteatom  412. 

Chondro  endo  theliom  der  Haut  327. 

Chorionzotten,  Myxom  ders.  324. 

Chromatinschwund  144. 

Chromatolyse  145,  162. 

Chromatotexis  282. 

Chylangiom,  des  Darms  348. 

Cirkulationsstörung  687. 

~    Wesen  ders.  bei  d.  EntzQndimg  69,  70. 

Coagnlationsnekrose  689. 

Coccidien,  Paraglykogen  in  dens.  177,  408. 

—  Vorkommen  ders.  in  Carcinomen  476,  478. 

—  in  Ureterencysten  288. 
Coccidiam  oviforme,   in  Gallengaugsade- 

nomen  419. 

—  sarkolytum  479. 
Coma  diabeticam  615. 

—  bedingt  durch  Sftureintoxikation  616. 
Coenobiose  296. 

Coenome  293,  296. 
Corpora  amylacea  192,  193. 

—  Bildung  der  konzentr.  Schichtung  u.  radiäre 
Streifung  in  ihnen  197,  198. 

—  Einteilung  ders.  183,  194. 

—  Entstehung  196,  197. 

—  Reaktionen  ders.  193,  199,  200. 

—  Vorkommen  ders.  195,  196. 
Corpora  flava  s.  corpora  amyl. 
Corpora  versicolorata  s.  corp.  amyl. 
Corpora  lutea  288. 

Cylindrom  369,  370,  371. 
Cysten,  Begriff  286. 
--    Einteilung  287. 

—  traumat.  Entstehung  287,  411. 
Cystoadenom,  multiples  d.  Gallengänge  507. 

—  papilläres  der  Ovarien  416. 


Darm,  polypös.  Adenora  dess.  416. 

~    Cliylangiom  des  348. 

D^bris  paradentaires  411,  412. 

—  Beziehung  dess.  zum  Carcinom  455. 
Degeneration,  amyloide,  Begriff  ders.  212. 

Beziehungen  ders.  z.  Fibrin  222. 

zmn  Glykogen  177,  178,  223,  224. 

zum  Hyalin  216,  217,  218. 

zum  Schleim  218. 

—  —    experimentelle  Erzeugung  ders.  224. 

—  --    Reaktionen,  chemische  213. 
tinktorielle  212. 

Resorbierbarkeit  219,  220. 


Degeneration,  amyloide,  Sitz,  Entsteh- 
ung und  Vorkommen  ders.  213,  214,' 2i5 

in  Sarkomen  371. 

Theorie  ders.  220-224. 

—  albaminöse  180. 

—  fettige  161,  610. 

—  karyokinet.  Prozesse  dabei  161. 

—  hyaline  der  Kerne  164. 

des  Protoplasmas  200,  689. 

Begriff  ders.  201. 

—  Einteilung  ders.  204,  205. 

—  Entstehung  ders.  207—211. 

—  Verhältnis  zum  Amyloid  216,  217,  218. 
zur  Fibringerinnung  209,  210. 

zu   den   Fuchsinkörperchen   187,    188, 

189,  208. 

—  Vorkommen  ders   205,  206. 

in  Sarkomen  370,  371. 

in  Carcinomen  435,  436. 

tinktorielles  Verhalten  202,  203,  204. 

—  von  Mitosen  163. 

—  —  an  Carcinomzellen  164. 

—  physiologische  161,  162. 

—  protoplasmatische  148,  150. 

—  vakuoläre  151,  152,  153,  154. 
Dermoidcyste,  Umwandlung  von  in  Carcinom 

450,  499. 
Diabetes  mellitus  606,  607,  608,  611. 

—  und  Säurevergiftung  611  ff. 
Diaceturie  618. 
Diapedese  94. 

Diathese,  hämorrhagische  97,  98. 

—  uratische  626. 
Drüsen,  Begriff  ders.  414. 

—  Regeneration  ders.  240,  241. 

—  LieberkQhnsche  237,  240. 


£. 


Ecchondrosis  physalifora  327. 
Ecchymosen  94,  97. 

—  nach  Kapillarembolie  96. 
Einbettungs^ethoden  13. 
Einheit,  urotoxische  648. 
Eiterung,  Mikroorganismen  der  80. 

—  chemische  Auffassung  ders.  81. 
Eiweisszerfall,  toxigener  625. 

Ei  Weisszersetzung  bei  Krebskranken  513. 
Elephantiasis,  Beziehung  z.  d.  Fibromen 308. 
£  m  b  0 1  i  e ,  gekreuzte  123. 

—  atypische  125. 


718 


Sacb-Register. 


Enchondrom,    Beziehungen    zur    Rachitis 
325,  326. 

—  —    zu  Cirkulationsstörungen  326. 

—  der  Haut  327. 

—  des  Hodens  327. 

—  des  Kehlkopfs  327. 
Endotheliom  367,  368. 
Endothelkrebs  372,  373. 
Entkalkungsmethoden  12,  13. 
Entzündung  67  ff.,  688. 

—  Begriff  ders.  67,  68. 

—  Beziehung  zur  Geschwulstbildung  90. 

—  Chemotaxis  bei  ders.  78—79. 

—  Einfiuss   der  Anämie   u.   HyperAmie   auf 

dieselbe  85,  86,  87. 

—  —    der   Blutcirkuiation   und  Innervation 

84,  85. 

—  Immunität  nach  ders.  89,  90. 

—  Leukocytenauswanderung  bei  ders.  77,  78, 
80,  81. 

—  Phagocythose  dabei  81,  82,  83. 

—  Säftecirkulation  in  ders.  88. 

—  Selbstheilung  ders.  91,  92. 

—  teleologische  Auffassung  ders.  91. 
Entzündungsherd  73,  75,  76. 
Entzündungshof  74,  75,  76. 
Entzündungsröte  72,  73. 
Entwickelung,  Selbstthätigkeit  ders.  555  ff. 

—  Einfiuss  der  Aussenwelt  auf  dies    555  ff. 
Entwickelungsmechanik  544  ff. 

—  Bedeutung  ders.   für  die  Teratologie  547. 

—  —    für  die  Pathologie  551  ff. 
Epidermoide  533. 
Epilepsia  acetonica  617. 

Epithel ien,   Verhalten   ders.  bei  der  Men- 
struation 240. 

—  —    bei  der  Regeneration  238,  239. 
Epithelcysten,  traumatische  287,  411,  532, 

533. 
Epithelioma  contagiosum  899. 

—  Histiogenese  u.  Struktur  400,  401. 

—  MoUuskumkörperchen  in  ihnen  402. 

—  —    Deutung  als  Sporozoen  403,  404. 

—  —    Deutung  als  Zelldegeneration  405, 406. 
Epithelioma  folliculare  cutis  400. 
Epitheliom,  verkalkendes  410,  437. 
Ernährungszustand,    Krebskranker   513. 
Erweichungscysten  287. 
Erregbarkeitsstufe,    eklamptische    646. 
Evolutionstheorie  553. 
Exostosen,  der  Arachnoidea  329. 

—  Kombination  mit  Riesenzellensarkom  328. 
--     Heredität  ders.  829. 


I  Exostosen,  multiple  328. 
—    der  Trachealschleimhaut  329. 
Extraktivstoffe  642. 


Färbemethoden,  Prinzipien  n.  BeurteiluDs: 

ders.  20,  21,  22. 
Färbung  der  Achsencylinder  34,  35. 
~    von  Amyloid  27,  28. 

—  von  Blutpräparaten  32. 

—  elastischer  Fasern  31. 

—  von  Fibrin  28. 

—  Ganglienzellen  35.  36. 

—  Gliafasern  36,  37. 

—  Glykogen  24,  25. 

—  Hyalin  26,  27. 

—  feinerer  Kern-  und  ZelJstrukturen  29,  H«i. 

—  von  Kalk  28. 

—  —    Kolloid  24. 

—  —    Markscheiden  33. 

—  —    Mucin  23. 

Fasern,  koUagene  Färbung  ders.  81. 

—  elastische,  Färbung  ders.  31. 

—  —    Regeneration  ders.  244,  245. 

—  Sharpeysche  30. 
Fettembolie  126,  127. 
Fettmetastase  611. 
Fibrin,  Färbung  28. 

—  Vorkommen  in  Tuberkeln  275. 
Fibrom,  kongenitale  Anlage  307,  808. 

—  Beziehung  zur  Elephantiasis  308. 

—  Entstehung  ders.  durch  Traumen  806. 

—  der  Haut  u.  Nerven  308.  309. 

—  des  Herzens  307. 

—  Multiplizität  ders.  309. 

—  der  Niere  306. 
Fibromatose,  diffuse  angiogene  808. 

—  der  Nerven  308. 
Fibrosarkom  350. 
Fieber,  Begriff  dess.  660. 

—  bei  Carcinomat5sen  519. 

—  Einfiuss  des  Nervensystems  dabei  670. 

—  vasomotor.  Phänomen  dabei  669. 

—  bei  Sarkomatösen  385. 

—  Stoffwechsel  in  dems.  676. 

—  Verhältnis  zur  Hyperthermie  660. 

—  -    Infektion  661,  664  ff. 

—  —    Intoxikation  662. 

—  Wärmehaushalt  in  dems.  678. 

—  Wärmeretention  in  dems.  661. 

—  der  Zelle  662. 

—  Zusammensetzung  des  Blutes  in  dems.  675 


Sacb'Regisier. 


719 


Fleischbeschau,  Handbuch  den.  700.  { 

Fleischmilchsäure,  592,  59^,  596,  598.  I 
Formalin,  als  Konservierungsmittel  9,  10.  { 
Forschung,  bakteriologische  685.  , 

FrenndkOrper,  bei  der  Bildung  von  Granu-  | 
lationsgewebe  283.  | 

Fremdkörperriesenzellen  s. Riesenzellen.  { 
Fremdkörpertuberkulose,  467,  539.  1 

FrostgangrAn,  141.  { 

Fuchsinkörperchen,  Russeische  181  if.   ! 

