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Full text of "Ermahnungen von George Jutzi : in Stark County, Ohio, an seine Hinerbliebenen, nebst einem Anhange über die Entstehung der amischen Gemeinde ; von Sam. Zook ; herausgegeben von Alexander Stutzman"

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UNIVERSITY 
OF PITTSBURGH 


LIBRARIES 


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Ermahnungen 


George Jutzi 


in Stark County, Ohio, 


an ſeine Hinterbliebenen, 
nebſt 


einem Anhange 
über 


die Eutſtehung der amiſchen 
Gemeinde, 


Sam. Zook, 


Mifflin County, Pennſolvanien. 


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Herausgegeben 
von 


Alexander Stutzman, 
Somerſet, Somerſet Co., Pa. 


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Gedruckt von G. Vögtly in Somerſet. 
Preis 51. 50. 


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4 


vorwort. 


Dieweil mir George Jutzi's Schreiben oder Vermahnung 
an ſeine Kinder zur Prüfung übergeben wurde, ſo habe ich 
es mit Fleiß durchleſen und habe daraus erſehen, daß er ſehr 
beſorgt war für die Wohlfahrt ſeiner Kinder und der ganzen 
Heerde, die ihm anbefohlen war. Auch muß ich bekennen, 
daß es aus des Herren Wort zuſammen getragen iſt, welches 
feſter iſt als Himmel und Erde. (Doch iſt kein menſchliches 
Gedicht vollkommen.) Aber ich glaube, daß es aus getreuem 
Herzen geſchrieben iſt. Und der Apoſtel ſagt: „nun ſucht 
man nicht mehr an den Haushaltern, denn, daß fie treu er= 
funden werden, 1. Cor., 4. Kap. 2. Vers.“ 

Zum andern ſchreibt er von dem Verfall der Kirche und 
dem Gräuel der Verwüſtung, daß er ſtehet an der heiligen 
Stätte. Wer es lieſet, der merke darauf, Matth., 24. Kap., 
15. Vers. Solches iſt zur jetzigen Zeit viel im Gebrauch 
unter dem armen Chriſtenthum. 

Der Heiland lehrt uns vom Almoſen geben, vom Gebet, 
vom Faſten, daß ſolches ſoll in der Stille und im Verborge— 
nen geſchehen und nicht in einem Schein vor den Leuten, wie 
die Heuchler thun. Wahrlich ich ſage euch, ſie haben ihren 
Lohn dahin. Aber das verborgene Gebet hat die Verhei— 
ßung, die Vergeltung öffentlich zu erlangen, Matth., 6. K. 
Auch hat Johannes ſeine Jünger lehren beten, denn des 
Heiland's Jünger haben ihn (den Heiland) angered't und 
geſagt: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes ſeine 
Jünger lehrete, Lucas.“ Er aber ſprach zu ihnen: wenn 


IV 


ihr betet, ſo ſprechet: „Unſer Vater im Himmel u. ſ. w.“ 
Aber jetzt wird ſolches Gebet des Herrn, welches der Hei— 
land uns ſelber befohlen hat, leicht und gering geachtet und bei 
einigen ganz und gar verworfen, als ob es unrecht wäre, ſol— 
ches im Gebrauch und Uebung zu haben. Da wird des 
Herren Wort und Befehl weggeräumt und Menſchenlehre 
angenommen anſtatt des Herren Wort. 

Und wenn das Gebet auch bei ihnen gebraucht wird, ſo iſt 
es gern in einem Schein vor den Leuten, an den Ecken, auf 
den Gaſſen, daß ſie von ihnen geſehen werden. Und das 
Almoſen geben und Faſten iſt beinahe ganz in Vergeß ge— 
kommen, und wenn ein Armer unter ihnen iſt, der die Mit— 
tel nicht erwerben kann, um ſeinen Bedürfniſſen abzuhelfen, 
der muß ſeine Zuflucht ſuchen bei der Obrigkeit; denn das 
Chriſtenthum nimmt ſich ſeiner nicht an. So war es nicht 
zu Moſes Zeiten unter Iſrael, 5. B. Moſe, 15. Kap. 4. V. 
Auch nicht zu des Heiland's und feiner Apoſtel Zeiten, fon- 
dern ihre Habe und Güter theilten ſie aus, nachdem Jeder— 
mans Noth war, und war Niemand unter ihnen, der 
Mangel hatte, Apoſtelgeſch., 2. Kap. 45. Vers. Dabei will 
ich es bewenden laſſen und einem Jeden zum Bedenken 
heimſtellen. 

Zum andern lehret uns der Heiland in ſeinem Evange— 
lium: Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. 
Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet 
werden, und mit welcherlei Maaß ihr meſſet, wird euch ge— 
meſſen werden, Matth., 7. Kap. 1. Vers.. Und Lucas 
6. Kap. 37. Vers., ſagt er: „richtet nicht, ſo werdet ihr 
nicht gerichtet, verdammet nicht, ſo werdet ihr nicht verdam— 
met, gebet, ſo wird euch gegeben, vergebet, ſo wird euch ver— 
geben.“ Ein voll gedrückt, gerüttelt und überflüſſig Maaß 
wird man in euren Schooß geben, denn eben mit dem Maaß 
da ihr mit meſſet, wird euch gemeſſen werden. Deſſelbigen 
Gleichen ſchreibt der Apoſtel Paulus an die Corinther im 
erſten Brief, 4. Kap. 5. Vers. Darum richtet nicht vor der 
Zeit, bis der Herr kommen wird, welcher auch wird an's Licht 
bringen, was im Finſtern verborgen iſt und den Rath der 
Herzen offenbaren; alsdann wird einem Jeglichen von Gott 
Lob widerfahren. Und 1. Cor. 5. Kapitel 12. Vers, denn 
was gehen mich die draußen an, daß ich ſie ſollte richten? 


V 


Richtet ihr nicht die, die da drinnen ſind, Gott aber wird die 
draußen ſind, richten. Item, Röm. 14. Kap. 10. V. Du 
aber, was richteſt du deinen Bruder, oder du anderer, was 
verachteſt du deinen Bruder; wir werden Alle vor den Rich— 
terſtuhl Chriſti dargeſtellet werden, nachdem geſchrieben ſte— 
het: So wahr als ich lebe, ſpricht der Herr: mir ſollen 
alle Kniee gebeuget werden und alle Zungen ſollen Gott be— 
kennen. So wird nun ein Jegliches für ſich ſelbſt Gott 
Rechenſchaft geben. Darum laſſet uns nicht mehr einer den 
andern richten, ſondern das richten vielmehr, daß Niemand 
ſeinem Bruder einen Anſtoß oder Aergerniß darſtelle. 

Aus dieſen oben angeführten Sprüch- und Schriftſtellen 
ſiehet man klar und deutlich, daß das Richten, Urtheilen und 
Verdammen den Chriſten gänzlich verboten und abgeſagt iſt, 
im Evangelium und in den Briefen der Apoſtel. Nichts deſto 
weniger iſt es aber doch in der Uebung und Gebrauch unter 
dem Chriſtenthum, zu der jetzigen Zeit; darum möchte ich 
ein Jeder warnen, daß er das übereilte Richten möchte uns 
terlaſſen, denn wer ſolches thut, der hat keine andere Ver— 
heißung und Zuſagung in heiliger Schrift, denn, daß er 
ſelbſt muß gerichtet werden, ſo wie er andere richtet oder an— 
dere ſchon gerichtet hat. 

Ich weiß wohl, die Lehrer, die ſolches Richten in der Uebung 
haben, nehmen die Freiheit und ſagen: „mit des Herrn 
Wort darf ich richten, aber des Herrn Wort iſt uns nicht 
gegeben, um andere damit zu verdammen, ſondern zur Lehre, 
zur Ermahnung und zur Strafe der Widerſprecher. Titum 
1. Kap. 9. Vers. Auch lehrt uns der Heiland nicht, daß 
ſeine Jünger die falſchen Chriſten ſollen verdammen, ſondern 
er lehrt und ſagt: „ſehet euch vor, vor den falſchen Prophe⸗ 
ten, die in Schaafskleidern zu euch kommen, inwendig ſind ſie 
reißende Wölfe, an ihren Früchten ſollt ihr ſie et 
Matth., 7. Kapitel 15. Vers u. ſ. w.“ 

Damit lehrt er uns auf die Früchte zu ſehen und ſie da— 
ran kennen, gleich wie wir die natürlichen Bäume an den 
Früchten erkennen. Aber er lehrt uns nicht, daß, wenn 
wir ſie erkennen, daß wir ſie deßwegen ſollen richten, ſon— 
dern wir ſollen uns deßwegen wohl vorſehen vor ihnen und 
hüten vor ihrer Lehre und Sauerteig. Matth., 16. Kap. 12, 
Vers, Marc., 8. Kap. 15. Vers. Und wer ſolches im Ge⸗ 


W 


brauch und Uebung hat in Rede und Lehre, der hat keine 
evangeliſche und auch keine apoſtoliſche Lehre: dieweil er thut 
und lehrt, was dem Evangelium und den Briefen der Apoſtel 
zuwider iſt, wie aus dem Obigen genugſam zu erſehen und 
bewieſen if. 

Aber ich möchte wünſchen, daß wir des Heiland's War- 
nung möchten beobachten, daß wir uns wohl vorſähen 
vor den falſchen Chriſten und falſchen Propheten, die da 
große Zeichen und Wunder thun, daß verführt werden in 
den Irrthum, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten. 
Matth. 24. Kap. 24. Vers. Denn zu der jetzigen Zeit 
wird auf Zeichen und Wunder geſehen unter dem Chri— 
ſtenthum. Dieweil der Heiland ſeine Apoſtel mit Zeichen 
und Wundern begabt hat, ſo ſtehet uns erſtlich zu be⸗ 
denken, daß wir zu der jetzigen Zeit keine Apoſtel ſind, ſon— 
dern Biſchöfe, Hirten und Lehrer. Und den Aelteſten ihr 
Befehl war, nicht Zeichen und Wunder zu thun, ſondern der 
Apoſtel ſagt: ſo habt nun Acht auf euch ſelbſt und auf die 
ganze Heerde, unter welche euch der heilige Geiſt geſetzt hat, 
zu Biſchöfen zu werden der Gemeinde, welche der Herr 
durch fein Blut erworben hat. Apoſtelgeſch., 20. Kap. 28. 
Vers. Item, der Apoſtel Petrus ſchreibt an die Aelteſten, 
ſo unter euch ſind, und ſagt: „Weidet die Heerde Chriſti, ſo 
euch befohlen iſt, und ſehet wohl zu, nicht gezwungen, ſondern 
williglich, nicht um ſchändlichen Gewinns willen, ſondern 
von Herz ensgrund. “Nicht als die über das Volk herrſchen, 
ſondern werdet Vorbilder der Heerde, 1. Pet., 5. Kap. 2. V. 
So weit erſtreckt ſich der Befehl der Biſchöfe und Aelteſten. 
Aber der Apoſtel Befehl war, hingehen in alle Welt und alle 
Völker lehren und ſie taufen, Matth., 28. Kap. 19. 20. V. 

Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glau— 
ben, ſind die: In meinem Namen werden ſie Teufel aus— 
treiben, mit meinen Zungen reden, Schlangen vertreiben 
und ſo ſie etwas Tödtliches trinken, wird's ihnen nicht ſcha— 
den, auf die Kranken werden ſie die Hände legen, ſo wird's 
beſſer mit ihnen werden, Marc., 16. Kap. 17. Vers. Aus 
dem Obigen iſt leicht zu ſehen, daß den Apoſteln, den Hir— 
ten und Lehrern ihr Dienſt und Befehl ſehr unterſchiedlich 
war; auch waren zu des Heiland's und ſeiner Apoſtel Zeiten 
die Aemter und Befehle in der Gemeinde ſehr unterſchiedlich, 


VII 


und haben nicht alle die Gaben gehabt, Zeichen und Wunder 
zu thun, wie zu ſehen iſt, 1. Cor., 12. Kap. 28 bis 31. V. 
So iſt jetzt zu bedenken, daß der Heiland ſagt: Zu den letz 
ten Zeiten werden die falſchen Chriſten und falſchen Prophe— 
ten große Zeichen und Wunder thun, Matth., 24. Kap. 24. 
Vers. So iſt klar und offenbar, daß, wo ſolches geſchieht 
zu der jetzigen Zeit, fo find es die falſchen Chriſten und fal⸗ 
ſchen Propheten, die die Zeichen thun, und nicht des Hei— 
land's Jünger und Nachfolger nach lautem Inhalt des 
Herren Wort, welches feſter iſt als Himmel und Erde. 
Zum andern können wir finden, daß die Schriftgelehrten 
und Phariſäer allezeit dem Rath und Willen Gottes wider— 
ſtanden ſind: bei der Taufe Johannes, bei den Zeichen und 
Wundern, die der Heiland ſelbſt gethan hat, an den Beſeſſe— 
nen, an den Mondſüchtigen, an den Gichtbrüchigen und 
auch zu den Apoſtel Zeiten. Und ob ſie wohl ſolche Zeichen 
ſahen, ſo ſind ſie deßwegen doch nicht gläubig geworden, 
wie zu ſehen iſt, Matth. 12. Kap. 24. Vers, ſondern has 
ben die Zeichen dem Beelzebub, der Teufel Oberſten, zuge— 
ſchrieben. Und mit dieſem allem war es noch nicht genug, 
ſondern im Matth., 16. Kap. 1. V., finden wir: Da tra⸗ 
ten die Phariſäer und Sadducäer zu ihm, verſuchten ihn und 
forderten, daß er ſie ein Zeichen vom Himmel ſehen ließe. 
Er aber ſprach: „des Abends ſprechet ihr, es wird ein ſchö— 
ner Tag werden, denn der Himmel iſt roth. Und des 
Morgens ſprechet ihr, es wird heute Ungewitter ſein, denn 
der Himmel iſt roth und trübe.“ Ihr Heuchler, des Him- 
melsgeſtalt könnet ihr beurtheilen, könnet ihr denn nicht auch 
die Zeichen dieſer Zeit beurtheilen? Die böſe und ehebreche- 
riſche Art ſucht ein Zeichen und es ſoll ihr kein Zeichen ge— 
geben werden, denn das Zeichen des Propheten Jonas und 
Matth. 12. Kap. 40. V., ſagt der Heiland: „Denn gleich 
wie Jonas war drei Tage und drei Nächte in des Wallfiſches 
Bauch, alſo wird des Menſchenſohn drei Tage und drei 
Nächte mitten in der Erde ſein.“ Die Leute von Ninive 
werden auftreten am jüngſten Gericht mit dieſem Geſchlecht 
und werden es verdammen, denn ſie thaten Buße nach der 
Predigt Jonas, -und ſiehe, hier iſt mehr denn Jonas. 

Die Königin von Mittag wird auftreten am jüngſten 
Gericht mit dieſem Geſchlecht und wird es verdammen, denn 


VIII 


ſie kam vom Ende der Erde, zu hören die Weisheit Salomons, 
und ſiehe, hier iſt mehr denn Salomon. 

Auch hat der Heiland ihnen geſagt: „Die Zöllner und 
Hurer mögen wohl eher in's Himmelreich kommen, denn ihr, 
Matth., 21. Kap. 31. Vers.“ Auch ſagt der Heiland zum 
reichen Mann: hören ſie Moſe und die Propheten nicht, ſo 
werden ſie auch nicht glauben, ob Jemand von den Todten 
auferſtünde, Luc., 16. Kap. 31. V. Aus allen dieſen oben 
angeführten Schriftſtellen kann man ſehen, daß das Zeichen— 
ſuchen ein Zeichen des Unglaubens iſt und dem Menſchen 
mehr zur Verdammniß als zur Seligkeit dient, und daß Die— 
jenigen, die ſolche Zeichen ſuchen, den Phariſäern und Saddu— 
cäern ihre Jünger und Nachfolger ſind und nicht des Hei— 
lands. Auch hat der Heiland befohlen, Moſes und die 
Propheten zu hören. Und Gott hat geboten durch Moſe, 
daß Keiner unter dir gefunden, der ſeinen Sohn oder Tochter 
durch's Feuer gehen laſſe, oder ein Wahrſager, oder ein 
Zauberer, oder Beſchwörer, oder ein Zeichendeuter, oder der 
die Todten frage; denn wer ſolches thut, der iſt dem Herrn 
ein Gräuel, 5. Buch Moſe, 18. Kapitel 10. Vers. Darum 
waren ſolche Zeichenſucher weder unter Moſe noch unter dem 
Evangelium Gott angenehm, ſondern ein Gräuel. Dabei 
will ich's bewenden laſſen und einem Jeden zum Bedenken 
heimſtellen, und möchte wünſchen, daß wir unſere Selig— 
keit nicht ſuchten durch Zeichen und Wunder zu thun, 
was doch nur zur Verführung dient, ſondern durch's Herrn 
Wort und Lehre, welches feſter iſt als Himmel und Erde; 
und durch das einzige Mittel, Jeſum Chriſtum; denn es iſt 
in keinem andern Heil, auch kein anderer Namen den Men- 
ſchen gegeben, darinnen wir ſollten ſelig werden, Apoſtelge— 
ſchichte, 4. Kap. 12. Vers. 

Es wäre wohl mehr zu ſchreiben von den Ordnungen in 
der Gemeinde Chriſti; nämlich von der Buße und Bekeh— 
rung, von der Taufe, vom Abendmahl, vom Fußwaſchen, 
vom Eheſtand, vom Bann und Meidung, vom Dienſt der 
Männer und Weiber in der Gemeinde; aber ich achte es für 
unnöthig, auch befinde ich mich zu gering dazu. 

Auch bin ich bewogen worden zu dem, was ich geſchrieben 
habe, ſonſt hätte ich es nicht gethan, denn es fehlt zu der 
jetzigen Zeit nicht an Lehrbücher unter dem Chriſtenthum, 


IX 


fondern an Thäter des Worts, wie der Apoſtel Jacobus ſagt. 
Auch ſagt der Heiland, es werden nicht Alle, die zu mir 
ſagen: Herr, Herr, ins Himmelreich kommen, ſondern die 
da thun den Willen meines Vaters im Himmel, Matth., 
7. Kapitel 21. Vers. Darum mag ich ſagen mit Salomon: 
„denn Büchermachens iſt kein Ende und viel Predigen macht 
den Leib müde.“ Laßt uns die Hauptſumma aller Lehren 
hören: fürchte Gott und halte ſeine Gebote, denn das ge— 
höret allen Menſchen zu; und Gott wird alle Werke vor 
Gericht bringen die verborgen ſind, ſie ſeien gut oder böſe, 
Pred. Salom. 12. Kap. 12. 13. Vers. 
Juli 24., 1853. 
Somerſet County, Pa. 
Abner Yoder. 


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Juhalts⸗Verzeichniß. 


Vorwort 8 N . 5 . . : N R 
Abendlied eines Kindes . 8 2 5 . . . 
Darſtellung der Pflichten eines Vaters und Lehrers zu feinen 
Kindern. Geſchrieben für meine Kinder . 6 0 9 
Verheißung Gottes zu den Kindern, welche ihre Eltern ehren. 
Eine ernſtliche Betrachtung über die Worte des Apoſtels Pauli 
Berichtigung an meine Kinder . 5 R 8 2 A 
Zur Betrachtung meiner Kinder gefchrieben . R . + 
Neujahrs-Wunſch an meine Kinder, auf das Jahr 1843 5 
Warnung und Unterricht an alle meine Kinder; aus väter— 
licher Liebe und Pflicht geſchrieben . 5 5 8 
Warnung an meine Kinder; aus väterlicher Liebe und Pflicht 
Darſtellung, Warnung und Unterricht für meine Kinder 
Der Abſchieds-Wunſch . 8 8 5 5 : 3 
Kurzgefaßte Geſchichte der Mennoniten 


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Abendlied eines Kindes. 


— — 


Der Tag, wie bald er mir verſchwand — 
Der Abend iſt ſchon da; 

Ich eile ſchnell zum Vaterland, 
Dem Tod und Grabe nah. 


Mein Leben iſt ein leichter Rauch, 
Der Wind verjagt ihn bald; 
Denn ſtarb mein kleiner Freund nicht auch, 
Der kaum wie ich ſo alt? 


Er war ſo munter, ſo geſund, 
Wie ich anjetzt auch bin; 

In einer Nacht, in einer Stund' 
Sank er verwelkt dahin — 


Der liebe Freund, nun hier nicht mehr; 
Ach! nein, weit, weit von hier — 

Im Himmel dort, dort wohnet er; 
Ach, Herr, Gott! hilf du mir. 


Hilf mir in dieſer dunk'len Nacht 
Und gib mir fanften Schlaf; 

Du haſt ja immer mich bewacht, 
Daß mich kein Unglück traf. 


XIV 


Ich lege mich an deine Bruſt, 
Herr! wie Johannes that; 

Da ſchlaf' ich, ſchmecke Himmelsluſt — 
Wohl dem, der Jeſum hat. 


Ach, Gott! erhöre meine Bitte — 
Behüte mich auf deinem Steg: 

Daß ich mit meines Fußes Tritte, — 
Einhergeh' auf dem ſchmalen Weg. 


Regiere meinen Geiſt und Sinn, 
Leit' mich an deiner Hand 

In Furcht zu dir, o, Jeſu! hin — 
Und einſt zum Himmels-Land. 


O, Herr! ich klopfe bei dir an, 
Durch meine Bitte an der Thür; 

Es iſt aus Lieb' und Ernſt gethan — 
Reich Gottes komme bald zu mir. 


Abner Doder. 


Zuruf. 


O, merke es dir wohl, du unſchuldsvolle Jugend: 
Es giebt nicht mehr als eine Tugend 
Und als ein Laſter neben ihr! 


Gellert. 


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Darſtellung 


der 
Pfliehten eines Vaters und Lehrers 


zu ſeinen Kindern. 


— 


Geſchrieben für meine Kinder. 


Beliebteste und wertheste Rinder! 


Schon oft hatte ich euch zwar dargeſtellt, daß es die Pflicht 
eines jeden chriſtlichen Hausvaters ſei, um feine Kinder aufs 
zuerziehen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Ich 
gab euch zu erkennen, nicht nur allein in der Predigt, ſondern 
auch zu Haus, dasjenige, was Gott von den Menſchen for— 
dert, und warnete nach meinem Vermögen euch ſämmtlich 
vor dem, was euren Seelen ſchädlich iſt. Ich ſtehe jetzt viel— 
leicht, — ich | huge vielleicht, nahe am Rande des Grabes, und 
finde mich in meinem Herzen gedrungen, euch ſämmtlich dieſe 
folgenden Zeilen, nicht nur allein aus väterlicher Liebe an 
euch zu ſchreiben, um euch vor den tauſendfältigen Verfüh— 
rungen zu warnen, ſondern auch aus einer doppelten Pflicht. 

Denn erſtlich iſt mir anbefohlen, euch Kinder aufzuerziehen 
in der Zucht und Vermahnung zum Herrn, us hierüber 
ſelbſt; erſtlich 5, Buch Moſes, 6. Kapitel, 6 und 7 Vers, dort 
ſagt der Herr: „die Worte, die ich dir gebiete, die ſollſt du zu 
Herzen nehmen, du ſollſt ſie deinen Kindern einſchärfen.“ Ihr 
ſehet hier, wie ſcharf es der Herr den Alten, den Vätern ſelbſt 


— 


u 


einſchärfte, daß fie feine Worte und Gebote follten zu Herzen 
nehmen, und ſollten feine Gebote auch den Kindern einſchär— 
fen. Jetzt betrachtet nun, was der Apoſtel Paulus, der Send— 
bote Jeſu, allen Vätern anbefahl. Er ſpricht — Epheſer 6. 
Vers 4: „ihr Väter ziehet eure Kinder auf in der Zucht und 
Vermahnung zum Herrn.“ Hierbei ſehet ihr, ihr werthen 
Kinder, daß es die Pflicht für jeden Vater iſt, daß er ihnen mit 
Ernſt die Gebote unter Augen ſtellen muß. Allein wie ſchon 
geſagt, auf mir ruhen dieſe Pflichten doppelt; denn zum an⸗ 
dern, fo iſt mir das Amt als Lehrer, Hirte und Wächter an⸗ 
befohlen, um als ein getreuer Knecht Chriſti, die Liebe Gottes 
ſammt ſeiner Barmherzigkeit und Gnade gegen die Menſchen, 
durch Jeſu Leiden euch und allen Zuhörern darzuſtellen. 
Aber auch Jeden zu warnen vor Sünden und Uebertretungen, 
und vor Verführungen, welche oftmal als ein würgendes und 
freſſendes Schwert tauſende von Seelen auf dem Pfade des 
Verderbens dahin rafft. Allwo dann ſelbſt auch die Prophe— 
ten des Irrthums ſelbſt nicht ſehen noch erkennen, daß ſie durch 
einen falſchen Geiſt verführt ſind. Leſet ſelbſt ein klares 
Beiſpiel von ſolchen, im zweiten Buch der Cronica, 18. Kap. 
23. Vers; dort war Micha allein auf einer Seite, und 400 
Propheten gegen ihn. Er weißagete aus des Herrn Mund; al— 
lein aus Zedekia Rede zu Micha ſiehet man, daß ſie, die 400 
Propheten, nicht mit Wiſſen und Willen fälſchlich weißageten; 
ſie glaubten, der Geiſt Gottes habe ihnen ihre Weißagung ins 
Herz gegeben, denn Zedekia ſchlug Micha auf den Backen und 
ſprach: „Micha, iſt der Geiſt des Herrn von mir gewichen, daß 
er mit dir rede?“ Hierbei ſehet ihr, daß der Geiſt der Ver⸗ 
führung denjenigen, den er verführet hat, nicht zur Erkennt—⸗ 
niß kommen läßt, und ſehet auch, daß der Geiſt der Verführung 
dem Verführten ſo zu ſagen ſüß und überzeugend iſt. Wenn 
ihr nun dieſes Alles überdenket, ſo könnt ihr ſelbſt die Noth— 
wendigkeit ſehen, daß Vater und Lehrer große Urſache haben, 
die auf ihnen liegende Pflicht zu erfüllen; denn die Pflichten 
ſind vom Allmächtigen auf die Seele des Vaters gebunden, 
und vom Apoſtel den Vätern anbefohlen, daß ſie die Kinder 
auferziehen ſollen, in der Zucht zum Herrn. Zum andern, ſo 
ſehet ihr beides im Alten und Neuen Teſtamente, daß wenn 
der Allmächtige jemand berief zum Lehren, ſo wurde es keines— 
weges ihrer Anſicht überlaſſen, ob ſie es vor ſchicklich oder 


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unſchiclich anſehen mochten. Nein, denn leſet Jeremia 1. K. 
6 und 7 V.; dort machte Jeremia die Einwendung, er ſei zu 
jung, der Herr aber ſprach: „ſage nicht ich bin zu jung, ſon⸗ 
dern du ſollſt gehen, wohin ich dich ſende, und ſollſt predigen, 
was ich dich heiße.“ Thut nun einen ſcharfen Blick auf die 
Worte des Apoſtels Pauli, 1. Cor. K. 9. V. 16, allwo er 
ſagt: „denn daß ich das Evangelium predige, das darf ich 
mich nicht rühmen, denn ich muß es thun, und wehe mir, 
wenn ich das Evangelium nicht predigte.“ Viele dergleichen 
Zeugniſſe ließen ſich wohl hier anführen, allein alle anzufüh⸗ 
ren, würde zu weitläuftig zu meinem Zwecke ſein. Allein den 
Beruf des Propheten Heſekiel darf ich uh, in dem 
die Drohung vom Allmächtigen dort den Wächtern und Leh⸗ 
rern, ſo erſchreckend, ſo erſchütternd, und aber auch ſo klar 
vor Augen geſtellt ſind, wenn ſie etwa ihre Heerde ver⸗ 
wahrloſen, und ſie verſäumen, und gleichgültig gegen Gottes 
Ruf, gleichgültig gegen Gottes Warnung, und gleichgültig 
gegen ihr Amt und Pflichten ſind. Iſt es Wunder, ihr werthen 
Kinder, wenn Herz und Seele des Wächters, mit Zittern, 
Angſt, Furcht, Schrecken und Bangigkeit erfülle wird, 
wenn er die Drohungen des Allmächtigen vor Augen ſiehet, 
welche am Gerichtstage mit Schrecken der Verzwe iflung, an 
den treuloſen Wächtern in Erfü llung gehen; denn der Here 
ſagt zum Propheten Heſekiel, 3. K. 17 bis 21 V.: „du Men⸗ 
ſchenkind, ich habe dich zum Wächter geſetzt über das Haus 
Iſrael, du ſollſt aus meinem Munde das Wort hören, und 
ſie für meinetwegen warnen. 

Wenn ich zum Gottloſen ſpreche, du mußt des Todes ſter— 
ben, und du warneſt ihn nicht, und ſagſt es ihm nicht, da⸗ 
mit ſich der Gottloſe vor ſeinem gottloſen Weſen hüte, auf daß 
er lebendig bleibe, ſo wird der Gottloſe um ſeiner Sünde 
willen ſterben; aber, ſein Blut will ich von deiner Hand for— 
dern. Wo du aber den Gottloſen warneſt und er ſich nicht be⸗ 
kehret von ſeinem böſen Weſen und Wege, ſo wird er um 
feiner Sünde willen ſterben; aber du haſt deine Seele er= 
rettet. Und wenn ſich ein Gerechter von feiner Gerechtigkeit 
wendet, und thut Böſes, ſo werde ich ihn laſſen anlaufen, 
daß er muß ſterben, denn weil du ihn nicht iet haſt, ſo 
wird er um ſeiner Sünde willen ſterben müſſen, und ſeine 
Gerechtigkeit, die er gethan hat, wird nicht angeſehen werden; 

1 — 


— 


u 


aber ſein Blut will ich von deiner Hand fordern; wo du aber 
den Gerechten warneſt, daß er nicht ſündigen ſoll und er ſün— 
digt auch nicht, fo ſoll er leben, denn er hat ſich warnen laſ— 
ſen, und du haſt deine Seele errettet. 

Sehet hier, ihr werthen Kinder, dieſes ſind die Worte deſ— 
ſen, vor welches Angeſicht dereinſt Himmel und Erde fliehen 
müſſen; es ſind die Worte deſſen, vor welches Angeſicht alle 
Hirten, Wächter und Väter Rechenſchaft geben müſſen, ob ſie 
die Worte Gottes aus ſeinem Munde auch rein, lauter und 
ohne Verfälſchung ihren Heerden und Kindern mit Ernſt nach 
ihrer Pflicht vortrugen, und beide, Gerechte und Ungerechte, 
vor Sünde, Abweichungen und Verführungen ernſtlich nach 
ihrem Beruf und Vermögen warneten, oder ob ſie in Träg— 
heit und Nachläſſigkeit ihren Beruf nicht wahrnahmen und 
ihre Heerde verſäumeten. Damit ihr aber nicht auf die Ge— 
danken kommet, als ob der Allmächtige nur im Alten Teſta— 
mente ſolche ſcharfe Vermahnungen gegeben habe, und die 
Lehrer im Neuen nicht verantwortlich ſeien für ihre Heerden, 
leſet im Neuen Teſtament, Hebräer, 13. Kap. 17. Vers, 
ſo findet Ihr das nehmliche; denn dort ſagt Paulus: „Gehor— 
chet euren Lehrern, und folget ihnen, denn ſie wachen über 
eure Seelen, als die da Rechenſchaft dafür geben ſollen.“ 
Dieſe Worte nun, ihr geliebten Kinder, ſammt denen im Als 
ten Teſtament, ſind warlich ſo beſchaffen, daß ſie dem tief 
nachdenkenden Lehrer, Herz und Seele zittern machen, fonders 
lich wenn er tief nachdenkt, daß er am Gerichtstage, nicht nur 
allein für ſich ſel bſt muß Rechenſchaft geben, ſondern muß auch 
ſtehen für die Seelen, welche ſeiner Huld anbefohl en, und durch 
ſeine Trägheit e gegangen waren. Jetzt bedenket nun 
die Worte und Befehle des Allmächtigen zu den Vätern we⸗ 
gen ihren Kindern, betrachtet tief, was der Allmächtige for— 
dert. Wenn der 1 dem Vater ein Gebot und Pflicht 
11 fürwahr, ſo will er es auch von ihm gehalten ha— 

ben ſo wohl, als wie vom Lehrer; erfüllt er ſeine Pflicht nicht, 
nun ſo gibt er zu erkennen, daß er das Gebot des Allerhöch— 
ſten wenig oder gar nicht achtet; iſt der Vater ein Nachfolger 
Jeſu, ffnung, daß der Erlöſer der Welt ihn 
dereinſt zur rechten Hand ſtelle o fürwahr, fo treibt ihn Liebe 
und Pflicht, um ſeine Kinder zu vermahnen, daß ſie ſich auf 
die Bahn Jeſu begeben, und die Tage des Heils nicht ver— 


u e 


ſchwenden follen, in den Eitelkeiten und dem Tand der Welt, als 
da iſt Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächtiges Leben; er 
ſtellt ihnen mit Ernſt die Folgen deſſelben unter Augen, denn 
Kinder können auch ſchon in ihren jungen Jahren erkennen, 
daß das, was ein Menſch ſäet, daß er das auch zu ernten 
bat. Nehmet ſelbſt ein warnendes Exempel an dem Prieſter 
Eli; man findet nirgends, daß der Prieſter Eli ſelbſt ein gott— 
loſer Mann geweſen ſeie; nein, vielmehr muß man aus der 
Geſchichte ſchließen, daß er in faſt jedem andern Betracht, 
ein frommer Mann war, ausgenommen im Kindererziehen; 
denn er wußte, wie ſeine Kinder ſich ſchändlich verhiel— 
ten, er wußte ihre Laſter, aber wußte auch er, was der All— 
mächtige den Vätern geboten hatte, wegen ihren Kindern, 
denn er hatte ja das Geſetzbuch des allmächtigen Gottes in 
ſeinen Händen, und die Sünden und Laſter ſeiner Söhne, 
waren ja keinesweges verdeckt vor dem Volk Iſrael. Es war 
offenbar, es war Jedermann kund, wie die Söhne Eli in 
dem Laſter des unehelichen Beiſchlafs lebten, es war unter 
dem Volk ein großes Geſchrei über die Laſter der Söhne Eli; 
konnte es nun nicht Tauſende von leichtſinnigen Iſraeliten 
geben, welche in ihrem Herzen gedenken mochten: wenn es 
iſt, daß des Prieſters Söhne ſolches ungeſtraft thun dürfen, 
ſo dürfen wir es auch thun; konnte es nicht zuletzt Tauſend 
und Tauſende zu den Gedanken bringen: O wenn es nur 
iſt, daß keine Kinder zur Welt geboren werden, dann iſt auch 
der Beiſchlaf keine Hurerei; ich ſage, es war leicht möglich, 
daß durch der Söhne Eli ihre Laſter Tauſende auf ſolche Ge— 
danken kommen konnten. 

Allein die Kinder Iſrael hielten ja den unehelichen Bei— 
ſchlaf ſchon für Hurerei, ehe ſie das Geſetz empfangen hatten, 
obſchon keine Kinder durch ſolche Laſter zur Welt kamen. 
Leſet ſelbſt erſten Buch Moſi, 38. Kap. 24. Vers, dort ſtehet: 
„Und über drei Monat ward Juda angeſagt, deine Schnur 
Thamar hat gehuret (merket), dazu iſt fie von ihrer Hurerei 
ſchwanger geworden.“ Sehet hier, fie ſagten, dazu, daß iſt, 
neben dem, daß fie Hurerei trieb, wurde fie auch ſchwanger. 
Nun ſolchen unehelichen Beiſchlaf trieben die Söhne Eli; 
wir finden nicht, daß die Weiber, bei denen ſie ſchliefen, 
ſchwanger ſein geworden durch ihren Beiſchlaf. Allein wie 

ſahe es das ganze Iſrael an. 


we 


Hätten es die Kinder Iſrael nicht für Hurerei angeſehen, 
fo hätten fie nach meiner Einſicht kein fo großes Geſchrei da⸗ 
von gemacht. Allein wie beſtrafte er nun ſeine Söhne? in 
Wahrheit, nicht nach dem Geſetz, welches der Herr im dritten 
Buch Moſes 4. K., anfangs feſtgeſtellt hatte. Es ſcheint 
warlich, als hätte er ſeiner Kinder ſchonen wollen, vor der 
öffentlichen Darſtellung, derer fie ſich hätten unterwerfen müf- 
ſen bei ihrer Verſöhnung. Er redete daher nicht im ſcharfen 
Ton zu ihnen, um ihnen ihre Sünden in ihrer wirklichen 
Größe, ſo wie ſie von Gott angeſehen wird, unter Augen zu 
ſtellen, denn er ſprach: „warum thut ihr ſolches, denn ich 
höre euer böſes Weſen von dieſem ganzen Volke. Nicht, 
meine Kinder, das iſt nicht ein gutes Geſchrei, das ich höre, 
ihr machet des Herrn Volk übertreten.“ Hier nun bedenket, 
welche Worte hier der Prieſter Eli ſagt, er geſtehet es, er habe 
ihre Laſter von allem Volk vernommen, nehmlich es hatte faſt 
Jedermann die Klage zum Prieſter Eli wegen ſeiner Söhne 
gemacht; das volle Maas der Sünden feiner Söhne war ihm 
bekannt, und nun ſagt er, das iſt kein gutes Geſchrei, das 
ich höre, ihr machet des Herrn Volk übertreten. Bei dieſen 
Worten ſiehet man, daß der Prieſter Eli tief in die Folgen 
der Laſter ſchauete, worinnen ſeine Söhne begriffen waren. 
Die Söhne Eli waren Prieſter des Herrn, fie waren Vorbil⸗ 
der dem ganzen Iſrael; der Prieſter Eli ſahe wohl, daß ſeine 
Söhne jo zu ſagen einem Sauerteige gleich waren, wodurch 
der ganze Teig konnte verſäuert werden, daher er ihnen auch 
die Wahrheit ſagte und ſprach: „ihr machet des Herrn über⸗ 
treten,“ denn ſo weit war der Prieſter Eli noch nicht in 
Verblendung gerathen, daß er dem Volk, welche ihre 
Klagen wegen feiner Söhne Laſter zu ihm brachten, geant- 
wortet hätte, “unehelicher Beiſchlaf iſt keine Sünde, ſo 
lange keine Kinder aus ſolchem Beiſchlaf entſtehen.“ Nein, ich 
ſage ſo weit war Eli noch nicht verblendet, er ſahe es, er er— 
kannte es, und dennoch beſtrafte er ſeine Söhne nicht nach 
dem Geſetz, daher auch der Herr ihm ſagen ließ, erſten Buch 
Samuel, 2. K. 29. V.: „du ehreſt deine Söhne mehr, denn 
mich.“ Hier, geliebte Kinder, hier ſehet ihr, wie es der All— 
mächtige anſiehet, wenn der Vater ſeine Kinder läſſet in den 
Laſtern, Sünden und Unzucht dahin gehen, ohne ſie mit 
Ernſt zu beſtrafen; wir ſehen hier aber auch, daß das Wort 


= — 


des Herrn dem Priefter Eli eine getreue Warnung fein follte, 
damit er über fein nachläſſiges Verfahren gegen feine Kinder 
nicht nur allein nachdenken, ſondern ſie auch mit allem Ernſt 
beſtrafen ſollte, damit ſie durch die ſchon ausgeſprochene Drohung 
des Herrn möchten erſchrecken wegen ihrer Sünden und der 

Strafe, und in wahrer Reue Buße thun, gleich wie jene 
Nineveſuiten, welche auf Jona Predigt herzliche Buße thaten; 

obſchon fie wußten, daß der Untergang ihrer Stadt, vom 
Herrn durch Jona Mund ſchon beſtimmt ausgeſprochen war; 
denn ſie ſprachen, wer weiß, Gott möchte ſich kehren und ihn 
reuen, und ſich wenden von ſeinem grimmigen Zorn, daß 
wir verderben. Leſet hierüber ſelbſt Jonas 3. K. 9. V. Al⸗ 
lein hier war bei Eli keine Vermahnung noch Strafe zu den 
Kindern, und bei den Kindern keine Buße, keine Reue, und 
Umkehr, daher ſprach der Herr zu Samuel, 3. K. 13. V.: 
„ich habe es ihm angeſagt, daß ich Richter ſein will über ſein 
Haus ewiglich, um der Miſſethat willen, daß er wiſſe, wie 
ſeine Kinder ſich ſchändlich hielten, und hätte nicht einmal 
ſauer dazu geſehen, darum habe ich dem Haus Eli geſchworen, 
daß dieſe Miſſethat des Hauſes Eli ſoll nicht verſchont wer— 
den, weder mit Opfer noch mit Speißopfer ewiglich.“ Ach 
geliebteſte und wertheſte Kinder, bedenket hier den Schwur 
des allmächtigen Gottes. 

Hier ſehen wir, daß der Allmächtige kein Opfer der Verſöh⸗ 
nung mehr annehmen wollte ewiglich, o hütet euch daher, 
wenn der Herr ſcharfe Drohungen der Strafe als Warnungen 
vor eure Ohren ergehen läßt, daß ihr dann euer Herz nicht 
verſtoßet, ſondern gebet Gott Gehör, damit ihr nicht in das 
Erempel Eli verfallet. Sehet dann und betrachtet ihren Ab- 
ſchied aus dieſer Welt; die beiden Söhne ſtarben im Kriege; 
ſo daß ſie nicht vermögend waren, den Zuſtand zu betrachten, 
wie ſie gelebt hatten; ſie mußten ſchnell fort, die Nachricht 
kam zum Eli, vor Schrecken fiel er zurück und brach den Hals. 
Hier war alſo das Ende von Allem, die Bundeslade wurde 
genommen, Silo durfte hinfort nicht mehr die Stelle ſein, wo 
die Stiftshütte aufgeſchlagen war, Silo war nun nicht mehr 
der Platz zum opfern, dieweil die ſchrecklichſten Bosheiten dort 
verübt wurden ohne Beſtrafung und ohne ernſtliche Vermah⸗ 
nung, Silo ſammt der ganzen Geſchichte von Eli und ſeinen 
Söhnen ſtund nachher dem ganzen Sfrael als ein warnendes 


u 


Exempel vor Augen, der Allmächtige wieß nachgehends die 
ungehorſamen Iſraeliten, die durch Ehebruch und unehelichen 
Beiſchlaf und andern Laſtern ſich befleckt hatten auf Silo, fie 
ſollten ſehen, bedenken und betrachten, was er ehemals zu 
Silo gethan hatte. Leſet ſelbſt Jeremia, 7. K. 14. V., und 
Jeremia 26. K. 6. V. Hier iſt alſo ein Exempel der Strafe 
für die natürlichen, ſo wie auch für die geiſtlichen Ifraeliten 
vor Augen geſtellt, damit das geiſtliche Iſrael ſo wohl, als 
das natürliche ein Exempel der Warnung an Gottes Strafe 
nehmen möge und dabei allezeit an die Worte gedenken: „Ihr 
Väter ziehet eure Kinder in der Zucht und Vermahnung zum 
Herrn.“ Sehet jetzt, theure und werthe Kinder, betrachtet den 
Zuſtand wo ihr jetzt ſtehet, und vergleichet ihn mit dem Zuſtande 
wo ihr vormals ſtandet, als ihr noch unter meiner Zucht eures 
leiblichen Vaters ſtandet. Sehet, ihr habt die Jahre jetzt hin— 
ter euch, wo euch das göttliche und weltliche Geſetz band, uns, 
euren leiblichen Eltern, ſo viel Jahre zu dienen. Allein das 
göttliche Geſetz: „du ſollſt deinen Vater und Mutter ehren,“ 
dies höret nicht auf mit den Jahren des weltlichen Geſetzes 
vom Dienſt; nein, ſondern ſo lange die Eltern leben. Jetzt 
denket tief nach, ihr fanget Familien an, wenn euch nun der 
Allmächtige mit Kindern ſegnet, daß ihr Kinder zeuget, ſo 
ſtehet ihr auf der nemlichen Stufe wo ich ſtand, als der All— 
mächtige euch uns gab, und die nehmlichen Pflichten, hat der 
Allmächtige euch auferlegt wie uns. Es iſt warlich nicht genug, 
daß Eltern ihre Kinder nur zur Arbeit auferziehen, ob wohl 
auch dies die unnachläßlichen Pflichten der Eltern iſt; allein 
der Vater muß ſchon frühe mit feinen Kindern von den Ge— 
ſetzen des Allerhöchſten reden, die Allmacht Gottes vorſtellen, 
den Fall des Menſchen, wiederum Gottes Barmherzigkeit ge— 
gen die gefallenen Menſchen in ſeinen Merge ungen wiede⸗ 
rum die Liebe, die Sanftmuth Jeſu, ſammt der Demuth des 
Herzens, auf welches wir ſchauen ſollen und ihm hierinnen 
nachfolgen, wieder ſeine Leiden, ſeine Kreuzigung ſammt Todt 
und Auferſtehung, um uns vom Fluch zu erlöſen; ſehet 
Kinder, dieſes ſind Pflichten, welche auf eurer Seele liegen, 
um euren Kindern ſolches von Zeit zu Zeit vorzuſtellenz ſehet 
wenn ihr ihnen ſolches von Zeit zu Zeit vorſtellt, ſo bekom— 
men eure Kinder ſchon in ihren Jugend-Jahren eine Er= 

kenntniß, die ihnen ſo ſehr nöthig iſt; obſchon ſie klein iſt, ſo 


ie DE = 


werden fie doch manchmal, wenn fie anders gehorſam fein wol 
len, durch ihr Gewiſſen zurück gehalten, dieſes oder jenes 
nicht zu vollbringen, zu welchen das Fleiſch ſie treiben will. 
Dieſe Pflichten liegen jetzt auf euch, denn beides, das Alte 
und Neue Teſtament gebietet es euch, die Kinder in der Zucht 
und Vermahnung zum Herrn aufzuerziehen. Allein, jetzt ſtel— 
let euch mit tiefem Ernſt, die ewig unglückliche Lage eines 
Vaters vor, der ſeine Kinder nicht auferzog nach ſeiner 
ſchuldigen Pflicht; ich ſage hier keinesweges von ungehorſam— 
men Kindern, welche ihre Eltern nicht ehren und ihnen nicht 
folgen wollen; ſondern von ſolchen Eltern und Kindern, wo 
die Eltern ihre Pflichten verſäumen, und die Kinder nicht in 
der Zucht und Vermahnung zum Herrn auferziehen, ſondern 
laſſen ihnen allen Willen, ohne ſie auf Gottes Wort und 
Strafe aufmerkſam zu machen. Wenn nun am Tage des Ge— 
richts ein ſolcher nachläſſiger Vater hervor muß, zum Rich— 
terſtuhl des allmächtigen Gottes, der ihm die Pflichten auf— 
erlegte, ſeine Kinder in der Zucht und Vermahnung zum 
Herrn aufzuerziehen; wenn er nun dies verſäumt hat, wenn 
er ſeine Kinder ſiehet, zur linken Hand des Richters ſtehen, 
welche vielleicht —ich ſage vielleicht, nicht dort ſtünden, —-wenn 
er als ein treuer Vater ſeine Kinder vor der Bahn der Ver— 
dammniß gewarnet hätte; allein dann bei ſolchem Anblick 
iſt es für den nachläſſigen Vater zu ſpät, um ſeine Trägheit 
zu beweinen, ſein Händeringen und Wehklagen, kann weder 
ihn noch ſeinen Kindern etwas nützen, die Gnadenzeit iſt 
dann fort, und das ewige Wohl oder Wehe für die Seele, 
nimmt dann ihren Anfang. Allein jetzt, o ihr werthen Kin— 
der, jetzt lebt ihr noch in den Tagen des Heils, jetzt kann euch 
euer tiefes Nachſinnen noch etwas nützen, wenn ihr betrach— 
tet, was ihr gethan habt, und was ihr thun wollt, und was 
euere Pflichten ſind, und was ihr dort jenſeits des Grabes 
erlangen könnt; wenn ihr mit allen Kräften darnach trachtet, 
alle eure, auf euch liegende Pflichten zu erfüllen, um eine 
Saat hier zu ſäen, wovon ihr dort ewig ernten könnet. 
Sehet jetzt, ihr Kinder, ich wünſche in dem Innern meines 
Herzens, dieſe letzten angeführten Worte tief zu betrachten, 
denn ich ſagte, von der Saat hier zu ſäen, wovon ihr dort in 
jener Welt ewig ernten könnt. Ihr ſehet, und erkennet nach 
der Natur, daß wenn ein natürlicher Hausvater, eine natür— 


- m m- 2 


liche Saat ſäen will, fo erfordert es allen möglichen Fleiß, 
um das Land vorher wohl und gut zu zubereiten; thut er 
dies nicht, iſt er träg, iſt er nachläſſig, iſt er gleichgültig, 
wendet er keinen Fleiß an, um ſein Land gehörig zu zuberei⸗ 
ten; nun wenn ein ſolcher auch ſäet, denket nach, was kann 
er erwarten. Jetzt wendet dies auf das Geiſtliche an, ſo ſe— 
het ihr, daß man warlich nicht gleichgültig ſein darf, ſondern 
mit allen möglichen Ernſt und Fleiß, die Saat im ge iſtlichen ſäen; 
allein gleich wie ein natürlicher Hausvater, mit allem ſeinen 
Fleiß dennoch nicht vermögend iſt, den Segen über ſeine 
Saat kommen zu machen, denn er weiß, daß ſolches ganz als 
lein in Gottes Hand ſtehet, er vertraut aber zu Gott und 
ſäet auf Hoffnung, und bittet, daß Gott ihm das tägliche 
Brod immerdar gebe. Daher eben ſo wenig kann der Vater 
einer geiſtlichen Saat, den Segen ſelbſt geben; obſchon er 
mit allem Fleiß den geiſtlichen Saamen des göttlichen Wortes 
zu ſeinen Kindern nach ſeiner Pflicht ausſtreuete; wenn nun 
der Vater warlich ſeine Kinder liebt, o ſo erhebt ſich ſein 
Herz und ſeine Seele im Gebet zum Vater der ewigen Liebe, 
zum Geber aller guten Gaben, und bittet um Gottes Segen 
über die Saat, welche er ſeinen Kindern aus Gottes Wort 
ausgeſtreuet hat. O der Allmächtige gibt jedem, der mit 
Glauben und Vertrauen um ſeinen Segen bittet. Und gehet 
aber dann auch euren Kindern ſelbſt auf dem Pfade Jeſu 
voran, in der herzlichen Liebe, in Sanftmuth und Demuth 
des Herzens und zeiget in allem euren Wandel vor euren 
Kindern, daß ihr ſelbſt Furcht vor Gott habt, ſo daß eure 
Kinder an euch lernen mögen, wie man vor Gott wandeln 
muß; nicht daß fie nur eure Worte des Unterrichts hören, ſon— 
dern ſelbſt an euch erkennen, daß ihr Nachfolger Jeſu ſeid, 
damit ſie durch euren ſanften und doch ernſthaften Umgang, 
und göttlichen Unterricht zu Chriſto gezogen werden. Denn 
denket nur ſelbſt nach, was würde euer Unterricht nützen, 
wenn eure Kinder ſehen, daß ihr ſelbſt nicht darnach wandelt; 
was würde es ſie nützen, wenn ihr ihnen nach Jeſu Vorbild 
und der Apoſtel Lehre, auch vorſtellen wolltet, daß ſie der 
Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächtigem Leben abſagen, 
und allem eitlen Tand der Welt meiden ſollten, und ſie aber 
dennoch an euch ſelbſt ſehen müſſen, daß ihr euch in allem der 
Welt wolltet gleich ſtellen, um zu thun was dem Auge gefällt, 


u, 


und dem Fleiſch gelüſtet. Denket tief über dieſe, meine zu euch 
geſchriebene Worte nach, denn der Allmächtige hat euch zu 
Führern über eure Kinder geſetzt, traget mir Sorge, daß ihr 
nicht am Ende ſammt euren Kindern in die Grube fallet. 
Meſſet mein Schreiben und Warnungen mit Gottes Wort, 
und prüfet jeden Satz mit denſelben, ſo werdet ihr finden, 
daß ich euch warlich auf keinem Irrweg hinwieß, ſondern auf 
Jeſu Bahn; und wenn ihr nun Jeſu Bahn wandelt, wenn 
ihr nach Pauli Lehre eure Kinder auferziehet, in der Zucht 
und Vermahnung zum Herrn, und eure Kinder euch nach 
dem Wort Gottes ehren, euch getreu in allem folgen, und 
auf Jeſu Bahn wandeln, o ſo hütet euch vor geiſtlichem 
Stolz, vor geiſtlichem Hochmuth, erhebet euch nicht über an— 
dere, wenn ihr ſehet, daß eure Kinder gehorſamer find als 
andere. Richtet jene Eltern nicht, wenn ihr glaubet, daß 
ſie ihre Kinder nicht genugſam unterrichten oder erziehen. 
O wie geſchwind ſchleicht der geiſtliche Stolz ins Herz eines 
Menſchen, der nur geneigt iſt, die Mängel und Fehler ande— 
rer zu beſprechen und ſie ſo ſchwarz als möglich andern dar— 
zuſtellen. Richtet daher nicht über andere, denn Jeſus ver— 
bietet es ſelbſt, denn er, der Heiland, wird alles ſelber ſchlich— 
ten am jüngſten Tage. 

Zum andern, ſo denket tief in dem Innern des Herzens 
nach; wer gab euch Gaben und Geſchicklichkeit, um eure 
Kinder zu unterrichten? — iſts nicht alſo der Herr. Nun wenn 
der Herr euch ſolche Gaben aus lauter Güte gab, ſo dürft ihr 
euch ja nicht rühmen, denn das, was ihr habt, iſt ein Ge— 
ſchenk von Gott; ein Geſchenk, welches Gott jenem vielleicht 
nicht gegeben hat, und wir Menſchen ſämmtlich können ja 
keinem ins Herz ſchauen, ob er ſolche Gaben hat oder nicht 
hat. Wiederum, ihr könnet ja auch nicht wiſſen, ob nicht 
jener Vater, welcher ungehorſame Kinder hat, und vielleicht 
auch keine Gaben um ihnen Vorſtellungen zu machen, ob er 
nicht vielleicht täglich um das Heil ſeiner Kinder, ihrer Seelen, 
zum Allmächtigen im Verborgenen flehet. Suchet daher, euch 
allezeit in einem ſolchen Licht vor Gott und vor Menſchen 
darzuſtellen, daß Jedermann euch anſiehet, daß ihr euch ſelbſt 
klein achtet, und daß ihr alle andere höher achtet als euch 
ſelbſt, und das Heil eurer und eurer Kinder Seelen mit Emft 
ſuchet. Möge nun der Allmächtige, der uns und euch er⸗ 


Mn 


ſchaffen hat, meinen Wunſch erfüllen und euch ſämmtlich mit 
Weisheit und Verſtand erfüllen, auf daß ihr dieſe meine 
geringe Arbeit und Zeilen, wenn ihr ſie leſet, oder höret leſen, 
auch im hellen Licht der Wahrheit erkennet und ſie 
nach Gottes Wort prüfet und das Beſte behaltet. Und nun 
befehle ich uns, und euch ſämmtlich, dem Allmächtigen ſei— 
nen Verheißungen der Gnade, er wolle in uns und euch ſämmt— 
lich den wahren ſeligmachenden Glauben ſtärken, und alle da— 
rinnen erhalten, bis zu einem ſeligen Ende, und das durch 
Jeſum Chriſtum, Amen. 


Kinder, zieht auf eure Jugend, 
So wie Gott, der Höchſte, ſpricht; 
Zieht ſie auf in Zucht und Tugend, 
Dann erfüllt ihr eure Pflicht. 


Verheißung Gottes 
zu 
den Kindern welche ihre Eltern ehren, 


Theuere geliebte und werthe Rinder! 


Hebet eure Augen auf, blicket auf den Stamm der ganzen 
Welt, und alle Einwohner der ganzen Erde, überſchauet jede 
einzelne Familie, ſo ſehet ihr, wenn ihr dieſes thut, daß alle 
wohlgeſittete und gehorſame Kinder ihre Eltern in Ehren hal— 
ten. Sehet hin auf die Stämme der Indianer und aller 
barbariſchen Völker, ſo werdet ihr, im Durchſchnitt zu nehmen, 
das nehmliche finden; denn ein gutes Kind nimmt gewöhn— 
lich ſeine Zuflucht zu ſeinen Eltern, wenn ihm etwas wieder— 
fährt; ein gutes Kind hat das Vertrauen zu ſeinem Vater, 
daß er in allen wichtigen Dingen vermögend ſei, ihm einen 
beſſern Rath zu ertheilen als er ſelbſt vermag; ein gutes Kind 
fragt ſeinen Vater um Rath, und handelt nicht gegen den 
Willen der Eltern. Allein ſehet jetzt hin auf die Worte des 
Allerhöchſten, der Himmel und Erde geſchaffen hat, der Eltern 
und Kinder geſchaffen hat, der aber auch den Eltern und Kin— 
dern Gebote gegeben hat, wonach aber auch beides, Kinder 
und Eltern leben ſollen und Gottes Gebote halten, und hat 
auch Verheißung gethan, daß wenn ſie ſeine Gebote halten, daß 
er dann ſolche Verheißung an ihnen erfüllen wolle; ſehet jetzt 


u 


und betrachtet das Gebot und die Verheißung, die der Herr 
ſprach zu den Kindern, zweiten Buch Moſe, 20. K. 12. V.: 
„Du ſollſt deinen Vater und Mutter ehren, auf daß du lange 
lebeſt im Lande, das dir der Herr dein Gott gibt.“ Jetzt 
Kinder denket tief nach, und betrachtet. Was iſt die Ehre, 
welche Kinder ihren Eltern ſchuldig ſind? Ich frage, wie und 
auf welche Weiſe geben ſie ihren Eltern wirkliche Beweiſe, daß 
ſie ihre Eltern ehren? Warlich liebe Kinder, dieſe, meine Frage 
iſt der Unterſuchung wohl werth; merket aber hier vornehm⸗ 
lich auf Jeſu eigene Worte, er ſagt, Johannis 8. K. 49. V. 
„Ich ehre meinen Vater, ich ſuche nicht meine Chre.“ Und nun 
worinnen beſtund es aber, daß er ſeinen Vater ehrete? Mer⸗ 
ket was er ferner ſagt, Johannis, 14. K. 31. Vz er ſpricht: 
„Aber auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und 
ich alſo thue wie mir der Herr geboten hat.“ Hierüber ſehet 
ihr, daß Kinder wirklich ihre Eltern ehren, wenn ſie thun, 
was ihnen ihre Eltern ſagen, und ihr ſehet auch hierbei, daß 
Kinder ihre Eltern nicht ehren, wenn ſie gegen ihren Rath und 
Willen handeln; obſchon vielleicht ſie vorgeben, daß ſie ihre 
Eltern lieben. Allein bedenket Jeſu Worte: „Aber auf daß 
die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe, und ich alſo thue 
wie mir der Vater geboten hat.“ Hieraus iſt es klar, daß 
wenn Kinder ihre Eltern ehren und lieben, ſo thun ſie auch 
was die Eltern ihnen ſagen, und handeln nicht gegen der El⸗ 
tern Willen; ſehet aber und blicket hin, auf die ver⸗ 
ſchiedenen Exempel der fie welche uns der Allmächtige 
vor unſern Augen in heiliger Schrift hingeſtellt hat, von ſol⸗ 
chen Kindern, welche ihre Eltern nicht ehrten, ſondern über⸗ 
traten das Gebot, und lebten nach ihren eigenen Willen. 
Leſet von Eſau, erſten Buch Moſi, 28. K. 8 und 9. V., wieder 
26. K. 34 und 35. V.; dort ſehet ihr an der ganzen Geſchichte, 
daß Eſau eine igenwilliger Menſch war, er ehrte ſeine Eltern nicht, 
denn er wußte, daß ſein Vater und Mutter nicht gern ſahen, 
daß Jacob ein Weib nähme von den Töchtern der Cananiter. 
Nun was that Eſau? er ging hin und heirathete ſeinem Vater 
und Mutter zum Trotz, Weiber, von welchen er wußte, daß 
ſeine Eltern dagegen waren, und die Schrift gibt Zeugniß, 
daß Eſaus Weiber feinen Vater frac und feiner Mutter 
Rebecg eitel Herzeleid machten. Sehet jetzt ein ander Exempel 
von einem ungehorſamen Sohn, einem der das Gebot des 


u 


Allmächtigen nicht achtete und feine Eltern nicht ehrete, nehm⸗ 
lich Abſalom dem Sohne David; leſet ſelbſt zweiten Buch Sa⸗ 
lomon, das 15. 16. 17. und 18. K., dort erkennet ihr an Ab⸗ 
ſalom, den Aufrührer gegen feinen Vater; er log feinem Ba 
ter ins Angeſicht, denn er ſprach zu ſeinem Vater, er habe ein 
Gelübde, ein Verſprechen zu Gott gethan, und er wollte nun 
hingehen und ſein Verſprechen erfüllen. Allein alle ſeine 
Worte waren freche boshafte Lügen, denn er wurde aufrühre— 
riſch gegen ſeinen Vater, der nichts anders als ein Herz voll 
Liebe zu ſeinem Sohn Abſolom trug. Der Aufruhr wurde 
gemacht, David mußte vor ſeinem Sohne fliehen, der ihm 
nach ſeinem Leben ſtellete. Allein die Allmacht Gottes, welche 
dem boßhaften Sohne ein Ziel ſetzte, lenkte es anders im 
Streite. Abſalom wurde mit drei Spießen durchſtochen, ein 
Baum war ſein Galgen, an welchem er hing, ſein Haupthaar, 
welches er, ſo wie es ſcheint nur gebrauchte, um ſich in ſeiner 
Eitelkeit mit zu zieren, ward ſein Strick, welcher ihn am Gal⸗ 
gen oder Baum befeſtigte; er hing dort zum Schauſpiel für 
jedes Kind, welches das Gebot des Allerhöchſten übertretet, 
und ehret nicht feine Eltern. Jedermann in Iſrael konnte 
hier an Abſalom mit Furcht und Schrecken die Rache des All 
mächtigen ſehen, wie der Allmächtige ſich rächete an demjeni⸗ 
gen, der ſein Gebot übertrat und ſeine Eltern nicht ehrete; 
ſie ſahen hier die Erfüllung der Worte des Allmächtigen, die 
er mit feierlichen Ernſt in drohendem Eifer redete, Ste Buch 
Moſi, 32. K. 35. V.: „die Rache iſt mein, ich will vergelten.“ 
Warlich hier war Abſaloms boshafte That und Uebertretung 
vom Allmächtigen vergolten. Ohne daß David den gering⸗ 
ſten Zorn im Herzen hatte; er weinete um ſeinen Sohn, er 
war vor allen Ifraeliten eines ſolchen Todes geftorben, wo 
Jedermann Gottes Rache an ihm erkennen konnie, wo aber 
auch nun die Seele mit Sünden befleckt und mit Laſtern be⸗ 
laden, vor dem Richterſtuhle des Allmächtigen erſcheinen muß, 
allwo ihm Weinen nicht mehr half. Ach ſehet Kinder, ſo erging es 
auch dem gottloſen Eſau, er ſuchte mit Thränen Buße, allein 
er fand keine mehr, daher ihn auch der Apoſtel Paulus als 
ein ſchreckliches Erempel der Warnung in den Hebräern, 
12. K. 16. V. darſtellt, woran alle Kinder welche ihre Eltern 
nicht ehren und ihren Rath verwerfen, ſolchem tief nachden— 
ken, ſich hieran prüfen, erſpiegeln und ein Exempel der Ware 


nung an ihm nehmen ſollen. Allein ihr, werthe Kinder, 
ſehet jetzt und blicket hin auf den andern Theil des Gebots - 
Gottes, welches in der Verheißung beſtund: „Auf daß du 
lange lebeſt im Lande das dir der Herr dein Gott gibt.“ Jetzt 
denket tief nach, er gab ihnen ein klares Gebot, ihre Eltern zu 
ehren, zum andern gab er ihnen eben ſo eine klare Verhei— 
ßung, daß wenn ſie dies thun würden, fo ſollten fie auch lange le⸗ 
ben in dem Lande, welches er ihnen geben würde. Merket hier, 
der Herr ſagt, welches er ihnen geben würde; daher ſehet ihr, 
daß ſie es keinesweges aus eigener Kraft, oder aus eigenem 
Vermögen einnehmen konnten, ohne die Hülfe Gottes und ſei— 
nen Sieg; ich ſage, dies alles konnten ſie eben ſo wenig aus 
ihrer eigenen Kraft und Vermögen thun, eben ſo wenig als 
ihre Tage im gelobten Lande verlängern. Stellet jetzt ihr theure 
Kinder, eine ernſthafte Betrachtung in dem Innern eures 
Herzens hierüber an, merket, die ganze Gemeine Iſrael war 
in jedem Betracht ein Schatten und Vorbild von dem neuen 
geiſtlichen Iſrael, welche ſich in Jeſu Blut waſchen und ver- 
ſöhnen laſſen; ihre Ceremonien und Opfer waren im eigent— 
lichen Sinn ein Vorbild und Schatten von dem wahren Licht, 
welches durch Jeſu Blut, Leiden, Tod und Auferſtehung je⸗ 
dem Gnaden-Hungrigen in die Augen leuchten ſollte, damit je— 
der an Jeſu Chriſto ſehe, daß er der wahre Hoheprieſter ſei, 
wovon die jüdiſchen Prieſter nur Vorbilder waren, der da 
keinesweges in das Al lerheiligſte einging, mit Ochſen⸗, oder 
570 ber-Blut, auch nicht in das Allerhei ligſte, welches mit 

Menſchenhänden gemacht war. Nein, er ging nach ſeinem 
Tod mit ſeinem eigenen Blut in das Allerheiligſte, welches 
ewig beſtehet, in dem Himmel ſelbſt, und verſöhnte dort die 
Menſchheit mit ſeinem eigenen Blut. Werfet jetzt euren Blick 
zurück auf die Kinder Iſrael unter Pharao Dienſt. 

Es war ihnen nicht möglich, ſich ſelbſt zu befreien; Gott 
ſahe ihren Jammer, und dieweil ſie ein Vorbild für das Geiſt— 
liche fein ſollten, fo ſollten fie auch Gottes Allmacht ſehen, da— 
mit ſie durch die wunderbaren Werke Gottes, welche er ihnen 
zeigen wollte, deſto feſter an ihn glauben möchten; daher er⸗ 
weckte er den Pharao und verſtockte ihm ſein Herz. Gott that 
durch Moſe alle Wunder, welche er ſich vorgenommen hatte, 
bis das ganze Iſrael zuletzt mit Erſtaunen ſehen mußte, wie 
Pharao, durch Gottes Hand gezwungen, die Kinder Ifrael 


austrieb. Gott bediente fich hier keiner menschlichen Hülfe, 
nein, die Kinder Iſrael waren ruhig in ihren Hütten und 
waren zum Auszug gerüſtet; der Würge-Engel, der das 
Blut des Paſchas an den Pfoſten der Häuſer der Ifraeliten 
ſahe, ging vorüber. Allein die Egypter fielen mit Haufen 
unter ſeinem Todes-Arm. Jetzt denket nach, warum durf— 
ten die Kinder Iſrael nicht ſelbſt ihre Kräfte anwenden, um 
ſich vor der Knechtſchaft in Egypten durch Streit und Krieg 
zu befreien, da ſie doch den Befehl nachher erhielten, das 
Land Canaan mit Streit und Krieg zu nehmen. Sehet 
Kinder und denket nach! die Kinder Iſrael mußten ein Vor— 
bild, auf das Geiſtliche vornehmlich, in dieſem Stück ſein; 
denn ſehet, es kann ſich ja in Ewigkeit keine Seele von al— 
len Adams - Kindern vor dem Würge-Engel des zweiten 
Todes ſelbſt ſchützen, und dann am Gericht lauter, rein 
und ohne Sünde zu erſcheinen; dies iſt unmöglich, denn 
der Würge⸗Engel nimmt jede Erſtgeburt dahin, nehmlich 
alle, die noch in ihrer erſten Geburt ſtehen, und noch nicht 
neu aus Gott geboren ſind, und zu dieſer zweiten oder neuen 
Geburt zu gelangen, ohne durch das Blut Jeſu, dies iſt ja 
ganz unmöglich, dieweil die Seele mit tauſend und tauſend— 
fältigen Sünden belaſtet und befleckt iſt, welche ſie vor dem 
Würge⸗Engel des zweiten Todes nicht verbergen kann; da— 
her mußte das Blut, welches an den Ueberſchwellen und 
Pfoſten der Häuſer der Iſraeliten zu ſehen war, und das 
Blut des Paſchalammes war, als ein Vorbild dienen, bei— 
des den natürlichen Iſraeliten, und auch den geiſtlichen, oder 
Chriſten; denn den Iſraeliten war ja bekannt, daß wenn ſie 
nicht das Blut des Paſchalammes nehmen würden, und die 
Pfoſten und Ueberſchwelle ihrer Häuſer mit beſtreichen, daß 
dann der Würge-Engel auch gewißlich in ihre Häuſer ein— 
fallen und würgen würde, und zwar alle Erſtgeburt. Und 
nun, eben jo bekannt iſt es auch den geiſtlichen Iſraeliten, 
oder Chriſten, daß keine Seele kann erhalten werden vor dem 
Würge⸗Engel des zweiten Todes, es ſei denn, daß er das 
Jeſu Blut jetzt im Glauben auffaßt, und ſeine mit Sün— 
den befleckte Seele darinnen von allen Befleckungen waſcht, 
denn nur dies kann uns vor dem Würge-Engel des zweiten 
oder ewigen Todes ſchützen. Ihr ſehet durch die Geſchichte, 
daß die Kinder Iſrael ſo thaten, 55 der Herr durch Moſe 


Er ie 


eboten hatte, denn kein Todter war bei Iſrael zu finden. 
Allein fie mußten auch ausziehen, fie mußten ſich fertig hal— 
ten, es durfte Niemand von den Iſraeliten in Egypten blei— 
ben. Blicket jetzt hin auf die Bedeutung des Auszugs und 
der Erfüllung vor dem Würge-Engel; ſehet Jeſum als das 
Paſchalamm an, ſammt ſeinem Blut, ſehet ihn an als den 
geiſtlichen Moſe, welcher die geiſtlichen Iſraeliten, und ihnen 
aus Gottes Munde den Unterricht und Warnungen gab. 
Sehet, ich ſagte vorhin, daß das Paſchalamm ſammt dem 
Blut ein Vorbild auf Jeſu war. Hierüber betrachtet nun 
Jeſu eigene Worte. Denn ihr wiſſet, daß die Kinder Sfrael 
ſolches Paſchalamm jährlich auf den nehmlichen Tag ſchlach— 
ten mußten zum Andenken ihres Auszugs aus Egypten. 
So ſehet nun, als Jeſus das Oſterlamm nach dem alten Ge— 
ſetz mit ſeinen Jüngern hielt, ſo ſprach er, Lucas, K. 22. 
15. V.: „mich hat herzlich verlanget, dies Oſterlamm mit 
euch zu eſſen, ehe denn ich leide.“ Allein nun war aber auch 
eine neue Einſetzung nöthig, dieweil Chriſtus des Geſetzes 
Ende war, und die Iſraeliten auch ſehr wohl durch Moſe 
und die Propheten wußten, daß, wenn der Meſſias kommen 
würde, ſo würde auch ein anderes Teſtament gemacht wer— 
den; hier war nun die Zeit erfüllet, und dieſes ſetzte auch 
Jeſus ein, damit ſeine Jünger und Nachfolger ſolches nun 
unterhalten ſollten zum Andenken deſſen, was er hernach für 
die Menſchheit thun würde; denn er gebrauchte zum Anden— 
ken deſſen, Brod und Wein, dann ſprach er, indem er das 
Brod nahm: „das iſt mein Leib, der für euch gegeben wird, 
ſolches thut zu meinem Gedächtniß,“ und nun nahm er den 
Kelch und ſprach: „das iſt der Kelch, das Neue Teſtament in 
meinem Blute, das für euch vergoſſen wird.“ Sehet jetzt 
ferner, was Jeſus, Johannis, 6. K. 53. V. ſagt, denn 
Jeſus ſprach zu den Juden: „werdet ihr nicht eſſen das Fleiſch 
des Menſchenſohns und trinken ſein Blut, ſo habt ihr kein 
Leben in euch.“ Sehet hier, liebe Kinder, dieſe letzten ange— 
führten Worte ſprach Jeſus zuvor, ehe er das Oſterlamm mit 
ſeinen Jüngern aß; dieweil nun Jeſus keine andere Er— 
klärung darüber machte, als daß er das wahre Manna, das 
wahre Brod vom Himmel kommen ſei, welches der Vater ge— 
geben habe, ſo murreten ſogar auch ſeine Jünger darüber; 
allein Jeſus belehrte ſie und ſprach: „die Worte, die ich rede, 


12 


ſind Geiſt und ſind Leben,“ folglich nicht natürlich zu ver— 
ſtehen; folglich konnten fie auch bei dem Abendmahl ſehr 
wohl ſehen und erkennen, daß Jeſus hier bildlich oder figür— 
lich redete, als er das Brod in der Hand hatte und ſprach, 
das iſt mein Leib, oder auch den Kelch, wo er ſprach, das iſt 
mein Blut. Sehet jetzt, liebe Kinder, lehret uns nicht die von 
Gott erleuchtete Vernunft, daß Gott ſich nicht, weder ver⸗ 
ſoͤhnen noch zurück würde weiſen laſſen mit Ochſen- oder 
Lämmer = Blut. Nein, nur Gott gab ſolches den Kindern 
Iſrael zum Zeichen und Gedächtniß; zum Zeichen, daß der 
Würge⸗Engel vor ſolchem Zeichen vorübergehen, und zum 
Gedächtniß, damit ſie jährlich auf denſelben Tag das Pas 
ſchalamm ſchlachten und genießen ſollten, und dabei gedenken, 
was Gott in Egypten für ſie auf denſelben Tag gethan hatte. 
Dieweil aber die treuen und wahren Iſraeliten ſehr wohl 
wußten, daß das Alte Teſtament ſollte verändert werden, 
wann einſt der Prophet, der Meſſias käme, durch welchen 
alle Geſchlechter der Erde ſollten geſegnet werden, ſo ver— 
banden ſie aber mit dieſem ihren wahren und richtigen Glau— 
ben; doch eine ſehr unrichtige Meinung; denn ſie glaubten, 
der Meſſias würde ein irdiſches, mächtiges Königreich auf— 
richten, und welche andere Meinungen ſie noch aus ihren 
eigenen Ideen auffaßten, können wir nicht wiſſen; allein ſo 
viel iſt gewiß, daß, obſchon Jeſus ſeine Leiden ihnen vorher 
verkündigt hatte, obſchon ſie die Schriften der Propheten vom 
Leiden des Meſſtas wußten, obſchon der Heiland am Abent» 
mahl ſeinen Leib und Blut figürlich gleichſam als im Leiden 
darſtellete, obſchon er ſagte: „einer unter euch wird verrathen;“ 
obſchon er ſprach: „des Menſchen Sohn gehet zwar dahin, 
wie von ihm geſchrieben ſtehet;“ ja, obſchon ſie ihn nachher 
am Kreuz ſahen hangen unter den größten Schmerzen, mit 
Koth, Blut, Wunden und einer Dorn-Krone bedeckt; 
dennoch fiel es keinem ein, daß dies jetzt das wahre Oſter— 
lamm ſei, durch deſſen Blut die Welt verſöhnt würde, vor 
welchem Blut der Würge-Engel weichen müſſe. Nein, ſie 
glaubten, er ſolle oder würde Iſrael erlößen; ihr Glaube 
war wahr, nur war er verkehrt aufgefaßt; ſie hofften auf 
ein irdiſch Königreich, allein ſein Reich war nicht von dieſer 
Welt. Er ſollte — Iſrael erlößen, aber nicht nach der 
Natur. Sie blieben in ſolcher Unwiſſenheit, bis daß zween 


= Gi 


Jünger nach Emaus reifeten und Jeſus zu ihnen kam, ihnen 
ihren Verſtand und Erkenntniß öffnete und ſprach: „mußte 
nicht Chriſtus ſolches leiden und zu feiner Herrlichkeit ein— 
gehen?“ Hier erſt, ihr Kinder, hier erſt ſahen fie die ganze 
desc mit ganz andern Augen an; jetzt erſt und dort, 

als ſie auf dem Pfingſttag mit dem heiligen Geiſt erfüllet 
8 ſahen ſie in heller Klarheit, was Jeſus dort auf 
Golgatha für die Menſchheit gethan hatte; nun erſt er— 
kannten ſie im hellen Lichte, was Jeſus damals andeuten 
wollte, als er ſprach; das iſt mein Leib, und das iſt mein 
Blut. Voller Freuden über die Erleuchtung von oben über ſie 
und der Barmherzigkeit Gottes, die ſich auf ſolche klare Art 
an dem menschlichen Geſchlecht offenbaret hatte, brachen fie 
nun das Brod hin und her in den Häuſern. Allein mer— 
ket hier wohl, ihr geliebte Kinder, der Evangeliſt ſagt deut— 
lich: „ſie brachen das Brod.“ Hieraus könnet ihr klar ſehen, 
daß ſie den wahren Sinn der Worte Jeſu verſtanden hatten, 
obſchon der Heiland geſprochen hatte, dies iſt mein Leib; hät— 
ten ſie wirklich geglaubt, daß Jeſus ſeinen eigenen Leib in 
der Hand hatte, als er ihnen das Brod zeigete; ich ſage, 
hätten ſie ſolches geglaubt, warlich dann hätte der Evange— 
liſt hier nicht geſagt, ſie brachen das Brod; nein, ſondern 
er hätte dann geſagt, ſie brachen den Leib Jeſu hin und her 
in den Häuſern. Allein hier ſehet ihr, daß die Apoſtel den 
Sinn Jeſu ſo klar verſtanden hatten, daß ſie zum Andenken, 
zur Gedächtniß des Leidens Jeſu, dies Abendmahl mit einan— 
der halten ſollten, eben ſo wie die Iſraeleten das Paſcha, 
welches eine Vorbedeutung auf Jeſu Leiden und Tod war. 
Wendet nun, ihr Kinder, wiederumeuren Blick aufdie Kinder 

Iſrael; ſehet fie zogen aus nach dem Wort des Herrn; es 
durfte keine Klaue zurück bleiben. Hierüber betrachtet im 
Geiſtlichen! könnte wohl einer, der ſich ein Chriſt oder ein 
Nachfolger Jeſu nennt, wenn er auch glaubt, ſeine Sünden 
ſeien ihm durch die Barmherzigkeit Gottes mit dem Blut 
Jeſu abgewaſchen, könnte ſich Jemand mit Recht ſo nennen, 
wenn er aber dennoch in der Sclaverey des Satans verblei— 
ben wollte, in Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächtigem 
Leben? Walrlich, dies iſt eben jo wenig möglich, als wenn 
ein Iſraelit in Egypten geblieben wäre, und hätte doch ſpre— 
chen wollen: ich folge Moſe nach, oder 5 bin ein Nachfol⸗ 


— 1 = 


ger Moſe. Sehet ferner: fie kamen an das tothe Meer; hier 
erzeigete der Allmächtige wiederum ſeine Allmacht vor dem 
ganzen Iſrael. Er öffnete das Meer, die ſechsmal hundert 
Tauſend Mann mit Weibern und Kindern gingen hindurch 
und zwar trockenen Fußes. Jetzt betrachtet im Herzen nicht 
nur allein Gottes Allmacht, um das Waſſer von einander 
zu theilen, ſondern auch die Bedeutung von ihrem Durch— 
gang durch das rothe Meer. Der Apoſtel Paulus ſagt, er— 
ſten Corinther, 10. K. 1 bis 6. V.: „ich will euch aber, liebe 
Brüder, nicht verhalten, daß unſere Väter ſind alle unter der 
Wolke geweſen, und ſind alle durchs Meer gegangen, (mer— 
ket) und ſind alle unter Moſe getauft, mit der Wolke und 
mit dem Meer, und haben alle einerlei geiſtliche Speiße 
gegeſſen, und haben alle einerlei geiſtlichen Trank getrunken; 
ſie tranken aber vom geiſtlichen Fels, welcher mit folgete, 
welcher war Chriſtus; aber an ihrer vielen hatte Gott keinen 
Wohlgefallen, denn ſie ſind niedergeſchlagen in der Wüſte. 
Das iſt aber uns zum Vorbild geſchehen, daß wir uns nicht 
gelüſten laſſen des Böſen gleich wie es jene gelüſtet hat. Sehet 
jetzt geliebte Kinder, der Apoſtel ſagt, die Väter ſeien alle 
unter Moſe mit der Wolke und mit dem Meer getauft wor— 
den, und ſetzt oder ſtellt ſie uns zum Vorbilde, denn er ſagt, 
daß dasjenige, was an ihnen geſchahe, fer uns zum Vor— 
bilde geſchehen, nehmlich wir ſollten ein Exempel der War— 
nung an ihrem Fall nehmen. Jetzt denket tief nach! ihr ſehet, 
daß der Sendbote Jeſu, nehmlich der Apoſtel Paulus, die 
Kinder Iſrael hinſtellt, als ein Vorbild und Schatten vom 
Neuen war; ihre Ceremonien und Opfer waren im empfind— 
lichen Sinne ein Schatten vom wahren Lichte, welches durch 
Jeſu leuchten würde. 