—  —    ehem.  Konstitotion  191.  ) 

—  Färbung  ders.  182. 

—  Form  ders.  183,  184, 
>-     Geschichte  ders.  181,  182. 

—  Grösse  ders.  182. 

—  Natur  ders.  186—190. 

—  Verhältnis  zu  d.  Altmannschen   Granula 
188,  189,  190.     • 

—  —    Glykogen  192. 

—  —    Hyalin  187—189. 

—  —    Lecithin  192. 

—  —    d.  Mastzellen  190,  191. 

—  —    Paraglykogen  187. 

—  Verhalten,  optisches  182. 

—  Vorkommen  184—186. 

G. 

Ganglienzellen,  Färbung  ders.  35,  36. 

—  senile  Metamorphose  149,  150. 

—  Regeneration  251. 
Gefässwandalteration  bei  d.  Entzündung 

70,  71. 
Gehirnsektion  6,  7. 
Gerüsthyperchromatose  144. 
Geschlechtszellen.  Verlust  ders.,   biolog. 

Bedeutung  davon  567. 
Geschwülste,    Bedeutung   der  Leukocyten 

in  dens.  298. 

—  Begriif  ders.  291,  292,  305. 

—  Einteilung  ders.  294-296,  305.  H 

—  Entstehung  ders.  296,  298,  299,  301—303,      H 
530,  531. 

—  histioide  691,  692. 

—  organoide  691,  692. 

—  Verhältnis  der  einfachen  zu  d.  Mischge-      H 
schwulst  297.  I   H 

—  Verhalten,  funktioneUes  292,  293.  I  H 
Geschwulstmetastase  s.  Metastase.  1  H 
Gewebe,  Differenzierung  ders.  562.  I  H 

—  Spezifizität  ders.  563.  [  - 
Gicht  630,  632.  |  - 
Glia fasern  s.  Neuroglia.  {  — 


Gliom  des  Auges  341. 

—  kongenitales  341. 

—  Histologie  339,  341. 

—  mit  epithelführenden  Hohlräumen  340. 

—  Verhältnis  zur  diffusen  Gliomatose  u.  Syrin- 
gomyelie  339,  340. 

Glykogen,   Beziehungen    dess.    z.   Amyloid 
177,  178,   223,  224. 

—  —    z.  d.  Fuchsinkörperchen  177,  192. 

—  —    zum  Paraglykogen  177. 

—  Eigenschaften,  optische  u.  morphologische 
167,  168. 

—  Färbung  dess.  24,  25,  175. 

—  Löslichkeit  dess.  175,  176. 

—  Vorkommen   unter  physiol.  Bedingungen 
167. 

—  —    patholog.  Bedingungen  168. 

—  —    im  Blute  168,  169. 

—  —    in  Eiterzellen  169. 

—  —    nach  Ezstirpation  d.  Plexus  coeliacus 
170. 

—  —    in  Leukocyten  169. 

—  —    in  Neoplasmen  171—174. 

—  —    in  Nierenepithelien  170. 

—  -     in  Rhabdomyomen  331. 

—  —    in  Sarkomen  359. 
Granula,  Altmannsche  Verhältnis  zu  den 

Fuchsinkörperchen  188—190 

—  —    Verhalten  bei   der  anäm.  Nekrose  d. 
Nierenepithelien  147. 

—  <     bei  d.  trüben  Schwellung  158—160. 

—  —    Vorkomen  in  Carcinomen  424. 

—  —    Vorkommen  in  Sarkomen  358. 
Granula,  Neussersche  632. 
Gre  gar  inen,  in  Carcinomen  478. 
Gregarinenkörner  403,408. 
Grundgesetz,  biogenetisches  440. 


H. 

aar,  Regeneration  dess.  239. 
ämangiom,  kavernöses  344. 

-  Einteilung  ders.  345,  346. 

-  der  Highmorshöhle,  ossifizierendes  344. 

-  der  Muskulatur  344. 
ämatoidin  101. 

ämochromatose  101,  102,  104,  105. 
ämofuscin  102,  103,  104,  105. 
ämophilie  97,  98. 
ftmorrhagie,  arterielle  95. 

-  per  diapedesin  94. 

-  infektiöse  96. 

-  bei  Hysterie  99. 


720 


Sach-Register. 


—  bei  Leukaeroie  97. 

—  menstruale  99. 

—  bei  Morphinismus  100. 

—  per  rhexin  94,  95. 

—  bei  Tabes  99. 

—  toxische  96,  97. 

Hämosiderin  101,  102,  103,  104,  105. 
Harn,  Aschenbestandteile  dess.  648,  644. 

—  Giftigkeit  dess.  648,  650. 

—  Verhalten  dess.  bei  Garcinomatose  514. 
Harnsäure,  Bildung  durch  Leukocyten  627. 

—  und  Gicht  630. 

—  Toxizität  ders.  629. 
Harnsäurediathese  626. 
Harnstoff,  Bedeutung  dess.  b.  d. Urämie  642. 
Haustiere,   Lehrb.  d.  pathol.  Anatomie   der 

700. 
Haut,  Ghondroendotheliom  ders.  327. 

—  Enchondrom  ders.  327. 

—  Fibrome  ders.  308,  809. 

—  Myome  ders.  333,  334. 

Herz,  Accommodationsbreite  dess.  51. 

—  Arrhythmie  61. 

—  Fibrom  dess.  807. 

—  Kompensationsstörungen  dess.  39,  47,  52. 

—  Kompensation  dess.  39,  44,  46. 

—  Myxom  dess.  324. 
-     Rhabdomyom  331. 

—  Reservekraft  40,  41,  44. 

—  Sektionsmethode  6. 
Herzerweiterung,  akute  59. 

Herz  fleisch,   diffuse   fibröse    Degeneration 

dess.  55,  57. 
Herzganglien  58,  59. 
Herzhypertrophie  46,  48,  49. 
Herzstoss  62. 

Hirnanämie,  akute  bei  Urämie  645. 
Hoden,  Atrophie  dess.  150. 

—  Enchondrom  dess.  327. 
Holoblastose  297,  350. 
Homogentisinsäure  634 
Hyalin  26,  27,  489. 

Hydro xyfett säuren,    im  Chemismus    der 

Säurevergiftung  591. 
Hyperämie,    Einfluss   auf   die   Entzündung 

85,  86,  87. 
Hyper  ehr  omatose  der  Kerne  144. 

—  in  Sarkomzellen  355,  356. 
Hyperplasie  241,  242,  525. 

—  Verhältnis  zu  den  Geschwülsten  290, 291. 

—  —    zur  Zellfunktion  525. 

—  knotige  und  Adenom  291. 
Hyperthermie  der  Zelle  662. 


Hylperthermie,  Verhältnis  zum  Fieber  660. 

Hypertoxie  649. 

Hypertrophie  des  Herzens  46,  48,  49, 

—  kompensatorische  241,  256,  565. 

—  Verhältnis  zur  Regeneration  241,  242, 260. 
Hypotoxie  649. 

I 


Idioplasma  520. 

Idioplassonten  558. 

Ikterus,  hämatogener  108. 

—    hepatogener  107. 
I    Infektion  182,  685. 
I   —    Verhältnis  zur  Selbstvergiftung  574. 
1   —     —     zum  Fieber  661,  664, 

Infektionserreger,  py retogene  Eigeoschaf- 
!  ten  ders.  665  ff. 

I   Infektionsfieber  661. 

Intoxikation,  Beziehung  zum  Fieber  662. 

Isoplassonten  558. 


Kalk,  Färbung  dess.  28. 

Kalorimetrie  675. 

Karbamin säure,     Beziehung    zur   Urämie 

622,  624. 
Kardiogramm  62. 
Karyolyse  140,  144,  148. 

—  in  Krebsen  488,  489. 
Karyorhexis  141,  144,  148,  151,  155. 

—  Bedeutung  ders.  145,  146. 

—  in  Carcinomen  488,  490. 

—  in  Sarkomen  861. 
Kehlkopf,  Enchondrom  dess.  327. 

—  gutartige   Neubildungen   dess.,  Umwand- 
lung in  Krebs  495. 

Kern,  homogene  Schwellung  dess.  156. 

—  hyaline  Degeneration  dess.  164. 

—  Pyknose  dess.  146,  161. 
i   —    Sklerose  dess.  147. 

—  Vakuolisation  154,  155. 

—  Zerklüftung  146. 

Kernfragmentierung  in  Sarkomen  359,361. 
Kernschwund  148,  144,  147. 
Kernwanddegeneration  161. 
Kernwandhyperchromatose  144. 
Kernteilung,  atypische  860. 

—  Spezifizität  ders.  520,  563,  568;    s.  auch 

Mitose. 
Kiefercyste  412. 
Knochen,  primärer  Krebs  dera.  443. 


Sach'Register. 


721 


Knochen,  Transplantation  dess.  254. 
Knocbenmark8rie8enzeilenemboliel25. 
Knorpel,  Regeneration  dess.  245. 
Koeffizient,  urotoxischer  648. 
Kolloid,  Fftrbong  dess.  24. 
Konservierung  von  Organen  9,  10. 
Konserviernngsflfissigkeit  nach  Gra- 

witz  8;  nach  Thoma  8,  9. 
Konservierungsmethoden  7. 
Krankheit,  Basedowsche  637. 

—  GravesRche  638. 
Krankheitsdisposition  686. 
Kreatin   und   Kreatinin,    Bedentang   hei 

der  Urämie  643. 
Krebsstroma  430. 

—  Bildung  dess.  431. 

—  Mitosen  in  dems.  432. 

—  Vorkommen  von  Leukocyten  in  dems.  433. 
~    —     von  Plasmazellen  433. 

—  —    von  Rasseischen  Körpern  433. 
Krümelzellen  277. 

—  Abstammung  ders.  von  Leukocyten  278. 


Larynx,  Papillom  dess.  409. 
Leberadenom,  metastasierendes  507,  509. 
Leber,  Aasschaltung  ders.  bei  Vögeln  595. 

—  Folgen  der  Ausschaltung  596,  597. 

—  Rekreation  ders.  242. 
Lebercirrhose,  Beziehung  zum  Leberkrebs 

464. 
Leberzellenembolie  bei  Eklampsie  124. 

—  Folgen  der  125. 
Lecithalbumin  653. 

Leiomyome,  Ätiologie  ders.  334,  335,  337, 
338. 

—  Bau  und  Entstehung  332,  333. 

—  der  Haut  333,  334. 

—  des  Magendarrotraktus  334,  337. 

—  Mastzellen  in  dens.  334. 

—  Metastasenbildung  ders.  135. 

—  des  Uterus  333. 

—  Vorkommen   epithelführender   Hohlräume 
in  dens.  335,  336. 

Lepraknoten,  Histogenese  280,  281. 

—  Plasmazellen  in  dens.  273. 
Leukocyten,  Bedeutung  ders.  in  Geschwüls- 
ten 298. 

--    Beteiligung  a.  d.  Bindegewebsneubildung 
243,  244. 

—  —    Gewebsneubildung  266. 

—  als  Bildner  der  Harnsäure  627. 
LabarBoh-OBtertag,  EiKobnisBe  Abtoil.  n. 


Leukocyten  in  Carcinomen  429,  430,  433, 
517,  518. 

—  Glykogen  in  dens.  169. 

—  in  Sarkomen  362,  363,  364. 
Leukocytose  bei  Carcinoraatose  518. 

—  bei  Sarkomatose  384. 
Leukoplasie  536. 
Lieberkfihnsche    Krypten,    aberrierte; 

Beziehung  zur  Krebsbildung  451. 
Lipom,  Altersdisposition  318. 

—  kongenitale  Anlage  316. 

—  Entstehung  312. 

—  Einfluss  des  Nervensystems  auf  die  Ent- 
stehung ders.  317,  529. 

—  von  Traumen  315. 

—  Heredität  316,  317. 

—  Multiplizität  ders.  317. 
>-    der  Niere  312. 

—  mit  Ölcysten  319. 

—  symmetrische  317,  528,  529. 

—  Verhalten  zur  Polysarcie  314,  315. 
Lithiasis  uratica  632. 
Lösung,  Altmannsche  12. 

—  Hermannsche  12. 

—  Zenkersche  11. 
Luftröhre,  Papillome  ders.  409. 

—  multiple  Papillome  ders.  410. 
Lupus,  Plasmazellen  dabei  270,  274. 

—  carcinom  465,  537,  538. 
Lymphangiom,  kongenitale  Anlage  346. 

—  cystisches  346. 

—  der  Milz  348. 

—  Verhalten  zur  Makroglossie  346. 
Lymphangioma  tuberosum  multiplex 

347. 
Lymphocyten,  Regeneration  ders.  245. 
Lymphosarkom  349. 

M. 

Madurafuss  (Mycetoma)  283. 
Magendarmtraktus,     Leiomyome    dess. 
334,337. 

—  Erkrankungen  dess.,  Zusammentreffen  mit 
Säureintoxikation  620. 

Malaria,  Parasiten  ders.  106. 
Mamma,  Adenom  ders.  415. 

—  Verhalten  der  Membrana  propria  dabei  415. 
Markscheiden,  Färbung  ders.  33. 

—  Verhalten  bei  Nervenregeneration  252. 
I   Mastzellen  in  Leiomyomen  334. 

I   —    in  Neurofibromen  310. 
I   —    Verhältniss  zu  den  Fuohsinkörpem  190. 

46 


722 


Sach-Register. 


Melanämie  106. 
Melanin  109. 
Melanosarkome  875. 

—  Beschaffenheit    des  Farbstoffes    in   dens. 
376,  377. 

—  Beziehung  zu  den  Naevis  380. 

—  Struktur  379. 

—  experimentelle  Übertragung  380. 

—  Vorkommen  378,  879. 
Metachromasie  der  Carcinoroprotozoen  475, 

476,  492,  493. 
Metamorphose    senile    der    Blntgeftss- 
drüsen  149. 

—  —    der  Ganglienzellen  149,  150. 

—  —    des  Knorpels  150. 
Metaplasie  261,  262.  331. 
Metastase  129. 

—  von  Adenomen  420. 

—  von  Garcinomen  503  ff. 

—  durch  paradoxe  Embolie  133. 

—  durch  venöse,  retrograde  Embolie  184. 

—  durch  Kapillarembolie  183,  184. 

—  von  Kohlenstaub  130,  131,  132. 

—  durch  retrograden  Lymphtransport  135. 

—  von  Metallstaub  129,  180. 

—  von  Myomen  185. 

—  von  Sarkomen  883,  386. 

—  Ursache  ders.  507,  508. 

Methode,  zur  Erhaltung  der  Zellgranula  12. 
Mikroorganismen,  gewebsbildende  Eigen- 
schaften ders.  560. 
Mikrosporidien  475. 
Milz,  Cysten  ders.  848. 

—  Lymphangiome  848. 
MineralsAuren,   Wirkung  verdünnter  auf 

den  Magen  584  ff. 
Mischgeschwfllste,  Entstehung  und  Vor- 
kommen 381,  888. 

—  Verhältnis  zu  den  einfachen  Geschwülsten 
291. 

—  —    zu  den  Teratomen  382. 
Missbildungen  experiment.£rzeugung ders. 

545,  546,  690. 
Mitosen  asymmetrische  360,  427,  520,  522. 

—  Degeneration  ders.  168,  164. 

—  hypochromatische  360,  522. 

—  in  glatter  Muskulatur  245. 

—  Vorkommen    in  normalen   Geweben   287, 
288. 

Molluscum  contagiosum  s.  Epithelioma 

contag. 
Morbus  Basedowi  688. 

—  maculosus  Werlhoiii  97. 


Mucin,  Färbung  dess.  23. 
Mucinämie  687,  638. 
Muskulatur,   glatte,  Regeneration  ders. 
245. 

—  quergestreifte,  Hämangiom  der».  344. 

—  —    Regeneration  ders.  246 — 250. 

—  —    Schlummerzellen  dabei  249. 

—  —    Transplantation  ders.  844. 

—  Verhalten    ders.  in    der  Umgebung  ?on 
Krebsen  510. 

Myelotom  7. 

Mykosis  fungoides  274. 

Myom  s.  Rhabdo-  u.  Leiomyom. 

Myxoangiosarkom  369. 

Myxödem  637,  638. 

Myxosarkom  369. 

Myxom  der  Chorionzotten  824. 

—  des  Herzens  824. 

—  der  Niere  824. 

—  Schlumroerzellen  in  dens.  323. 

—  Verhältnis  zu  ödemat  Fibrom-Lipomen  323. 
Myxosporidien  288. 

BT. 

Naevus,  Beziehung  zum  Melanosarkom  38(1 
Nebenkerne  489. 
Nekrose  138,  139. 

—  Klassifizierung  ders.  140,  141,  142. 
Nekrobiose  188,  139. 
Nephritis  bei  Krebskranken  518. 
Nerven,  Fibrome  ders.  308,  809. 

—  Fibromatose  ders.  808. 
Nervensystem,  Regeneration  dess.  251. 

—  —    Transplantation  dess.  254. 
Neuroblasten  252. 
Neurofibrom,  Struktur  d.  810. 

—  Mastzellen  in  d.  810. 
Neuroglia,  Färbung  ders.  36,  37. 
Neuritis  bei  Krebs  518,  519. 

—  retrobulbäre  619. 
Neuroglioma  ganglionare  842. 
Neurom,  atypisches  842. 

—  plexiformes  341. 

—  Struktur  u.  Vorkommen  341,  342. 
Niere,  Fibrome  ders.  306. 

—  Lipome  ders.  312. 

—  Myxome  ders.  324. 
Nierenkranke,  Stoffwechseluntersuchmigen 

bei  dens.  654. 


Sach-Register. 


723 


o. 

Ochronose  101,  105,  106. 

Osteome  s.  Exostosen. 

Ovarial Cysten,  Entstehung  aus  corp.  lut. 

288. 
S-Oxybattersänre  517,  592,  593,  599  ff., 

612,  613,  615. 

—  als   Spaltungsprodukt    der  Eiweisskörper 
603,  604. 

—  als  Ursache  von  Sänrevergiftnng  609  ff. 


Pankreasdiabetes  606,  608,  651. 
Pankr easlAppchen  aberrierte,   Beziehung 

zum  Magenkrebs  451. 
Papillom  399,  408,  409. 

—  der  Konjunktiva  411. 

—  Ganese  ders.  409,  410. 

—  d.  Harnblase  409. 

—  d.  Larynx  409. 

—  d.  Luftröhre  409. 

Paraffineinbettung,  Anwendung d.  Anilin- 
öls dabei  14,  15. 

—  Kombination   mit   Celloidineinbettung  15. 

—  Mftngel  ders.  13. 

Paraffinschnitte,  Aufkleben  ders.  17. 
Parenchymzellenembolie  124. 
Paraglykogen  in  Ooccidien  177,  408. 

—  Verhältnis  zu  d.  Fuchsinkörpem  192. 

—  —    zum  Glykogen  177. 
Petechien  94. 

Phagocytose  67,  81,82,  83,  429,  686. 
Phloridzindiabetes  606,  607. 
Phloroglucin  zur  Entkalkung  12. 
Photographie,  mikroskopischer  Objekte  694. 
Pigment,  eisenfreies  101,  103. 

—  eisenhaltiges  101,  102. 

—  hämatogenes  101,  106. 
Pigment,  melanotisches  100,  108,  109. 

—  —    in  Tumoren  114,  115,  376,  377. 
Pigmentierung,    Abhängigkeit    von    ner- 
vösen Einflüssen  110,  111. 

—  bei  Morbus  Addisonii  111. 

—  physiologische  103. 
Pigmentverschleppung  112,  113. 
Placentarzellenembolie  125. 
Plasmarhexis  140. 
Plasmazellen  bei  AcUnomykose  273. 

—  in  Carcinomen  433. 

—  bei  der  Initialsklerose  272. 