Gleich wie nun die treuen Iſraeliten die Hoffnung hatten, 
daß der Allmächtige auch ſeine Verheißung erfüllen, und 
ſie in das Land Canaan bringen werde, in ein Land, 
da Milch und Honig innen fließt; eben ſo erwarten auch die 
geiſtlichen Iſraeliten, daß der Allmächtige auch ſeine Ver— 
heißung erfüllen werde, und die wahren gläubigen, geiſtli— 
chen Iſraeliten, in das geiſtliche Canaan führen, in das 
Land der Ruhe, wo die Seele nach der Verheißung Jeſu, 
im Paradieſe, im Schooße Abrahams, in den Armen Jeſu 
die lang erwünſchte, erſehnte, erflehete und verſprochene Ruhe 


— 22 — 


findet. Und gleich wie der Allmächtige die Iſraeliten nicht 
gebrauchte zum Streite, um fie aus der Hand Pharaos zu: 
befreien, dieweil es für Iſrael ganz unmöglich war, ſich 
ſelbſt mehr zu helfen, ohne Gottes Hülfe. Eben fo wenig 
war die ganze Menſchheit vermögend, ſich ſelbſt von der 
Sclaverei des Satans zu befreien. Der Allmächtige erzei⸗ 
get noch ſtets feine Allmacht am Neuen geiſtlichen Iſrael, fo 
wohl als ehemals am Alten; denn wenn der geiſtliche Iſra— 
elit unter dem Joch und Tirranney des Satans ſeufzet, 
wenn er ſiehet, daß er an jenem Tage Rechenſchaft geben 
muß für all ſein Thun; ſiehet nun aber, daß der Allmäch— 
tige ſeinen Sohn gegeben hat, welches Blut er ſich aneignen 
kann, um ſich vor dem ſchrecklichen Gericht zu ſchützen; ich 
ſage, wenn dann ein ſolcher Iſraelit ausgehen will, fürwahr, 
ſo kann ihn keine Macht der Hölle zurück halten, und wenn 
der Satan ihm auch nachjagen will, und will ihn ſchrecken 
in der Taufe, ihm ſeine vorherige Knechtſchaft unter Augen 
ſtellen. Wenn nur der geiſtliche Iſraelit allezeit auf Je— 
ſum Chriſtum, den Anfänger und Vollender ſeines Glau— 
bens, den geiſtlichen Moſe ſchauet, ihn nicht verläßt, ſon— 
dern treulich nachfolgt, dann kann auch der Satan nichts 
machen, dieweil er unter dem Paner ſeines geiſtlichen Füh— 
rers bleibt. Sehet jetzt ferner, gleich wie Kinder Iſrael dort 
in der Wüſte für ſich ſelbſt weder Brod noch Waſſer ver— 
ſchaffen konnten, eben fo wenig können ſich die geiſtlichen 
Iſraeliten weder das Brod des ewigen Lebens, noch das 
Waſſer des ewigen Lebens ſelbſt verſchaffen, durch ihre Wer— 
ker. Allein gleich wie der Allmächtige ſich über die alten 
Iſraeliten erbarmte, und gab ihnen Brod vom Himmel, und 
Waſſer aus dem Felſen, damit ſie ihre natürlichen Leiber 
konnten erhalten, eben ſo erbarmt er ſich der geiſtlichen Iſra— 
eliten, und gibt ihnen Beides, ſo wie es uns Jeſus klar 
vor Augen geſtellt hat, wo er uns ſein Fleiſch als ein Brod 
vorſtellt, womit die Gnaden-Hungrige Seele geſpeißt wird, 
und ſein Blut, womit die nach Gnaden-Durſtende Seele 
zum ewigen Leben getränkt wird. Sehet Kinder, ſo weit ſind 
wir nun in der Betrachtung der alten und neuen, oder geiſt— 
lichen Iſraeliten gekommen. Jetzt ſehet nun den Zweck ihrer 
Reife an, fie waren in Egypten in der Sclaverei, fie konn— 
ten in der Tradition keinesweges unbekannt ſein, daß der 


= Mi = 


Allmächtige dem Abraham, mit einem Eidſchwur verheißen 
hatte, feinem Saamen nach ihm, das Land Canaan zum 
ewigen Beſitz und Eigenthum zu geben. Endlich erſchien 
Moſe als ein von Gott geſandter Führer, und führete ſie 
aus nach dem Lande zu, welches ihr Eigenthum ſein ſollte. 
Denket jetzt tief über das Land Canaan nach, damit ihr euch 
das himmliſche, geiſtliche Canaan deſto deutlicher vorſtellen 
könnet. Sehet das Land Canaan war allem Anſehen nach im 
beſten Flor, die Städte waren ſchön gebaut, die Dörfer das 
nehmliche, Aecker, Wieſen und Weidung in der beſten Ord— 
nung, und an Gold, Silber und Koſtbarkeiten war kein 
Mangel, nebſt Baumgärten, Weinberge, Oelbäume und 
Feigen ſammt allen Früchten deſſelben Klimas, war Alles 
im ſchönſten Flor und Ueberfluß, ja Alles was das menſch— 
liche Herz und Auge nur wünſchen mochte, war im Ueber— 
fluß da. Konnte etwa das menſchliche Herz und Auge mehr 
wünſchen, als was dort zu finden war? In Wahrheit, es 
war ein Land wo Milch und Honig innen floß, und die Kin— 
der Iſrael fanden es auch fo, als fie hinein kamen. Leſet 
die Geſchichte von Jonathan und Saul, erſten Buch Sa— 
muel 14. Kap. 26. V.; denn dort war Honig im Felde, als 
aber das Volk in den Wald kam, floß der Honig. Sehet 
die Verheißung vom Honig war keine bildliche Verheißung, 
nein, Tauſende vom Volk ſahen es; wäre doch Jonathan 
faſt um ſein Leben gekommen, dieweil ſein Vater Saul das 
Volk ſo unvorſichtiger, unbedachtſamer und ungerechter Weiſe 
beſchworen hatte. Nun, aus dieſer kurzen Darſtellung kön— 
net ihr nun auch ſehen und erkennen, daß das Land Canaan 
ſchon zubereitet war; fie hatten nichts am Bauen der Städte 
und luſtigen Plätzen, Luſtgärten, Dörfern, Aeckern, Wieſen, 
Weinbergen und Baumgärten gethan, alles dies war ſchon 
vorbereitet, fie durften es nur einnehmen. Jetzt Kinder, ftels 
let euch nun das himmliſche Canaan vor, denn wir können 
und ſollen uns das himmliſche Canaan genau ſo vorſtellen, 
als wie es uns der Allmächtige durch feinen Sohn, Apoſtel 
und Propheten beſchrieben hat; ſehet, ich führe nur etliche 
Schriftſtellen von Vielen an: Leſet Mathäus, 25. K. 34. 
V., dort ſpricht Jeſus: „dann wird der König jagen zu des 
nen zu ſeiner Rechten: kommt her ihr Geſegnete meines Va— 
ters, ererbet das Reich, das euch bereitet iſt von Anbegin 


8 


der Welt.“ Hierbei ſehet ihr geliebte Kinder, daß das Reich 
der geiſtlichen Iſraeliten ſchon vom Anfang der Welt für 
fie vom Allmächtigen bereitet war; daher mußte das nas 
türliche Canaan, dem Himmliſchen als Vorbild dienen. 
Allein die Pracht, die Herrlichkeit, die ſeligen Freuden des 
himmliſchen Canaans mit Federn zu beſchreiben, welche die 
Geſegneten des Vaters genießen, warlich dies iſt keiner 
Seele im ganzen Weltall nicht möglich; obſchon Pracht, 
Herrlichkeit und Dauer des himmliſchen Cangans deutlich 
in der Offenbarung Johannis, 21. K. beſchrieben iſt; denn, 
das Auge der Seele kann nach meiner Anſicht, jene 
Pracht und Herrlichkeit nicht alles klar und deutlich über⸗ 
ſchauen, ſo lange es noch in der irdiſchen Hütte iſt, obſchon 
es dem Auge der Seele deutlich genug dargeſtellt iſt. Ja, iſt 
es nicht eben ſo, wenn wir mit euch, mit dem Ohr der Seele, 
nehmlich mit Andacht hören von den Herrlichkeiten der Welt; 
iſt es uns wohl möglich, daß wir das Ganze behalten und 
uns in unſerm Herzen die klare, die vollkommene Deutlich⸗ 
keit richtig, ohneetwas zu vergeſſen, vorſtellen könnten? Höret 
was der Apoſtel Paulus ſelbſt ſpricht, und er war doch ent— 
zückt bis in den dritten Himmel; er hörete, ſo wie er ſagt, 
unausſprechliche Worte; er ſelbſt bekennt es und ſpricht: 
„daß kein Auge geſehen, kein Ohr gehört und in keines Mens 
ſchen Herz geſtiegen iſt, was Gott bereitet denen, die ihn lie— 
ben.“ Jetzt thut einen tiefen Blick in des Apoſtels Worte, 
er ſelbſt ſagt, er wüßte nicht ob er im Leibe, oder außer dem 
Leibe war. Allein wir ſehen, daß er die Pracht und Herr= 
lichkeit. jener Welt ſahe. Dem Anſehen nach, hörete er die 
Worte der Verheißungen von aller Herrlichkeit, die ihm gezeigt 
wurden, dennoch war er unvermögend, es in voller Klarheit 
und Deutlichkeit ſeinen Zuhörern darzuſtellen. Sagt doch 
Jeſus ſelbſt zu Nicodemus: „wenn ihr nicht verſtehet, wenn 
ich euch von irdiſchen Dingen rede, wie würdet ihr verſtehen, 
wenn ich euch von himmliſchen Dingen ſagen würde.“ Da— 
her ſehen wir auch, daß der Apoſtel unvermögend war, um 
dasjenige, was er ſahe, um das, was er hörete, auf ſolche 
Art in fein Herz aufzufaſſen, um es in Klarheit mit menſch— 
lichen Worten verſtändlich darzuſtellen. Ach, ach! ihr ge— 
liebten Kinder, wie iſt es auch möglich, ich ſage noch ein— 
mal; wie iſt es möglich für einen Menſchen, ſo lange er in 


= u = 


dieſer irdischen Hütte wohnt, wenn er auch gewürdiget wird, 
die Herrlichkeiten jener Welt zu ſehen, daß er ſollte die Herr 
lichkeiten, welche der allmächtige Schöpfer in ſeiner ewigen 
und unausſprechlichen Weisheit, auf ſo Tauſend und tau— 
ſendmal Tauſend mannichfache Art bereitet hat, jede Herr— 
lichkeit und Pracht, jeder einzelne Theil im klaren Licht den 
Menſchen deutlich darzuſtellen. Wie ſollte es ihm zum andern 
möglich ſein, die Tauſend und tauſendmal tauſendfältige 
Seligkeiten der Auserwählten alle zu beſchreiben, welche ſie 
durch die Gnade Gottes genießen? Warlich dies iſt unmög— 
lich, und wer würde alles faſſen können, wenn es zu beſchreiben 
möglich wäre. Ferner, wie wäre es ihm möglich, die Tau— 
ſend und tauſendmal tauſendfältigen Freuden, welche ſich den 
Seligen wieder in tauſendmal tauſendfältiger Größe mit— 
theilt, zu beſchreiben. Ja, wie wäre es möglich, ihre in— 
nere Ruhe, ihr innere Freude, ja, ihre ganze Seligkeit einem 
Sterblichen darzuſtellen, daß er das ganze in ſein Herz auf— 
faſſen könnte. Warlich geliebte Kinder, ihr ſehet hier bei den 
Worten Jeſu, und bei den Worten des Apoſtels, daß kein 
Schreiber in der Welt ſolches vermögend iſt zu beſchreiben, 
und eben ſo wenig, daß man Alles verſtehen und faſſen 
könne. Allein der Allmächtige, der nicht will, daß Jemand 
verlohren werde, beauftragte den Johannis, wie oben gemel— 
det, die Pracht und Herrlichkeit jener Welt des himmliſchen 
Canaans zu beſchreiben, um den geiſtlichen Iſraeliten Muth 
hiermit zu machen, daß ſie ſich als Ueberwinder in der irdi— 
ſchen Welt erzeigen ſollten, damit ſie das, was Johannis 
ſahe, auch ererben möchten. Daher bitte ich euch, betrachtet im 
Innern eurer Seele die Beſchreibung, welche er im 21. K. 
vom neuen Jeruſalem macht. Sehet, Johannis ſahe das 
neue Jeruſalem vom Himmel herab fahren; er ſagt ferner, 
fie hatten die Herrlichkeit Gottes. Warlich geliebte Kinder, 
es wäre uns unmöglich einen Begriff davon zu machen, wenn 
nicht Johannis noch ferner von den Herrlichkeiten und ihrer 
Pracht geſchrieben hätte. Sehet, Moſe begehrte die Herrlich— 
keit des Herrn zu ſehen; allein, obſchon Gott mit Moſe re— 
dete von Angeſicht zu Angeſicht, ſo ſcheinet es dennoch, daß 
Moſe es wußte, daß der Herr ſich nur in einer ſolchen Ge— 
ſtalt ihm zeigete, die dem Moſe weder auffallend noch er— 
ſchrecklich war; daher begehrte er Gottes Herrlichkeit zu 


= MM = 


ſehen, zweite Buch Moſe, 33. K. 18. V.; allein der Herr 
ſprach zu ihm: „mein Angeſicht kannſt du nicht ſehen, denn 
kein Menſch wird leben der mich ſiehet.“ Denket dieſem tief 
in euren Seelen nach. Wie wäre es einem von Adams Nach— 
kommen möglich, einem, der mit tauſendfältigen Sünden und 
Uebertretungen die Seele befleckt hat, wie ſollte ein ſolcher 
können, dem Allmächtigen, dem Allerheiligſten, vor deſſen 
klaren Augen jede Sünde entdeckt iſt, und er jeder Sünde 
ein verzehrendes Feuer iſt; — ich ſage, wie ſollte ein ſolcher 
können Gottes Angeſicht ſehen und doch leben bleiben. Allein 
dieſe Stadt, dies neue Jeruſalem hatte die Herrlichkeit Got— 
tes, es war die nehmliche, wovon Paulus redete, wenn er 
ſagt: „wir wiſſen aber, ſo unſer irdiſches Haus dieſer Hütten 
zerbrochen wird, daß wir einen Bau von Gott erbauet ha— 
ben, ein Haus, das nicht mit Händen gemacht iſt, ſondern 
das ewig iſt im Himmel.“ Sehet Johannis ſagt: „nun die 
Stadt war von lauterm Golde, gleich dem reinen Glaſe, ja 
die Gaſſen der Stadt waren lauters Gold, als ein durch— 
ſcheinendes Glas.“ O Kinder, hebet eure Augen im Geiſt 
auf gen Himmel, ſehet die Stadt an, welche der Allmäch— 
tige für euch erbauet hat, welche ihr hernach ererben ſollt, 
wenn ihr anders Jeſu Fußſtapfen treulich nachfolgt; dort er— 
blicket ihr keinesweges eine Stadt, die irdiſch und endlich 
mit der Zeit vergehet; nein, nein! ſie bleibt Ewig, denn 
der ewiglebende Jehova hat ſie ſelbſt gebaut; ſie, die Stadt 
hat ſeine Herrlichkeit, das Gold, wovon Stadt und Gaſſen 
gebaut ſind, iſt keinesweges ſolch dicht irdiſches Gold, wel— 
ches endlich mit der Zeit vergehet, nein, das himmliſche 
Gold iſt rein, klar, gleich wie ein durchſcheinendes Glas. 
Denket tief hierüber nach, unſer irdiſches Gold iſt das edelſte 
unter allen Metallen, welche wir auf Erden kennen, und iſt 
fürwahr auch oft eine Seltenheit für Manchen. Allein im 
neuen Jeruſalem iſt es ſo beſchaffen, daß die ganze Stadt 
und Gaſſen klares durchſichtiges Gold iſt; ſehet im Geiſt die 
Thore an; zwölf Thore, aber jedes aus einer Perle gemacht, 
ſehet die Perlen, welche wir hier im irdiſchen Leben kennen, 
ſind nur klein. Allein betrachtet man die Höhe der Stadt, 
ſammt den Thoren, fürwahr, ſo muß unſer Verſtand ſtill 
ſtehen; denn Johannis ſagt: „der Engel maß die Stadt 
auf zwölf Tauſend Feldweges,“ und jagt ferner, „die Länge, 


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die Breite und Höhe find gleich, indem fie ein Viereck iſt.“ 
O Kinder, der Verſtand ſtehet ſtill, er ſtockt ſich bei dem 
Ueberdenken an die Höhe des neuen Jeruſalems, wo Länge, 
Breite und Höhe gleich ſind. Die Bewegungen, die in der 
Seele vorgehen, bei dem Ueberdenken an die Pracht der Stadt, 
bringen dem tief Nachdenkenden Thränen der Freude und 
Dank zum Schöpfer der Stadt, und vermehren ſich, wenn 
man betrachtet, wie der Allmächtige ſich herab läßt, und die 
Ueberwinder tröſtet, in dem er ihnen ſelbſt ihre Thränen ab— 
trocknet, und ſie nun mit ewiger Freude, mit ewiger Pracht 
und Herrlichkeit beſchenkt; dann iſt alles Leid verſchwunden 
und ewige Freude an die Stelle getreten. Sie ſollen jetzt 
die ewigen Freuden in ewige Ewigkeiten genießen, in dem 
neuen Himmel, und neuen Erde und der neuen Stadt. Al— 
lein ihr wertheſte Kinder, wir ſind noch nicht dort, die alten 
Iſraeliten, welche treu blieben, ließen wir ja in den Wü— 
ſten. Wir müſſen wieder zurück, um zu ſehen, welche Ver— 
ordnung der Allmächtige ihnen gab, die ſie im natürlichen 
gelobten Lande befolgen ſollten. Sehet, der Allmächtige 
hatte ihnen, nachdem er ſie durch das rothe Meer geführet 
hatte, Brod vom Himmel gegeben, er tränckte ſie mit Waſ— 
ſer; allein, nun wollte er ihnen auch Gebote geben, welche 
ſie halten ſollten. Moſe mußte ſie verſammeln an den Berg, 
der Poſaunen Ton wurde immer ſtärker; allein, als auf 
einmal eine ſchwarze dunkle Wolke den Berg bedeckte, und 
unter Blitz und Donner der Berg anfing zu brennen, allwo 
die Flamme des Feuers bis Mitten an den Himmel brannte, 
war der Allmächtige im Dunklen, und Moſe redete mit Gott 
und antwortete ihm laut. Hier war es nun, wo der All— 
mächtige die Zehn Gebote gab, ſammt noch andern Verord— 
nungen. Allein die Gebote, die der Herr gab, gab er im 
feierlichem Ernſt und gebietenter Weiſe, und das erſte Ge— 
bot, welches eine Verheißung hatte, war dasjenige, welches 
er zu den Kindern gab, in dem er ſprach: „du ſollſt Vater 
und Mutter ehren, auf daß du lange lebeſt im Lande, das 
dir der Herr dein Gott giebt.“ Dieweil ich euch ſchon an— 
fangs vorgeſtellet habe, was die wirkliche und wahrhafte 
Ehre ſei, die Kinder ihren Eltern nach Inhalt des Gebotes 
Gottes ſchuldig ſeien; ſo betrachtet nun auch die Verheißung 
Gottes zu den Kindern, die er ihnen gab, wenn fie ihre El» 


in DR 


tern ehren würden, wo der Herr ſagt: „auf daß du lange 
lebeſt im Lande, das dir der Herr dein Gott giebt.“ Hier war 
alſo ein langes Leben verheißen zu den Kindern, welche ihre 
Eltern ehren, in dem Lande, welches er ihnen geben würde. 
Jetzt denket tief nach, dies Gebot für die Kinder iſt im 
Neuen Teſtament, ohne Veränderung und ohne Verletzung 
wiederum auf das Neue anbefohlen; denn der Apoſtel Pau— 
lus ſpricht, Epheſer, 4. K. 1. 2. 3. V. „Ihr Kinder ſeid 
gehorſam euren Eltern in dem Herrn, denn das iſt billig; 
ehre Vater und Mutter, das iſt das erſte Gebot, das Ver- 
heißung hat, auf daß dir's wohl gehe und du lange lebeſt auf 
Erden.“ Sehet jetzt ihr lieben Kinder, hier erneuert der 
Apoſtel das Gebot des Allmächtigen, und zugleich auch die 
Verheißung. Allein ſehet hier auf den Unterſchied der Ver— 
heißung; daß aber dies Neue beſſere Ausſichten hat, weil es 
auf beſſeren Verheißungen ſtehet oder gegründet iſt, könnet 
ihr klar und deudlich ſehen, denn den Kindern Iſrael war 
nur langes Leben verheißen im Lande Canaan, wenn ſie 
ihre Eltern ehren würden. Allein Jeſus Chriſtus unſer 
Geſetzgeber, der geiſtliche Moſe, auf den wir zu ſchauen 
haben, er verheißt nicht nur ein langes Leben, nein, ſondern 
das ewige Leben, wenn wir an ihn glauben, ihn Lieben und 
ſeine Gebote halten; und auf Jeſu Verheißung gründete 
auch Petrus ſeine Hoffnung, denn er ſpricht, in ſeiner zwei— 
ten Epiſtel, 3. K. 13. V.: „wir warten aber eines neuen 
Himmels und einer neuen Erde, in welcher Gerechtigkeit 
wohnet.“ Hierbei ſehet ihr, daß der Apoſtel einen feſten 
und unbeweglichen Glauben hatte, auf die Verheißung, 
welche Gott ſchon durch die alten Propheten gethan hatte; 
denn der Herr ſprach durch den Propheten Jeſaias, 65. K. 
17. Vers: „denn ſiehe, ich will einen neuen Himmel und 
eine neue Erde ſchaffen, daß man der vorigen nicht mehr ge— 
denken wird, noch zu Herzen nehmen, ſondern ſie werden ſich 
ewiglich freuen.“ Hierbei ſehet ihr, daß ſchon die alten 
Phropheten nicht nur allein von einer Veränderung des 
Geſetzes weißagen müſſen, ſondern auch von dem ewigen 
Lande, dem neuen Himmel und der neuen Erde, welche die 
wahren nnd treuen Sfraeliten beide, Alte und Neue dereinſt 
ererben ſollten. Folglich ſehet ihr, daß die Verheißung zu den 
Kindern des Alten Teſtaments, vom langen Leben, wenn ſie 


— m 


ihre Eltern ehren würden, ein Vorbild vom ewigen Leben tft, 
ſo daß die Kinder des Neuen Teſtaments, wenn ſie Jeſu 
Beiſpiel und Gebot ſammt der Apoſtel folgen, und ehren ihre 
Eltern, daß ſie dann auch das ewige Leben drüben, Jenſeits 
des Grabes mit Gewißheit zu erwarten haben. Sehet jetzt 
ferner ihr werthe Kinder, die Kinder Iſrael, nachdem ſie das 
Geſetz empfangen hatten, zogen ſie gegen dem gelobten Lande 
zu, und ſandten Kundſchafter hin, um das Land zu beſich— 
tigen. (Allein jetzt merket mit Herz und Seele auf!) Die 
Kundſchafter konnten warlich nicht anders ſagen, als daß 
ſie es ſo gefunden hatten, wie der Allmächtige geſagt hatte, 
nehmlich ein Land, da Milch und Honig fließt, und ihre 
mitgebrachten Früchte gaben auch zu erkennen, daß es Wahr— 
heit war. Allein die Darſtellung, welche die Kundſchafter 
von den Einwohnern des Landes machten, brachte die Ge— 
meinde von mehr als ſechsmal Hundert Tauſend zu Zweifel 
und Unglauben, denn ſie glaubten nicht, daß ſie das Land 
Canaan jemal zum Beſitz bekommen konnten, denn der 
Kundſchafter ſage wahr, die Einwohner des Landes ſeien 
groß, ſchrecklich, ſie ſeien Rieſen, ſie ſelbſt ſeien nur Heu— 
ſchrecken gegen jene. Hierüber, o ihr werthe Kinder! denket 
tief nach, durch der Kundſchafter Rede kam das Volk zum 
Unglauben; es ſcheint als ob ſie die Warnung Gottes ver— 
geſſen hatten, wo er ihnen gab im S§ten Buch Moſe, 7. Vers 
17. — 18., dort Sprach der Herr: „wirft du aber in deinem 
Herzen ſagen, dieſes Volk iſt mehr denn ich, wie kann ich ſie 
vertreiben, ſo fürchte dich nicht vor ihnen, gedenke daran, 
was der Herr an Pharao und den Egyptern hat.“ Ach, 
alles Zureden und Warnungen Gottes, ſammt allen Zeichen 
und Wundern, welche er vor den Kindern Iſrael gethan 
hatte, machte keinen Eindruck mehr auf die Herzen und 
Seelen der Iſraeliten, ſie wurden hingeriſſen durch der 
Kundſchafter Rede, welche ſprachen: „nein die Cananiter ſind 
uns zu ſtark, wir vermögen nichts gegen ſie.“ Allein Caleb 
und Joſua waren die einzigen Getreuen, welche den Glauben 
an Gottes Hülfe behielten; ſie ſtilleten das Volk, und 
ſprachen: „fallet nicht ab vom Herrn, denn er iſt mit uns, 
fürchtet euch nicht vor ihnen.“ Allein das Volk ſchrie, man 
ſolle ſie ſteinigen, gleichſam als ob ſie des Todtes würdig 
ſeien, dieweil ſie nicht nur allein die Gnade und Hülfe von 


— 990 — 


Gott erwarteten, ſondern das Volk vermahnten, daß ſie auf 
Gott vertrauen ſollten. Jetzt bitte ich euch Kinder, behaltet 
dieſe untreuen Kundſchafter im Sinne, denn wenn es der 
Herr gibt, werden wir im Verfolg mehr von ihnen reden. 
Allein hier, weil der Allmächtige ſah, daß ganz Iſrael ſich 
von ihm abgewandt hatte und alles Zutrauen zu ihm auf 
ſeine Hülfe, alles Vertrauen auf ſeine Allmacht bei Allen 
verſchwunden war, ſo that er einen Schwur, daß keiner der 
Männer, die ihn verläſtert hatten, das Land ſehe. Sehet 
jetzt Kinder, dieſe ganze Geſchichte ſtehet uns zum warnenden 
Vorbilde. Denn jene Iſraelten, obſchon der Allmächtige 
ihnen aus Egypten geholfen hatte, obſchon fie durch das 
rothe Meer gegangen waren, obſchon ſie mit Manna geſpeißt 
und mit Waſſer aus dem Felſen getränkt waren, und ſie alle 
Gottes, der Allmacht Liebe und Barmherzigkeit gegen ſich 
ſelbſt empfunden hatten, und ihnen alles, was Gott gethan 
hatte für Iſrael, noch im friſchen Andenken ſchweben mußte, 
und ſie ja zudem noch, das Paſche jährlich zum Andenken 
deſſen, was Gott bei ihrem Auszug aus Egypten gethan 
hatte, unterhalten mußten; ſehet alles dies machte keinen 
Eindruck mehr auf ihre Seelen; fie glaubten dieſen Botſchaf— 
tern, dieſen Ausſpähern, die ihre Augen für Gottes Wunder— 
thaten verſchloſſen hatten, mehr denn Gott, und verſchloſſen 
ihre Augen wie jene und wurden auch eben ſo ungläubig, 
— daher kam auch keiner von ihnen in das gelobte Land. 
Sehet jetzt Kinder, ihr Paſcha eſſen, ihren Auszug aus 
Egypten, ihren Durchgang durch das rothe Meer, ihr 
Himmelbrod eſſen, ihr Waſſer aus dem Felſen trinken, alles 
dies wurde nicht mehr angeſehen, dieweil ſie nicht mit 
getreuem Herzen bis ans Ende ihre Hoffnung auf Gott 
ſetzten, ſondern wichen ab durch der Kundſchafter Rede, und 
glaubten nicht mehr an Gottes Hülfe, ſondern ſie müßten 
es aus eigener Kraft, ohne Gott, ohne Gottes Sieg, ohne 
Gottes Hülfe, ohne Gottes Segen einnehmen, daher wurden 
ſie auf Gottes Verheißungen ungläubig, und kamen nicht 
hinein. Sehet Kinder, daß dieſe Geſchichte uns zum 
Exempel der Warnung iſt vorgeſtellt, bezeuget der Apoſtel. 
Merket daher wohl auf, auf die Kundſchafter im Geiſtlichen, 
wenn die geiſtlichen Getreue, ihrem Amt und Pflicht getreu 
ſind, ſo weiſen ſie euch auf Jeſu Worte, wo er ſpricht: „ohne 


= ie 


mich möget ihr nichts thun.“ Eben fo wohl als Joſua und 
Caleb das Volk auf Gottes Hülfe und Gnade hin wießen. 
Daher laſſet die Hoffnung auf das himmliſche Canaan nicht 
fahren, ſondern glaubet Demjenigen feſt, der es verheißen 
und euch angeboten hat. Sehet jetzt ferner, Moſe wußte 
wohl, daß er die Kinder Iſrael nicht in das gelobte Land 
bringen ſollte; allein Moſe ſchaute durch den Geiſt in die 
Zukunft, und prophezeihete und ſprach: „Einen Propheten 
wie mich, wird der Herr dein Gott dir erwecken aus deinen 
Brüdern, denſelben ſollt ihr hören.“ Daß dieſe Prophezei— 
hung auf Jeſum deutete, iſt gewiß; denn Moſe, als ein 
natürlicher Menſch, konnte ja keineswegs wiſſen, was nach 
ihm in der fernen Zukunft geſchehen würde; allein der Geiſt 
deſſen, der ihm zuerſt im feurigen Buſch erſchien, der Geiſt 
deſſen, der die Zeichen und Wunder in Egypten vor Pharao 
that, wozu Moſe ſelbſt das Werkzeug war, durch den Gott 
es that, der Geiſt deſſen, der das rothe Meer öffnete und 
Moſe wiederum das Werkzeug war, um mit ſeinem Stab in 
das Meer zuſchlagen, damit es ſich von einander theile, ja 
der Geiſt deſſen, der den Kindern Iſrael Brod von Himmel, 
Waſſer aus dem Felſen gab, der Geiſt des Allmächtigen 
hatte Moſe erleuchtet, um in die Ferne, in die Menge von 
Hunderten von Jahren, in die Zukunft zu ſchauen, um zu 
ſehen, daß dann erſt der wahre Prophet aufſtehen ſollte, von 
welchem er das Vorbild war. Jetzt betrachtet Moſe! nach— 
dem er ſeine Prophezeihung gethan und ſeinen Lauf vollendet 
hatte, ſo ſtarb er oben auf dem Berge; er konnte die Kinder 
Iſrael nicht in das gelobte Land bringen, denn er hatte ſich 
verſchuldet bei dem Haderwaſſer. Jetzt ſehet mit einem 
ſcharfen Blick auf Jeſu, den Sohn Gottes, als den geiſt— 
lichen Moſe, als das geiſtliche Oſterlamm oder Paſcha, als 
das wahre Brod vom Himmel, und himmliſches Manna, 
als das Waſſer des Lebens, durch welches die Seele erhalten 
wird; ſehet ihn jetzt im Geiſte an und vergleichet ihn mit 
Moſe. Sehet, Moſe ſtarb oben auf dem Berge und zwar 
unter eigener Schuld; ſehet jetzt Jeſum den Sohn an, auf 
dem Berge Golgatha, ſehet wie er unter der ſchweren Laſt 
von Sünden ſeufzete; allein keinesweges ſeine eigenen, nein, 
es waren die tauſend und millionenfachen Berge von Sünden 
anderer, die er willig, gedultig mit unausſprechlicher Liebe und 


* 


Geneigtheit auf ſich nahm, um des ſchmachvollſten, ſchreck— 
lichſten und grauenvollſten Todtes dieſſeits des himmliſchen 
Eanaans, auf einem irdiſchen Berge an einem Kreuze, vor 
den Augen der frohlockenden Boßheit zu ſterben; es waren 
die Sünden anderer, die er trug, ſein himmliſcher Vater 
hatte ſie ihm aufgelegt, er hatte ſie auf ihn geworfen, damit 
die ganze Welt ſehen und erkennen ſollte, wie lieb daß Gott 
die Welt hatte, dieweil er ſeinen eigenen Sohn zum Opfer 
dahin gab, um die Welt wiederum zu verſöhnen. Aber 
warlich, es koſtete Jeſu manchen blutigen Schweißtropfen, 
nur an die Laſt der Sünden zu gedenken, ehe ſie noch wirklich 
auf ſeiner Seele lagen, und ihn mit millionenfachen Martern 
zu Todte quälten; ihm grauete vor der Stunde, in welcher 
er als ein vor Gott gültiges Opfer die Seelen der Menſchen 
verſöhnen, und mit ſeinem Blute erkaufen ſollte. Er knieete 
im Verborgenen und Dunkeln, im Garten Gehtſemane, vor 
ſeinem himmliſchen Vater nieder, er bat, er flehete, daß der 
Vater ihn verſchonen, oder dieſes bittern Keſchs überheben 
ſollte; allein kein Bitten, kein Flehen half, er war dazu 
verſehen, ehe der Weldgrund gelegt war. Faſſet dies tief, 
o ihr Kinder, in eure Herzen! Sehet der Allmächtige ſahe, 
daß ſein Sohn unter der ſchwerſten Seelen-Angſt, unter 
Trauern und Zagen vor ihm nieder knieete und um Ver— 
ſchonung bat; er übergab ſich allemal in den Willen feines 
himmliſchen Vaters. Allein der Allmächtige ließ ſich weder 
durch die Bitten noch durch das Flehen ſeines Sohnes 
bewegen, ſeinen Vorſatz zu verändern, er gab die Menſchen 
nicht frei vom Todte der ewigen Verdamniß, nicht anders 
als durch Jeſu Blut, wo das Paſchalamms Blut ein Vor— 
bild war. O ſehet ihn jetzt im Geiſte dort am Kreuze 
hangen, von allen Menſchen verlaſſen, kein Wort des Troſtes, 
kein tröſtlich Geſicht, keine Erquickung; ſein Körper, der 
vorhin durch die harten Geiſelhiebe zerfleiſcht war, ſein 
Haupt, welches durch die Dornen-Krone zerſtochen war, ſein 
Angeſicht, welches durch die wüthenden Fauſtſchläge vor 
Schmerzen brannte, all dieſer Schmerz wurde nun vermehret 
durch den brennenden Schmerz der Nägel an Händen und 
Füßen; die Qual vermehrete ſich ins Unendliche, die Läſte— 
rungen des Volks, der Prieſter, der Hohenprieſter, Schrift— 
gelehrten und Phariſäer, jeder gab ſeinen Haß gegen ihn im 


unmenſchlichſten Spott und Hohn zu erkennen; allein alles 
dies war ſo zu ſagen noch wenig gegen das, was die Seele 
zu leiden hatte. Die Sünden der Welt von Adam an bis 
zur Kreuzigung Jeſu waren nicht genug. Der Allmächtige 
warf nun auch die Sünden auf ihn, welche von der Kreu— 
zigung Jeſu an begangen wurden, bis zu der Zeit wenn die 
Thür verſchloſſen wird, nehmlich aller derer ihre Sünden, 
die an ihn glauben. O betrachtet die Seelen-Angſt und 
Qual Jeſu am Kreuz! ſein heißer Durſt wurde unter Spott 
und Hohn von den Läſterern mit Galle und Eſſig geſtillt, 
und der Allmächtige ftets neue Sünden-Berge auf feine 
Seele häufete; war es Wunder, als er ſich von allen ver— 
ſpottet, in der größten Pein hangen, und der Allmächtige 
ſtets neue große Berge von Sünden auf ihn wälzte; ich 
ſage — war es Wunder, daß er in den unſäglichſten Schmer— 
zen des Fleiſches und der Seele in ſolcher Folter ausrief: 
„Mein Gott, mein Gott, warum haſt du mich verlaſſen!“ 
Er neigte ſein Haupt, im ſchwachen und matten Tone ſprach 
er: „es iſt Vollbracht,“ befahl ſeinen Geiſt in die Hände 
ſeines himmliſchen Vaters und verſchied. Jetzt waren die 
Verheißungen Gottes erfüllet, der Weibes Saame hatte den 
Kopf der Schlange zerbrochen, das wahre Oſterlamm war 
geſchlachtet, alle Geſchlechter der Erden konnten jetzt Theil am 
Segen nehmen, es ward Niemanden gewehret, das jüdiſche 
Ceremonial-Geſetz von Opfern hatte ein Ende. Jeder konnte 
nun im Geiſt zum wahren Hohenprieſter, ſelbſt hinein gehen, 
in das Allerheiligſte, und zum gewiſſen und ſichern Zeichen, 
daß der Weg zum Allerheiligſten für jeden gebahnt und ge— 
öffnet ſei, zerriß der Vorhang des Tempels von oben bis 
unten aus. Dieweil aber Jeſus zu den Juden ſelbſt von 
einer Sache redete, welche zu Moſe Zeiten geſchahe, und der 
Allmächtige dazumal ein Zeichen gab, welches als ein Vor— 
bild auf Jeſu ſtehen ſollte, ſo ſprach Jeſus vor ſeinem Lei— 
den: „Gleich wie Moſes eine Schlange in der Wüſte er— 
höhet hat, alſo muß auch des Menſchen Sohn erhöhet wer— 
den.“ Ob nun die Juden, oder auch die Jünger, Jeſu 
Worte ganz völlig verſtunden, welche er zu ihnen redete, da— 
ran iſt warlich zu zweifeln, dieweil ſolches ein ſeltener Fall 
war, ſonderlich wenn er mit ihnen von ſeiner Erhöhung re— 
dete; daher laſſet uns die Geſchichte ſelbſt betrachten, die 
0 


= 


Jeſus den Juden vorſtellte. Sehet Kinder, die Iſraeliten 
verſündigten ſich ſo ſehr wider den Herrn auf ihrer Reiſe, 
daß fie das Himmel-Brod verachteten und ſprachen: „une 
ſere Seelen eckelt über dieſer loſen Speiße.“ Da ſandte der 
Herr feurige Schlangen unter ſie, die ſie biſſen, und wer ge— 
biſſen wurde, der mußte Sterben, und kein Mittel half gegen 
den Biß jener Schlangen. Allein der Allmächtige erbarmte 
ſich, und ſprach zu Moſe: „richte dir eine eherne Schlange 
auf zum Zeichen, auf daß wer gebiſſen iſt und ſie anſiehet, 
lebendig bleibe.“ Moſe that ſo, und wer gebiſſen ward und 
ſahe die Schlange an, der blieb leben. Sehet, dieſe Sache 
erzählte Jeſus, und ſprach: „gleich wie Moſes eine Schlange 
erhöhet hat, alſo muß des Menſchen Sohn erhöhet werden.“ 
Denket jetzt tief in eurem Herzen nach, warum wohl der 
Heiland der Welt ein ſolch Vorbild hatte, welches jenen 
Schlangen ähnlich war, von welchen die Iſraeliten gebiſſen 
wurden, und nun, wer dies Zeichen, dieſe eherne Schlange 
anſah, der blieb leben. Sehet, daß die Kinder Iſrael eine 
bittere Todt-Feindſchaft in ihrem Herzen hatten, und mit 
Wuth bis auf den Todt dieſe feurigen Schlangen verfolgten, 
wenn ſie anders eine erhaſchen konnten. Solches iſt leicht zu 
denken; aber eben ſo klar iſt es nach meiner Anſicht, daß die 
Juden zu Jeſu Zeiten, von der alten Schlange im Geiſtli— 
chen gebiſſen waren, und daran zweifelt Niemand, der den 
Juden ihr Treiben, Thun und Bosheiten nachdenkt. Sehet 
Kinder, betrachtet Jeſu eigene Worte, welche er zu den Ju— 
den, Johannis, 6. K. vom 32. V. bis zum Ende des Ka— 
pitels redete; hierbei ſehet ihr, daß die Juden zu Jeſu Zei— 
ten eben ein ſo großen Eckel hatten, am wahren himmliſchen 
Manna, wodurch die Seele zum ewigen Leben erhalten wird, 
eben ſo groß war ihr Eckel hieran, als der Eckel ihrer Vor— 
väter war, gegen dem Manna, wodurch die Leiber erhalten 
wurden. Der Biß jener feurigen Schlangen war ſo beſchaf— 
fen, daß ſolcher feurige Biß den unabwendbaren Todt verur— 
ſachte im irdiſchen Leben. Es ſcheinet, jener Biß verurſachte 
ein feuriger Schmerz im Fleiſche. Allein der Biß der alten 
Schlange oder des Satans, verurſachte bei den Juden zu 
Jeſu Zeiten eine unausſprechliche gränzenloſe Bosheit, nicht 
gegen den der ſie gebiſſen hatte, nein, dieſe hatte ſich verſteckt, 
und durch ihren Biß waren ihre Augen verblendet, ihre 


> DE 


Rache verfiel daher auf den Unſchuldigen. Sie glaubten, oder 
gaben vor, daß ſie es glaubten, daß durch die Lehre Jeſu 
das ganze Land vermehret würde. Hierauf erfolgte der Rath 
Caiphas, denn er ſprach, Johannis, 11. K. 50. V.: „ihr 
bedenket nichts, es iſt uns ja beſſer, daß ein Menſch für das 
Volk ſterbe, denn daß das ganze Volk verderbe.“ Hierbei 
ſehet ihr, daß der Biß ihre Wuth verdoppelte und ſie zur 
gränzenloſen feurigen Bosheit trieb, ſie wußten nicht was 
ſie in ihrer ſataniſchen Bosheit thaten, dies bezeuget Jeſus 
ſelbſt als er erhöhet war, und am Kreuze hing; allein, erſt 
nachgehends, als der Allmächtige aus Barmherzigkeit ihnen 
von der Verblendung des Satans die Augen der Seele, des 
Geiſtes geöffnet hatte und ſie nun erkennen konnten, daß der 
Biß des Satans ihre Seele vergiftet habe, und daß ſie nun 
des ewigen Todes ſterben müßten; warlich, dort war guter 
Rath theuer bei ihnen, fie wußten ſich weder zu rathen noch 
zu helfen, ſie wandten ſich zu den Jüngern, deren Meiſter ſie 
verfolgt hatten, den ſie in ihrer feurigen Bosheit eben ſo 
verfolgt hatten, als ob er eine feurige giftige Schlange ſei; 
ſie fragten die Jünger Jeſu: ihr Männer, liebe Brüder, 
was ſollen wir thun? Sehet, die Apoſtel wieſen ſie jetzt 
in ihrer Seelen Noth auf Jeſu ſelbſt, den ſie in ihrer feu— 
rigen verblendeten Bosheit erhöhet und gekreuziget hatten; 
ſie gaben ihnen zu erkennen, daß kein anderes Mittel ſei 
weder im Himmel noch auf Erden, um ihre Seeleu vom ewi— 
gen Tode zu befreien, noch zu erlößen, als nur den im Geiſt, 
im Glauben anzuſehen, den ſie erhöhet und gekreuziget und 
fein Blut vergoſſen hatten; er ſei das einzige Mittel, ge— 
gen den Biß der alten Schlange, durch ſein Blut allein, 
könne die Seele zum ewigen Leben erhalten werden; fie ſoll— 
ten daher nun Buße thun, ſich taufen laſſen, ſo wie Jeſus 
befohlen habe, ſie ſollten nur feſt im Geiſt im wahren Glau— 
ben auf Jeſu ſchauen, ſo würden ſie nicht des ewigen Todes 
ſterben. Sehet Kinder, hierbei ſehet ihr, daß die eherne 
Schlange, welche Moſe aufrichten mußte, ein wahres Vor— 
bild auf Jeſu Kreuzigung war, deun jeder Gebiſſene, der dit 
Schlange Moſe mit ſeinen natürlichen Augen anſah, der 
blieb leben; alſo auch, wer mit den Augen des Geiſtes, im 
Glauben und Vertrauen, auf Jeſum Chriſtum den Gekreu— 
zigten ſiehet, nach der Lehre Jeſu und der Apoſtel, der wird 


zum ewigen Leben erhalten, dieweil das Blut Jeſu das ein— 
zige ohnfehlbare Mittel iſt, durch welches die gebiſſene Seele 
von allem ſataniſchen Gift der alten Schlange wiederum 
befreiet, gereiniget, gewaſchen und zum ewigen Leben erhal— 
ten wird. Jetzt bitte ich euch aber, werthe Kinder, wendet 
die Augen des Geiſtes, jedes auf feine eigene Seele, unters 
ſuchet und prüfet, ob nicht etwa der Biß der alten Schlange 
eure Seelen vergiftet habe; denn ihr ſehet bei den Darſtel— 
lungen des Apoſtels Pauli, daß nicht nur allein bei Haß, 
Eifer, Zorn und Mord das Himmelreich abgeſchlagen iſt, 
nein, ſondern die Lüfte des Fleiſches, die Netze und Falls 
ſtricke des Satans gehen ſo zu ſagen ins Unendliche; iſt es 
nun, daß ihr, eins oder das andere ſich in den Fallſtricken 
des Satans verwickelt hat, und vom Pfad Jeſu abgetreten 
iſt, ſo bitte ich euch, betrachtet hierüber zwei Dinge: Erſtlich, 
ob es wohl möglich ſei, daß wenn ein Glied eine Todt— 
Sünde begangen hat, und wird von der Gemeinde Jeſu, 
nach Jeſu Gebot abgeſondert, ob es wohl einem ſolchen 
möglich iſt, daß er das Seelen Gift der alten Schlange zer— 
nichte, welches ſeine Seele vergiftet hat. Wenn er nur durch 
die Formen geht, welche die Gemeinde Jeſu, als die ſicht— 
bare Gemeinde gebrauchen muß, um einen gefallenen Sün— 
der wiederum aufzunehmen, ich ſage, ob er das Gift der 
Seelen durch die Formen, die er vielleicht kalt und herzlos 
durch macht, zernichten kann, ſo daß er ſich nicht betrügt, ſo 
daß er vor Gott und von Gott angenommen iſt, wenn ihn 
die Gemeinde Jeſu, die ihm keinesweges ins Herz ſchauen 
kann, ihn durch die nöthige Form aufnimmt; oder ob es 
nicht vielmehr ſo klar, und klarer als der ſonnenhelle Tag 
iſt, daß ein ſolcher, der wegen einer Todt-Sünde abgeſon— 
dert iſt, daß ein ſolcher nicht ſelbſt im Geiſt zu Jeſu gehen 
muß, ihn bitten, flehen und anhalten, daß er mit ſeinem 
Blut ihm ſeine Wunden der Seele wieder waſche und ihn 
reinige, und ihn, (dieweil er abgeſondert oder abge— 
ſchnitten war) wiederum als ein lebendiges Glied einpflan— 
zen und anheilen an dem Leibe, wo Chriſtus das Haupt iſt. 
Sehet Kinder, die alten Iſraeliten find ja der klarſte Bes 
weis, jeder Gebiſſene mußte hingehen und die eherne 
Schlange anſchauen. Sehet, was hätte es einem Gebiſſenen 
genützet, wenn er hätte ſagen wollen, ich * daß Moſes 


eine Schlange dort aufgerichtet hat, ich ſage — was hätte 
ihm ſolches Sagen und Glauben genützet, wenn er nicht ſebſt 
hingegangen wäre nach dem klaren Gebot Gottes und hätte 
die Schlange nicht angeſchaut. Sehet und betrachtet Jeſu 
eigene Worte vam verlohrenen Sohn. Sehet, was hätte es 
dem verlohrenen Sohn genützet, wenn er auch in der Er— 
kenntniß ſtand, daß er alles ſein Gut mit Huren durchge— 
bracht hatte, und hätte auch die Erkenntniß, daß er in dem 
Himmel und vor ſeinem Vater geſündiget habe, wäre aber 
nicht zurückgekommen und ein demüthiges und bußfertiges 
Bekenntniß vor ſeinem Vater gethan, wie wäre es möglich 
geweſen, daß ihn fein Vater als feinen lieben Sohn hätte be— 

üßen können, wenn er nicht zu ihm gekommen wäre? Se— 

t daher, werthe Kinder, ihr könnet durch dies, was uns in 
der heiligen Schrift ſo klar und deutlich dargeſtellt iſt, wohl 
ſehen und erkennen, daß es warlich vor Gott nicht beſtehen 
kann, wenn ein Menſch in ſolchem Falle die Formen mit 
kaltem Herzen heuchleriſch vor den Menſchen durchgeht, ohne 
Reue im Herzen, ohne Buße, ohne daß die Seele, oder der 
Menſch im Geiſte ſelbſt zu Jeſu flehet, um Gnade und Er— 
barmung; wenn ein ſolcher dies nicht thut, wie kann ein 
ſolcher ſich gegründete Hoffnung machen, daß ſeine Sache 

auch am Gerichtstage beſtehen kann? warlich ein ſolcher 
täuſcht ſich, denn Jeſus ruft ja, Matthäus 11.: „kommet 
ber zu mir Alle, die ihr mühſelig und beladen ſeid, ich will 
euch erquicken.“ Hieran ſehet ihr, daß Derjenige, welcher mit 
Sünden beladen iſt, wirklich ſelbſt zu Jeſu im Geiſte gehen 
muß, und ihn ganz im Glauben und Vertrauen als den 
wahren Sündenkilger auf Golgatha bitten und flehen, um 
die Reinwaſchung der Seele von Sünden durch ſein Blut, 
mit Reue und Demuth des Herzens von ihm begehren; wenn 
dies geſchiehet, fürwahr, ſo ſtößt Jeſus keine Seele von ſich 
binaus, iſt es aber, daß ſolches nicht geſchiehet, o wie kann 
ein ſolcher denken, daß ſeine Sachen vor Gott am Tage des 
Gerichts beſtehen, dieweil ſie nicht in Gott angefangen ſind. 
Sehet Kinder, ein heuchleriſcher Menſch kann in ſolchem 
Falle die Gemeinde täuſchen, dieweil hier Niemand einem 
andern ins Herz ſehen kann; allein der Allmächtige ſiehet in 
jedes Herz, und mit ſeinen feuerflammenden Augen durch— 
ſchauet er die tiefſten und verborgenſten Falten der Seele; 


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vor ihm kann keine Seele die Heuchelei mit Formen zudecken; 
daher prüfet euch wie und wo ihr ſtehet, denn warlich, der 
Allmächtige läßt ſich nicht ſpotten noch betrügen. Jetzt Kin— 
der, laſſet uns wieder im Geiſte zurück gehen nach den Iſra— 
eliten, welche nun unter Joſua's Führung durch den Jordan 
gingen und dann das gelobte Land einnahmen, denn ihr 
könnet hierbei ſehen und erkennen, daß Joſua ein Vorbild 
auf Jeſu war; denn er war es, durch den der Allmächtige die 
Iſraeliten hinüber brachte. Sehet aber jetzt auf den Unter— 
ſchied, zwiſchen der Einnahme des gelobten Landes, und dem 
Auszuge der Kinder Iſrael aus Egypten! ſehet, dort bei dem 
Auszug aus Egypten durften die Kinder Sfrael keine Hand 
noch Spieß aufheben um ſich ſelbſt zu helfen, denn der All— 
mächtige hatte das ganze Egypten, als Richter in ſeiner Hand; 
ſie hatten ſich nur ruhig in ihren Hütten reiſefertig zum Aus— 
zug zu halten. Allein ganz anders war es hier, Joſua war 
an Moſe Stelle getreten, der Allmächtige ſprach ihm Muth 
und Troſt zu, er wolle bei ihm ſein wie er mit Moſe war. 
Allein hier in Canaan durften ſie nicht die Hände in den 
Schoß legen, hier durften ſie ſich nicht ruhig verhalten wie 
in Egypten, hier mußten ſie alle ihre Kräfte anwenden, um 
die Cananiter zu überwinden, ſie durften kein Frieden mit ih— 
nen machen undkeine Seele leben laſſen. Joſua immer an der 
Spitze des Heeres war ihr Heerführer, muthig und dem Volk 
tröſtlich zuſprechend überwandten ſie die Cananiter; ſie hat— 
ten einen langen Streit bis alles überwunden war. Allein 
ihr Kinder, denket nur nicht als ob Gott es ihnen ganz über— 
laſſen hätte, ohne ihnen ſeinen allmächtigen Arm der Hülfe 
zu zeigen, nein, der Allmächtige wußte beſſer als die Iſrae— 
liten, daß ſie ohne ihn nichts thun konnten, er ſagte ihnen 
daher ſeine Hülfe und ſeinen Beiſtand zu; und ſeine Hülfe 
unter Joſua war auch eben ſo klar und deutlich zu ſehen, 
als bei Moſe, denn bei ihrem Durchzug durch den Jordan, 
blieb durch die Allmacht Gottes das Waſſer des Jordans, 
daß von oben herab floß „ über einem Haufen ſtehen, To 
daß die Iſraeliten wiederum trockenen Fußes hindurch konn— 
ten, als wie durch das rothe Meer. Sehet, hier war ein 
unwiderſprechlicher Beweiß, daß der Allmächtige eben ſo 
kräftig war mit Joſua als mit Moſe. Wiederum bei der 
Einnahme Jericho's fielen die Mauren der Stadt auf den 


u 


Wink und Befehl des Allerhöchſten plötzlich um, als Joſua 
und die Iſraeliten ein Feldgeſchrei machten. Ihr ſehet hier 
bei dieſer Einnahme, daß der Allmächtige den Kindern Iſ— 
rael ſeine Kraft, ſeine Allmacht, und ſeine gnädige Hülfe 
und Beiſtand augenſcheinlich zeigen wollte, damit ſie nicht 
nur allein ſehen, daß Gott allmächtig ſei, ſondern ſie ſollten 
auch hieraus erkennen lernen, daß wer ſein Vertrauen wie 
Joſua, ganz auf Gottes Gnade Hülfe und Beiſtand ſetzte, 
und getreu bleibt wie Joſua, daß dem der Allmächtige mit 
ſeiner Allmacht, und Kraft beiſteht, und Glück, Sieg und 
Segen im Streit verleihet. Auf der andern Seite ſehet ihr 
an Ai, daß der Allerhöchſte den Iſraeliten zeigen wollte, wie 
wenig Kraft ſie hätten, wenn ſie untreu waren, daß ſie we— 
der Glück, noch Sieg, noch Segen zu erwarten hätten, wenn 
ſie ſein Gebot übertreten, und der All mächtige ſeine hülf— 
reiche Hand abzöge. Sehet, nur die wenigen Bürger von Ai 
jagten, das Heer Iſrael in die Flucht, und warum? die— 
weil ein Ban unter ihnen war, dieweil einer vom Volk das 
Gebot Gottes übertreten hatte, und hatte für ſich ſelbſt ge— 
gen das klare Verbot geraubet, er wurde zum Schrecken al— 
len Uebertretern geſetzt, und mit Feuer verbrannt; das brachte, 
wie dies wohl zu erkennen iſt, Schrecken unter die Leichtſin— 
nigen, aber auch Glauben und Vertrauen, ſammt Vorſicht 
in die Getreuen und von dort an war Jederman behutſam. 
Und Joſua immer an der Spitze des Heeres, als ihr Füh— 
rer auf Gott vertrauend, und ihn anflehend, um Hülfe, 
Kraft, Beiſtand und Sieg, überwand er ein und dreißig 
Könige der Eananiter, bis das ganze Land unterjocht war. 
Allein jetzt wendet eure Blicke wieder zurück auf das geiſt— 
liche Iſrael; ſehet Jeſum Chriſtum, den Sohn Gottes in 
menſchlicher und knechts Geſtalt, von Maria geboren, die 
Eigenſchaften der Natur ſahe man an ihm, ausgenommen 
die Sünde nicht. Sehet er wurde müde vom Reiſen oder 
Gehen, er wurde zu Zeiten vom Schlaf überfallen, daß er 
ſchlief, er wurde hungrig, er wurde durſtig, gleich wie an— 
dere Menſchen. Jetzt ſehet ihn als den geiſtlichen Heerführer, 
als den geiſtlichen Joſua; ſehet wie und auf welche Art er 
ji) als ein mächtiger Streiter vor allen geiſtlichen Iſraeliten 
zeigete! Er erzeigete ſich aber keines weges im Glanzund Schmuck 
eines irdiſchen Königes, keinesweges, daß ihn eine Lewaibche 


ur ME 


umgeben, feinesweges, daß er nach einer irdiſchen Macht 
oder weltlichen Monarchie getrachtet hätte! Nein, 
ſein Reich war nicht von dieſer Welt; allein er kam in die 
Welt um die Menſchen zu ſeinem himmliſchen Reich zu be⸗ 
rufen, gleich wie Moſe die Kinder Iſrael vom Dienſt Phas 
rao berufen mußte, das Paſchalamm nach der Natur zu 
ſchlachten und jährlich zu gebrauchen, ſammt dem ganzen Ee— 
remonial-Geſetz. Das Opfern war nun am Ende; er war 
derjenige, von welchen der Herr ſchon bei Adams Fall ge— 
ſprochen hatte zum Verführer, daß er des Weibes Saamen 
erwecken wolle. Hier war er nun erſchienen, um die Werke 
des Teufels zu zerſtören, er war es, von welchem alle Prophe— 
ten geweißaget hatten, daß er kommen würde und alles zu— 
recht bringen. Er hatte die Herrlichkeiten bei feinem himm— 
liſchen Vater verlaſſen, und warum? Um das ganze menſch— 
liche Geſchlecht mit ſeinem Blut vom Fluch der ewigen Ver— 
dammniß zu befreien, aber nicht auf ſolche Art, daß alle 
Erſtgeborenen hätten des natürlichen Todes, gleichſam als 
zur Strafe und Plage ſterben müſſen. Nein, ihr werthe 
Kinder, laſſet uns Jeſu eigene Worte in dem Innern der 
Seele betrachten, welche er mit Nicodemus, dem jüdiſchen 
Geſetzlehrer redete, denn es iſt leicht zu erachten, das Nico— 
demus als ein Geſetzgelehrter warlich auch bekannt war mit 
den Verheißungen ſammt den Vorbildern, welche auf den 
Meſſias hinzielten. Von der erſten Verheißung zu Abra— 
ham, ſammt Iſages Opfer als Vorbild an, bis zum letzten der 
Propheten, nehmlich Malachias, der da weißagete und 
ſprach: „ſiehe, ich will meinen Engel ſenden, der vor mir 
her den Weg bereiten ſoll, und bald wird kommen zu ſeinem 
Tempel der Herr, und der Engel des Bundes, den ihr begeh— 
ret.“ Ich ſage, alles mußte ihm bekannt ſein, denn alle 
Iſraeliten erwarteten den Meſſias. Dieſer Nicodemus kam 
zu Jeſu, er war offenherzig in ſeiner Rede und Bekenntniß; 
er ſprach: „Meiſter, wir wiſſen, daß du biſt ein Lehrer von 
Gott gekommen, denn Niemand kann die Zeichen thun, die du 
thuſt, es fer denn Gott mit ihm.“ Sehet jetzt Kinder, die— 
weil ihn Nicodemus als einen von Gott geſandten Lehrer 
erkannte und bekannte, ſo trug auch Jeſus die von Gott ge— 
gebene Lehre ihm vor, und ſprach zu ibm: „warlich, warlich, 
ich ſage dir, es ſei denn, daß Jemand von Neuem geboren 


— DM 


werde, kann er das Reich Gottes nicht ſehen.“ Nicodemus 
hatte aber keinen Begriff hiervon, indem er glaubte, Jeſus 
rede von einer natürlichen Geburt im Alter; allein Jeſus 
erklärte es ihm nun nach der Prophezeihung des Propheten 
Ezechiel, und ſprach: „warlich, warlich, ich ſage dir, es ſei 
denn, daß Jemand gebohren werde aus dem Waſſer und Geiſt, 
ſo kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Ihr ſehet 
hier, daß die erſte Rede Jeſu und nun hier ſeine zweite, ſehr 
wenig von einander unterſchieden waren; allein wenn ihr die 
Prophezeihung des Propheten Ezechiel betrachtet, ſo ſehet ihr, 
daß die Juden vielleicht wenig oder gar keine Begriffe jemals 
von dieſen Worten des Propheten hatten, denn Jeſus redete 
ſo klar und ſo deutlich den Inhalt jener Worte, daß Jeſus 
dieweil er ſahe, daß Nicodemus ihn nicht verſtund, daß er 
ſprach: „Biſt du ein Meiſter in Iſrael und weißt das nicht?“ 

Jetzt betrachtet die Worte des Propheten Heſekiel 36. K. 
25. 26. 27. 29. V., dort ſagt der Herr: „Ich will rein 
Waſſer über euch ſprengen, daß ihr rein werdet von aller 
eurer Unreinigkeit, ich will euch ein neues Herz und einen 
neuen Geiſt in euch geben, ich will das ſteinerne Herz aus 
eurem Fleiſche wegnehmen und euch ein fleiſchernes Herz ges 
ben, ich will meinen Geiſt in euch geben, und will ſolche 
Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandlen und 
meine Rechte halten und darnach thun, ich will euch von 
aller eurer Unreinigkeit losmachen.“ Sehet jetzt Kinder, 
wenn ihr die Worte Jeſu von der neuen Geburt betrachtet, 
und betrachtet die Worte des Herrn durch den Propheten, 
denn ſcheint es mir, als ob es faſt jedem einleuchten müßte, 
daß wenn zum erſten der Allmächtige ſelbſt rein Waſſer über 
einen Unreinen gießt, bis er rein wird; wiederum: wenn 
Gott ein neues Herz und Geiſt giebt, wenn er ſelbſt das ſtei— 
nerne Herz hinweg nimmt, und giebt ihm ein fleiſchernes; 
ferner: wenn ihm der Allmächtige von ſeinem heiligen Geiſte 
giebt, und macht einen ſolchen Menſchen aus ihm, der in 
den Geboten Gottes wandelt, ich ſage, wer ſiehet denn nicht 
wirklich einen Neugeborenen? Allein eben ſo klar iſt es 
auch nach meiner Anſicht, daß Nicodemus Kopf und Herz 
mehr mit den jüdiſchen Ideen erfüllt war, von einem glän— 
zenden Meſſias, gleich Salomo, mit Macht und Ehre. Aber 
nein, dieſer geiſtliche Joſua, war jedem geiſtlichen Iſraelit 


88 


ein Vorbild der Nachfolge. Sein Reich, welches er um unſert— 
willen verlaſſen hatte, konnte er nicht anders mehr einneh— 
men, als Gehorſam zu ſeinem Vater zu zeigen und dann erſt 
wiederum nach großen und ſchweren Leiden zu ſeiner Herr— 
lichkeit eingehen. Sehet, der geiſtliche Joſua führete hier 
nun das im Geiſte aus, was dort der natürliche Joſua als 
ein Vorbild auf das Geiſtliche nach der Natur aus führen 
mußte. Sehet der Vorläufer von Jeſu, Johannis der Täu— 
fer rief und ſprach: „das Himmelreich iſt nahe herbeigekom— 
men, thut rechtſchaffene Früchte der Buße.“ Jetzt ihr wer— 
then Kinder, betrachtet was Jeſus als der geiſtliche Joſua 
über dieſen Lehrſatz Johannis ſprach! Merket, er ſagt: „von 
den Tagen Johannis des Täufers bis hieher leidet das Him— 
melreich Gewalt, (und nun fest er hinzu) und Alle, die ihm 
Gewalt anthun, reißen es zu ſich.“ Schauet Jetzt mit ei— 
nem ſchnellen Blick auf die Kinder Iſrael im Lande Canaan, 
ſehet, welche Gewalt fie den Einwohnern anthaten um fie zu 
überwinden, um ſie zu tödten, um ſie auszurotten; ſie durf— 
ten ihnen keine Gnade erzeigen, nein, denn ſie wußten aus 
des Herren Munde, daß ſie ſich von dem Herrn abwenden 
würden, ſie mußten daher alle ihre Kräfte brauchen um die 
Cananiter zu überwinden und auszurotten. Sehet, wenn 
nun Jeſus ſagt, von der Zeit Johanni des Täufers bis 
hierher, leitet das Himmelreich Gewalt, ſo iſt doch klar hi— 
naus zu ſehen und' zu erkennen, daß das geiſtliche Reich un— 
ter dem geiſtlichen Joſua, ſo wie auch der geiſtliche Streit 
mit den Einwohnern ſchon ſeinen Anfang genommen hatte; 
denn Jeſus war ja ſo wie er ſelbſt ſagt, nicht in die Welt 
gekommen, um Friede zu bringen, nein, ſondern das Schwert 
gleich wie Joſua den Cananitern das Schwert ohne Scho— 
nung brachte. 

Allein hier bitte ich euch, ihr werthe Kinder, um meine 
folgende Darſtellung in dem Innern eurer Seele zu betrach— 
ten, denn der Allmächtige, vor dem ich dieſes in ſeiner Ge— 
genwart ſchreibe, weiß, daß ich nicht in den Irthum führen 
will. Wenn daher meine Darſtellung von Jeſu Worten nicht 
überein kommt mit andern Auslegungen, ſo prüfet alles, 
aber nur bitte ich euch, behaltet das Beſte. Jetzt betrachtet 
Jeſu fernere Rede hierüber, Mathäus, 10. Kap. 35. Vers: 
„denn ich bin gekommen zu erregen den Menſchen wider ſei— 


* 


u 


nen Vater, und die Tochter wider ihre Mutter, und die 
Schnur wider ihre Schwieger, und des Menſchen Feinde 
werden ſeine eigenen Hausgenoſſen ſein.“ Jetzt ſehet Kinder, 
wenn wir Jeſum Chriſtum den Sohn Gottes, als einen na— 
türlichen Heerführer eines natürlichen Heeres, zu einem na— 
türlichen Streit betrachten wollten, ſo ließe ſich aus dieſen 
Reden Jeſu nichts anders folgen oder ſchließen, als Haß, 
Hader, Eifer, Zorn, Zank und Zwietracht zwiſchen natür— 
lichen Familien; nehmlich, der natürliche Sohn gegen ſeinen 
natürlichen Vater, und ſo ferner. Allein alle ſolche Schluß— 
folgen fallen gänzlich hinweg, wenn wir ihn als den wahren 
geiſtlichen Joſua betrachten, als den Heerführer des geiſtli— 
chen Iſraels zum geiſtlichen (nicht natürlichen) Streit, der 
ſeinem geiſtlichen Heere das Gebot gab, daß ſie ſich unterei— 
nander lieben ſollten, gleich wie er ſie geliebt hatte, der ihnen 
gebot, daß ſie einander vergeben ſollten; ja, und wenn je— 
mand unter ihnen ſieben Mal des Tages käme und ſpräche: 
„es reuet mich,“ ſo ſollte man ihm vergeben; ja ſie ſollten 
nicht nur ſich unter einander lieben, ſondern auch ihre bit— 
teren Tod-Feinde, fie ſollten nicht Böſes mit Böſem vergel— 
ten, auch nicht Scheltwort mit Scheltwort, ſie ſollten jede 
Schmach, Spott und Hohn mit Geduld und Sanftmuth er— 
tragen, alles dies ſollten ſie von ihm lernen, und ſollten 
jede Rache, gleich wie er, dem himmliſchen Vater anempfehlen. 
Sehet Kinder, wenn wir dieſe nur wenigen Anweiſungen 
Jeſu ganz allein neben obige Worte Jeſu legen wollten, ſo 
würde man hieran fchon ſehen und erkennen, daß oben ange— 
führte Worte Jeſu in einem ganz andern Sinne gefaſſet wer— 
den müſſen, ganz anders als ſie nach dem Buchſtaben ſchei— 
nen anzudeuten. Denn ihr ſelbſt ſehet und erkennet aus den 
verſchiedenen Reden Jeſu, daß viele derſelben einen geiſtlichen 
Sinn haben, wo dann der natürliche Buchſtabe oder das 
natürliche Wort, nur eine Abbildung vom Geiſtlichen iſt, als 
zum Exempel Jeſus ſagt: „ich bin die Thür,“ wiederum, 
„ich bin der Weg,“ ferner, „ich bin ein guter Hirte,“ ferner, 
„ich habe noch andere Schafe,“ ferner, als er das Abend— 
mahl mit ihnen, nehmlich ſeinen Jüngern hielt, ſprach er, in 
dem er ihnen das Brod zeigete: „das iſt mein Leib,“ ferner, 
als er ihnen den Becher mit dem Wein zeigete, ſo ſprach er: 
„das iſt mein Blut.“ 8 


— — 


Ihr ſehet hier bei dieſen wenigen Darſtellungen Jeſu, daß 
er warlich nicht wollte, daß ſie ihn für eine natürliche Thür 
halten ſollten, und eben ſo wenig für einen natürlich ge— 
machten Weg, oder Schaf-Hirten. Ihr ſehet und erkennet, 
daß er bei dem Abendmahl ſeinen Leib mit dem Brod, und 
ſein Blut mit dem Wein abbilden wollte; bei allem dieſem 
ſehet ihr, daß Jeſus hier in einem geiſtlichen Sinne redete. 
Nun betrachtet, ob wohl Jeſus dazumal wirklich in einem 
natürlichen Sinn geredet haben könne, als er ſprach: „ich 
bin gekommen zu erregen den Menſchen wider ſeinen Vater.“ 
Sehet Kinder, wenn dies wirklich der Fall war, ſo müßte ja 
nach meiner Einſicht folgen, daß Jeſus gegen ſich ſelbſt ge— 
redet hätte, denn er ſelbſt bekräftigte und befeſtigte ja das 
Gebot Gottes, welches er durch das Geſetz gegeben hatte in 
Anſehung, daß die Kinder ihre natürlichen Eltern ehren ſoll— 
ten, und ſprach, Mathäus 19. K. 17. und 19. V., zu einem, 
welcher wiſſen wollte, was er thun müſſe um das ewige Le— 
ben zu haben; Jeſus gab ihm unter anderm auch die Ant— 
wort: „willſt du zum ewigen Leben eingehen, ſo halte die 
Gebote.“ Jetzt wollte der Frager auch wiſſen welche, Jeſus 
nannte ihm verſchiedene und das Gebot Gottes, ehre Vater 
und Mutter war auch dabei. Hieran ſehet ihr und erkennet, 
daß Jeſus nach meiner Einſicht keinesweges gekommen war, 
um Streit und Zank in Familien zu ſtiften; ſolches wieder— 
ſpräche nach meiner Einſicht der ganzen Bibel, und der Lehre 
des neuen Teſtaments; daß er aber wirklich gekommen war 
den Menſchen zu erregen gegen ſeinen Vater, dies iſt eine 
gewiſſe, eine untrügliche, eine unumſtößliche Wahrheit, wel— 
che kein Menſch wiederlegen kann. 