—  im  Lepraknoten  273. 

—  im  Lupus  270. 


Plasmazellenbei  Mykosis  fungoides  274. 

—  bei  Rhinosklerom  278. 

—  bei  Rotz  273. 

—  in  Sarkomen  274,  863. 

—  Abstammung  ders.   von  Leukocyten  278, 
279. 

Plasmolyse  144. 

Plasmom  269,  272,  273,  274. 

Plexus  coeliacus,  Exstirpation  dess.   und 

Folgen  davon  170,  605. 
Polypen,  multiple  des  Darms  416,  500. 

—  Umwandlung  in  Krebse  500,  501. 
Postgeneration  284,  285,  547,  551. 
Prinzipien,  histomechanische  844,  687. 
Prostatakrebs,   Knochenmetastasen   ders. 

505. 
Protozoen,  Vorkommen  in  Myomen  888. 
— •    —    in  Sarkomen  898. 

—  —    in  Carcinomen  475  ff. 
Psammogliom  841. 
Pseudokerne  489. 
Psammom  371. 
Ptomaine  in  Harn  651. 
Purpura,  haemorhagica  97. 

—  symmetrische  99. 

Pyknose  von  Kern  u.  Zellleib  146,  161,  162. 
Pyloruskrebs,  Verhalten  der  Magenschleim- 
haut bei  dems.  510. 


Regeneration  234,  285,  286. 

—  physiologische  287. 

—  pathologische  d.  Bindegewebes  242. 

—  Beteiligung  von  Leukocyten    u.  Wander- 
zellen dabai  243,  244. 

—  der  Blutgefässe  244. 

—  d.  secernierenden  Drüsen  241. 

—  d.  Epithels  238. 

—  elast.  Fasern  244. 

—  d.  Ganglienzellen  251. 
^    d.  Haare  239. 

—  d.  Knorpels  245. 

—  d.  Lymphocyten  245. 

—  d.  glatten  Muskulatur  245. 

—  d.  quergestreiften  Muskulatur  245. 

—  d.  Nervensystems  251. 

—  d.  Schleimhäute  240. 

—  d.  Sehnengewebes  244. 

—  Einfluas  d.  Nervensystems  auf  dies.  259. 

—  Ursachen  ders.  256,  257,  258. 

—  Verhalten  zur  Hypertrophie  241,  242,  260. 
Rekreation  der  Leber  242. 

Reserve  kraft  des  Herzens  40,  41,  44,  45. 

46* 


724 


Sach-Register. 


Retentionacysten  287. 
Retina,  Gliom  ders.  341. 
Rhabdomyome,  Entstehung  830. 

—  d.  Herzens  881. 

—  d.  Speiseröhre  830. 

—  d.  Uterus  381. 

Rhopalocephalus  carcinomatodes478. 
Riesenzellen,  Entstehung  ders.  284,  285. 

—  Vorkommen  in  Carcinomen  428,  483,  467. 

—  —    im  Granulationsgewebe  288,  284. 

—  in  Xanthomen  820. 
Riesenzellensarkom  865,  866. 

—  Entstehung  ders.  866. 

—  kombiniert  mit  multiplen  Exostosen  328. 

—  d.  Aorta  thoracica  366. 

Rück fa  11  fi eher,    chronisches    bei    Sarko- 
matOsen  885. 

—  —    bei  Carcinomatösen  519. 
Rückenmarkveränderungen  bei  Magen- 
krebs 519. 

Rundzelle  276. 
Rundzellensarkom  863. 


SAureautointoxikation  580. 
Sänrestoffwechsel  579. 
Säurevergiftung,  Chemismus  der  experi- 
mentellen 583. 

—  bei  Carcinomatösen  622. 

—  bei  Diabetes  mellitus  611  ff. 

—  Diagnose  ders.  588. 

—  febrile  621. 

—  bei  intensiver  Muskelarbeit  597. 

—  Pathologie  ders.  586. 
Salpetersäure  zur  Entkalkung  13. 
Sarkoblasten  249. 
Sarkolyten  249. 

Sarkom  s.  auch  Angio-,  Fibro-,  Lympho-, 
Melano-,  Myxo-  und  Riesenzellensarkom; 
Cylindrom,  Endotheliom,  Psammom. 

—  Abgrenzung  gegenüber  d.   Carcinom   351. 

—  —    gegenüber  d.  Fibrom  352. 

—  Ätiologie  885,  387. 

—  Altersdisposition  388,  389. 

—  Beschaffenheit  der  Blutgefässe  in  dens. 
352,  858. 

—  Bösartigkeit  ders.  383. 

—  Entstehung,  parasitäre  393. 

—  —    traumatische  392. 

—  Histogenese  354. 

—  Überimpfbarkeit  auf  Tiere  394. 


Sarkom,    Umwandlung    gutartiger    Nenbil« 
düngen  in  dass.  395,  896.  897. 

—  Verhalten  des  Blutes  884,  385. 

—  —    von  Parenchym  und  Stroma  349,  3o<J. 

—  Vorkommen  von  Protozoen  in  dens.  393. 
Sarkomzellen,  Struktur  der  Kerne  855,  SoS. 

—  —    d.  Protoplasmas  857.  858,  859. 

—  Teilnngsmodus  der  360,  861. 
Schilddrüse,  Transplantation  ders.  254. 

—  metastasierendes  Adenora  ders.  420. 
Schleimgewebe,    Beziehung   zum   ödema- 

tösen  Bindegewebe  328. 
Schleimhäute,  Regeneration  der  240. 
Schlummerzellen  249,  262,  268,323,  449, 

690,  697. 
Schnelleinbettung  14. 
Sohnellhärtung  14. 
Schwellung,  trübe  157,  158,  160,  161. 

—  Kemwanddegeneration  und  Pyknose  dabei 
161. 

—  Verhalten  der  Altmannschen  Granula  hei 
der  158,  159,  160. 

Sekretion,  innere  577. 

—  und  Atttointoxikation  635. 
Sektionstechnik  5,  701. 

—  Leitfäden  der  698. 

Sehnenge  webe,  Regeneration  des  244. 
Sehnerv,  plexiformes  Sarkom  des  369. 
Skorbut  97. 

Spaltpilze,  Vorkommen  in  Carcinomen  472, 
511. 

—  —    in  Sarkomen  898. 
Speiseröhre,  Rdabdomyom  der  831. 
Sphygmomanometer  678. 
Sprosspilze,  Vorkommen  in  Carcinomen  472. 
Staubmetastaso  116. 
Staubzellen  116. 

Stoffwechsel,  Akte  dess.,  die  zur  Selbst- 
vergiftung führen  577. 

—  intermediärer.  Autoin toxikosen  des  577. 

—  Retardation  des  578. 
Stoffwechseluntersuchungen  bei 

Nierenkranken  654. 
Struma,  metastasierende  420,  507,  509. 
Stumpifneurom  s.  Amputationsnenrom. 
Substanz,  fieber  erregen  de;  ehem.  Natur 

ders.  667. 
Syphilis,  Beziehung  z.  Carcinom  464. 

—  —    z.  Sarkom  398. 


Sach-Register. 


725 


T. 

Tachykardie  59,  60,  61. 
Teratologie,  experimentelle  545. 

—  Bedeatang     der    Entwickelungsmechanik 
f&r  d.  551. 

Thrombose  120  if. 
Thrombosenbildung,  Beteiligung d. roten 

BlntkOrper  bei  ders.  121,  122. 
Trachealschleimbant,  Osteome  der  329. 
Transplantation  der  Haut  253. 

—  der  Knochen  254. 

—  der  Muskeln  254. 

—  der  Nerven  254. 

—  der  Schilddrüse  254. 

Transport,  retrograder  in  den  Lymphbahnen 
126. 

—  in  den  Venen  126. 
Tranbenmole  324. 

TrichloreasigsAure  zur  Entkalknng  13. 
Trioxyphenylsäure  634. 
Tuberkel,  Histogenese  280. 

—  Vorkommen  von  Fibrin  in  275. 
Tuberkulose,  Beziehung  zum  Carcinom  466, 

467,  537,  539. 

U. 

Urämie,  575,  622,  624. 

—  Chemie  des  Blutes  dabei  655. 

—  Entstehung  der  641  ff. 

—  —    durch  die  Aschenbestandteile  des  Harns 
643. 

—  —    durch  die  Extraktivstoife  des  Harns 
643. 

—  —    durch  den  Harnstoff  642. 

—  —    durch  mangelhafte  innere  Nierensekre- 
tion 651. 

—  Himanämie  bei  645. 

—  pathologische  Anatomie  der  Nieren  bei  der 
657. 

—  Symptome  der  656. 

—  mechanische  Theorie  645. 


üreteritis  cystica  288. 

—  Goccidien  dabei  288. 
Uterus,  Leiomyome  des  333. 

—  Rhabdomyom  des  331. 

Uteruscar einem,    Verhalten   der   Fundus- 
schleimhaut dabei  510. 
üterusmyom,  Umwandlung  in  Sarkom  396. 

W. 

Wachstum,  physiologisches  234,  235. 
Wärmehaushalt  im  Fieber  678. 
Wärmeregulation,   Mechanismus  der  670. 
Wärmeretention  im  Fieber  677. 
Wanderzellen,    Beteiligung    der    bei   der 
Regeneration  des  Bindegewebes  243,  244. 

—  hämatogene  262. 
Wasserplethysmograph  673. 
Wasserretention  im  Fieber  681. 

X. 

Xanthinbasen  627,  629. 
Xanthinbasendyskrasie  628. 
Xanthom  319. 

—  Einteilung  320. 

—  Heredität  321. 

—  histologische  Struktur  319,  320. 

—  Multiplizität  320. 

—  Riesenzellen  in  320. 
Xanthoma  diabeticorum  322. 

—  generalisatum  319. 
Xanthome  juvenile  et  familial  320. 

Z. 

Zellen,  blutkörperchenhaltige  102. 

—  Spezifizität  derselben  235,  236,  440,  520. 

—  legitin^e  Succession  der  295. 

—  erbungleiche  Teilung  der  520,  567. 
Zellnekrose,  partielle  142. 
Zerfall,  körniger  1.56,  157. 


Die  Herren  Professoren  Dr  Lubarsch  (Rostock)  und 
Ostertag  (Berlin)  richten  als  Herausgeber  der  ^^Ergebnisse 
der  allgemeinen  Pathologie  und  pathologischen  Anatomie 
des  Menschen  und  der  Thiere"  an  die  Verfasser  von  Arbeiten 
allgemein  pathologischen,  bacteriologischen  und  pathologisch- 
anatomischen Inhalts  die  Bitte,  das  Unternehmen  durch  Ueber- 
sendung  von  Separat-Abdrucken  ihrer  Arbeiten  frdl.  zu  unter- 
stützen. 

Arbeiten  thierpathologischen  Inhalts  bittet  man  an  Herrn 
Professor  Dr.  Ostertag  in  Berlin  N.W.,  Thierärztliche  Hoch- 
schule, alle  anderen  an  Herrn  Professor  Dr.  Lubarsch  in 
Rostock  i.  M.,  Pathologisches  Institut,  zu  senden. 


Die  Redaktion  der  „Ergebnisse  der  Anatomie  und 
Entwickelungsgeschichte^*  richtet  an  die  Herren  Autoren 
die  freundliche  Bitte,  ihr  schwer  zugängliche,  oder  in  weniger 
verbreiteten  Organen  erschienene  Arbeiten  zuzusenden,  um 
eine  Berücksichtigung  derselben  in  den  Referaten  zu  ermög- 
lichen. 

Fr.  Merkel  R.  Bonnet 

anatotn.  Institut  Götdngen  anatotn.  Institut  GreifswalcL 


Die  Redaktion  des  von  Prof.  Dr.  R.  Frommel  (Er- 
langen) herausgegelDenen  Jahresberichts  richtet  an  die 
Herren  Fachgenossen  und  Forscher,  welche  zu  dessen 
Gebiete  Gehöriges  und  Verwandtes  publiziren,  die  ergebene 
Bitte,  sie  durch  rasche  Uebersendung  von  Separat-Abdrucken 
ihrer  Veröffentlichungen  sowie  durch  einschlagende  Mittheilun- 
gen baldigst  und  ausgiebigst  unterstützen  zu  wollen. 

Arbeiten  gynäkologischen  Inhalts  bittet  man  Herrn 
Prof.  Dr.  J.  Veit,  Berlin  W.  Königin-Augustastr.  12;  Arbeiten 
geburtshilflichen  Inhalts  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Bumm  in 
Basel  zuzusenden. 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Soeben  enchien: 

Ergebnisse 

der 

Allgemeinen  Ätiologie, 

Bearbeitet  yon 
M.  Beck,  Berlin;  J.  Behrens,  Earlsnihe;  H.  Btrcher,  Aarau;  E.  Büchner, 
München;  M.  Casper.  Höchst;  F.  Chvostbk,  Wien;  J.  Csokor,  Wien;  WM. 
P.  Dunbar,  Hamburg ;  W.  Ebeb,  Berlin ;  C,  J.  Eberth,  Halle ;  H.  Eppinger, 
Graz ;  £.  Finger,  Wien ;  H.  Foth,  Berlin;  G.  Frank,  Wiesbaden;  E.  Fraenkel, 
Hamburg;  E.  Hintze,  Halle;  J.  Honl,  Prag;  £.  Lang,  Wien,  0.  Lobarsch, 
Rostock ;  J.  Mannabero,  Wien ;  £.  Metsc^nikoff,  Paris ;  W.  Migula,  Karls- 
ruhe; 0.  Minkowski,  Strassburg;  A.  Neisser,  Breslau;  G.  Nobl,  Wien; 
H.  Preisz,  Budapest;  J.  G.  Pusch,  Dresden;  St.  von  RAtz,  Budapest; 
G.  Ricker,  ZQricn;  Fr.  Roemer,  Hamburg;  J.  Schaffer,  Breslau;  M.  B. 
Schmidt,  Strassburg;  W.  Weintraüd,  Berlin. 

HeraovKeg^eben  ron 

O.  Lubarsch,        ^^         R.  Ostertag, 

Bottock.  Berlin. 


Inhalt: 

I.  Innere  Krankheitsursaclien. 

A.   Beeinträchtigung  und  Fortfall    von    Organfunktionen    als   Krank- 
heitsursache. 

Seite 
Vorbemerknnipen  von  Dr.  0.  Lu  bar  seh,  Professor  an  der  Univer- 
sität Rostock 3 

1.  Fortfall  und  Anderunjc  der  Schilddrüsenfunktion  als  Krank- 

heitsiirsache.  (Myxödem,  Morbus  Basedowii,  Kretinismns.) 
Von  Dr.  H.  Bi roher,  Direktor  des  kantonalen  Krankenhauses 
in  Aaran 5 

2.  Störung  der  Pankreasfnnktion  als  Krankheitsursache.   (Dia- 

betes mellitus.)  Von  Dr.  0.  Minkowski,  Professor  an  der 
Universität  Strassburg 69 

3.  Störung    der    Nebennierenfnnktion   als    Krankheitsursache. 

(Morbis  Addissonii.)  Von  Dr.  F.  Chvostek,  Dozent  an  der 
Universität  Wien 100 

B.  Autointoxikationen  als  Krankheitsursache. 

Vorbemerkungen  von  Dr.  0.  Lubarsch,  Profebsor  an  der  Universität 

Rostock 109 

1 .  Durch  Autointoxikationen  bedingte  Nerven-  und  Geisteskrank- 

heiten. Von  Dr.  0.  Lubarsch,  Professor  an  der  Universität  Rostock    111 

2.  Die  Pnerperaleklampsie.    Von  Dr.  0.  Lubarsch,  Professor  an 

der  Universität  Rostock 113 

3.  Die  Gicht.    Von  Dr.  W.  Weintraud,   Privatdozent  an  der  Uni- 

versität Berlin 155 

4.  Autointoxikation  bei  Tieren.     Von    Dr.    W.  Eber,    Professor 

an  der  tierärztlichen  Hochschule  in  Berlin 167 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


IL  Äussere  Krankheitsursaclien. 

A.  Allgemeine  Mykopatholo^e. 

Seite 

1.  Bakteriologische  Teohnik.    Von  W.  Miguia,  Professor  an  der 

technischen  Hochschule  in  Karlsruhe 181 

2.  Morpholo/^ie  und  Biologie  der  nicht  pathoii^enen  Snaltpilze. 

Von  J.  Behrens,  Priyatdozent  an  der  technischen  Hoehschule 

in  Karlsruhe ,    .    .    192 

8.  Infektionswege     und    Krankheitsdispositioii.      Von    Dr.     0. 

Luharsch,  Professor  an  der  üniversit&t  Rostock 217 

4.  Ausscheidung  von  Spaltpilzen  ans  dem  Tierkörper.   Von  Dr. 

K.  H  i  n  t  z  e  y  Assistenzarzt  der  medizinischen  PoliKlinik  an  der 
Universität  Halle,  und  Dr.  0.  Lubarsch,  Professor  an  der  Univer- 
sität Rostock 285 

5.  Über  die  Immunität  bei  Infektionskrankheiten  mit  besonderer 

BerUcksichtiicnng  der  Gellnlartheorie.  Von  Dr.  £.  Metsch- 
nikoff,  Professor  am  Institut  Pasteur  in  Paris 298 

6.  Über  Immunität  bei  Infektionskrankheiten  mit  besonderer 

Berücksichtigung  der  humoralen  und  chemischen  Theorien. 
Von  Dr.  G.  Frank,  Abteilungsvorsteher  am  ehem.  Laboratorium 
in  Wiesbaden 344 

7.  Immunität  der  Tiere.    Von  M.  C asper,  Tierarzt  an  der  bakte- 

riologischen Abteilung  der  Farbwerke  in  Höchst 401 

8.  Übertragung  von  Infektionskrankheiten  von  Ascendenten 

auf  Descendenten.  Von  Dr.  0.  Lubarsch,  Professor  an  der 
Universität  Rostock 427 

9.  Übertragung   der   Infektionskrankheiten    von    Ascendenten 

auf  Descendenten  bei  Tieren.  Von  Dr.  J.  Csokor,  Professor 
am  K.  K.  Militär-Tierärztlichen  Institut  in  Wien 456 

B.  Spezielle  Mykopathologie. 

1.  Eiternnff  nnd  Eitererre/^er.  Von  Dr.  H.  Bu ebner,  Professor 
an  der  Universität  München,  und  Dr.  Fr.  Roemer,  Arzt  am 
Neuen  Allgemeinen  Krankenhause  in  Hamburg 463 

2.  Gonokokken.  Von  Dr.  A.  Neisser,  Professor  an  der  Universität, 
und  Dr.  J.  Schaff  er,  Assistenz- Arzt  an   der  Klinik  fttr  Syphilis 

und  Hautkrankheiten  in  Breslau 477 

3.  Spaltpilze  bei  Erysipel  und  Gelenkrheumatismus.  Von  Dr.  £. 
Fr  senk  6 1,  Prosektor  am  Neuen  Allgemeinen  Krankenhause  in 
Hamburg 510 

4.  Brnstseuche.    Von  H.  Foth,  Tierarzt  in  Berlin 518 

5.  Wildseuche.    Von  H.  Foth,  Tierarzt  in  Berlin       586 

6.  Milzbrand  bei  Tieren.    Von  H.  Foth,  Tierarzt  in  Berlin      .    .    536 
Anhang:  Über  den  Milzbrand  bei  Ratten  und  Kaninehen.   Von  Dr. 