Allein es kommt hier nur darauf an, ob wir den Sinn 
Jeſu verſtehen, und nicht ſeine Worte, die er in einem geiſt— 
lichen Sinne redet, natürlich auffaſſen und natürlich ausle— 
gen wie jene, welche da glaubten, ſie ſollten das Fleiſch Jeſu 
natürlicher Weiſe eſſen, und ſein Blut natürlicher Weiſe 
trinken. Sehet jetzt Kinder, wenn wir Jeſum Chriſtum, den 
Sohn Gottes, als den geiſtlichen Heerführer, als den geiſt— 
lichen wahren Joſua, den einzig wahren Anführer zum geiſt— 
lichen Streit betrachten, ſo thun wir warlich recht, denn er 
iſt es und ſonſt Niemand. Wenn uns nun Jeſus denjenigen 
bezeichnet und ihn im geiſtlichen Sinne einen Vater neunt, 


a 


gegen welchen wir Streiten ſollen, fo iſt nach meiner Einficht 
das Ganze ſeiner Worte erklärt, wo er ſagt: „ich bin ge— 
kommen zu erregen den Menſchen gegen ſeinen Vater.“ Se— 
het jetzt und merket mit Ernſt auf Jeſu eigene Worte, und 
hernach auf die Lehre der Apoſtel. Sehet zum erſten: Jeſus 
ſprach zu den Juden, die ſich rühmten, ſie ſeien Abrahams 
Saamen und Gott ſei ihr Vater; allein Jeſus ſprach, Jo— 
hannis 8. K. 44. V.: „ihr ſeid von dem Vater dem Teufel, 
und nach eures Vaters Luſt wollet ihr thun.“ Jetzt Kinder, 
betrachtet mit Ernſt die Lehre Johannis in ſeiner erſten Epi— 
ſtel, 3. K. 8. V. Johannis ſagt: „wer Sünde thut, der iſt 
vom Teufel, denn der Teufel ſündiget von Anfang, (merket 
jetzt) dazu iſt erſchienen der Sohn Gottes, daß er die Werke 
des Teufels zerſtöre.“ Jetzt betrachtet die Lehre des Apoſtels 
Pauli zu den Epheſern, 6. K. 11. und 12. V., dort belchs 
ret der Apoſtel die geiſtlichen Streiter Jeſu und muntert ſie 
auf zum Streit und ſpricht: „denn wir haben nicht mit 
Fleiſch und Blut zu kämpfen, ſondern mit Fürſten und Ge— 
waltigen, mit den Herren der Welt, die in der Finſterniß 
dieſer Welt herrſchen; mit den böſen Geiſtern unter dem 
Himmel,“ ja er ſagt es deutlich, daß es die liſtigen An— 
läufe des Teufels ſeien, welche ſie zu beſtehen hätten. Sehet 
jetzt Kinder, wenn nun Jeſus ſpricht: „ich bin gekommen 
zu erregen die Menſchen gegen ſeinen Vater,“ und daß Je— 
ſus wirklich in die Welt nach Johannis Anweiſung kam, um 
die Werke des Vaters, des Teufels zu zerſtören, und Paulus 
uns noch aufmuntert zum Streit gegen den Teufel, denn es 
ſei keinesweges ein Streit mit Fleiſch und Blut, ſondern mit 
Fürſten, die in der Finſterniß herrſchen, mit böſen Geiſtern, 
ſo ſehet ihr, daß Jeſus wirklich als der wahre Joſua aufge» 
treten war, um nun den Streit mit dem Satan anzufangen, 
und gleich wie der natürliche Joſua, nicht nur allein gegen 
die Könige des Landes Canaan ftritt, ſondern auch eben fo 
wohl gegen die Einwohner; denn warlich, die Einwohner 
waren es, worauf es im Streit abgeſehen war, denn die hat— 
ten ja das Land inne, welches die Iſraeliten in Beſitz neh— 
men wollten, die Könige waren nur die Beherrſcher des Lane 
des und der Einwohner. 

Allein ebenſo will auch Jeſus als der geiſtliche Joſua, 
jetzt den Menſchen erregen, zum Streit gegen ſeinen Vater, 


2 


dem er vorher gedient hatte in der Sünde. Jeſus will, daß 
der Menſch dem Satan und ſeinem Dienſt gänzlich entſagt, 
er will, daß der Menſch den Streit anfängt mit ſeinen Fein— 
den, nehmlich wie Jeſus ſagt, mit ſeinen eigenen Hausge— 
noſſen, dieſe werden beherrſcht durch den Satan, dem Vater, 
dem Teufel; dieſer beherrſcht die Lüſte und Begierden der 
Menſchen, dieſe ſind es, wo der Menſch überwinden ſoll, ſoll 
ſie kreuzigen und tödten, gleich wie die Iſraeliten das 
Reich der Cananiter gänzlich ausrotten mußten, und ihre 
Abgötter zerſtören, und ein neues Reich Gottes, nehmlich 
nach ſeinem Geſetz aufpflanzen und bilden und darnach le— 
ben. Eben ſo muß auch der geiſtliche Streiter Jeſu, die Ein— 
wohner ſeines Herzens, als Lüſte und Begierden, mit ſchmerz— 
hafter Empfindung, ohne Schonung das Schwert des Gei— 
ſtes, das Wort Gottes empfinden laſſen, und muß ſie aus— 
rotten aus ſeinem Herzen, damit das Reich Gottes vollen 
Raum und Platz im Herzen der Menſchen habe, damit ſie 
dann nach der Ueberwindung zur Ruhe eingehen, und dann 
auch als Ueberwinder von Jeſu vor Gott und ſeinen Engeln 
bekannt und gekrönet werden. Jetzt bitte ich euch ihr Kin— 
der, überſchauet die Forderungen Gottes an die Menſchen 
ſämmtlich, betrachtet jedes Gebot, eines nach dem andern, in 
dem Innern eurer Seelen, und ſehet, ob ihr ein einziges Ge— 
bot finden könnt, welches ungerecht oder unbillig wäre. 

Ich bin feſt überzeugt, daß ihr der Wahrheit gemäß ſagen 
werdet: alle Forderungen Gottes ſind gerecht, billig und 
gut. Nun frage ich euch, wenn ihr die Gebote Gottes hal— 
tet, wer hat denn einen Nutzen davon dort in der Ewigkeit? 
fürwahr, Niemand anders als ihr. Ihr ſehet, daß Jeſus 
Chriſtus ſein Leben und Blut für eure Seelen zum Opfer 
dahin gab, um euch vom Fluch der ewigen Verdammniß zu 
retten; ihr ſehet aus dem Zeugniß der heiligen Schrift, daß 
der Herr alle unſere Sünden auf Jeſu warf. Jetzt bitte ich 
euch, o ihr werthe Kinder, öffnet die Auge des Geiſtes ſammt 
euren Ohren des Herzens, merket auf die Worte des allmäch— 
tigen Gottes, auf die Worte Jeſu, der aus ewiger Liebe ſein 
Blut zum Verſöhn-Opfer brachte! Sehet, er ſandte ſeine 
Apoſtel mit der folgenden Botſchaft an die Menſchen, gleich 
wie der Apoſtel Paulus ſagt, in ſeiner zweiten Epiſtel an 
die Corinther, 5. K. 20. V.: „ſo ſind wir nun Botſchafter 


= u = 


an Chriſti ftatt, denn Gott vermahnet durch uns. So bitten 
wir nun an Chriſti ſtatt: laſſet euch verſöhnen mit Gott!“ 
O ſehet hier die unausſprechliche Liebe Gottes zu euren See— 
len; ſehet, er gab ſeinen Sohn dahin zum Löſegeld für eure 
Seelen, und nun, nachdem er dies gethan hat, ſo läßt er euch 
nun noch bitten, daß ihr die Verſöhnung für eure Seelen 
auch annehmet. O ewige unausdenkliche und unausſprech— 
liche Liebe, Gnade und Barmherzigkeit Gottes gegen ſeine 
gefallenen Geſchöpfe, die ſich vom Fall an, jeder unter uns 
mehr als Tauſend und tauſendmal als Feinde Gottes und 
als Rebellen betrugen! O ihr Kinder, bedenket es, betrachtet 
es, nehmet die Verſöhnung eilig in der Gnadenzeit an, da— 
mit euch nicht Zorn und Ungnade dort am Tage des Gerichts 
betreffe, wenn die Thür verſchloſſen und die Rückkehr zum 
ewigen Leben auf ewig verſperret iſt. Ach! ach Kinder, den— 
ket nach, ob ein ſolcher Menſch ſich die Qual der Verzweif— 
lung tauſend und tauſendfältig vermehrt, wenn er mit 
Seelen-Zittern vor dem Richterſtuhl des Allmächtigen ſte— 
het, und ſiehet die Millionen Engel um den Richterſtuhl, 
und ſiehet nun Jeſus Chriſtus den Sohn Gottes in ſeiner 
Pracht und Herrlichkeit mitten unter ihnen, und ſiehet, wie 
Jeſus bald dieſen bald jenen vor ſeinem himmliſchen Vater 
und vor ſeinen Engeln, als einen ſeinen Nachfolger bekennt, 
und blickt nun mit Angſt und Verzweiflung auf ſich ſelbſt, 
und ſiehet ſich mit tauſend und tauſendfältigen Sünden be— 
laden, mit welchen er in Angſt und Verzweiflung vor den 
Richterſtuhl und Angeſicht des Allmächtigen, vor welchem 
Himmel und Erde fliehet, und er nicht entfliehen kann, ſon— 
dern hervor muß; wenn er ſiehet, daß er keinen verſöhnten 
Gott noch Vater hat; wenn er ſiehet, daß er keinen Mittler 
noch Fürſprecher vor dem Richter der Gerechtigkeit hat; wenn 
er nun aber in feiner ſchrecklichen Seelen-Angſt eingedenkt 
wird, daß er die Botſchafter, welche durch Gottes Wille und 
Befehl ihn bitten mußten, daß er doch in den Tagen des 
Heils die Verſöhnung durch Jeſu Blut annehmen ſollte, und 
er ſich nun aber wohl bewußt iſt, daß er im irdiſchen Leben 
vielleicht hundert und hundertmal die warnende Stimme 
Gottes, die freundliche Einladung und Lockung Jeſu durch 
ſeine Wächter, durch ſeine Hirten, durch ſeine Botſchafter 
hörete, die ihn nach ihrer Pflicht und Sendung, mit ganzem 


a 


Ernſt treulich warneten mit Gottes Wort, und er aber alle 
Warnung des allmächtigen Gottes verachtet hatte, und wollte 
lieber in Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächtigem Leben 
dem Satan dienen, ich ſage — lieber für das Heil ſeiner 
unſterblichen Seele zu ſorgen; ja wenn er nun in ſeiner ewig 
unglücklichen Lage zurück an ſeine Taufe gedenkt, allwo ihm 
mit allem möglichem Ernſt unter Augen geſtellt wurde, um 
dem Teufel und allen ſeinen Werken von nun an gänzlich zu 
entſagen, und alle fleiſchlichen Lüſte und Begierden jetzt in 
der Taufe mit Jeſu Chriſto zu begraben, um von nun an in 
einem neuen Leben, gleich einem Neugeborenen zu wandeln. 
Wenn er dann ferner nachdenkt, wie er dies Gelübde vor Gott 
und Menſchen gethan, und zwar auf ſeinen Knieen, ließ ſich 
aber nachher nur mit Taufe und Abendmahl begnügen, ohne 
ſeine Lüſte und Begierden zu kreuzigen, und betrug ſich 
alſo auswendig für Menſchen nur im heuchleriſchen Schein, 
die ihm keinesweges in ſein Herz ſchauen konnten; denn in— 
dem er, oder ſie durch die Taufe als Bruder oder Schweſter 
aufgenommen wurde, ſo mußte man ihn als ein Glied der 
Gemeinde halten, wo er aber keine Gedanken noch Willen 
hatte, Jeſu Ruf und Worte, und Vorbild nach zu folgen, 
und nur den Namen haben wollte, daß er ein Chriſt ſei. 
Sehet Kinder, wenn er alles dies überdenkt und ſiehet, daß 
er jetzt eben ſo wohl könnte ſelig werden als wie jene, wenn 
er gleich wie jene, der Augenluſt widerſtanden, der Flei— 
ſchesluſt widerſtanden, und dem hochprächtigen Leben wider— 
ſtanden hätte; allein die Gnadenzeit iſt denn auf ewig ver— 
ſchwunden, und die kurze Zeit, die er in dem Willen des 
Fleiſches zubrachte und wann es auch 70 oder 80 Jahre wa— 
ren, iſt warlich nicht mehr als ein Nebel oder Dampf, welcher 
ſchnell und augenblicklich vergehet, und als gar nichts zu 
rechnen, gegen der endloſen und unaufhörlichen Ewigkeit, in 
welcher der Menſch, der nach dem Willen des Fleiſches lebte, 
denn dort zu ewigen Ewigkeiten, die Saat als ewige Pein 
zu fühlen hat, welche er im irdiſchen Leben nur auf ſein 
Fleiſch geſäet hat. 

Allein noch jetzt, ihr werthe Kinder, ſtehet ihr auf dieſer 
Seite des Grabes, noch jetzt lebet ihr in den Tagen des Heils, 
noch jetzt kann es euch etwas Unausſprechliches nützen, wenn 
ihr das Gebot des Apoſtels Pauli befolget, wo er ſpricht: 


—_ in 


„Ein Jeglicher prüfe ſein Selbſt⸗Werk.“ Sehet, dies war 
im Anfang dieſes Schreibens mein Beſtreben, um euch da— 
hin zu führen, daß ihr euch prüfet, ob ihr das Gebot Got— 
tes auch in der Furcht Gottes belebet, welches er im alten 
Geſetz verfaßt und im Neuen Teſtament befeſtiget hat, nehm— 
lich: „ehre Vater und Mutter, auf daß du lange lebeſt im 
Lande, das dir der Herr dein Gott gibt.“ Denn ihr ſelbſt 
ziehet Kinder auf, und ihr habt nach eurer ſchuldigen Liebe 
und Pflicht eure Kinder das Nehmliche zu belehren, was ich 
euch belehre. Eitele Ehre ſuchte ich nie von euch, auch iſt 
ſolche keinesweges die Ehre, von welcher der Herr redet und 
den Kindern gebietet. Daher prüfet euch ſelbſt und habet Acht 
auf eure Kinder, denn ihr wiſſet nach der Lehre des Heilan— 
des und der Apoſtel, daß der wahre Nachfolger Jeſu mehr 
Kennzeichen, als Taufe, Abendmahl und Fußwaſchen haben 
muß, wenn er anders Jeſu Chriſto angehören und ihm nach— 
folgen will, und das himmlische Canaan jenſeits des Grabes 
mit Chriſto Jeſu, als dem geiſtlichen wahren Joſua erben 
will. Ich will euch daher etliche Punkte anzeigen, wobei 
ihr ſehen und erkennen könnt, daß Jeſus uns ſolche Exem— 
pel als Warnungen durch die Evangeliſten aufzeichnen ließ, 
damit wir uns nicht nur allein mit den Formen, als Taufe, 
Abendmahl und Fußwaſchen, welche Jeſus ſelbſt eingeſetzt 
hat, begnügen laſſen, ſondern daß wir ihm ſollen in allen 
Stücken nachfolgen ſo wie er uns vorgewandelt hat. Sehet 
zum erſten von der Taufe: Dazumal, als Johannes den 
Befehl empfangen hatte von Gott, daß er taufen ſollte, ſo 
kamen auch viele Phariſäer und Saducäer, und wollten, ſo 
wie es aus Johanni Worten klar zu erkennen iſt, durch die 
Form der Taufe dem Zorn Gottes am Gerichtstage entrin— 
nen. Sie kamen alſo zu Johanni ohne Reue über ihre Sün— 
den, und ohne Buße, und hatten auch keinen Willen noch 
Vorſatz im Herzen gefaßt, um von Sünden abzulaſſen und 
ſich zu beſſern; nein, denn es iſt klar zu erkennen, dat fie 
nur wollten durch die Waſſertaufe gereinigt werden von Sün⸗ 

den, aber dennoch nach der Taufe in Sünden leben wie zu— 
vor. Blicket mit Ernſt auf die Geſchichte der Apoſtel, 8. K. 
13. und 20. V., dort ſehet ihr, daß Simon, ein Zauberer, 
auch gläubig ward und ließ ſich taufen. Aber merket! daß 
Gläubigwerden Simons konnte ihm wenn wenig etwas 


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nützen, als das Bekenntniß dem Nicodemus etwas nützen 
konnte. Denn dieſer Simon war nicht Neugeboren, und den- 
noch konnten die Jünger Jeſu nicht anders handeln, nach 
dem Gebot ihres Meiſters, als die Gläubigen zu taufen. 
Allein er (nehmlich Simon) gab in der Folge zu erkennen, 
daß fein Herz nicht rechtſchaffen vor Gott war, obſchon er 
getauft war, denn er wollte Gottes Gabe durch Geld er— 
langen, daher auch Petrus zu ihm ſprach: „daß du ver— 
dammet werdeſt mit deinem Gelde, daß du meineſt, Gottes 
Gabe werde durch Geld erlangt, darum thue Buße für 
deine Bosheit.“ 

Blicket jetzt hin, auf das Abendmahl! Ihr wiſſet, ſehet 
und erkennet, daß Judas der Verräther ſelbſt das Abend— 
mahl mit hielt. Jeſus wußte ſeine Verrätherei; er wußte 
wohl, was im Menſchen war; allein die Jünger Jeſu wuß— 
ten nicht, und ahneten auch nicht, daß das Herz Judas mit 
Bosheit, Tück und Verrätherei gegen Jeſu erfüllet war. 
Jetzt thut einen ſcharfen Blick auf das Fußwaſchen, allwo 
Jeſus ſeinen Jüngern die Füße gewaſchen hatte, ſo ſprach 
Jeſus: „ihr ſeid nicht alle rein!“ denn er wußte ſeinen 
Verräther wohl. Ihr ſehet hierbei Kinder, daß Judas durch 
das natürliche Fußwaſchen dennoch keinesweges an der Seele 
gereiniget wurde, obſchon ſo wie es ſcheint, auch dem Judas 
ſeine Füße gewaſchen waren; denn ſo wie es ſcheint, fo tau— 
chete Jeſus erſt nach dem Fußwaſchen den Biſſen ein und 
gab ihn dem Judas. 

Aus dieſen verſchiedenen angeführten Punkten könnet ihr 
erkennen, daß Heuchler ſich durch Formen in die Gemeinde 
einſchleichen können, und auch oft von Menſchen als Brüder 
gehalten werden. Allein ihr ſehet aber auch, daß dem Auge 
des Allmächtigen jede Heuchelei entdeckt iſt, und der Heuch— 
ler ſich nicht verbergen noch bedecken kann mit einem Schein. 
Daher ſeid behutſam, ſeid vorſichtig, damit ihr die Tage des 
Heils nicht unnütz verſchwendet, denn ihr könnet ja keines— 
weges wiſſen, wann ihr fort müßt aus der Welt. Daher ſie— 
bet nach und prüfet euch ſelbſt, ob ihr die wahren Kennzei— 
chen an euch habt, welche auch vor Gott beſtehen, dieweil 
ſie von Jeſus und den Apoſteln deutlich dargeſtellt werden. 
Sehet, das Kennzeichen, welches Jeſus ſelbſt einſetzte, iſt 
Liebe; allein merket wohl, die Liebe, wovon Jeſus ſagt, muß 


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gewißlich fo beſchaffen fein, fo wie er fie uns anbefiehlt, denn 
es iſt keine Kunſt einen Menſchen zu lieben, der uns nicht 
beleidiget hat; daher redete Jeſus auch deutlich, und wies 
uns an, wen wir lieben ſollen, und wie wir lieben ſollen, 
denn er ſpricht, Mathäus 5. K. 44. V.: „Ich aber ſage 
euch, liebet eure Feinde, ſegnet die euch fluchen, thut wohl 
denen die euch haſſen, bittet für die ſo euch beleidigen und 
verfolgen, auf daß ihr Kinder ſeid eures Vaters im Him— 
mel.“ Jetzt Kinder bitte ich euch, betrachtet Jeſu Worte 
im tiefſten Grunde der Seele! Sehet, Jeſus wußte wohl, 
daß er es nicht ſonderlich anzuempfehlen nöthig hatte, daß 
ein Freund den andern lieben ſollte oder auch ein Bruder 
(im Geiſtlichen oder im Natürlichen) den andern lieben 
ſollte, denn er wußte, daß ſolches von Zöllnern und ſünd— 
haften Menſchen auch geſchiehet. Allein betrachtet hier zum 
erſten, im tiefſten Grunde eurer Seelen, ob ihr wirklich eine 
unbegränzte herzliche, brüderliche Liebe und Zutrauen zu 
euren geiſtlichen Brüdern habt, ob ihr ihre Geſellſchaft aus 
herzlicher Liebe ſuchet, um aus chriſtlicher Liebe auch Um— 
gang mit ihnen zu haben, oder ob ihr lieber Geſellſchaft und 
Umgang ſuchet bei denen und mit denen, welche ihr nicht 
Brüder nennet! Sehet Kinder, hier an dieſer Stelle, wo 
Jeſus das Gebot gab, der Liebe zu den Feinden, ſo erkennet 
ihr ja, daß die rechte Stelle iſt, um ſich im tiefften Grunde 
der Seele zu prüfen, ob ihr die wahre herzliche, chriſtliche 
und brüderliche Liebe zu euren geiſtlichen Brüdern habt. Da— 
her denket tief über dies Folgende nach! Sehet, wenn ihr keine 
herzliche, keine brüderliche Liebe zu denen habt, die ihr geiſt— 
liche Brüder nennt, wie wird es dann erſt in eurem Herzen 
ausſehen, wegen der wahren chriſtlichen Liebe zu euren wirk— 
lichen Feinden? Sehet, hier iſt die Stelle, allwo ihr euch 
bei dem hellen Lichte der Wahrheit prüfen und erkennen 
könnet, ob ihr warlich auch Nochfolger Jeſu und Kinder 
Gottes ſeid, oder ob ihr Heuchler und kalte todte Glieder 
an dem Leibe ſeid, wo Chriſtus das Haupt iſt. Sehet hie— 
rüber Jeſu eigene Worte, die er zu ſeinen Nachfolgern redet, 
Johannis, 13. K. 34. und 35. V., dort gebietet er und 
ſpricht: „ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter— 
einander liebet, wie ich euch geliebt habe, denn dabei wird 
Jedermann erkennen, daß ihr meine rechten Jüngern ſeid, 


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ſo ihr Liebe untereinander habt.“ Hier, bei dieſen Worten 
Jeſu könnet ihr klar und deutlich ſehen, daß wenn ein 
Menſch nach dem Befehl Jeſu getauft iſt, und daß er das 
Gebot der Liebe in allen Theilen beobachtet und hält, daß 
er dann auch ein wahrer Nachfolger und Jünger Jeſu. iſt. 
Allein iſt es nicht eben ſo klar und eben ſo deutlich, daß Der— 
jenige, welcher die Geſellſchaft ſeiner geiſtlichen Brüder nicht 
ſucht, ſondern ihnen ausweicht und aus dem Wege geht, 
oder ſchämt ſich ihrer bei der Welt, und ſucht lieber Umgang 
und Geſellſchaft mit ſolchen Perſonen zu haben, welche im 
eitlen Hochpracht der Welt nur ihren Körper zieren, und 
dann auch noch den Rath Gottes verachten, und laſſen ſich 
nicht taufen. Ich ſage, wenn ein Solcher, der einmal ge— 
tauft iſt und ſucht lieber Umgang mit ſolchen Perſonen zu 
machen, welche den Rath Gottes verwerfen, ſo erkennet ihr 
ſelbſt im hellen Licht der Wahrheit, das einen Solchen das 
Netz der Weltluſt verwickelt hat, indem ihnen die Liebe zu 
ihren geiſtlichen Brüdern fehlt. Kinder ich bitte euch, prü— 
fet euch, und zugleich auch meine Worte mit der heiligen 
Schrift! denn, daß dort warlich kein Chriſtenthum iſt, wo 
die Liebe fehlt, bezeuget der Apoſtel Paulus in ſeiner erſten 
Epiſtel an die Corinther, 13. K., leſet das ganze Kapitel 
mit Aufmerkſamkeit; denn aus feinen Worten ſehet ihr, daß 
wenn auch ein Menſch mit Menſchen und mit Engel Zungen 
"redet, und wenn er auch den wahren Glauben hat und be— 
kennt, daß aber dennoch, wenn ihm die Liebe fehlt, ihm ſol— 
ches alles nichts nützt, 58 iſt ſo wie Paulus ſagt: eine 
klingende Schelle, nehmlich todt und ohne Leben. Sehet 
und betrachtet was Jeſus zu der Gemeinde zu Epheſus ſprach, 
Offenbarung Johannis 2. H. 4% B. „aber ich habe wider 
dich, das du die erſte Liebe verläſſeſt, gedenke wovon du ge— 
fallen biſt, und thue Buße, wo nicht, ſo werde ich dir bald 
kommen und deinen Leuchter wegſtoßen.“ Jetzt betrachtet 
die Worte des Heilandes und der Apoſtel, beſehet das ganze 
Neue Teſtament mit dem Inhalt, ſehet auf Jeſu Schaar 
der Jünger! Jeſus gab ihnen das Gebot der Liebe, und ſie 
waren auch alle folgſam, ausgenommen Judas der Verrä— 
ther. O Kinder nehmet ein warnendes Exempel an dieſem 
Judas, welcher nur heuchleriſcher Weiſe mit der Schaar 
ging, aber dennoch war ſein Herz nur 11 8 Welt. Sehet 


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ferner wie der Apoſtel Paulus es dem Timotheum in ferner 
zweiten Epiſtel, 4. K. 10. V. erzählt, daß Demas ihn ver— 
laſſen habe (und merket!) die Welt Tiebgewonnen. Sehet 
ferner ſeine Vermahnung zu den Hebräern, 10. K. 25. V., 
dort vermahnt er und ſpricht: „laſſet uns nicht verlaſſen 
unſere Verſammlungen, wie Etliche eine Weiſe haben. 

Sehet Kinder, bei dieſen angeführten Schriftſtellen, wel— 
che zur Warnung aufbewahrt ſind, könnet ihr verſchiedene 
Betrachtungen zu eurem Nutzen anſtellen; denn ihr ſehet, 
daß dem Judas ſeine Heuchelei, um mit der Schaar der 
Jünger zu gehen, nichts half, es war kein Beweis des Chri— 
ſtenthums, da die Liebe fehlte; ſein Herz hing an der Welt. 
Wiederum ſehet ihr, daß Demas (ſo eifrig er auch im An— 
fang mag geweſen ſein) dennoch nicht treulich aushielt bis 
ans Ende, denn er verließ den Apoſtel Paulus, und hatte 
alſo die Welt lieber als das wahre vor Gott geltende Chri— 
ſtenthum. Ferner, ihr ſehet durch Pauli Worte, daß da— 
zumal Etliche, welche gläubig waren, und Brüder und ge— 
tauft waren, daß ſie aber dennoch die Verſammlung verlie— 
ließen, und was war wohl die Urſache hiervon? Es konnten 
hierzu nach meiner Anſicht zween Fälle möglich ſein, allwo 
aber in jedem Falle die Liebe fehlte. Erſtlich: ſie konnten 
vielleicht die Verſammlungen ihrer Brüder verlaſſen, dieweil 
ihre Brüder die Lehre nicht in hochtönenden Worten der 
weltlichen Weisheit das Evangelium predigten, und ſie ſich 
alſo vielleicht ihrer ſchämen mochten. Wenn dies wirklich 
der Fall war, nun, ſo verachteten ſie ja nicht nur allein die 
Apoſtel, denn Jeſus ſagt: „wer euch verachtet, der verach— 
tet mich, und wer mich verachtet, der verachtet den, der mich 
geſandt hat.“ Zum andern: wenn es war, daß ihre Brü— 
der ſich von der Welt abgeſondert hatten, in Anſehung der 
Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächtigem Leben, und ſie 
aber im Herzen ein Verlangen hatten, ſich der Welt gleich zu 
ſtellen, der fie doch abgeſaget hatten; ich ſage, wenn dies die 
Urſache war, fürwahr, ſo gaben ſie zu erkennen, daß das 
Heil ihrer Seele ihnen gleichgültig war. Daher bitte ich 
euch jetzt, o ihr werthe Kinder, betrachtet Jeſu eigene Worte, 
wo er ſagt: „Es kann Niemand zween Herrn dienen, er 
wird einen verlaſſen und dem andern en oder auch ei⸗ 
nen lieben und den andern verachten.“ 


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Sehet jetzt, wenn Jeſus Chriftus, der Sohn Gottes, als 
der geiſtliche Joſua nun in die Welt gekommen iſt, daß er 
die Werke des Teufels zerſtören will, ſo iſt es klar, daß wenn 
ihr dereinſt am Gerichtstage von Jeſu wollt angenommen 
und zu ſeiner rechten Hand geſtellt werden, daß ihr dann hier 
in der irdiſchen Welt euch als wahre Streiter Jeſu müſſet 
gezeigt haben. Denn wie iſt es möglich, daß Jemand kann 
ein Ueberwinder ſein, es ſei denn, daß er auch überwunden 
hat? Dieweil nun der Satan mit ſeinen Werken muß über— 
wunden werden, damit das Reich Gottes Platz in eurem 
Herzen haben kann, ſo könnet ihr dies Ueberwinden auf keine 
andere Art thun, als wenn ihr gegen die Lüſte und Begier— 
den eures Fleiſches ſtreitet, und laſſet eurer Augenluſt nicht 
den Willen, wenn ihr ſehet, daß die Luſt euch zur Sünde 
führen will; und auch eben ſo mit den Lüſten des Fleiſches. 
Was den Hochpracht der Welt angehet, ſo wiſſet ihr ja, daß 
er nicht von Gott kommt. Wie iſt es daher möglich, daß 
ein Menſch zugleich Gott und der Welt dienen könne? Ihr 
ſelbſt müſſet geſtehen, daß ſolches nicht möglich iſt. 

Sehet daher in das Innere eurer Seele und betrachtet, 
wohin eure ſtärkſte Neigung iſt, ob ihr Gott dienen wollt, 
oder der Welt und dem Satan; denn es iſt unwiterſprech⸗ 
lich, daß derjenige, welcher nach dem Willen ſeines Fleiſches 
lebt, daß ein ſolcher auch dem Satan dient. Sehet daher, 
ihr werthe Kinder! wer Jeſu dienen will, muß aber auch 
ſein Kreuz auf ſich nehmen und ihm nachfolgen. Wenn ihr 
Jeſus liebet, ſo könnet ihr keinen andern Beweis geben, als 
daß ihr ſeine Gebote haltet; und wenn ihr die Gebote Jeſu 
haltet, ſo liebet ihr eure geiſtlichen Brüder, gleich wie Jeſus 
uns und euch geliebet hat; und dieſe wahre Liebe gegen Gott 
treibt euch dann auch euren böſen Lüſten und Begierden zu 
widerſtehen, denn der Apoſtel Paulus ſagt zu den Gallatern: 
5. K. 24. V., „welche aber Chriſto angehören, die krenzigen 
ihr Fleiſch ſammt den Lüſten und Begierden.“ Hier, liebe 
Kinder, ſehet ihr, daß derjenige warlich kein Nachfolger Jeſu 
fein kann, der feine Lüften und Begierden nicht kreuzigt. 
Dieſe Lüften und Begierden müßt ihr in euch überwinden, 
gleich wie die Kinder Iſrael die Cananiter überwanden, 
wenn ihr das Himmelreich zu euch reißen wollt, um hernach 
die ewige ſelige Ruh im Paradies bei Jeſu zu erlangen. 


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Sehet jetzt Kinder, thut einen ſcharfen Ueberblick auf die 
Gebote Jeſu, nehmlich zu überwinden unſere böſen Lüſte und 
Begierden und zu kreuzigen, ihnen keinen Willen laſſen. 
Sehet bei den Iſraeliten galt es bei der Einnahme Canaans 
Leben oder Todt. Alſo auch hier, nur mit dem großen Uns 
terſchied: der Iſraelit, der in den Kriegen Cangans fiel, 
ſtarb nur des natürlichen Todes, allein hier im geiſtlichen 
Streit unter Joſua als unſerm Vorgänger und Führer, 
dem wahren geiſtlichen Joſua; wer hier vor ſeinem Fleiſche 
weicht, ſo daß das Fleiſch ihn beherrſcht, daß er nach dem 
Willen ſeines Fleiſches lebt, und ergiebt ſich, warlich ſolcher 
muß auch von ſeinem Fleiſch dort an jenem Tage das ewige 
Verderben ernten. 

Sehet jetzt zu, was ihr für eure Seelen wählt, denn es 
gehet jetzt in dieſem geiſtlichen Streit entweder auf ewiges 
Leben, oder auf ewigen Tod und Verdammniß. 

Sehet jetzt zu, daß ihr euch nicht weigert, weil er redet 
und noch aus ewiger Liebe zum Ueberwinden vermahnt, ja 
noch die allergrößten und theuerſten Verheißungen hinzu 
ſetzt, wenn ihr überwendet. Denn weil jene Iſraeliten nicht 
entflohen ſind, welche der Stimme des Allmächtigen nicht ge— 
horchen wollten, als er vom Himmel herab mit ihnen redete, 
wie wollen wir entfliehen, weil er ſelbſt auf der Erden re— 
dete? Denn jene Iſraeliten, dieweil fie nicht hören wollten, 
ſondern halsſtarrig, eigenſinnig, hartnäckig, ſtörig und un— 
gläubig blieben, fo konnten fie das Land Canaan nicht er— 
erben, ſondern mußten in der Wüſte ſterben. Daher denket 
jenen ſchrecklichen Fall der Iſraeliten nach; denn ihr Fall iſt 
ja den geiſtlichen Iſraeliten zum Spiegel der Warnung ge— 
ſtellt. Sehet und betrachtet! Die Iſraeliten waren durch 
das Paſcha-Blut dem Würge-Engel entgangen; ſie gingen 
durch daß rothe Meer, und wurden in der Wüſte mit dem 
Himmelbrod, dem Manna erhalten; allein bei allem dem 
blieben ſie, die ſechsmal Hundert Tauſend halsſtarrig, eigen— 
ſinnig, hartnäckig, ſtörig und ungläubig. Daher auch, wie 
Apoſtel ſagt, an ihrer Viele, Gott keinen Wohlgefallen hatte, 
und mußten in der Wüſte ſterben. Jetzt denket nach! Was 
half es ihnen nun, daß ſie durch die Güte Gottes vor dem 
Würge⸗Engel durch das Paſcha-Blut waren verſchont geblie- 
ben? Was half es ihnen, daß ſie durch die allmächtige Hand 


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Gottes vom Dienft Pharao errettet, durch's rothe Meer ge— 
führt und in der Wüſte mit dem Manna waren geſpeißt 
worden? Ihr ſelbſt ſehet, daß nichts anders zum Grunde 
lag, daß ſie nicht konnten in das gelobte Land kommen, als 
ihre Bosheit, ihre Halsſtarrigkeit und Unglaube. Daher 
auch, dieweil ſie ungläubig verblieben, der Allmächtige einen 
Schwur im Zorne that, daß ſie zu ſeiner Ruh nicht kom— 
men ſollten. 

Wendet jetzt dies, o ihr theure und werthe Kinder, auf 
euch an! denn zu dieſem Zwecke iſt es in der heiligen Schrift 
aufgeſchrieben, damit die geiſtlichen Sfraeliten ein Exempel 
der Warnung an ihrem Falle nehmen ſollten. Sehet Kin— 
der, ihr ſeid durch die Lehre der göttlichen Predigt von Jeſu 
zum Glauben gelangt, daß er Gottes Sohn ſei, daß er der 
Erlößer der Welt ſei und daß ihr nur durch ſein Blut ge— 
reinigt werden könnt, und ihr nur durch ihn das ewige Le— 
ben erhalten könnt. Ihr habt um die Taufe angehalten, 
auf daß ihr durch Jeſu Blut gereiniget würdet. Die Taufe 
wurde auf Jeſu Befehl an euch vollzogen. Jeſus reinigte 
euch durch das Waſſerbad im Wort. Ihr boget eure Kniee 
vor Gott und vor der Gemeinde, ihr thatet ein feierlich Ge— 
lübde und Verſprechen zu Jeſu als dem Erlößer eurer See— 
len, daß ihr nicht nur wollet der Welt, dem Teufel ſammt 
ſeinen Werken abſagen, ſondern auch in einem neuen Leben 
den Pfad Jeſu wandeln und ihm nachfolgen bis zum Ende 
eures Lebens. Denn ſehet, ihr wurdet durch die Taufe 
im Glauben auf Jeſu Blut von dem Würge-Engel der er— 
ſten Geburt bewacht, ihr hattet nachgehends das heilige 
Abendmahl zum Andenken deſſen, was Jeſus auf Golgatha 
aus ewiger Liebe für euere Seelen gethan hatte, gleich wie 
die Kinder Iſrael das Paſcha jährlich hielten zum Andenken 
deſſen, was Gott in Egypten für ſie gethan hatte. Jetzt 
bitte ich euch, ihr werthe Kinder, unterſuchet euch, betrachtet 
euch, prüfet euren Lebenswandel, ob ihr auf der nehmlichen 
Stufe ſtehet wie . Iſraeliten, von welchen der Apoſtel 
ſagt: „aber an ihrer Viele hatte Gott keinen Wohlgefallen,“ 
oder ob ihr mit Joſua und Caleb nicht nur allein im Glau— 
ben an Gott, ſondern auch treulich auf Jeſu Pfad wandeltet, 
und kreuziget euer Fleiſch ſammt den Lüſten und Begierden! 
Dann ſehet, dies iſt die Stelle der Prüfung, wo Paulus 


ſagt: „Alle die da Chriſto angehören, die kreuzigen ihr 
Fleiſch ſammt den Lüſten und Begierden.“ 

Jetzt Kindern bitte ich euch, daß wenn ihr euch genau 
nach dem Lebenswandel Jeſu geprüft habt, und daß ihr euch 
noch ferner von der Bahn Jeſu befindet, dann betrachtet: 
wenn ihr ſo fort wandelt, wenn ihr in Augenluſt, in Flei— 
ſchesluſt und hochprächtigem Leben dahin wandelt, wenn ihr 
lieber bei der Welt im Anſehen ſtehen wollt, als bei Gott, 
ob es dann wohl möglich ſei, daß euch Jeſus einſt am Ge— 
richtstage als Brüder und Schweſtern bekennen und euch 
als Ueberwinder krönen wird! Sehet, ich bitte euch recht 
herzlich, betrachtet dies im Innern enrer Seelen! Sehet, 
wenn ihr ſolches nach der Schrift, als der untrüglichen 
Wahrheit prüfet, dann ſehet und erkennet ihr, welch ein 
ſchreckliches Urtheil euch dort am Tage des Gerichts bevor— 
ſtehet, es ſei dann, daß ihr in ſchneller Eile noch jetzt in den 
Tagen des Heils eine Umkehr machet, indem ihr ja nicht 
wiſſen könnet, ob euch der Herr des Hauſes in euren jungen 
Tagen, in der Blüthe, in den beſten Jahren kommt, um 
euch vielleicht ſchnell und unverhofft aus dieſer Zeit in die 
Ewigkeit zu fordern, oder ob er euch erſt im hohen Alter ab— 
rufen wird. Denn ihr ſelbſt wiſſet, daß Demjenigen, der 
einmal ausgegangen iſt, und ein Gelübde gethan hat, daß 
einem ſolchen auch von Jeſu ſelbſt zugerufen wird: „gedenke 
an Lots Weib!“ Sehet Kinder, Lots Weib war auch aus— 
gegangen, ſie hatte auch Alles verlaſſen; allein ihr Herz, 
hing dennoch an den Dingen, an eitlen Freunden, die ſie 
verlaſſen hatte; ſie ſahe ſich daher noch einmal um, nach 
ihnen, und ward zum Schrecken aller andern zur Salz— 
Säule. Sehet Kinder, daß dies durch die Hand des Aller— 
höchſten geſchahe, um nachgehends beides den natürlichen, 
und vornehmlich den geiſtlichen Iſraeliten ein Exempel der 
Warnung darzuſtellen, dies iſt aus Jeſu Worten klar zu 
erſehen. Sehet, welch ein ſchreckliches Urtheil diejenigen 
Iſraeliten betraf, welche aus Egypten ausgezogen waren, 
und nachgehends, als ſie erfuhren, daß ſie ſollten die ſtarken 
Cananiter mit Gewald überwinden, ſo wurden ſie unwillig 
und träg, und wandten ſich mit ihrem Herzen wieder nach 
Egypten. Und gleichwie Lots Weib, nachdem fie zur Salz— 
Säule geworden war, nicht mehr nach dem verlaſſenen So— 


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dom gelangen konnte, und auch eben fo wenig ihre Seele 
durch ein Eilen mehr erretten, eben ſo wenig konnten jene 
Iſraeliten weder nach Egypten kommen, eben ſo wenig als 
das Land Canaan ererben. Jetzt ſehet auf das Geiſtliche! 
Sehet, gleichwie Lots Weib nach ihrem Ausgang, als ſie 
ſich mit ihrem Herzen und Geſicht umwandte, und ihr Herz 
noch an dem hing, welches ſie verlaſſen hatte, ſo ward ſie 
durch ſolches Umſehen zur Salz-Säule, nehmlich ohne Leben 
und ohne Bewegung; ſie ward verſteinert. Und nun im 
Geiſtlichen: Blicket mit dem Auge des Geiſtes zurück auf 
euren Ausgang, als ihr getauft wurdet! Seid ihr gleich Lot 
voran gegangen, ohne euch umzuſehen ſeid ihr Jeſu auf dem 
engen und ſchmalen Wege nachgefolget? Habt ihr Sanftmuth 
und Demuth des Herzens von Jeſu gelernt, ſo daß ihr die 
Ruhe der Seele auch wirklich findet am Ende eurer Reiſe? 
oder habt ihr gleich Lots Weib euch nach eurer Taufe wiede— 
rum nach der Welt, und nach den Dingen, denen ihr abge— 
ſaget habt, mit ſtarker Sehnſucht und Verlangen umgeſehen, 
mit Sehnſucht und Verlangen ihrer begehrt? wo aber nur die 
Furcht vor euren Brüdern und Schweſtern, — nicht die 
Furcht vor Gott, nein nur Menſchenfurcht vielleicht zurück 
hielt, euch nicht ganz der Welt gleich zu ſtellen, wo ihr dann 
in ſolchem Zuſtande zwar von außen nach, gleich wie Lots 
Weib in menſchlicher Geſtalt, und im Geiſtlichen gleich Brü— 
der und Schweſtern vor den Augen anderer erſcheinen könnt, 
allwo aber in ſolchem Zuſtande kein Leben aus Gott und 
keine Bewegungen des Geiſtes mehr da ſind, ſondern ſtehen 
gleich verſteinerten Salz-Säulen noch auf der nehmlichen 
Stelle des Ausgangs. 

Sehet Kinder, Jeſus wies daher aus ewiger Liebe auf 
das ſchreckliche Exempel von Lots Weib; und ich thue hie— 
rinnen meine väterliche Pflicht, wenn ich euch vermahne, daß 
ihr euch prüfen ſollt und an Lots Weib gedenken. Denn 
ewiges Leben und ewiger Tod liegt vor euch zur Wahl; ihr 
könnt fuͤr euch wählen was ihr wollt. Allein der Allmäch— 
tige hat ja kein Gefallen am Todte des Sünders, ſondern 
er will, daß der Sünder ſich bekehre und lebe. Ja, ruft 
nicht Jeſus der Sohn Gottes durch den Apoſtel, und bittet 
alle Menſchen, daß ſie die Verſöhnung durch ſein Blut nun 
auch annehmen ſollen. Und dieweil ihr daher die Verſöhnung 


annahmet durch der Taufe, fo wiſſet ihr ja, daß auch bet 
euch ein neuer Lebenswandel folgen mußte, eine Kreuzigung 
euret Begierden und Lüſten. Allein, o ihr werthe Kinder, 
wenn nun von euch kein Widerſtand gegen eure boͤſen Lüfte 
und Begierden gethan wurde! denket nach, der Apoſtel ſagt, 
daß Diejenigen, welche das Fleiſch füen und nach dem Wil— 
len des Fleiſches leben, daß die auch von ihrem Fleiſch das 
ewige Verderben ernden werden. 

Jetzt ſtellet euch das jüngſte Gericht vor, wo die, welche 
nach dem Willen ihres Fleiſches in Augenluſt, Fleiſchesluſt 
und hochprächtigem Leben in Eitelkeit dahin wandelten, wie ſie 
jetzt von ihrem eitlen fleiſchlichen Leben nun am Gericht das 
ewige Verderben ernden, allwo ſie nicht nur allein zur linken 
Hand ſtehen müſſen, ſondern dann auch nach ausgeſproche— 
nem Urtheil das ewige Verderben fühlen müſſen als eine 
ewige Ernde der Qual und Pein ohne aufhören, wo hinge— 
gen auf der andern Seite diejenigen, welche getauft waren 
und dann auch ihr Fleiſch ſammt den Lüſten und Begierden 
kreuzigten, nun als Angehörige Chriſti betrachtet und ange— 
nommen und vor Gott und Engeln bekannt werden. Sehet 
hier den großen Unterſchied! Hier ewiges Leben, ewige 
Freude, ewige Herrlichkeit ohne aufhören, und dort ewige 
Qual, ewige Verſtoßung, ewiges Leid, ewige Traurigkeit, 
ewige Schmerzen, wo der Wurm nicht ſtirbt und das Feuer 
nicht verlöſcht, wo der Rauch der Qual aufſteiget von Ewig— 
keit zu Ewigkeit. Jetzt bitte ich euch ihr lieben Kinder, daß 
wenn ihr beide Seiten im tiefſten Grunde eurer Seele be— 
trachtet habt, wann ihr ſehet und erkennet bei dem hellen 
Lichte der Wahrheit, daß Niemand das Reich Gottes ſehen 
kann, er ſei denn Neugeboren; wann ihr wiederum ſehet, 
daß nur Diejenigen Chriſto angehören, die ihr Fleiſch ſammt 
den Lüſten und Begierden kreuzigen, und ihr doch ſehet, 
daß ihr dereinſt hervor müſſet und Rechenſchaft geben; denn 
der zu euch ſprach: „wer ſich mein und meiner Worte ſchä— 
met, deſſen wird ſich des Menſchenſohn auch ſchämen an je— 
nem Tage.“ Ihr ſehet, daß euch dann eines von Beiden 
zu theil wird, entweder ewiges Leben, Freude und Herrlich— 
keit, oder ewige Pein und Qual. Wenn nun durch Gottes 
Drohungen eure Seelen geſchreckt, und aber durch Gottes 
Verheißungen eure Seelen angezogen werden, um das ewige 


= W = 


Leben zu wählen, und lieber jetzt eure kurze und ungewiſſe 
Zeit mit eurem Fleiſch, euren Lüſten und Begierden im 
Streit leben, ſie überwinden, als nachgehends die ewige 
Verdammniß wegen den Lüſten und Begierden zu erhalten. 

Sehet jetzt Kinder, wenn es euch wirklich ein rechter Ernſt 
iſt um ſelig zu werden, wenn es euch ein Ernſt iſt, der ewi— 
gen Verdammniß zu entrinnen, ſo iſt es aber wieder leicht 
möglich, daß ihr auf der andern Seite eure tauſendfältigen 
Lüſte und Begierden des Fleiſches eben ſo groß und eben fo 
ſtark gegen euch anſehet, eben fo groß als jene Iſraeliten die 
Cananiter gegen ſich anſahen, und dann durch die Kund— 
ſchafter noch mehr in Furcht geſetzt wurden durch ihre Dar— 
ſtellung, gleichſam als ob ſie aus eigener Kraft, ohne Gottes 
Hülfe, nur aus ihrem eigenem Vermögen, ohne Gottes 
Gnade, ohne Gottes Beiſtand, ohne Gottes Sieg von oben, 
nur aus ihrer eigenen Kraft einnehmen müßten. 

Sehet jetzt Kinder, hier iſt die Stelle allwo ich verſprochen 
habe, noch mehr von den Kundſchaftern zu reden, wenn es 
der Herr gäbe. Sehet jetzt auf das ganze Heer Iſrael! Sie 
hatten dieſe Kundſchafter in dem Glauben ausgeſandt, daß 
ſie als treue Männer würden handeln und dann auch die 
Wahrheit ſagen. Jetzt betrachtet ihre Botſchaft! Leugnen 
konnten ſie es nicht, daß nicht das Land ſo gut ſei als es 
ihnen vom Allmächtigen geſchildert war. Allein hierinnen 
handelten ſie untreu gegen den Allmächtigen, gegen das Volk 
und gegen ſich ſelbſt, indem ſie der Allmacht Gottes nicht 
erwähnten, noch ſeine oft bewieſene Hülfe und Gnade zu ih— 
nen, und eben ſo wenig ihnen vorzuſtellen, daß ſie dem All— 
mächtigen vertrauen ſollten und ihn anflehen um Hülfe im 
Streit. Nein, von allem dieſem waren ſie ſtill, und durch 
ihr Geſchrei wurde eine Menge von ſechsmal Hundert Tau— 
ſend Meuſchen bewogen, den Ruf des Allmächtigen zu ver— 
laſſen und gingen in der Wüſte verloren, und kamen nicht 
in das Land Canaan. Ach ihr werthe Kinder, thut jetzt 
einen ſcharfen Blick auf die Kundſchafter des geiſtlichen Ca— 
naans, ſonderlich zur jetzigen Zeit! Iſt es nicht faſt eben ſo 
als wie bei Iſrael? Warlich es leugnet es kein Kundſchaf— 
ter, daß nicht das himmliſche Canaan ſo gut iſt, als es von 
Jeſu und ſeinen Apoſteln beſchrieben wurde. Allein ob nicht 
der größere Theil von den geiſtlichen Kundſchaftern faſt die 


— 


nehmliche Sprache führt wie jene untreuen Kundſchafter in 
Iſrael, könnet ihr ſelbſt darüber nachdenken. Man predigt 
das Moral-Geſetz, man dringt auf das Halten, nun dies 
iſt gut. Allein, war dies alles ganz allein, auf welches Jo— 
ſua und Caleb hinwieſen? Sie gaben das nehmliche Zeugniß, 
daß ſie das Land Canaan einnehmen müßten, aber mit 
dem großen Unterſchied: jene hatten kein Vertrauen zu 
Gott, ſie glaubten, ſie müßten es aus eigener Kraft ein— 
nehmen. Aber keinesweges war es ſo mit Joſua und Ca— 
leb, denn ihr Vertrauen ſtund auf die Gnade und Hülfe des 
Allmächtigen, welche ihnen noch im friſchen Andenken vor 
Augen ſchwebte. Die Hülfe in Egypten, im rothen Meer 
und in der Wüſte; ſie glaubten daher, daß der Allmächtige 
ſeine Güte noch ferner erzeigen werde; wenn ſie ſich mit 
ernſtlichen Bitten zu ihm wenden würden, dann würde er 
ihnen auch mit ſeiner allmächtigen Kraft beiſtehen, und ſie 
nicht verlaſſen, ſondern ihnen Sieg geben und kräftige Hülfe 
thun. Allein höret die Sittenlehrer der heutigen Zeit! Iſt 
es doch warlich ein ſeltener Fall, daß einer ſeine Zuhörer 
aufmuntert, daß ſie zum Allmächtigen flehen ſollen um Hülfe 
gegen die, welche Jeſus unſere Hausgenoſſen nennt, nehm— 
lich unſer Fleiſch und unſere Begierden? Iſt es Wunder, 
daß die heutige Chriſtenheit verfällt, wenn die Kundſchafter, 
die doch als Vorbilder der Heerde ſtehen ſollen, wenn ſie ſelbſt 
keine Ehrfurcht vor Gott haben, auch kein Vertrauen zu ſei⸗ 
ner Hülfe im geiſtlichen Streit, ſondern glauben im blinden 
Stolze, ſie hätten ſelbſt ſo viel Kraft um das zu unterdrük— 
ken, was ſie glauben, daß da nöthig ſei? merket aber wohl, 
ich ſage: was ſie ſelber glauben, daß da nöthig ſei. Sehet 
euch daher vor, vor den Kundſchaftern der heutigen Zeit! 
denn das Vorbild der Kinder Iſrael, welche den Kundſchaf— 
tern mehr Zutrauen ſchenkten als Gott, gingen durch der 
Kundſchafter Reden verlohren und kamen nicht in das ge— 
lobte Land. Warlich es iſt ein zum erbarmender Jammer, 
daß das Volk ſo wenig zum herzlichen Bitten und Flehen 
zum Allmächtigen vermahnt wird, um Hülfe im geiſtlichen 
Streit, um Kraft und Vermögen, um Gottes Beiſtand und 
Sieg. Allein woher rührt es, daß die jetzigen Kundſchafter 
das Volk nicht dazu vermahnen, und ſtehen doch als Vor— 
bilder ihrer Heerden, allwo doch die Heerden ihnen das Zu— 


m Wi 


trauen ſchenkten, um fie als Führer im Geiſtlichen anzuneh— 
men und ſich von ihnen führen zu laſſen, in der Hoſſnung, 
daß wenn ſie ihre Reiſe im irdiſchen Leben vollbracht haben, 
daß fie donn auch das himmliſche Canaan ererben würden? 

Jetzt denket nach! Wenn die jetzigen Kundſchafter wollten 
ihre Zuhörer vermahnen, um zum Allmächtigen zu flehen, 
und Zutrauen zu ſeinen Verheißungen der Hülfe im Streit 
zu haben, nun ſo iſt ja nichts klarer, als daß ſie auch müß— 
ten gleich wie Joſua und Caleb, ſich ſelbſt als Streiter und 
Ueberwinder von ihrer Heerde als Vorbilder zeigen, in der 
Kreuzigung ihrer böſen Lüften und Begierden. Denm es iſt 
ja ſo klar als der ſonnenhelle Tag, daß wo kein Streit iſt, 
kann auch keine Ueberwindung ſein, und wo kein Ueberwin— 
der iſt, kann warlich auch kein Sieg ſein. Sehet was der 
Apoſtel Paulus hierüber ſagt, erſten Corinther, 9. K. 26. 
und 27. V.: „Ich fechte alſo, aber nicht wie einer der nur 
in die Luft ſtreichet, ſondern ich betäube meinen Leib, und 
zähme ihn, damit ich nicht andern predige und ſelbſt ver— 
werflich werde.“ Sehet wie klar der Apoſtel von ſeinem ei— 
genen Streit, von der Unterdrückung ſeiner Lüſte und Be— 
gierden redet. Betrachtet ferner, wem er es zuſchreibt, 2. 
Corinther, 3. K. 3. und 4. V., dort ſagt er: „ein ſolch 
Vertrauen haben wir durch Chriſtum zu Gott.“ Nicht daß 
wir tüchtig ſind von uns ſelber etwas zu denken, als von 
uns ſelber, ſondern daß wir tüchtig ſind, iſt von Gott. Se— 
het ferner, Epheſer 6. K. 16. V.: „vor allen Dingen ergreifet 
den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöſchen kön— 
net alle feurige Pfeile des Böſewichts.“ 

Sehet hier Kinder, daß Paulus mit den Worten, (dem 
Schild des Glaubens) auf den Glauben und Vertrauen im 
Gebet hinzielete, iſt nach meinem Erachten klar zu ſehen aus 
dem, was auch Paulus faſt mit den nehmlichen Worten re— 
dete, 1. Petri, 5. K. 7. 8. 9. V., denn er ſagt: „alle eure 
Sorge werfet auf ihn (nehmlich auf Gott), er ſorget für euch, 
ſeid nüchtern und wachet, denn euer Widerſacher, der Teu— 
fel, gehet um euch her wie ein brüllender Löwe und ſuchet, 
welchen er verſchlinge.“ Dem widerſtehet feſt im Glauben! 
Sehet jetzt nun nach Epheſer 3. K. 14. V., dort ſpricht 
Paulus: „derſelben beuge ich meine Kniee gegen dem Vater 
unſers Herrn Jeſu Chriſtt, daß er euch Kraft gebe, ſtark zu 


werden durch feinen Geiſt am inwendigen Menſchen.“ Jetzt 
faſſet den Sinn, der hier durch Pauli Worte klar vor euch 
ſtehet. Sehet der Apoſtel wußte wohl, daß Gott ganz allein 
der Geber aller guten Gaben ſei. Er hatte ferner das Zu— 
trauen zu Gott, daß er ſeine Bitte erhören würde; und nun, 
um was bat er? Warlich um das, was die Epheſer und 
alle Menſchen bedürftig ſind; er bat um Kraft und Stärke 
am inwendigen Menſchen, und warum? Um den auswen— 
digen Menſchen, nehmlich das Fleiſch zu unterdrücken, oder 
zu kreuzigen und zu tödten. Aus dieſen wenigen angeführ— 
ten Schriftſtellen könnet ihr nicht nur allein ſehen und erken— 
nen, welch ein unausſprechlich Vertrauen die Apoſtel auf 
Gottes Gnade und Hülfe hatten, ſondern auch welch einen 
Lehrmeiſter ſie gehabt hatten, der ſie unterrichtet hatte wegen 
dem Vertrauen zu Gott, und der Erhörung des Gebets zu 
ihm. Betrachtet daher Jeſu eigene Worte und Anweißungen 
zum herzlichen Bitten zum Allmächtigen, als unſer aller 
Vater. Zum andern, ſo fordert er eine gänzliche Ergebung 
unſers Willens, um unſern Willen Gott ganz zu übergeben, 
ſo daß der Wille Gottes ganz allein hier auf Erden geſche— 
hen ſoll, gleich wie er im Himmel geſchieht. 

Daher bitte ich euch, betrachtet im tiefſften Grunde eurer 
Seelen das Gebet, welches Jeſus uns gelehrt hat zu bitten, 
nicht nur, daß wir die Worte ihm ſollen nachſagen ohne 
Ueberlegung. Nein, denn Jeſus ſtellt hierinnen alle Stücke 
kurz zuſammen gefaßt vor, deren der Menſch im irdiſchen Le— 
ben ſo ſehr bedürftig iſt, um das Heil ſeiner Seele vom Va— 
ter der ewigen Liebe zu erflehen. Merket daher auch die 
Worte des Gebets Jeſu! Sehet, er lehrt uns den allmäch— 
eigen Schöpfer Himmels und der Erde als Vater anzuru— 
fen, der nicht nur allein ſeinen Sitz, ſeine Wohnung, ſeinen 
Thron im Himmel hat, und umgeben iſt mit viel tauſend 
heiligen Engeln, ſondern daß er auch unſer Vater ſei, und 
wir dem Vater dem Teufel abgeſaget, und ihm aber nun 
treue verſprochen, und daß daher nun auch ſein Name ge— 
heiliget und mit Ehrfurcht angerufen und niemal ent— 
heiligt werde. Wiederum, ſo bitten wir: dein Reich komme, 
dein Wille geſchehe auf Erden wie im Himmel. 

Sehet Kinder, als Johannis der Täufer predigte, ſprach 
er: „das Himmelreich iſt nahe herbei gekommen.“ Jeſus 


* Da 


ſprach nachher: „von den Tagen Johannis des Täufers, bis 
hierher leidet das Himmelreich Gewalt, und alle, die ihm 
Gewalt anthun, die reißen es zu ſich.“ Und nun, bei dieſen 
Worten in der Bitte gibt es der andächtige Beter dem All— 
mächtigen zu erkennen, daß ein herzliches Verlangen in ſei— 
ner Seele ſei, um dem Reich Gottes Platz zu machen in ſei— 
nem Herzen und daß er nun geneigt iſt ſeinen eigenen Wil— 
len Gott ganz zu übergeben, ſo daß der Wille des Allmäch— 
eigen nun geſchehen ſoll hier auf Erden, gleich wie er im 
Himmel geſchiehet. Ferner, er flehet und bittet den Geber 
aller guten Gaben, daß er ihm das tägliche Brod, welches 
er bedürftig iſt, und nur allein durch die Güte Gottes 
kommt, daß er ihm das, was er täglich braucht aus Gna— 
den mittheilen wolle. Und nun bittet er: „Vergieb uns un— 
ſere Schulden, gleich wie wir auch denen vergeben, welche 
ſich an uns verſchuldet haben.“ Merket hier ihr Kinder auf 
die Worte, welche Jeſus nach dieſer Lehre des Gebots zu 
Allen ſprach! „denn, ſo ihr den Menſchen vergebet ihre Feh— 
ler, ſo wird euch euer himmliſcher Vater auch vergeben, wenn 
ihr aber den Menſchen- ihre Fehler nicht vergebet, fo wird 
euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.“ Ihr ſe— 
het hier bei dieſer Bitte: „Vergieb uns unſere Schulden, wie 
wir auch vergeben denen, welche uns ſchuldig ſind,“ ſehen 
wir, daß wer ſolche Bitte aus dem Inneren ſeiner Seele 
vom himmliſchen Vater nach der Wahrheit bitt, nehmlich 
daß er auch ſo vergibt, ſo wie er fleht, daß ihm auch ſo ver— 
geben werden ſoll. Ich ſage, ihr ſehet, daß ein ſolcher ein 
neugeborener Menſch fein muß. Denn wie iſt es möglich, 
daß ein Natur-Menſch, einer, der ſeine Lüſte und Begier— 
den noch nicht gekreuziget hat, daß ein ſolcher ſollte mit ei— 
nem vergeblichen Herzen bitten können? Allein iſt es nicht 
auch das nehmliche mit dem, der um das Reich Gottes bit— 
tet, und ſetzt dann hinzu dein Wille geſchehe auf Erden wie 
im Himmel — wenn er doch kein Verlangen hat, dem Reich 
Gottes Platz zu machen in ſeinem Herzen, weil ſein Herz 
angefüllt iſt mit Augenluſt, Fleiſchesluſt, und hochprächti— 
gem Leben, und er auch keinen Willen noch Vorſatz hat, um 
ſeinen Willen zu brechen noch ſein Fleiſch, Lüſten und Be— 
gierden zu kreuzigen. Ihr ſehet hierbei klar, daß beides der— 
jenige, der mit einem unverzeihlichen Herzen bittet, und der, 


138 


der keine Luſt am Reich Gottes hat, und hat auch keinen 
Willen, ſeinen Willen Gott zu übergeben, und ſein Fleiſch 
zu kreuzigen, ſondern will lieber in Augenluſt, Fleiſchesluſt, 
und hochprächtigem Leben einhergehen, als Gott dienen. 
Ich ſage, ihr ſehet, daß beide auf gleichen Stufen des Un— 
gehorſams ſtehen, obſchon es beide bitten. Daher bitte ich 
euch, ihr werthe Kinder, ſehet zu, daß dasjenige was ihr 
betet, auch eures Herzens Wunſch, Verlangen, und ſehnſuchts— 
volle Bitte ſei, und dann nehmet Jeſu Worte der Verhei— 
ßung zum Grundſatz eures Gebets, denn er ſpricht, Johan— 
nis 16. K. 24. V.: „warlich, warlich ich ſage euch, fo ihr 
den Vater bitten werdet in meinem Namen, ſo wird ers euch 
geben; bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen, bit— 
tet ſo werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen ſei.“ 
Sehet jetzt, werthe Kinder, ich habe nur dieſe wenigen An— 
weißungen aus Jeſu Aufmunterungen zum Gebet euch dar— 
geſtellt. Allein ſehet ſelbſt durch alle Evangeliſten, durch die 
Geſchichte der Apoſtel und durch alle Epiſteln, wie die Jün— 
ger Jeſu ſo oft im herzlichen Gebet ſich zum Geber aller gu— 
ten Gaben wandten, von ihm dasjenige erfleheten, was ſie 
ſo ſehr bedürftig waren. Alſo auch ihr, ihr werthe Kinder, 
wendet euch ſtets und täglich zum Vater der ewigen Liebe; 
flehet in jedem Umſtand, der euch betrifft, daß er euch ſeinen 
heiligen Geiſt ſenden wolle, der euch erleuchte, geleite und 
führe; laſſet es ſtets ein Ernſt im Bitten und Flehen ſein! 
Ach, werthe Kinder, laſſet euch nur nicht vom Zeitgeiſt, der 
jetzt faſt alle Welt erfüllet hat, dahin reißen, denn ihr ſehet, 
daß viele Lehrer des Evangeliums ſehr wenig Aufmunterun— 
gen davon zum Volk thun, ausgenommen in der Lehre wird 
noch zu Zeiten ein kurz Gebet gethan. Ihr ſehet, daß ſelbſt 
Eltern ihren Kindern oft nur wenige Exempel des Gebets 
und herzlichen Zutrauens und Verlangens zu Gottes Gnade 
vor ihren Kindern zeigen; ach! und wo ſollen es Kinder ler— 
nen, wie ſollen ſie Ehrfurcht vor Gott und Zutrauen zu 
Gottes Gnade und Hülfe faſſen, wenn ſie nichts dergleichen 
von ihren Eltern ſehen noch von ihnen gelehrt werden, und 
Lehrer wenig mehr vom Gebet machen, ſo daß zur heutigen 
Zeit das tägliche Opfer im Geiſtlichen vielleicht eben fo auf— 
gehoben wird, als einſt bei Iſrael das Natürliche? Dieſer 
Jammer, um ſolches zu ſehen, brachte ai dahin, um euch 


* 


* 
* 

aus herzlicher Liebe und Pflicht zu warnen; denn die Gefah— 
ren, Netze und Fallſtricke ſind ſo viel und mancherlei, ſo daß 
es nöthig iſt, daß ihr euch ſtets zum Allmächtigen als euren 
Vater mit Bitten und Flehen wendet, und ihn anrufet, daß 
er euch an ſeiner Hand geleiten wolle und euch führen, da— 
mit ihr allen Netzen und Fallſtricken des Satans entgehen 
könnet. Damit ihr ſelbſt ſehet und erkennet, wenn ihr das 
Tichten und Treiben in der Welt genau und unpartheiiſch 
beobachtet, daß jeder, der feine Seele erretten will, warlich 
den Geiſt Gottes zum Führer haben muß, wenn er den tau— 
ſendfältigen Netzen und Fallſtricken entgehen will. 

Denn erſtlich: die Welt hat ihre tauſendfältigen Lüfte Je— 
dem auf ſo verſchiedene Weiſe dargeſtellt, um ſie in die Falle 
der fleiſchlichen Lüſte zu locken in Augenluſt, Fleiſchesluſt, 
und hochprächtigem Leben; und ihr ſelbſt ſehet auch und ers 
kennet, daß wer in dieſe Fallen geräthet, daß ein ſolcher in 
dieſen Banden des ewigen Todtes und Verdammniß dennoch 
nicht mißvergnügt iſt, dieweil dieſe Bande ſeinem eitlen 
Fleiſche angenehm ſind. 

Zum andern: thut einen ſcharfen Blick auf das kalte laue 
Laodicäiſche Chriſtenthum, allwo viele der Lehrer nur in der 
eiskalten Gewohnheit dahingehen ohne Geiſt, ohne Leben 
aus Gott, wo die Gebete nur in kalter Gewohnheit, in For— 
men abgeleſen werden, ohne Verlangen und ohne Zutrauen, 
wo beides Lehrer und Hausväter, die Kinder, nachdem ſie 
erwachſen ſind, nur ſehen in die Formen zu zwingen, wo doch 
die Kinder oftmal ſelbſt wenig Exempel weder an Lehrer noch 
Eltern haben, daß Zutrauen, Ehrfurcht oder neues Leben 
da ſei. Blicket hin auf die Verſammlungen der verſchiedenen 
Partheien! ſehet wie kalt und ſchläfrig der eine Theil iſt, und 
wie ganz ohne Manier, ohne Ordnung, und ohne Ehrfurcht 
vor Gott; der andere Theil iſt wegen dem Aus- und Ein- 
laufen, allwo beide Theile zeigen, daß nicht herzliches Ver— 
langen ſie trieb, ſich zu verſammlen, ſondern nur kalte 
Gewohnheit. 

Zum dritten: thut jetzt einen ſcharfen Blick auf das feu— 
rige Treiben derer, die da rufen: „hier iſt Chriſtus! 
da iſt Ehriſtus!“ Ihr ſelbſt wiſſet, daß Jeſus es 
verboten hat, ſich öffentlich zur Schau im Gebet vor Men— 
ſchen zu zeigen. Solche nennt er Heuchler, die da nur Ruhm 


= == 


von Menſchen ſuchen, um ſich in ihrem Gebet ſehen und 
hören zu laſſen; und die Zeichen und Wunder, die dort in 
ihren Verſammlungen geſchehen, darüber leſet Mathäus 
24. K. 24. V., und an vielen Stellen in den Epiſteln und 
Offenbarung Johannis 13. K. 13. V. 

Betrachtet jetzt Jeſu Prophezeihung wegen den falſchen 
Propheten, und ihrem Treiben! Jetzt betrachtet, die jetzigen 
faſt täglichen Beſtellungen, die dahin zielen, um des Nachts — 
zuſammen zu laufen, um, wie ſie ſagen, zu beten, und zwar 
ſo, daß Jeder ſich kann und will hören laſſen vor dem An— 
dern wie er beten kann, wo doch Jeſus uns das Gebot gab 
und ſprach: „wenn du aber beteſt, ſo gehe in dein Kämmer— 
lein, und ſchließe die Thüre zu und bete zu deinem Vater im 
Verborgenen.“ Ihr ſehet daher werthe Kinder, daß das 
feurige Treiben, um ſich im Gebet vor Menſchen zur Schau 
zu ſtellen, nicht von Gott iſt, ſondern ihm entgegen; und 
eben ſo wohl ſehet ihr, daß das kalte gleichgültige Beten 
nicht von Gott iſt, ſondern ihm entgegen, und ſo ſehet ihr, 
daß Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächtiges Leben nicht 
von Gott iſt, ſondern ihm entgegen! 

Allein blicket jetzt auch hin auf eine Klaſſe von Menſchen, 
welche Gott und Jeſum, beides, Strafe und Belohnung nach 
dieſer Zeit, alles verläugnen. Ihr ſehet, wie ſie alles ver— 
lachen, verhöhnen und verſpotten, alles was das wahre 
Chriſtenthum angehet, und wirklich wahres Chriſtenthum iſt, 
ſolches iſt ein verächtlicher Hohn und Spott; daher ſuchen 
ſie das Anſehen der Biebel zu untergraben, um das wahre 
Chriſtenthum auszurotten. Jetzt ſtellet ihr Treiben und 
Spott neben das, was der Apoſtel Paulus in ſeiner erſten 
Epiſtel an Thimotheus 64. K. 1. V., und zweiten Times 
theum 3. K. 1. B., und zweiten Petri 3. K. 1. V. geſchrie— 
ben hat, und wenn ihr dies thut und prüfet das ganze Trei— 
ben der Welt ſammt dem Parthei-Haß, fo ſehet ihr, daß 
Augenluſt, Fleiſchesluſt, und hochprächtiges Leben faſt ins 
Unendliche geſtiegen iſt, beides bei Jungen und bei vielen 
Alten. Und ſehet, daß die Gleichgültigkeit gegen Gott im 
Laodicäiſchen Chriſtenthum immer mehr und mehr zunimmt, 
ſo daß vielleicht zuletzt faſt nichts mehr als die Formen blei— 
ben. Und ſehet auch, wie die verführeriſchen feurigen Trei— 
ber ihre Irthümer einem Jeden faſt aufzwingen wollen, ſo 


Be ra 


daß in den Irthum verführet werden, wann es möglich 
wäre auch die Auserwählten. Und ihr ſehet auch, daß jetzt 
der Satan zu den Ungläubigen noch die nehmliche Sprache 
und Rede führt, als wie ehemals zu Eva im Paradies, wo 
er ſprach: „ihr werdet mit nichten des Todes ſterben, ſondern 
werdet ſein wie Gott.“ Sehet werthe Kinder, wenn ihr das 
Ganze in jedem Theile genau prüfet, ſo ſehet ihr, daß es 
keinem Vater, der für das Heil ſeiner eigenen Seele ſorgen 
will, gleichgültig ſein kann gegen ſeine Kinder, wenn er ſie— 
het, daß tauſend und tauſendfältige Gefahren ſie umgeben. 
Dieſes iſt jetzt auch der Fall mit mir, denn ich weiß nicht, 
welche Stunde mich der Herr des Hauſes abruft; und in 
dieſer meiner Krankheit überblickte ich im Geiſte den jam— 
mervollen Zuſtand des Chriſtenthums, allwo Tauſende der 
Lehrer ſelbſt in Augenluſt, Fleiſchesluſt und hochprächti⸗ 
gem Leben einhergehen. Ach, und wenn die Jugend dies nun 
ſiehet, wenn ſie ſiehet, daß das Vorbild der Heerde ſelbſt den 
Pfad gehet, wonach es ihnen auch gelüſtet, wer will ihnen 
wehren, wer will ſie aufmuntern, um ſtark zu ſein im Streit, 
um ihr Fleiſch ſammt den Lüſten und Begierden zu kreuzi— 
gen? Ach Kinder, ihr erkennet es ſelbſt, daß nur Jeſus 
Chriſtus eure Namen bekennen kann, vor Gott unſerm himm— 
liſchen Vater am Tage des Gerichts, daß daher nur die, 
welche ihr Fleiſch ſammt den Lüften und Begierden gekreu— 
ziget haben, ihm angehören, und er daher auch ihre Na— 
men bekennen wird, iſt klar; und ich ſtehe in feſter Ueberzeu— 
gung, daß ihr in eurem Herzen den Wunſch und das Verlangen 
babt, von Jeſu dereinſt zu feiner rechten Hand geſtellt zu 
werden. Daher bitte ich euch, nun bedenket und betrachtet 
Jeſu Worte tief in eurem Herzen, wo er, Offenbarung Jo— 
hannis, zu Allen redet, welche Ohren zum hören haben, er 
muntert ſie auf und ſpricht: „wer überwindet, dem will ich 
zu Eſſen geben, vom Holz des Lebens, das im Paradies 
Gottes iſt.“ Ferner: „wer überwindet, dem ſoll kein Leid 
geſchehen vom anderen Tode.“ Ferner: „wer überwindet, dem 
will ich zu Eſſen geben von dem verborgenen Manna, und 
will ihm geben ein gut Zeugniß, und mit dem Zeugniß ei— 
nen neuen Namen ſchreiben, welchen Niemand kennet, denn 
der ibn empfängt.“ Ferner: „wer überwindet und hält meine 
Werke bis ans Ende, dem will ich N geben über die 


u 


Heiden, und er ſoll fie weiden mit einer eiſernen Ruthe, und 
wie eines Töpfers Gefäß ſoll er ſie zerſchmeißen, wie ich von 
meinem Vater emgfangen habe, und will ihm geben den 
Morgenſtern.“ Ferner: „wer überwindet, der ſoll mit wei— 
ßen Kleidern angelegt werden, und ich werde ſeinen Namen 
nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will ſei— 
nen Namen bekennen vor meinem Vater und vor ſeinen En— 
geln.“ Ferner: „wer überwindet, den will ich machen zum 
Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und ſoll nicht mehr 
hinaus gehen, und will auf ihn ſchreiben den Namen meines 
Gottes, und den Namen des neuen Jeruſalems, der Stadt 
meines Gottes, die vom Himmel hernieder kommt von mei— 
nem Gott und meinen Namen den Neuen.“ Ferner: „wer 
überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl 
zu ſitzen, wie ich überwunden habe und bin geſeſſen mit mei— 
nem Vater auf ſeinem Stuhl.“ 

Sehet jetzt, ihr werthe Kinder, betrachtet in dem Innern 
eurer Seele, könnte wohl Jeſus mehr verheißen als er hier 
gethan hat, als er ſein Leben und Blut aus ewiger Liebe 
für euch zum Söhn-Opfer dahin gab? O greifet das Werk 
des Herrn mit Muth an! euch entfalle nicht der Muth, wenn 
ihr eure Lüſte dämpfen und ihnen widerſtehen ſollt, flehet 
zum Allmächtigen um Hülfe und Beiſtand, im Streit ge— 
gen eure böſen Lüſte! Der Allmächtige, wenn er euren Ernſt 
ſiehet, eilt euch zur Hülfe herbei wenn ihr ihn anrufet; denn 
er ſprach ſchon in den Pſalmen: „rufe mich an in der Zeit 
der Noth, ſo will ich dich erretten, und du ſollſt mich preißen.“ 
Sehet, ich weiße euch hin zu dem, der euch helfen will und 
kann; er hat euch Hülfe verheißen, er thut auch was er ſagt, 
wenn ihr ihn anrufet und nicht verlaſſet. 

Jetzt Kinder bitte ich euch zum Schluß, betrachtet meine 
Vermahnungen zu euch und prüfet ſie mit Gotteswort! Se— 
het, ich wies euch hin auf Jeſu eigenen Weg und Pfad, und 
nicht auf einen Weg, der von Menſchen erdichtet iſt. Iſt es 
daher, daß ihr ihn für recht erkennet, ſo gebet Gott die Ehre 
und wandelt auf dem Pfad Jeſu, denn Jeſus fprach: „neh— 
met auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin 
ſanftmüthig und von Herzen demüthig, danu werdet ihr 
Ruhe für eure Seelen finden.“ Daher nehmet jetzt das Joch 
Jeſu mit Freuden, und flehet täglich um Hülfe und Kraft, 


N 3 


damit ihr am inwendigen Menſchen Stärke empfanget, um 
das Joch Jeſu, als Sanftmuth in Widerwärtigkeit und 
Demuth des Herzens, dem Erlöſer eurer Seele nackzutra— 
gen. Ich verbinde nun meine letzten Worten mit meinen 
erſten, wo der Herr ſagt: „du ſollſt Vater und Mutter eh— 
ren, auf daß du lange lebeſt im Lande, das dir der Herr dein 
Gott gibt.“ Sehet Kinder, der Allmächtige hat euch durch 
ſeinen Sohn das ewige und unvergängliche Reich verheißen, 
ein himmliſches Canagan, ein himmliſches Jeruſalem; ehret 
jetzt eure Eltern, und der Beweiß, daß ihr eure Eltern ehret 
iſt der: wenn ihr thut, zu was ich euch hier vermahnt habe; 
dies iſt meine Ehre, wenn ihr auf der Bahn Jeſu wandelt 
bis zu Ende eures Lebens. O möge nun der Allmächtige 
euch ſämmtlich mit Licht, Weisheit und Verſtand erfüllen, 
und euch mit Kraft aus der Höhe anthun, damit ihr als 
wahre Streiter überwinden möget und Jeſu Werke bis ans 
Ende halten! Denn, o ihr theure Kinder, habt ihr die un— 
trügliche Verheißung und Hoffnung, daß wenn wir ſämmt⸗ 
lich überwunden haben, und uns dort vor dem Richterſtuhl 
Jeſu wiederſehen, daß dann auch Jeſus uns ſämmtlich zu 
unſerer unapsſprechlichen Freude, zu feiner rechten Hand 
ſtellen wird, um dann das, aus Gnade und Barmherzigkeit 
Gottes zu erben, was Jeſus uns aus treuer Liebe verheißen 
hat. Und nun befehle ich mich und euch ſämmtlich in den 
Schutz des Allmächtigen Gottes, möge er nun aus Gnade 
und Barmherzigkeit, uns und euch ſämmtlich den Pfad Jeſu 
an ſeiner allmächtigen Hand führen, bis zu einem ſeligen 
Ende, durch Jeſum Chriſtum Amen. 


Eine eruſtliche Betrachtung 


über 
die Worte des Apoſtels Pauli. 


„Ihr Väter ziehet eure Kinder auf in der Zucht und Vermahnung 
zum Herrn, Epeſer, 6. Kapitel 4. Vers.“ 


Beliebteste und wertheste Rinder! 


Dieweil ich hier das Wort des Apoſtels abermal zur 
Betrachtung aufgeſtellt habe, ſo erachte ich es billig, euch 
jetzt zum erſten die Urſache darzuſtellen, warum ich es aber— 
mal darſtelle. 

Sehet werthe Kinder, wenn uns der Apoſtel die zween 
Worte „Zucht und Vermahnung“ darſtellt, in wel— 
chen wir die Kinder auferziehen ſollen, ſo iſt es vor allen 
Dingen nöthig, daß wir auch die wahre und untrügliche 
Bedeutung der Worte wiſſen, und ſie verſtehen, damit wir 
nicht auf irrige Meinung oder Mißbegriffe gerathen, wo wir 
vielleicht etwas als Zucht halten, oder glauben es ſei Zucht, 
wo es aber vor Gott keine Zucht iſt; oder auch, wenn wir 
die Kinder vermahnen zu etwas, wo wir vielleicht glauben, 
es ſei Gott gefällig, und Gott ſolches aber nicht geboten 
hätte, ſo wäre dieſes auch keine Vermahnung zum Herrn. 
Daher iſt es nöthig, daß wir das Wort Zucht unterſuchen, 
und dann auch die heilige Schrift erforſchen, und unſere 


Ze — 


Meinung über das Wort Zucht ganz genau an oder mit 
der heiligen Schrift prüfen, ob unſere Meinung auch wirk— 
lich mit der heiligen Schrift übereins kommt oder nicht. 

Sehet zum erſten: Daß das Wort Zucht, dem Wort 
Unzucht entgegen, oder gegenüber ſtehet und geſtellt iſt, 
kann keine Seele leugnen. Zucht und Unzucht ſtehen 
gegen einander gleich wie Keuſch und Unkeuſch, Glaube 
und Unglaube, Wohlerzogen und Ungezogen, und 
gleich wie Göttlich und Ungöttlich. Viele dergleichen 
Worte ließen ſich hier anführen, allein dieſe oben angeführ— 
ten ſind zu meinem Entzwecke genug. 

Sehet jetzt ferner: Daß alſo Unzucht in einer chriſtlichen 
Gemeinde, und eben ſo wenig in einer chriſtlichen Familie, 
noch von einem Gliede geduldet werden darf, iſt klar und 
offenbar, und kann es auch keine Seele leugnen. Allein ob 
die Welt, ob die Chriſtenheit, ob Diejenigen, welche ſich 
Chriſten und Nachfolger Jeſu nennen, ob ſie alles das zu 
der Unzucht zählen, und Unzucht nennen, was die Apoſtel 
und die ganze heilige Schrift Unzucht nennt? Dies iſt eine 
Frage, welche wir mit Ernſt zu betrachten haben; oder ob 
ſich Etwas eingeſchlichen hat, welches die Apoſtel Unzucht 
nannten, welches aber nach und nach vielleicht heutiges Ta— 
ges ſo zur Gewohnheit geworden iſt, daß man es erlaubte 
Freuden, oder unverbotener Zeitvertreib, oder auch zu einer 
chriſtlichen Ordnung zählt, und es daher, weil es eine lange 
Gewohnheit iſt, auch nicht mehr Unzucht genannt wird. 

Sehet daher zum erſten: Jeſus ſpricht deutlich und klar, 
Mathäus 12. K. 34. V.: „weſſen das Herz voll iſt, gehet 
der Mund über.“ Daß daher Derjenige, deſſen Herz mit 
Brunſt angefüllt iſt, und will auch der Anweißung des 
Apoſtels Pauli nicht folgen, will nicht heirathen, (1. Cor. 
7. V. 9. K.) ſondern ſeiner Brunſt, dieweil ſein Herz voll 
davon iſt, ſein Herz ausſchüttet in ſchandbaren Worten. 
Daher dann auch ein Solcher darnach trachtet, um das zu 
erfüllen, was der Apoſtel Pauli, Röm. 13. K. 13. V. ver⸗ 
boten hat, wo er ſpricht: „laſſet uns ehrbarlich wandlen, 
nicht in Kammern und Unzucht!“ Jetzt ſehet und betrachtet, 
ob nicht der Apoſtel Pauli wirklich dieſe Lehre und Verbot 
von Jeſu gelernet hatte; denn der Apoſtel bezieht ſich in die— 
ſem Stück auf nichts anders, als auf das, was Jeſus, 


Johannis, 3. K. 20. V. redet, denn er ſpricht dort: „wer 
Arges thut, der haſſet das Licht, und kommt nicht an das 
Licht, damit ſeine Werke nicht geſtraft werden!“ Daher 
ſehet ihr, daß wer in der Brunſt und Geilheit ſtehet, und 
dennoch nicht heirathen will, daß ein ſolcher die Finſterniß 
zu ſeinem Geſchäfte und Werke mehr liebt, als das Licht, 
und warum? Joeſus fagt: „dieweil fie Böſe find.” Dies 
war nun eine Sache, vor welcher die Apoſtel auch ſo ſehr 
warneten, und einem jeden unter Augen ſtelleten, nicht nur 
allein die Schändlichkeit vor den Menſchen, wegen dieſem 
Laſter, ſondern auch Gottes Drohungen, über die, welche 
darinnen leben, denn Paulus ſprach zu den Coloſſern, 3. K. 
5. V.: „ſo tödtet nun eure Glieder, die auf Erden ſind, 
Hurerei, Unreinigkeit, ſchändliche Brunſt und böſe Luſt, 
um welcher Willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder 
des Unglaubens.“ Daher ſehet ihr, daß wenn ſich Jemand 
auch gläubig nennen wollte, und als ein Glied in der Ge— 
meinde Chriſti angeſehen werden, und er aber dennoch der 
ſchändlichen Brunſt nicht widerſtehet, ſondern ſucht, dieweil 
er das Licht haſſet, in der Finſterniß, in den Kammern 
ſeiner Unzucht freien Lauf zu laſſen, mit der Perſon, die des 
nehmlichen Sinnes iſt, daß ein Solcher, obſchon er ſich ein 
Chriſt nennt, und auch getauft iſt, daß er dennoch den 
nehmlichen breiten Weg gehet, gleich wie die Kinder des Un— 
glaubens, und er auch das Nehmliche dort am Tage des 
Gerichts zu erwarten hat, was den Kindern des Unglaubens 
gedrohet iſt, und er nach den böſen Lüſten ſeines Fleiſches 
lebt, und ſäet nur aufs Fleiſch. 

Daher ſprach der Apoſtel Paulus nach ſeiner ſchuldigen 
Pflicht im Warnen, Epheſer, 4. K. 17. V.: „ſo ſage ich 
nun und zeuge in dem Herrn, daß ihr nicht mehr wandelt, 
wie die andern Heiden wandlen, deren Verſtand verfinſtert 
iſt, und ſind entfremdet von dem Leben, das aus Gott iſt, 
durch die Unwiſſenheit, ſo in ihnen iſt, durch die Blindheit 
ihres Herzens, die da ruchloß ſind und ergeben ſich der Un— 
zucht und treiben allerlei Unreinigkeit.“ Und nun ſetzt der 
Apoſtel hinzu: „ihr aber habt Chriſtum nicht alſo gelernet.“ 

Daß alſo der uneheliche Beiſchlaf dazumal eben ſo wenig 
geſtattet wurde, als unter dem Geſetz, iſt klar. Allein ihr 
ſehet auch hier, durch die Worte des Apoſtels, daß weder 


an 


Jeſu noch die Apoſtel eine ſolche Lehre führeten noch geführet 
hatten, daß Perſonen beiderlei Geſchlechts beieinander ſchla— 
fen dürften im unehelichen Zuſtande, wenn ſie ſich nur eins 
vom andern enthielten, nein warlich nicht. Vielmehr ver- 
mahneten ſie in faſt allen ihren Predigten, von ſolchen Ge— 

legenheiten zu fliehen, wo der Menſch in Hurerei verfallen 
kann. Sehet und betrachtet hierüber, Epheſer, 5. K. 10. 
11. 12. V.; ſehet, dort gibt der Apoſtel zum erſten die An⸗ 
weißung, daß der Menſch ſeine Handlungen und Werke prü— 
fen ſoll, ob ſie dem Herrn auch gefällig wären, dann aber 
ſpricht er auch fo klar und fo deutlich, daß wenn ſie ſich 
prüfen, um nicht auf Irrwege zu gerathen im Prüfen, zeigt 
er ihnen an und ſpricht: „und habt nicht Gemeinſchaft mit 
den unfruchtbaren Werken der Finſterniß, ſondern ſtrafet ſie 
vielmehr, denn was heimlich von ihnen geſchiehet, das ift 
auch ſchändlich zu ſagen.“ Daher ſehet und erkennet ihr, daß 
keine Seele unter allen Menſchen den unehelichen Beiſchlaf 
begehrt und auch nicht ſucht, um ſeine ſchändliche Brunſt zu 
tödten ſammt ſeiner böſen Luſt; nein, ſondern vielmehr folgt 
er dem Triebe ſeiner Brunſt und böſen Luſt, den unehelichen 
Beiſchlaf in der Finſterniß, und warum? Jeſus ſagt: 

„dieweil er das Licht haſſet.“ Wären alſo ſeine Werke in 
Gott gethan, fürwahr ſo würde er nicht Finſterniß und 
Dunkel zu ſeinem Geſchäfte wählen. Sehet, wann der Apo— 
ſtel ſagt: „Ich zeuge euch in dem Herrn, daß ihr nicht mehr 
wandelt wie die andern Heiden, deren Verſtand verfinſtert iſt; 
ſie ſind fremd von dem Leben, das aus Gott iſt, durch die 
Blindheit ihres Herzens, denn fie find ruchlos und ergeben 
ſich der Unzucht, und treiben allerlei Unreinigkeit.“ Wenn 
er nun ferner ſagt: „ihr aber habt 1797 nicht alſo ges 
lernet,“ warlich nicht, dann ſehet ihr, daß der Apoſtel nicht 

nur allein als ein Zeuge des Herrn auftrat, um Solches 
ihnen zu verbieten, gleich wie er ihnen das Nehmliche ſchon 

vorhin geſagt hatte, dieweil er ſprach: „ihr aber habt Chri- 
ſtum nicht alſo gelernet,“ ſondern ihr ſehet auch, daß alle 
Diejenigen, welche den klaren Anweiſungen, den klaren Ver— 
boten und Vermahnungen des Heilands und der Apoftel 
weder Gehör geben noch folgen wollen, daß Solche nicht zu 
denen können gezählt werden, die Chriſto angehören, indem 
der Apoſtel ſagt: „daß Alle, die da Chriſto angehören, die 


RE 


kreuzigen ihr Fleiſch ſammt den Lüften und Begierden.“ 
Daß aber die Heiden ruchlos waren und ergaben ſich der Un— 
zucht, und trieben allerlei Unreinigkeit, entſtund daher, die— 
weil ihr Verſtand verfinſtert war, und in der Blindheit des 
Herzens ſtunden, dieweil ſie weder das Geſetz noch das 
Evangelium wußten, und ſie alſo auch Chriſtum nicht 
gelernt hatten. 

Allein ihr werthe Kinder, denket nun tief über dies Fol— 
gende nach! Sehet, wenn nun Jemand Jeſum Chriſtum 
gelernet hat, nach der Lehre Jeſu und der Apoſtel, wenn er 
getauft iſt und hat auf ſeinen Knieen dem Teufel und der 
Welt abgeſagt, und hat Treue zu Gott verſprochen, um in 
der Lehre Jeſu und der Apoſtel zu leben bis an ſein Ende, 
und daß nun aber ein Solcher dennoch dem unehelichen Bei— 
ſchlaf ſucht nachzugehen, ſo iſt doch eines von Beiden gewiß: 
entweder übertritt ein Solcher ſein auf den Knieen verſpro— 
chenes Gelübde zu Gott, und zwar mit offenen und ſehenden 
Augen, oder er ſtehet in der Blindheit des Herzens, wo dann 
in einem ſolchen Falle ſein Verſtand und Herz wiederum 
verfinſtert und blind iſt als wie andere Heiden. Dann iſt 
es doch unwiderſprechlich und gewiß, daß der wahre Nach— 
folger Jeſu die Hurerei fliehet; und wer der Hurerei fliehet, 
der fliehet warlich auch jede Gelegenheit dazu, dieweil er 
weiß, daß ſolche Gelegenheiten zur Hurerei führen. Sehet 
aber, wenn auch ein ſolcher ſpräche: „ich ſuche keine Hurerei 
mit meinem unehelichen Beiſchlafen,“ ſo betrachtet tief im 
im Herzen, was er ſucht! Sehet der Apoſtel ſagt: „Sie 
treiben allerlei Unreinigkeit.“ Hier iſt alſo nicht allemal 
Hurerei; auch warlich nicht, daß die Unreinigkeiten alle 
einerlei wären, nein, ſondern wie der Apoſtel ſagt: „allerlei,“ 
nehmlich ſo, daß die Brunſt auf beiden Seiten durch die 
Unreinigkeiten geſteigert wird, bis daß endlich Kurerei 
daraus entſtehet. ; 

Sollte aber dennoch Jemand behaupten wollen, ſein Herz 
ſei ganz frei von allen Gedanken der Hurerei und von allen 
Gedanken der Unreinigkeit im unehelichen Beiſchlafe, nein 
jo muß gewißlich und ohne Widerſprechen folgen, daß ent- 
weder der Geiſt Gottes ihn getrieben habe, einen unehelichen 
Beiſchlaf zu ſuchen, oder es war ſein lüſternes Fleiſch. 
Sehet, aber wie ungereimt, wie thöͤricht und wie lächerlich 


— — 


würde ſich ein Solcher nicht nur allein vor der Gemeinde, 
ſondern auch vor der ganzen Welt und allen Heiden machen, 
wenn er es zur Ausrede nehmen wollte: der Geiſt Gottes 
habe ihn dazu getrieben. Sehet Kinder, dies iſt der Prüf— 
Stein, die Stelle, wo Jeder, der den unehelichen Beiſchlaf 
ſucht, ſich prüfen kann, ob er ein Kind Gottes iſt, und ſich 
vom Geiſt Gottes treiben läſſet oder von ſeinem Fleiſch; 
denn der Apoſtel Paulus ſpricht, Röm. 8. K. 14. V.: „denn 
Welche der Geiſt Gottes treibt, das ſind Gottes Kinder.“ 

Nun iſt es doch unwiderſprechlich und klar aus den vor— 
beigehenden Verſen, daß Diejenigen, welche Gottes Kinder 
ſind und ſich vom Geiſt Gottes treiben laſſen, daß die auch 
durch den Geiſt Gottes des Fleiſches Geſchäfte tödten. 
Iſt es aber, daß Begierden zum Beiſchlaf in einem Nach— 
folger Jeſu da ſind, nun ſo folgt er der Regel ohne davon 
zu weichen, welche der heilige Geiſt durch den Apoſtel Pau— 
lus den Nachfolgern Jeſu gab, erſten Cor. 7. Kap. Dort 
ſtellt er es einem Jeden frei zu heirathen; ja er ſagt: „es 
iſt beſſer freien, denn Brunſt leiden.“ 

Jetzt Kinder bitte ich euch, ich vermahne euch, betrachtet 
dieſe meine Darſtellungen, und prüfet ſie in dem Innerſten 
eurer Seele, mit dem ganzen Inhalt der heiligen Schrift, 
mit dem Alten und Neuen Teſtament, und wenn ihr dies 
unpartheiiſch in der Furcht thut, dann ſtehe ich in der feſten 
Ueberzeugung, daß ihr im Lichte der Wahrheit erkennet, daß 
der wahre Nachfolger Jeſu keinesweges einen ſolchen Pfad 
ſuchet, wo er ſchon vorher weiß, daß ihn ein ſolcher Pfad 
von Gott ab, und zur ewigen Verdammniß führen könne. 
Er folgt des Apoſtels Pauli Anweißung, Epheſer, 5. K. 
15. V., er wandelt vorſichtig als ein Weißer, indem die 
Lehre des Apoſtels, Jacobi, 3. K. 17. V. vor ihm ſtehet, 
wo er ſagt: „die Weisheit von oben iſt keuſch.“ Er ſiehet, 
daß er mit Furcht und Zittern das Heil ſeiner Seele zu 
ſchaffen hat; er ſiehet, daß er nicht mehr zurück darf, um 
den verbotenen Lüſten ſeines Fleiſches zu folgen, denen er 
einmal auf ſeinen Knieen abgeſaget hat, denn er ſiehet mit 
Schrecken und Angſt, daß wenn er wieder einen Rücktritt in 
das fleiſchliche Leben auf ſolche Art thun wollte, daß dann 
die Darſtellungen des Apoſtels Petri zweiten Epiſtel, 2. K. 
20. 21. 22. V. an ihm erfüllet werden, und daß dann in 


ſolchem Falle das dort verhaßte Sprüchwort an ihm erfüllet 
wird, wo Petrus ſagt: „Der Hund friſſet wieder was er 
geſpeiet hat, und die Sau wälzet ſich nach der Schwemme 
wieder im Koth!“ Sehet jetzt Kinder, wenn ihr die heilige 
Schrift bei dem Licht des heiligen Geiſtes durchſchauet, und 
betrachtet die vielen Warnungen, welche die Apoſtel gethan 
haben, um den fleiſchlichen Lüſten zu widerſtehen, welche 
wider die Seele ſtreiten; ich ſage — wenn ihr ſolches tief 
betrachtet, dann ſehet ihr aber auch im Lichte der Wahrheit, 
daß es warlich kein Geringes iſt, wenn der Apoſtel ſagt: 
„Ihr Väter ziehet eure Kinder auf in der Zucht und Ver— 
mahnung zum Herrn.“ 

Ihr ſehet denn, daß es der Eltern unnachläßliche Pflicht 
iſt, daß ſie im Auferziehen der Kinder allezeit der Unzucht 
entgegen lehren müſſen, nicht nur allein, daß Unzucht ſchänd— 
lich für Menſchen ſei, ſondern vornehmlich wie der Apoſtel 
ſagt: „in der Vermahnung zum Herrn.“ Denn aus den 
Worten des Apoſtels iſt es doch warlich ſo klar, als der helle 
lichte Tag, daß wenn ein Vater ſeine ſchuldigen Pflichten 
an ſeinen Kindern ausübt und vollbringt, daß er ſeinen 
Kindern klar und deutlich den Unterricht gibt, was vor Gott 
die wahre, und vor Gott beſtehende Zucht ſei. Er zeigt 
ihnen aber auch eben ſo wohl, daß allerlei Unreinigkeit und 
Unzucht Abwege der Verdammniß ſind; er warnt ſie mit 
allem Ernſt vor jeder Gelegenheit dazu; er ſtellt ihnen mit 
feierlichem Ernſt die Drohungen Gottes vor Augen, nicht 
nur allein wegen der Hurerei, ſondern auch wegen ſchand— 
baren Worten, Narrethei, unziemlicher Scherz; er ſtellt 
ihnen vor, daß kein Hurer noch Unreiner Erbe hat am 
Reich Gottes, Epheſer, 5. K. ö. V. 

Sehet Kinder, wie könnte es auch möglich ſein, daß ein 
chriſtlicher Hausvater, der das Tichten und Treiben der 
menſchlichen Natur kennt, dieweil er es ſelbſt erfahren hat, 
und ſehr wohl weis, daß das Tichten und Trachten des 
menſchlichen Herzens böſe iſt von Jugend auf; ich ſage — 
wie ſollte es ihm können gleichgültig ſein, gegen der Seelen— 
Wohlfahrt ſeiner Kinder! Nein, ein chriſtlicher Hausvater 
liebt ſeine Kinder nicht nur allein nach der Natur, wie es 
auch recht und billig iſt, ſondern auch vornehmlich nach 
dem Geiſte. 


Sehet Kinder, wenn ein Vater, der ſeine Kinder liebt, 
wie er ſie nach der Natur wirklich lieben ſoll, wenn er ſiehet, 
doß feine Kinder, die noch keine Gefahren kennen, daß ſie 
bei einem gefährlichen Brunnen wären, welcher einfallen und 
ſie mit hinab in die Tiefe ſtürzen könnten, oder auch wo ſie 
in Gefahr wegen dem Umfallen eines Baumes, oder Einſtür— 
zen eines Gebäudes, oder herabfallenden Stück Holzes, oder 
auch mit Pulver und Feuer nahe an Werg und Stroh ſpie— 
leten, wodurch nicht nur allein ſie, ſondern auch Vater und 
Mutter mit ihnen des Todes ſterben könnten, und zwar 
Augenblicklich, und dann auch a Das Teuer Alles vers 
heeret würde was ſie beſäßen; ich ſage — würde er nicht 
mit Angſt, Schrecken und Furcht erfüllet werden, wegen der 
Lebensgefahr, nicht nur allein wegen ſeinen Kindern, ſondern 
auch wegen ſich ſelbſt und Allem, was er hat. 

Allein ich frage euch ihr Kinder, würde er dann wohl dieſe 
Furcht in ſeinem Herzen verſchließen ohne hin zu eilen, und 
ſeine Kinder nicht der Gefahr entreißen, welche ihnen und 
ihm ſelbſt droht? O warlich! er würde in möglicher Eile, 
ja wenn er fliegen könnte würde er es thun, um ſeine Kin— 
der der Gefahr zu entreißen, welche ihrem Leben droht, und 
dann würde er warlich nicht in ceremonaliſcher Form und 
Kälte des Herzens, mit Gleichgültigkeit ihnen ihre Gefahr 
vorſtellen, und es ihnen lau und kalt verbieten, es nicht 
mehr zu thun; nein, unter Angſt und Furcht wegen ihrem 
natürlichen Wohl, würde er mit zitternden Worten ihnen 
ihre Gefahr unter Augen ſtellen, worinnen ſie ſtünden; 
er würde es ihnen mit allem möglichen Ernſt ſuchen einzu— 
prägen, wie groß die Lebensgefahr ſei, mit ſolchen Sachen 
zu ſpielen und zu tändlen, um ſolche Sachen zu nahe zuſam— 
men zu bringen, als Pulver, Feuer, Stroh und Werg; er 
würde es ihnen mit allem möglichen Ernſt verbieten, und 
zwar mit ſcharfen Drohungen. 

Allein betrachtet die Sache nun im Geiſtlichen! Sehet, 
in welch einem ungleich höheren Werth ſtellt Jeſus ſelbſt die 
Seele dar, gegen dem Natürlichen; er ſagt, Mareus, 8. K. 
36.: „was hülfe es, wenn der Menſch die ganze Welt ges 
wönne und nähme Schaden an ſeiner Seele?“ Sehet, hier 
ſtellt Jeſus den Werth der ganzen Welt gegen den Werth der 
Seele und fragt, oder was kann der Menſch geben, damit 


— 1 


er ſeine Seele löße? Sehet Kinder, dies ſiehet der chriſt— 
liche Hausvater wohl, er kennet den unausſprechlich höheren 
Werth der Seele wohl; er ſiehet und erkennet, daß er eine 
doppelte Pflicht zu erfüllen hat, ſie zu warnen vor allem 
natürlichen Uebel, womit ſie könnten beſchädigt werden. 
Aber vielmehr ſo im Geiſtlichen, denn er weiß, daß die 
Pflichten, welche der Allmächtige durch die Apoſtel auf ihn 
gelegt hat, die will er auch von ihm erfüllt haben. Er zie— 
het daher in wahrer chriſtlicher Liebe und Vorſicht ſeine 
Kinder auf in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. 

Er ſtellt ihnen die Gefahr vor, derer, welche wirklich ihr 
Fleiſch ſammt den Begierden kreuzigen wollen, und fliehen 
jeder Gelegenheit, wo allerlei Unreinigkeiten getrieben werden 
können. Dieweil der Satan jede Seele umſchleicht, und 
ſchießt die Pfeile der Unkeuſchheit nur zu oft in die Seelen, 
welche ſolche Gelegenheiten fliehen, wo Unreinigkeit aller Art 
ſammt der Hurerei getrieben wird. Aber dann ſtellt er ihnen 
auch mit Ernſt und Deutlichkeit vor, die Gottloßigkeit, die 
Ungebundenheit und Zügelloßigkeit derer, welche in Worten 
und Geſprächen der Unzucht nichts weniger zeigen als Chri— 
ſtenthum, allwo der Weg der Wahrheit durch ſolche verlä— 
ſtert wird. Er ſtellt ihnen vor, wie dort bei ſolchen Zu— 
ſammenkünften, wo die Jugend nur des Nachts zuſammen 
gelockt wird, die Rohheit in unzüchtigen Geſprächen überhand 
nimmt, wo die Brunſt auf beiden Seiten geſteigert wird 
durch die unreinen Geſpräche, und dann ſich Paaren um der 
Unzucht und allerlei Unreinigkeit, ſo wie der Apoſtel ſagt: 
„in den Kammern ihrem geilen Fleiſche auf allerlei Art den 
Willen laſſen, und dem Fleiſch ſeinen Willen auf dieſe oder 
jene Art thun.“ 

Sehet Kinder, der chriſtliche Hausvater findet ſich aus 
herzlicher Liebe und Pflicht gedrungen, ſeine Kinder zu war— 
nen vor ſolchen unnöthigen Zuſammenkünften, welche abſicht— 
lich von der Jugend mit Freuden aufgenommen wird, bloß 
um dem lüſternen böſen Fleiſche zu dienen. Er ſtellt ihnen 
vor, wie der Allmächtige einen Greuel, Abſcheu und Eckel 
an ſolchen hat, welche gleich wie die Amoriter und Cananiter 
ſich verſchulden mit Hurerei, Unzucht und allerlei Unreinig— 
keit. Er lehret ſie, daß ſie allezeit in der Furcht Gottes 
leben ſollen, und ſollen zu Gott bitten, daß er ſie geleite und 


8 


führe, und bewahre vor allem Uebel. Aber dann ſtellt er 
ihnen auch vor, daß ſie ihren Willen auch Gott ganz über— 
geben müſſen, und nicht ihnen ſelbſt, nehmlich: nicht nach 
dem Willen ihres Fleiſches leben. 

Jetzt liebe Kinder, betrachtet meine Darſtellungen wegen 
der Pflicht eines Vaters, um ſeine Kinder in der Zucht, 
und nicht in der Unzucht aufzuerziehen, prüfet meine Dar— 
ſtellungen mit dem Worte Gottes, und meſſet es mit dem— 
ſelbigen, und wenn euch dies Prüfen, dies Unterſuchen ein 
wahrer Ernſt iſt, warlich ſo findet ihr dort noch vielmehr, 
wobei ihr im klaren Lichte der Wahrheit ſehen und erkennen 
könnet, wie hoch nöthig es ſei, für den chriftlichen Hausva— 
ter, daß er ſeine Kinder auferziehet in der Zucht und Ver— 
mahnung zum Herrn. Allein dann findet ihr auch, daß 
ihr warlich große Urſache habt, um eurer Seelen Seligkeit 
willen, ſolche Gelegenheiten, ſolche Plätze, ſolche Zuſam— 
menkünfte zu meiden, und euch nicht in eine Gefahr der 
Seele zu begeben, denn nur zu oft wird jenes Sprüchwort 
wahr: „wer ſich in Gefahr begiebt, der kommt darinnen um.“ 

Sehet aber jetzt, und betrachtet die Sache von der andern 
Seite: wenn ein Hausvater feine Kinder nicht auferziehet 
in der Zucht, und auch nicht in der Vermahnung zum Herrn. 
Denn ihr ſelbſt ſehet und erkennet, daß Zucht und Vermah— 
nung zum Herrn bei den Kindern zuſammen gehören, und 
dürfen nicht von einander getrennt werden. Wenn anders 
der Vater ſeine auf ihm liegende Pflicht erfüllen will, wenn 
er aber nun dies verſäumt, was wird dann aus ſeinen 
Kindern? Sehet werthe Kinder! wenn auch der Vater 
ſeine Kinder auferziehet, aber ohne Vermahnung zum 
Herrn, wenn er ſie ſo erziehet, indem was er Zucht nennt, 
und ſie nur thun, wo er ſie hin ruft, und an eine Arbeit an— 
ſtellt, wenn ſie ihm folgen ſo lange ſie unter ſeiner Zucht— 
ruthe ſind, ſo iſt aber dies warlich noch lange nicht alles, 
was zur bürgerlichen Zucht gehört, geſchweige, daß es eine 
Zucht ſein ſollte, die Derjenigen gleich wäre, ſo wie ſie uns 
in der heiligen Schrift beſchrieben iſt. Denn ſehet, der Va— 
ter, der ſeine Kinder nur in der bürgerlichen Zucht erziehet, 
ſiehet nur auf die Chre der Welt; denn er hält ſeine Kin— 
der ab vom Lügen, und warum? Dieweil es keinem Vater 
eine Ehre iſt, wenn ſeine Kinder als Lügner in der Welt 


8 


ausgeſchrieen werden; er warnt ſeine Kinder vor der Unzucht, 
und warum? Dieweil er nicht gern die Schande mit ſeinen 
Kindern vor der Welt hat, und ſo wie es mit dieſen beiden 
Stücken iſt, ſo iſt es auch mit allen andern. Ein Solcher 
iſt nur der Ehre der Welt bedacht, er ziehet ſeine Kinder auf 
in Manieren, zu Höflichkeiten, warnt ſie vor Betrug und 
Diebſtahl, in Summa: er ziehet ſie ſo auf, daß wenn ſie 
ſeine Lehre befolgen, daß ſie wirklich in der Welt als gut 
geſittete Menſchen angenommen und gehalten werden, wel— 
ches alles recht und gut iſt. 

Allein wenn es nun iſt, daß ſie nicht in der Vermahnung 
zum Herrn angehalten und unterwießen werden, o wie ſollen 
Solche für das Heil ihrer Seele ſorgen, wie ſollen Solche ſich 
vorbereiten auf jene Welt, wovon ihre Eltern ihnen nichts 
lehreten noch unterrichteten? Sehet Kinder, wo bringen ſich 
ſolche Eltern ſammt ihren Kindern hin, obſchon ſie bürgerlich 
gut lebten, und von allen Menſchen geliebt und geſchätzt 
würden, wie können ſolche dort am jüngſten Tage beſtehn 
vor Demjenigen, der ihnen das Gebot auferlegte: „ziehet 
eure Kinder auf in der Zucht und Vermahnung zum Herrn“? 


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Berichtigung 


an meine Kinder. 


Geliebteste und wertheste Kinder! 

Die Urſache, welche mich bewog, die folgenden Rei- 
men zu ſchreiben, würde zwar wohl während dem Leſen 
von euch erkannt werden; jedoch vielleicht nur zum 
Theil. Kaum würdet ihr die wahre Urſache errathen, 
welche mich zum Schreiben trieb, welche ich euch hier 
offenbare. Jeder treue unpartheiiſche Chriſt 
weis, daß es eines jeglichen chriſtlichen Hausvaters 
unnachläßliche Pflicht und Schuldigkeit iſt, feine Kin⸗ 
der auf zu erziehen, in der Zucht und Vermahnung 
zum Herrn, und ſie zu warnen vor Allem, was ihren 
Seelen ſchädlich iſt, und ihnen mit feierlichem Ernſt 
anzeigen, daß ſie das Heil ihrer Seelen in der Gna— 
denzeit nicht verſcherzen ſollen. Dieweil ich aber kränk— 
lich, ſchwächlich und ſehr gebrechlich bin, und ihr, meine 
Kinder, noch nicht alle erwachſen ſeid, und ich auch 
nicht weis, ob ich es erlebe, daß ich euch alle erwachſen 


„ 


ſehen kann, um je nach Bedürfniß der Zeit, ſo wie ihr 
zu Alter, Jahren und Verſtand kommet, euch zu un— 
terrichten in dem, was euren Seelen dienlich iſt, ſo 
gedachte ich, dieweil ich nicht weis, wann der Herr des 
Hauſes mich abruft, euch dieſe folgenden Lehren, Unter— 
richt und Warnungen in Reimen zu ſtellen, weder im 
Schmuck noch Glanz, nur das Wahre faßlich für euch 
darzuſtellen. Allein mit Wiſſen oder Willen habe ich 
nirgends mit Natur-Eifer gegen die im Schwunge 
gehende Irthümer, Fehltritte, und Bosheiten geſchrie— 
ben. Nur war mein Herz mit großer Beſorgniß und 
Kummer erfüllet wegen euch, wegen den vielen Netzen 
und Fallſtricken, welche auf allen Seiten geleget ſind, 
nicht nur allein um jugendliche Gemüther in die Fall— 
ſtricke der fleiſchlichen Lüſte zu locken, ſondern auch 
wenn ſie zum Nachdenken kommen, ſtehen auf einer 
Seite fanatiſche Irthümer, auf der andern Seite 
beiſpielloſe Gleichgültigkeit und Kälte im Chriſtenthum, 
allwo viele der Lehrer die Jugend nur ſuchen in die 
Formen zu zwängen, ohne Geiſt, und ohne Erkenntniß, 
und auf der dritten Seite ſtehet der Unglaube, und 
beſtreitet das wahre Chriſtenthum ſammt den kal— 
ten Laodieäiſchen und Fanatiſchen mit Hohn 
und Spott. 

Dieſe Anſichten bekümmerten meine Seele und br ach⸗ 
ten mich auf den Gedanken, euch in Reimen zu war— 
nen, euch zu vermahnen, daß ihr euch hütet vor fleiſch— 
lichen Verführungen und vor allem andern. Daher iſt 
mein herzliches Verlangen, nicht nur fol gende Reimen 
zum Zeitvertreib zu leſen, ſondern ſie im Herzen zu 
überlegen und mit Gottes Wort abzumeſſen, und euch 
hinzuwenden zu dem Gnaden ſtuh l, den der Allmäch— 
tige ſelbſt zu ſeiner rechten Hand im Himmel geſetzt 
hat. Und wenn ihr dies thut, daß ihr euch mit Ernſt 
zu Jeſu wendet, und Sehet die Reinigung eurer See— 


ar 
len durch fein Blut zu erlangen, und ihm getreu nach— 
zufolgen bis an euer Ende, ſo iſt nicht nur allein mein 
Zweck erreicht, ſondern ich ſtehe auch in der Hoffnung, 
daß Jeſus euch dann am Gerichtstage aus Gnade zu 
ſeiner Rechten ſtellen wird. Gerne übergebe ich euch 
nun das Ganze mit einem gottergebenen Herzen zu 
prüfen, das Beſte zu behalten und meine Fehler zu 
verbeſſern. 
So geſchehen, den Iten Januar 1842. 
Von eurem euch herzliebenden Vater 


George Jutzi. 


Zur Betrachtung 


meiner Kinder gefchrieben- 


ar 


Großer Gott erhör die Bitte, 
Neig zu mir dein Angeſicht, 

Komm beſuche meine Hütte, 
Die vielleicht jetzt bald zerbricht! 


Laß mich Gnade vor dir finden, 
Waſch mich rein mit Jeſu Blut, 

O, vergieb mir meine Sünden 
Und halt mich in deiner Hut! 


Laß dein Geiſt mein Herz regieren, 
Daß mein Werk und dies mein Thun 
Mög' die Kinder dahin führen, 

Dir zu geben Ehr und Ruhm! 


Und dich ſtets als Vater ehren, 
Jederzeit in jeder Noth; 

Sich von Herzen zu dir kehren 
Und fromm bleiben bis zum Tod! 


O bewahre du mein Herze 
Vor Verführung, falſchem Licht, 

Zünd' in mir an deine Kerze, 
Und hilf mir wo mir's gebricht! 


er 


Ach erfülle meine Seele 
Nun mit Weisheit und Verſtand, 
Daß ich kann dein Werk erzählen, 
Welches du aus Gnad geſandt! 


Hört ihr Kinder, nehmt zu Herzen, 
Merket wohl auf Gottes Rath, 

Damit ihr entgeht den Schmerzen, 
Am Gericht nach eurem Tod! 


O! Wer kann den Ernſt abmalen, 
Wenn Gott droht mit Fluch und Tod, 

Wer kann dem die Schuld bezahlen, 
Dem, der übertreten hat? 


Erd' und Himmel müſſen beben, 
Alles Fleiſch in Zittern ſtehn, 

Keine Seele konnte leben, 
Wann er ließ ſein Zorn ausgehn. 


Ob gleich Sonne, Mond und Sterne, 
Noch ſo ſtehn wie Gott ſie ſchuf, 

Alle Thiere in Nah und Ferne 
Folgen treulich ihrem Ruf. 


Sammt den Waſſern und Jahreszeiten 
Folgen treulich nach Gebühr, 

Gottes Weisheit auszubreiten 
Und zu Gottes Lob und Ehr. 


Nur der Menſch nach Gott geſchaffen, 
Mit Vernunft und Heiligkeit, 

Er ergriff die Hochmuths-Waffen 
Und war zum Abfall bereit. 


Da er doch als Herrſcher thronte 
Ueber alle Creatur, 

Und das Paradies bewohnte, 
Folgt Lucifer in der Spur. 


= M 


Da ihm doch das ewige Leben, 
Paradieſes Herrlichkeit, 

Ward vom Schöpfer übergeben 
Bis in alle Ewigkeit. 


Ließ ſich zu Hochmuth verleiten, 
Wollte gleich ſein ſeinem Gott, 

Da doch Gott auf allen Seiten 
Ihm gab Warnung und Gebot. 


Dieſen Baum ſollt ihr nicht rühren, 
Der beim Baum des Lebens iſt, 

Er thut euch zum Todte führen, 
Wenn ihr Früchte von ihm ißt. 


Und ihr müßt des Todtes ſterben, 
Wenn ihr nicht halt' mein Gebot; 

Doch zu ſeiner Seel Verderben, 
Aß der Menſch zu ſeinem Tod. 


Und die Millionen Heerden 
Aller Menſchen ohne Zahl, 

Die von ihm geboren werden, 
Sind begriffen in dem Fall. 


Jeder folgt des Adams Schritte, 
Stürzt durch Sünde ſich in Noth, 
Daher zeugen unſre Tritte, 
Daß wir liegen in dem Tod. 


Alle thut der Tod hin nagen, 
Jeder Baum auch nicht vergißt, 
Daß er ſolche Früchte trage, 

Gleich als wie er ſelber iſt. 


O, wie iſt der Menſch gefallen, 
Der doch war ein Gottes Kind, 

Keine Zunge kann aus lallen 
Dieſen Hochmuth, Fall und Sünd. 


— Be 


Jenes Reich hat er verloren, 
Welches Gott aus Liebe gab, 

Und was Hochmuth ſich erkoren, 
Ward zu feiner Seelen Grab. 


Wer konnt nun die Menſchen retten, 
Von der Sünde Fall und Schuld, 
Wer konnt zu Jehova treten, 
Zu erlangen erſte Huld? 


Wer konnt jenes Engels Waffen 
Widerſtehn mit Schwert und Spieß, 
Um den Eingang zu verſchaffen 

In's verlorene Paradies? 


Wer war ſtark zu überwinden, 
Und zu liefern eine Schlacht 

Mit dem Tod, und ihn zu binden, 
Und zu nehmen ſeine Macht? 


Iſt wohl eine Seel zu finden, 
Unter aller Völker Zahl, 

Die nicht iſt befleckt mit Sünden, 
Und kein Theil hat an dem Fall — 


Die auch das Vermögen hätte, 
Auszulöſchen unſre Schuld, 

Gern ſich ſtellt an unſre Stätte, 
Zu erlangen Gottes Huld? 


Wer prüft alle Millionen, 
Aller Völker in der Melt, 

Die die weite Erd bewohnen 
Unter Gottes Himmels Zelt? 


Wer kann ihre Zahl erlangen, 
Wer kann prüfen, wer vermag, 

An dem erſten Menſch anfangen, 
Bis zum End am jüngſten Tag? 


— 


Keine Seele kann ergründen, 
Aller Menſchen große Zahl, 

Der Verſtand der Menſchen Kinder 
Iſt zu klein in dieſem Fall. 


Würde Jemand ſich Lermeſſen, 
Um die Völker Zahl erſpähn, 

O, ſo blieben ihm vergeſſen, 
Tauſende der Völker ſtehn. 


Ungezählt im Ueberſinnen, 
Die die Dunkelheit birgt ein, 

Hier muß der Verſtand zerrinnen, 
Denn er iſt zu ſchwach und klein. 


Iſt's unmöglich aus zu ſprechen, 
Eine ſolche Menſchen Zahl? 

Großer Gott wer kann berechnen 
Jedes Laſter, Sünd und Fahl! 


Wer kann ſeine Sinne lenken, 
Sie zu ſtellen in die Reih, 

Und nun bei ſich überdenken, 
Ob hier noch Verſöhnung ſei? 


Denn bei Jedem iſt zu finden, 
Von der Wiege bis zur Bahr, 

Eine ſolche menge Sünden, 
Mehr als auf dem Haupt das Haar. 


Hier iſt eine Sünden Menge 
Aller Menſchen ohne Zahl; 

Ja die Welt war viel zu enge, 
Viele tauſend, tauſend Mal. 


Menſchen müſſen hier verſtummen, 
Wann ſie ſehen ſolche Zahl, 

Und doch vor Den müſſen kommen, 
Der ſie warnte vor dem Fall. 


= 


Scheint uns eine klein als Saamen, 
Iſt doch jede groß genug, 

Daß der Höchſte ſie verdamme, 
Um der Seel zu bringen Fluch. 


Brachte ſchon die eine Sünde 
Adam dort den Fluch am Fall, 

O wie wird es uns am Ende 
Gehn mit unſrer Sünden Zahl! 


Wo ſie all in Sünden ſchweifen, 
Im Abfall mit ihrem Thun, 

Und zuletzt die Sünden häufen 
Bis hinauf zu Gottes Thron. 


Ach mein Gott, iſt keine Quelle, 
Die hier alle Sind weg waſcht, 

Bleiben alle Menſchen Fälle 
Bis ſie dein Gericht erhaſcht? 


Kann ſich keine Seele retten, 
Sich zu helfen aus der Noth, 

Keiner für den Andern bitten, 
Ihm zu helfen von dem Tod? 


Iſt im Himmel und auf Erden 
Denn kein Mittel mehr vor Gott, 

Wodurch könnt geholfen werden, 
Zu erlößen von dem Tod? 


Nein, denn Tod und das Verderben 
Hatte ſich der Menſch erwählt, 
Uebertretung mußte erben, 
Daß, worin er ſich verfehlt. 


O, iſt dann hier kein Erbarmen, 
Muß die Welt im Fluch vergehn, 

Und die Seelen in den Armen 
Jener Pein die Qual ausſtehn? 


a 


Ewig dort von Gott verlaſſen, 
Ew'ger Tod für unſern Fall, 

Ohne Troſt von Gott verlaſſen, 
Hin zur ew'gen Höllen-Qual. 


Weint kein Engels Mileidsthränen 
Dort vor Gottes Angeſicht, 

Sie dem Vater darzulegen 
Zu verſchonen am Gericht. 


Ach, wer naht ſich zu dem Sitze 
Wo der ew'ge Schöpfer wohnt, 

Wo die Donner und die Blitze 
Stets ausfahren wo er thront? 


Und die langen Feuerſtrahlen 
Stets mit Majeſtät ausgehn, 

Ja zu tauſend tauſend Malen 
Engeln ihm zu Dienſten ſtehn? 


Wo des Stuhles Räder rollen 
Stets im Feuer, Licht und Pracht, 

Und die Cherubin ihm zollen 
Unaufhörliches Lob der Macht? 


Wer darf hin ins Dunkle brechen, 
Vor die Allmacht hinzuſtehn, 

Und für die Rebellen ſprechen, 
Und um Gnade für ſie flehn? 


Wer darf ſich zu ihm hin wagen, 
Wenn das Urtheil er gemacht, 

Und ihm ohne Schrecken ſagen: 
Zu verändern was er ſagt? 


Wer iſt kühn und weiß im Rathen, 
Engel, Menſchen, Creatur, 

Mächtig weiße in den Thaten 
Hier zur Hülfe zeigen Spur? 


— Bi 


Nein, im Himmel und auf Erden, 
War kein Mittel außer Gott, 

Wodurch könnt geholfen werden, 
Von dem ew'gen Fluch und Tod. 


Denn, was Gott einmal geſprochen, 
Muß beſtehn in Ewigkeit, 

Keine Sünd blieb ungerochen, 
Weil er mit dem Tod gedräut. 


Alles ſchaut mit bangen Blicken 
Hin zur dunklen Ewigkeit, 

Wo Gott will im Zorn vollſtrecken, 
Denen er den Tod gedräut. 


Schwere Angſt und tauſend Thränen 
War kein Opfer für den Fall, 
Und was half das bange Sehnen, 
Aechtzen, Stöhnen, Seufzerhall. 


Furcht und Zittern ſammt Wehklagen 
Dort vor Gottes Angeſicht, 
Händeringen, Seelenzagen 
Helfen nichts an dem Gericht. 


Ach! wer hätt' auch helfen können, 
Gott allein hat ſolche Macht; 

Kein Geſchöpf konnt ſie verſöhnen, 
Menſchheit lag in Tod's-Ohnmacht. 


Sollte daher Jemand rathen, 
Mußte es der Vater thun, 

Oder helfen durch die Thaten, 
Muſt's geſchehen zu Gottes Ruhm. 


Sollten ſie nun Gnade finden, 
Und Vergebung ihrer Schuld, 

Frei gemacht von ihren Sünden, 
Warlich dann wars Gottes Huld. 


u BR — 


Sollt Jemand den Fall aufrichten, 
Dann bedurft es Gottes Kraft, 

Und dann unſere Sünden ſchlichten, 
Dann war's Gott, der's ſelber ſchafft. 


Sollte Jemand überwinden, 
Den, der ſie zum Fall gebracht, 

Und ihn dann mit Ketten binden — 
Dann bedurft es Gottes Macht. 


Sollte Jemand ſie verſöhnen, 
Und befrei'n von Fluch und Tod, 

Und abwaſchen ihre Thränen — 
Dann war's Gott, der's ſelber thut. 


O! ſeht dort das Licht der Gnade, 
Welches Gott den Menſchen zeigt, 

Nach dem Abfall ſeinem Rathe 
War Gott noch zur Huld geneigt. 


Ohne ſein Wort zu brechen, 
Doch zu zeigen ſeine Gnad, 

Aber ſich an dem zu rächen, 
Der den Menſch verführet hat. 


Denn Gott wollt es ſo vollſtrecken, 
Indem er zum Satan ſprach: 

„Ich will einen Saamen wecken, 
Der ausübet meine Rach.“ 


„Er ſoll dir den Kopf zertreten, 
Er ſoll nehmen deine Macht, 

Und von deiner Hand erretten, 
Die du haſt zum Fall gebracht.“ 


Großer Gott! wer kann ergründen 
Deine Liebe Gnad und Treu, 
Wer kann hier nur Worte finden 
Deiner Huld wie groß fie ſei! 
7 


12 


Sammt der Langmuth und Erbarmen, 
Die den Menſchen ward zu Theil, 

Da du deine Liebes Armen 
Oeffneteſt zu ihrem Heil. 


Keine Seele kann ermeſſen, 
Deiner Gnad Barmherzigkeit, 

Ewig bleibt es unvergeſſen, 
Womit Du uns haſt erfreut. 


Schwere Berge fielen nieder, 
Von der Menſchen Seele dort, 

Als du deine Güte wieder 
Ließeſt blicken durch dein Wort. 


Höllenangſt und ſchwere Sünden, 
Strafe, Pein, ſammt Fluch und Tod, 

Wurd gemildert im Verkünden, 
Als dem Satan wurd gedroht. 


Wer vermag hier zu erzählen, 
Deine Weisheit deine Macht, 

Wodurch du der Menſchen Seelen 
Gnad und Leben zugeſagt? 


Ganz unmöglich iſt uns allen, 
Dich zu loben nach Gebühr, 

Unſer beſtes Thun iſt Lallen, 
Nur zu ſtammlen deine Ehr. 


Und der beſten Redner Willen 
Reicht nicht hin in dieſem Stück, 

Nein, er kann es nicht erfüllen, 
Sondern er bleibt weit zurück. 


Zwar die Seel kann wohl empfinden 
Deinen Troſt in Worten hier, 

Aber keine Worte finden, 
Dir zu danken nach Gebühr. 


Wegen dieſem Weibes Saamen, 
Den du giebſt aus Lieb und Huld, 

Der uns dann zu deinem Namen 
Auch verläßt — den Fall und Schuld. 


Aengſtlich harrten viel mit Schmerzen, 
Doch in Hoffnung dieſes Heils, 

Denn ſie glaubten in dem Herzen 
Noch zu erben deines Theils. 


Sehnen, ſuchen und nachſpüren 
Trieb zum forſchen nach der Zeit, 

Wann du würdeſt das ausführen, 
Was du hatteſt angedeut. 


Wurden nicht im Glauben müde, 
Harreten viel lange Jahr, 

Weil du deine große Güte 
Schon erzeigt am erſten Paar. 


Oftmal mußte auch ein Hirte 
Das Verheißene erneu'n, 

Daß es endlich kommen würde, 
Um ſich ewig zu erfreu'n. 


Ob den Leib auch Würmer nagen — 
Denn dies iſt des Fleiſches Los — 

Wird der Gläub'gen Seel getragen, 
Doch ins gläub'gen Abrahams Schooß. 


Endlich war die Zeit verloffen, 
Daß der König kommen ſollt, 

Der der Menſchen ſehnlich Hoffen 
Sollt erfreu'n durch ſeine Huld. 


Der die Menſchen ſollt erretten 
Von der Sünd und Todes-Kraft, 

Und der Schlangen Kopf zertreten, 
Und ihm nehmen ſeine Macht. 


— 100 — 


Der des Satans Schloß und Riegel 
Sollt zerbrechen mit Gewalt, 

Und auf jenem Sieges Hügel 
Sollt erlöſen Jung und Alt. 


Davids Stuhl mit Ehren nehmen, 
Dorten herrſchen als ein Held, 

Gleich wie Gott es ihm gegeben, 
Als ein Segen für die Welt. 


Im Triumpf nach Königs Sitte, 
Als ein Held ſich laſſen ſehn, 

Und dann in der Menge Mitte 
Als ein Hoherprieſter flehn. 


Mit dem Opfer alle Sünden, 
Alle Uebelthat und Schuld, 

Aller Menſchen zu entbinden, 
Und erlangen Gottes Huld. 


Der für aller Seelen Leben 
Sollte Opfern auf der Glut, 

Und den Vorhang auch aufheben, 
Und eingehn mit Opferblut. 


Ja den ganzen Fall aufrichten, 
Alle Menſchen machen frei, 

Fried' mit Gott dem Vater ſtiften, 
Daß die Welt verſöhnet ſei. 


Wie dies alles ſollt geſchehen, 
Alles nur durch einen Mann, 

Dieſes hoffen viel zu ſehen 
Und auch Theil zu nehmen dran. 


Wie er ſollt dies Werk ausführen, | 
Auszulöſchen Miſſethat, 

Und als König dann regieren, | 
Ganz allein nach Gottes * A 


— 101 — 


Hört den Tumult durch die Thore 
Aus Jeruſalem der Stadt, 

Die der Höchſte ſich erkoren, 
Und zum Zweck erwählet hat — 


Wo das Werk jetzt ſoll geſchehen, 
Wie er mit dem Satan ringt, 

So daß Jeder hier kann ſehen, 
Wie er Gott ein Opfer bringt! 


Hört den Jubel jener Menge, 
Die da ſtrömt dem Berge zu, 

Seht das Treiben und Gedränge, 
Alle eilen mit Unruh! 


Weiber, Kinder, Mägd und Knechte, 
Prieſter, Herr, der ganze Rath, 

Ja das ganze Weltgeſchlechte 
Will beſehen dieſe That. 


Dort will man den König krönen, 
Den Beherrſcher aller Welt, 

Dort will er die Welt verſöhnen 
Ohne Gold und ohne Geld. 


Dort will er der Welt jetzt zeigen, 
Daß vor ſeinem ſtarken Arm 

Sich muß Tod und Hölle beugen, 
Und der ganze Geiſter Schwarm. 


Man wird ihn dort hoch begrüßen, 
Daß er kommt mit ſeiner Macht, 

Dort das Paradies aufſchließen, 
Welch's ein Engel ſtets bewacht. 


O, laßt uns im Geiſt hineilen 
Zu der Menge, wo allda 

Jetzt den König ſiehet weilen 
Auf dem Berge Golgatha! 


— 102 — 


Bietet dort nach Königs Rechte 
Jedem Kommenden Huld, 

Ja dem ganzen Weltgeſchlechte 
Wird vergeben ihre Schuld. 


O, laßt uns mit ernſten Schritten 
Eilen dort den Berg hinauf, 

Und ſehn, wie in ihrer Mitte 
Ihn jetzt ehrt der Prieſterhauf! 


Deſſen Vorbild hier ſie waren, 
Als ein Schatten von dem Licht, 

Daher wollen jetzt die Schaaren 
Sehn, wie er es ſelbſt verricht. 


O, laßt uns im Geiſt hin eilen, 
Sehn wie er dies Werk ausführt, 

Und nicht länger hier verweilen 
Bis wir ſehn wie man ihn ehrt! 


Denn, wie kann man ſich erwehren, 
Dos man nicht mit Lieb und Huld 
Sollt den großen König ehren, 
Der uns doch erlößt von Schuld. 


Und will uns dort ganz befreien, 
Dort am jüngſten Welt-Gericht, 

Uns bekleiden ganz von Neuem, 
Dort vor Gottes Angeſicht. 


Laßt uns jede Ehr ihm zeigen, 
Die dem König hier gebührt, 

Und vor ihm die Kniee beugen 
Bis uns ſeine Gnade wird. 


Laßt uns ihm zu Fuße fallen, 
Und ihn bitten um Geduld, 

Daß ſein Zepter dann uns allen, 
Uns berührt, und ſchenkt die Schuld. 


— 103 — 


Doch der Menſchen große Menge, 
Die da ſtrömen ſtets heran, 

Machen hier den Raum ſo enge, 
Daß man kaum zum König kann. 


Laßt uns mit Gewalt durchdringen, 
Bis daß wir zum Thron gelangt, 

Alle Hinderniß bezwingen, 
Bis wir ſehen wie er prangt. 


Großer Gott! O welch ein Schrecken 
Füllt jetzt hier mein banges Herz, 

Was bedeut dann jenes Necken, 
Jener Spott ſammt Pein und Schmerz? 


Denn ganz unerwarte Sachen 
Stellt ſich meinen Augen dar, 

Seht die Prieſter höhniſch lachen, 
Eben ſo die ganze Schaar. 


Wo ich meinen Blick hinrichte, 
Seh' ich Spott und Uebermuth, 

Und von Zorn entſtellt Geſichte 
Ganz erfüllt mit bittrer Wuth. 


O wo ſoll ich mich hinwenden, 
Weil ich kaum kann ſtehen hie, 

Schüttern mir faſt meine Lenden, 
Weil ich ſolche Bosheit ſieh'! 


Dort ſeh' ich den König hangen, 
Den gerechten Gottes Sohn, 

Da er ſollt in Würde prangen, 
Kreuzigt man mit Spott und Hohn. 


Mir wird in dem Herzen bange, 
Wann ich ſehe dies Gericht, 

Denn er hängt wie Moſes Schlange 
Hier vor unſerm Angeſicht. 


— 104 — 


Er, den alle Welt ſoll lieben, 

Kreuzigt man jetzt ohne Scheu, 
Und am Kreuze ſteht geſchrieben, 
Daß er ein Juden⸗König ſei. 


Er ſollt ſitzen auf dem Throne, 
Und regieren mit der Ruth, 
Trägt zum Spott die Dornenkrone, 
Iſt befleckt mit Koth und Blut. 


Hört ſie rufen hin und wieder: 
„Biſt du Chriſtus Gottes Sohn, 
Dann ſo ſteige eilend nieder, 
Und hilf dir zu deinem Thron.“ 


„Haft du Andere deine Kräfte 
Laſſen ſehn und oft ergötzt, 

Dann laß jetzt auch deine Mächte 
Dir am Kreuze helfen jetzt.“ 


„Kannſt du jetzt den Tempel brechen, 
Jetzt mit deiner ſtarken Macht, 

Kannſt du halten dies Verſprechen, 
Gleich wie du uns zugeſagt?“ 


„Steig vom Kreuz vor unſren Augen, 
Wenn du doch biſt Gottes Sohn, 

Dann ſo wollen wir dir glauben, 
Daß dir auch gebührt der Thron.“ 


„Du haſt oft in deinem Leben 
Es geſaget frank und frei, 

Gott hab' dir Gewalt gegeben, 
Ja, daß er dein Vater ſei.“ 


„Ruf zu Gott, daß er dich höre, 
Wann du Gottes Sohn doch biſt, 
Daß er deine Bitt gewähre, 
Und dir hilft wann's ihn gelüſt.“ 


105 — 


Hört den frechen Mörder fragen: 
„Biſt du Chriſt, hilf uns und dir!“ 

Doch der Andre kanns nicht tragen, 
Sondern ſtraft ihn nach Gebühr. 


Richt zu Jeſu ſeine Bitte, 
Bittet ihn herzinniglich: 

„Kommſt du einſt in deine Hütte,“ 
Spricht er, „ſo gedenk an mich!“ 


Gnad verſpricht das Heil dem Sünder, 
Ach, er war ja Lebens-Fürſt, 

Obſchon ihn nicht quälte minder 
In den Schmerzen heißer Durſt. 


O, ihm möcht das Herze ſpalten, 
Als ſie ihm in Durſt und Noth, 

Gall und Eſſig nur hin halten, 
Ihm zu zeigen ihren Spott. 


Großer Gott, iſt denn kein Ende 
Dieſer Marter, Pein und Qual, 

Muß er trinken im Elende 
Dieſe bittre Hefen all! 


Ach! O ſeht die bangen Schmerzen, 
Wie er mit dem Tode ringt, 

Und ſein Aechzen aus dem Herzen, 
Zu Gott in den Himmel dringt. 


O mein Gott hör du dies Schreien 
Das dein Sohn am Kreuze thut, 

Ach den Jammer zu erneuen, 
Bleibt er ohne Troſt im Blut! 


Ach, er muß die Tiefen meſſen, 
Ihm erſcheint kein Troſt noch Licht 

Er muß jetzt alleine preſſen, 
Ohne Hülf' noch Zuverſicht! 


— 16 — 


Willſt du o Vater neigen, 
Dich zu mir in meiner Noth, 

Und mir Troſt in Qual erzeigen, 
Jetzt im jammervollen Tod? 


Zähle Vater meine Striemen 
Sammt den Wunden ohne Zahl, 

Die ich mit dem Geißelriemen 
Wohl empfangen Tauſendmal! 


O! mein Blut und meine Wunden 
machen mir das Herze ſchwach, 

Doch hab ich bei mir nicht funden 
Zu begehren deine Rach! 


Oft heilt' ich die Kranken dorten, 
Daß ſie konnten ſich erfreu'n, 

Jetzt bin ich ihr Schauſpiel worden, 
Und bin ohne Troſt allein. 


Damal wollten ſie mich ehren, 
Kaum hat ich vor ihnen Ruh, 

Jetzt thun ſie das Maul aufzerren, 
Und belachen mich dazu. 


Jetzt ſind alle, die ich liebe, 
Von mir in der Qual entflohn, 
Denn die harten Geißelhiebe, 
Sind ſammt Spott mein Liebes-Lohn. 


Haſt du Vater dich verſchloſſen, 
Nimmſt du mein Gebet nicht an, 

Bin ich denn von dir verſtoßen 
Weil ich kein Troſt ſehen kann? 


Warum haſt du mich verlaſſen, 
O mein Vater und mein Gott, 

Da mich alle Menſchen haſſen, 
Thun mir jedes Leid im Tod! 


— 107 — 


Vater nimm doch an dem Ende, 
Ob ich ſchon den Troſt nicht ſeh', 

Meine Seele in deine Hände, 
Auf daß ich dann auferſteh'! 


O vergieb dem Weltgetümmel, 
Daß im Spott und Hohn mein lacht, 
Laß mich jetzo auf zum Himmel, 

Denn mein Opfer iſt vollbracht! 


Großer Gott, er iſt verſchieden, 
Ach, er hat das Haupt geneigt, 

Und im letzten Blick hienieden 
Hat er Liebe noch gezeigt! 


Rief er doch in größten Schmerzen: 
„Vater, o vergieb es nun, 

Denn ſie wiſſen nicht im Herzen, 
Was ſie hier jetzt an mir thun!“ 


Ach, was hilft das ganze Weſen, 
Denn wir glaubten feſtiglich, 

Er ſollt Iſrael erlöſen, 
Und regieren ewiglich. 


Nun iſt er von hier verſchwunden, 
Durch die Macht der Finſterniß, 

Und wir haben nicht befunden, 
Das, was uns die Schrift verhieß. 


Konnt ihn doch kein Heide haſſen, 
Ja Pilatus noch dazu, 

Wollt ihn frei und ledig laſſen, 
Und ſein Weib hät keine Ruh. 


Sprach: „hab' du mir nichts zu ſchaffen, 
Denn, fürwahr der fromme Mann, 

Wegen ihm konnt ich nicht ſchlafen, 
Uebels hat er nichts gethan.“ 


— 108 — 


Nur der Hoheprieſter Rotte, 
Stellten falſche Zeugen dar, 

Thaten an ihm Schand und Spotte, 
Da er doch in Unſchuld war. 


Hatten ſie's doch ſo erſonnen, 
Daß Pilatus ſehe nicht, 

Wie ſie hier mit Geld gewonnen 
Falſche Zeugen zum Gericht. 


Doch Pilatus wohl ein Heide, 
Rühmte ſich nicht Gottes Kind, 

Doch befand er, daß die Beide 
Wirklich falſche Zeugen ſind. 


Daher ſprach er nun als Richter: 
„Hört ihr Männer mit Geduld, 

Ich hab' als der Sache Schlichter, 
Ihn befunden ohne Schuld.“ 


„Daher zeug ich euch Geſchlechte, 
Als ein Richter ohne Scheu, 

Daß nach Jud- und Heiden-Rechte 
Ich ihn jetzt will machen frei.“ 


„Prieſter, ihr habt eure Würde 
Jetzt entehrt vor aller Welt, 

Eure Zeugen, die ich hörte, 
haben euch ans Licht geſtellt.“ 


„Zeugen die ihr euch erkoren, 
Arten eurem Vater nach, 

Haben vor mir falſch geſchworen, 
Nur zu ſtillen eure Rach'.“ 


Doch was halfen hier die Rechte, 
Die als Richter er von Gott 

Vorſtellt dieſem Mordgeſchlechte, 
Denn ſie forderten ſein Tod. 


— 109 — 


„Soll ich euren König tödten, 
Ohne den Beweis der Schuld? 

Er, der Wahrheit nur kann reden 
Iſt erfüllt mit Lieb und Huld.“ 


„Mein Gewiſſen will nicht leiden, 
Daß ich euren Willen thu' 

Frei iſt er auf allen Seiten, 
Doch laßt ihr mir keine Ruh.“ 


„Hat die Bosheit euch umhüllet, 
Iſt erloſchen jedes Licht, 

Hat der Feind euch ganz erfüllet, 
Daß ihr nicht kennt meine Pflicht?“ — 


„Muß ich Aufruhr unterdrücken, 
Muß ich thun, was euch gefällt,? 

Wallich, ich will nicht vollſtrecken, 
Bis ich euch vor aller Welt —“ 


„Euch das Zeichen werd vollbringen, 
Welches im Geſetze ſteht, 

Denn ich kann euch doch nicht zwingen, 
Zu dem Rechte wie ihr ſeht!“ 


„Seht, ich waſche meine Hände, 
Ich bin rein an ſeinem Blut; 

Unſchuld iſt mein Wortes Ende, 
Darum ſeht, was ihr jetzt thut!“ 


Doch ſie fuhren fort im Toben, 
Forderten hier Jeſu Blut, 

Daß es kommen ſoll von oben 
Ueber ſie als Straf' und Ruht. 


Doch, was hilft das ganze Sinnen, 
Unſre Hoffnung iſt zernicht, 

Und der Glaube will zerrinnen, 
An Propheten und Geſicht, — 


— 110 — 


Welche es ſo treu verheißen, 
Daß der König kommen wird, 

Würde ſeine Macht beweißen, 
Uns abnehmen unſere Bürd. 


Zwar kanns nicht geläugnet werden, 
Wenn man nachdenkt mit Bedacht, 

Daß im Himmel und auf Erden 
Ihm ward geben alle Macht. 


Er konnt' Tode auferwecken, 
Blind geboren machen ſehn; 

Er konnt' jede That vollſtrecken, 
Jeden Lahmen machen gehn. 


Ja, die Teufel mußten weichen, 
Wann er ſprach, ſo war's gethan; 
Alles konnte er erreichen, 
Alles war ihm Unterthan. 


Wind und Wetter mußt verſtummen, 
Wenn er droht mit einem Wort, 

Und die Fiſche mußten kommen, 
Dort zum Netz an einen Ort. 


Ja die Macht konnt' er beweißen, 
Als das Volk dort hungrig war, 

Sie mit Wenig ſatt zu ſpeißen, 
Wohl Neuntauſend an der Zahl. 


Und die Engel Zeugniß gaben, 
Zu den Hirten auf dem Feld, 

Daß wir jetzt den König haben, 
Den Beherrſcher aller Welt. 


Ja, er würd ſein Volk von Sünden, 
Nach der Hoheprieſter Recht, 

Sie von allen ganz entbinden, 
Und das ganze Welt-Geſchlecht. 


— 11 — 


Doch er iſt ja nun geſtorben, 
Ach, was hilft es Alles jetzt, 

Unſre Hoffnung iſt verdorben, 
Welche uns ſo oft ergötzt. 


Wer ſoll jetzt die Seelen löſen, 
Wer hat ſolche Helden-Kraft? 

Niemand leugnet, daß des Böſen 
Stets von Prieſtern wird vollbracht. 


Sind denn Moſes und Propheten 
Ihr Weißagen ganz erfüllt, 

Oder ſind es falſche Reden, 
Oder Träume nur und Bild? 


Doch, o hört den Donner rollen, 
Ohne Wolken, Sturm und Macht, 

Und der Tiefe Schlünde grollen, 
Schütternd, tobend, alles kracht! 


Seht die Felſen ſich zerſchmettern, 
Alles ändert jetzt den Lauf, 

Seht, die Leiber von den Vätern 
Stehn aus ihren Gräbern auf! 


Großer Gott, was will das werden! 
Ach! es ſtürzen Berge ein, 

Es erbebt die ganze Erde, 
Und die Sonn verliert den Schein! 


In Egyptens finſtern Nächten 
Schlug der Würger Viele Tod; 

Kommt es jetzt auf dies Geſchlechte, 
Fängt jetzt an auch unſre Noth. 


Iſt denn alles Licht verloren, 
Weil uns Finſterniß bedeckt, 

Sind wir zum Gericht erkoren, 
Weil Gott Todte auferweckt? 


— 112 — 


Ach, hört dort den Hauptman klagen 
Zur betrübten Krieger Schaar, 

Hört mit bitterm Schmerz ihn ſagen: 
„Warlich dieſer iſt fürwahr —“ 


„Iſt ein Sohn von Gott geweſen, 
Erd und Himmel zeugen dies, 

Denn an Allen kann man's leſen, 
Daß die Sache iſt gewiß.“ 


Ach, geht denn jetzt Alles unter, 
Weil der Heiland iſt zernicht, 

Nein, o ſeht das große Wunder, 
Welches Gott dort ſelbſt verricht. 


Tod und Hölle konnt' nicht prangen, 
Mit dem Leichnam als ein Kauf, 

Jeſus nahm ſie ſelbſt gefangen, 
Seht, er ſteht dort wieder auf! 


Seht, des Grabes Felſen ſchüttern 
Vor dem Sieger, dieſem Held, 

Und die bangen Krieger zittern 
Vor dem Herrſcher aller Welt. 


Hier muß Satan unterliegen, 
Vor dem Held in ſeiner Kraft, 

Und der Höllen Thore fliegen 
Auf, vor ſeiner großen Macht. 


Seht im Geiſt den Starken binden, 
Seht im Geiſt den ſtarken Held, 

Der dem Satan konnt' entwinden, 
Welche er gefangen hielt! 


Niemand kann ihm dorten wehren, 
Nicht der ganzen Höllenmacht, 

Alle die ihm angehören, 
Zieht er aus der Höllennacht. 


— 113 — 


Alle müſſen ſich jetzt beugen, 
Vor dem einen Manne hier, 

Und zu ſeinen Füßen neigen, 
Ehr erzeigen nach Gebühr. 


Nein, der Schwarm der böſen Geiſter 
Kann nicht zwingen dieſen Mann, 
Er iſt über alle Meiſter, 
Alles ehre ſeinen Nam'. 
— 


Alle müſſen ſich hinſtrecken, 
Alle bücken ſich zur Erd, 

Staub zu ſeinen Füßen lecken, 
Auf daß Gott die Ehre werd'. 


Jetzt iſt Finſterniß zertheilet, 
Sehet jenes Heer alldort, 

Alle hat der Held geheilet, 
Seht, er nimmt ſie mit ſich fort. 


Starker Glaub' lag feſt in ihnen, 
Dieſen ließen ſie nicht los, 

Daß ſie Jeſus würd' verſöhnen, 
Führen zu des Vaters Schoß. 


Alle ſind ſie abgewaſchen. 
Und ſind rein durch Jeſu Blut; 

Dort kann ſie kein Tod mehr haſchen, 
Denn ſie ſteh'n in ſeiner Hut. 


Kein Gericht kann ſie verdammen, 
Jeder glaubte feſt an dies, 

Daß endlich würde kommen, 
Was Gott im Anfang verhieß. 


Weil der Mörder innig bate, 
Thut der Held, was er verhieß, 
Nimmt daher die Seel' aus Gnade 
Mit ſich in das Paradies. 


— 


O, des Paradieſes Thore 
Oeffnen ſich von ſelber dort, 

Damit Jeſus mit dem Chore 
Einzieht durch die Eingangs-Pfort. 


Dort gebraucht es keine Waffen 
Freudig beugen ſie die Knie 

Gegen den, der ſolch's konnt' ſchaffen, 
Mit dem Tod und vieler Müh'. 


Dort iſt alles hoch in Freuden, 
Weil er überwunden hat, 
Und durch ſeine ſchweren Leiden 
Hat bereit für alle Gnad'. 


Jetzt iſt ihm der Stuhl gegeben, 
Von Jehova ſeinem Gott, 

Will nun Jemand ewig leben 
Und entflieh'n dem ew'gen Tod — 


Dann darf er im Geiſt hintreten, 
Hin zu Jeſu wie er lehrt, 

Und mit Herz und Seele beten, 
Dann wird er von ihm erhört. 


Er ſitzt jetzt zur Rechten Gottes, 
Zu der Welt als Gnaden-Stuhl, 

Wer nicht ſterben will des Todtes, 
Und entgeh'n dem Schwefel-pfuhl — 


Der werf' ſich zu Jeſu Füßen, 
Er erlößt ihn vor der Ruth, 

Er will Niemand won ſich ſtoßen, 
Er kauft ihn mit ſeinem Blut. 


Er iſt jetzt das wahre Weſen, 
Nach der Hoheprieſter Sitt', 
Er kann alle Seelen löſen 

Durch ſein Blut und ſeine Bitt'. 


Dann weil er durch Kreuz und Leiden 
Alles überwunden hat, 

Hat er auch vermehrt die Freuden, 
Und erlangt für jeden Gnad'. 


Denn dort auf dem Sieges Hügel 
Kann der Menſch die Liebe ſeh'n, 

Die der Heiland uns zum Spiegel 
Und Erlößung ließ geſcheh'n. 


Dort war Jeſus Bild umhüllet, 
Auf dem Berge Moria, 

Hier durch Jeſu Blut erfüllet 
Auf dem Berge Golgatha. 


Gott hat jetzt das Wort vollſtrecket, 
Das er gab bei Adams Fall, 

Hat des Weibes Saam' erwecket, 
Und erfreut die Herzen all. 