G.Frank,  Abteilungsvorsteher  am  chem .  Laboratorium  in  Wiesbaden    567 

7.  Der  Milzbrand  beim  Menschen.  Von  Dr.  0.  Lubarsch,  Prof. 
an  der  Universität  Rostock,  und  Dr.  G.  Frank,  Abteilungsvor- 
steher am  chem.  Laboratorium  in  Wiesbaden 588 

8.  Typhus.  Von  Prof.  Wm.  p.  Dunbar,  Direktor  des  Hygienischen 
Instituts  in  Hamburg 605 

9.  Bacterium  coli  commune  als  KrankheitserreK^i*    Von  Dr. 

M.  B.  Schmidt,  Privatdozent  an  der  Universität  Strassburg  .    .  655 

10.  Spaltpilze  bei  Pneumonie.  Von  Dr.  J.  Honl,  I.  Assistent  am 
pathologiBchen  Institut  der  Böhmischen  Universität  Prag  ....  648 

11.  Iiepra.    Von  Dr.  £.  Finger,  Professor  an  der  Universität  Wien  689 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


12.  Venerisches  Geschwür  nnd  Syphilis.  Von  Dr.  E.  Lang, 
Professor  an  der  Universitftt,  and  Dr.  G.  Nobl,  Assistenz- Arzt  an 
der  Klinik  fttr  Hautkrankheiten  und  Syphilis  in  Wien 696 

18«  Menschliche  und  tierische  Psendotnberknlotie.  Von  Dr.  C. 
J.  ETberth,  Professor  an  der  Universität  Halle,  und  Dr.  H.  Preisz, 
Professor  an  der  Universität  Budapest 732 

14.  Schweinerotlanf.  Von  Dr.  H.  Preisz,  Professor  an  der  Uni- 
versität Budapest 738 

15.  Influenza.  Von  Dr.  M.  Beck,  Assistenz- Arzt  am  Institut  f&r 
Infektionskrankheiten  in  Berlin 742 

16.  Tetanns.  Von  Dr.  J.  Honl,  I.  Assistent  am  pathol.  Institut  der 
Böhmischen  Universität  Prag 770 

17.  Malii^nes  ödem.  Von  Dr.  J.  HonI,  I.  Assistent  am  pathol.  In- 
stitut der  Böhmischen  Universität  Prag 784 

18.  lIAmorrhaiBcische  Infektion.  Von  Dr.  J.  Honl,  I.Assistent  am 
pathol.  Institut  der  Böhmischen  Universität  Prag 793 

19.  Cholera.  Von  Prof.  Wm.  Dun  bar,  Direktor  des  Hygienischen 
Instituts  in  Hamburg 804 

20.  Gasabscesse  nnd  Gasphle^monen  (Phlegmone  emphysema- 
tosa).  Von  Dr.  J.  Honl,  I.  Assistent  am  pathol.  Institut  der 
Böhmischen  Universität  Prag 857 

21.  Febril»  recurrens  (Typhns  recurrens,  Rückfallfleber,  Kück- 
falltyphns).    Von  Dr.  J.  Honl,  I.  Assistent  am  pathol.  Institut 

der  Böhmischen  Universität  Prag 865 

22.  Die  durch  Cladothricheen  (Sireptothrlcheen  etc.)  hervorge- 
rufenen Erkrankungen.    Von  Dr.  H.  Eppinger,  Professor  an 

der  Universität  Graz 872 

23.  Spross-  und  Schimmelpilze  beim  Menschen.  Von  Dr.  G.  Ricker, 
Assistent  am  pathologisch  anatomischen  Institut  der  Universität 
Zürich 892 

24.  Schimmelpilze  bei  Tieren.    Von   Dr.  J.  G.  Pusch,  Professor 

an  der  tierärztlichen  Hochschule  in  Dresden 909 

C.  Tierische  Parasiten. 

1.  Protozoen«    Von    Dr.    J.  Manna  borg,  Assistenz- Arzt  an  der 

I.  med.  Klinik  der  Universität  Wien 916 

I.  Maleria .916 

II.  Blattern 924 

III.  Masern,  Scharlach 926 

2.  Tierische  Parasiten  als  Krankheitserreger  bei  Tieren.  Von 
Dr.  St.  V.  Ratz,  Professor  an  der  K.  Ungar.  Veterinär- Akademie 

in  Budapest 929 


Die  dritte  Abteilimg  der  „Ergebnisse  der  Allge- 
meinen Pathologie  und  pathologischen  Anatomie 
des  Menschen  und  der  Tiere  befindet  sich  im  Druck 
und  erscheint  Anfang  des  Jahres  1896  unter  dem 
Titel  Ergebnisse  der  speziellen  pathologischen  Ana- 
tomie und  Physiologie. 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 

Soeben  erschien: 

Vorlesungen 

über 

Patliologie  nnd  Tlierapie  der  Sypltilis. 

Von 

Prof.  Dr.  Eduard  Lang, 

k.  1c.  Primararzt  im  allgemeinen  Krankenhaaae  in  Wien,  Mitglied  der  Kaieerl.  Leopoldtnisch- 
Caroliniachen  Akademie,  anawärtiges  Mitglied  der  Soc.  Franc,  de  Dermat.  et  de  Sypniligr.  etc. 

Erste  Abtheilnng. 
Zweite  umgearbeitete  und  erweiterte  Auflage. 

Mit  84  Abbildungen  im  Texte. 
Preis  ML  14.--, 


Auszug  aus  dem  Inlialtsverzeicliniss. 

L  Allgemeiner  Tlieil. 

A.  Entwickelnng  der  Kenntnisse  der  venerischen  Krankheiten. 

I.  Periode:    Die   venerischen    ICrankheiten    im   Alterthum 

und  Mittelalter. 
II.  Periode:   Contagienlehre  der  veneriechen  Krankheiten 
von    der    Neuzeit    (Ende    des    XV.    Sftculums    bis 
Philipp  Ricord. 
III.  Periode:    Contagienlehre   der  venerischen    ICrankheiten 
von  Philipp  Ricord  bis  auf  unsere  Tage. 
Philipp  Ricord.  —  Experimente.  —  Tripper  wird  von  Syphilis 
ausgeschlossen.  —  Primäre,  sekundäre  tertiäre  Syphilis.  —  Dualitäts- 
lehre der  Franzosen.  —  Clerc*s  ,,  Chancroid ''.  —  Dnalitätslefare  der 
Deutschen  etc.  etc. 

B.  Gegenwärtige  Vorstellung  von  den  Contaglen  der  venerischen 
Krankheiten. 

C.  lieber  die  durch  das  Syphiliscontaginm  besetzten  pathologischen 
Veränderungen  nnd  über  Syphilis-Infektion. 

IL  Spezieller  Teil. 

Pathologie  der  acquirirten  Syphilis. 

Die  syphilitische  Initialmanifestation  nnd  diesie  beglei- 
teudünLymphdrfisenanschwellungen. 
Konstitutionelle  Syphilis. 

Verallgemeinerung    des    Syphiliscontagiums    und    das 

syphilitische  Fieber. 
Die    syphilitischen    Erkrankungen    der    Haut    und    des 

subkutanen  Gewebes  —  Hautsyphilide. 
Papulöses  Syphilid;  Syphilis  papulosa;  Knötohensyphilid. 
Pustulöses  Syphilid;  Syphilis  pustulosa;  Pustelsy  ph  ilid. 
Gummata     der     Haut     und     des    Un  ter  hautaellgeweb  es; 
Syphilis    gummosa   cutanea   et    subcutanea;    Knoten- 
syphilid  der  Haut  und  des  Unterhautzellgewebes. 
Die  syphilitischen  Erkrankungen  der  Verdannngsorgane. 
Syphilitische  Erkrankungen  des  Athmiingsapparates. 
Syphilitische  Erkrankungen  des  Blutgefässsystems. 
Veränderungen  des  Blutes  im  Verlaufe  der  Syphilis. 
Syphilitische  Erkrankungendes  Lymphapparates,  der  Milc, Thymus, 

Schilddrüse,  Nebenniere  nnd  der  Glandula  pinealis. 
Syphilitische  Erkrankung  der  Urogenitalorgane. 
Syphilitische  Erkrankung  der  Knochen. 

Syphilitische  Erkrankung  der  Gelenke,  Muskeln,  Sehnen,  Schleim- 
beiitel  nnd  Fascien. 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Jahresbericht 

ttber  die 

Fortschritte  der  Thier-Chemie 

oder  der 

Physiologischen  und  pathologischen  Chemie. 

Begründet  von  weil.  Prof.  Dr.  Rieh.  Maly. 
XXIV.  BandTüe^be^Tdäs  Jahr  1894. 

floniugegebea  und  redigirt  ron 

Prof.  Dr.  M.  v.  Nencki  ^^^  Prof.  Rud.  Andreasch 

in  St.  Petenbnrg.  in  Wien. 

Unter  Mitwirkong  tob 
Dr.  John  J.  Abel,  Univ.-Prof.  in  Baltimore ;  Dr.  Hans  Buchner,  Univ.-Prof. 
in  München;  Dr.  Olof  Hammar sten,  Univ.-Prof.  in  Upsala;  Dr.  Erw. 
Herter,  Univ.-Docent  in  Berlin;  Dr.  J.  Horbaczeweki,  Univ.-Prof.  iu  Prag; 
Dr.  Leo  Liebermann,  Prof.  in  Budapest;  Dr.  O.  Loew,  Univ.-Prof.  in  Tokio; 
Dr.  J.  Pruszy  fiflki  in  Warschau;  Dr.  6.  Rosenfeld  in  Breslau;  Dr.  A.  Samoj- 
loff  in  Moskau;  Dr.  £.  Wein,  1.  Assistent  an  der  kgl.  bajer.  landw.  Central- 
Versuchsstation  in  München ;  Dr.  H.  Z  ee h  u  i  s eu ,  Militärarst  1.  Kl.  in  Amsterdam. 

Preis  ca.  Mark  22.—. 

Inhalt:  EiweigstofPe  und  verwandte  Körper.  —  Fett,  Fettbildan^ 
and  Fettresorption.  —  Kohlehydrate.  —  Verschiedene  Körper.  —  Blut. 

—  Milch.  —  Harn  nnd  Eiweiss.  —  Verdannng.  —  Leber  und  Galle.  — 
Knochen  nnd  Knorpel.  —  Mnskel  und  Nerven.  —  Verschiedene  Organe. 