Jeder kann jetzt Ruhe finden, 
Für die Seel' in ſeiner Noth, 

Denn der Heiland waſcht von Sünden 
Und verſöhnt ſie durch ſein Tod. 


Engel geben Gott die Ehre 
Für die That, die er gethan, 

Und ihn preiſen alle Chöre, 
Weil er nimmt die Sünder an. 


Tauſende der Menſchenkinder 
Floh'n zu ihm von Fern und Nah', 

Zeigten ſich als Ueberwinder, 
Gleich wie er auf Golgatha. 


Gaben willig Blut und Leben 
Für den Namen Jeſu hin, 

Der es dort will wiedergeben 
Tauſendfältig mit Gewin. 


— 116 — 


Täglich wuchs das Heer der Chriſten 
Unter Kreuz und Drangſal fort, 

Nichts half des Verführers Brüſten, 
Streitend drangen ſie zur Pfort. 


Unter Noth und viel Drangſalen 
Stieg der geiſtlich Tempel auf, 

Keine Nöthen, Angſten, Qualen, 
Konnten hemmen ſeinen Lauf. 


Wollten oft auch böſe Tücke 
Hemmen dort des Tempels Lauf, 

Feuer, Galgen, Rad und Stricke 
Konnt' ihn doch nicht halten auf. 


Waſſer, Marter, Folterbänke, 
Und Beraubung ihres Guts, 

Braten und ins Meer verſenken, 
Und Vergießung ihres Bluts. 


Tauſend Pein- und Marter⸗Qualen 
Ward verſucht und ſtets erdacht, 

Ohne Troſt in den Trübſalen 
Wurden ſie mit Hohn veracht. 


Ihre Güter auch entriſſen, 
Wandern fort mit leerer Hand, 

Nackend oft des Lands verwießen, 
Und gebrandmarkt noch zur Schand. 


Wohl bei ſechzehnhundert Jahren 
Ward's verſucht mit Macht und Liſt, 

Dennoch mehrten ſich die Schaaren 
Zu dem Kreuze Jeſu Chriſt. 


Täglich wuchs der Tempel Gottes, 
Bis er füllete die Welt, 
Niemand achtete des Spottes, 
Denn ſie ſehen auf den Held. 
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2 Mr 


Den Anfänger der Gemeinde, 
Der durch Leiden ſie erkauft, 

Bauten als lebend'ge Steine 
Sich zum Tempel Gottes auf. 


Sanftmuth, Demuth, Gottes Friede, 
Sammt Verträglichkeit ohn' Haß, 

Ward verſpürt bei jedem Gliede, 
Denn ſie gingen Jeſu Straß. 


Wahre Liebe ohne Scherzen, 
Dies Band der Vollkommenheit, 
Trugen ſie in ihrem Herzen, 

Sammt Vergebung jederzeit. 


Mit Barmherzigkeit verpaaret, 
Gingen ſie ſtets Jeſu Pfad, 

Und mit Vorſicht auch verwahret, 
Sich zu prüfen früh und ſpät. K 


So ſtand dort der Tempel Gottes, 
Den Jehova ſelbſt bewohnt, 

Ohngeacht der Feinde Spottes, 
War's doch wo der Höchſte thront. 


Wenden wir uns nun zurücke 
Auf die gegenwärt'ge Zeit, 

Prüfen ſie mit ernſtem Blicke, 
An der einſt Vergangenheit. 


Finden wir die erſte Liebe, 
Wenn wir prüfend um uns ſeh'n, 
Sammt dem ſanftmuthſüßen Triebe 
Stets im Chriſtenthum noch weh'n? 


Iſt die Demutb noch im Herzen 
Der genannten Chriſtenheit, 

Gehen ſie mit Vorſichtsherzen 
Auf der Bahn Vertragſamkeit? 


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Trägt der Starfe noch den Schwachen 
Mit Barmberzigfeit und Pflicht, 

Oder ſucht er zu belachen, 
Den, der in Gebrechen liegt? 


Doch, o weh! es iſt verſchwunden 
Erſte Pracht und Herrlichkeit, 

Sieht man doch faſt alle Stunden 
Neue Brüch' mit Zank und Streit! 


Denn das Band der Liebe fehlet, 
Eigenſinn iſt an der Stell', 

Denn, wenn Bosheit wird erwählet, 
Bricht der Tempel Gottes ſchnell. 


Ach, mit wehmuths vollem Blicke, 
Sieht man warlich nichts zum Ruhm, 

Liebe und der Tugend Stücke, 
Sind dahin im Chriſtenthum! 


Wahre Liebe iſt erkaltet, 
Glaube iſt ohn' Werke hier, 

Und an Sanftmuths Stelle ſchaltet 
Hochmuth, Bosheit und Rachgier. 


Wahre Demuth in dem Herzen, 
Iſt ſehr ſelten mehr zu ſeh'n, 

Nur zu oft ſieht man mit Schmerzen, 
Jetzt an deren Stelle ſteh'n: 


Wölfe in die Woll' gehüllet, 
Als der Schafen Meiſterſtück, 

Doch mit Bosheit angefüllet, 
Und mit Heuchelei und Tück. 


Auf erdichtete Geſetze, 
Selbſt erwählter Heiligkeit, 

Soll man das Vertrauen ſetzen 
Ohne Widerſtand noch Streit! 


— 119 — 


Ja, ſieht man nicht ſtets von neuem, 
Daß durch Hirten Bosheit ſich 

Heerden trennen in Partheien, 
Schmäh'n einander läſterlich? 


Paulus ſagt an ſeinen Orten: 
„Aus euch werden auferſteh'n, 

„Männer die mit glatten Worten, 
„Nur die Jünger an ſich zieh'n.“ 


Wölfe, die der Heerd' nicht ſchonen, 
Suchen ſtets mit Zank und Streit, 
Ueber ihre Heerd' zu thronen 
Mit dem Zwang in Bitterkeit. 


Kann dort wohl der Höchſte walten, 
Wo die Menſchen hier im Streit, 

Sich im Zorn und Neid zerſpalten, 
Leben in Uneinigkeit? 


Wo hier Jeder ſich will meſſen, 
Was von Menſchen iſt erdacht, 

Will von Gottes Rath nichts wiſſen, 
Weil er ihn mit Hohn veracht. 


Ach, des Tempels Pracht und Zierden, 
Sind nicht mehr in ihrem Lauf 

Und es bauen böſe Hirten, 
Ein verworrenes Babel auf! 


Nur auf loſen Sand zu bauen, 
Nur auf Herzenstrügerei, 

Nicht auf Jeſum mehr zu ſchauen, 
Daß er „Grund und Eckſtein ſei!“ 


Jeder will es ſo bereiten, 
Durch des Menſchen Herzens Rath, 
Selbſt erwählter Heiligkeiten, 
Die ein Schein der Weisheit hat. 


— 120 — 


Man darf dieſes nicht berühren, 
Jenes darf man eſſen nicht 

Und ſich heuchleriſch nur zieren, 
Mit dem, was der Menſch erdicht. 


Will ſich Jemand dann nicht beugen, 
Unter das, was ſo geſtellt, 

Und nicht ſchnell Gehorſam zeigen, 
Wird das Urtheil ſchnell gefällt. 


Haben Hirt und Hirtenknaben, 
Ihre Pflichten ausgeübt, 

Oder ſind durch ihre Sagen, 
Lebens waſſer jetzt getrübt? 


Wann der Hirtenknaben Bande, 
Nur aus eignem Triebe ſchrei'n, 

Ohne daß fie Gott ausſandte, 
Nur aus Heuchelei und Schein. 


Haben ſie die Welt mit Liſten, 
So durchſchleift mit ihrer Lehr, 

So daß jetzt dort Teufel niſten, 
Dann o weh' das kleine Heer! 


Denn wie viele Tauſend Lehrer 
Sind bemüht in ihrem Lauf, 

Reiſen fort als wie Bekehrer, 
Zu vergrößern ihren Hauf — 


Sind bemüht mit Lehr' und Schreien, 
Zu verdammen jede Seel', 8 

Von den anderen Partheien, 
Wer ſich nicht zu ihnen ſtellt. 


Und ihr Eifer, Zorn und Dräuen, 
Gelten jedem Glied und Hirt 

Von den anderen Partheien, 
Der nicht ihrer Meinung wird. 


— 121 — 


Daher ſieht man nichts als Meide— 
Aller Hirten, die im Schein 

Es mit Eifer woll'n beſtreiten, 
Jeder will der Höchſte ſein. 


Suchen ſie die Heerd zu rotten 
Mit Verläumdung, — lügenfrei 
Laufen ſie gleich den Zeloten 

Nur in Bosheit, Heuchelei. 


Daher iſt ein ſolch Gewirre; 

Jeder will hier ſein das Licht, 

Und verwirft in ſeiner Lehre 
Das, was dort ein Anderer ſpricht, 


Unglaub' ſteht mit Hohn und Lachen 
Solchen Streit mit Wolluſt zu, 

Daß ſie's immer ärger machen, 
Und verlieren Fried' und Ruh', 


Unglaub' kann ſich nicht erwehren, 
Herzlich über dies zu freu'n, 

Daß ſie ſich im Zorn verzehren, 
Und ſind jetzt einander Feind. 


Chriſtenthum ſtand ihm im Wege, 
Denn er glaubet nicht an Gott, 

Er will wandlen eigne Stege, 
Und hält Jeſum nur für Spott. 


Daher iſt es ſeine Freude, 
Wenn die Lehrer in der Welt 

So zertreten Jeſu Weide, 
Daß das Chriſtenthum zerfällt. 


Jeſum will er nicht bekennen, 
Freut ſich, daß jetzt Hirt und Heerd 

Sich in Haß und Neid zertrennen, 
Thun auch nicht was Jeſus lehrt. 


— 122 — 


Freut ſich, daß ſie ſich zertreten, 
Daß der Glaub' in ihnen Tod, 

Und er höhnt in allen Reden: 
Seht die Chriſten ehren Gott. 


Sieht er ſie im Schafskleid wandlen, 
Womit ſich der Heuchler ziert, 

Und im Thun verächtlich handlen, 
Ruft er aus: „das iſt ein Hirt!“ 


Sieht er Heuchler und nahm Chriſten, 
Die zum Lehren ſind bereit, 

Und ſich nur mit Seufzern brüſten, 

Spricht er: „ſeht die Chriſtenheit!“ 


Sieht er Lehrer ſich abwenden, 
Daß er ſich im Amt entehrt, 

Gott mit Uebertretung ſchänden, 
Ruft er: „Seht der ſchöne Hirt!, 


O wird den jetzt von den Heiden 
Gottes Nam' geläſtert hier, 

Weil die Hirten vor den Leuten 
Sich entblößt von Chriſten Zier. 


Sieht man denn noch gar kein Ende, 
Dieſes Streit's? mit Bitterkeit 
Zeigen doch faſt alle Stände 
Den Berfall der Chriſtenheit. 


Fühlt Niemand den Kummer nagen, 
Daß man ſtreitet überall, 

Wills Niemand mit Weinen klagen, 
Wegen Bosheit und Verfall. 


Hat PartheiF-Haß, Hirt und Heerden 
So verblend mit böſem Rath, 

Daß ſie es nicht inne werden, 
Daß ſie nicht geh'n Jeſu Pfad. 


— 


Will denn kein Geſchöpf ſich neigen 
Zu den Menſchen mit dem Licht, 
Ihnen den Abfall zu zeigen, 
Ehe das Gericht anbricht. 


Damit Jeder bei dem Lichte 
Der Wahrheit ſich recht betracht', 
Und nicht wart' bis zum Gerichte, 
Wo das Urtheil wird gemacht. 


Wäre Jeſus noch im Fleiſche 
So wie er es ehmals war, 

Sah den Streit und das Geräuſche, 
Der geſammten Chriſten-Schaar. 


Und die Lauigkeit im Beten, 
Wo der Mund nur red' allein, 
Ohn' im Geiſt vor Gott zu treten, 
Nur in dem Gewohnheits-Schein. 


Und wo auf der andern Seiten 
Menſchen gegen Jeſu Wort, 

Im Gebet ſich vor den Leuten, 
Als die Heuchler zeigen dort — 


Als die Heuchler in den Wäldern, 
Auf den Straßen beten, fleh'n, 

Rufen laut in Haus und Feldern, 
Daß man hören ſoll und ſeh'n. 


Würde Jeſus denn nicht klagen 
Ueber Lauigkeit und Kält, 

Wo ſie die Gebet nur ſagen, 
Ohne daß das Herz es fühlt. 


Würd' er nicht zu Beiden reden: 
Beides Beten iſt nur Schein, 

Du willſt aus Gewohnheit beten 
Und du andrer willſt nur ſchrei'n. 


— 124 — 


Muß nicht Chriſtenthum zerfallen, 
Wenn man herzlos niederknieet, 

Und mit dem Gewohnheitslallen, 
Ohne Herz und Andacht fleht. 


Laß das Herze nicht einſchlafen, 
Wenn du trittſt vor Gottes Thron 

Ruf' auch nicht gleich Baals Pfaffen, 
Nur zu ſuchen Menſchen Ruhm. 


Gehe hin in deine Kammer, 
Wenn du ins Gebet willſt geh'n, 
Gott ſieht deinen Trieb von Jammer, 


Er kann ins Verborgene ſeh'n. 


Gott wird Öffentlich euch geben, 
Wenn ihr im Verborgenen fleht, 

Und ihr ſollt euch nicht beſtreben, 
Daß die Welt euch beten ſieht. 


Iſt's dem Vater eine Ehre, 
Wenn ihr ſchreiet vor der Welt, 

Daß die Welt euch nur anhöre, 
Und euch für Bekehrte hält? 


Wird nicht hier die zarte Jugend, 
Gänzlich von mir abgeführt, 

Und erkennen keine Tugend, 
Weil ihr Väter euch entehrt? 


Denn ihr Heuchler und Nam-Chriſten- 
Ihr habt eure Kraft gelähmt, 

Denn ihr Heuchler wollt euch brüſten, 
Lauigkeit ſich meiner ſchämt. 


Kann es euer Herz nicht rühren, 
Daß ſchon Gott bei Adams Fall, 

Sich nicht ganz von euch wollt kehren, 
Gab auch Troſt ſchon dazumal. 


— a — 


Denn kein Troſt, noch Licht noch Leben, 
Keine Hoffnung keinen Rath, 

Konnte euch kein Engel geben, 
Nur allein des Vaters Gnad'. 


Sandt mich denn als ein Erretter, 
Eurer Seelen als ein Licht, 

Und ich mußt als Uebelthäter, 
Sterben dort am Hochgericht. 


Ich mußt eure Sünd' bezahlen, 
Ich hab' euch mit Gott verſöhnt, 

Und für meine bittre Qualen, 
Habt ihr mich nun doch verhöhnt. 


Hab ich dies an euch verdienet, 
Weil ich euch das Leben bracht, 

Daß der Bau ſich meiner ſchämet, 
Und der Heuchler mich veracht. 


Ich ließ mich von Kriegern haſchen, 
Schlagen, Geißeln bis aufs Blut, 

Euch von Sünden abzuwaſchen 
Und verſchonen vor der Ruth. 


Dennoch kehrt ihr mir den Rücken, 
Wenn ihr ſollt verborgen fleh'n, 

Und ſchämt euch in allen Stücken, 
Mir, dem Vorbild nach zu geh'n. 


Schämt ihr euch auf mich zu ſehen, 
In dem Wandel, Werk und Wort, 

O, wie wird es euch ergeh'n, 
Wenn ich ſchließen werd' die Pfort! 


Schämt ihr euch mich zu bekennen, 
Vor der Welt als Gottes Sohn, 

Kann ich euch dann Brüder nennen, 
Am Gericht vor Gottes Thron? 


— 126 — 


Schämt ihr euch des Tauf's bei Leuten, 
Daß man ihn an euch bedient, 

Da es euch doch ſoll andeuten, 
Daß ihr ſeid durch mich verſöhnt! 


Schämt ihr euch die Füß' zu waſchen 
Und des Abendmahls dazu, 

Prüft wenn euch der Tod wird haſchen, 
Ob die Seel’ wird finden Ruh'! 


Alles gab ich euch als Spiegel, 
Es zu thun gleich wie auch ich, 

Sollt euch dienen als ein Siegel, 
Daß ihr ſeid verſöhnt durch mich. 


Wenn ihr euch nun deſſen ſchämet, 
Vor der Welt was ich doch that 

Und ſchämt euch, wenn ſie euch höhnet 
Wegen meines Vaters Rath. 


Wollt ihr lieber Ehre haben 
Bei den Menſchen in der Welt, 

Als zu nehmen beſſ're Gaben, 
Die euch Gott umſonſt vorhält? 


Kann es euch dann dort was nützen, 
Wenn ihr euch hier meiner ſchämt, 

Es ſollt euch vielmehr ergötzen, 
Wenn ſie euch mit mir verſöhnt? 


Kann euch dort die Welt das Leben, 
Weil ſie euch mit mir verſöhnt, 

Kann ſie euch es dorten geben, 
Weil ihr euch jetzt meiner ſchämt? 


Doch der Heiland auf dem Throne, 
Kommt nicht mehr in Knecht's-Geſtalt, 
Dort bleibt er, bis er zum Lohne, 

Uns erſcheinet, Jung und Alt. 


— 127 — 


Man erſinnet viele Ränke, 
Man erdenket manche Lehr, 

Denn die Stühl'- und Gnaden-Bänke, 
Hält man jetzt in großer Ehr'. 


Man gibt dem Holz ſolcher Name, 
Der dem Heiland nur gebührt, 
Prüfe jeder dieſer Saame, 
Ob er nicht zum Abfall führt. 


Tritt ein Menſch in jene Schranke, 
So wie jetzt nun wird gelehrt, 

Und knieet vor dem Gnaden-Banke, 
Ruft genau aus: „der iſt bekehrt!“ 


Ach, der Gnadenſtuhl iſt droben, 
Unſer Gnaden-Bank iſt dort; 

Ihn, den alle Engel loben, 
Weil er unſer Mittler ward! 


Dort kann jeder Gnade finden, 
Wer im Geiſte zu ihm geht, 

Jeſus waſcht ihn rein von Sünden, 
Wenn er im Verborgenen fleht! 


Sind nicht jetzt noch viele Zeugen, 
Daß man mußt im Alterthum 

Vor dem Holz die Kniee beugen 
Und ihm göttlich Ehr' anthun. 


Dennoch lehrte man die Leute, 
Dies ſei Holz nicht angebet, 

Es ſollt zeigen Jeſu Leiden, 
Wenn man vor das Holz hinknieet. 


Ob dies Alte nun dem Neuen, 
Ob es ihm wohl ähnlich iſt, 

Laß ich richten die Partheien, 
Nach der Wahrheit als ein Chriſt. 


— 128 — 


Hier iſt Jedem hoch von Nöthen, 
Augenſalb der ganzen Schaar, 

Damit Jeder ſich kann retten, 
Vor Verführung und Gefahr. 


O, wer will das Licht herbringen, 
Daß man ſeh'n und prüfen möcht', 
Jedes Werk in allen Dingen, 
Ob es vor Gott auch ſei recht. 


Doch, o ſeht die Liebe neigen, 
Unſers Gottes zu der Heerd, 

Seht den Engel zu uns ſteigen 
Dort vom Himmel auf die Erd'! 


Er erleuchtet Erd' und Lüften, 
Seine Klarheit leucht mit Macht, 

Sein Glanz dringt zu tiefen Grüften 
Und erfüllt die Mitternacht. 


Ach, mit Wehmuth muß er zollen, 
So wie er hat den Befehl 

Und die Donnerworte grollen, 
Jetzt zu Babels jede Seel'! 


Babel, Babel iſt gefallen, 
Tönt er jetzt durch Welt und Luft; 
O, mög' jede Seel' den hallen 
Hören, wie er klagt und ruft! 


Babel iſt an allen Orten, 
Allen Winkeln in der Stadt, 

Jetzt ein Haus der Teufel worden, 
Weil ſie ſich erhoben hat. 


Ein Behältniß böſer Geiſter, 
Unrein, Haß und Feindſchaftsvoll, 
Jeder will hier ſein der Meiſter, 

Iſt erfüllt mit bittern Groll. 


— 129 — 


Durch ſie ſind verirret worden 
Alle Heiden in der Welt, 

Weil ihr' Lehr an allen Orten 
Als ein Wein war ausgeſtellt, — 


Welcher jeden zornig machte, 
Und erfüllte ihn mit Haß, 

Und ihn in Verwirrung brachte, 
Und verließ die rechte Straß. 


Hört ihr Heerden, merkt ihr Glieder, 
Auf die andre Stimme noch, a 
Die von Himmel ſchallt hernieder — 

Zu den Gliedern, die das Joch — 


Jeſu in der Liebe tragen, 
Wichen nicht von ſeinem Rath, 
Leießen ſich von Keinem ſagen, 

Lenken auf ein andern Pfad. 


Die in der Verſuchungs-Stunde 
Blieben treu an Jeſu Lehr, 

Gaben des Propheten Munde 
Noch dem Drachen kein Gehör. 


Dieſen ruft des Himmels-Stimme: 
Geht mein Volk von Babel fort, 

Auf daß nicht in meinem Grimme 
Euch die Strafe treffe dort. 


Weil ſie nicht von Sünden kehren, 
Kriegen ſie bald ihren Lohn, 

Ihre Sünden thun ſich mehren 
Bis hinauf zu Gottes Thron. 


Sucht das Heil der Seel' mit Sorge, 
Folget Jeſu ernſtem Rath, 

Nehmt die Flucht auf jene Berge, 
Die er angewieſen hat. 


Seht mit David und den Frommen, 
Hin zu jenem Berge dort, 

Wo die Hülfe muß herkommen, 
Nehmlich von dem Herrn und Hort. 


Suchet ganz allein zu ſchauen, 
Ganz allein auf Gottes Rath, 

Setzet euer ganz Vertrauen 
Nur allein auf Gottes Gnad. 


So wie er hat angewieſen, 
Daß ihr könnt durch Jeſu Blut 
Kommen zu dem Paradies, 
Und entgehn der ew'gen Ruth. 


Folgt nicht dem Verführungs-Geiſte, 
Scheint er euch auch zart und mild, 
Ihm Gehorſamkeit zu leiſten, 
Und zu knieen vor dem Bild. 


Rüſtet euch in Trübſalsfüllen, 
Wo das Heiligthum verwüſt, 

Man den Greuel will aufſtellen, 
Dann denkt, daß es nahe iſt. 


Laßt euch nicht von Jeſu trennen, 
Wenn der falſch' Propheten Heer 

Cuch den Tag auch will benennen, 
Auf den er wollt' kommen her. 


Denn die Worte Jeſu ſtehen 
Feſter als der Himmel dort, 

Und kein Engel kann's erſpähen, 
Wann der Höchſte kommen wird. 


Daher geh'n die Trübſals-Tage 
Unbeachtet ſo dahin, 

Babel fühlet keine Plage, 
Spricht: „ich bin ja Königin.“ 


Ob fie ſich gleich täglich trennen, 
Streiten, haſſen ohne Hehl, 

Kann's die Boßheit nicht erkennen, 
Daß ihm fehlet Liebesöl. 


Babel hat die Lehr betrieben, 
Die von Menſchen iſt erdacht, 

Daher ſucht man den zu lieben, 
Der ſich zur Parthei gemacht. 


Dieſer ruft im Haß und Eifer: 
„Hier iſt Chriſtus, kommt zu mir!“ 
Und der Andre ruft im Geifer: 

„Nein, o ſeht! er iſt bei mir!“ 


Und zu der Verwirrungsplage 
Setzt ein Andrer Zeit, und lehrt, 

Daß der Herr an dieſem Tage 
Ganz gewiß erſcheinen wird. 


Andre dünken ſich fo reine, 
Sind ſo reich und haben ſatt, 
Rufen: „wir ſind die Gemeinde, 
Die kein Fehl' noch Flecken hat.“ 


Andre rufen: „O ihr Sünder 
Kommt und hört von uns das Wort, 

Denn wir find nicht wie Weltkinder, 
Noch wie jener Sünder dort.“ 


Sind wohl jetzt die Trübſalstage, 
Die der Heiland uns anzeigt, 

Wo Verführung jetzt zur Plage 
Hin durch alle Welten ſchleicht. 


Wo der falſch' Prophet und Drache, 
Sammt dem Thier am letzten End, 
Jeder dann zu ſeiner Sache 
Ein Froſch zum verführen ſend. 


— 2 — 


Wo die Teufelsgeiſter ſchleichen, 
Hin zu jedem Stand der Welt, 
Ihre Pläne zu erreichen, 
Krieg zu führen mit dem Held. 


Ihre Wunderzeichen ſollen 
Ihrer Lehre geben Ruhm, N 
Machen Feuer vom Himmel fallen, 
Zu verführen in Irrthum. 


Auch die auserwählten Schaaren, 
Wann es ihnen möglich wär', 

Doch der Herr verkürzt die Jahre 
Um das auserwählte Heer. 


Tobend brauſen Waſſerwogen; 
Seht den Aufruhr aller Welt, 

Und wie Gott am Himmelsbogen 
Zeichen vor uns hingeſtellt. 


Wo die Stern' zur Erde fallen, 
Sich bewegt des Himmelskraft, 

Und der Himmel vor uns allen 
Scheint wie Blut zu Mitternacht. 


Doch der Zank und die Unarten 
Stört dem Frommen ſeine Ruh, 

Und die Boßheit aller Arten 
Nimmt mit jedem Tage zu. 


Doch ſo blickt im Geiſt gen Himmel, 
Seht im Geiſt den ſtarken Held, 

Wie er hier dem Weltgetümmel 
Jetzt zuſieht und ſich verhält! 


Sehet ihn im Geiſte reiten, 
Und bewafnet mit dem Schwert, 
Und ſein Heer bekleid in Seiden, 
Jeder auf eim weißen Pferd! 


Er, gekrönt mit goldner Krone 
Gebt voran, verheißt die Kron' 

Ueberwindern dort zum Lobne, 
In der Schlacht Harmagedon. 


Hört ſein Warnruf noch erſchallen, 
Durch die weite Welt und Licht! 

Hört, er ſpricht ja zu uns allen, 
Merkt, was er zur Warnung ruft: 


„Prüft euch, ob euch noch was fehle, 
Vor dem nahenden Gericht, 

Seid ihr wohl verſeh'n mit Oele, 
Habt ihr noch die Zuverſicht —“ 


„Daß ihr ſeid durch mich gewaſchen 
Rein von Sünden durch mein Blut, 

Damit euch nicht dort kann haſchen, 
Nach der Schlacht die ew'ge Ruth?“ 


„Haltet meine Kleidung feſte, 
Damit ihr nicht nackend geht, 

Jedes ſich mit Kraft ausrüſte, 
Daß es glaubend auf mich ſiebt.“ 


„Wann auch Erd' und Himmel krachet, 
Iſt der Mond und Sonne trüb, 
Selig ſeid ihr, wenn ihr wachet, 
Denn ich komme als ein Dieb.“ 


O laßt dieſes Wort euch wecken, 
Das der Heiland ſelber ſpricht, 

Faßt euch dieſes ſein ein Schrecken 
Vor dem nahen Weltgericht! 


= 


O laßt euch von Jeſu kleiden, 
Eh' er zum Gericht erſcheint, 

Wer's verſäumt in Gnadenzeiten, 
Solcher dort vergeblich weint! 


Prüft euch jetzt noch auf der Stelle, 
Ob ihr ſeid mit Gott verſöhnt, 

Oder ob mit Herz und Seele, 
Ihr des Heilands Rath verhöhnt. 


Ach ihr Kinder, prüft bei Zeiten 
Was ihr für die Seele wählt! 

Wählt ihr Fleiſchesluſt und Freuden, 
Dann habt ihr die Wahl verfehlt. 


Denn der Heiland ruft aus Gnade 
Euch in eurer Jugend zu, 

Daß ihr nur auf ſeinem Pfade 
Findet für die Seele Ruh. 


Wer nicht nackend will erſcheinen 
Am Gericht, vor Gottes Thron, 

Der nah' ſich mit Schrein und Weinen 
Hin zu Jeſu Gottes Sohn. 


Jeſus läßt euch dort nicht ſchüttern, 
Wenn ihr um Erbarmung fleht, 

Und ihr auch mit Furcht und Zittern 
Jeſu Pfad getreu nach geht. 


Jeſus will dort Jeden krönen, 
Der als Ueberwinder kämpft, 

Der dem Fleiſch nicht mehr will dienen, 
Und hier alle Lüſte dämpft. 


O laßt euch von Jeſu rathen, 
Ihm zu folgen ſei die Wahl, 

Dann ſchützt er euch dort aus Gnaden 
Vor der ew'gen Noth und Qual! 


— 135 — 


Ach! ihr Kinder allzuſammen, 
Ach! verfehlt die Wahl nur nicht, 
Auf daß ihr nicht müßt verſtummen 
An dem großen Weltgericht! 


Iſt's, daß ihr in allen Fällen 
Wollt dem Heiland treu nach geh'n, 

Euch der Welt nicht mehr gleich ſtellen, 
Und in Jeſu Demuth ſtehn — 


Dann habt ihr die Wahl getroffen, 
Als der Seelen ewig's Gut, 

Und könnt mit Gewißheit hoffen, 
Daß euch reinigt Jeſu Blut. 


Folgt jetzt Jeſu Rath und Worten, 
Sind euch eure Seelen lieb, 

Dann merkt auf ſein Warnruf dorten: 
„Sieh', ich komme als Dieb.“ 


* 


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Neufahrs Wunſch 


meine Kinder, 


auf das Jahr 1843. 


— 


Kommt Kinder her und hört ihr Lieben, 
Was ich als Vater bringe dar, 

Was Lieb' und Pflicht mich bat getrieben 
Zu wünſchen euch im Neuen Jahr! 


Prüft ſtreng und ſcharf nach Gottes Worten 
Das, was ich euch hier vorgeſtellt, 

Denn ihr müßt auch erſcheinen dorten, 
Mit mir vor Gott in jener Welt, — 


Wo Jeder wird den Lohn empfangen, 
Mas feine Thaten waren wertb, 

Wo Jeder kann mit Jeſu prangen 
Wann er hier that, wie Jeſus lehrt. 


Doch wenn er Gottes Rath verachtet, 
Lebt nach dem Fleiſch in dieſer Welt, 

Und feiner Seelen Heil nicht achtet, 
So iſt ſein Urtheil ſchon gefällt. 


— 138 — 


Denn wer hier thut des Fleiſches Willen, 
Der ſäet ein Saat auf jenen Tag, 

Dort erſt wird er die Ernde fühlen, 
Für eig'nen Willen, ew'ge Plag. 


Sucht jetzt ihr Kinder, aufzunehmen 
In's Herz des Heilands eig'ne Wort: 

„Wann Jemand ſich wird meiner ſchämen, 
So ſchäm' ich mich auch ſeiner dort!“ 


Hierbei könnt ihr ſehr wohl verſtehen, 
Was Jeſus hier aus Liebe ſpricht, 

Ihr könnet klar und deutlich ſehen, 
Wie's dort ergeht an dem Gericht. 


Könnt ihr vor Gottes Thron beſtehen, 
Wann ihr müßt geben Rechenſchaft, 

Wenn ihr nicht wollt auf Jeſum ſehen, 
Und habt nur Gottes Nath veracht? 


Dies iſt der Punkt, den meine Pflichten 
Aus Liebe euch hier brachte dar, 

Damit ihr euch könnt ſelber richten, 
In dem von Gott geſchenkten Jahr. 


Habt ihr euch nun bisher geſchämet 
Zu thun, was Jeſus ſelber that, 

Habt ihr Gott und ſein Wort verhöhnet 
Und folget nur des Fleiſches Rath? 


Iſt's, daß ihr ſeid in dieſem Falle, 
So bitt' ich euch mit Thränen hier: 

Kehrt um, ihr lieben Kinder alle, 
Zum Eingang jener offenen Thür, — 


Die Jeſus ſelbſt hat aufgeſchloſſen; 
Er ging voran als unſer Held, 

Und Niemand wird hinaus geſtoßen, 
Wer ſich verläugnet ſammt der Welt. 


Jetzt iſt der Tag des Heils auf Erden, 
Gott ruft euch jetzt noch liebend zu, 

Wollt ihr von Sünd befreiet werden, 
Und finden für die Seelen Ruh — 


So folgt in eurem Lebenslaufe 
Dem Heiland auf dem Fuße nach, 
Denn, als er dort empfing die Taufe; 
So war's der Höchſte, der da ſprach: 


„Dies iſt mein Sohn, dem ſollt ihr hören, 
Mein Wohlgefallen iſt an ihm, 

Folgt meinem Lieben ſeinen Lehren, 
Und ſeid gehorſam ſeiner Stimm'!“ 


Daher ihr theure, werthe Kinder, 
Vor Gott iſt keine Seele gut; 

Vor Gott iſt jeder Menſch ein Sünder, 
Wenn ihn nicht reinigt Jeſu Blut. 


Wollt ihr, daß Gott euch nicht verdamme, 
Wann ihr veracht habt Gottes Rath, 

So kehrt noch jetzt, damit nicht komme 
Dort über euch der ew'ge Tod. 


Ihr könnt nicht anders Ruhe finden, 
Nicht anders als durch Jeſu Blut, 

Nur er kann euch von Sünd entbinden, 
ind kann abwenden Straf und Ruth. 


Wollt ihr dort am Gericht beſtehen, 
Wollt ihr entgeh'n dem ew'gen Tod, 

So müßt ihr ſelbſt zu Jeſu gehen, 
Mit Reu' ihm klagen eure Noth. 


So wahr als Gott im Himmel lebet, 
Er-läßt euch nicht vergeblich fleh'n, 

Wann's iſt, daß ihr euch ihm ergebet, 
Und wollt im Wandel auf ihn ſeh'n. 


— 19 — 


Iſt's, daß ihr wollt entgeh'n den Strafen, 
Die dort den Sündern iſt bereit, 
— So dürft ihr nicht in Sünden ſchlafen, 
Sonſt wird verſcherzt die Seligkeit. 


Gott ſtebt jetzt, was ihr habt im Sinne: 
Gedanken ſind ihm offenbar — 

Ob ihr jetzt folgt der Warnungsſtimme, 
Die ich getban am Neuen Jahr. 


Was ich euch ſag', ſind meine Pflichten, 
Ich muß ſie thun an Chriſti ftatt, 

Würd' ich fie nicht an euch verrichten, 
Wie könnt ibr bei Gott finden Gnad? 


Daher ihr Kinder folgt der Stimme, 
Die ich an Chriſti Stelle thu', 

Daß ihr entgebet Gottes Grimme, 
Und findet für die Seelen Rub'. 


Seht jetzt auf Jeſu eigne Wege! 
Sebt was er dort im Anfang tbat! 

Sein Anfang und der Ende Sege 
War ſtets von ihm derſelbe Rath. 


Er untergab ſich Gottes Willen; 
Er ſprach, daß es uns ſo gebührt, 
Gerechtigkeit bier zu erfüllen, 
Die uns aus Gnad' im Taufe wird. 


Denn, als er dort zerbrach die Banden 
Des Todes, und ſich zeigte dort, 
Nachdem er wieder auferſtanden, 
So ſprach er noch daſſelbe Wort. 


Denn was er ſelbſt gethan als Spiegel, 
Wie er der Tauf ſich unterſtellt, 

Sollt Jedem dienen als ein Siegel, 
Daß ihn jetzt bab' verſöbnt der Held. 


. 


Die Sünde ſei ihm abgewaſchen, 
Er ſei verſöhnt mit Jeſu Blut, 

Die Straf’ könnt ihn dort nicht erhaſchen, 
Er ſei entgangen dieſer Ruth. 


Darum er auch die Jünger ſandte 
ind ſprach: „geht hin in alle Welt, 
Lehrt alle Völker in dem Lande: 
„Ich ſei Erlößer und auch Held!“ 


„Will Jemand dann zur Taufe kommen, 
Und läßt ſich tanfen auf mein Tod, 

Der wird von Gott auch angenommen, 
Weil ihn verſöhnet hat mein Blut!“ 


„Durchwandelt jetzt die ganze Erden, 
Wer an mich glaubt und wird getauft, 
Der ſoll auch dorten ſelig werden, 
Weil ich ihn mit meim Blut erkauft!“ 


Darum bedenkts ihr Kinder alle: 
Wer hier im Tauf Vorgänger iſt, 

Folgt jetzt noch Gottes Ruf' und Schalle; 
O folgt dem Beiſpiel Jeſu Chriſt! 


Der Heiland ſagt uns allzuſammen: 
„Hört und glaubt mir ſicherlich, 

Daß Niemand kann zum Vater kommen, 
Denn nur allein, allein durch mich!“ 


Dies Wort hat Jeſus ſelbſt gegeben, 
Das ich aus Lieb' euch brachte dar, 

Zu zeigen, daß die Pfort zum Leben 
Euch offen ſteht im Neuen Jahr. 


Darum bedenkt in eurem Herzen, 
Und merkt noch jetzt auf Gottes Rath, 
Denn bittre Reue, Angſt und Schmerzen 
Hilft keiner Seel’ am jüngſten Tag. 


— 142 — 


Die Pfort ſteht jetzt vor euch noch offen, 
Der Heiland ſelbſt iſt dieſe Thür; 

Wollt ihr auf ewig's Leben hoffen 
So ruft: „der Heiland lernt von mir!“ 


Wann euch die Welt ſammt Eitelkeiten 
Im ſchönſten Glanz vor Augen iſt, 

So ſucht fie euch nur zu verleiten 
Von der Nachfolge Jeſu Chriſt. 


Der Heiland iſt hier ſelbſt ein Spiegel, 
Als Satan ihn verführen wollt', 

Als er ihm zeigte auf dem Hügel 
Die Herrlichkeiten dieſer Welt. 


Hier gab der Heiland zu erkennen: 
Man fol Gott dienen ganz allein, — 

Und wollen wir uns Chriſten nennen, 
So ſoll uns dies ein Spiegel ſein. 


Dies iſt's auch, was Johannis lehret, 
Er red' die Jünger ernſtlich an: 

„Glaubt ihr, (ſagt er) was ihr gehöret, 
So wandelt jetzt auf Jeſu Bahn!“ 


Liebt nicht die Welt ſammt ihren Lüſten, 
Als Hochpracht und die Eitelkeit, 

Sammt Augenluſt und Fleiſcheslüſten, 
Und was der Seele widerſtreit. 


Ihr Kinder, ihr habt mich verſtanden, 
Was ich aus Liebe brachte dar, 

Zerreißet jetzt die eitlen Banden, 
Beginnet jetzt ein Neues Jahr! 


Prüft ihr nun ſtreng nach Gottes Worte, 
Was ich euch heut gezeiget an, 

So ſeht ihr, daß die offne Pforte 
Der Heiland für euch aufgethan. 


— 143 — 


Geht aus der Welt und dem Getümmel, 
Blickt hin im Geiſt zu Gottes Thron, 
Hebt eure Augen auf gen Himmel, 
Und ſehet Jeſum Gottes Sohn! 


Seht ſeine Liebe zu den Sündern, 
Er öffnet ihnen ſelbſt die Thür; 

Hört, er ruft euch ihr lieben Kinder: 
„Kommt her, kommt her und lernt von mir!“ 


„Nehmt jetzt mein Joch undtragt die Bürde, 
Gleich wie ich für euch hab' gethan, 

Denn ich als euer guter Hirte, 
Ging euch voran auf dieſer Bahn.“ 


„Denn wer nicht will das Kreuz hier tragen 
Und folgt der Welt und ſich allein, 

Und will nicht Allem hier abſagen, 
Der kann auch nicht mein Jünger ſein.“ 


„Doch, wenn ihr euch ſelbſt überwindet, 
Und folgt mir nach auf meiner Bahn — 

Seht ich hab's euch vorher verkündet, 
Dann nehm ich euch als Brüder an.“ 


„Ja, alle Engel ſich erfreuen, 
Wenn ihr verlaßt des Fleiſches Rath, 
Und wandelt mir jetzt nach im Neuen, 
Auf meinen Wegen in der That.“ 


„Wer überwind, der ſoll auch erben 
Mit mir in meines Vaters Reich, 

Er iſt befreit vom zweiten Sterben, 
Denn er iſt dort den Engeln gleich.“ 


„Wer überwind, ſoll mit mir ſitzen 
Auf meinem Stuhl in em’ger Freud, 

Und ewig ſoll er ſich ergötzen, 

kit mir in ew'ger Herrlichkeit.“ 


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„Sein Name will ich dort bekennen 
Vor meinem Vater, meinem Gott, 

Mich ewig nicht mehr von ihm trennen, 
Dieweil er überwunden hat.“ 


„Ich will auf ihn mein Name ſchreiben, 
Und ihm zur Zier' ein weißes Kleid, 

Und Niemand kann ihn dort austreiben, 
Von jener ew'gen Seligkeit.“ 


„„Ich zeug’ euch dies mit eignem Munde, 
Ich komme bald, ich halte Wort, 

Und ihr wißt nicht zu welcher Stunde, 
Daß ich werd' ſchließen meine Pfort.“ 


„Wollt ihr nun ew'ge Freud' genießen, 
So ſeid jetzt folgſam meiner Lehr', 

Denn wenn ich werd' die Pforte ſchließen, 
So hilft darnach kein Klopfen mehr.“ 


10 


Kinder! ihr habt dies gehöret, 
Seht Gott ſelbſt als Zeugen an, 
Das, was ich euch hier gelehret, 


— 


Iſt aus Lieb' und Pflicht gethan. 


Gott ſelbſt hat's euch vorgeſtellet, 
Ewig's Leben und den Tod, 

Jeſus bitt' euch, daß ihr wählet, 
Ewig's Leben jetzt von Gott. 


Denkt daher im Seelen-Grunde 
An das, was euch ziemt und frommt, 
Denn ihr wißt nicht welche Stunde, 
Cuch der Herr des Hauſes kommt. 


— 143 — 


Oft ſchon habt ihr ſehen müſſen, 
Daß ein Jünger mußt zu Grab'; 

Eure Stund' könnt ihr nicht wiſſen, 
Wenn ſie iſt gelaufen ab. 


Habt ihr Fried' mit Gott gefunden 
Und ein Bund mit ihm gemacht, 
Seid ihr fertig dieſe Stunde, 
Uns zu geben gute Nacht? 


O wie oft iſt es geſchehen, 
Daß in einem Augenblick, 5 
Jüngling, Jungfrau mußten gehen, 
Wann ſie traf ein Mißgeſchick! 


Tauſend Art von Todesfällen 
Rafft der Tod zum Grab' hinein, 

Welche uns betrifft von Allen, 
Weiß der Schöpfer nur allein. 


Nun wünſch' ich euch Licht und Segen, 
Zu dem Wunſch den ich gethan; 

Prüft, ob es nicht ſind die Wege, 
Die euch führen Himmelan. 


Wollt ihr euch zu Jeſu kehren, 
Iſt eur' Herz zu ihm gewandt, 

Denn ſo woll' Gott mich erhören, 
Und euch führen an der Hand! 


Gott woll' euch mit Kraft beiſtehen, 
Und ſein Geiſt euch ganz erfüllt, 

Er woll' euch hier laſſen ſehen 
Die Gefahr in dieſer Welt, 


Er woll' euch zu Jeſu führen, 
Der das Leben hat gebracht, 
Der eur’ Herz und Seel berühre, 
Wenn ihr ein Bund mit ihm macht. 
10 


= 146 — 


Der euch waſcht mit ſeinem Blute, 
Rein vor Gottes Angeſicht, 

Und erzeig' euch dort das Gute, 
Nach dem Tod an dem Gericht. 


Wo eur' Nam' dann wird befunden, 
Dort im Buch des Lebens ſteh'n, 

Naht euch jetzt zu ſeinen Wunden, 
Wenn ihr wollt zur Rechten ſteh'n! 


Fallet jetzt zu Jeſu Füßen, 
Euch entfalle nicht der Muth; 

Seht, ich hab euch hingewießen, 
Hin zu ſeinem Opfer Blut! 


Naht euch hin zu Jeſu Quelle, 
Welche dort am Kreuze floß, 

Er macht eure Seelen helle, 
Durch ſein Blut das er vergoß. 


Unausſprechlich Freud' und Wonne 
Iſt euch Kindern dort bereit, 

Wenn ihr jetzt zum Gnaden Brunne 
Eilet in der Gnadenzeit. 


Auch für euch iſt es gefloſſen; 
Seht, er weint aus Lieb' zu euch, 

Er hat für euch aufgeſchloſſen, — 
Er ruft euch zu ſeinem Reich! 


Müßt ihr auch viel Trübſal haben, 
Kummer, Hohn ſammt Kreuz und Noth, 
Und mit Thränen euch erlaben, 
Wenn euch hier die Welt verſpott! 


O hört dann den Heiland rufen, 
Der euch tröſtet und zuſpricht: 

„Ihr ſteht jetzt auf meinen Stufen, 
Ich verlaß euch warlich nicht!“ 


Oft hat mich die Welt verhöhnet, 
Doch blieb ich in Lieb' und Huld, 

Wenn ſie euch mit mir beſchämet, 
O ſo tragt es mit Geduld! 


Wenn ſie euch mit mir verhöhnen, 
Weil ihr wandelt meine Bahn; 

Dafür will ich euch dort krönen, 
Und nehm' euch als Brüder an. 


Kinder höret hier die Worte, 
Die der Heiland ſelber ſpricht, 

Laßt das Dichten zu der Pforte, 
In dem Herzen ſein Gericht. 


Trachtet nicht nach hohen Sachen, 
In der Kleidung vor der Welt, 

Will die Welt auch euer Lachen, 
Wenn ihr euch zu Jeſu ſtellt. 


Jeſus nennt euch ſeine Brüder, 
Wenn ihr geht die Demuth Bahn, 

Lacht die Welt auch hin und wieder, 
Gott nimmt euch als Kinder an. 


Doch, o prüfet euer Herze, 
Ob's mit Heuchelei befleckt; 

Manchem dient das Kleid zur Schürze, 
Womit er den Hochmuth deckt. 


Kleider dienen oft im Handel, 
Tauſend Heuchlern in der Welt, 

Ihre Kinder nur als Mantel, 
Wo der Wolf iſt eingehüllt. 


Prüfet eure Herzens Höhle, 
Ob ſie iſt von Hochmuth frei, 

Und zugleich ob eure Seele, 
Iſt erfüllt mit Heuchelei! 


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Reinigt euer Herz von innen, 
Wenn ſich Heuchelei erzeigt, 

Füllt mit Demuth, Herz und Sinnen, 
Wenn's 7 Hochpracht iſt geneigt. 


Heuchler zeigt in Kleidung dorten 
Seine Demuth nur der Welt, 

Doch im Herzen, Wandel, Worten, 
Folgt er nicht dem Herrn und Held. 


Hier ſind tauſend Netz und Stricke, 
Die vor euren Füßen ſteh'n, 

Eure Seelen zu berücken, 
Um nicht Jeſu Pfad zu geh'n. 


Welt hat ihre tauſend Lüſte 
Für die Jugend hingeſtellt, 

Um in Hochpracht ſich zu brüſten, 
Was dem Auge wohlgefällt. 


Heuchler ſtehen dann zur Seite, 
Zeigen außen Demuth an, 

Doch verwirft der Heiland beide, 
Und warnt euch vor beider Bahn. 


Laßt die Welt nur Lachen, Toben, 
Folgt auch nicht der Heuchler Weg; 

Gott im Himmel hilft von oben, 
Wenn ihr wandelt Jeſu Steg. 


Gott woll' euch nun Kraft verleihen, 
Nicht zu weichen in Beſchwert, 

Jedem Feinde zu verzeihen, 
Gleich wie uns der Heiland lehrt! 


Sucht in Unmuth euch zu faſſen, 

Wiederfährt euch Spott und Hohn, 
Dennoch ſeid ihr nickt verlaſſen, 
So geſchah's auch Gottes En, 
10˙ 


— 149 — 


Gott woll euch das Herz erfriſchen, 
Treu zu folgen unſerm Held, 

Und die Thränen euch abwiſchen, 
Wenn ihr einſt verlaßt die Welt. 


Folgt ihr ihm in eurem Leben, 
Waſcht er euch von Sünden klar, 

Dürft mit ihm in Freuden ſchweben, 
Mit ihm in dem Neuen Jahr! 


Wo ihr mit viel tauſend Schaaren, 
Ihm zu danken zu ihm dringt, 

Und nach tauſend, tauſend Jahren, 
Stets das Lob von neuem ſingt, — 


Für die Gnad', die er bewießen 
Auf dem Berge Golgatha, 

Ließ ſein Blut aus Liebe fließen, 
Für die Menſchen fern und nah'. 


Nun ihr Kinder allzuſammen, 
Laſſet Herz und Seele ſchrein, 

Bis daß Gott auch eure Namen 
Schreibt ins Buch des Lebens ein. 


Fleht, daß er euch hier erhalte, 
Und beſchützt mit ſeiner Macht, 

Und in Allem für euch walte, 
Bis ihr habt den Lauf vollbracht. 


* 
Und euch dann nach dieſen Tagen, 
Wenn ihr habt den Lauf vollend, 
Gott läßt durch die Engel tragen, 
Hin zu ihm in ſeine Händ'. 


Fleht zu Gott mit ernſtem Ringen, 
Euch zu ſtellen zu der Schaar. 

Die das Halleluja ſingen, 
In dem ewig Neuen Jahr! 


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Warnung und Unterricht 


alle meine Kinder. 


„Aus väterlicher Liebe und Pflicht geſchrieben.““ 


—— 


Hört ihr Kinder, prüft die Wege 
Im Gedränge dieſer Welt, 

Tretet nur nicht auf die Stege, 
Die verboten ſind vom Held! 


Es bedarf in dem Gewirre, 
Wo hier Jeder ſeine Lehre 

Nühmt und unfehlbar ausſpricht, — 
Warlich hier bedarf es Licht! 


Ruft zu Gott auf euren Wegen 
Stets um Licht und Beiſtand an, 

Daß ſein Geiſt euch auf den Stegen 
Allzeit führ' auf Jeſu Bahn! 


Doch, ihr müßt euch führen laſſen, 
Und ihn auch nicht von euch ſtoßen, 

Dann führt er euch auf die Bahn, 
Die der Heiland zeiget an. 


— 152 — 


Prüfet ſtreng den eignen Wandel, 
Ob ihr folget Herzens Trieb, 

Oder ob eur' Thun und Handel 
Sei wie Jeſus euch vorſchrieb. 


O, wie leicht kann man abirren, 
Wenn wir Chriſti Nam' ſchon führen; 
Wie der Wandel hier vollbracht, 

Wird er dort beim Licht betracht! 


Hat ein Irrlicht uns verführet 
Jetzt in dieſer Mitternacht, 

Laßt uns thun wie Jeſus lehret, 
Und zur Warnung hat geſagt! 


Laßt uns Augenſalbe brauchen, 
Daß wir ſehen wie wir laufen, 

Und in Klarheit können ſeh'n, 
Ob wir auch vor Gott recht geh'n. 


O, ihr Jüngling und Jungfrauen, 
Jedes ſeh' in ſeine Seel', 

Laßt uns in die Angel ſchauen, 
Ob wir haben Geiſtes Oel! — 


Ob wir Jeſu Liebe üben, 
Und die Feinde herzlich lieben, 
Nicht allein mit Wort und Rath, 
Sondern auch mit Herz und That! 


Glaub' und Liebe müſſen beide 
Hier zugleich verpaaret geh'n; 

O, prüft euch daher noch heute, 
Ob wir auch vor Gott beſteh'n! 


Denn wir können ja nicht wiſſen, 
Ob wir nicht ſchon heut noch müſſen 
Hin vor Gottes Angeſicht, 
An das große Weltgericht. 


— 1531 — 


Liebe iſt das wahre Zeichen, 
Welches ganz untrüglich iſt, 

Welches Jeder muß erreichen, 
Will man ſein ein wahrer Chriſt. 


Fehlt die Liebe auf dem Wege, 
O, ſo wandelt man die Stege, 

Wo man ſich als Chriſt entehrt, 
Wenn uns Zorn und Hader führt. 


Will man einen Chriſten kennen, 
Muß man auf die Liebe ſeh'n, 

Wollen wir uns Jünger nennen, 
Müſſen wir in Liebe ſteh'n. 


Wenn wir Lieb im Glauben üben, 
Werden wir vom Geiſt getrieben, 

Hier zu ſuchen mit dem Thun, 
Nur des Höchſten Ehr' und Ruhm. 


Sanftmuth zeigte unſer Hirte, 
Hier in Widerwärtigkeit, 

Sanftmuth iſt des Chriſten Zierde, 
Sonderlich in Haß und Streit. 


Darum können wir wohl merken, 
An dem Wandel, Wort und Werken, 
Ob wir Jeſu Wege geh'n, 
Und dereinſt vor Gott beſteh'n. 


Sanft zu ſein iſt gar nichts Großes, 
Wenn es dir nach Wunſche geht, 

Zeigt dir aber Jemand Böſes 
Und dein Feind dir widerſteht, — 


Dann erſt giebſt du zu erkennen, 
Wie man dich hier darf benennen, 

Ob du folgeſt Jeſu Spur, 
Oder deinem Fleiſche nur. 


— 154 — 


Laßt die Demuth euch erfüllen, 
Daß ihr euch ſelbſt achtet klein, 

Und nicht nur den Leib umhüllen 
Vor der Welt im Demuths Schein. 


Wer ſich außen nur will zeigen, 
Und nicht auch das Herze beugen, 

Solcher geht der Heuchler Weg, 
Und der Phariſäer Steg. 


Laß dein Herz die Pracht nicht lieben, 
Womit ſich die Welt ausſchmückt; 
Prüft, wer Hochpracht will ausüben, 
Ob ſein Herz nicht ſei verſtrickt! 


Wer hier will der Welt noch fröhnen, 
Solcher kann dem Herrn nicht dienen, 
Hängt fein Herze an der Welt, 

Dient er nicht dem Herrn und Held. 


O, prüft euer Herz und Seele, 
Seid ihr Gott in Allem treu, 

Oder ſucht ihr zu erwählen, 
Was hier Gott zuwider ſei! 


Wer hier Gott will ernſtlich dienen, 
Der darf nicht der Welt auch fröhnen, 
Dient er Chriſto nur im Schein, 

Kann er nicht ſein Jünger ſein. 


Wollt ihr nun Beweiſe geben, 
Daß ihr wirklich liebet Gott, 

Dann müßt ihr mit Freud' annehmen, 
Auch zu halten ſein Gebot. 


— 18 = 


Dann kann Jedermann erkennen, 
Daß man euch darf Chriften nennen, 

Dies beweißt, daß man ihn liebt, 
Wenn man ſein Gebot ausübt. 


Jeſus ſagt uns ſelbſt dies Zeichen, 
Daß es wahre Liebe iſt: 

Denn erdichtete Gebräuche 
Machen warlich keinen Chriſt. 


Wollen wir uns Chriſten nennen, 
Dann kann Jedermann erkennen, 
Daß, wo wahre Liebe iſt, 
Dort iſt auch ein wahrer Chrift. 


Wie der Vater Jeſum liebet, 
So liebt Jeſus uns zugleich, 

Und er lehrt uns: „nun ſo übet 
Solche Liebe unter euch!“ 


Laßt die Liebe nicht erkalten, 
Sondern ſucht ſie zu erhalten, 

Denn ſo wird hierbei verſpürt, 
Ob uns auch der Nam' gebührt. 


Engelſchöne Red' zu führen, 
Macht den Redner nicht zum Chriſt, 
Liebe muß die Seele zieren, 
Will er zeigen was er iſt. 


Mit dem Glauben, Berg' verſetzen, 
Kann den Menſchen doch nichts nützen, 
Wenn er nicht die Liebe hat, 
Zeigt nicht Liebe mit der That. 


Gäbe er auch alle Gaben, 
Allen Reichthum alles Geld, 
Alle Güter alle Haben, 
Zu den Armen in der Welt. 


— 156 — 


Und ſein Herz blieb ohne Liebe, 
Ohne daß die Lieb' ihn triebe, 

Alles dies macht ihn nicht gut, 
Wenn er's nicht aus Liebe thut. 


Gerne will der Geiſt uns führen, 
Auf der Wahrheit rechten Weg, 

Gern will er das Herz regieren, 
Auf des Heiland's Liebes Steg. 


Wenn wir uns führen laſſen, 
Wenn wir ihn nicht von uns ſtoßen, 

Dann führt er uns auf die Bahn, 
Die der Heiland zeiget an. 


Es iſt keine Kunſt zu lieben, 
Den, der uns zugleich auch liebt; 
O, wir müſſen Liebe üben 
An dem, der uns hat betrübt! 


Werden wir verfolgt vom Feinde, 
Müſſen wir als Jeſu Freunde, 

Bitten Gott um Gnad und Huld, 
Daß er ihnen ſchenkt die Schuld. 


Ob ſie unſer Blut und Leben, 
Hier auch rauben in der Zeit, 

Gott will Alles wiedergeben, 
Dorten in der Ewigkeit. 


Denn wir dürfen nicht abtreten, 
Sondern herzlich für ſie beten, 

Daß Gott ſie an jenem End, 
Nicht woll' ſtrafen für die Sünd'. 


Sind wir hiervon abgerathen, 
Hat die Bosheit uns verführt, 

Haben wir mit unſern Thaten, 
Andre und uns ſelbſt entehrt, — 


— 157 — 


Fühlen wir keine Reu noch Schmerzen, 
Keine Angſt in unſern Herzen, 

O, ſo rufet Jeſus noch: 
„Kaufet Augenſalbe doch!“ 


Wenn wir andre zornig machen, 
Daß Muthwille fie verlacht, 

Wenn wir fie verächtlich machen, 
Durch den Scherz den wir gemacht, — 


Und ſie ſich im Zorn entblößen, 
Läſterworte aus zu ſtoßen, 

Denn ſind wir vom Weg geirrt, 
Und wir haben ſie verführt. 


Gehen wir auf ſolchen Wegen, 
Solchem Lichte in der Welt, 

Unſerm Bräutigam entgegen, 
Bis der Tod uns überfällt. 


Wünſchen würden wir alsdann, 
Hätten wir's nur nicht gethan, 

Darum ruft der Heiland heut: 
„Aendert euch noch in der Zeit!“ 


Wenn die Menſchen uns mißhandlen, 
Daß wir auf der Probe ſteh'n, 

Dann wird's kund ob wir recht wandlen, 
Und den ſchmalen Weg noch geh'n. 


Wenn wir die Sanftmuth verlaſſen, 
Treten die Demuth mit Füßen, 

Wenn die Bosheit uns erfüllt, 
Folgen wir nicht unſerm Held. 


Denn, wenn wir im Zorn erglühen, 
Haß und Rach das Herz regiert, 

Wenn die Haderfunken ſprühen, 
Und die Bosheit uns verführt, — 


= u — 


Jene Menſchen zu verdammen, 
Sich ſelbſt zählen zu den Frommen, 
Dann verlöſchen wir das Licht, 

Folgen auch dem Heiland nicht. 


Ruft der Tod uns aus dem Leben, 
Ehe daß wir uns verſöhnt, 

Wollten wir hier nicht vergeben, 
Dann iſt Jeſu Rath verhöhnt. 


Mit dem Maaß wo wir gemeſſen, 
Solches wird dort nicht vergeſſen, 

Solches wird an uns vollbracht, 
Wenn wir Jeſu Rath veracht, 


Drum ruft Jeſus aus Erbarmen 
Allen die Irrwege geh'n: 

„Kauft euch Augenſalb ihr Armen, 
Daß ihr euch noch könnet ſeh'n!“ 


„Eh' die Thüre wird verſchloſſen, 
Eh' ihr werdet ausgeſtoßen, 

Eilet und errettet euch, 
Daß ihr kommt ins Himmelreich.“ 


„Denn, wenn ihr wollt Ruhe finden 
Für die Seel in jener Welt, 

Wollt ihr, daß die Zahl der Sünden, 
Euch nicht werde aufgezählt.“ 


„Wollt ihr, daß mein Blut und Leiden 
Euch von Sünden ſoll abſcheiden, 

Dann ſo kommet zu mir her, 
Und ſeid folgſam meiner Lehr!“ 


„Nehmt mein Joch und tragt die Bürde, 
Gleich wie ich auch hab' gethan, 

Denn ich als ein guter Hirte, 
Ging voran auf dieſer Bahn.“ 


— 159 — 


„Sanftmuth ſei in eurem Willen, 
Demuth laßt das Herz erfüllen, 

Tragt geduldig jede Schmach, 
Bittet Gott nicht um die Rach'.“ 


„Ich war ſanft und auch gelaſſen, 
Liebe war mein ganzes Thun, 

Ging in Demuth meine Straßen, 
Euch zum Spiegel, Gott zum Ruhm.“ 


„Ich bat ſtets für meine Freunde, 
Und im Leiden für die Feinde, 

Und im Tode ließ ich nicht 
Von der Liebe erſten Pflicht.“ 


„Denn, als ich dort überdachte 
Meine Pein und großen Schmerz, 

Und mir den Gedanken machte, 
Daß ich ſollte ſein ihr Scherz.“ 


„Wie ſie mich in Unſchuld haſſen, 
Ja, ſo gar von Gott verlaſſen, 

Dies bracht Todesangſt herbei, 
Der ich doch von Sünd' war frei.“ 


„Flehend lag ich Gott zu Füßen, 
Weinend hin zu Gott gekehrt, 

Ließ in Todesängſten fließen, 
Meinen Schweiß wie Blut zur Erd'.“ 


„Dreimal lag ich auf den Knieen, 
Hab' mit Thränen angeſchrieen 

Meinen Herrn und meinen Gott, 
Mich zu ſchonen vor der Noth!“ 


— 60 — 


„Bange Qual durchdrang mein Herzen, 
Vor dem Haufen dort zu ſteh'n, 

Nicht zu zählen alle Schmerzen, 
Eh' ich ſollt zum Tode geh'n.“ 


„Mich von Allen ſeh'n verlaſſen, 
Und von Jedem ganz verſtoßen, 

Ja, verachten nur um Geld 
Und zur Schande ausgeſtellt!“ 


„Auch verläugnet von dem Lieben, 
Der mein ernſter Jünger war, 

Sich die Seele zu betrüben, 
Ich verſpottet von der Schaar.“ 


„Meine Augen zu bedecken, 
Unter Schlägen mich zu necken, 
Mich zu fragen im Unfug: 
„Herr, wer iſt es, der dich ſchlug?““ 


„Ach! die harten Geiſelhiebe, 

Sammt dem Spotte, Schmach und Hohn, 
War Bezahlung meiner Liebe, 

Und zuletzt die Dornen-Kron!“ 


„Und der Hoheprieſter toben, 
Die ſich Gottes Kinder loben, 

Stellten falſche Zeugen dar, 
Der ich doch in Unſchuld war.“ 


„Endlich dann den Muth zu kühlen, 
Mich am Kreuz zu hangen ſeh'n, 

Sollt ich bittre Schmerzen fühlen, 
Langſam dann den Tod ausſteh'n.“ 


„Und ſo lang die Schmerzen währen, 
Sollt ich Spott und Schmachwort hören, 
Ihrer Wuth im Zorn erboſt, 
Und mich hangen ohne Troſt.“ 


— 161 — 


„Ich ſollt ſehen das Getümmel 
Jener großen Menſchen Schaar, 

Das nach Golgatha hin wimmelt, 
Denen ich ein Schauſpiel war.“ 


„Dort ſollt ich als Mörder hangen, 
Mit der Dornen-Krone prangen; 

Was ein Mörder dort begehrt, 
Wird am Tod ihm nicht verwehrt.“ 


„Ich allein, ich ſollt Nichts haben 
Als ich klagte über Durſt, 

Gall und Eſſig mußt mich laben, — 
Denn ich ſei der Juden Fürſt.“ 


„Ich ſollt jetzt die Macht erzeigen, 
Und herab vom Kreuze ſteigen, 

Und mir ſelber helfen hier, 
Gleich wie Andern hin und her.“ 


„Ja, ich ſollt mich nun befleißen, 
Wenn ich Gottes Sohn doch war, 

Und ſollt meine Macht beweiſen, 
Und zu ihnen kommen her.“ 


„Könnt' ich dieſes Werk vollführen, 
Wollten ſie dann nach Gebühren 

Es bekennen frank und frei, 
Daß ich Gottes Sohn auch ſei.“ 


„Als ich dieſes überdachte, 
Kam mir Schreck und Schauer an; 
Alle ſchliefen — nur ich wachte 
In dem Garten Getſeman.“ 


„Dort rang ich mit Tod und Schrecken, 
Wenn ich dacht an Pein und Necken, 
Bis ein Engel brachte Stärk', 
Auszuführen Gottes Werk.“ 
11 


— 162 — 


„Denn des Vaters Schwur ſollt gelten 
Hier und dort in Ewigkeit, 

Euch durch mich dort zu erhalten, 
Dort am Ende aller Zeit.“ 


„Wärd ihr nicht durch's Vaters Liebe, 
Und durch meine Liebestriebe; 

Durch mein Blut und Tod erlößt, 
Wärd ihr ewig ohne Troſt.“ 


„Ewig wärd ihr dort verloren 
Vor des Vaters Angeſicht, 

Denn kein Menſch vom Weib geboren, 
Könnt' beſtehen am Gericht!“ 


„Das Gericht würd' All verdammen; 
O! und in den Höllen Flammen 

Würdet ihr dort leiden Pein, 
Welche ewig würde ſein!“ 


„Wo der Wurm nicht würde fterben, 
Und das Feu'r verlöſchen nicht, 

Und die Seele im Verderben 
Schrecklich fühlen das Gericht.“ 


„Ewig dort von Gott verſtoßen, 
Ewig auch vom Sohn verlaſſen, 
Ewig währet jene Noth, 
Ewig iſt der andre Tod!“ 


„Und der Rauch von Pein und Qualen, 
Welcher aufſteigt vom Abgrund, 

Wird in dunklen Wolken ſtrahlen, 
Und die Strafe machen kund.“ 


„O ſucht es noch jetzt zu faſſen, 
Ewig iſt ohn' Ziel und Maſen, 
Denn die Ewigkeit enthält 
Keine Zeit wie in der Welt.“ 


— 18 — 


„Ich erwägte eure Schmerzen 
Tief in meinem Liebes Sinn; 

Wehmuth füllte mir das Herzen, 
Als ich ſah in Zukunft hin,“ — 


„Euch getrennt von ew'gen Freuden, 
Nur gequält mit ew'gen Leiden, 

Keinen Troſt der euch erfüllt, 
Wo der Jammer ewig quillt.“ 


„Niemand konnte ſich mehr helfen 
In dem Stande wo ihr ward, 

Denn die ew'gen Todes Kelche 
Laſſen keine Kraft der Art.“ 


„Niemand konnte euch mehr retten, 
Euch zu helfen aus den Röthen; 

Denn der ew'ge Fluch und Tod 
Lag auf euch von meinem Gott.“ 


„Jammer füllte meine Seele, 
Euch zu ſeh'n in ſolcher Noth, 

Euer Angſt und Klaggeſtöhne, 
Am Gericht vor meinem Gott.“ 


„Hätt ich euch nun ſehen müſſen, 
Ewig für die Sünde büßen, 

Und in ewig's Leid gebracht, 
O wie wär mein Herz verſchmacht!“ 


„Sollte euch nun Jemand retten, 
Mußte es der Vater thun, 

Sollte Jemand für euch bitten, 
Mußt' ich durch mein Blut es thun.“ 


„Denn des Vaters ew'ge Liebe 
War zu euch wie meine Triebe, 
Waren ewig immerhin, 
Stets in einem Liebesſinn!“ 


— 164 — 


„Gehorſam kindlich in der Stille, 
Trat ich dann zum Vater dar, 

Sprach: nun, es geſcheh' dein Wille, 
Gleich wie er im Anfang war!“ 


„Ich will dann das Werk vollbringen, 
Ich will jetzt den Tod bezwingen, 

Ich will nehmen feine Macht, 
Daß Erlöfung ſei gebracht.“ 


„Doch, o Vater auf dem Throne 
Höre mich, o Herr mein Gott, 

Iſt es möglich, fo verſchone 
Mich vor dieſem Kelch der Noth!“ 


„Dennoch ſoll mein Will' ſich beugen, 
Ich will dir Gehorſam zeigen, 

Und dein Wille ſoll geſcheh'n, 
Ob ich gleich den Tod muß ſeh'n!“ 


„Kann die Menſchen Nichts mehr retten 
Von dem ew'gen Fluch und Tod, 

Kann es nicht durch meine Bitten, 
Doch erhalten deine Gnad'?“ 


„Müſſen Millionen Heerden 
Am Gericht verloren werden, 

Kann der Beſt nicht finden Gnad', 
Ohne durch mein Blut und Tod?“ 


„Sind o Vater kleine Kinder, 
Die gelebt in dieſer Welt, 

Sind ſie all vor dir als Sünder 
Und dem Fluche zugezählt?“ 


„Muß mein Blut für alle fließen, 
Um die Thüre aufzuſchließen, 
Muß es zablen jede Schuld, 
Zu erlangen deine Huld?“ 
* 


_— ME 


„Gern will ich dann meinen Miller 
Uebergeben dir o Gott, 

Um der Menſchen Seelen Willen, 
Auf daß Jeder finde Gnad'.“ 


„Mein Blut'ſoll zum Segen werden, 
Den Geſchlechtern hier auf Erden, 
Damit Jeder durch mein Blut 
Mög’ entgeh'n dem ew'gen Tod.“ 


„Weil ich nun hab' überwunden, 
Und hab' euch mit Gott verſöhnt, 

Und für euch Erlöſung funden, 
Folgt der Stimme die jetzt tönt!“ 


„Wollt ihr dieſer Stimme hören, 
Und die Bitte mir gewähren, 

O., fo nehmt Verſöhnung an, 
Die ich hab' aus Lieb' gethan!“ 


„Folgt mir nach und ſeid geduldig, 
Schämet euch nicht meiner ſchmach, 

Macht euch nicht im Leiden ſchuldig, 
Bittet mir in Liebe nach!“ 


„Betet ſtets für eure Freunde, 
Betet herzlich für die Feinde, 

Liebet Freund und Feind zugleich, 
Daß ihr kommt ins Himmelreich!“ 


„Folgt mir nach in allen Stücken, 
Wie ich euch ein Vorbild gab, 

Dann will ich euch auferwecken, 
Dort zur Freud' am jüngſten Tag.“ 


„Wenn ihr wandelt meine Straßen, 
Will ich euch dort nicht verlaſſen, 

Schämt ihr euch zu thun mein Wort, 
Schaͤm ich mich auch euer dort.“ 


— 166 — 


„Ihr habt dort keinen andern Richter, 
Als hier mein gehörtes Wort, 

Dies iſt eurer Sache Schlichter, 
Es wird euch auch richten dort!“ 


„Es wird dort ein Jeden richten, 
Jedem ſeine Sachen ſchlichten, 
Folgte er der Welt allein, 
Wird mein Wort der Richter ſein!“ 


Kinder merkt mit Herz und Ohren, 
Auf die Wort', die Jeſus ſpricht, 

Auf daß wir nicht gleich den Thoren 
Stehn an Gottes Weltgericht! 


Schamroth ohne Oel dort ſtehen, 
Und vergeblich umher geh'n 

Oel zu ſuchen, allzu ſpat 
Zu erlangen Gottes Gnad'! 


Laßt uns jetzt, gleich klugen Frauen, 
Sehen, ob das Oel uns fehlt, 

Laßt uns unſer Herz beſchauen, 
Wie es hierin iſt beſtellt. — 


Ob wir Gottes Rath verachtet, 
Seligkeit gering geachtet, 

Oder ob wir in der That 
Wollen folgen Gottes Rath. 


Prüft euch ſtreng nach Gottes Worten 
Jetzt vor Gottes Angeſicht, 

Ob ihr könnt beſtehen dorten, 
Dort vor Gottes Weltgericht! 


— 167 — 5 


Wenn ihr Jeſu Bahn nicht gehet, 
Und im Tauf' nicht auf ihn ſehet; 

Wenn ihr euch ſchäm't Gottes Rath, 
Den doch Jeſus ſelber that. 


Soll er euer Mittler werden, 
Zu erlangen Gottes Gnad', 

Denn ſo folget hier auf Erden, 
Auch in Allem Gottes Rath. 


Sucht im Glauben und im Taufen 
Dem Erlößer nach zu laufen, 

Im Vertrauen auf ſein Wort, 
Das er für euch ſpreche dort! 


Es hilft nichts ſich Chriſt zu nennen, 
Daß man ſagt man glaub' an Gott, 

Wenn man ſich nicht will abtrennen 
Von der Welt und Fleiſches Rath. 


Gott will uns an der Frucht erkennen, 
Jeſus will uns Brüder nennen, 

Wenn wir thun wie er gethan: 
Geh'n getreu auf ſeiner Bahn. 


Fleiſches Liebe muß man meiden, 
Augenluſt bringt Fall herbei, 

Muß ſich von dem Hochpracht ſcheiden, 
Daß man ein Kind Gottes ſei! 


Denn wer verbot'ne Dinge übet, 
Und die Welt auf die Art liebet, 

Solcher macht vergeblich Ruhm 
Sich von feinem Chriſtenthum. 


Glaube iſt genug zu finden, 
Glaube hat eine jede Rott, 

Bleibt hier Jeſu Lieb' dahinden, 
Iſt der Glaube warlich Tod. 


- TBB — 


Teufel glauben auch und zittern, 
Doch die Menſchen zu verbittern, 
Solches unterläßt er nicht, 
Sich und Menſchen zum Gericht. 


Wahrer Glaube iſt zu kennen, 
Wo die Liebe Jeſu iſt, 

Beide laſſen ſich nicht trennen 
Von dem Pfade Jeſu Chriſt! 


Wenn der Glaub' ohn' Werke waltet, 
Und die Liebe iſt erkaltet, 

Dann verläßt man Gottes Rath, 
Und iſt fern von Jeſu Pfad. 


Nun ihr Kinder, o ihr Lieben, 
Die mir Gott beſcheeret hat, 

Folgt wie Jeſus vorgeſchrieben, 
O, verſäumt nicht Gottes Gnad'! 


Folgt dem Beiſpiel des Erlößers, 
Auf daß euch nicht dort was Böſers 
Wiederfabre am Gericht, 
Dort vor Gottes Augeſicht! 


Laßt euch taufen nach Gebühren, 
Laßt die Liebe keuſch und rein, 
Allezeit den Wandel zieren, 
Laßt ſie ſtets im Herzen ſein! 


Sucht die Reinigung eurer Sünden, 
Nur durch Jeſu Blut zu finden, 
Damit ihr an jenem Tag, 
Mögt entgeh'n der Angſt und Plag! 


O, daß Gott meine Bitt' erfülle, 
Euch und uns mit Gnad' erzeigt, 

En uns dort zur rechten Stelle, 
Wenn er dort auf ewig ſchridt! 


— 169 — 


Auf daß wir in Ewigkeiten, 
Stets genießen ew'ge Freuden, 
Welche Jeſus uns zu Gut 
Hat erworben durch ſein Blut. 


Laſſet Gottes Geiſt euch führen, 
Jetzt in dieſer Mitternacht, 

Laßt euch ſtets von ihm regieren, 
Laßt nur ihn nicht aus der Acht! 


Sucht von jetzt mit ernſtem Ringen, 
Durch die Pforte einzudringen, 

Auf daß euch denn Gott am End', 
Nehme auf in ſeine Händ'! 


— 


A ung, 4485 


e eee r 
| . 


Warnung 
an meine Kinder, 
aus 
veterlicher Liebe und Pklicht. 


— uk 


Großer Gott erleucht' die Seele, 
Mach mir meine Augen hell, 

Daß ich ſieh' wo mir es fehle, 
Führe mich zur rechten Quell! 


Hilf, daß ich mit ernſtem Streben 
Dich um deinen Geiſt anfleh', 

Der mich hier in meinem Leben 
Leit' und führet wo ich geh'! — 


Der mir hilft in allen Sachen, 
Sie zu thun zu deiner Ehr, 

Daß mein Laſſen, Thun und Wachen 
Stets dein Ruhm und Lob vermehr! — 


Der mich jetzo wolle treiben, 
Und erleuchten als ein Licht, 

Auf daß ich in dieſem Schreiben 
Auch erfülle meine Pflicht! 


Meinen Kindern anzuzeigen, 
Deine Warnung in der Lehr, 

Daß ſie ſich zu dir hinneigen, 
Geben deinem Wort Gehör. 


Zünd' in ihnen deine Kerzen, 
Oeffne ihnen ſelbſt das Ohr, 

Auf daß ſie in ihrem Herzen 
Selbſt erkennen die Gefahr! 


Daß, Iusan fie ſich nicht bereiten 
ul dein Wort nach ihrer Pflicht, 
Daß fie aur zur linken Seiten 
Musen ſtehen am Gericht! 


Gieb du ihnen ein X erlangen, 
Hier zu ſorgen für die Seel', 

und mit wabrem Ernſt anfangen, 
Jetzt zu ſammlen Glaubens Oel! 


Suchen denn im wahren Lichte, 
Hier zu wandlen Jeſu Pfad, 

Zu erlangen am Gerichte 
Deine Gnad' durch Jeſu Tod! 


Seh'n, daß ich hier meine Pflichten 
Als ihr Vater willig that, 

Im Vermahnen ſich zu richten, 
Stets nach deinem Wort und Rath. 


D, aus Gnade und Erbarmen, 
Höre mich, o Herr mein Gott, 

Trag' die Kinder in dein' Armen, 
Sei ihr Schutz bis an den Tod! 


Hört ihr Kinder, die Befehle, 
Die uns Gottes Wort aufband, 

Dort als unſer Herz und Seele 
Trateu in den Eheſtand! 


> 


— 173 — 


Dort befahl uns Gott die Tugend, 
Euch gottſelig zu erzieh'n. 

Und daß ihr in eurer Jugend, 
Sollt die Welt ſammt Lüſten flieh'n. 


Euch vermahnen zu dem Herren, 
Hier zu wandlen Jeſu Pfad; 

Euch vom Böſen abzukehren, 
Treu zu bleiben bis zum Tod. 


Denkt jetzt ruhig und beſonnen: 
Wer gab euch den Odem hier, 

Wo habt ihr den Geiſt genommen, 
Wo habt ihr das Leben her? 


Woher habt ihr eure Kräfte, 
Wenn ihr eure Arbeit thut, 

Und wer gibt euch neue Säfte, 
Wenn ihr Nachts im Schlafe ruht? 


Wer rief euch hier zu erſcheinen, 
Wer gab Sinnen und Verſtand, 

Wer ſchuf euch zuerſt im Kleinen, 
Und gab Wachsthum nach der Hand? 


Wer ſchuf den Verſtand in Seelen, 
Hier zu prüfen jede That, 

Daß ihr könnt für euch erwählen, 
Ewig's Leben oder Tod? 


Wer gab euch Verſtand im Denken, 
Wer gab Ohren zum Gehör, 

Daß ihr könnt die Sinnen lenken, 
Prüfen gut' und falſche Lehr'? 


War es nicht der Höchſte Schöpfer, 
Der den Weltkreis hat gemacht, . 
Er ſchuf euch gleich wie ein Töpfer, 
Er gab euch zu allem Kraft! 


— — 


Was ihr habt, hat er gegeben, 
Er gab euch von ſeinem Geiſt, 

Daß ihr ihm zur Ehr' ſollt leben; 
Er iſt's wo euch täglich ſpeißt. 


Wär' es denn nicht ganz vermeſſen, 
Wenn der Menſch nun ſolche Güt' 

Seines Gottes würd' vergeſſen, 
Und die Ehrfurcht ihm entzieht. 


Würd' nicht Jeder deutlich ſehen, 
Wenn er Gottes Gaben hier 

Iſſet ohne Dank und Flehen, 
Daß er lebt als wie ein Thier. 


Denn Gott gibt dem Erdreich Segen, 
Saamen und auch Brod die Füll'; 

Winter, Sommer, Schnee und Regen 
Gibt der Höchſte wie er will. 


Krieg und Peſt, ſammt Hunger Zeiten 
Wechslen Segen oftmal hier, 

Die den Menſch hier ſollen leiten, 
Gott zu geben Ruhm und Ehr'. 


Denn Gott hat den Menſch begabet 
Mit Vernunft als Seelen Zier — 

Wenn der Menſch mit Speiß ſich labet, 
Er Gott ehre nach Gebühr. 


Und ſo lang die Menſchen leben, 
Sollen ſie in Glück und Noth, 

Gott die Ehr' in Allem geben, 
Und ihm treu ſein bis zum Tod. 


Gott will hier die Menſchen lenken, 
Wenn er Glück und Unglück ſend, 

Daß ſie ihm Vertrauen ſchenken, 
Bleiben treu bis an das End'. 


1 


Bleiben ſie denn treu in Allem, 
Iſt Gott ihre Zuverſicht? 
Wenn ſie denn von Gott nicht fallen, 
Zeigt er Gnade am Gericht. 


Denn Gott hat's mit ſeinen Worten 
Allen Menſchen angezeigt, 

Er woll' treu belohnen dorten, 
Endlos in der Ewigkeit! 


Hier gibt Gott auf unſrer Reiſe 
Täglich was dem Leibe fehlt, 

Und er hat auch Seelen Speiße 
Hier für Alle dargeſtellt. 


Kümmert ſich nun auf der Reiſe 
Jemand nicht um Seelen Noth, 

Solcher kann die Seelen Speiße 
Nicht erhalten nach dem Tod. 


Kinder ſucht im Seelen Grunde 
Jetzt noch eurer Seelen Heil, 

Auf daß nicht aus Gottes Munde, 
Euch der Fluch dort wird zu Theil! 


Nein in dieſem Erden Leben 
Iſt's, wo es der Menſch erfleht, 

Reichlich will es Gott dann geben, 
Wenn er Jeſu Pfad hier geht. 


Jedem, der es hier will wagen, 
Seinem Heiland nachzugeh'n, 

Den will er in Liebe tragen — 
Er erhört fein ernſtlich Fleh'n. 


— 176 — 


Denn er hat das Reich der Freuden 
Wieder aufgeſchloſſen dort, 

Alle die ſich recht bereiten, 
Finden dort die Eingangs-Pfort. 


Sünder will er nicht verſtoßen, 
Kein von allen fern und nah', 

Für fie iſt fein Blut gefloſſen 
Auf dem Berge Golgatha! 


„Kommt,“ ruft er als guter Hirte, 
„Wer Mühfelig iſt von euch! 

Kommt ich trage eure Bürde, 
Kommet ich erquicke euch!“ 


„O verlaßt die Bahn der Sünden! 
Kommt und nehmt mein Joch auf euch, 

Denn ſo werdet ihr Ruhe finden 
Für die Seel' im Himmelreich!“ 


„Ich bin ſanft, wenn Menſchen hoͤhnen, 
Denn ich ſtehe euch zum Licht, 

Und wenn Menſchen mich beſchämen, 
Laß ich doch von Sanftmuth nicht.“ 


„Demuth füllt mein Herz und Sinnen, 
Nicht wie eitler Heuchler Zier, 

Nein, die Demuth iſt auch innen, 
Kommt und lernet dies von mir!“ 


Dies ſind Jeſu eigne Worte, 
Die er zu den Menſchen fleht, 

Offen ſteht noch ſeine Pforte — 
Wohl dem, der da jetzt noch geht! 


Kinder folgt jetzt unverdroſſen, 
Folgt jetzt Jeſu wie er ſpricht: 

Hat er einſt die Pfort verſchloſſen, 
Hilft kein Flehen am Gericht! 


11 


Doch, Gott will auch Niemand zwingen, 
Daß er muß in's Himmels Saal, 

Mit Gewalt will er nicht dringen, 
Er läßt Jedem freie Wahl. 


Es kann Jeder für ſich wählen 
Ewig's Leben oder Tod, 

Wird's der Menſch in Wahl verfehlen, 
Stürzt er ſich in ew'ge Noth. 


Denn dort an dem jüngſten Tage 
Zeigt ſich's, was er hier erwählt, 

Wenn er dort entgeht der Plage, 

Hat er nicht die Wahl verfehlt! 


Er hat euch die Wahl gelaſſen, 
Ihr, die ihr erwachſen ſeid, 

Ob ihr wollt das Böſe haſſen, 
Und erwählen ew'ge Freud! — 


Oder ob ihr eure Seelen 
Wollet laſſen am Gericht, 
Nach dem Tode ewig quälen, 
Wenn Gott dort das Urtheil ſpricht! — 


Ihr könnt jetzt die Hand ausſtrecken, 
Je nach dem, was euch gefällt, 

Denn, wenn euch Gott wird aufwecken 
Dann wird's kund, was ihr gewählt. 


Kinder, o prüft euren Wandel, 
Was ihr thut und wie ihr geht, 

Ob die Werke, Thun und Handel 
Auch dort am Gericht beſteht! 


Habt ihr Weltluſt vorgezogen, 
Vor der Freude jener Zeit, 
Dann habt ihr euch ſelbſt betrogen 
Um die ew'ge Seligkeit! 5 
1 


— 


Zween Herrn könnt ihr nicht dienen 


Hier zugleich in dieſer Welt, 
Wollet ihr der Welt hier fröhnen, 
Dann habt ihr die Wahl verfehlt. 


Lebtet ihr nach Fleiſches Willen, 
Thatet was dem Fleiſch gefällt; 


Prüft, wo euch der wird hinſtellen, 


Der euch einſt das Urtheil fällt! 


Suchtet ihr nicht Gott zu dienen, 
Heilig ſo wie Jeſus ſpricht, — 

Dann wird er ſich euer ſchämen, 
Wenn er kommt zum Weltgericht. 


Habt ihr Hungrige verhöhnet, 
Ließt die Armuth nackend geh'n, 

Denn ſo werd' ihr dort beſchämet 
Und könnt Gottes Reich nicht ſeh'n. 


Habt ihr aber Gott gedienet, 
Gingt ihr hier in Jeſu Licht, 

Dann iſt's Jeſus, der euch krönet, 
Und zeigt Gnade am Gericht! 


Treue Schaafe will er lohnen, 
Die im Wandel auf ihn ſeh'n, 


Krönt ſie dort mit goldnen Kronen, 


Wenn er zum Gericht will geh'n. 


Wenn ſie Allem hier abſagen, 
Halten denn auch den Verſpruch, 

Spott und Hohn geduldig tragen, 
In der Liebe ohne Bruch! 


Dann kann keine Seel' ermeſſen, 
Was euch Kindern dort bereit', 

Gott kann euer nicht vergeſſen 
Euch zu nehmen in die Freud'. 


* 


ei Ph se 


Nichts kann euch von Freude trennen, 
Wenn dort Jeſus für euch ſpricht, — 
Euch als Brüder thut bekennen 
Dort am großen Weltgericht! 


Sucht daher mit jedem Tage 
Hier auf Jeéſu Pfad zu geh'n, 

Dann entgeht ihr dort der Plage 
Und dürft dann zur Rechten ſteh'n! 


Sucht den Schlingen auszuweichen, 
Seht auf Jeſum, euren Held, 

Dann könnt ihr das Ziel erreichen, 
Wenn ihr fort müßt aus der Welt! 


O betracht' des Satans Tücke, 
Wie er Menſchen hier berückt, 

Wenn er ſie mit ſeinem Stricke 
Hat gebunden und verſtrickt! 


Er ſucht hier der Jugend Augen 
Zu bezaubern mit der Welt, 

Fleiſchesluſt daraus zu ſaugen, 
Alles was dem Fleiſch gefällt. 


Pracht und Hoffart, neue Moden, 
Tanzen, Huren, Trügerei, 

In Geſellſchaft Reden, Zoten, 

Ohne Furcht und ohne Scheu'. 


Freſſen, Saufen und Derglelchen, 
Auch verſpielen Geld und Gut, 

Und im Zorn vor keinem weichen, 
Ohne Furcht vor Gottes Ruth'. 


Ach! o weh' der Armen Seele, 
Die in's Satans Netze fällt, 

Mancher liegt in ſolcher Höhle, 
Bis er fort muß aus der Welt! 


—- 101 = 


Denn der Satan ſucht zu blenden, 
Jeden, den er hier verſtrickt, 

Daß er nicht erkennt die Banden, 
Ob er ſchon gebunden liegt. 


Selten iſt das Land der Sünde 
Für das Fleiſch im Leben Noth, 

Aber an dem Schluß und Ende 
Bringet ſie den Seelen Tod! 


Daher iſt uns Jeſu Spiegel 
Dort zum Muſter aufgeſtellt, 

Als der Satan auf dem Hügel 
Ihn von Gott abführen wollt'. 


Zeigt ihm Reichthum, Tant und Schätzen, 
Hochpracht, Eitelkeit die Füll', 
Hieran ſollt er ſich ergötzen, 
Denn er gab es, wem er will. 


Aber Jeſus wollt' nicht fröhnen 
Dieſer Welt in Eitelkleit, 

Sondern ſprach: „man ſoll Gott dienen, 
Ihm anhangen Jederzeit!“ 


Er ſtellt Jeſu auf die Zinnen 
Als ein Eckſtein von dem Bau, 

Ihn mit Schmeichlen zu gewinnen, 
Sich zu ſtellen hin zur Schau. 


Er ſollt zeigen ſeine Proben, 
Wenn er wäre Gottes Sohn, 

Sollt' ſich ſtürzen dort von Oben, 
Dann würd' Ehre ihm zum Lohn. 


Ja, Gott würd' den Engeln ſagen, 
Daß ſie ihn nach ihrer Pflicht 
Sollten auf den Händen tragen, 
Damit er im Fallen nicht — 
12,7 


— 


— 191 — 


Sich an Steinen könnt' zerſtoßen; 
Und es würd' auch Jedermann: 

Ihn ausrufen auf den Straßen, 
Seht, was Gottes Sohn gethan! 


Jeſus ſah' des Satans Tücke, 
Gibt ein Muſter uns hiebei, 

Denn er widerſtand dem Stricke, 
Und blieb' ſeinem Gott getreu. 


Seht, der Satan trügt uns immmer, 
Alt' und Junge mit dem Schein, 

Junge durch den eitlen Schimmer, 
Alte durch die Heuchelei'n! 


Sind nicht tauſend ſolcher Stricke 
Hier für alle hingelegt, 

Wenn der Satan hier mit Tücke 
Sie zum Hochmuth hat bewegt? 

O wie traurig iſt's, wenn Hirten 
Sich erhöht vor Allen ſeh'n, 

Sich erheben ihrer Würde, 
Und im Hochmuth droben ſteh'n! 


Glauben, Gott hab' nur Gefallen 

Ihrer in dem Hirtenſtand, 

Und Gott würd' ſie vor dem Fallen 
Wohl beſchützen mit der Hand! 


Ach, wenn ſie ſich ſelbſt ergötzen 
Auf der Höhe wo ſie ſind, 

Heilig über andre Schätzen, — 
Sind nicht ſolche geiſtlich blind? 


O, wer führte ſie zum Sitze, 
War's nicht des Verführers Mund, 

Um ſie von des Hochmuths Spitze 
Nur zu ſtürzen in Abgrund. 


— m 


O wie gern’ giebt der Verführer 
Jedem Lehrer Rath und Licht, 

Und bekleid't ſich als Bekehrer, 
Wenn er Gotteswort ausſpricht! 


Oft ſind Wahrheit ſammt den Lügen 
Nur vermengt in ſeinem Rath, 

Um die Seelen zu betrügen, 
Zu verlaſſen Jeſu Pfad. 


Hat er einen angetrieben, 
Läßt er ſchnell ein Irrlicht ſteh'n 

Und ſpricht: „denn es ſteht geſchrieben, 
Wie du ſelbſt im Buch kannſt ſeh'n!“ 


Dieſer Spiegel iſt der Jugend 
Und dem Alter vorgeſtellt, 

Beide ſollen Jeſu Tugend 
Auch beleben, wie der Held. 


Sind verſchwunden Jugend Jahren, 
Kommt das männlich Alter an, 

Dann ſo wechslen oft Gefahren, 
Weil man tritt in andre Bahn. 


Mancher ſucht in ältern Tagen 
Reichthum Geld und große Ehr', 

Und das Sorgen, Scharren, Plagen, 
Scheint dem Körper oft nicht ſchwer. 


Angefüllt die Herzens-Höhle 
Mit den Sorgen dieſer Welt, 

Wird verſcherzt das Heil der Seele, 
Weil er ſich die Welt erwählt. 


— 183 — 


Mancher hängt mit ſeinem Herzen 
Nur an dem, was er erſcharrt, 

Und vergißt der bangen Schmerzen, 
Die ihm nach dem Tode harrt. 


Wenn der Vater nur will ſchauen, 
Nur auf was vergänglich iſt, 

Setzt auf ſolches ſein Vertrauen, 
Daß er ſeine Seel' vergißt. 


Dann, o weh' der armen Jugend, 
Wann's beim Vater ſo beſtellt, 

Zeigt der Vater keine Tugend 
Und auch ihnen Nichts vorhält? 


Ach, wo ſoll's das Kind erlernen, 
Wenn es nichts vom Vater ſieht, 

Soll es mit Verführern ſchwärmen, 
Weil Vermahnung nicht geſchieht! 


War der Vater vor den Kindern, 
Selbſt ſogar ein Trunkenbold, 

O, wer ſoll das Kind dann hindern, 
Nicht zu thun, was es nicht ſollt'? 


Auf dem Vater ſteh'n die Pflichten. 
Feſt gegründ't in Gottes Rath, 

Gott wird einſt den Vater richten, 
Wenn er ſeine Pflicht nicht that. 


Es darf hier kein Vater ſäumen, 
Zu erfüllen ſeine Pflicht, 

Denn das Klagen und das Weinen 
Hilft nicht dort am Weltgericht! 


Hat er ſie nicht abgehalten, 
Ließ er alle Meiſterſchaft, 

O, wie will er für ſein Walten 
Gott dort geben Rechenſchaft? 


— 4 — 


Ließ er ihnen allen Willen, 
Daß ſie konnten Böſes thun, 

Ohne Warnung zu erfüllen, 
Und im Arm der Wolluſt ruh'n. 


Ohne ihnen vorzuſtellen 
Gottes Zorn und ihre Pflicht, 
Und daß Gott in ſolchen Fällen 
Strafen würd' an dem Gericht. 


Hat er nichts von allem dieſem. 
Eines Vaters Pflicht erfüllt, 

Ach, wo wird er hingewieſen, 
Wenn Gott das Gerichte hält? 


Schaut im Geiſt zum jüngſten Tage, 
Wo der Höchſte macht den Schluß, 

Ob die Seele dort verzage 
Wann ſie vor den Richtſtuhl muß. 


Wann der Richter uns erſcheinet, 
Unerwartet als ein Blitz, 

Ob dann unſre Seele weinet, 
Wenn die Erd' zerſchmelzt vor Hitz? 


Oder ob in allem Leiden 

Wir hier bleiben treu und fromm, 
Und dann dort mit Seelen-Freuden 

Rufen: Ja, Herr Jeſu, komm! 


Hört im Geiſt das große Tönen 
Der Poſaunen zum Gericht! 

Seht, die Eltern mit den Söhnen 
Steigen aus der Gruft an's Licht! 


Und die Töchter allzuſammen, 
Alles eilt auf dieſen Ruf, 

Alle müſſen ſie jetzt kommen, 
Jede Seel', die Gott erſchuf. 


183. 


Alle hören Jeſu Stimme, 
Steh'n aus ihren Gräbern auf, 
Niemand kann dem Ruf entrinnen, 
Alle ſammlen ſich zum Hauf'. 


O ſeht, wie viel tauſend Lehrer 
Stehen vor dem Stuhle dort, 

Sammt der Unzahl der Zuhörer, 
Die da hörten Gottes Wort! 


Ach! ſeht dort, wie jene Haufen 
Nun den Weltkreis jetzt durchzieh'n, 

Um die Gnaden-Lehr' zu kaufen — 
Dem Gerichte zu entflieh'n! 


Ach! vom Abend und vom Morgen, 
Vom Mittag zu Mitternacht, 

Laufen ſie mit bangen Sorgen 
Nach dem, was zuvor veracht'. 


Jetzt iſt Hunger nach der Gnade, 
Jetzt iſt Hunger nach dem Wort; 

Doch das Laufen iſt zu ſpate, 
Und die Gnadenzeit iſt fort. 


Tauſend Welten würd' man geben 
Um das, was man hat veracht', 

Jetzt muß man dem Rechnung geben, 
Deſſen Warnung man verlacht. 


Es hilft hier kein Weinen, Grämen, 
Daß man Jeſu Rath verhöhnt, 

Denn der Heiland wird ſich ſchämen, 
Derer, die ſich ſein geſchämt. 


Ach, mit Graam und Kummer müſſen 
Tauſende dort troſtlos ſteh'n, 

Die im Leben ſich befliſſen, 
Nur des Fleiſches Pfad zu geh'n. 


u — 


Menſchen, die der Eltern Lehren 
Hörten in der Gnadenzeit, 

Und ſich doch nicht wollten kehren, 
Zittern in der Ewigkeit. 


Alles iſt jetzt hier verloren, 
Eitelkeit und Tand der Welt, 

Alle die ſich dies erkoren, 
Folgten nicht dem Herrn und Held. 


Alle Hochpracht iſt vergangen, 
Alle Fleiſchesluſt und Freud', 

Um in Eitelkeit zu prangen, — 
Iſt vorbei in Ewigkeit. 


Jeder muß jetzt dort gen iſeen, 
Was er ausgeſtreut zur Saat; 

Wird zur Linken er gewieſen, 
Dann iſt ewig keine Gnad'. 


Sehet dort der Kinder Heere, 
Die da ſteh'n vor Gottes Thron, 
Die der Eltern ihrer Lehre 

Folgten Jeſu Gottes Sohn! 


Dort will ſie der Vater zieren 
Mit dem Schmuck in Ewigkeit, 

Und ſie mit ſich dort einführen 
In die ew'ge Luſt und Freud'. 


Denn, was Gott einmal verheißen 
In dem ewig wahren Wort, 

Das will er fürwahr beweiſen 
In der ew'gen Freude dort. 


Denn Gott gab den Kindern Lehren, 
Wie ſie hier zu Gottes Ehr 

Ihre Eltern ſollten ehren, 
Und befolgen ihre Lehr'. 


— 187 — 


Würden ſie ſich nun beſtreben, 
Das zu thun, was Gott gebiet', 
Würden ſie auch lange leben 
In dem Land, das Gott dort giebt. 


Seht den neuen Himmel dorten, 
Und die neue Erd' zugleich, 

Die Gott hier mit treuen Worten 
Zugeſagt im Himmelreich! 


Seht die Kinder, die Gott ehren, 
Gott giebt ihnen jetzt den Lohn, 

Er will ſie zur Freude führen, 
Schön geziert mit einer Kron'! 


Ach, die andern ſteh'n drüben 
Zitternd nackend vor dem Thron, 

Die die Welt nur wollten lieben, 
Wollten nichts von Gottes Sohn! 


Ach, wie oft rief Jeſus dorten, 
Lockte ſie in Gnadenzeit, 

Rief mit ſüßen, ſanften Worten, 
Warnte ſie vor ew'gem Leid! 


Jeſu, als dem Herrn des Lebens, 
Folgten ſie im Leben nicht, 

Daher rufen ſie vergebens 
Dort um Gnad', am Gericht. 


Sein Erbarmen hat ein Ende, 
Wenn er hat gemacht den Schluß; 
Jeder, der ſich ſeiner ſchämte, 

Fällt vergeblich dann zu Fuß. 


Seht die auserwählten Heerden, 
Die von Engeln hin zum Thron 

Von der Erd' geſammelt werden, 
Hin zu Jeſu, Gottes Sohn. 


— 188 — 


Sie ſind aus der Angſt entnommen, 
Weil jetzt Erd' und Himmel bricht, 

Sie ſind jetzt zur Freud' gekommen, 
Und entgeh'n dem Weltgericht. 


Seht, die Millionen Heeren 
Eilen zum Poſaunen-Ton, 

Keiner kann ſich jetzt beſchweren, 
Nein, er muß zum Richter-Thron. 


Berg' und Hügel müſſen weichen, 
Nur den Seelen ruft der Herr, 

Und was hülf's im Meer verſäufen, — 
Dieſes giebt die Todten her. 


Ach, es helfen keine Flügel 
Zu entgeh'n dem Weltgericht! 

Kommt und deckt uns, Berg’ und Hügel! — 
Solcher Wunſch hilft wahrlich nicht. 


Wahrlich es vergeht das Lachen, 
Wenn durch den Poſaunen-Ton 

Erd' und alle Himmel krachen, 
Vor dem Richter auf dem Thron. 


Keiner kann ſich hier ausreden, 
Er muß jetzt hervor an's Licht, 

Er muß vor den Richter treten, 
Hören was der Richter ſpricht. 


Er muß ernten was er ſä'te, 
Denn ſein Wandel iſt die Saat, 
Alles was er Böſes thäte, 
Wird geprüft nach Gottes Rath. 


— 189 — 


Es hilft Seelen, nicht zu zittern, 
Wenn des Richters Zorn erglüht, 

Ob gleich Erd' und Felſen ſchüttern, 
Und ſo gar der Himmel flieht — 


Vor dem Angefichte Deſſen, 
Der da ſitzt auf weiſem Thron, 

Und jetzt jede That will meſſen 
Nach dem Wort des Menſchen Sohn. 


Jetzt muß jeder Rechnung geben, 
Was er Böſes hat gethan, 

Und warum er in dem Leben 
Nicht betrat des Heiland's Bahn. 


Haben Kinder Jeſu Lehren 
Oft gehört und nicht gethan, 

Hier kann Niemand mehr umkehren, 
Und betreten andre Bahn. 


Jedes muß am Weltgerichte 
Rechnung geben von der Red', 

Und dort ernten alle Früchte, 
Was im Leben es geſä't. 


Hat der Vater ſeine Pflichten 
Treu an Kindern hier erfüllt, 

Sie belehrte, ſich zu richten, 
So zu wandlen wie der Held. 


Und fie wollten dann nicht hören, 
Lebten mit der Welt dahin, 

Und verwarfen Jeſu Lehren, 
Wandelten im Eigenſinn. — 


Dann, o weh der armen Seele 
Dorten in der Ewigkeit, 

Wann der Menſch des Herrn Befehle 
Hat veracht' in Gnadenzeit! 


— — 100 — 


Wollten Kinder ſich nicht neigen, 
Hier nicht folgen Eltern Lehr', 

Dann wird ihnen Gott dort zeigen, 
Daß, wer nicht die Eltern ehrt — 


In Erfüllung ihrer Pflichten, 
Gingen hier nicht Jeſu Bahn, 

Daß ſie Gott wird dorten rich ten, 
Je nachdem ſie hier gethan. 


Eltern müſſen auch dort geben 
Rechenſchaft von Kinderzucht, 

Denn von Thaten in dem Leben 
Ernten ſie dort ihre Frucht. 


Hat der Vater ſeine Pflichten 
Hier verſäumt im Kinderzieh'n, 

Widerſtand nicht ihrem Dich ten, 
Hier der Weltluſt zu entflieh'n! 


Lebte er nach eignem Willen 
Nur nach ſeiner Luſt und Freud', 
Und vergaß um Geldeswillen 

Seiner Seelen Seligkeit! 


War er hier dem Trunk ergeben, 
Im Verſchwenden Geld und Ehr', 
War ſein rohes, wüſtes Leben 

Nur ein bös Exempel hier! 


Lies er ſeine Frau im Hunger, 
Seine Kinder nackend ſteh'n 

Und Verderben hier vor Kummer, 
Mußten endlich Bettlen geh'n! 


O, wie will ein Solcher dorten 
In der Rechenſchaft beſteh'n, 

Wenn er hier an allen Orten 
Sucht, dem Trunke nachzugeh'n? 


— 191 — 


Auf ihm laſten ſchwere Flecken! 
Weinen, Zittern, Fleh'n um Gnad', 

Kann ihm ſeine Sünd' nicht decken, 
Nein, es iſt für ihn zu ſpat. 


Gern würd' er's nicht mehr betreiben, 
Was im Leben er geleiſt, 

Er muß jetzt mit Zittern bleiben, 
Wohin ihn der Richter weißt. 


Ach, ſeht dort den Geizhals ſchüttern, 
Weil er nur nach Geld getracht't! 

Es hilft ihm kein banges Zittern, 
Er muß geben Rechenſchaft. 


O wie gern würd' er jetzt ſpeiſen 
Hungrige und Arme dort, 

Tauſendfältig Gut's erweiſen, — 
Doch die Gnadenzeit iſt fort. 


O, er muß im Augſtſchweiß leben, 
Weil er Arme dort ſieht ſteh'n, 

Die er hier in ſeinem Leben 
Hieß von ſeiner Thür' weggeh'n. 


Er ſieht ſie jetzt hoch erhaben, 
Die er vorher nur verlacht, 

Wollt' ſie nicht mit Speiſe laben, 
Jetzt ſind ſie zur Freud' gebracht. 


Konnt' ſie nicht im Leben leiden, 
Und mit Eckel nur anſeh'n, 

Sieht ſie jetzt gekleid't in Seiden, 
Und zur Rechten Jeſu ſteh'n. 


Sie, die hier ſein Spott nur waren, 
Und faſt ohne Kleidung hier, 

Stehen jetzt bei Jeſu Schaaren, 
Und gekleid't mit Pracht und Zier. 


38 


Er empfind't mit Gram und Kummer 
Seiner Härte Lohn alldort, 

Weil er hier im Sündenſchlummer 
Manche Armuth jagte fort. — 


Ließ ſie hier im Hunger ſtarren, 
Nackend von der Thüre flieh'n, 

Nur daß er im Geld konnt' ſcharren, 
Und aus ſeinen Käſten zieh'n. 


Nutzen hat er ſelber keinen 
Von dem Gelde — ſeinem Gott, 
Arme ließ er troſtlos weinen 

Vor der Thüre um das Brod. 


Jetzt iſt alles hingeſchwunden, 
Gold und Geld und Gnadenzeit, 

Jetzt ſteht er in bangen Stunden 
Zitternd in der Ewigkeit. 


Er kann dorten nicht entlaufen, 
Dort von Gottes Richterſtuhl, 
Gold kann Seelen nicht loskaufen 
Von dem ew'gen Schwefelpfuhl. 


Jetzt muß er nun Rechnung geben 
Von dem, was ihm Gott zuließ, 
Ob er hier in ſeinem Leben 
Arm' und Hungrige verſtieß — 


Oder ob er hier die Armen 

Stets mit Speiſ' und Trank erfreut, 
Und mit herzlichem Erbarmen 

Sie getröſt't mit einem Kleid. 


Ach, ſein Dichten und ſein Trachten 
War hier nur nach Geld gericht't, 

Hungrige ließ er verſchmachten, — 
Gold war ſeine Zuverſicht. 


— 193 — 


Hat ihn dann das Geld betrogen 
Um die ew'ge Luft und Freud’? 
Nein, er hat es vorgezogen 
Vor der ew'gen Seligkeit. 


Dieſes war ſein ernſtes Dringen, 
Hing ihm an mit Müh' und Liſt, 

Und vergaß nach dem zu ringen, 
Was der Seele nöthig iſt. 


Reichthum iſt jetzt hingefloſſen, 
Er muß jetzo nackend gehn; 

Arme, die er hat verſtoßen, 
Sieht er jetzt in Freuden ſtehn. 


Tauſend Welten würd' er geben 
Für der Seelen Seligkeit; 

Wär' er nur noch einſt im Leben 
In der frohen Gnadenzeit. 


Für ſein Geizen, Scharren, Schrappen, 
Weil er Arme nicht erfreut, — 

Muß er jetzt die Zähne klappen 

Dorten in der Ewigkeit. 


O, hätt' er mit Luſt und Freude 
Seinen Mammon ausgeſtreut, 
Arme dort in ihrem Leide 
Oft geſpeißet und bekleid't! 


Für ihn wär's zur Erndte worden, 
Deren End' er nicht könnt' ſehn, 

Jetzt muß er mit Grauen dorten 
Hin zur linken Seite ſtehn. 


Ach, ſeht dort die Seelen-Sucher 
Müſſen jetzt zum Throne gehn, 
Und darlegen ihren Wucher, 
Ob ſie auch vor Gott beſtehn? 13 


—- 


Denn vor Gott und Engelfchaaren 
Wird geprüft des Knechtes That, 

Ob er auch in Lebensjahren 
Fromm und treu gehandelt hat. 


Suchte er mit ernſtem Triebe 
Allen Hörern, klein und groß, 

Darzuſtellen Gottes Liebe, 
Sie zu bringen in ſein'n Schooß. 


War er ſelbſt auf dieſer Erde 

Treu im Handel, Wort und That, 
Ging in Allem ſeiner Heerde 

Als ein Vorbild Jeſu Pfad. 7 


Trug er Schmach mit ſanftem Herzen 
Wenn die Feinde ihn ſofort 

Wollten vor der Welt verſchwärzen, 
Gleich wie auch den Heiland dort. 


Blieb er ſanft, wann durch Verächter 
Seine Heerd' in Aufruhr kam, 

Daß er dann als Seelenwächter 
Stets zu Gott die Zuflucht nahm. 


Bat er dann mit heißem Flehen, 
Daß ihm Gott in jeder Noth 

Woll' mit feiner Kraft beiſtehen, 
Und ihn führen bis zum Tod. 


Und daß Gott in Streit und Frieden 
Ihn wol’ führen, wo er geh', 

Auf daß all ſein Werk hinieden 
Stets durch Gottes Hülf' geſcheh'. 


War er ſtets im ernſten Wachen 
In der lauen Friedenszeit, 

Sich zu hüten vor dem Schlafen 
Und der böſen Sicherheit. 


— 195 — 


Strafte er die frechen Sünder 
Ganz allein durch Gottes Geiſt, 

Wieß er ſie zum Bild der Kinder, 
So wie Jeſus uns anweiſt. 


Machte er als treuer Hirte 
Seinen müden Schafen Muth, 

Daß der Heiland ihre Bürde 
Würd' abnehmen durch ſein Blut. 


Würd' ſie rein von Sünden waſchen, 
Klar vor Gottes Angeſicht, a 

Auf daß ſie nicht dort könnt' haſchen 
Gottes Zorn am Weltgericht. 


Setzte er auf's Seligwerden 
Sein Vertrau'n auf Jeſu Blut, 

Nicht daß man auf dieſer Erden 
Würd' durch eigne Werke gut, — 


Sondern nur auf das Erbarmen, 
Welches Gott der Welt anpreißt, 

Und daß er auch alle Armen, 
Die da kommen, wirklich ſpeißt — 


An der Seele, wie geſprochen: 
„Wer mich ißt und trinkt mein Blut, 

Den wird Gottes Zorn nicht treffen, 
Am Gericht mit Straf' und Ruht'.“ 


Zeigt er Jeſu ſchwere Leiden, 
Die er litt zu unſerm Heil, 

Wie er ſelbſt verließ die Freuden, 
Die doch waren ſein Erbtheil. 


Nur um uns vom Fluch zu retten, 
Uns zu zeigen ſeine Huld, 

Ja, daß er woll' herzlich bitten 
Durch fein Blut für unſre Schuld. 


= 1 


Sein Blut ſei für uns gefloſſen, 
Uns zur Seelen Seligkeit, 

Er woll' keinen von ſich ſtoßen, 
Wer ſich naht in Gnadenzeit. 


So wie er den Rath gegeben: 
Gläubig liebend ohne Neid, 

Jedem Feinde gern vergeben 
Ohne Haß noch Bitterkeit. 


Würden ſie ſich ſo betragen 
Im Gebet nach ihrer Pflicht, N 
Dann könnt' er es nicht verſagen, 
Snap’ zu zeigem am Gericht. 


Stellt' er alles dies der Heerde 
Vor, und daß, wer ſolches thut, 

Würd' auch dort verſchonet werden, 
Wann Gott kommt mit Straf’ und Ruhr: 


Würden ſie dies nicht beleben, 
Nicht vergeben wie er ſpricht, 

Dann würd' Gott auch nicht vergeben, 
Sondern ſtrafen am Gericht. 


Warnte er vor den Gefahren: 
Augenluſt und Eitelkeit, 

Sucht' er keine Müh' zu ſparen 
Hier in dieſer Gnadenzeit, — 


Um zu zeigen ſeinen Schafen, 
Daß es ſei des Höchſten Nath, 

Aufzuſtehn vom Sündenſchlafe, 
Und zu wandlen Jeſu Pfad. 


Ließ er ſeinen Warnruf ſchallen, 
Jederzeit nach Hirtenpflicht, 
Sich zu hüten vor Abfallen, 


Sondern denken an's Gericht. 
19 


— 


Trug er Jeſu Wort und Lehren 
Unverfälſcht den Hörern vor, 

Rief er, daß man Gott ſoll ehren 
Und ihm leihen Herz und Ohr, — 


Und ſoll feſt an dem nur halten, 
Was der Allerhöchſte ſpricht, 

Und ſich gänzlich von dem ſpalten, 
Was von Menſchen iſt erdicht't. 


Trug er hier in ſeinen Armen 
Jedes ſchwache Schäflein fort, 

Um im herzlichen Erbarmen 
Es zu bringen zu der Pfort'. 


Suchte er zu jeder Stunde, 
Auch ihn Trübſal und Beſchwert, 
Hier zu wuchern mit dem Pfunde, 
Gott zu bringen ſeine Heerd'. 


Bat er Gott um ſeinen Segen, 
Daß er dort nach ſeiner Pflicht, 

Es ihm könnt' zehnfach darlegen 
An dem großen Weltgericht. 


Bat er Gott, ihn zu regieren 
Und ihm ſenden ſeinen Geiſt, 

Der ihn ſammt der Heerd' ſollt' führen 
Auf die Bahn, die Gott anweiſt. 


Machte er in ſeinen Lehren 
Seinen Hörern deutlich kund, 

Daß Gott die nicht woll' erhören, 
Die nur beten mit dem Mund. 


Sondern Gott woll' ſich nur kehren, 
Wo auch bet' das Herze mit, 

Solche würd' er gern erhören 
Und erfüllen ihre Bitt'. 


— 198 — 


Uebergab er Herz und Willen 
Gott dem Vater in die Händ', 

Blieb er fromm in allen Fällen, 
Und getreu bis an das End'. 


Dann, o ſeht ihn dort in Würden, 
Dort, wo er jetzt muß herbei, 

Wie Gott dieſen frommen Hirten, 
Jetzt will lohnen für die Treu. — 


An ihm darf kein Kummer nagen, 
Denn er hat den Wucher ſchon, 

Herr dein Pfund hat zehn getragen, — 
Spricht er dort vor Gottes Thron! 


Ach, o ſeht mit welchem Frieden 
Ihn der Höchſte dort anſpricht, — 
Weil er in der Welt hienieden 

Treu erfüllt hat ſeine Pflicht! 


Hört, er ruft dem treuen Knechte: 
Ei du fromm, und treuer Knecht, 

Du haſt vor dem Weltgeſchlechte 
Treu bezeuget meine Recht'! 


Hielteſt treu und ohn' Verletzen 
Ueber dem geringen Pfund, 

Ich will über Viel dich ſetzen, 
Komm zu meiner rechten Hand! 


Komm und ernte jetzt den Segen 
Endlos in der Ewigkeit, 

Alles will ich dir jetzt geben, 
Komm zu deines Herren Freud'! 


— 199 — 


Großer Gott, mit welchen Freuden 
Iſt des Knechtes Seel’ erfüllt, 

Weil er jetzt zur rechten Seiten 
Wird vom Richter hingeſtellt. 


Unausſprechlich iſt die Wonne, 
Die der treue Knecht genießt, 

Weil Gott als die Gnadenſonne 
Ihm das Leben dort verſüßt. 


Seht ihn dort die Freud' genießen, 
Und wie er in Dank und Freud', 

Niederknie't zu Gottes Füßen, 
Dankt ihm dort in Ewigkeit. 


Er legt ſeine Palmen nieder, 
Hin vor Gott und ſeinen Sohn, 

Und ſingt dankend neue Lieder 
Mit dem Heer vor Gottes Thron. 


Om, ſehk Jenen dort erſchüttern, 

Jenen Schalk und faulen Knecht, 
Wie ihm Herz und Seele zittern, 

Weil er muß hervor zum Recht! 


Unter Angſt und Seelenzagen, 
Tritt er jetzt zu Jeſu Thron, 

Kaum vermag er dies zu ſagen, 
Wann er red't mit Gottes Sohn: 


„Herr, ich wuſt' in meinem Leben, 
Daß du biſt ein harter Mann, 

Darum will ich wieder geben, 
Was du mir haſt zugethan.“ 


„Denn du ernteſt ſolche Früchte, 
Die, wo du nicht ausgeſtreut, 

Und du ſammleſt am Gerichte 
Solches ein zu ſeiner Zeit.“ 


— I — 


„Daher nahm ich deine Pfunde 
Und vergrub ſie in die Erd', 

Und ich geb' zu dieſer Stunde 
Alles dir getreulich her.“ 


Ach! was halfen ihm die Gaben, 
Was half ihm des Herren Pfund, 

Mancher hätt' ſich könnnen laben 
In der trüben Kummer⸗Stund'! 


Wann er hier als treuer Hirte, 
Angezeigt in ſeiner Hut, 

Daß der Heiland ihre Bürde 
Würde tilgen durch ſein Blut. 


In der Furcht lag groß's Verbrechen, 
Er verbarg das Gnadenlicht, 

Gott will jetzt das Urtheil ſprechen 
An dem großen Weltgericht. 


Keine Ausred', keine Sorgen, 
Aendern nicht des Höchſten Spruch, 

Daß Gottes Pfund verborgen 
Und behalten im Schweißtuch. 


Denn der Höchſte fordert Wucher 
Hier von Jedem, den er ſend't, 

Daß er hier als Seelen-Sucher, 
Treu ſoll bleiben bis an's End'. 


Ach, verſäumt ſind ſeine Pflichten 
Und verwahrloßt ſeine Schaf', 

Gott will ihn jetzt ewig richten. 
Für die Untreu, Furcht und Schlaf! 


Treue ward ihm anbefohlen 
Mit dem Pfund in Gottes Wort, 
Jetzt kann er's nicht mehr nachholen 
Vor dem großen Richter dort. 


391 


Kinder, ſeht den Richter dorten, 
Wie er jetzt zum Knechte ſpricht — 

Wie er ihn anred't mit Worten, 
An dem großen Weltgericht! 


„Schalk, du wußteſt jede Stunde, 
Daß ich bin ein harter Mann, 

Warum haft du dann die Pfunde 
Nicht in Wucher ausgethan?“ 


„Und wenn ich dann wäre kommen, 
Dann ſo hätt' ich dir zur Stund', 
Dir den Wucher abgenommen, 
Und auch das verlieh'ne Pfund.“ 


„Bindet ihm jetzt ſeine Hände, 
Und zugleich auch ſeine Füß', 

Werft ihn dort in jene Schlünde, 
In die äußere Finſterniß!“ 


Zähneklappern, Weinen, Heulen 
Iſt ihm jetzt alldort zu Theil, 
Weil er hier in Furcht und Weilen, 
Hier verbarg der Seelenheil. 


Gnadenzeit iſt hingefloſſen, 
Finſterniß iſt ihm zum Lohn, 

Weil er ſich nicht hat befliſſen 
Um die ew'ge Freudenkron'. 


Höret dort noch and're rufen, 
Die in Seelenängſten ſteh'n, 

Und zu Gottes Thron und Stufen 
Jetzt zur Rechnung müſſen geh'n! 


„Herr, ich hab' in deinem Namen 
Oft gelehret in der Welt, 

Allen, die dort zu mir kamen, 
Hab' ich Warnung aufgeſtellt!“ 


— 202 — 


„Und wir haben viele Thaten 
Kräftig vor der Welt gethan, 

Und wir wurden eingeladen, 
Uns zu nehmen ihrer an!“ 


„Wenn Beſeß'ne zu uns kamen — 
Andern Menſchen Furcht und Grauß — 

Trieben wir in deinem Namen 
Teufel dort von ihnen aus!“ 


Ach, ihr Kinder, ſeht den Richter, 
Wie er ihre Werke richt't, 

Und der Sache rechter Schlichter, 
Ihre Sach' betracht't am Licht! 


Er erklärt ſie Unbekannte, 
Die er niemals hat gekannt, 

Ob man ſich ſchon Chriſten nannte, 
Und auch hier ſo wurd' genannt. 


O, ihr Kinder, denkt im Herzen, 
Wie jetzt jene Hirten dort 

Unter Klagen, Angſt und Schmerzen 
Müſſen von dem Richter fort! 


O, könnt' man zurücke rufen 
Die verfloß'ne Gnadenzeit, 

Gerne würd' man Jeſu Stufen 
Wandlen jetzt mit Luſt und Freud'! 


Engelſchön von Gott zu ſprechen 
Iſt noch nicht genug zur Sach', 

Lieben und ſein Willen brechen, 
Und befehlen Gott die Rach'. 


Solches ſind die wahren Zeichen, 
Die den Hirt der Heerde ziert, 

Keiner darf von dieſem weichen, 
Sondern thun, wie Gott es lehrt. 


Wenn der Führer feiner Heerde 
Selbſt nicht thut, was er doch ſpricht, 
Solcher kann verdammlich werden 

An dem großen Weltgericht. 


O, ſie hatten keinen Saamen 
In ihr eigen Herz geſtreut, 

Und ſie hatten nur den Namen 
Ohne Furcht vor jener Zeit! 


Mit dem Wunderzeichen zierten 
Sie ſich hier nur vor der Welt, 

Aber nicht als fromme Hirten 
So zu wandlen, wie der Held. 


And're hatten ſie gewieſen, 
So zu thun, was ſie gelehrt, 
Aber ſich nicht ſelbſt befliſſen 
Vor dem Schatz, der ewig währt. 


Ach, mit Jammer, Angſt und Zagen 
Müſſen ſie zur linken Hand, 

Weinen, Schreien und Wehklagen 
Kann nicht decken ihre Schand'! 


Niemand iſt ihr Stellvertreter; 
Jeſus ſelber ruft und ſpricht: 

„Weicht von mir ihr Uebelthäter, 
Fort von mir, ich kenn' euch nicht!“ 


Ach, die Thaten aller Hirten 
Wird vom Richter recht-beſchaut, 
Ob ſie Heerden irre führten, 

Oder auf den Fels gebaut! 


War der Hirten Herz und Sinnen 
Nur zum Herrſchen hier gericht't, 

Um zum Thun die Glieder zwingen, 
Was der Hirt aus Bosheit ſpricht. 


— 204 — 


Brachte Bosheit ſie zum Rennen, 
Aufzuwiegeln ohne Scheu, 

Sie von Andern abzutrennen, 
Nur zu nehmen ihr' Parthei. 


Waren ſie untreue Wächter, 
Straften ſie die Bosheit nicht, 
Ließen laufen die Berächter 
Ohne Straf' bis zum Gericht. 


War nicht Furcht, wann der Erzhirte 
Ihnen drohte mit der Ruht', 

Daß er's einſtens fordern würde 
Das durch ſie verlor'ne Blut. 


Gingen ſie als Seelen-Hüter 
Hier in aller Bosheit vor, 

Daß die mehrſten ihrer Glieder 
Jedes Gottesfurcht verlor. 


War ihr Leben Finſterniſſe, 
Und ihr Wandel Heuchelfchein, 

Haben ſie die Heerd' gewieſen 
Nur auf ihre Träumerei'n. 


Suchten ſie für Wort und Lehre 
Nur die Ehre vor der Welt, 

Raubten ſie Gott ſeine Ehre, 
Stahlen Sie dem Herrn und Held. 


Brachten ſie durch Droh'n und Dräuen 
Ihre Heerden auf den Pfad, 

Ihrer Herzens-Träumereien 
Nur auf eitlen Herzens-Rath. 


u Ur 


Haben Sie den Pfad verlaſſen, 

Der von Jeſu ward gemacht, 
Und erwählten eig'ne Straßen, 

Die von ihnen wurd'n erdacht. 


Zeigten Sie in allen Dingen 
Nur die äuß're Demuth an, 

Ohn' dabei ihr Herz zu bringen 
Auf die inn're Demuths-Bahn. 


Suchten ſie ſich nur zu zeigen 
Im Gebet vor Menſchen hier, 

Ohne ihre Herz'n zu beugen, 
Nur im Schein als Heuchlerzier. 


Trübten ſie die Lebenswaſſer 
In dem Lehramt ihrer Hut, 

Und verſchwendeten Waiſen-Praſſer,- 
Wittwen,- Häuſer- Gut. 


Nahten ſie ſich mit den Lippen 
Nur zu Gott in einer Form, 

Ohne ihre Herz'n zu bücken, 
Und erfüllt mit Haß und Zorn. 


Wollten ſie nur Formen halten 
Ohne Leben, ohne Geiſt, 

Und das Herze doch nicht ſpalten 
Von dem, was der Held anweiſt. 


einigten fie nur von außen 
Ihren Becher glänzend ſchön, 

Um die Glieder anzuweiſen, 
Auch denſelben Pfad zu geh'n. 


Fielen ſie von den Geſetzen, 
Die uns Jeſus gab zum Licht, 

Hielten ſich an den Ausſätzen, 
Die von Menſchen ſind erdicht't. 


= 206 — 


Lehrten fie hier auf der Erde 
Solche Lehre überall, 

Brachten ſie die ganze Heerde 
Hin zur Finſterniß und Fall. 


Warfen ſie ſich auf zum Lehren, 
Ohne daß ſie Gott ausſandt', 

Um die Menſchen zu bekehren, 
Nur auf ihre eigne Hand. 


Deckten ſie mit Demuthskleide 
Ihre Bosheit vor der Welt; 

Boshaft, wie der Wolf im Streite 
Schaf' und Heerden überfällt. 


Haben ſie in ihren Lehren 
Gottes Sohn und Wort verletzt, 

Um die Menſchen zu verführen 
Von dem, den Gott ſelbſt geſetzt. 


Als ein Gnadenſtuhl den Heerden 
Und zum Mittler ward gemacht, 

Und ſie ſelbſt jetzt auf der Erden 
Hölz'rne Gnadenſtühl' gebracht. 


Haben Sie den Stuhl verwieſen, 
Der von Gott war dargeſtellt, 

Und die Hörer angewieſen 
Auf die Bänk', die ſie geſtellt. 


Haben ſie der Welt geſchrieen 
Und verführt durch dieſen Rank, 

Daß fie ſollten niederknieen— 
Vor der hölz'rnen Gnadenbank. 


Dieſes ſei die wahre Sache, 
Man ſollt vor dem Holze knie'n, 

Dann würd' man entgeh'n der Rache, 
Und auch Gottes Zorn entflieh'n. 


— 207 — 


Lehrten fie die Hörer alle: 
Wenn man in's Gebet woll' geh'n, 
Soll man ſchrei'n mit lautem Schalle 
Und nicht im Verborg'nen fleh'n. 


Wollten ſie ſich heilig ſtellen 
Im Gebete vor der Welt, 

Daß die Welt in ſolchen Fällen 
Sie für fromme Menſchen hält. 


Stellten ſie ſich aus im Reden: 
Sie nur hätten wahres Licht, 

Und ſie wüßten als Propheten 
Wann Gott käme zum Gericht. 


Seht jetzt, Kinder, alle dorten, 
Wie ſie ſteh'n vor Gott in Haft, 

Müſſen von unnützen Worten 
Gott dort geben Rechenſchaft. 


Sie betrogen ſich im Deuten, 
Eben ſo der böſe Knecht, 

Und der Richter ſpricht jetzt Beiden 
Ewig ihr Urtheilsrecht. 


Keine Ausred' hilft den Seelen, 
Wenn das Urtheil iſt gefällt, 

Ew'ge Pein wird die dort quälen, 
Wenn er ſie zur Linken ſtellt. 


Seht mit Schrecken jene Haufen, 
Welche dort zur Linken ſteh'n! 

Ach, wer will ſie jetzt loskaufen, 
Die zur Hölle müſſen geh'n? 


Rettung iſt nicht mehr vorhanden 
Dort vor Gottes Richterſtuhl, 

Wenn er dort die ganze Banden 
Von ſich weißt zum Schwefelpfuhl. 


— — 


Ach, der Wurm kann dort nicht ſterben, 
Wo er ew'ge Schmerzen fühlt, 

Und im ewigen Verderben 
Iſt nichts, das die Schmerzen ſtillt! 


Seht den Richter auf dem Stuhle, 
Seht, wie ſich die Höll' entflammt, 

Wenn er ſie zum Schwefelpfuhle 
Ewig hin zur Höll' verdammt! 


Wer kann Gottes Zorn benennen, 
Wenn er ſie zur Höll' verflucht, 

Wenn durch ſein'n Zorn wird brennen 
Dort die tiefſte Höllenkluft? 


Dort anzünden Berg und Hügel, 
Gleich wie er es ſelber ſpricht, 

Auch die hier nicht Jeſu Siegel 
Hatten vor dem Weltgericht. 


Hört im Geiſt das große Klagen 
Derer, die da ſind verdammt: 

„Ach wir haben unſ're Tage 
Zugebracht in Sünd' und Schand'!“ 


„O wir hielten jenes Leben 

Nur für Unſinn, Spott und Schmach, 
Jetzt iſt ihnen Freud' gegeben, 

Und Gott übt an uns die Rach'!“ 


„O wie oft rief Jeſus dorten 
Uns noch zu in ſeiner Lehr', 

Nief mit ſüßen, ſanften Worten, — 
Doch wir gaben kein Gehör!“ 


„Gott hat jetzt ſein Wort gehalten, 
Und die Scheidung iſt vollbracht, 
Uns von Solchen abgeſpalten, 
Die wir vorher nur verlacht.“ 


— 


Zween, die auf einem Bette, 
Eins nach Jeſu lebt im Licht, 

Das erlangt die Freudenſtätte 
Und das and're wird gericht't. 


Seht die Pfort' der Hölle offen, 
Sehet das verfluchte Heer; 

Keiner kann auf Rettung hoffen 
Aus der Pein und Höllenmeer! 


Hört jetzt Gottes Stimme ſchallen, 
Denen die zur linken Hand, 

Wie Gott ſpricht zu ihnen allen, 
Wann er ſie zum Pfuhl verdammt! 


Weichet von mir, ihr Verruchte, 
Weicht von meinem Richterſtuhl, 

Weichet von mir, ihr Verfluchte, 
Fort von mir zum Schwefelpfuhl! 


Der dem Teufel war verſehen 
Und den Seinen als ein Tod; 

Jetzt müßt ihr auch dort hin gehen, 
Und dort leiden ew'ge Noth. 


Seht mit Grauß ſich Wolken zeigen 
Auf dem Pfuhl als Schwefelrauch, 

Der von ihrer Qual wird ſteigen 
Von dem Abgrund ewig auf. 


Ruhe kann dort Niemand finden, 
Weil das Feuer ewig quält, 

Denn es iſt der Lohn der Sünden, 
Die der Menſch im Fleiſch ä a 


— 210 — 


Weinen, ſchreien um die Gnade — 
Um verfloß'ne Gnadenzeit 

Iſt auf ewig nun zu ſpate 
Und verſcherzt in Ewigkeit. 


Seht zu Jeſu rechten Seiten, 
Welchen Unterſchied Gott macht: 

Dort iſt Alles hoch in Freuden; 
Gott hat ſie zur Freud' gebracht. 


Die da hielten Gott in Ehren, 
Gingen hier des Heilands Pfad, 

Und durch Gottes Geiſt regieren, 
Die erhalten Gottes Gnad'. 


Die nicht hier nach Fleiſches Willen 
Lebten fort mit dieſer Welt, 

Sondern ſuchten zu erfüllen, 
Was geboten iſt vom Held. 


Widerſtanden den Begierden, 
Augenluſt und Fleiſchesluſt, 

Folgten treulich ihrem Hirten, 
Der hier der Vorgänger iſt. 


Sie, die hier die Eltern ehrten, 
Folgten treu der Eltern Rath, 

Wann die Eltern ſie belehrten 
Hier zu wandlen Jeſu Pfad. 


Sie, die ſich hier nicht befleckten 
Mit der Welt und ihrer Luſt, 

Sondern ihre Händ' ausſtreckten 
Nach dem, das da ewig iſt. 


Ob fie ſchon in jungen Tagen 
Mußten unter Spott und Hohn 
Jedes Kreuz geduldig tragen, 
So geſchah's auch Gottes Sohn. 


— 211 — 


Ob die Welt auch ihrer lachte, 
Dennoch gingen ſie den Pfad, 

Den der Heiland ſelber machte, 
Folgten treulich Jeſu Rath. 


Lockten fie die Welt mit Heuchlen, 
Brachte eitlen Tand herbei, 

Um ſie in den Fall zu ſchmeichlen; 
Doch ſie blieben Jeſu treu. 


Seht ſie dort in Freuden ſchweben 
Sammt den Millionen dort, 

Die da hier in ihrem Leben 
Treulich folgten Jeſu Wort. 


Ließen ſich hier nicht bewegen 
Durch der böſe Knechte That; 

Suchten hier in ihrem Leben 
Nicht zu wandlen ſolchen Pfad. 


Hüteten ſich vor Propheten, 
Die da wollten Jeſu Heer 

Hier verführen durch die Reden, 
Wann es ihnen möglich wär', 


Wurden fie auch angeſchrieen 
Ob der Redenfeuer wild, 

Daß ſie ſollten niederknieen 
Und verehren ihre Bild'. 


Doch ſie blieben treu im Leben, 
Knieeten vor dem Herrn und Held, 

Der von Gott ſelbſt ward gegeben, 
Als ein Gnadenſtuhl der Welt. 


Seht die Lehrer dort mit Kränzen: 
Gott ziert ſie mit Licht und Pracht; 

Seht, wie ſie als Sterne glänzen, 
Weil ſie hier die Heerd' bewacht. 


— 212 * 


Wer zählt alle Millionen, 
Die in Freuden dorten ſteh'n, 
Gott will ſie für Treue lohnen, 
Heißt ſie in die Freud' eingeh'n. 


Sie ſind ſauber abgewaſchen, 
Rein gemacht durch Jeſu Blut; 

Dort kann ſie kein Tod mehr haſchen, 
Weder Zorn noch Straf’, noch Ruth’. 


Ihre Kleider wurden helle 
Durch des Lammes Blut gemacht; 

Jetzt erfreut ſich Herz und Seele, 
Daß Gott ſie zur Freud' gebracht. 


Denn ſie wollten lieber leiden 
In der Welt die kurze Zeit, 

Als dort miſſen ew'ge Freuden 
Endlos in der Ewigkeit. 


O, ſie haben es errungen, 
Jenes Ziel zum rechten Ort, 

Und ſie ſind hindurch gedrungen 
Auf dem ſchmalen Weg zur Pfort'. 


O, ſie riefen auf dem Wege 
Gott ſtets um ſein'n Beiſtand an, 
Der ſie hier auf ihrem Stege 

Stets woll' führen Jeſu Bahn. 


Und ſie gaben Herz und Willen 
Gott, dem Vater, in die Händ'; 
Baten, daß in allen Fällen 
Er ſie führe bis an's End'. 


Und ſie ließen ſich regieren 
Dort von Gott, dem ſie vertraut; 
Darum will fie Gott einführen. 
Als des Lammes ſchöne 1 l 


ei Be 


Keine Seele kann ermeſſen 
Deren Freud' und Herrlichkeit, 
Die vom Baum des Lebens eſſen 
Und von Gott ſind neu bekleid't. 


Gott führt ſie zu ſeinen Tiſchen, 
Setzt ſie hin als ſeine Freund', 

Um die Thränen abzuwiſchen, 
Die in Trübſal hier geweint. 


Er ſpeißt ſie mit Manna droben; 
Er thut jetzt, was er verhieß, 

Wofür ſie ihn ewig loben 
Fröhlich in dem Paradies. 


Neue Leiber giebt er Allen, 
Glänzend ſchön in neuer Pracht; 
Gott ziert alles nach Gefallen, 
Bis er Alles neu gemacht. 
7 * 


Neuer Himmel, neue Erden 
Schafft jetzt Gott für's neue Heer; 
Aller Heere Gottes werden 
Gott dort geben Ruhm und Ehr'.— 


Wer beſchreibt ihr' Freud' und Wonne, 
Dort iſt keine Finſterniß; 

Denn Gott, ihre Gnaden-Sonne, 
Iſt ihr Licht im Paradies. 


Sehet, dort im Paradieſe 
Sind der Freuden ohne Zahl; 

Seht den Strom des Lebens fließen, 
Hell und klar, wie ein Kryſtall! 


Nichts iſt, das die Freud' zernichte 
In der ew'gen Herrlichkeit; 

Lebens-Bäume tragen Früchte 
Zwölferlei zu ihrer Zeit. | 


e 


Gott bekleidet ſie mit Seide, 
Denn dort iſt kein Fluch noch Bann; 
Er bezeichnet ſie zur Freude — 

An den Sternen ihre Nam'n. 


Jeſus weid't ſie auf den Auen; 
Tröſtet ſie nach ihrem Leid', 

Und ſie werden Gott anſchauen 
Endlos in der Ewigkeit. 


Hört der ſtarke Stimme Schalle, 
Die da tönt in Näh' und Fern'; 

Lobt, ihr Heere Gottes, Alle, 
Lobet Gott als unſern Herrn. 


2 


Kinder hört der Engel Chöre 
Und die auserwählte Schaar: 
O, die Millionen Heere 

Lobten den, der iſt und war. 


Gleich, wie ſtarke Donner rollen, 
Gleich, wie tiefer Waſſerfall, 

Iſt bereit, den Dank zu zollen 
Aller Miraden Zahl. 


Lob und Dank dem darzubringen, 
Der da Alles neu gemacht, 

Und zur Ehre ihm jetzt ſingen, 
Daß er ſie zur Freud' gebracht. 


Gott hat ſein Reich eingenommen; 
Alles dankt ihm fern und nah’; 

Alle freu'n ſich mit den Frommen; 
Alles ruft Hallelujah! 


— 215 — 


Sprecht jetzt Amen, o ihr Kinder, 
Sprecht zu Jeſu: halte Wort; 

Beugt euch vor ihm als die Sünder, 
Daß er für euch ſpreche dort. 


Unterſucht die Herzens-Höhle, 
Wie es hierin iſt beſtellt: 

Ob mit Jeſu Fried' die Seele 
Sei inwendig angefüllt. 


Prüfet, was ich hier geſchrieben 
Wegen Sünde und Gericht; 

Prüft, ob mich hier hat getrieben 
Meine Lieb' und Vaterpflicht? 


Prüfet ſtreng nach Gottes Worten 
Meinen Warnruf, den ich that: 

Ob's der Höchſte auch ſo dorten 
Hab' verfaßt in ſeinem Rath. 


Prüft ihr's nach dem Bibelbuche, 
Daß ihr's find't in ſeinem Wort: 

Daß der Höchſte mit dem Fluche 
Jedem Sünder drohet dort! 


Dann, o Kinder, nicht verzogen; 
Prüf’ nur jedes feine That, 

Ob der Satan euch betrogen, 
zu verlaſſen Jeſu Pfad. 


Findet ihr vor Augen ſchweben, 
Daß ihr Gottes Lieb' und Huld 

Habt verſchmäht in eurem Leben, 
Und vermehret eure Schuld. 


Dann betracht's, wer euch ertettet 
Von der Höll' und Schwefelpfuhl; 

Wenn ihr nicht zu Jeſu tretet, 
Als dem wahren Gnadenſtuhl. 


— 216 — 


Wollt ihr Gnad' von Gott erlangen; 
Soll er ſchonen am Gericht, 

Dann müßt ihr mit Ernſt anfangen, 
Ehe das Gericht anbricht. 


Denkt nur nicht in jungen Jahren: 
Ich will umkehr'n ſammt der Buß, 
Bis in's hohe Alter ſparen, 
Will dann fallen Gott zu Fuß. 


Wer giebt ſolches euch zu denken, 
Solcher Sinn iſt nicht von Gott, 

Nur der Satan will euch blenden, 
Euch zu ſtürzen in den Tod. 


Jeſus warnt mit eignem Munde, 
Spricht zu allen insgeſammt: 

Ihr wißt nicht, zu welcher Stunde 
Euch der Herr des Hauſes kommt! 


Junge Menſchen müſſen ſterben, 
Wann ſie greift des Todes Hand; 

Und wann er um euch wird werben, 
Solches iſt euch unbekannt. 


Seid daher nicht träg' im Suchen 
Eurer Seelen Seligkeit; 

Folgt des Heiland's treuem Rufen 
Jetzt noch in der Gnadenzeit. 


Wann ihr hier verſäumt die Gnade 
Jetzt in dieſer Gnadenzeit, 

Wahrlich, dann ruft ihr zu ſpate 

Dorten in der Ewigkeit. 


Soll euch das Gericht nicht haſchen, 
Wann Gott das Gerichte hält 

Dann laßt euch von Jeſu waſchen 
Jetzt noch hier in dieſer Welt. 


— 217 — 


Habt ihr Hunger nach der Gnade, 
Wann ihr an's Gericht recht denkt, 

Wollt ihr, daß der Seelen Schade 
Euch allhier noch wird geſchenkt. 


Dann müßt ihr mit ernſten Schritten 
Hin zum Sohne Gottes geh'n; 

Ihn mit Herz und Seelen bitten 
Und mit Ernſt und Andacht fleh'n. 


Iſt's euch Ernſt, daß an dem Scheiden, 
Wann Gott das Gericht ſtreng' hält, 

Dort zu ſteh'n zur rechten Seiten, 
Wann er dort das Urtheil fällt. 


O, ſo müßt ihr heut' anfangen; 
Heut' noch ernſtlich zu ihm fleh'n, 

Ihm mit Herz und Seel' anhangen 
Und im Wandel auf ihn ſeh'n! 


Sucht ihr dann im wahren Weſen 
Eurer Seelen Seligkeit, 

Dann ſo kann man deutlich leſen, 
Daß auch iſt bei Engeln Freud'. 


Seht, wie ſich die Engel freuen, 
Wann ihr euch zu Jeſu kehrt 

Und ihm auch nachfolgt im Neuen, 
So wie Jeſus hat gelehrt! 


Denkt nur nicht im Lebenslaufe, 
Daß euch das Gericht nicht haſcht, 

Wann ihr wollt, daß Waſſertaufe 
Euch von euren Sünden waſcht! 


— 1218 — 


Seht, wie dort Johannis lehrte 
Jenen Phariſäer Hauf', 

Die als gänzlich Unbekehrte 
Auch verlangten Waſſertauf'. 


Denn ſie wollten durch die Taufe 
Wirklich Gottes Zorn entflieh'n, 
Ohne ſich im Lebenslaufe 
Von dem Böſen abzuzieh'n. 


Er belehrte ſie mit Dieſem; 
O, ihr Schlangen böſe Brut, 
Wer hat euch denn angewieſen, 
Hierdurch zu entgeh'n der Ruth'. 


Fallet Gott in Reu' zu Fuße; 
Bringt rechtſchaff'ne Früchte her, 
Auf daß ihr in eurer Buße . 

Auch Gott gebet,feine Ehr'. 


Ich, der ich mit Waſſer taufe, 
Zeig' euch an, daß in der Buß' 
Auch in eurem Lebenslaufe, 

Neuer Wandel folgen muß. 


Ich bin der nicht, den ihr meinet; 
Ich bin's nur, der auf ihn weiſ't, 

Er, der euch nun bald erſcheinet, 
Er tauft euch mit ſeinem Geiſt. 


Dieſe Worte, o ihr Kinder, 
Sind auch dort zu euch geſcheh'n, 

Dieſes Wort trifft jeden Sünder, 
Der noch Fleiſches Pfad will geh'n, 


Prüft, ob auch das Waſſertaufen 
Euch dort ſchützt vor Gottes Ruth', 
Und zum Abendmahl zu laufen, 

Ob es macht die Seele gut. 


— 219 — 


Wann der Menſch im trägen Weſen, 
Doch nur nach dem Fleiſche lebt, 

Und ſich auch nicht kehrt vom Böſen 
Und dem Fleiſch nicht widerſtrebt. 


Nehmet hier zu Herz und Obren, 
Was der Heiland ſpricht zu euch: 

Werdet ihr nicht neu geboren, 
Kommt ihr nicht in's Himmelreich. 


Unterſucht jetzt Herz und Handel, 
Ob ihr auch ſeid nach der Tauf'“ 
In dem neuen Lebenswandel 
Mit Chriſto geſtanden auf. 


Folglich zeigt die Lebensweiſe, 
Ob ihr hier der Welt noch fröhnt, 
Oder ob ihr auf der Reiſe 

Wirklich Chriſto Jeſu dient. 


Wann ihr nur der Welt anhanget, 
Und nach Augenlüſten lebt, 

Und in Eitelkeit noch pranget 
Und dem Heiland widerſtrebt. 


O, wie könnt ihr dann beweiſen, 
Daß euch Gottes Geiſt regiert, 

Und daß ihr auf eurer Reiſe 
Stets ein göttlich Leben führt. 


Ihr habt jetzt die Tauf' empfangen, 
So wie Jeſus uns gebot; 

Prüft jetzt, wen ihr angehangen 
Fleiſcheslüſten oder Gott. 


Habt ihr das Gelübd' gebrochen, 
Welches ihr vor Gott gethan, 

So wie ihr es habt verfprochen, 
Hier zu wandlen Jeſu Bahn. 


— 220 — 


O, ſo wend't euch wohl bei Zeiten, 
Heut' noch hin zu Jeſu Stuhl, 

Auf daß euch nicht ewig's Leiden 
Widerfahr im Schwefelpfuhl. 


Bittet ihn mit Reu' und Thränen, 
Euch zu ſchonen vor der Ruth', 

Und aus Gnad' mit Gott verſöhnen 
Und euch waſchen mit ſein'm Blut. 


Bittet ihn nur im Vertrauen, 
Das zu thun, was ihr begehrt; 

Nehmt euch vor, auf ihn zu ſchauen, 
Das zu thun, wie er euch lehrt. 


O, glaubt dann in eurem Herzen, 
Daß er's gern und willig thut, 

Euch bewahrt vor jenen Schmerzen 
Und verſöhnt mit ſeinem Blut. 


Werd't nur nicht im Glauben müde; 
Haltet täglich bei ihm an, 

Euch zu zeigen ſeine Güte 
Und zu führen ſeine Bahn. 


Ruft ihn an um ſein Erbarmen; 
Ruft ihn an um ſeinen Geiſt, 

Der euch führ' an ſeinen Armen 
Auf die Bahn, die Gott anweiſ't. 


Laßt nicht ab mit Bitt' und Flehen 
Täglich und in jeder Noth, 

Daß er euch ſtets woll' beiſtehen, 
Euch hier führen bis zum Tod. 


= m — 


Und daß er dann an dem Ende 
Wolle thun, was er verhieß: 

Euch dann nehmen in die Hände — 
In das himmliſch' Paradies. 


Dieſer Wunſch, ihr werthen Lieben, 
Kommt aus Vaterherzen hier; 1 

Lieb' und Pflicht hat mich getrieben, 
Euch zu geben dieſe Lehr'. 


Mög' die Warnung und die Mühen, 
Die ich hatt' und auch geſucht, 

Nun in euren Herzen blühen: 
Gott zu bringen gute Frucht. 


Die euch Gott an jenem Tage 
Ernten läßt aus Gnad' und Huld, 

Und beſchützt euch vor der Plage 
Und erläßt euch alle Schuld. 


Mög' jetzt Gott ſein'n Segen geben, 
Euch erleuchten als ein Licht, 

Daß ihr ſucht mit Ernſt im Leben 
Zu entflieh'n dem Zorngericht. 


Wann ihr meine Warnungsſtellen 
Hier erkennt als Jeſu Lehr', 

O, ſo gebt mit Herz und Seelen 
Gott allein den Ruhm und Ehr'. 


Meine Warnung und die Pflichten, 
Welche ich euch machte kund, 

Sucht' aus Lieb' ich auszurichten 
Als ein anvertrautes Pfund, — 


Welches Jeſus dort am Tage 
Von mir fordert am Gericht; 

Daher ſucht' ich jene Plage 
Euch zu ſtellen vor's Geſicht. 


— BE — 


O, ſtreckt jetzt nur eure Hände 
Nach dem ew'gen Leben dort, 

Auf daß ihr erlangt am Ende 
Den Eingang zur Himmelspfort'! 


Kinder, fallt jetzt auf die Knieen, 
Bittet Gott mit Herz und Mund; 

Spart nicht Thränen noch die Mühen, 
Bittet Gott von Herzens-Grund: 


Daß er uns dort allzuſammen 
Woll' die Gnade laſſen ſeh'n, 

Bis er ſpricht zur Bitte: Amen, 
Ja, es ſoll an euch geſcheh'n! 


Darſtellung, 


Warnung und Unterricht 
für 
meine Kinder. 


— 1-2. 


Erfüll', o Vater, du aus Gnaden, 
Was uns dein Sohn ſo treu verheißt, 
Send’ du dein'n Geiſt der mir hilft rathen 
Und mir den Weg der Wahrheit weiſ't! 


Der mich mit Weisheit wol’ erfüllen, 
Um zu erkennen die Gefahr, 

Die Jeſus ſuchte darzuſtellen 
Für ſeine auserwählte Schaar! 


Der mich erleucht't, mich ſelbſt zu prüfen 
An Jeſu Vorbild Lehr' und Rath, 

Und mich behütet vor den Tiefen 
Der Selbſtgerechtigkeiten Pfad. 


Der mich erleuchtet auf dem Wege, 
Damit kein Irrlicht mich berückt, 

Und mich erhält auf Jeſu Stege, 
Ju Lich’ und Demuth unverrückt. 


— BA — 


Ach, Vater, deine Hand ausſtrecke, 
O, führ' mich hier nur Jeſu Spur, 

Damit ich mich nicht ſelbſt beflecke 
Durch Zorn und Eifer der Natur. 


Woll'ſt mir in meiner Pflicht beiſtehen, 
Den Kindern hier zu zeigen klar, 

Daß ſie den Irrthum können ſehen 
Und ſelbſt erkennen die Gefahr. 


Zünd' an in ihnen deine Kerzen, 
Daß ſie des Satans Stricke ſeh'n, 

Und dann mit ihrer Seel' und Herzen 
Dir, o Herr Jeſu, auch nachgeh'n.“ 


Laß aber nur dein Geiſt mich treiben; 
Füll' du mein Herz mit dem Verſtand, 
Damit ich hier in dieſem Schreiben 
Dein'n Rath und Warnung mach' bekannt. 


Bewahr' mein Herz und auch den Willen 
Vor Bosheit, falſchem Wahn und Liſt, 
Damit ich hier nur mög' erfüllen, 

Was dir, o Gott, gefällig iſt. 


Hört, Kinder, merkt mit Herz und Seele 
Auf Jeſu Warnung, was er ſpricht, 

Auch daß nach Warnung und Befehlen 
Ihr euren Lebenswandel richt't. 


Seht hin im Geiſt auf Jeſu Lehren, 
Wie er von der Verwüſtung ſpricht, 

Wo man das Heiligthum zerſtören 
Und wahren Gottesdienſt zernicht'. 


Wo man das Heil'ge würde fällen, 
Den Greuel der Verwüſtung dann, 

An Gottes heil'ge Stätte ſtellen 
Und aller Bosheit machen Bahn. 


— 225 — 


Wo auch der falſch' Propheten Heere, 
Die Gott der Höchſte nicht geſandt, 

Durchſchleichen würden zu belehren 
Mit Schein und Trug das ganze Land. 


Sie würden ſuchen zu belehren 
So gar das auserwählte Heer, 

Um ſie in Irrthum zu verführen, 
Wann es zu thun und möglich wär'. 