—  Niedere  Thiere.  —  Oxydation,  Respiration,  Perspiration.  —  Ge- 
sammtstofifwechsel.  —  Pathologische  Chemie.  —  Enzyme,  Fermentor- 
ganismen, Fanlniss,  Desinfektion.  —  Toxine,  Toxalbnmie,  Bakterien- 
proteYne,  Alexine,  Antitoxine,  Immnnisirnng,  Heilnng.  —  Sachregister. 

—  Antorenregister. 

Soeben  erBdüen: 

Weitere 

Beiträge  zur  Blutlehre. 

Von 

Dr.  Alezander  Schmidt, 

ProfMsor  ord.  der  Physiologie  tn  der  kaiserl.  Universität  Dorpat. 

Nach  des  Verfassers  Tode  herausgegeben. 

In  halt: 

I.  Ueber  den  kolloidalen  Faserstoff. 

II.  Ueber  die  Abspaltung  des  Thrombins  von  seiner  unwirksamen  Vorstufe 
(Prothrombin)  und  die  Beeinflussung  dieses  Vorganges  durch  die  Neutral- 
salze der  Alkalien  und  Erdalkalien. 

III.  Ueber  die  angebliche  spezifische  BedemuQg  der  Kalksalze  für  die   Faser- 
stoffgerinnung. 

IV.  Ueber  die  Abhängigkeit  der  Mengen  des  Faserstoffes  von  gewissen  äusseren 
die  Gerinnung  beeinflussenden  Einwirkungen. 

V.  Zur  Kenntnis  des  Protoplasmas  und  seiner  Derivate. 

iVcM  Mk  7.—. 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


fiesammelte  Abhandlungen  aus  der  medicinischen  Klinik  zu  Dorpat. 

lierauBgegebeu  vou  Prof.  Dr,  11.  Unterricht,  ehemaligem  Direktor  der 
Klinik,  jetzigem  Direotor  des  KrankenbauBes  Magdebarg-Sudenburg.  K.  R.- 
Staatsrath.     Mit  7  Tafeln.  M.  16.— 

Inhalt:  Kueik,  Experimentelle  Studien  über  die  corticale  Innerration 
der  Rumpfmuakulatur.  —  Wieting,  Zur  Physiologie  der  intracorticalen 
Ganglien   und   über  die  Beziehungen   derselben  zum  epileptischen  Anfall. 

—  Tochtermann,  Ueber  die  Circulationsstöniugen  im  epileptischen 
Anfall.  —  Vierhuff,  Ueber  absteigende  Degeneration  nach  einseitigen 
Hirn-  und  Rückenmarksverletzungen.  —  Lunin,  Zur  Diagnostik  der  Trans- 
und Exsudate  mit  Hilfe  der  Bestimmung  des  spec.  Gewichts.  —  Spehl- 
mann  y  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Lingua  geographica.  —  Radomski, 
Die  llarncylinder  im  eiweissfreien  Urin.  —  Bruttan,  Ein  Beitrag  zur 
Casuistik  der  centralen  Gliose  des  Rückenmarks  (Syringomjelie).  —  Gotard, 
Ueber  die  Auslösung  von  Reflexen  durch  Summation  elektrischer  Hautreize. 

—  Szupak,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Resorption  der 
Pneumothoraxluft.  —  Krebs,  Ueber  die  Atbmungsbewegungea  bei  den 
verschiedenen  Formen  des  Pneumothorax.  —  Orlowski,  Ein  experimen- 
teller Beitrag  zur  Kenntniss  der  Einwirkung  des  Atropins  auf  die  Respi- 
ration. —  Ost,  Beiträge  zur  Bestimmung  der  Gapacität  des  Magens. 


Zur  Theorie  der  Harnsäurebildung  im  Säugethierorganismus.   Von  Dr. 

J.  Horbaczewski,  Professor  au  der  böhmischen  Universität  Prag. 

M.  —.80. 

Die  Verdauungsfermente  beim  Embryo  und  Neugeborenen.    Von  Dr. 

med.  Fr.  Krüger,  Privatdozeot  an  der  Universität  Dorpat.  M.  3.60. 

Die  Zuckerharnruhr.    Von  Prof.  Dr.  W.  Ebstein,  Geh.  Med.-Rath  n.  Director 
der  med.  Klinik  in  Göttingen.  M.  7.60. 

Die  acuten  Lungenentzündungen  als  Infectionsicranicheiten.  Nach  eigenen 

Untersuchungen  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  P  i  n  k  1  e  r ,  Leiter  der  medicin. 
Universitäts-Puliklinik,  dirigirender  Arzt  am  Friedrich-Wilhelms^Hospital 
zu  Bonn.  M.  13.60. 

Beiträge  zur  Struktur  und   Entwickelung  des  Carcinoms.    Von  e. 

Noeggerath,  M.  D.  Prot.  emer.  d.  New-York  Med.  College.  Mit  108  Ab- 
bildungen auf  3  Tafeln  in  Farbendruck.  M.  15.~ 

Die  PtomaTne  oder  Cadaver-Alkalo'fde.    Von  Dr.  h.  Oeffinger.  Gross- 

herzogt.  Badischer  Bezirksarzt.  M.  1.60. 


Beiträge  zur  Reinisolirung,  quantitativen  Trennung  und  chemischen 
Charakteristik   von  Alkaloiden   und  glycosidartigen  Körpern   in 

forensen  Fällen,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  den  Nachweis  derselben  in 
verwesenden  Cadavern.  Von  Dr.  Karl  Kippenberger,  Privatdocenten 
am  eidgenössischen  Polytechnikum  in  Zürich.  M.  1.60. 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Archiv  für  Augenheilkunde  in  dentscher  und  englischer  Sprache.  Heraus- 
gegeben von  Prof.  Dr.  H.  Knapp  in  New- York  und  Geh.  Med.-Rath  Prof. 
Dr.  C.  Schweigger  in  Berlin,  für  den  Litteraturbericht  Prof.  Dr.  C.  Horst- 
mann in  Berlin.  (Bis  jetzt  erschienen  31  Bände.)  Preis  pro  Band  yon 
4  Heften  M.  16.— 

Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  physiologischen  und  patho- 
logischen Chemie.  Begründet  yon  weil.  Prof.  R.  Maly  (Prag),  fortgesetzt 
von  Prof.  V.  Nencki  (Petersburg)  und  Prof.  Andreasch  (Wien).  Jährlich 
ein  Band.     (Bis  jetzt  erschienen  23  Bände.) 

Therapeutische  Leistungen.  Ein  Jahrbuch  für  praktische  Aerzte.  Heraus- 
gegeben von  Dr.  Arnold  Pollatschek  in  Karlsbad.  Jährlich  ein  Band. 
(Bis  jetzt  erschienen  6  Bände.) 

Zeitschrift  für  analytische  Chemie.  Herausgegeben  von  Geh.  Hofrath  Prof. 
Dr.  C.  B.  Fresenius  und  Prof.  Dr.  H.  Fresenius  in  Wiesbaden.  (Bis  jetzt  er- 
schienen 34  Hände.)    Jährlich  ein  Band  von  6  Heften.    Preis  pro  Band  M.  18. — 

Zeitschrift  für  Ohrenheilkunde  in  deutscher  und  englischer  Sprache.  Heraus- 
gegeben von  Prof.  Dr.  H.  Knapp  in  New- York  und  Prof.  Dr.  S.  Moos  in 
Heidelberg.  (Bis  jetzt  erschienen  27  Bände.)  Preis  pro  Band  von  4  Heften  M.  16. — 

Verhandlungen  des  Kongresses  für  Innere  Medicin.   Herausgegeben  von 

Geh.  Rath  Prof.  Dr.  E.  Leyden  in  Berlin  und  San.-Hath  Dr.  Emil  Pfeiffer 
in  Wiesbaden.     XHI.  Kongress,  gehalten  zu  München  vom  2.-5.  April  1895. 

M.  12.— 

Arbeiten  aus  Anatomischen  Instituten,  unter  Mitwirkung  von  Fachge- 
nossen herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Fr.  Merkel  in  Göttingen  und  Prof.  Dr. 
R.  Bonne t  in  Greifswald.  (Anatomische Hefte  erste  Abtheilung.)  Bis  jetzt 
erschienen  17  Hefte. 

Ergebnisse  der  Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte.  unter  Mitwirk- 
ung von  Fachgenossen  herausgegeben  von  Prof.  Merkel  in  Göttingen  und 
Prof.  B  o  n  n  e  t  in  Greifswald.  Anatomische  Hefte  zweite  Abtheilung.  Jährlich 
erscheint  ein  Band.    (Bis  jetzt  erschienen  4  Bände.) 

Ungarisches  Archiv  für  Medicin.  Kedigirt  von  Dr.  A.B6kai,  Dr.F.Kiug, 

Dr.  O.  Pertik,  Professoren  und  Dr.  W.  Goldzieher,  Privatdocent  an  der 
Universität  Budapest.  Erscheint  in  zwanglosen  Heften  von  4 — 5  Bogen  Stärke. 
Vier  Hefte  bilden  einen  Band.     Preis  pro  Band  M.  16. — 

Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie. 

Unter  Mitwirkung  von  Fachgenossen  und  unter  der  Redaktion  von  Prof.  Dr.  E. 
Bumm  in  Basel  und  Prof.  Dr.  J.  Veit  in  Berlin.  Herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  Fromme  1  in  Erlangen.    Jährlich  ein  Band.    (.Bis  jetzt  erschienen  7  Bände.) 

Zeitschrift  für  vergleichende  Augenheilkunde.    Herausgegeben  von  Prof. 