Sie würden ihren Saamen ſtreuen 
In alle Winkel fern und nah', 

Und dann in ihrer Lehre ſchreien: 
Seht, hier iſt Chriſtus, dort und da! 


Und würden durch die Zeichen rühren 
Viel Menſchen, die zu ihnen geh'n, 

Um die in Irrthum zu verführen, 
Die da nicht feſt auf Jeſu ſteh'n. 


Daher will's Jeſus nicht erlauben 
Und Jeden trifft die Warnungsſtimm'; 
Er ſpricht: ihr ſollet es nicht glauben, 
Und geht auch nicht zu ihnen hin. 


Dort, Kinder, droht Gefahr und Schlingen, 
Die auf die Seelen ſind gericht't, 

Um eure Seel' ins Netz zu bringen, 
Obſchon man euch ſubtiel anſpricht. 


Durch glatte Worte, Trug und Schimmer 
Wird Mancher in das Netz verhaft't, 

Und täglich wird das Uebel ſchlimmer, 
Weil ſich die Welt am Schein vergafft. j 


Ach! ach! es find fo viel Gefahren, 
Der Schlingen ſind ſo vielerlei; 
Sucht euch vor allen zu verwahren 
Und bleibt nur Jeſu Chriſto treu. 
1 


— 


— 226 — 


Denn Unglaub' ſieht mit frechem Spotten, 
Wie jetzt das Chriſtenthum zerfällt; 

Und um es gänzlich auszurotten, 
Verläugnet er den Herrn der Welt. 


Das Chriſtenthum ſieht er verworren 
In Lauigkeit, Verführung, Schlaf, 

Und ruft mit Hohn: ihr dummen Thoren, 
Es iſt ja weder Gott noch Straf'. 


Könnt ihr's der Welt denn nicht anſehen, 
Iſt's euch, ihr Thoren, denn nicht klar, 
Daß dieſe Welt nicht kann vergehen, 
Und bleibt für immer, wie fie war 


Wer jetzt den Hohn der Tollen höret, 
Wie jetzt die Bosheit überquillt; 

Wie man den Heiland hat entehret 
Und ihn blos als ein Menſch darſtellt. 


Fürwahr, dies rührt den Chriſt zu Thränen, 
Wann er muß ſehen ſolche Schand; 

Wie man jetzt Jeſum will verhöhnen, 
Und falſche Lehr' nimmt überhand. 


Der Unglaub' läßt mit Muth ausfließen, 
Was Satan ihm ins Herz geſtreut; 

Er tritt ſo Jeſu Blut mit Füßen, 
Verlacht und ſpott't der Ewigkeit. 


Seht dort, was Petrus hat beſchrieben 
Vom Hohn und Spott, ſo wie er ſpricht: 
Wie Jeder würd' ſein'n Willen üben, 

Mit Hohn verlachen das Gericht. 


Hiermit wollt' Petrus uns andeuten 
Und ſpricht es auch mit Worten klar: 

Daß ſie wohl wüßten, daß vor Zeiten 
Der Himmel und die Erde war — 


— 0 — 


Doch mußt' im ſchrecklichen Getümmel 
Zu Noah's Zeit die große Fluth, 

Im Regen fallen von dem Himmel 
Als eine wohlverdiente Ruth'. 


Und ftellt‘ uns vor, ob ſchon fie lachen, 
Würd' doch der Himmel, den wir ſeh'n, 

Dereinſt vergeh'n mit großem Krachen, 
Und auch die Erd' vor Hitz' vergeh'n. 


Verſchmelzen würde dieſe Erde, 
Und Böſe würden in der Noth 

Dann ſeh'n, wie jetzt erfüllet werde, 
Was Gott den Böſen hat gedroht. 


Laßt euch daher nur nicht verführen; 
Beſeht den Drang in ſeinem Lauf, 

Hier will ein Jeder nur belehren, 
Um zu vermehren ſeinen Hauf'. 


Der Unglaub' ſendet ſeine Heere, 
Die er ausrüſt't mit Hohn und Spott, 
Um alle Menſchen zu verkehren — 

Um zu verläugnen ihren Gott. 


Im Hochmuth hat er ſich erhoben; 
Er läſtert Jeſum, Gottes Sohn; 

Er läſtert Gott im Himmel droben; 
Ja, er verläſtert Straf' und Lohn. 


Doch ach! es ſind noch and're Netze, 
Wodurch ſo Mancher wind gefällt, 

Wann's iſt, daß Jemand ſich ergötze, 
Wann er nur hier die Formen hält — 


Und glaubt, daß er genug dann leiſte, 
Wann er nur hier in Formen geht, 

Und nicht in Demuth noch im Geiſte 
Zu Jeſu, dem Erlößer, fleht. 


Iſt's Solchem Ernſt zum Seligwerden, 
Wann er dahin in Kälte lauft, 

Und glaubt, es ſei genug auf Erden, 
Wenn man mit Waſſer ſei getauft? 


Wann doch ein Menſch könnt' ſelig werden, 
In Formen halten dort vor Gott, 

So hätte Jeſus nicht auf Erden, 
Dort nicht gelitten Kreuzes-Tod. 


Iſt's Jemand Ernſt, dort zu entgehen 
Dort am Gericht des Höhſten Ruth', 

Ein Solcher muß zu Jeſu flehen, 
Daß er ihn waſcht mit ſeinem Blut. 


Will Jemand dort mit Jeſu erben, 
Der bitt' ihn jetzt um Gnad' und Huld, 
Daß Jeſus durch ſein'n Tod und Sterben 
Ihm dort verſöhne ſeine Schuld! 


Denn Gott hat Jeſum vorgeſtellet 
Der ganzen Welt zum Gnadenſtuhl, 
Wer jetzt vor Jeſu niederfället, 

Den rettet er vom Schwefelpfuhl. 


Wer dies verſäumt in Gnadenzeiten, 
Am Tag des Heils nicht zu ihm naht, 

Sich nicht rein macht durch Jeſu Leiden, 
Für Solchen wird es dort zu ſpat. 


Denkt nach, wer hier nur Jeſu Liebe 
Bezahlet mit Gleichgültigkeit, 

Und ſucht nicht jetzt mit ernſtem Triebe 
Des Heilands Huld in Gnadenzeit! 


Daß Solcher dann an dem Gerichte, 
Wann er auch wollt' um Gnade flehn, 
Würd' Jeſus ihn von ſein'm Geſichte, 
Auf ewig heißen von ihm gehn. 
* 


— 229 — 


Daher ſucht jetzt in eurem Leben 
Mit Furcht und Zittern euer Heil, 

Denn gerne will's euch Jeſus geben, 
Wer heut' noch zu ihm geht in Eil'. 


Beugt eure Knie vor Gottes Sohne, 
In deſſen Nam' ihr ſeid getauft, 

Fleht ihn, daß er euch dorten fchone 
Und euch auch mit ſein'm Blut erkauft. 


Und ſeid gewiß, daß Jeſu Worte 
Viel feſter als der Himmel ſteh'n, 

Daß, wer ſich naht zu Jeſu Pforte, 
Den heißt er nicht von ihm weg geh'n. 


Beugt euch in Reu' zu ſeinen Füßen, 
Im Fleh'n um Gnade auf ſein Wort, 
Bis er euch Gnade läßt zufließen, 

Gleich wie der Sünderin alldort. 


Bleibt nur im Glauben und Vertrauen 
Ganz feſt um Jeſu Gnad zu fleh'en, 

Und auch im Wandel auf ihn ſchauen 
Und ſeinem Rath getreu nachgeh'n. 


ä 


O, haltet feſt, was er gebietet 
Und ſeid gehorſam feiner Stimm', 

Und wo er warnt, daß ihr euch hütet, 
Um nicht zu folgen eignem Sinn! 


Seht jetzt umher und prüft die Geiſter, 
Die rund um euch her jetzt aufſteh'n, 

Wo Jeder hier will fein der Meiſter, 
Ob ſie nach Jeſu Worten geh'n! 


* 


— 230 — 


Denn, wenn ſie ſich ſelbſt Lehrer nennen 
Und machen ſich durch Lehr' bekannt, 

So müßt ihr an der Frucht erkennen, 
Ob ſie auch ſind von Gott geſandt. — 


Damit nun Niemand wird verblendet, 
So ſpricht ja Jeſus ſelber dort: 

So Jemand ſei von Gott geſendet, 
Der rede hier auch Gottes Wort. 


Darum prüft ſie genau am Reden, 
Wer ſie geſetzt zum Predigtſtand, 

Denn, wenn ſie ſind die falſch' Propheten, 
Dann ſind ſie nicht von Gott geſandt! 


Wann ſie nun Jeſu Lehr' verdrehen 
Und lehren gegen Jeſu Rath, 

Dann dürft ihr in ihr Lehr' nicht gehen 
Und auch nicht folgen ihrem Pfad. 


Betracht't ihr' Lehrſätz' recht im Herzen; 
Beleuchtet ſie mit Gottes Geiſt, 

Und hütet euch vor Irrlichts Kerzen, 
Die euch nur Alles falſch anweiſ't. 


Wenn man nun in's Gebet will gehen, 
So lehrt uns Jeſus in dem Wort, 

So ſoll man im Verborg'nen flehen 
Und nicht wie jene Heuchler dort — 


Die in den Schulen, auch auf Straßen, 
Vor allen Menſchen offen fleh'n, 

Um ſich vor Allen ſeh'n zu laſſen, 
Daß Jeder ſie ſoll beten ſeh'n! 


Dies iſt die Warnung in der Rede, 
Nicht wie die Heuchler dort zu ſteh'n, 

Und ſeh'n auch, daß er's ſelbſt nicht thäte, 
Wenn er wollt' ins Gebete geh'n. 


2 
FOR 


— 231 — 


Wie oft pflegt' Jeſus nach den Reden, 
Wenn er wollt' zu dem Vater fleh'n, 

Daß Niemand ihn ſollt ſehen beten, 
Allein auf einen Berg zu geh'n. 


Ging oft vom Volk mit ernſten Schritten 
Und Trieb auch ſeine Jünger fort, 

Damit er könnt' verborgen bitten 
An einem ganz verborg'nen Ort. 


Seht Jeſu dort im Garten leiden, 
Als er von Jüngern ſich entriß, 

Bei einem Steinwurf weit zur Seiten, 
Sich dort zur Erde niederließ. 


Er ſucht' im Dunklen auszuſchütten 
Sein Herz vor Gottes Augen klar, 

Und dann erſt nach vollbrachten Bitten 
Kehrt' er zurück zur Jünger-Schaar. 


Jetzt prüft nur ſtreng den großen Haufen, 
Ob ſie nicht gegen Jeſu Red' 

Faſt alle Nacht zuſammenlaufen, 
Um ſich zu zeigen im Gebet.“ 


Würd' Jeder nur den Höchſten ehren, 
Thun, wie er im Geſetze ſpricht — 
Des Abends ſeine Kinder lehren 
Und ihnen geben Unterricht! 


Wo dann der Vater mit den Kindern 
Sammt Mutter kann verborgen fleh'n, 

Allwo ſie dann kein Menſch kann hindern, 
Kein Menſch ſie nicht kann beten ſeh'n. 


Doch, wie die Sachen jetzo ſtehen 
Beim großen Haufen in der Welt, 
Wo Jeder ſich will laſſen ſehen, 
Sich im Gebet zur Schau hinſtellt. 


— 232 — 


Hört man's nicht oft, daß ſie's bekennen, 
Wenn Jemand nicht vor Allen kniet, 

Könnt' man ihn auch kein'n Chriſten nennen, 
Weil ihn die Welt nicht beten ſieht. 


Prüft ihr nun dies nach Jeſu Lehren, 
So ſeht ihr, daß ſie es verdreh'n, 

So dürft ihr folglich fie nicht hören, 
Und auch in ihre Lehr' nicht geh'n. 


Betrachtet nun ein anders Zeichen, 
Wie es der große Haufe lehrt, 

Ob ſie nicht hier von Gott abweichen 
Und ſind in ihrer Lehr' verkehrt. 


Wo Paulus uns das Werk erzählet 
Von Jeſu Chriſto, unſerm Held, 

So ſpricht er: Gott hab' ihn geſtellet 
Zum Gnadenſtuhl vor alle Welt! 


Prüft ihr nun dies in eurem Denken, 
Und prüft, wie täglich wird geſchrieen, 

Daß man jetzt ſoll vor hölznen Bänken, 
Als Gnaden-Bänken niederknieen. 


er bracht' die Lehrer auf die Straßen, 
Um Gott die Ehre zu entzieh'n, 
Den Gnadenſtuhl dort zu verlaſſen 
Und nur vor hölznen Bänken fleh'n. 


War's Gottes Geiſt, der dies regierte, 
Macht' er etwa der Welt bekannt, 

Daß man die holzne Bänk' verehrte, 
Und ſie mit Jeſu Namen nannt? 


Nein, nein! der Geiſt des Höchſten wendet 
Sich wahrlich nicht von Jeſu Rath, 
Der Geiſt, den Gott hat ausgeſendet, 


N 


Bleibt ganz genau auf Jeſu Pfad. 


— 233 — 
Prüft ihr nun dieſe Sach' im Innern; 
Betrachtet tief was Jeſus ſpricht: 
Daß uns ſein Geiſt hier würd' erinnern 
Der Wort, die er uns hat bericht't! 


Sein Geiſt würd' uns allhie regieren; 
Würd', wenn wir ihm nicht wiederſteh'n, 
Uns hier in alle Wahrheit führen, 
Um treulich Jeſu Pfad zu geh'n. 


Wenn nun ein Lehrer Holz hinſtellet 
Und es mit Jeſu Namen nennt, 

Bewegt das Volk, daß es hinfället, 
Das Holz als Gnadenſtuhl bekennt. 


Iſt ſolches dann ein treuer Wächter? 
Nein, er entehrt ſich in dem Stand, 

Dieweil er hier als ein Verächter, 
Ein Holz mit Jeſu Namen nannt'! 


Bewegt das Volk dann anzubeten, 
Vor dieſem Holze um die Gnad', 

Sie ſollten nur getroſt hintreten, 
Dieweil es Jeſu Namen hat. 


Wann ihr euch nun zu Jeſu zählet, 
So hütet euch, daß euch nichts trennt; 

Folgt dem nur nicht, der Holz hinſtellet, 
Und es mit Jeſu Namen nennt. 


Denkt ſelber nach, wie Gott die Sachen, 
Wie er es im Geſetz verwehrt: 

Du ſollſt kein Bild noch Gleichniß machen, 
Seht zu, daß ihr ſie nicht verehrt! 


Denkt nach, ihr Kinder, ob's beſtehet, 
Wenn Gott einſt das Gerichte hält, 

Wenn man hier vor dem Holze flehet 
Und den verläßt, den Gott geſtellt. 


— 234 — 


Wollt Gott uns nehmen an zu Soͤhnen, 
Wenn wir durch Jeſum zu ihm geh'n, 

Und wir dann Jeſum doch verhöhnen 
Und nur um Gnad' vor'm Holze fleh'n. 


O, Kinder, denkt an jene Schmerzen, 
Wenn Gott will halten das Gericht; 

Wenn Menſchen hier aus ihrem Herzen 
Ein'n falſchen Gottesdienſt erdicht't! 


Und wann der falſch' Propheten Heere 
Der Wunderzeichen viel verricht't, 

Und durch die Zeichen in der Lehre 
Verführen, ſo wie Jeſus ſpricht — 


Flieht nur vor ihren falſchen Lehren, 
Weil Zeichen die alldort geſcheh'n, 

Euch auch ſonſt könnten mit verführen, 
Um auch denſelben Pfad zu geh'n! 


Laß' Neugier euch nur nicht bewegen, 
Um hin zu geh'n und Zeichen ſeh'n, 
Dann Jeſus ſpricht ja ſelbſt dagegen 
Und ſagt, ihr ſollet ee hingeh'n! 


Und wer nun Jeſu Rath verachtet, 
Und geht doch hin im eignen Sinn; 
Obſchon er ihre Lehr' verachtet, 
Den reißt ſehr oft der Strom dahin. 


Dann Zeichen ſind die Wirkungsſäfte, 
Wodurch der Haufe größer wird, 

Doch aber lügenhafte Kräfte, 
Wodurch der Menſch dann wird verführt. 


- 


Durch Zeichen wird der Menſch gezogen, 
Hier zu verlaſſen Jeſu Rath, 

Durch Zeichen wird er dann betrogen, 
Zu fleh'n vor einem Holz um Gnad'. 


Viel Menſchen wundern ſich der Zeichen, 
Weil Jeder gern den Urſprung wüß't; 

Doch keine Seele kann's erreichen, 
Dieweil es ein Geheimniß iſt. 


Johannis zeigt's mit klaren Worten, 
Als er das Weib der Hure ſah; 

Um zu verführen aller Orten, — 
Durch ihre Lehre fern und nah’ — 


Die Lehre, die ſie hab' getrieben, 
Sammt Zeichen, Wundern und des Thuns, 
Das ſei an ihrer Stirn beſchrieben — 

Sei ein Geheimniß Babylons! 


Obſchon ſie ſelbſt die Zeichen fehen 

Und durch die Zeichen angetraut, 
Sieht man's doch an der Stirne ftehen‘ 
Daß Niemand in's Geheimniß Schaut. 


Obſchon man überdenkt die Sachen, 
Denkt nach, woher das Zeichen rührt; 

Sieht an ihr Treiben, Thun nud Machen, 
So bleibt es dennoch unerklärt. 


Obſchon man ſich kaum kann erwehren, 
Zu denken nach dem Trieb und Wahn — 
Doch kann es keine Seel' erklären; 
Es bleibt geheim vor Jedermann. 


Doch iſt's genug, man kann ſie kennen 
An Zeichen, Lehre und der Liſt, 

Und braucht daher ſie nicht zu nennen, 
Dieweil ſie klar vor Augen iſt. 


— 


— 286 — 


Dies iſt der Hure ihr Malzeichen, 
Wobei man ſie als Hure kennt, 

Und wer uicht will von ihr abweichen, 
Dem ſie ihr Siegel ſchnell aufbrennt. 


Denkt nach, ſind Zeichen nicht die Speiſen, 
Die ihren großen Haufen nährt? 

Kann ſolche Jemand nicht aufweiſen, 
So iſt er ihnen unbekehrt. 


Bei ihnen muß man Zeichen haben, 
Wenn man als Bruder will beſteh'n: 
Und zu erlangen ſolche Gaben, 
Muß man vor'm hölznen Bänken fleh'n. 


Daher, ihr Kinder, wollt ihr dorten 
Entgeh'n dem ew'gen Schwefelpfuhl, 

So beugt euch jetzt nach Pauli Worten 
Vor Jeſu, unſerm Gnadenſtuhl — 


Den Gott, der Höchſte, ſelbſt geſtellet; 
Nur er kann euch ertheilen Gnad', 

Und dies iſt, was auch Gott gefället, 
Wann man nicht weicht von ſeinem Rath. 


Prüft jetzt, ihr Kinder, dieſe Lehren; 
Prüft ſie mit Gottes Geiſte nur, 

Dann meine Pflicht iſt, euch zu führen 
Und bringen auf die wahre Spur. 


Wann Gott uns wollt' ſein'n Sohn vorſtellen, 
Um Gnad' von ihm im Geiſt zu fleh'n, 

Dann kann's kein hölz'ner Bank erfüllen, 
Und wann wir ewig vor ihm knieen. 


Wer ſtreute aus den Irrthums-Saamen: 
Zu fleh'n vor einem Holz um Gnad' — 

Dem Holz zu geben Jeſu Namen; 
Vor'm Holz zu ſuchen Troſt und Rath? 


— 237 — 


Ich ſchreibe nicht mit frechem Höhnen 
Der Menſchen, die betrogen ſind; 

Nur euch zu zeigen, wem zu dienen — 
Und wo ihr Gnade finden könnt. 


Ich kann die Menſchen nicht belachen, 
Die in dem Irrthum ſind verpicht; 

Nur euch zu zeigen, wie die Sachen 
Vor Gott beſteh'n im wahren Licht. 


Ich muß die Pflichten hier ausüben, 
Um ſie zu ſtellen vor euch dar; 

Ich ſuch' hiemit nicht zu betrüben — 
Nur euch zu warnen vor Gefahr. 


Ach! wer kann über Solchen ſcherzen, 
Dem es am wahren Licht gebricht, 

Da er doch glaubet in dem Herzen, 
Er ſei erleucht't durch Gottes Licht. 


Ich kann nicht ſpotten ſolcher Seelen, 
Die in dem Irrthum ſind verführt, 

Und wahrlich auch kein Urtheil fällen, 
Dann ſolches Gott allein gebührt. 


Sucht nur in Gottes Wort zu leſen; 
Prüft ihre Lehr' nach Jeſu Wort — 

Sucht ſie mit Gottes Wort zu meſſen, 
Ob ihr es auch ſo findet dort. 


Denkt nach, ihr Kinder allzuſammen, 
Ob ſie hier ſind auf Jeſu Pfad; 

Wann ſie die Menſchen all' verdammen, 
Die nicht annehmen ihren Rath. 


Wo hat uns Jeſus dies befohlen — 
Wo legt er's auf als eine Pflicht, 

Sich ſein Urtheil bei ihnen holen 
Als ob ſie hätten das Gericht. 


— 238 — 


Vielmehr lehrt Jeſus uns zuſammen 
Und ſchärft es ein als eine Pflicht: 

Wir ſollten and're nicht verdammen, 
So kämen wir nicht in's Gericht. 


Dies Wort hat Jeſus ſelbſt geſprochen, 
Das Richten hat er nicht erlaubt: 

Jetzt ſeht, ob fie fein Wort gebrochen 
Und Gott ſein Richteramt geraubt. 


Betracht't, was Paulus uns belehret, 
Was er uns zur Vermahnung ſpricht: 
Ob ſie mit Ernſt ihn angehöret 
Und ſich nach ſeiner Lehr' gericht't? 


Wer biſt du, ſpricht er, willſt du richten 
Den fremden Knecht mit deinem Licht? 

Der Heiland wird es ſelber ſchlichten, 
Wann er erſcheint zum Weltgericht. 


Ob er auch ſtehet oder fället, 
So fällt er ſeinem Herrn im Lauf; 
Und wenn es dann der Herr erwählet, 
So richtet er ihn ſelber auf. 


Denn wir alle hier auf Erden — 
Wir müſſen, wann's Gericht angeht, 

Vor Ehriſti Stuhl geſtellet werden 
Und ernten, was wir hier geſä't. 


Prüft ihr nun tief des Heilands Lehren, 
Und prüft, was der Apoſtel lehrt, 

So ſehet ihr, daß jene Heeren 
Mit dem verdammen ſind verkehrt. 


Dieweil uns Gott nicht zugelaſſen 
Zu richten dort den fremden Knecht; 

So prüft jetzt jener Lehrer Straßen, 
Die hier ſtets richten ohne Recht. 


= m - 


Hört, wie fie in der Lehre ſchreien, 
Ganz ohne Furcht vor jenem Held, 

Und richten andere Partheien, 
Wer ſich nicht ſchnell zu ihnen ſtellt. 


Dieweil das Richten und Verdammen 
Den Menſchen nicht iſt zuerkannt; 

So prüft, ob Gott ſie wohl zuſammen 
Berufen hab' zum Predigtſtand. 


Seht, wann ſie hier betrachten wollten, 
Wie uns die heil'ge Schrift vermeld't, 

So ſah'n ſie auch, daß ſie thun ſollten, 
Wie uns darin iſt vorgeſtellt. 


Denn Jeſus lehrt uns, uns zu wenden 
Zum Herrn der Ernte, unſerm Hort, 

Daß er woll' treue Männer ſenden, 
Die uns belehren Gottes Wort. 


Die Jünger dieſes nicht verfehlten; 
Sie thaten, wie der Heiland ſprach, 

Weil ſie durch Stimm' und Loos erwählen, 
Als ein Apoſtel dort gebrach. 


Doch, dieſe wollen dies nicht wiſſen; 
Sie lehren nur auf eig'ne Hand, 

Und ſind am Ende ſo vermeſſen 
Und ſprechen, Gott hab' ſie geſandt. 


Ein Jeder folgt dem eig'nen Triebe, 
Sucht dem verführten Herz nicht nach, 

Sonſt ſtänden ſie zur Lehr' beſchrieben, 
Was Jacob dort zur Warnung ſprach: 


— 20. — 


Nicht Jeder ſoll ſich unterwinden, 
Um hier als Lehrer aufzuſteh'n; 

Wir würden am Gericht dort ſinden — 
Ein deſto größer Urtheil geh'n. 


Doch, Jeſu und Apoſtel Lehre 
Hat bei dem Haufen keinen Werth, 

Ein Jeder will, daß man ihn höre 
Und ihn als einen Lehrer ehrt. 


Und wann ſie in der Lehre ſchreien 
Vom Gnadenbankf, den ſie geſtellt: 

Verdammen, richten, prophezeien, 
Vom Untergang und End' der Welt. 


Daher betrachtet ihre Lehre, 
Wie ſich's in dieſem Stück verhält; 
Der Pöbel glaubt, was dieſe Heere 
Jetzt lehren von dem End' der Welt. 


Wer rief ſie hier, um laut zu ſchreien 
War's Gott, der ſie hiezu beſtellt — 

Um fälſchlich hier zu prophezeihen 
Zu ſetzen feſt das End' der Welt? 


Wer hat die Lehr' in ſie gegoſſen — 
Wer war's, der ſie des Wahn's bericht't: 
Die Zeit der Welt ſei nun verfloſſen, 

Gott komme jetzt zum Weltgericht? 


Auch feſt zu ſetzen Tag und Stunde, 
Gleichſam, als ob Gott dieſe Sach', 

Sie hätt' belehrt mit ſeinem Munde, 
Um zu beſtimmen Stund' und Tag. 


Denkt nach, wie fälſchlich und verkehret 
Man dieſe Lehre jetzt ausgießt, 

Da uns doch Jeſus ſelbſt belehret, 
Daß es kein Engel d'roben wüßt'. 


— 241 — 


Ja, von ihm ſelbſt hat er gewieſen, 
Daß er nicht wüßt', wann dies geſcheh', 

Und uns gebühr' es nicht zu wiſſen, 
Wann Gottes Weltgericht angeh'. 


Gott hab' die Stund' für ſich behalten 
Und warnt daher aus treuer Lieb', 

Daß wir uns ſollen fertig halten, 
Denn er würd' kommen als ein Dieb. 


Bedenkt des Heilands reine Lehren 
Und prüft der Lehrer lautes Schrei'n: 
Ob ſie nicht jetzt die Welt verkehren 
Durch falſche Lehr' und Prophezeih'n. 


Denkt nach, ob nicht die großen Maſſen, 
Die täglich wachſen mehr und mehr — 

Ob ſie ſich nicht verführen laſſen 
Durch dieſen falſchen Wind der Lehr‘. 


Wenn dann der falſch' Propheten-Rotten 
Ihr Prophezeih'n nicht wird erfüllt, 

Dann fängt der Leichtſinn an zu ſpotten 
Und ſpottet dann dem Herrn der Welt. 


Ach, ließ“ der Pöbel ſich bewegen, 
Zu glauben, es ſei wahre Red', 

Dann würd' ſich ſchnell der Eifer legen, 
Wenn es nicht in Erfüllung geht. 


Und ſprechen dann im Hohn des Spottes: 
Wie fein iſt eure Rede wahr; 

Wo iſt die Zukunft eures Gottes — 
Es bleibt ja alles, wie es war! 


Durch falſche Lehr' und Prophezeihen 
Gewinnt der Unglaub' überhand 
Und Tauſende geh'n auszuſtreuen 
Die falſche Lehr' durch's ganze Land. 
16 


Sie treten hin auf Lehrer-Stufen 
Und reden von dem End' der Welt, 

Wozu fie Gott nicht hat berufen 
Und ihnen hievon nichts vermeld't. 


. Wär’ Gottes Geiſt in ihrem Innern 
Und wären ſie zu Gott bekehrt, 

Würd' Gottes Geiſt ſie auch erinnern 
Der Wort', die Jeſus hat gelehrt. 


Sie würden ſich nicht unterſtehen, 
Zu lehren gegen Jeſu Rath — 

Nicht auf verbot'nen Wegen gehen 
Und nicht verlaſſen Jeſu Pfad. 


Wenn Gott ein Lehrer hier ausſendet 
Und bleibt dann treu bis an das End'; 

Fürwahr, ein ſolcher ſich nicht wendet 
Von ſeines Meiſters Teſtament. 


Doch dieſe, die durch lautes Schreien 
Nur reden, was ſie ſelbſt erdacht — 

Durch falſche Lehr' und Prophezeihen 
Viel Tauſend' zur Parthei gebracht. 


So iſt nun hier ein klares Zeichen, 
Daß, wenn fie ſuchten Gottes Ehr', 

So würden ſie auch nicht abweichen 
Von Jeſu Rath und ſeiner Lehr'. 


Wollt ihr daher entgeh'n den Ketten, 
Die jetzt viel' Seelen hat verwirrt; 
Soll Jeſus eure Seel' erretten, 
So müßt ihr thun, wie er euch lehrt. 


Wenn falſche Lehrer euch hier rufen, 
Um euch zu ſchmeichlen von der Bahn, 

So ſeid behutſam auf den Stufen — 
Geht nicht, um ſie zu hören an. 


Daher ſucht euch nur vorzuſehen, 
Wenn euch der Drang zum Hören rührt — 
Zu wem ihr in die Lehr' wollt geben, 

Damit die Seel' nicht wird verführt. 


Denn, wenn ihr geht, um den zu hören, 
Von welchem ihr ſchon vorher wißt, 

Daß er nur will die Seel' verkehren 
Und daß er ein Betrüger iſt. 


Dann folgt ihr nicht des Heilands Lehren, 
Auch nicht dem eigenen Verſtand; 

Ihr geht muthwillig den zu hören, 
Den, der nicht iſt von Gott geſandt. 


Wenn ihr dann dort müßt Rechnung führen, 
Warum ihr Jeſu Rath veracht't; 

Ging't, gegen den Verſtand zu hören, 
Wo Jeſus ein Verbot gemacht — 


So müßtet ihr mit Furcht anhören 
Das Urtheil, das euch Gott zumißt, 

Und könntet auch nicht mehr umkehren, 
Dieweil die Pfort' verſchloſſen iſt. 


Geht nur zu Solchen in die Lehren, 
Die hier verkünden Jeſu Rath, 

Und ſich auch ſelbſt im Wandel kehren 
Nach ihres Herrn und Meiſters Pfad. 


Laßt euch von ſolchen Hirten leiten, 
Die hier in Herzens-Demuth ſtehen, 

Und die in Widerwärtiakeiten 
Nicht von dem Pfad der Sanftmuth geh'n. 


Die ſich mit jedem Tage meſſen 
An Gottes Wort und Jeſu Bild, 

Und keines ihrer Schaaf’ vergeſſen, 
Die Gott in ihrer Hut geſtellt. 


= 1 


Die hier im Geift verborgen flehen 
Um ihre und der Schaafe Schuld; 

Wo Gott ſie nur kann beten ſehen, 
Und bitten Gott um Gnad' und Huld. 


Wenn Hirten, die die Heerden leiten, 
Sich prüfen tief mit aller Kraft, 

So ſeh'n ſie ſich auf vielen Seiten 
Mit vieler Sünd' und Schuld verhaft't. 


Dann rufen ſie zum Sohne Gottes, 
Gleich wie uns Paulus machte Spur: 

Wer rettet uns vom Leib des Todes? 
Und danken Gott durch Chriſtum nur. 


Der treue Hirt' weiß ſchon im Leben, 
Daß Gott ihm dort läßt keine Wahl, 

Als Rechenſchaft zu Gott zu geben, 
Was Gott ihm ſeiner Hut befahl. 


Dies treibt ihn an, um ſich zu prüfen — 
Sieht, daß nichts Gutes in ihm wohnt; 
Dann ruft er aus der Seelen Tiefen 

Zum Vater, der im Himmel thront. 


Er ruft um Gnade und Erbarmen — 
Er ruft um Hülfe in dem Streit, 

Um ihn und Heerde in den Armen 
Zu tragen bis zum End' der Zeit. 


Ach, ſeh't, wie jetzt zu dieſen Zeiten 
So mancher Hirte ſich ergötzt, 

Und ſich zur Schau vor allen Leuten 
Auf feine Hochmuths-Höhe ſetzt. 


Und läßt ſich dann im Hochmuth hören: 
Er ſei bekehrt und dankt ſo fort, 

Im Hochmuth dankt er dann dem Herren, 
Daß er nicht iſt, wie Jener dort. 


18 


Rs 


Wird’ Solcher feine Augen ſalben, 
So wie der Heiland gab den Rath — 
Würd' er nicht rufen allenthalben: 

Seh't, ich bin reich und habe ſatt. 


Nein, es würd' Jeder klärlich ſehen 
Der eig'nen Fehler oft und viel; 

Dann erſt würd' man zu Jeſu gehen — 
In Demuth zu dem wahren Ziel. 


Denn Sünde herrſcht oft ſo gewaltig, 
Daß auch Jacobus ſpricht alldort: 
Wir fehlen alle mannigfaltig 
In Rede, Handel, Werk und Wort. 


Denkt ferner nach auf Jeſu Deuten, 
O, ſeht den Abgrund der Gefahr, 

Wie hier auch auf der kalten Seiten 
Mit Leichtſinn wird erfüllt die Schaar. 


Mit Jammer hört man jene Rotten, 
Wie fie mit Leichtſinn höhniſch ſchrei'n, 

Und dort der falſchen Lehrer Spotten 
Mit ihren falſchem Prophezeih'n. 


Der falſchen Lehrer Schrei'n und Rufen 
Erkennen ſie, ſei nicht von Gott; 

Doch aber, um ſich ſelbſt zu prüfen, 
Dies, glauben ſie, dies ſei nicht noth. 


Sie ſind zufrieden in dem Stande, 
Wenn man ſie hier nur nennt ein Chriſt; 
Doch Tauſende ſieht man im Lande, 

Wo es nur leerer Name iſt. 


Man glaubt, die Form ſei hier im Leben 
Genug, man würd' durch Formen gut; 

Man ſucht nicht mehr mit Ernſt zu ſterben, 
Zu waſchen ſich mit Jeſu Blut. 


— 246 — 


Man ſtellt die Form zum Grundſatz allen: 
Man breit't es aus in fern und nah, 

Und hat dann an ſich ſelbſt Gefallen, 
Gleich wie auch Laodicaa. 


Der Nam-⸗Chriſt läſſet ſich begnügen, 
Wenn er mit der Gemeinde lauft, 

Und läßt ſich hier an ſie anfügen, 
Wenn er mit Waſſer wird getauft. 


Er glaubt, es ſei genug, zu zeigen, 
Wenn man nur hier die Formen hält; 

Und ſuckht nicht mehr das Herz zu beugen 
Vor Gott und Jeſu, unſerm Held. 


Man hält das Buch vor das Geſichte — 
Man naht ſich mit dem Mund zu Gott; 
Doch aber mit dem Seelen-Lichte 
Iſt oft der Menſch nur kalt und todt. 


Man ehret Gott oft mit den Lippen; 
Man betet ohne Herz und Sinn — 

Man denkt nicht d'ran, das Herz zu bücken 
Und redet nur die Form dahin. 


Soll man das Mahl der Liebe halten 
Und ſich ſelbſt prüfen als ein Chriſt, 

Geht Mancher, ohne ſich zu ſpalten 
Von dem, was Gott mißfällig iſt. 


Man glaubt, das Mahl der Liebe mache 
Den ganzen Wandel wieder gut — 

Und glaubt, dies ſei genug zur Sache; 
Durch dies entgeh' man Gottes Ruth'. 


Man läßt die Sinnen unverworren — 
Man prüft ſich nicht mit Ernſt in Reu'; 
Man glaubt, man ſei ja neugeboren, 

Wenn man bei'm Abendmahle ſei. 


— 247 — 


Man gehet ohne Reu' und Schmerzen; 
Man glaubt nicht, daß man ſei verlor'n — 
Iſt oft erfüllet in dem Herzen 
Mit bitt'rer Rache, Haß und Zorn. 


Man hält die Aufſätz' jener Alten, 
Die hier von Menſchen ſind gemacht, 

Will aber hier mit nichten halten, 
Was uns der Heiland hat geſagt. 


Oft zeigt ſich äußerlich ein Schimmer, 
Als ob hier wahre Demuth ſei; 

Doch Innen iſt's fürwahr nicht immer — 
Und iſt von Hochmuth oft nicht frei. 


® 


— 


Wenn hier der Menſch nur iſt umhüllet 
Mit einem Schaaf'- und Demuths-Kleid, 
Wird er ſehr oft zur Schau enthüllet, 
Wenn ausbricht Hader, Zorn und Streit. 


Dann erſt läßt man die Klauen ſehen, 
Die hier das Schafkleid hat bedeckt — 

Und Schaafe müſſen dann geſtehen, 
Daß hier nur Bosheit war verſteckt. 


Zu oft ſieht man zu dieſen Zeiten, 
Daß jetzt die wehrlos“ kleine Heerd' 

Sich trennen, haſſen, zanken, ſtreiten; 
Und doch verwahren ſie das Schwert. 


Der Haß und auch das geiſtlich' Morden 
Geſchieht jetzt ohne Furcht vor Straf' — 

Und ſieht auch, daß faſt alle Sorten 
Jetzt liegen in dem Sündenſchlaf. 


— 248 — 


Man dringt jetzt auf ſo viele Sachen 
Und zählet ſie zu Gottes Reich — 
Und geiſtliche Geſetz“ zu machen, 
So daß man ſei dem Höchſten gleich. 


Man glaubt, es fehlt nicht am Verſtande, 
Weil man das Gut' und Böſe wüßt'; 

Und macht Geboten in dem Lande, 
Mit einem Demuthsſchein vermiſcht. 


Hält einer ſich an den Aufſätzen, 
Die hier von Menſchen ſind erdacht — 

Und ſuchet keines zu verletzen, 
Dann wird als Bruder er geacht't. 


Allein man will hier nicht geſtehen, 
Daß maff im Geiſt hochmüthig ſei: 

Doch aber läßt ſich's ſo anſehen, 
Als ob der Hochmuth ſei dabei. 


Um ſich an Gottes Stell' zu ſtellen — 
Um hier zu machen die Gebot'; 

Und dann dem ſchnell ein Urtheil fällen, 
Dem, der ſie übertreten hat. 


Ach, ſeht, Gott hat uns vorgeſtellet, 
Was uns hier dient zum Seelenheil; 

Wer dies nur thut, wie's Gott gefället, 
Dem wird das Leben dort zu Theil. 


Wenn auch der geiſtlich' Stolz die Sachen 
Beſieht mit ſeinem ſtolzen Licht — 

Und will auch hier Gebote machen, 
So iſt's nur Menſchen leer Gedicht. 


Und wenn's im Schein der Weisheit waltet 
Und ſcheint, als ob es göttlich wär': 

So iſt's von Menſchen nur geſtaltet 
Und iſt und bleibt nur Menſchen Lehr'. 


— 249 — 


Dies war, was Paulus auch betrübte, 
Als er in ferne Zukunft ſchaut': 

Daß die Gemeind', die Jeſus liebte, 
Die er ſich hatte anvertraut — 


Sie würd' ſi ch laſſen hier abrücken 
Von Einfalt, wie uns Jeſus wieß'; 

Mit geiſtlich'm Stolz das Herz verſtricken, 
Wie Eva in dem Paradies. 


Will etwa auch das Weib jetzt eſſen 
Von dem verbot'nen Baume nun, 

Um ſich mit Gottes Klugheit meſſen — 
In Klugheit es ihm gleich zu thun. 


Dann, ach! o weh, wann ſolche Dinge 
Vor Gott geſcheh'n in ſeinem Licht — 

Denkt nach, wo ſich das Weib hinbringe, 
Wenn Gott erſcheint zum Weltgericht. 


Zwar iſt die Warnung unterdeſſen 
Vor jedem Auge offenbar: 

Und Jeder kann es deutlich leſen, 
Daß Jedem drohet die Gefahr. 


Daß, wenn Jemand thut zu den Worten, 
Die uns der Heiland vorgeſtellt, 

So würden ihn die Plagen dorten 
Betreffen, die er hat vermeld't. 


Laßt dieſes Wort die Seel' erſchüttern, 
Dieweil es Jeſus ſelber ſpricht; 

Sucht euer Heil hier ſtets mit Zittern, 
Um zu entgeh'n dem Zorn-Gericht. 


— 250 — 


Ach! ach! es ſind noch mehr der Schlingen, 
Die euch geſtellt auf eurem Weg, 

Um eure Seel' in Fall zu bringen — 
Zu bringen ab von Jeſu Weg. 


Seht jene jugendliche Rotten, 
Wie ſie im eignen Willen ſteh'n; 

Und fangen an, der Tauf' zu ſpotten 
Und wollen Jeſu Pfad nicht geh'n. 


Und wenn ſie geh'n die Lehr' zu hören, 
Weil es ihr Vater haben will: 

So können ſie ſich nicht erwehren, 
Zu ſitzen in der Predigt ſtill. 


Sie haben hiezu kein Verlangen 
Und gehen lieber aus dem Hauſ', 

Um eitle Red' und Scherz' anfangen, 
Bis daß die Lehr“ gethan und aus. 


Die Ehre Gottes wird geſchändet, 
Wo man aus ſolcher Lehre geht; 

Wo Gottes Wille wird verkündet — 
Wo Gott zu uns aus Liebe red't. 


Ach! Solche haben lieber Ehre 
Bei eitlen Menſchen in der Welt, 
Als hier zu hören Jeſu Lehre, 
Die er zum ew'gen Heil vorſtellt. 


Man ſiehet deutlich ihr Bezwecken; 
Sie zieh'n das Eitle allem vor — 

Nach dem thun ſie die Händ' ausſtrecken 
Und leih'n dem Eitlen Herz und Ohr. 


Sie ſuchen ſich allhier zu zeigen 
In eitler Hochpracht dieſer Welt; 

Und wollen nicht das Herze beugen 
Zur Demuth, wie es Gott gefällt. 


— 251 — 


Seht ſelber nach in Jeſu Worten, 
Ob dort ein Eitler kann beſteh'n: 

Wenn Gott geſchloſſen hat die Pforten, 
Ob dann ein Eitler kann eingeh'n? 


War er gleichgültig in den Lehren; 
Hört' Jeſu Lehr' gleichgültig an — 

Wär's ihm gleichgültig ſie zu hören, 
Blieb gleichgültig wenn ſie gethan. 


Sie wollen nicht Gemeinſchaft machen 
Mit denen, die in Demuth ſteh'n; 

Mit Solchen, die darüber lachen — 
Mit Solchen will man lieber geh'n. 


Man will ſich hier der Welt gleich ſtellen, 
Und will doch oft noch ſein ein Chriſt, 

Und will ſich aber nicht geſellen 
Zu denen, wo noch Demuth iſt. 


Denkt nach, ihr Kinder, noch bei Zeiten; 
Denn ihr müßt einſtens vor's Gericht, 

Und wenn ihr dann in Gnadenzeiten 
Hier folgtet dem Erlöſer nicht — 


Ach, Gott! wie würd' es euch ergehen, 
Wenn ihr dem Eitlen hier nachlauft: 

Wie müßt' ihr am Gerichte ſtehen, 
Wenn ihr das ew'ge Heil verkauft. 


Denn, wer hier will der Welt anhangen 
Und ſchämt ſich hier des Heiland's Wort — 
Und will nur hier im Eitlen prangen, 

Des ſchämt ſich auch der Heiland dort. 


— 252 — 


Laßt euch daher noch jetzt bewegen; 
Hiezu giebt Jeſus ſelbſt den Rath: 
Sucht alles Eitle abzulegen 
Und wandelt jetzt nur Jeſu Pfad. 


Seid nur getreu in allen Dingen, 

Wenn ihr des Heilands Huld wollt ſeh'n; 
Dann wird's der Heiland dort vollbringen, 

Daß ihr dort dürft zur Rechten ſteh'n. 


Laßt euch nicht trügen durch den inmer, 
Der endlich mit der Welt vergeht; 

Und trachtet hier nach dem nur immer, 
Was ewig dort vor Gott beſteht. 


Und denkt nur nicht in euren Tagen 
Es währt noch lang bis zum Gericht; 

Ich will jetzt meinen Mitknecht ſchlagen, 
Denn mein Herr kommt noch lange nicht. 


Der Höchſte, der euch hat erſchaffen, 
Kann kommen, wann ihr es nicht meint; 

Und wenn ihr dann das Heil verſchlafen, 
Dann hilft's nichts, wenn ihr ewig weint. 


Denkt an's Gerichte und an's Sterben — 
Will dort Jemand ſein auserkohr'n; 

Wollt ihr dort einſt mit Jeſu erben, 
So müßt ihr hier ſein neugebor'n. 


Woll't ihr nun neugeboren werden, 
So unterdrücket die Natur, 

Die euch allhier auf dieſer Erden 
Will wiederſteh'n in Jeſu Spur. 


Lockt euch im Fleiſch die Macht der Sünden, 
Euch mitzutheilen Fleiſches Freud' — 

Ruft dann um Kraft zum Ueberwinden 
Zu Gott; er hilft euch in dem Streit. 


— 253 — 


Will auch die Welt euch hier belachen 
Und ſpottet euch im ſimplen Stand, 

Und bietet euch an, ihre Sachen — 
Zu nehmen an den eitlen Tand: 


So denkt, es ſteht mir ja zum Spiegel, 
Daß ich hier ſolches nicht thun darf, 

Dieweil dort Jeſus auf dem Hügel 
Auch alle Eitelkeit verwarf. 


Ach, Kinder! ſucht in dem Gedränge 
Zu wandlen, fo wie Jeſus Chriſt; 

Denn hier iſt unſer Weg ſehr enge, 
Den er uns vorgewandelt iſt. 


Denn Mancher zeigt ſich hier im Glanze 
Der äußern Demuth hier allein; . 

Und doch ſehr oft iſt hier das Ganze 
Nur Heuchelei und Demuthsſchein. 


Betrachtet hier die andern Seiten: 
Wie Mancher will zu Jeſu ſteh'n — 
Will aber Eitelkeit nicht meiden 
Und will dem Eitlen doch nachgeh'n. 


Daher erſucht die Herzens Tiefen, 
Ob hier in euch noch Hochpracht ſteckt; 

Und ſucht die Seelen tief zu prüfen, 
Ob ſie mit Heuchelei befleckt. 


Sucht euch hier in dem Lebenswandel 
Zu richten ſtets nach unſerm Held, 

Auf daß ihr dort mit eurem Handel 
Auch könnt' beſteh'n in jener Welt. 


Wenn ihr des Heilands Rath betrachtet 
Und denkt dann an die ew'ge Pein; 

Wie dorten Leib' und Seel' verſchmachtet, 
So kann's euch nicht gleichgültig ſein. 


— 254 — 


Euch wird der Seelen-Wunſch erfüllen, 
Daß Jeſus euch an jenem Tag 

Aus Gnad' zur rechten Hand mög' ſtellen — 
Aus Gnad' zu ſchonen vor der Play’. 


Woll't ihr nun eure Seel' erretten, 
So ſeid behutſam jeden Schritt; 

Denn ihr dürft nicht den Pfad betreten, 
Den jetzt die ganze Welt betritt. 


Wenn ihr nun überblickt das Ganze, 
Was ich zur Warnung vorgeſtellt; 

So ſeht ihr, daß im wirren Tanze 
Ein Jeder thut, was ihm gefällt. 


Der Freigeiſt läßt ſich frevlend hören; 
Was heilig iſt, verlacht er all'; 

Er will das Heiligthum zerſtören — 
Die Welt jetzt bringen zum Abfall. 


Der falſch' Prophet hat viele Klaſſen; 
Doch alle ſtimmen in den Rank, 

Um jede Seele anzufaſſen: 
Soll knieen vor der hölz'nen Bank. 


Der kalte Nam: Chrift ſieht und höret 
Auch Freigeiſt und Prophetenſtuhl; 

Und Bosheit füllt ihn, daß man lehret: 
Man baue jetzt die neue Schul'. 


Betracht't ihr nun des Heilands Lehren, 
Wie er von der Verwüſtung red't; 

So ſehet ihr, daß das Zerſtören 
Sehr ſtark in die Erfüllung geht. 


Daher iſt uns die Lehr' gegeben: 
Wir ſollen prüfend um uns ſeh'n — 

Wir ſollen unſer Haupt aufheben, 
Wenn wir 8 ſeh n in Erfüllung gehn. 


— 255 — 


Wir ſeh'n der falſchen Lehrer Heere, 
Daß es mit jedem Tag zunimmt; 

Denn wir ſeh'n, daß ſie in der Lehre 
Den Tag des Herrn zur Stund' beſtimmt. 


Daher iſt's nöthig zu erwägen, 
Auf das, was Paulus uns anweiſ't: 
Laßt euch, ſagt er, nur nicht bewegen 
In keinem Sinn durch einen Geiſt — 


Als ob der Tag jetzt ſei vorhanden, 
Von welchem uns der Herr verkünd't; 
O nein! es muß zuerſt in Landen 

Erſcheinen jener Menſch der Sünd'. 


Der muß ſich erſt auf Erden zeigen 
Im Abfall, ſo wie Jeſus ſpricht: 

Was heilig iſt zur Erde beugen, 
Eh' Jeſus kommt zum Weltgericht. 


Seht, falſch' Propheten ſind gekommen 
Und treiben jetzt auf Erd' ihr Spiel; 

Und Unglaub' hat auch Platz genommen, 
Hat Tauſend' von Anhängern viel. 


Seht, wie ſich beide jetzt vermehren 
Alltäglich mehrt ſich beider Zahl; 

Seht, dieſe thun zum Holz bekehren 
Und jene lehren den Abfall. 


Denn beide Theile ſind gekommen 
Und beide folgt ein großes Heer — 

Und Bosheit hat jetzt Platz genommen 
Durch Abfall, Trug und falſche Lehr'. 


— 256 — 


Wie weit daß beide es noch treiben, 
Iſt jeder Seele unbekannt; 

Denn durch Berechnen, Sinnen, Schreiben, 
Wird nicht des Herren Tag erkannt. 


Viel Menſchen glaubten in dem Herzen, 
Um auszuſpäh'n das End' der Welt. 

Und mußten unter Hohn und Scherzen 
Zur Thorheit werden vor der Welt. 


Wir ſeh'n hier nur als durch ein'n Spiegel 
Ein dunkles Wort, ein dunkles Licht; 

Den Tag und Stund bedeckt ein Siegel, 
Den keine Seel' der Welt erbricht. 


Wir ſollen nur die Zeit beachten — 
Wir ſollen nicht die Stund' erſpäh'n; 

Wir ſollen wachend uns betrachten, 
Damit wir allzeit fertig ſteh'n. 


Seht, er gebiet't uns, daß wir wachen; 
Und dies geſchieht aus treuer Lieb'; 

Denn, wenn er würd' den Anfang machen, 
So würd' er kommen als ein Dieb. 


Daher, ihr Kinder, nehmt zu Herzen 
Das, was ihr ſeht zu dieſer Zeit; 

Fürwahr, ich treibe hier kein Scherzen — 
Es gilt der Seelen Seligkett. 


Wenn euch der Heiland ſelbſt gebietet 
Und ruft euch jetzt noch liebend zu; 

So folgt ihm treu, daß ihr euch hütet: 
Verſcherzt nur nicht die Seelen-Ruh. 


Denn er warnt euch aus treuer Liebe 
Vor falſch' Propheten Trug und Lehr'; 

Folgt ihm getreu, wie er vorſchriebe — 
Gebt Jeſu Wort allein Gehör. 


— 257 — 


Zugleich gab er uns ſelbſt ein n Spiegel, 
Daß in Demuth ihm nachgeh'n; 

Und wer ihm folgt, hat dieſes Siegel, 
Daß er dort darf zur Rechten ſteh'n. 


Denn, wer hier will in Hochpracht prangen 
Und folgt der Welt im Tand und Schein — 
Und hat zur Demuth kein Verlangen, 
Der kann auch nicht ſein Jünger ſein. 


Daher ſucht euch hier zu begeben 
Zur Demuth, die vor Gott beſteht; 

Und ſucht mit denen nur zu leben, 
Wo ihr noch wahre Demuth ſeht. 


Denn, wenn ihr euch Geſellſchaft' wählet, 
Die hier dem Eitlen nur nachgeh'n; 

So wird zuletzt die Seel' gefället, 
Um auch denſelben Pfad zu geh'n. 


O, ſucht euch hier nur zu geſellen 
Zu denen, wo noch Demuth iſt, 

Auf daß nicht eure Herz' und Seelen 
Hochmüthig werd'n durch's Satans Liſt. 


Ein Menſch, der hier nach Demuth trachtet, 
Der ſucht kein'n Ruhm kein'n Tand noch Ehr'; 
Ein Solcher And're höher achtet, 
Weil er ſich mißt mit Jeſu Lehr'. 


Denn, wer der Demuth iſt ergeben, 
Der ſchätzt ſich ſelbſt gering und klein; 

Er ſucht nicht mehr der Welt zu leben 
Und wandelt auch nicht nur im, Schein — 


Er folgt nicht auf der Welt ihr Rathen; 
Er folgt auch nicht der Heuchler Pfad — 
Er folgt mit allen ſeinen Thaten 
Dem Heiland treu nach ſeinem Ma, 
5 7 


— 258 — 


Ach! wenn in Widerwärtigkeiten 
Euch Jedermann entreißt die Huld 

Durch Hinterred' auf allen Seiten: 
So tragt's mit chriſtlicher Geduld! 


Denn, es iſt ein gewiſſes Zeichen, 
Wo Demuth und wo Sanftmuth wohnt: 
Daß Solcher hier nicht will abweichen 
Vom Pfad, den Jeſus vorgebahnt. 


D'rum bleibet ſanft in allen Fällen, 
Wenn euch auch etwas widerführt — 

Sucht eure Sach' Gott heimzuſtellen, 
Der euch die Sanftmuth hat gelehrt. 


Und wenn die Feinde euch betrüben 
Und reden euch viel Uebels nach; 

Freu't euch, wenn ſie hieran nur lügen — 
Tragt nur geduldig ſolche Schmach'. 


Doch dürft ihr euren Feind nicht haſſen, 
Wenn ihr's auch traget mit Geduld; 

Seht nur auf Jeſu eig'ne Straßen: 
Vergebt dem Feinde ſeine Schuld! 


Vergebung, Demuth, Sanftmuth, Liebe, 
Iſt das, wobei man Chriſten kennt; 

Die Jeſus wandelt' und beſchriebe 
Und ſie auch ſelber uns benennt. 


Vergebung iſt der Liebe Zeichen; 
Wer ſich zum Feind in Lieb' verhält; 

Ein Solcher kann das Ziel erreichen 
Und wird zur Rechten dort geſtellt. 


* 1 
Ei 


Ach! wenn ein Menſch in dieſem Leben 
Dem Heiland hier nicht will nachgeh'n 
Und will dem Feinde nicht vergeben, 
Muß am Gericht zur Linken ſteh'n. 


Denn, wer den Feind hier noch will haſſen, 
Der ſucht nicht ſeiner Seelen Heil, 
Weil er verläßt des Heilands Straßen: 
So wird der Fluch ihm dort zu Theil. 


Daher ſeid wachſam auf dem Wege — 
Seht Jeſum den Vorgänger an; 

Denn er betrat ſelbſt dieſe Stege 
Und machte ſelbſt zu allem Bahn. 


Find't ihr an euch in euren Tagen 
Viel Mängel, Fehler und viel Sünd', 
So müßt ihr auch einen Andern tragen, 
Der ſich in gleichem Stand befind't. 


Gebt nur kein Aergerniß im Leben — 
In keinem Wandel Wort noch Kleid; 

Denn ihr ſeht ja vor Augen ſchweben 
Des Heilands Unterwürfigkeit. 


Laßt euch auch nicht das Ziel verrücken 
Von Jemand, der nach eigner Wahl 

Einher will geh'n in ſolchen Stücken, 
Die er aus ſeinem Herzen ſtahl. 


Denn, wenn ihr wollt Vertrauen ſetzen 
Auf Menſchen Lehr' und ihr Gedicht, 
Um euch hieran nur zu ergötzen, 
So folgt ihr auch dem Heiland nicht. 


Doch dürft ihr Solche auch nicht richten, 
Die hier auf eignem Wege geh'n; — 

Denn Jeſus wird es ſelber ſchlichten, 
Wenn wir vor ſeinem Richtſtuhl ſteh'n. 


Seht, Paulus war ja aller Orten 
So vielen Menſchen hier aus Lieb! — 
Zum Beiſpiel allerlei geworden, 

Dieweil ihn Liebe hierzu trieb — 


Nicht, daß er ſelbſt Vertrauen ſetzte 
Auf das, was hier ein Menſch erfand; 
Und auch nicht Jeſu Lehr' verletzte; 

Sie nicht mit Menſchenlehr' verband. 


Er ſah die Menſchen-Lehr' als Schlingen 
Daher war er auf ſeiner Wacht, 

Und ſucht' nicht andern aufzudringen, 
Was hier von Menſchen ward erdacht. 


Nein, wo er war, an allen Orten 
Verfälſchte er nicht Jeſu Lehr', 

Und ſtritt auch männlich mit viel Worten, 
Daß es gereicht' zu Gottes Ehr' — 


Wenn man von Jeſu Lehr' nicht trete, 
Lehrt unverfälſcht, was Jeſus ſpricht; 
Und nicht vermengt des Heilands Rede 
Mit dem, was hier ein Menſch erdicht't. 


Weil ihr nun ſeht in Schriften allen, 
Des Heilands und Apoſtel That, 

So laßt es euch auch hier gefallen, 
Zu folgen ihrer That und Rath. 


Ihr ſollt ja euer Heil nicht gründen 
Auf Menſchen-Lehr', wie mancher thut; 
Nein, Seligkeit iſt nur zu finden 
In Gottes Gnad' und Jeſu Blut. 


Seht Jeſus an im Erden-Leben; 

Er war ein Kind des Landes wohl; 
Doch Aergerniß wollt' er nicht geben, 
Und gab daher auch ſeinen Zoll. 
; 7 


— 261 — 


So laßt euch jetzt auf eurem Pfade 
Des Heilands That vor Augen ſteh'n, 
Und folgt getreulich ſeinem Rathe 

Und ſucht denſelben Pfad zu geh'n. 


Es ſind ja hier nur kurze Zeiten 
Mit jener Zeit in ein'm Verglich; 

Daher ſucht euch ſo zu bekleiden, 
Daß ihr Niemand ſeid ärgerlich. 


Denn, ungewiß ſind eure Stufen 
In dieſer kurzen Lebenszeit — 

Der Höchſte kann den Jungen rufen 
Ganz plötzlich in die Ewigkeit. 


Darum ſeid ſanft und auch gelaſſen 
Und nehmet Jeſu Joch auf Euch: 

So findet ihr am End' der Straßen 
Die off'ne Pfort zum Himmelreich. 


Woll't ihr des Nachts der Ruh' genießen, 
So kniet im Geiſt vor Gottes Thron — 

Und fleht mit Ernſt zu ſeinen Füßen, 
Daß er euch am Gericht verſchon'. 


Stellt euren Wandel, Werk und Leben 
Mit Reu' im Namen Jeſu dar; 

Und fleht, daß er euch woll' vergeben 
Und eure Seelen machen klar — 


Mit Jeſu Blut aus Gnaden waſchen, 
Der es ließ fließen als ein Kauf, 

So wird euch das Gericht nicht haſchen, 
Wenn ihr vollendet habt den Lauf. — 


Seht, Kinder, wenn ihr ernſtlich flehet 
Und bittet Gott um ſeine Huld — 

In Reu' und Glauben zu ihm gehet, 
Fürwahr, ſo ſchenkt er euch die Schuld. 


— 262 — 


Denn, wenn ihr hier noch euren Willen 
Gott übergebt nach ſeinem Rath, 

Dann will er auch ſehr gern erfüllen, 
Was eure Seel' im Glauben bat. 


Daher prüft ſtets hier eure Stufen — 
Prüft das, was ſich das Herz erkohr; 

Wenn Gott einſt zum Gericht wird rufen, 
Dann wahrlich, müßt auch ihr hervor. 


Und ihr müßt dann dort Rechnung geben 
Von dem, was ihr allhier gethan: 

Ob ihr vorzog't das eitle Leben 
Und wolltet nichts von Jeſu Bahn. 


Habt ihr geſucht mit Herz' und Seelen 
Zu folgen dem, den Gott geſandt, 

Dann wird er euch zur Rechten ſtellen 
Und Böſe zu der linken Hand. 


Daher ſucht jetzt mit Furcht und Zittern — 
Mit großem Ernſt der Seelen Heil, 

Damit euch nicht in Zorns-Gewittern 
Der Fluch des Höchſten wird zu Theil. 


Noch jetzt werft euch zu Jeſu Füßen — 
Noch jetzt, eh' Gott die Erde räumt; 

Noch eh', daß Gott die Pfort' wird ſchließen, 
Sonſt wird's auf ewig dort verſäumt. 


Fleh't jetzt in Reu' vor Gottes Thron — 
Naht euch im Geiſt zum Gnadenſtuhl; 

O, fleht im Glauben, daß er ſchone 
Und euch errett' vom SchwefelF-Pfuhl. 


Und wenn ihr euch zu Gott hinkehret 
Im Glauben, Liebe, wie er ſpricht, 

Und auch vergebet, wie er lehret, 
Dann trifft euch nicht das Zorngericht. 


* 
« * 


— 263 — 


O, fleht, daß Jeſus eure Seelen 
Noch jetzo waſcht mit ſeinem Blut — 
Und daß er euch in allen Fällen 

Woll' halten in der Hand und Hut. 


Fleht ferner, wie es euch gebühret, 
Daß Gott euch ſeinen Geiſt auch ſend', 

Der euch hier leitet, lehrt und führet 
Auf Jeſu Pfad bis an das End'. 


Und übergebt dann Herz und Willen 
Dem Trieb des Geiſtes und der Kraft, 
Der euch beiſteht in allen Fällen 
In dieſer Stund' der Mitternacht. 


Fleht nur zu Gott, daß er euch leite, 
Wenn euch lockt der Propheten Heer — 

Daß Gott euch dann beiſteh' zur Seite 
Und euch ſtets weiſ't auf Jeſu Lehr'. 


Fleht nur zu Gott mit Herz' und Seelen, 
Er woll' eu'r geiſtlich Aug berühr'n, 
Auf daß ihr hier in allen Fällen 
Erkennt, wenn man euch will abführ'n. 


Lockt euch die Welt, um ihr zu dienen — 
Und will euch ſchenken eitlen Tand, 

Dann denkt: wer ſoll mich dort verſöhnen, 
Wenn ich verlaſſe Jeſu Stand. 


Schenkt euch der Höchſte Erdengüter, 
So denkt an den Beruf und Pflicht; 

Und helft den Armen hin und wieder — 
Und wo es Noth thut und gebricht. 


Wenn ihr hingeht in Jeſu Lehren, 
Wo man ſie unverfälſcht trägt vor — 

Dann geht mit Ernſt ſie anzuhören 
Und öffnet euer Herz und Ohr. 


— 264 — 


Seid nicht gleichgültig mit den Haufen, 
Die öfters ohne Schaam und Zucht 

Hier aus der Lehre Jeſu laufen 
Und wollen nicht, daß Gott ſie ſucht. 


Denkt nach, wie Gott hier wird geſchändet, 
Wenn man aus ſeiner Lehre geht 

Und ſich gleichgültig von ihm wendet, 
Wenn er zu uns aus Liebe red't. 


Laßt euch hier Jeſu Lehr' ergötzen; 
Seht Jeſus in der Jugend Bahn — 

Man fand ihn ſtill im Tempel ſitzen 
Und hört' andächtig Lehrer an. 


ee 


Folgt Jeſu Beiſpiel in der Jugend; 
O, ſitzet in der Lehre ſtill — . 

Und trachtet ſtets nach Jeſu Tugend 
Und daß euch Gottes Geiſt erfüll'. 


Und öffnet ſtets die Herzens-Ohren; 
Hab't auf die Lehre Jeſu acht, 

Auf daß ihr nicht, wie jene Thoren, 
Erſcheint in dieſer Mitternacht. 


Und wenn ein Lehrer ſollt' vorſtellen, 
Daß noch ein Lehrer nöthig ſei, 

So ſuchet nur ein'n Mann zu wählen 
Mit gutem Wandel, fromm und treu. 

Sucht Gottes Hülf' mit Fleh'n und Beugen, 
Daß Gott ſich bei der Wahl einſtellt, 

Und daß Gott ſelbſt auch woll' anzeigen, 
Wen er durch Stimm' und Loos erwählt. 


D'rum ſeht und folgt nur Jeſu Lehren, 
Die er uns gab zu dieſem End' — 

Zu Gott, ſpricht er, ſoll man ſich kehren, 
Daß er Arbeiter hier ausſend'. 


Dies war's, was Jeſu Jünger thäten, 
Wie es von Jeſu war beſtellt, 

Mit Faſten, Flehen und mit Beten, 
Daß Gott anzeig' wen er erwählt. 


Durch Bitten, Faſten, Fleh'n und Hoffen 
Ward endlich denn das Loos gemacht — 
Und Mathias ward dann getroffen, 
Und als Apoſtel dann geacht't. 


Seht, ſo hat's Jeſus eingeſetzet; 
Apoſtel haben's ſo gethan — 

Und wer nun Jeſu Lehr' verletzet, 
Der wandelt nicht auf Jeſu Bahn. 


Und wenn es ſich auch ſollt' begeben, 
Ein'n Mann zu ſtellen vor die Schaar, 

Die hier mit Zittern und mit Beben 
Erfüllt iſt, wie auch Paulus war. — 


So muß man thun, wie Paulus lehret 
Und ſelber auch ſo hat gethan: 

Daß Jeder ſich zu Gott hinkehret; 
Ruft Gott um Gnad' und Hülfe an. 


Iſt's, daß ſie hierzu Hunger haben 
Und im Vertrauen zu Gott geh'n; 

Sehr gern giebt Gott dann gute Gaben— 
Und läßt ſie nicht vergeblich fleh'n. 


Hat Gott der Seelen Wunſch erfüllet — 
Gethan nach Bitten und Begehr: 

Dann ſei mit Vorſicht er umhället, 
Daß er nicht raube Gott die Ehr'. 


— 266 — 


Hier muß ſich jeder Lehrer prüfen, 
Wenn Gott ihm ſeine Gaben ſpend't, 
Und meſſen ſeiner Seelen Tiefen, 

Ob er nicht etwa Hochmuth find't. 


Sollt' Gott des Lehrers Mund verſtummen, 
Gleich wie dem Heſekiel dort, 

So flieh' er nicht, um zu entkommen, 
Er flieh' nur nicht, wie Jonas dort. 


Denn, ungleich ſind die Pfund' und Gaben, 
Die hier der Höchſt' den Lehrern mißt; 

Nur dies will er von Jedem haben: 
Daß er hier treu im Wuchern iſt. 


Sollt' Gott hier ändern eure Stufen, 
Daß es hier ſein Vorhaben ſei: 

Daß er euch wollt' zum Lehramt rufen, 
So folgt dem Höchſten nur getreu. 


Seid ihr durch Stimm’ und Loss erwählet, 
So ſeid gehorſam Gottes Mund: 

Lehrt unverfälſcht, wie's Gott gefället, 
Und wuchert treu mit Gottes Pfund. 


Sollt' dieſer Fall mit euch ſich geben, 
So fleht zu Gott, daß er euch hier 

Stets führen woll' in eurem Leben — 
Und daß ſein Geiſt euch ſtets regier'. 


O, ſucht auch nicht die Herz' und Sinnen 
(Wenn ihr noch eure Seele liebt) 

Nur nicht mit Schmeichlen zu gewinnen, 
Daß man euch viele Stimmen giebt. 


O, drängt euch nicht in eurem Leben 
In's Lehramt durch die Schmeichler-Wahl, 
Denn Rechenſchaft muß Jeder geben, 

Dem Gott die Heerd' zur Hut befahl. 


— 267 — 


Seid Gott nur treu auf euren Wegen — 
Sei Euer Stand auch wie er woll'; 

Gott ſorgt für euch auf euren Stegen; 
Gott weiß, wie er euch brauchen ſoll. 


0 


Denkt, Kinder, nach in eurem Herzen — 
Denkt nach, was ich aus Pflicht euch ſchrieb; 

Denn Kummer, Wehmuth, Seelen-Schmerzen, 
War auch zum Schreiben hier der Trieb. 


Bedenket tief, was ich geſchrieben — 
Und nehmet dann das Teſtament 

Und prüfet, was mich hat getrieben, 
Damit ihr's bei dem Licht erkennt. 


Ich ſah' den Jammer dieſer Zeiten, 
Wie er mit jedem Tag zunimmt — 

Das Haſſen, Neiden, Trennen, Streiten 
Und auch den Tag des Herrn beſtimmt. 


Und wie die Menſchen aus den Lehren 
So ſchandvoll laufen, wie ihr wißt, 

Und wollen Jeſu Lehr' nicht hören 
Und zeigen, was in ihnen iſt. 


Daher mußt' ich die Pflicht erfüllen 
Und euch noch warnen in der Zeit, 

Damit ihr könnt das Leben wählen 
Zur endlos langen Ewigkeit. 


Ich habe hier nun meine Pflichten 
Als Vater an euch gern gethan; 

Ich wieß euch, daß ihr euch ſollt' richten 
Nach Jeſu Vorbild, Lehr' und Bahn. 


— A — 


Fleht jeden Abend eure Bitte — 
Breit't Händ' und Herz nach Jeſu aus — 
Naht euch im Geiſt zu Gottes Hütte, 

Denn, Jeſus ſtößt Niemand hinaus. 


Seht, wenn ihr an's Gerichte denket 
Und fleht zu Jeſu jetzt um Rath; 

Dann wird ſein Herz aus Lieb' gelenket — 
Euch zu erzeigen Hülf' und Gnad'. 


Nur ihr müßt euch mit Ernſt hinbeugen — 
Mit Ernſt verlangen Gottes Gnad'; 

Und dann muß euer Wandel zeigen, 
Daß ihr auch wandelt Jeſu Pfad. 


Sieht Gott eu'r herzliches Verlangen, 
Daß eure Seele bittend ſpricht: 

Wollt't ihm mit Ernſt und That anhangen; 
Dann zeigt er Gnade am Gericht. 


O, ſeid nur wachſam im Gebete, 
Wenn ihr die Bitte machet kund: 

Daß dann nicht euer Mund nur rede, 
Vielmehr das Herze mit dem Mund.“ 


Daher ſucht dies ins Herz zu faſſen: 
Wenn ihr der Seelen Krankheit hier 

Vor dem Gericht woll't heilen laſſen, 
So ſucht jetzt Jeſu Blut dafür. 


Daher erſucht die Herzens-Höhle, 
Ob eure Seel' Sündflecken hab'; 

O, bringt ſie dem, der ſeine Seele 
Aus Lieb' für euch zum Opfer gab. 


Der Höchſte läßt ſich nicht erflehen, 
Daß er Vergebung euch ertheilt. 

Wenn ihr nicht woll't zu Jeſu gehen, 
Daß er mit ſeinem Blut euch heilt. 


= > 


Denn, in dem Himmel noch auf Erden — 
Stillt nichts des Höchſten Zorn noch Ruth'; 

Mit nichts kann man verſöhnet werden — 
Mit nichts, als nur mit Jeſu Blut. 


Aus Lieb' ſandt' Gott ſein'n Sohn als Retter; 
Aus Liebe floß des Heilands Blut, 

Damit hier jeder Uebelthäter 
Entgeh'n könn' Gottes Straf’ und Ruth'. 


Daher, wenn ihr zu Gott wollt' flehen — 
Fleht ihn im Namen Jeſu an, 

Und ſucht im Wandel dann zu gehen 
Nach Jeſu Rath, auf Jeſu Bahn. 


Laßt nur nicht ab mit Herzensflehen 
Und weicht auch nicht von Jeſu Pfad, 

Damit auch Gott an euch kann ſehen, 
Daß euer Glaube Früchte hat. — 


Und bleibt im Glauben, Lieben, Hoffen 
Getreu in jeder Erden-Noth: 

Dann findet ihr die Pforte offen, 
Wenn euch ergriffen hat der Tod. 


Nun, ich befehl' euch Gottes Gnaden, 
Die Gott den Seinen treu verheißt; 

Er heil' in euch den Seelen-Schaden — 
Erfüll' euch hier mit ſeinem Geiſt. 


Er woll' eur' Herz' und Seel' aufſchließen; 
Er öffne Augen und Verſtand, 

Damit ihr Jeſu Blut ſeht fließen 
Für euch in eurem wahren Stand. 


Er ſtreck' in Liebe und Erbarmen 
Nach euch aus ſeine Gnadenhand — 

Und trag' mit ſeinen Liebes-Armen 
Eur' Leib' und Seel' bis zu dem End'. 


= 9 — 


Er zeig' uns Huld in dem Geſichte, 
Wenn Alles Fleiſch in Zittern ſteht, 

Dort an dem jüngſten Weltgerichte — 
Dort, wenn die Erd' und Himmel flieht. 


O, daß wir dort nur mögen hören 
Des Heilands Stimm' zu uns geſcheh'n: 
Kommt her! kommt her! ich will euch führen; 
Ihr ſoll't mit mir zur Freud' eingeh'n. 


Sprecht Amen, Kinder, ſprechet Amen; 
Beugt eure Knie vor Gottes Thron 

Und bittet ihn in Jeſu Namen, 
Daß er uns am Gericht verſchon' — 


Und uns in dieſen kurzen Tagen, 1 
Wo keine Seele ſicher iſt, 

Aus Gnad' in ſeinen Händen tragen 
Und ſchützen vor des Satans Liſt — 


Auf daß, wenn ſich das Leben endet, 
Weil Tod und Sterben iſt gewiß: 

Daß Gott dann ſeine Engel ſendet, 
Zu führen uns in's Paradies — 


Um zu genießen jene Freuden, 
Die uns bereitet ſind vom Held — 

Weil er aus Gnad' zur rechten Seiten 
Uns an dem Weltgerichte ſtellt. 


O, Kinder, trachtet hier zu ſtreben 
Nach Seelen-Ruh im Paradies: 

So giebt euch Gott nach dieſem Leben 
Das ew'ge Leben dort gewiß! 


Der 


Abſchieds⸗Wunſch. 


— — 


Großer Gott und Vater höre: 
Steh' mir bei an meinem Schluß — 

Send“ dein'n Geiſt, der mich belehre, 
Wie ich Abſchied nehmen muß. . 

Laß ihn mich in allen beiden, 
Jetzt und auch im Todespfad, 

Auf daß ich in meinem Scheiden 
Werd' getröſt't durch deine Gnad'. 


Ich bitt' dich in Jeſu Namen: 
Zeig' mir deine Gnaden-Huld; 

Sprich zu meiner Bitte Amen, 
Mir zu ſchenken meine Schuld. 


O, aus Gnade und Erbarmen 
Stärk' mein Herze Seel! und Muth; 

O, Herr Jeſu, hilf mir Armen — 
Waſch' mich rein mit deinem Blut. 


Ach! hilf mir in dieſer Höhle, 
Daß ſich Herz und Sinnen lenkt — 

Daß mein Geiſt und meine Seele 
Sich in deine Wunden ſenkt. 


BR 


Schenk mir Klarheit im Geſichte, 
Daß ich mich hier prüf' und ſeh', 
Wie ich dort am Weltgerichte 
O, mein Gott! vor dir beſteh'. 


Hilf mir unter Seelen-Schüttern 
Stets zu prüfen, was ich thu' — 

Daß ich ſtets mit Furcht und Zittern 
Such“ der Seelen ew'ge Ruh. 


Hilf, daß ich die kurzen Tage 
Hier ſo lebe, wie es frommt — 

Alles wäg' auf deiner Wage, 
Bis der Herr des Hauſes kommt. 