Dr.  J  o  s.  B  a  y  e  r  in  Wien,  Prof.  Dr.  R.  B  e  r  1  i  n  in  Rostock,  Prof.  Dr.  O.  E  v  e  r  s- 
busch  in  Erlangen  und  Prof.  Dr.  Schleich  in  Stuttgart.  -(Bis  jetzt  er- 
schienen 7  Bände  ä  2  Hefte)  ä  Heft  M.  2.— 

Um  den  neu  eintretenden  Abonnenten  die  Anschaffung  der  früher 
erschienenen  Bände  zu  erleichtern,  erklärt  sich  die  Verlagsbuchhand- 
lung bereit,  bei  Bezug  einer  grösseren  Reihe  von  Bänden  von  obigen 
Zeitschriften  ganz  besondere  Vortheile  zu  gewähren. 


Neuester  Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Ergebnisse 


der 

Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte. 

Unter  Mitwirkung  von  D.  Barfurth,  Dorpat;  R.  Bonnet,  Giessen;  6.  Born, 
Breslau;  A.  von  Brunn,  RoBtock;*  J.  Disse,  Halle;  C.  J.  Eberth,  Halle; 
W.  Flemming,  Kiel;  A.  Froriep,  Tübingen;  F.  Hoohstetter,  Wien; 
Fr.  Merkel,  Göttingen;  Henry  F.  Osborn,  New-York;  J.  Rücker i, 
München;  L.  6t ied a,  Königsberg;  C.  Toldt,  Wien;  C.  Weigert,  Fraukfnrt, 

herausgegeben 

Ton 

Fr.  Merkel  in  Göttingen  und  R.  Bonnet  in  Greifswald. 

Dritter  Band:  1893.    Mai^  20. 


Inhalt: 

I.  Teil;  Anatomie. 

Technik  von  G.  Weigert,  Frankfurt.  —  Zelle,  Morphologie  der  Zelle 
und  ihrer  Teilungserscheinungen  von  W.  F  lern  Dl  in  g,  Kiel.  —  Regeneration 
und  Involution  von  D.  Barfurth,  Dorpat.  —  Allgemeine  Anatomie  tod 
J.  Disse,  Halle.  —  Oirkulationsorgane,  sogenannte  BlutgeOlssdrüsen  von 
C.  J.  Eberth,   Halle.   —   Verdauungsorgane  von    A.   v.   Brunn,  Rostock. 

—  Bauchfell  und  Gekröse  von  C.  Toldt,  Wien.  —  Respirationsapparat 
von  Fr.  Merkel,  Göttingen.  — Sinnesorgane  von  Fr.  Merkel,  Göttingen. 

—  Topographische  Anatomie  von  Fr.  Merkel,  Göttingen.  —  Bericht  fiber 
die  russische  Litteratur  (Anatomie,  Histologie,  Embryologie  der  letzten  Jahre) 
von  L.  Stieda,  Königsberg. 

II.  Teil;  Entwickelungsgeschichte. 

Entwickelungsgeschichte  des  Kopfes  von  A.  Froriep,  Tübingen.  — 
Entwickelung  des  Venensysiems  der  Wirbeltiere  von  F.  Hochstetter,  Wien. 

—  Entwickelung  der  Ableitungswege  des  Urogenitalapparates  und  des  Dammes 
bei  den  Säugetieren  von  G.  Born,  Breslau.  —  Die  Chromatinreduktiou  bei 
der  Reifung  der  8ezualzellen  von  J.  Rücker t,  München.  —  Alte  und  neue 
Probleme  der  Phylogenese  von  Henry  F.  Osborn,  New-York. 

Früher  erschienen: 

Erster  Band:  i8gi.    Preis  M.  25. 
Zweiter  Band:  i8ga.    Preis  M.  25. 

Soeben  ist  erschienen: 


Vorlesungen 

über 

allgemeine  Embryologie 

von 

Dr.  R.  S.  Bergh, 

Dozent  der  Histologie  nnd  Embryologie  an  der  ÜniversitAt  Kopenhagen. 


Mit  126  Figuren  im  Text, 
Preis  7  Mk. 


C.  W.  Kreidel's  Verlag  in  Wiesbaden. 
In  Knrzein  enebeint: 

Naturwissenscliaftliclie 

Einführung  in  die  Bakteriologie. 

Von 

Dr.  Ferdinand  Hueppe, 

Profetgor  der  Hygiene  an  der  deattohen  Uoivereitftt  za  Prag. 

Mit  28  HoUwhnUUn  im  Texte,    Preis  ea,  M,  5,—. 

Mit  diesem  Werke  bietet  der  VerfasBer  als  Erster  eine  zusammenfassende 
Darstellung  der  Bakteriologie,  die  sich  grundsätzlich  und  durchgreifend  auf  den 
naturwissenschaftlichen  Gesichtspunkt  stützt,  um  die  Lehre  von  den 
Ursachen  der  Fftulniss,  Gfthrungen  und  Seuchen  und  deren  Verhütung  und  Be- 
kämpfung frei  von  aller  Ontologie  zu  entwickeln.  Diese  erste  «treug  mechanische 
und  monistische  Darstellung  der  Bakteriologie  wird  als  Ergänzung  anderer  Werke 
willkommen  sein  und  sich  als  zuverlässiger  Führer  für  alle  bewähren, 
welche  sich  naturwissenschaftlich  mit  den  Standpunkten  und  Fortschritten 
der  Bakteriologie  vertraut  machen  wollen. 


Die  Methoden 

der 

Bakterien-Forschung. 

Handbuch  der  gesammten  Methoden  der  Mikrobiologie. 

Von 

Dr.  Ferdinand  Hueppe, 

Professor  der  Hygiene  an  der  Dentachen  Universität  sa  Prag. 

FQnfte  verbesserte  Auflage. 

Mit  2  Tafeln  in    Farhendruck  und  68  Holzschnitten. 
Preis:  M.  10.65,  gebunden  M,  12.—, 


Die 


Formen  der  Bakterien 

und  ihre  Beziehungen 


za  den. 


Gattungen  und  Arten. 

Von 
Dr.  Ferdinand  Hueppe, 

ProfSessor  der  Hygiene  an  der  Deatsohen  Unirersitftt  zq  Prag. 
Mü  24  Holzschnitten,  Oehe/tet,  Preis  M,  -/.— . 


Neuester  Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Soebeu  erBcblen: 

Handatlas 

der 

Sensiblen  und  Motorischen  Gebiete 

det 

Hirn-  und  Rüekenmarksnerven. 

Von 

Prof.  Dr.  C.  Hasse, 

Geh.  M«d.-Rath  und  Direktor  der  Kgl.  Anatomie  so  Bretl&a. 
Mit  36  Tafeln, 

geb.  M.  12.60. 


I.  Abteilnng; 

Psyoho-sensible  Gühirn-Territorien.  Taf.  I/II.  —  Seasible  Territorien  des 
ICopfes.  III/IV.  —  Sensible  Territorien  der  Kopf-  und  Halsböhlen.  V/VI. 
—  Sensible  Territorien  des  äusseren  und  mittleren  Ohres.  VII /VI II.  — 
Sensible  Territorien  des  Rumpfes.  IX/X.  —  Sensible  Territorien  der  oberen 
Extrerait&t.  XI.  —  Sensible  Territorien  der  Beckenorgane.  XII.  —  Sensible 
Territorien  der  äusseren  Geschlechtsteile.  XIII.  —  Sensible  Territorien  der 
unteren  Extremität.  XIV/XV.  —  Sensible  Territorien  der  serösen  Uöhlen. 
XVI.  —  Sensible  Territorien  der  Extremitäten-Gelenke.    XVII/XVIII. 

II.  Abteilnng; 

Psycho-motorische  Gehirn-Territorien.  Taf.  XIX/XX.  —  Motorische  Terri- 
torien der  Augenhöhle  und  des  Mittelohrs.  XXI.  —  Motorische  Territorien 
des  Kopfes.  XXII/XXIII.  —  Motorische  Territorien  des  Gaumens,  Rachens, 
Kehlkopfes,  Halses.  XXIV/XXV.  —  Motorische  Territorien  des  Rumpfes. 
XXVI/XXIX.  —  Motorische  Territorien  der  Brust-  und  Baucheingeweide. 
XXX.  —  Motorische  Territorien  der  männlichen  und  weiblichen  Becken- 
organe. XXXI.  —  Motorische  Territorien  des  männlichen  und  weiblichen 
Dammes.  XXXII.  —  Motorische  Territorien  der  unteren  Extremität. 
XXXIU/XXXIV.  —  Motorische  Territorien  der  oberen  Extremität.  XXXV, 
XXXVl. 

Auf  36  farbigen  Tafeln  giebt  der  Verfasser,  dessen  Name  für  die 

Genauigkeit  der  Darstellung  volle  Gewähr  bietet,  sehr  übersichtliche  und  deut- 
liche Bilder,  welche  die  Ausbreitung  der  einzelnen  sensiblen  Nerven  an  der  Haut- 
Oberfläche  und  den  inneren  Theilen,  sowie  die  Vertheilung  der  motorischen 
Nerven  in  die  eiuselnen  Muskeln  zur  Anschauung  bringen.  Auch  die  Eintritts- 
stelle der  Nerven  in  die  Haut  resp.  in  die  Muskeln  ist  durch  besondere  Zeichen 
kenntlich  gemacht.  Besonders  dankenswerth  sind  die  Tafeln,  welche  die  sensible 
Innervation  der  Gelenkflächen  verzeichnen.  Mehrere  Tafeln  sind  auch  der 
Vertheilung  der  motorischen  und  sensorischen  Centren  an  der  Gehimoberfläche 
gewidmet. 

Ref.  zweifelt  übrigens  nicht,  dass  der  Hasse *sche  Atlas  auch  in 

seiner  jetzigen  schönen  und  zweckmässigen  Ausstattung  sich  bald  bei  den 
Nervenärzten  und  in  den  Kliniken  einbürgern  und  sich  oft  als  werthvolles  Hülfs- 
mittel  bei  der  Kraukenuntersuchung  erweisen  wird. 

Strümpell  in  der  Deutschen  Zeüachrift  für  Nervenkcilkunde. 


2  7I5  6  1  /n 


S' 


FOR   REFERENCE 


NOT  TO  BE  TAKEN  FROM  THE  ROOM 


CAT.  NO.  93  Oia