Wie ich als dein Glied auf Erden 
Und Hausvater jede Stund', 

Und als Wächter deiner Heerden 
Treu gehandelt mit dem Pfund. — 


> 

Hilf, daß ich auf meinen Stufen 
Vor dir wandle recht und treu, 

Auf daß, wenn du mich wirſt rufen, 
Ich durch dich dann fertig ſei. 


Steh' mir bei, um mich zu prüfen, 
Daß kein Irrlicht mich berückt — 

Und des Satans dunkle Tiefen 
Nicht mein Herz und Seel’ verſtrickt. 


Hilf, daß ich gleich klugen Frauen 
Mich verſeh' mit wahrem Oel — 

Nicht im thörichten Vertrauen 
Hoffnung auf die Menſchen ſtell'. 


Prüf ich hier nun meine Wege 
Jetzt mit einem ſcharfen Blick: 

Ach! ſo bin ich von dem Stege 
Unſers Heilands weit zurück. 


— 273 — 


Prüf' ich mich in allen Fällen, 
Als ein Vater, Glied und Hirt', 
Find' ich mehr als tauſend Stellen, 
Wo ich von dein'm Rath geirrt. 


O, mein Gott! wenn du willſt lohnen 
Für den Handel, Werk und Wort — 
Keiner Seele nicht verſchonen: 
Wer kann dann beſteh'n alldort. 


Oft, wenn ich das Gute wollte 
Thun, ſo wie es mir gebührt, 

That ich doch was ich nicht ſollte 
Und ward durch mein Fleiſch verführt. 


Wenn auch Gutes hin und wieder 
Hier in meinen Werken lag, 

Drückten's tauſend Sünden nieder 
Dort, mein Gott, auf deiner Waag'. 


Doch, o Vater! deine Gnaden, 
Liebe, und Barmherzigkeit 

Haſt du Sündern angerathen — 
Wer da kommt in Gnadenzeit. 


Den wollt'ſt du von Sünden waſchen 
Durch Dein's Sohnes Jeſu Blut, 

Dann könnt' ſie dein Zorn nicht haſchen 
Am Gericht mit Straf' und Ruth. 


Daher fall' ich dir zu Fuße — 
Bor dir, o, Herr Jeſu Chriſt; 
O, hilf' mir zur wahren Buße, 
Die dir wohlgefällig iſt. 18 


— 98 = 


Lenke du mir ſelbſt das Herze — 
Schenk' mir Weisheit und Verſtand, 

Buß' zu thun im Seelen-Schmerze, 
Großer Gott! an deiner Hand. 


O, gedenk' der Troſtes-Worten, 
Gleich wie du uns haſt vermeld't 

Vom verlor'nen Sohne dorten, 
Den du bildlich dargeſtellt. 


Sieh', o Jeſu! nun in Gnaden 
Auf mich armen Sünder hier; 

Denn du haſt mir angerathen, 
Daß ich kommen foll zu dir. 


Du woll'ſt keinen von dir ſtoßen, 
Wer im Glauben ſich dir naht: 

Dein Blut ſei für den gefloſſen, 
Der dich bitt't um Hülf' und Gnad'. 


Hilf', o Jeſu! hilf mir Armen, 
Du allein biſt Gnadenſtuhl — 

O, laß es dich mein'r erbarmen 
Und rett' mich vom Schwefel-Pfuhl. 


Waſch' mich rein mit deinem Blute; 
O, erzeig' mir dieſe Huld, 

Auf daß mich nicht dort die Ruthe 
Treff“ für meine viele Schuld. 


Denn von allen tauſend Sünden, 
Die ich habe hier vollbracht, 

Kann ich wahrlich keine finden, 
Die mich nicht verdammlich macht. 


Ach! die kleinſte Sünd' von allen 
Kann ich dort am Weltgericht — 

Nicht verkleinern nach Gefallen 
Vor dein'm klaren Angeſicht. — 


— 5 — 


O, wie könnt' es mir gelingen, 
Für die kleinſte Sünd' zu ſteh'n; 

Welch“ ein Opfer könnt' ich bringen, 
Wenn du in's Gericht wollt'ſt geh' n.? 


Ach, fürwahr ich kann nichts finden, 
Womit ich die kleinſte Sünd“ 


Könnt' vor Gott dort machen ſchwinden, 


Oder gar verantwort'n könnt'. 


Solche Angſt und Seelen-Leiden, 
Welche am Gericht vorgeht, 

Sah'ſt du, großer Gott! von Weitem, 
Daß kein Menſch vor dir beſteht. 


Daher ließt du Gnade ſehen 
Allen Seelen fern und nah', 

Ließt das Opfer dort geſchehen — 
Auf dem Berge Golgatha. 


O, wer kennt hier deine Triebe — 
Wie du wollteſt Straf‘ und Ruth' 

Doch verſöhnen hier aus Liebe 
Mit des Heilands Opfer-Blut. 


Ach! mir fehlet Mund und Sprache, 
Wenn ich Jeſum dorten fieh” — 

Wie er dort ertrug die Rache 
Unter Schmerzen, Angſt und Müh'.— 


Und was wir verdienet hatten — 
Alle Miſſethat und Schuld 

Wurd' dem Heiland aufgeladen 
Und er trug es mit Geduld, 


Ach! zum Lob', das dir gebühret, 
Bin ich zu gering und ſchwach, 

Ob es ſchon die Seele ſpüret, 
Dennoch fehlet mir die Sprach'. 


— — 


Denn, im Leiden, Necken, Spotten — 
Bliebeſt du in Lieb' und Huld, 

Bateſt dort für jene Rotten 
Deinen Vater um Geduld. 


Hier erſcheint die Macht der Liebe, 
Die mir unausſprechlich iſt, 

Wie du dort aus Liebes-Triebe — 
Ein Erlöſer worden biſt. 


Ob die Welt ſchon deiner lachte; 
Dennoch war Niemand als du, 

Der uns die Verſöhnung brachte 
Und der Seelen ew'ge Ruh'. 


Denn durch deinen Tod und Sterben 
Ward Erlöſung uns gewiß — 

So, daß Jeder konnte erben 
-Mit dir in dem Paradies. 


Allen, die von dir gelaufen 
Und in Seelen-Aengſten fleh'n, 

Wollt'ſt du mit dein'm Blut erkaufen 
Und die Gnade laſſen ſeh'n. 


Ou hingſt dort im Glanz der Liebe 
Und dein Tod war unſ're Schuld — 
Schmach, Spott, Hohn und Geißelhiebe 
Trug'ſt du willig mit Geduld. 


Denn du wollteſt durch dein Leiden 
Nach des Vaters ew'gem Rath, 

Jetzt in dieſen Gnadenzeiten 
Bahnen einen Weg zur Gnad'. 


Jedem ſtebt der Weg jetzt offen — 
Wer dort will zur Rechten ſteh'n 

Und auf ewig's Leben hoffen, 
Muß jetzt knieend vor dir fleh'n. 10 5 


— — 


O, mein Gott! wie iſt dein Rathen 
Solchem Sünder doch ſo ſüß, 
Wenn er ſieht, daß er aus Gnaden 


Kommen kann in's Paradies. 


Nicht durch Werke noch durch Thaten, 
Wonach auch der Beſte tracht't — 

Nur durch dich und deine Gnaden 
Ward ein Opfer uns vollbracht. 


O, man ſieht kein End' der Gnade — 
Auszuſprechen iſt ſie nicht: 

Wie der Menſch nach deinem Rathe 
Gnad erhält am Weltgericht. 


O, es zeiget deine Größe, 
Liebe, und Barmherzigkeit, 

Weil du hier aus Gnad' das Böſe 
Haſt vertilgt in Ewigkeit. 5 


So, daß Alle, die in Freuden 
Wollen dort zur Rechten ſteh'n, 

Müſſen jetzt in Gnadenzeiten 
Dich mit Ernſt um Gnad' anfleh'n. 


Weil, o Jeſu! du im Leben 
Warſt gehorſam bis zum Tod, 

Iſt dir auch die Macht gegeben, 
Zu verſöhnen unſ're Noth. 


Daß im Himmel und auf Erden 
Hier kein größ'rer Name iſt, 

Als der, den dir Gott ließ werden, 
Weil du der Erlöſer biſt. 


Daß vor dir die Kniee muß beugen, 
Was die Erd' und Himmel faßt — 

Jeder Thron Gehorſam zeigen, 
Weil du überwunden haſt. 


— ge 


O, es iſt ein Werk der Gnade, 
Das Niemand ausſprechen kann — 

Niemand half dir in dem Rathe; 
Alles haſt du ſelbſt gethan. 


Hierbei ſollte Jeder ſehen, 
Daß auch deine Lieb' und Treu' 
Denen, die im Glauben flehen — 
Allen unausſprechlich ſei. 


Allen, die in Gnadenzeiten 
Zu dir fleh'n um Gnad' und Huld, 
Wollteſt du durch deine Leiden 
Auch abwaſchen ihre Schuld. 


Wollteſt leiden hier auf Erden — 
Zeigen jeder Heerd' und Schaar, 

Daß durch dein Blut deine Heerden 
Würd'n von Sünden rein und klar. 


Ach! wer kann die Lieb' bezahlen — 
Deine Gnad' und große Huld, 

Weil du unter Schmerz und Qualen 
Dort verſöhnteſt unſere Schuld. 


O, mein Herr, mein Gott, mein Vater — 
O, mein Jeſu, du mein Heil; 

Mein Erretter und Berather, 
O, ſchenk' mir bei dir ein Theil! 


Nur durch dich kann ich erlangen, 
Was ich ſucht' nach deinem Rath; 

Und durch dich auch angefangen — 
Dich zu fleh'n um Hülf' und Gnad'. 


— 279 — 


Mein Vertrauen auf die Gnade 
Gründet ſich ja auf dein Wort — 

Hilf, daß ich auch deinem Rathe 
Folg' mit Herz und Seel' hinfort — 


Mich nicht in die Ruh' zu ſetzen, 
Sondern ernſtlich dring' zur Pfort; 

Auch nicht an mir ſelbſt ergötzen, 
Wie der Phariſſer dort. 


Ach! bewahr' mich vor dem Weilen 
In der Welt und allem Streit; 

Sondern, daß ich möge eilen, 
Mich zu machen ſtets bereit. — 


Auf daß, wenn der Todesſchlummer 
Mich am Ende überfällt — 

Daß mich dann nicht drückt der Kummer, 
Daß ich fort muß aus der Welt. 


O, wenn mich der Tod umfahet: 
Dann ſtärk' meine Zuverſicht, 
Daß ſich die Erlöſung nahet — 


an 


Dort zu ſchau'n dein Angeficht. 


Und füll' dann die Krankenſtätte 
Mir mit ew'ger Luſt und Freud', 

Wenn hier auf dem Krankenbette 
Leib und Seel' von hier abſcheid't. 


Hilf, wenn mich die Schmerzen plagen, 
Daß ich nicht vermehr' die Schuld — 

Stärk' mich, daß ich's kann ertragen, 
Gleich wie Hiob mit Geduld. 


In den letzten Todesſtunden 
Woll'ſt du, Vater! bei mir ſteh'n — 

Und den Troſt durch Jeſu Wunden 
Meine Seele laſſen ſeh'n. 


— 280 — 


O, erbarm' dich meiner Seele, 
Wenn der Leib liegt kalt und bloß, 

Nimm aus Gnad' ſie aus der Höhle 
Zu dir, Vater! in dein'n Schoß! 


Denn, die Kräfte thun ſich neigen 
Jetzt auf meiner Pilgrims-Bahn — 

Und im ganzen Körper zeigen 
Sich Gebrechen täglich an. 


O, vielleicht iſt's bald geendet, 
Weil die Sache ſo beſteht: 

Daß der Körper hat vollendet 
Und den Weg des Fleiſches geht. 


Nur der einz'ge Troſt vor allen, 
Großer Gott! verſag, ihn nicht — 
O, laß meine Seel' nicht fallen 

An dem großen Weltgericht. 


Schenk aus Gnad' mir jene Freuden, 
Die ich jetzt von ferne ſieh', 

Die du, Jeſu, durch dein Leiden 
Und den Tod erkauft mit Müh'. 


Muß ich jetzt von hier abſcheiden: 
Dann, o Vater! woll'ſt du hier 
Meine ate e leiten 
Mit der Gnade für und für. 


O, mit Schmerz thu' ich erwähnen — 
O, richt“ deinen Gnadenblick 

Auf mein Weib, das ich mit Thränen 
Hier als Wittwe laß' zurück. — 


Tröſte ſie in ihrem Weinen, 
Daß du ſei'ſt ihr Schutz allhier 

Und den Troſt in's Herze ſcheinen: 
Daß ich ſei verſorgt bei dir. 


— 281 — 


Wenn ſie weint in trüben Stunden — 
Daß ſie ſich verlaſſen fühlt; 

Dann tröſt' ſie mit Jeſu Wunden, 
Der der Wittwen Schmerzen kühlt. 


Wenn ihr alle Freuden ſchwinden 
Hier in ihrem Wittwenſtand — 

Dann laß' ſie den Troſt empfinden, 
Daß ſie ſei in deiner Hand. 


Sei ihr Schutz und ihr Negierer, 
Wenn hier Trübſal ſie befällt, 

Daß ſie dann auf dich, als Führer, 
Alle ihre Hoffnung ſtellt. 


Wenn hier Kummer und auch Qualen 
Sie im Wittwenſtande drückt; 

Dann laß' in ihr Herze ſtrahlen: 
Daß du ſelbſt ſie haſt erquickt. 


Sei ihr Schirm und auch ihr Rather — 
Steh' ihr bei in Angſt und Müh'; 

Daß ſie dich erkennt als Vater, 
Der ſo kräftig ſorgt für ſie. 


Laß' dein Geiſt ſie hier erfüllen, 
Der ſie führt mit deiner Kraft; 

So, daß ſie nach deinem Willen 
Sich bereit zum Abſchied macht — 


Daß ſie ſich ſtets zu dir wende; 
Sich dir nahet als ein Kind; 

Daß ſie ſich nach ihrem Ende 
In dem Paradies befind't. 


O, mein Gott! erfüll' die Bitte, 
Die mein Herz dir ſehnlich bracht', 

Nimm aus Gnad' ſie in die Hütte, 
Die uns Jeſus aufgemacht. 


— 282 — 


Aber, o, mein herzlich Sehnen 
Iſt vor deinen Augen klar, 

Wie ich dich mit Fleh'n und Thränen 
Bitt' für meine Kinder-Schaar. 


Oeff'ne, Vater! ihre Augen, 
Daß hier Jedes dies erkennt — 

Daß, wer Weltluſt nur will ſaugen, 
Solcher ſich von dir abwend't. 


Laß' dein Geiſt ſie hier geleiten, 
Daß ſie ſich von Eitelkeit 

Und von aller Hochpracht ſcheiden — 
Jetzt noch in der Gnadenzeit. 


Hilf, daß ſie Geſellſchaft wählen, 
Die da hier nach deinem Rath 

Sucht von ganzem Herz' und Seelen 
Stets zu wandlen deinen Pfad. 


O, mein Gott! hilf daß ſie fliehen 
Vor der Sünd' als Seelen-Gruft — 
Der Geſellſchaft ſich entziehen, 
Die da nur zum Eitlen ruft. 


Daß ſie hier im Licht erkennen, 
Wer dem Eitlen nur nachlauft — 

Will vom Eitlen ſich nicht trennen, 
Daß er dann ſein Heil verkauft. 


Oeff'ne du das Aug' der Seelen, 
Daß fie hier im Lichte ſeh'n: 

Wer Geſellſchaft nur will wählen, 
Die hier deinen Pfad nicht geh'n — 


Daß dann wird die Seel' betrogen, 
Zu verlaſſen deinen Rath, 

Und zuletzt auch angezogen, 
Selbſt zu wandlen ſolchen Pfad. 


— 283 — 


Hilf, daß ſie Geſellſchaft meiden, 
Die da leben in Hochpracht 

Und ſich ganz von denen ſcheiden, 
Wo man nur nach Hoffahrt tracht't. 


O, mein Gott! erhör' die Bitte — 
O, du ſiehſt mein Herze an; 

Lenk' du mein' und ihre Schritte 
Jetzt auf Jeſu Demuths-Bahn. 


Gieb ein'n Eifer und Verlangen 
Jetzt in ihre Herz' und Seel', 

Daß ſie nun mit Ernſt anfangen — 
Jetzt zu ſammlen wahres Oel. 


Weib und Kinder, Hausgenoſſen — 
O, laß' ſie aus Gnade ſeh'n, 

Daß das Blut, das dort gefloſſen, 
Sei aus Gnad für ſie geſcheh'n. N 


Hilf, daß ſie in ihren Tagen 
Thun, wie uns dort iſt vermeld't: 
Daß ſie Augenluſt abſagen 
Und der Hochpracht dieſer Welt. 


Stärk' aus Gnad' des Geiſt's Geſichte — 
So daß ſie im Lichte ſeh'n: 

Daß ein Eitler am Gerichte 
Nicht zur Freude kann eingeh'n. 


Denn, du weißt wie jetzt die Jugend 
Oft in ihrer Blindheit ſagt: 

Sprechen, es ſei nicht Untugend, 
Wenn man mit der Welt mitmacht — 


— 284 — 


Sagen, man darf neue Moden 
Stets mitmachen mit der Welt; 

Du hätt'ſt ſolches nicht verboten 
Und von Kleidern nichts vermeld't. 


O, vor Schmerz kann ich kaum lallen 
Solcher Worte, die man hört: 

Weil ſie hier ſo oft vorfallen, 
Wenn man dein Gebot ſie lehrt. 


Ach! du ſiehſt mein herzlich Sehnen — 
Siehſt, daß ich des Troſt's bedarf — 

Siehſt, ich weine bitt're Thränen, 
Weil man deinen Rath verwarf. 


Weder eig'ne Wahl noch Rache 
Füllt mein ſchwaches Herze mehr: 

Nur, o Gott! nur deine Sache 
Stellt“ ich vor in deiner Lehr'. 


Denn, du gabſt uns ſolche Lehren, 
Hier die Kinder zu erzieh'n, 

Daß ſie ſollten Eltern ehren 
Und die Welt ſammt Lüften flieh'n. 


Dies Gebot, das du gegeben, 
Nimmt die Jugend nicht mehr an — 
Manches ſucht nur ſo zu leben, 

Wie's der Welt nur dienen kann. 


Denken nicht an jene Tage, 
Wo die Demuth wird belohnt — 
Und der Hochmuth vor der Plage 
Am Gericht nicht wird verſchont — 


Denken nur, wie ſie in Allem, 
Was ſie tragen, reden, thun, 

Nur der Welt hier zu gefallen — 
Bei der Welt nur ſuchen Ruhm. 


— 285 — 


Laß mich, Vater! zu dir flehen, 
Daß dein' Hand ihr Aug' berührt: 
Daß ſie hier im Lichte ſehen, 

Daß ihr Weg von dir abführt. 


Daher fall' ich dir zu Fuße — 
Dir, o, Vater, und mein Gott! 

O, ſchenk' Jedem Licht zur Buße, 
Der an dir geſündigt hat. 


O, ſchenk' Klarheit im Geſichte, 
Daß hier Jeder, den es trifft, 

Auch erkennt im wahren Lichte, 
Daß er nicht verſtand die Schrift. 


Daß er dann im wahren Leide 
Saget ab der eitlen Welt — 

Sorgt, daß er auf jener Seite 
Nicht in Heuchelei verfällt. 


Saget ab der Welt ihr' Weiſe — 
Nicht in eitlem Tand g'ſchmückt: 

Seht euch vor auf eurer Reiſe, 
Daß euch Heuchelei nicht deckt. 


O, mein Gott! was ich gebeten, 
Das ſiehſt du im wahren Licht; 

Denn ich bin vor dich getreten: 
Zu erfüllen meine Pflicht. 


Dich zu bitten nach Gebühren 
Hier für meine Kinder-Schaar — 
Du woll'ſt ſie zu Jeſu führen, 
Der ſie waſcht von Sünden klar — 


Der ſie auch kann ſehend machen, 
So, daß ſie im Lichte ſeh'n, 

Daß der Hochpracht eitle Sachen 
Am Gericht nicht könn'n beſteh'n. 


a 


Nun, ich bitt' in Jeſu Namen: 
O, laß mich die Gnade ſeh'n! 

Sprich zu meiner Bitte Amen — 
Sprich, fie ſoll aus Gnad' geſcheh'n. 


O, mein Gott! mich drückt die Bürde — 
Hilf mir tragen meine Laſt; 

Denn, weil du mich hier als Hirte 
Ueber Schaaf’ geſetzet haft — 


Daß die Schaaf' auf Jeſu Auen 
Würden durch dein Wort getröſt't, 

Und daß ſie im Wandel ſchauen 
Auf den, der ſie hat erlöſ't — 


Daß ich ſollt' die Schaafe ſpeiſen 
Mit dem unverfälſchten Wort; 

Und den Weg der Wahrheit weiſen, 
Einzugehen durch die Pfort'. 


Doch, mein Gott! du kennſt die Schwächen, 
Daß ich von mir ſelbſt nichts hab' — 

Es ſei denn, daß du hilfſt ſprechen 
Und verleiheſt mir die Gab'. 


Was ich hab' haſt du gegeben; 
O, mein Gott! es iſt dein Pfund, 
Das ich ſollt' in meinem Leben 

Deinen Schaafen machen kund. 


Doch, viel' Mängel und Gebrechen 
Fielen vor in meiner Lehr'; 

Denn die große Angſt und Schwächen 
War'n oft Hinderniß zu mir. 


Doch, ich bitt', daß du die Plage 
Mir alldort wirſt überſeh'n, 

Wenn ich dort an jenem Tage 
Muß zu dir zur Rechnung geh'n. 


— 287 — 


Denn, o Jeſu! deine Wege 
Sind zum Muſter dargeſtellt: 

Daß die Hirten deine Stege 
Wandlen ſollen vor der Welt — 


Stets mit Sanftmuth und Vertrauen 
Auf dich, o, Herr Jeſu Chriſt! 

Hier im Lebenswandel ſchauen, 
Weil du der Vorgänger biſt. 


Ach! ich find' in meinem Wandel, 
Daß hiezu noch vieles fehlt — 

Manches wegen That und Handel 
Iſt's, das mir die Seele quält. 


Doch, im Glauben und Vertrauen 
Auf dein tröſtlich' Gnadenwort 


Will ich meine Hoffnung bauen, 
Daß ich Gnade finde dort. 


O, erhör' mich Staub und Erde — 
Und erfüll' mein Flehen hier, 

Daß du dich der ganzen Heerde 
Auch erbarmeſt für und für. 


Du woll'ſt hier die Schäflein tragen — 
Sie erfüllen mit Begier: 

Daß ſie für dich alles wagen 
Und verbleiben treu zu dir. 


O, erzeig' der ganzen Heerde 
Deine Langmuth und Geduld — 

Hilf, daß kein's verloren werde 
Hier durch meiner Trägheit Schuld. 


Wo ich ſonſt als Hirt und Wächter 
Hätt' verwahrloſ't meine Heerd'; 

Als untreuer Gottverächter 
Nicht gewarnet vor dem Schwert. 


Müßt' ich unter Pein und Qualen 
Dort ertragen deine Ruth); 

Jener Blut und Schuld bezahlen, 
Weil ich nicht hielt Wacht und Hut. 


O, mein Gott! hilf du uns allen, 
Zu erfüllen unſ're Pflicht — 

Warnen, aber ſelbſt nicht fallen, 
Sondern denken an's Gericht. 


Großer Gott, ach! meine Bitten — 
O, erfüll', was ich begehrt; 

Denn es ſcheint, daß meine Hütten 
Neigen morſch ſich zu der Erd'. 


Sind, o Vater! meine Tage 
Durch dein'n Rathſchluß bald am End': 
Daß man dann den Leib wegtrage — 
Leib und Seele iſt getrennt. 


Dann laß mich die Gnade ſehen, 
Welche Jeſus dort bewieß — 

Durch des Mörders Bitt' und Flehen 
Sich zur Gnad' bewegen ließ. 


O, nimm' auch an meinem Ende, 
Wenn der Leib wird zugedeckt, 
Meine Seel in deine Hände, 
Bis dein Ruf uns dort aufweckt. 


O, laß deine Gnade fließen — 
O, ſag' meiner Bitte zu, 

Daß du mich im Paradieſe — 
Dort willſt' laſſen finden Ruh“. 


— 289 — 


Wo ich dann durch deine Leiden, 
Am Gericht kann frei ausgeh'n — 

Und aus Gnad' mit tauſend Freuden 
Darf zu deiner Rechten ſteh'n. 


Iſt es, Vater! nun dein Wille, 
Daß nun bald mein Ende naht — 

O, mein Gott! aus Gnad' erfülle, 
Warum ich ſo herzlich bat. 


Haſt du's aber ſo beſchloſſen, 
Mich zu laſſen noch allhier; 

Gern will ich dir's überlaſſen: 
Wie du handlen willſt mit mir. 


Soll ich hier noch länger leben, 
Iſt, o Vater! dies dein Will' — 
Gern will ich dir's übergeben 

Und dir treulich halten ſtill. 


Doch, o Vater! ich begehre 
Eine Bitte dann von dir; 

Dieſe woll'ſt du mir gewähren 
Und aus Gnaden ſchenken mir: 


Laß dein Geiſt mein Herz erfüllen, 
Der mich führet bis zum End' — 

Zu vollbringen deinen Willen, 
Bis daß ich mein'n Lauf vollend't. 


Ach, mein Vater! dieſe Bitte 
Kommt aus meiner Seelen Grund — 
Du ſelbſt ſiehſt des Herzens Mitte, 

Daß es nicht nur red't der Mund. 


O, mein Gott! du treuer Hüter — 
Du kennſt meine Seelen⸗Noth, 

Daß mir oftmals hin und wider 
Netze und Gefahren droht — 15 


— 290 — 


Satan ſchleicht verborgen immer, 
Wenn er Menſchen hier umgeht; 

Und mit kläglichem Gewimmer 
Sieht's der Menſch erſt oft zu ſpät. 


O, wie oft hat er gelogen — 
Heuchelte ſo glatt dazu: 

Dann erſt, wenn man war betrogen, 
Mangelte die Seelen-Ruh'. 


Hirten will er trügen immer, 
Wenn er ſich in's Schaafkleid hüllt — 
Und in ſolchem Glanz und Schimmer 
Sich in Engelslicht vorſtellt. 


Kann er ſie nicht hoch aufſetzen, 
Sich in Geiſtes-Stolz zu freu'n, 

Dann ſucht er den Zorn zu wetzen, 
Daß die Hirten ſich entzwei'n. 


Daß die Heerden ſich zerſpalten 
Durch den Haß und Bitterkeit — 
Daß die Liebe muß erkalten 

Durch die Ungerechtigkeit. 


O, mein Gott! du ſiehſt die Lücken: 
Wie der Tempel jetzt zerfällt 

Und die Hirten im Entzücken — 
Jeder ſich ein Häuflein wählt. 


Zu beklagen iſt's, daß Chriſten 
Sich im Haſſe ſo entzwei'n 

Und das Heiligthum verwüſten — 
Und ſich doch in Blindheit freu'n. 


And're ſtellt man weit zurücke 
Und verkleinert ſie mit Kält', 

Und durch ſolche Bosheits-Tücke 
Iſt dein Tempel jetzt entſtellt. 


— 291 — 


And're ſucht man hier zu fällen 
Und verkleinert ihren Ruhm; 

Nur ſich ſelbſt ſucht man zu ſtellen 
In das inn're Heiligthum. 


O, und welch' ein Greuel thronet 
Jetzt an Gottes heil'ger Stätt' — 

Wo die Bosheit nichts verſchonet 
Und das Heiligthum zertritt. 


Weil daher die Trübfals-Tage 
Jetzt im Geiſtlichen geſcheh'n, 

Und auch Niemand dieſe Plage 
In dem Weltlichen kann ſeh'n — 


Denn Verfolgung war von hinnen; 
Jeder konnte unſerm Held 

Ohne Furcht und Zittern dienen 
Oeffentlich vor aller Welt. 


Rief nicht oft mit allem Fleiße 
Uns die Obrigkeit hierzu: 

Daß wir Gott jetzt ſollten preiſen 
Für ſein'n Segen und die Ruh'. 


Obrigkeit ſah oft an Allen 

Hier das Tichten nach Gewinnſt — 
Und bezeugte ihr Mißfallen 

An dem lauen Gottesdienſt. 


Du weißt, ob wir ſolchen Frieden 
Lang' noch halten in dem Land, 

Oder ob ein Sturm hienieden 
Ueber Babel wird geſandt. 


— 292 — 


Laß dein Geiſt die Seelen lehren, 
Hier zu meiden Haß und Neid; 

Hilf, daß wir von dir nicht kehren, 
Sei es Frieden oder Streit. 


Aber hilf, daß auch die Glieder 
Niemals folgen jenem Wort, 

Wo man rufet hin und wider: 
Hier iſt Chriſtus, da und dort. 


Ach! laß uns dein Geiſt geleiten, 
Der uns leuchtet in dem Licht — 

Daß wir uns auf allen Seiten 
Stets bereiten zum Gericht. 


Und weil wir daher nicht wiſſen, 
Wie das Babel wird zerſtört; 
O, ſo laß' uns dies genießen: 
Daß dein Arm aus Gnad' uns führt — 


Daß wir auf dein'n Ruf ausziehen 
Hin zum Thron in deine Hut; 

Und mit Eil' aus Babel fliehen, 
Daß uns nicht trifft ihre Ruth'. 


Iſt nun Trübſal noch zurücke 
Und Verfolgung nach Natur — 

O, dann hilf in dieſem Stücke, 
Daß wir wandlen Jeſu Spur. 


Und wenn Trübſal meiner harret, 
Hilf dann, daß dein Geiſt in mir 

Feſt mein Herz und Seel' verwahret, 
Daß ich bleibe treu an dir. 


Denn das Brauſen jener Wogen, 
Das man jetzt von ferne hört, 

Kommt vielleicht im Sturm gezogen 
Und vielleicht den Chriſt bst 9 


— 293 — 


O, ſei bei uns auf dem Meere, 
Deſſen Wellen ſich alljetzt 

Hoch erheben durch die Lehre, 
Die man Allen vorgeſetzt. 


O, wie brauſen jetzt die Wogen 
Auf dem Geiſtlich'n großen Meer — 

Denn die Wellen ſind erhoben 
Durch den Windſturm falſcher Lehr'. 


Iſt's das Brauſen, das man höret — 
Die Erfüllung von dem Wort, 

Deſſen, das du uns belehret 
In der Red' und Warnung dort? 


Manche Seel' fühlt ſich geringe, 
Weil das Herz der Angſt iſt voll 

Vor dem Warten derer Dinge, 
Was jetzt bald geſchehen ſoll. 


Mit Gewalt will Jeder thronen — 
Jeder will hier wiſſen viel; 

Und der Disputationen 

ſt jetzt weder Maaß noch Ziel. 


Jeder will mit Worten zahlen, 
Und in ſeiner Bosheits-Freud' 

Fordert er mit großem Prahlen 
Jenen Lehrer zum Wortſtreit. 


Jeder will den Andern richten, 
Der nicht ſeines Sinnes iſt — 

Will durch Mord und Brand zernichten, 
Bis daß Babel ſei verwüſt't. 


Hier, wo Jeder nur will pochen 
Und doch ſein ein wahrer Chriſt, 

Fängt das Babel an zu kochen, 
Daß der Abſchaum überfließt. 


— 294 — 


Keiner will hier unten liegen — 
Jeder rüſtet ſich zum Schwert: 

Nach Natur und Geiſt zu kriegen, 
Bis daß Babel ſei zerſtört. 


Jeder ſteigt zur Hochmuths-Zinne — 
Man ſoll ſehen, wie er kämpft; 

Und den Gegner nun gewinne 
Und mit Hohn im Wortſtreit dämpft. 


Nicht ſich als ein Chriſt zu zeigen: 
Klein, demüthig, und auch ſchwach; 

Nein, den Andern will er beugen — 
Auf ihn häufen Spott und Schmach. 


O, wie oft iſt's ſchon geſchehen — 
Es iſt dies nichts Neues mehr; 

Man kann's ja faſt täglich ſehen — 
Täglich Streit und neue Lehr'. 


Aufruhr iſt jetzt hin und wider 
Und das Land der Feinde voll; 
Kirchen, Tempel brennt man nieder: 
Gott! du weißt, wie's enden ſoll. — 


Grauſend leucht't der Feuerſchimmer 
Von des Tempels Schutt und Hauf', 
ind der Kinder Mordgewimmer 

Steigt zu dir gen Himmel auf. 


Du hörſt jene Säugling' ſtöhnen — 
Siehſt die Chriſten in der Wuth; 

Siehſt, wie ſie mit frechem Höhnen 
Derer ſpotten in der Gluth. 


Beide zählen ſich zu Chriſten — 
Doch von Sanftmuth ganz entfremd't; 
Denn es zeigt, daß durch's Verwüſten 
Keiner die Erbarmung kennt. 


— 295 — 


Jugend wird ſo aufgezogen 
In dem Haß und Bitterkeit — 

Und wird auch zuletzt bewogen, 
Theil zu nehmen an dem Streit. 


Ach! wer will der Jugend wehren, 
Wenn die Väter ſich ſo fort 

Hier im Haß und Neid entehren 
Und begehen Bruder-Mord! 


Nach dem Recht will man nicht fragen 
Und die Menſchen ſind ſo frei, 

Daß ſie die Brandfackel tragen 
In die Kirchen ohne Scheu. 


Ach! wenn hier in Hirt' und Heerden 
Jeder nur in Bosheit wüht't — 

O, wie will's mit Babel werden, 
Weil die Flamme jetzt ſchon glüht! 


O, mein Gott! hilf deinen Heerden, 
Die noch ſind entfernt vom Haß; 

Hilf, daß ſie auf dieſer Erden 
Treulich wandlen Jeſu Straß'! 


Hilf, daß ſie aus Babel fliehen, 
Gleich wie du uns haſt vermeld't, 

Und den alten Menſch ausziehen, 
Wie uns Paulus hat erzählt. 


O, wer ſich hier lang' verweilet — 
Will noch ſchlummern in dem Schlaf; 
Und nicht ſchnell aus Babel eilet, 

Der empfängt auch ihre Straf”, 


U 


— 296 — . 


O, mein Gott! weck' Herz und Sinnen, 
Daß in Klarheit Jeder ſeh' 

Und mit Eile zieh' von hinnen — 
Hin zum Thron auf deine Höh'. 


Schütz' die Heerd' auf jeder Seite; 
Gieß' dein'n Geiſt in jede Seel', 
Daß ein Jedes ſich bereite, 
Zu erſcheinen mit dem Oel. 


O, laß' deine Gnad' auf Erden 
Jetzt noch werden offenbar: 

So, daß Hirten ihre Heerden 
Jetzt noch warnen vor Gefahr — 


Und den Heerden voran gehen 
Auf des Heilands ſchmalem Pfad, 
Daß wir als Vorbilder ſtehen 

Nach Apoſtels Pauli Rath — 


Ihnen zeigen, wie wir müſſen 
Wandlen, wie ſich's ziemt und frommt, 
Weil hier keine Seel' kann wiſſen, 

Wann der Herr des Hauſes kommt. 


O, hilf Hirten und den Heerden: 
So zu leben, wie man ſollt', 

Daß nach Trübſal und Beſchwerden 
Wir ausgeh'n als klares Gold. 


Und daß wir im Läut'rungs⸗Feuer 
Stets auf deinen Wandel ſeh'n 

Und nach Prüfung dann ſo theuer, 
Als das edle Gold, beſteh'n. 


Doch, du kennſt die Prüfungs-Schranken — 


Weiß't, wie weit fie kommen ſoll; 
* Steh' uns bei, daß wir nicht wanken — 
Sei die Prüfung, wie fir woll. 


— 297 — 


Müſſen wir Verfolgung leiden — 
Geh'n in Trübſal und Beſchwerd', 

Gleich als wie geſchah vor Zeiten 
An der wehrloſ'n kleinen Heerd' — 


Dann, aus Gnade und Erbarmen, 
Steh' uns bei in ſolcher Noth; 

Hilf, daß wir an deinen Armen 
Dir treu bleiben bis zum Tod. 


Dann ſei unſer Schirm und Retter 
Und verleih' uns Kraft und Muth, 

Daß wir auch, wie unſ're Väter, 
Für dich laſſen Gut und Blut — 


Dann verleih' uns ſanfte Herzen, 
Daß wir unter Spott und Schmach; 

In der größten Pein und Schmerzen 
Nicht begehren deine Rach' — 


Unerſchüttert dir vertrauen, 
Und zu dieſem Zweck und End“ 
Nur auf dich, o Jeſu! ſchauen, 
Wie du haſt den Lauf vollend't. 


So, daß wir in ſolchen Tagen, 
Wenn die Prüfung uns befällt — 

Daß wir für dich Alles wagen, 
Zu erlangen jene Welt. 


O, dann ſchenk' uns Kraft im Streite, 
Daß uns nichts in aller Noth 

Kann von deiner Liebe ſcheiden, 
Noch abtrennen bis zum Tod. 


Doch, dein Will' ſammt den Beſchlüſſen, 
Die du bildlich dargeſtellt, 

Können wir nicht deutlich wiſſen, 
Wie es ſich hiermit verhällt — 


— 298 — 
Ob das Babel, das ſich brüſtet, 


- Bird nad der Natur verbrannt, 


Oder nur im Geiſt verwüſtet, 
Bis daß ſie trifft deine Hand. 


Ach! wenn ſolche ſchwere Plagen 
Treten ein durch deine Hand: 

O, ſo laß uns nicht verzagen 
In dem harten Prüfungsſtand — 


O, ich bitt' mit ſchwerem Herzen, 
Laß aus Gnad' die Bitt' geſcheh'n: 

Leucht' mit deiner Wahrheit Kerzen, 
Daß wir nicht in Irrthum geh'n. 


O, es iſt mir unverhohlen, 
Daß ich alle Schäflein hier, 

Die du mir haſt anbefohlen, 
Auch ſoll führen hin zu dir. 


Du woll'ſt ihre Augen ſalben, 
So, daß ſie im Lichte ſeh'n: 

Ob ſie hier auch allenthalben 
Deinem Sohn getreu nachgeh'n. 


Gieb ein'n Eifer und Verlangen 
In uns allen jederzeit: 

Dir von Herzen anzuhangen, 
Sei es Frieden oder Streit — 


Und ein ernſtliches Bemühen, 
Dich zu bitten, daß wir nicht 

Müſſen fort im Winter fliehen. 
Ohne wahre Geiſtesfrücht' — 


Nicht in Kälte und Erſtarren, 
Wo man obne Liebe lebt; 

Wo die Seele faſt erfroren 
Und im kalten Taumel ſchwebt. 


— 299 — 


O, mein Gott! vor ſolchem Scheiden 
Schütz' und ſchirm' doch deine Heerd'; 

Hilf, daß uns in Leid und Freuden 
Deine Lieb' erhalten werd' — 


So, daß wir an dem Gerichte 
An der großen Rechenſchaft 

Nicht ſind ohne Geiſtesfrüchte, 
Wozu du uns gabſt die Kraft. 


Aber, o mein Gott! aus Gnade 
Hilf, daß Jedes bitt' und ſucht; 

Daß wir auch nicht am Sabbathe 
Nehmen fort von hier die Flucht. 


Hilf, daß unſer Herz erſchüͤttert 
Vor dem Bild, das du geſtellt; 

Und daß unſ're Seel' erzittert 
Vor Gefahr, wie du vermeld't. 


Wenn der Satan ausgefahren 
Und der Menſch zur Ruh' ſich ſetzt — 
Und ſucht ſich nicht zu verwahren, 
Sondern ſich in Ruh' ergötzt — 


Bald der Satan dies erfähret; 
Denn er weiß, wie Ruh' verſtrickt: 

Dann find't er die Seel' gekehret — 
Müßig und ſehr ſchön geſchmückt. 


O, behüt' uns vor den Stunden, 
Wo man ſich ſo träg' hinſetzt, 

Und denkt, man hab' überwunden 
Und ſich dann an ſich ergötzt — 


Wo man träg' in ſeiner Höhle 
Ganz zufrieden zu ſich ſpricht: 

Ich hab' nun für meine Seele 
Jetzt das Wochenwerk verricht't! 


— 300 — 


Hilf, daß dies uns ſei ein Schrecken; 
So, daß wir mit aller Macht 

Unſ're Herz' und Seelen wecken 
Und ſtets halten Hut und Wacht. 


Hilf, daß Jedes tief erwäge, 
Was da bringt das Stilleſteh'n — 
Wie dort Lots Weib' auf dem Stege 
Ewig nicht mehr konnte geh'n. 


Hilf, daß Keines bleib' dahinten, 
Sondern ſtreb' mit aller Macht, 

Um die Ruh' bei dir zu finden, 
Wenn das Leben iſt vollbracht. 


O, mein Gott! ſchütz' du die Glieder — 
Leuchte ihnen fern und nah: 

Daß fie nicht ſchrei'n hin und wider, 
Gleich wie Laodicaa — 


Sondern Jedes ſich befleiße, 
Um mit aller Macht und Kraft 
Vorſicht braucht hier auf der Reiſe, 
Daß es halte Hut und Wacht. 


Hilf, daß wir mit Furcht und Zittern 
Trachten nach der wahren Ruh', 

Die du nach den Zorns-Gewittern 
Deinen Treuen ſagteſt zu. 


Laß dein Schrecken uns abhalten, 
Uns zu unſ'rer Seelen Gut 

Nicht den Sabbath hier zu halten, 
Wo man nicht hält Wacht und Hut — 


— 301 — 


Sondern, daß wir täglich ſchaffen, 
Bis wir unſer Fleiſch gedämpft, 

Und auch brauchen unſ're Waffen 
Gegen den, der uns bekämpft — 


So, daß Jeder ſei befliſſen, 
Weil der Feind verborgen ſchleicht: 
Daß wir keiner Ruh' genießen, 
Daß ſein Zweck nicht wird erreicht — 


Sind für unſer Heil befliſſen, 
Wie es Knechten ziemt und frommt, 

Weil hier keine Seel' kann wiſſen, 
Wann der Herr des Hauſes kommt. 


Schenk' den Hirten neue Kräfte 
Die du hier haſt ausgeſandt; 

Auch den Schaafen neue Säfte, 
Treu zu ſein in ihrem Stand. 


Tilg, o Jeſu! du die Sünden 
Deiner Schaaf', die du erwählt; 

Schenk auch Kraft zum Ueberwinden, 
So, daß dorten keines fehlt. 


O, ſchenk' Kräfte und Vertrauen — 
Licht und wahren Ernſt im Fleh'n; 

Auch vor unſ're Füß' zu ſchauen, 
Weil die Fallen vor uns ſteh'n. 


Sieh, o, Jeſu! auf die Auen — 
Sieh’ der Schaaf und Hirten Lauf; 

Mancher will dein'n Tempel bauen 
Und baut nur ein Babel auf. 


Du ſiehſt tauſend matte Glieder 
Mit dem Haupt und Herz geſenkt, 

Beugend ſich hier hin und wider, 
Wo ein Wind der Lehr' ſie lenkt. 


— 302 — 


Mancher richt't ſich nach dem Winde, 
Wo man neue Lehre hört: 

Und wend't ſeinen Rock geſchwinde; 
Glaubt dann feſt, er ſei bekehrt! 


Jeder glaubt mit ſeiner Lehre 
Sei er auf dem rechten Pfad; 

Will auch, daß man ihn anhöre, 
Wie er vorträgt deinen Rath. 


Mancher will ſich nur befleißen, 
Wenn's an's Disputiren geht: 

Daß er kann ſein'n Satz beweiſen, 
Wo dein Wort oft wird verdreht — 


Nicht, daß er im Lebenswandel 
Chriſtlich lebt auf feiner Reif’; 

Nur durch Disputat und Handel 
Zeigt er an, daß er was weiß. 


Gleichſam, als vom Geiſt getrieben, 
Ruft er dann zu ſeiner Schaar: 

Sehet, hier ſteht es geſchrieben — 
Hier ſieht man es hell und klar. 


Wahrheit, und auch freche Lügen 
Wird vermengt oft dargeſtellt, 

Um die Menſchheit zu betrügen, 
Die ſich oft am Schein nur hält. 


Ruft er auch, daß alle beben — 
Stellt dann vor, was er erwählt; 

O, wie kläglich iſt's, wenn eben 
Ihm der neue Wandel fehlt. 


Ach! Verführung brauchte immer 
Zur Verführung deine Wort' — 

Selbſt der Satan bracht's im Schimmer 
Zu dir zur Verſuchung dort. 


Iſt's zum Wunder denn zu zählen, 
Wenn ſich ſeine Dienerſchaft 

Auch in Engelslicht verſtellen, 
Daß man ſie als Schaaf' angafft? 


Ach! hier ſind ſo feine Stricke 
Vor die Füße hingelegt — 

Immer ſieht man nicht die Tücke, 
Die zum Strauchlen uns bewegt — 


Oft ſind auch die Strick' und Bande 
Unfrem Fleiſch fo ſanft und ſüß, 

Daß der Menſch in ſolchem Stande 
Ruhig und zufrieden iſt. 


Muß das Recht ſich täglich beugen 
Vor Verführung und der Liſt, 

Weil ſo Mancher ſich will zeigen, 
Daß er auch ein Lehrer iſt. 


Gießt ſich die Verſuchungsſtunde 
Jetzt auf dieſen Weltkreis her, 

Weil man ruft mit lautem Munde: 
Hier iſt Chriſtus! da iſt er! 


Wunderzeichen zum Verführen 
Sieht man oftmals hier und dort, 
Welches dann den Menſch' ſoll rühren, 
Um zu glauben ihrem Wort. 


Hier und dorten ſieht man Chöre 
Jetzt in dieſer Mitternacht, 

Wo man durch die Wunderlehre 
Neue Proſeliten macht — 


Sonderlich zu dieſen Zeiten, 
Wo die Lehrer durch das Land 

Es faſt alle Nacht ausbreiten, 
Daß fe ſei'n von dir geſandt. 


— 304 — 


Ob Verführung, die du dorten 
Uns zur Warnung haſt geſagt, 

Wird erfüllt mit klaren Worten 
Und zur heut'gen Zeit vollbracht — 


Oder ob bei jenen Zeiten 
Du was ander's haſt gedacht, 

Und wir hier mit unſ'rem Deuten 
Haben ein'n Irrthum gemacht — 


Dies, o Gott! ſiehſt du im Lichte 
Durch die Größe deiner Macht, 

Wo wir oft nur ſchwach' Geſichte 
Haben in der Mitternacht. 


O, du großer Gott der Gnade! 
Ach! laß dies nur nicht geſcheh'n: 

Daß wir blind auf unſer'm Pfade — 
Blindlings auf Irrwegen geh'n. 


O, ſchenk' du doch Licht den Hütern, 
Die du hier haſt ausgeſandt, 

Daß dein Will' auch allen Gliedern 
Oh'n Verfälſchung wird bekannt. 


Send' dein'n Geiſt, den du verheißen: 
Daß er unſ're Seelen füllt — 

Der uns täglich mög' anweiſen, 
Das zu thun, was dir gefällt. 


Denn du ſiehſt zu dieſen Zeiten 
Nicht allein den Haß und Neid — 

Disputiren, Trennen, Streiten, 
Hinterred', Uneinigkeit. — 


So weit iſt es jetzt gekommen, 
Daß man ſich ſo lieblos trennt — 

Und nach Trennung doch als Frommen 
Jeder ſich nach dir noch nennt. 


Führt dein Geift dann die Partheien — 
Jeden auf ein'n ſondern Pfad, 

Weil ſie ſich ſo herzlich freuen; 
Glauben, es ſei ſo dein Rath. 


Ach, mein Gott! wo ſind die Zeugen, 
Die das Chriſtenthum verwarf' 

Weil man jetzo will anzeigen, 
Daß man ihrer nicht bedarf. 


Haben deine zween Zeugen 
Ihre Zeugniß' ganz vollbracht, 

Weil ſich jetzt die Heerd“ will neigen 
Zu dem, was der Menſch erdacht. 


Liebe liegt jetzt auf den Gaſſen 
Dieſer großen Babels⸗Stadt, 

Glaub' bekennt man auf den Straßen, 
Ohne Werk' und ohne That. 


Selbſt die Zeugen thatſt du nennen; 
Ja, du ſpracheſt auch dabei: 

Hieran könnt' uns Jeder kennen, 
Daß man dein' Nachfolger ſei. 


Wenn wir deine Liebe üben — 
Seien ſanft in jeder That 

Und die Feinde herzlich lieben; 
Dies ſei dein Gebot und Pfad. 


Sind die Zeugen nun veraltet, 
Denn ſie dringen kaum zum Ohr — 
Ja, man trägt ſie ganz erkaltet 

Nur zur Schau den Hörern vor. 


— 306 — 


Man erfreut ſich ſehr auf Erden, 
Daß man ſie nicht nöthig hat — 

Man kann jetzt doch Brüder werden 
Ohne Liebe, ohne That! 


Man beſtatt't ſie nicht zur Erden, 
Wenn man ſich auch oftmals trennt; 

Dort kann man doch Brüder werden, 
Wenn der Glaub' nur wird bekenn't. 


Wird hier einer abgeſondert 
Wegen böſen Lebenslauf — 

Dorten wird er aufgemuntert 
Und nimmt ohne Buß’ ihn auf. 


Ach! wenn Glaub’ ohn“ Werke waltet 
Auf den Gaſſen dieſer Stadt — 

Und die Liebe iſt erkaltet, 
Sind ſie denn nicht beide todt? 


Glaube wird jetzt nur gefordert 
Und die Werke ſo vollbracht, 

Wie es dort der Lehrer ordert 
Und wie man es hat erdacht. 


Mancher wählt zu ſeiner Freude 
Sich und ſeinem Häuflein hier 

Aeuß're Demuth im Schaafskleide: 
Dies ſoll ſein der Chriſten Zier. 


Aber deine wahre Liebe 
Und die ſüße Sanftmuth dort — 
Ja, des Herzens Demuths-Triebe; 
Dieſes iſt faſt alles fort. 


Selbſt die Welt ſucht' zu belachen — 
Außen will man ſein ein Chriſt; 

Innen ſind oft and're Sachen: 
Haß, Unliebe, Bosheit, Liſt. 


— Gr 


Sind wir denn zum Spott geworden 
Mit dem Schaafskleid, als der Zier: 

Da doch noch das geiſtlich' Morden 
Nur zu oft geſchieht allhier. 


Will man zeigen ſeine Triebe, 
Um zu thun, wie du gelehrt — 

Hinzugeh'n zum Mahl der Liebe, 
Geht man oft hin unbekehrt. 


Ohne Reu' und ohne Schmerzen — 
Ohne Prüfung, ohne Buß', 

Oft vielleicht mit Judas-Herzen; 
Doch giebt man den Bruder-Kuß. 


Gleich, wie zu Johannis Zeiten, 
Wird die Frage noch alljetzt 

Wegen Reinigung mit Streiten 
Immerhin noch fortgeſetzt. 


Ach! und Jeder glaubt doch feſte, 
Daß die Lehr“ die er nimmt an, 

Sei doch noch die allerbeſte: 
Denn es ſei dein Wort und Bahn. 


Jeder glaubt, er ſei noch immer 
Mit der Heerd' auf deinem Pfad — 
Jene trüge nur ein Schimmer 
Der Verführung von dein'm Rath. 


Ach! ſo iſt es faſt mit Allen — 
Jeder glaubt, er hab' dein'n Pfad; 
Jene ſeien tief gefallen 
Und entfernt von deinem Rath. 


Deine Liebe, Rath und Handel 
Führt der Lehrer in der Sprach; 

Aber in dem Lebenswandel 
Geht er öfters ſelbſt nicht nach. 


— 308 — 


O, mein Gott! wie ganz verworren 
Sind die Heerden jetzt allhier, 

Die du einſtens dir erkohren — 
Was iſt jetzo ihre Zier? 


Faſt iſt alles weggewichen: 
Liebe, Vorſicht, Einigkeit; 

Und an deren Stell' geſchlichen: 
Hader, Eifer, Zank und Streit. 


Liebe wird faſt täglich ſchwächer — 
Scheints faſt, als ob alles Land 

Hier aus deinem Taumelbecher 
Hab' getrunken jeder Stand. 


Ach! wo ſind die erſten Spuren, 
Wo die Heerden ſich verletzt, 

Daß die Hirten auf den Fluren 
In den Taumel ſind geſetzt. 


Hilf das Uebel uns ergründen, 
Welches uns ſo lange drückt; 

Hilf, daß jede Seel' kann finden: 
Warum du es haſt geſchickt. 


Iſt's, daß hier die Chriſten-Heerde, 
Gleich wie dort in Sfrael, 

Dich nur mit dem Mund verehrte, 
Aber nicht mit Herz und Seel“? 


O, iſt jetzt auf uns gefallen, 
Was du Iſrael gedroht 

Wegen ihrem kalten Lallen, 
Wo das Herz blieb kalt und todt? 


Ach! ſie hatten ſich entehret — 
Dort vor deinem Angeſicht 

Dich nur mit dem Mund geehret, 
Aber mit dem Herzen nicht. 


20 * 


— 309 — 


Ihre lang'n Gebete goſſen 
Sie von ihrem Munde her — 
Kamen nicht vom Herz gefloſſen; 
Dieſes blieb nur kalt und leer. 


Damals ließeſt du dich hören: 
Weil dies Volk ſich zu mir naht, 

Will mich mit dem Munde ehren, 
Aber nicht mit Herz und That. 


So ſoll dieſes nun geſchehen, 
Weil es keine Ehrfurcht kennt — 
Weisheit ſoll jetzt untergehen 
Und der klugen Rath verblend't! 


O, wie wahr iſt es geworden — 
Deine Drohung, deine Wort': 

Untergang der Weisheit dorten 
Und Verblendung hier und dort. — 


Phariſäer, Schriftgelehrte 
Und der prieſterliche Rath, 

Die das Volk ſehr hoch verehrte, 
Führten nun das Volk den Pfad. 


Wahre Weisheit war gewichen, 
Die beſteht in Furcht vor Gott; 

Dieſe kamen nun geſchlichen 
Mit erdicht'tem Selbſtgebot — 


Mit verblendꝛtem Herz und Sinnen 
Ward zertreten dein Geſetz, 

Und mit Heil'gen-Schein erſchienen 
Nun den Alten ihr' Aufſätz'. 


Dein Gebot ward aufgehoben 
Und das menſchlich' anerkennt — 

Rath und Schlüſſe, die ſie gaben, 
War'n im Ganzen nur verblend't. 


— 310 — 


Mit verdecktem Schein und Fleiße 
Gingen ſie oft eifrig fort, 

Um ſodann auf ihrer Reiſe 
Einen Jud' zu machen dort. 


Ach! und machten oft geſchwinder 
Während Reiſe und Gefahr'n 

Zwiefach mehre Höllenkinder — 
Mehr, als wie ſie ſelber war'n. 


Prieſter riefen oft im Brüſten 
Phariſäer insgeſammt: 

Daß ſie das Geſetz nur wüßten 
Und das Volk ſei ganz verdammt. 


Ach! ſie glaubten ohne Zweifel, 
Daß du doch ihr Vater ſei'ſt — 

Doch du ſprachſt: ihr ſeid vom Teufel, 
Denn ihr thut, wie er's anweiß't! 


So verblendete Rathgeber 
Zogen durch das Land wie toll — 
Gleich verdeckte Todtengräber, 
War das Land der Bosheit voll. 


So weit war es nun gekommen 
Durch das kalte Bitt'n und Fleh'n — 

Weisheit wurde weggenommen, 
Daß ſie nicht mehr konnten ſeh'n! 


it HER 


Ach, mein Gott! ein Licht und Schrecken 
Welches ich bei mir empfind', 

Scheint die Sach' nur aufzudecken — 
Uns zu zeigen unſ're Sünd'. 


— 311 — 


O, mein Gott! ja ſchon vor Zeiten, 
Als Verfolgung aufgehört, 

Fing man auch ſchon an zu ſtreiten 
Und war damals ſchon verkehrt. 


Ach! er hat nicht abgelaſſen — 
Dieſer Jammer, dieſer Streit; 

Stets bleibt er noch ausgegoſſen 
Bis zur gegenwärt'gen Zeit. 


Lag die Urſach' wohl darinnen, 
Als Verfolgung aufgehört, 

Daß das Herz mit allen Sinnen 
Wurde hin zur Welt gekehrt — 


So, daß Jedes ſich beſtrebte, 
Zu erlangen Gut und Geld 

Und ihr Herz an dem nur klebte 
Und vergaſſen dich, o Held! 


Lag es damals ſchon zum Fehle, 
Daß die Hirt' und Heerden dort 

Nicht mehr bat'n um Herz und Seele; 
Nur allein der Mund die Wort' — 


Machte es ſie ſicher dorten 
Als Verfolgung war dahin, 

Daß ſie nur mit kalten Worten 
Baten, ohne Herz und Sinn! 


Ach! wenn Reichthum ſicher machte, 
Weil man ſich die Welt erkohr; 

O, dann auch die Seel' erſchlaffte, 
Weil ſich deine Furcht verlor — 


Wo des Herzens Trieb vor allen 
Wollt' den Mammon an ſich zieh'n, 
Und hernach das kalte Lallen 
Nur zum Scheine laſſen ſeh'n — 


— 312 — 


Stieg der geiſtlich' Stolz in allen 
Sammt dem Trachten nach Gewinnſt; 
Daß ſie auch nicht ſah'n ihr Fallen 
In dem lauen Gottesdienſt. | 


So im Seelen-Hochmuth ſchwebten, 
Nur im äußern Demuths-Kleid — 

Und nicht mehr ſo friedlich lebten, 
Als in der Verfolgungs-Zeit — 


Wo der Hochmuth ward vermehret 
Durch den Reichthum dieſer Welt: 

Deine Demuth ganz verheeret, 
Nur das Schaafskleid dargeſtellt — 


Wo man dann in ſolchem Leben 
Selbſt den wahren Chriſt verkennt, 

Und im Streit will nicht nachgeben, 
Bis daß man ſich hat getrennt. 


Ach! wir haben dort ein Zeichen: 
Iſrael in feinem Glück 

Fing von Gott an abzuweichen, 
Als ſie wurden fett und dick — 


Ließen ihren Hüter fahren, 
Der ſie hatte treu bewacht, 

Und es wandten ſich die Schaaren 
Zu dem, was der Menſch erdacht. 


Ach! du weiß't, ob unſ're Väter 
Sich alldort von dir gekehrt, 

Als ſie wurden fett und dicker, 
Als Verfolgung aufgehört. 


Weil man ſchon in erſten Jahren, 
Als Verfolgung kaum am End', 

Wollt' im Zorn und Eifer fahren, 
Bis man endlich ſich getrennt. 


— 313 — 


Wollt' man auch zu ſolchen Zeiten 
Friede machen, wie's gebührt, 

Ward der Hader und das Streiten 
Noch durch Eigenſinn vermehrt. 


Deine Lieb' als dein Geſetze 
Ward gebrochen durch den Streit; 

Aber menſchliche Aufſätze 
Wurden damals eingeweiht. 


Glaubte man doch in der Seelen 
Dies und jenes fehle noch, 

Eine Ordnung aufzuſtellen, 
Und vermehrte ſo das Joch. 


Ward dein Geiſt, der ſie bewegte, 
Zu vermehren dein Geſetz, 

Und dann Strafe auf den legte, 
Wenn er nicht hielt die Aufſätz. 


Hatte dann wohl je ein Hirte 
Nicht gehört die Warnung dort: 

Daß, wenn hier nun Jemand würde 
Fügen hin zu deinem Wort — 


Daß auf den dann würde falleu 
Deine Plagen, Straf' und Laſt, 

Die du deutlich vor uns allen 
Klar genug beſchrieben haſt. 


Oder waren ſie verblendet 

Durch ihr kaltes Bitt'n und Fleh'n; 
Hatteſt du dich abgewendet, 

Daß ſie nicht mehr konnten ſeh'n — 


Fielen unſ're Väter dorten 
Durch ihr kaltes Bitt'n und Fleh'n; 
Ach! wie iſt's mit uns geworden — 
Iſt's auch wohl von uns geſcheh'n? 


— 314 — 


Iſt die Sünd' in uns wohl minder; 
Iſt ſie nicht von uns geſcheh'n, 

Daß wir als der Väter Kinder 
Auch denſelben Pfad nachgeh'n — 


Ehren wir dich mit dem Munde, 
Ohne daß das Herz dich ehrt; 

Glauben wir zu ſolcher Stunde, 
Unſer Beten ſei erhört — 


Leſen wir mit dem Geſichte 
Nur die Formen kalt dahin, 

Nicht mit uuſer'm Seelenlichte, 
Ohne Ehrfurcht, ohne Sinn — 


Ohne herzliches Verlangen; 
Ohne Wollen und Andacht — 
Nur in Kälte angefangen; 
Nur von Lippen dargebracht! s 


—— 


O, mein Gott! wenn Hirt" und Heerde — 
Hier in Kälte ſo gelebt, 

Und im Taumel auf der Erde 
So gleichgültig hingeſchwebt. 


Wo die Kniee kalt ſich bogen, 
Sprachen nur die Formen nach, 

Aber dich, o Gott! anlogen, 
Weil das Herze nicht mit ſprach. 


O, mein Gott! wenn Hirt' und Schaafe 
Sich vergeſſ'n mit ſolchem Hauch, 

Und in ihrem Sündenſchlafe 
Kalt nachmachen den Gebrauch — 


— 315 — 


Wo das Herz zur Welt ſich neiget 
Und das Kniee nur kalt ſich beugt, 
Aber kein Verlangen zeiget, 
Das zu deiner Ehr' gereicht. 


Du blickſt ſtets auf alle Heerden — 
Wer ſich deinem Sohn nach nennt, 

Siehſt im Licht, ob ſie auf Erden 
Sind im Herzens-Rath verblend't. 


Woher rührt der Streit, das Haſſen, 
Geiſtlich' Stolz und Uebermuth; 

Jeder glaubt, daß ſeine Straßen 
Sei'n allein gerecht und gut — 


Jeder glaubt in ſeiner Seele: 
Er ſei vor dir recht und gut; 

Jener würd' für ſeine Fehle 
Dort geſtraft mit deiner Ruth'. 


Haben alle Hirt'n und Heerden 
Deines Geiſtes hell Geſicht, 

Weil ſich Jeder rühmt auf Erden, 
Er nur hab' dein helles Licht! 


Jeder glaubt, daß er zum Sehen 
Sei geſchickter, als der dort — 

Er könn' nicht in Irrthum gehen, 
Jener nur verlier' die Pfort. 


O, mein Gott! hat uns befallen, 
Was du Solchen zuerkennt: 

Daß hier durch ihr kaltes Lallen 
Wird des Herzens Rath verblend't. 


Hat das Schwert uns dann getroffen, 
Wo der Menſch mit falſchem Licht 

Auf dich gründ't ſein Thun und Hoffen 
Mit verblend'tem Angeſicht — 


— 516 — 


Soll das Schwert ohn' Ende freſſen, 
Das uns Sünder ſo verblend't, 

Wo wir And're wollen meſſen 
Und doch keiner ſich ſelbſt kennt. 


Iſt denn Klugheit untergangen 
Und die Weisheit gänzlich fort; 

Iſt's jetzt über uns gekommen, 
Was du haſt gedrohet dort? 


Ach! wer will das Uebel halten — 
Wer hemmt jetzt die Chriſtenwelt, 

Weil ſie ſich faſt täglich ſpalten 
Und das Trennen ſich erwählt — 


Wer ſalbt ihre Augen helle, 
So, daß jedes klar kann ſeh'n: 

Daß Verblendung in der Seele 
Kam vom kalten Bitt'n und Fleh'n — 


Stillen wir mit falſchem Hoffen 
Das verdorb'ne Herze nur 

Auf dem Weg, den wir geloffen — 
Der doch nicht iſt deine Spur. 


O, wer könnt' an dem Gerichte, 
Dort vor dir, o Gott! beſteh'n, 

Wenn er vor dein'm Angeſichte 
Rechnung giebt für Kält' im Fleh'n. 


Laß uns nicht in Sünden ſterben; 
Schenk' aus Gnade uns dein Licht, 

Daß doch Jeder ſein Verderben 
Sieht, eh' das Gericht anbricht. 


Daß wir mit gebog'nen Herzen 
In Erkenntniß unſ'rer Schuld — 
Unter Seelen-Angſt und Schmerzen 
Zu dir fleh'n um Gnad' und Huld — 


— 37 — 


Ach, mein Gott! du kennſt die Herzen 
Und mein's iſt dir offenbar — 

Ich bekenn' mit Reu' und Schmerzen, 
Daß ich hier ſo viele Jahr' — 


Nur gedient im Schein und Leſen 
Las die Form nur kalt daher; 

Nicht im Ernſt und wahrem Weſen — 
Nein, das Herz blieb kalt und leer. 


Ich kann hier kein End' ergründen 
Meiner Sünden große Zahl; 

Denn es ſteigen meine Sünden 
Auf zu tauſend, tauſend Mal. 


Ich bekenn' mit Herz und Seele: 
Ach! die Sünd' liegt ſchwer auf mir; 
Tauſend tauſend Mal zum Fehle 

Bracht't die Bitt' in Kält' ich dir. 


Ach, mein Gott! an dem Gerichte, 
Wenn du zeigeſt deine Macht, 

Und ich vor dein'm Angeſichte 
Dir muß geben Rechenſchaft. 


O, wie will ich für mein Schalten 
Und für meine Kält' im Fleh'n — 

Sünd' von mancherlei geſtalten 
In der Rechnung dort beſteh'n. 


Muß ich ewig dorten büßen 
Und empfangen meinen Lohn, 

Weil ich ließ von Lippen fließen 
Kaltes Fleh'n vor deinem Thron. 


Ach! wo ſich der Höllen Meere 
Hoch entflamm'n vor deinem Stuhl 

Und die Seel' mit Sündenſchwere 
Wird verdammt zum Schwefelpfuhl. 


— 318 — 


Wo der Wurm nicht kann erſterben 
Und das Feuer nicht erlöſcht; 

Ja, die Seel' find' im Verderben 
Nichts, das Schmerz ſtillt, Zung' erfriſcht. 


O, mein Gott! iſt keine Gnade — 
Auch kein Opfer zugericht't, 

Wodurch ich dort ſelbſt den Schade 
Könnt' verſöhnen am Gericht. 


Ich kann auf kein Mittel ſinnen — 
Alle Kraft iſt mir gelähmt, i 
Um ſelbſt etwas zu beginnen, 
Das mich am Gericht verſöhnt. 


Ach! es iſt mir hier zu Muthe, 
Gleich, als wie es Jenen war, 

Der dort lag in ſeinem Blute 
Hart verwund't von Mörder-Schaar. 


Ohne Hülf' und ohne Rathen 
Zog Levit und Prieſter fort; 

Ach! Barmherzigkeit und Thaten 
Zeigt' der Samariter dort. 


Ach! wo will man Kraft erlangen, 
Abzuwenden Gottes Ruth', 

Weil man liegt ſo tief gefangen 
Und halb todt in ſeinem Blut. 


O, mein Gott! die Kraft zu dieſem 
Fehlet allen Seelen hier; 

Aber du haſt uns gewieſen, 
Daß noch Gnade iſt bei dir. 


Für die Menge unſ'rer Sünden 
Gabſt du deinen Sohn zum Tod: 
Daß wir konnten Ruhe finden 

Für die Seel' in jener Noth. 


— 319 — 


Deine Lieb' und deine Leiden, 
Womit du die Straf' gelenkt 

Kann hier keine Seel' ausbreiten 
Und was du uns haſt geſchenkt. 


Du haſt uns dein'n Sohn gegeben 
Als den wahren Gnadenſtuhl, 

Der uns dort nach dieſem Leben 
Rettet von dem Schwefelpfuhl. 


Allen, die im Glauben bitten, 
Jetzt noch in der Gnadenzeit, 

Stößt er keinen von der Hütten, 
Sondern ſchenkt die Seligkeit. 


Ach! die Gnad', die du an Armen 
Hier noch zugeſageſt haſt, 

Und aus Liebe und Erbarmen 
Willſt abnehmen ihre Laſt — 


Dies, o, Jeſu! läßt mich hoffen, 
Weil dein Ruf geſchieht an mich: 
Daß die Pforte noch ſteht offen, 
Wo ich Leicht'rung find' durch dich. 


Ach! es ſteigt aus meiner Mitte 
Jetzt in dieſer eilften Stund' 

Meine Herz⸗ und Seelen-Bitte; 
Ach! es red't's nicht nur der Mund — 


Zu dir, Jeſu! ſteigt mein Flehen; 
O neig' zu mir deine Huld, 

Und laß meine Bitt' geſchehen — 
Und verſöhn' mir meine Schuld. 


— 320 — 


O, waſch' du mein Herz und Seele 
Rein, aus Gnaden, durch dein Blut; 
So, daß mich für meine Fehle 
Dort nicht trifft die Straf' und Ruth'. 


O, deck' mich mit deinem Kleide, 
Denn ich find' mich nackt und bloß, 
So, daß ich mit Seelen-Freude 

Ruhen kann in deinem Schooß. 


Ach! du ſieheſt mein Verlangen: 
Hilf, daß es nicht mehr erſchlafft — 
Hilf mir im Gebet anfangen 
Und vollenden mit der Kraft. 


Laß, o Jeſu! meine Bitte 
Doch zu dir gen Himmel auf; 

Lenk' aus Gnaden meine Schritte, 
Bis ich hab' vollend't den Lauf. 


O, hilf mir zum Ernſt im Beten — 
In Erkenntniß meiner Schuld 

Stets im Glauben hin zu treten, 
Zu erlangen deine Huld. 


In Vergebung und in Liebe 
Gegen meine Feinde hier — 

So, daß ich durch Geiſtes-Triebe 
Fleh' um Güt' und Gnad' zu dir. 


Ach! und in Verſuchungsſtunden, 
Wenn die Macht der Sünd' mich ſchreckt; 

Dann gieß' Troſt aus deinen Wunden, 
Daß die Seele wird erquickt. 


Drück' du in mein Herz dein Siegel, 
Daß ich werd' durch dich getröſt't — 
Daß ich ſei auf jenem Hügel 
Durch dein Blut und Tod erlöft. 


— 1 


Stärk' in mir den wahren Glauben 
An die Gnad' an dem Gericht, 

Daß ich es mit Geiſtes Augen 
Sehen kann im hellen Licht. 


Du kannſt mir den Glauben ſtärken — 
Kannſt mich Blinden machen ſeh'n, 

Daß ich kann an deinen Werken 
Deine Lieb‘ und Gnad' erſpäh'n. 


Du kannſt mich vom Ausſatz löſen — 
Kannſt mich Lahmen machen geh'n; 

Kannſt mich retten von dem Böſen 
Und für mich zum Vater fleh'n — 


Du kannſt, Jeſu! es erreichen, 
Wenn du hier nur ſprichſt ein Wort; 

Dann muß Seelen-Unruh weichen 
Und die Herzens Angſt muß fort. 


O, laß mich nur dies genießen: 
Daß du meine Bitt' erhör'ſt, 

Und aus Gnad' mir läßt zufließen 
Und mein Beten mir gewährſt. 


Du woll'ſt dich als Retter zeigen, 
Wenn mich anficht Angſt und Noth, 

Und mit Huld dich zu mir neigen, 
Wenn Gefahr der Seel' mir droht. 


Sei mein Schutz, mein Schild und Führer; 
Laß mich nicht aus deiner Hand — 

Sei der Seele ihr Regierer 
Hier in mein'm Beruf und Stand. 


Laß dein Geiſt mich ſtets geleiten, 
Daß er meine Seel' erfüllt, 

So, daß ich in Gnadenzeiten 
Das ausricht', was dir gefällt. 


— 1992 u 


Möchten wir bier fein befliffen 
In dem Wandel, wie es frommt ; 

Weil hier keine Seel' kann wiſſen, 
Wann der Herr des Hauſes kommt! 


Auf daß, wenn nun deine Worte 
Ganz vollkommen ſind erfüllt, 

Und geſchoſſen iſt die Pforte 
Zum Gericht für alle Welt — 


O, dann laß aus Gnad' geſchehen, 
Was ich bat im Hirtenſtand — 

Laß, o Jeſu! uns dann ſtehen 
Dort zu deiner rechten Hand. 


Wo dich Aller Augen ſehen 
Unerwartet, als ein Blitz, 

Und wo jede Seel' muß gehen 
Hin zu deinem Richterſitz. 


Wo durch Engel ihr' Geſchäfte 
Und durch den Poſaunen-Ton 

Sich beweg'n des Himmels-Kräfte 
Vor dir auf dein'm Richter-Thron — 


Wo die Welt in Rauch und Flammen 
Sich vor deinem Zorn erhitzt — 

Und die Menſchen allzuſammen 
Seh'n, daß jetzt der Richter ſitzt. 


Dann, wenn alle Himmel krachen 
Und ſie ſämmtlich ſind entfloh'n, 

Und die Seelen all' aufwachen 
Durch das Feldgeſchrei und Ton — 


Dann, fürwahr, vergeht das Höhnen; 
Er ſieht dann was er verlacht — 

Er ſieht dann, daß durch das Tönen 
Erd' und alle Himmel kracht. 


— 323 — 


Dann läßt er das Spotten, Necken; 
Wend't zu Berg' und Hügel ſich — 
Ruft, daß ſie ihn ſollen decken 
Vor dem Richter ewiglich. 


Weinen, Schreien, Heulen, Klagen 
Derer, die in Spott und Hohn 

Dich allhier geſtochen haben, 
Seh'n dich dann auf deinem Thron. 


Ach! die böſen rohen Hirten, 
Die die Heerden hier zerſtreut 
Und ſie in die Irre führten 
Durch den Hader, Zank und Streit — 


Und die auch hier ihren Schaaren 
Mit dem geiſtlich' ſtolzen Herz 

Nur ein böſes Vorbild waren, 
Müſſen dann hervor im Schmerz. 


Alles muß dann vor dich kommen; 
Jeder ernt't dort eine Saat: 

Beides, Böſe mit den Frommen — 
Jeder dann nach Werk und That. 


Ach! wenn ich dies überdenke — 
Dein Gericht und meine Schuld; 
O, ſo bitt' ich Jeſu! lenke 
Dich zu mir mit Gnad' und Huld. 


O, erbarm' dich meiner Seele, 
Großer Gott! verſag' mir's nicht — 

Hilf, daß ich in dieſer Höhle 
Buße thu' im wahren Licht. 


So, daß ich im ernſten Dringen 
Nicht von dem Vertrauen weich': 

Sondern mit Gewalt und Ringen 
Zu mir reiß' das Himmelreich. 


u BB 


Ach! verleih' mir Geiſtes-Kräfte, 
Um zu thun, wie Jakob that; 

Mit dir ringe im Geſchäfte, 
Zu erhalten deine Gnad'. 


O, mein Jeſu! ich umfaſſe 
Dich im Glauben jetzt allhier — 

Hilf, daß ich von dir nicht laſſe, 
Bis du Gnad' zuſageſt mir. 


Du woll'ſt meine Seele waſchen — 
Mich verſöhnen durch dein Blut; 

So daß mich nicht dort kann haſchen 
Oft verdiente Straf' und Ruth'. 


Laß dein Blut jetzt in mich fließen, 
Daß die Seele wird getränkt — 

Und laß mich dein Fleiſch genießen, 
Das du uns aus Gnad' geſchenkt. 


Ach! mein Jeſu! o Erzhirte — 
Nur allein, o Jeſu! du 

Kannſt abnehmen meine Bürde 
Und der Seele ſchenken Ruh'. 


Mein Vertrauen, dir zu klagen, 
Gründet ſich ja auf dein Wort, 

Welches du in deinen Tagen 
Uns verheißen haſt alldort. 


Um uns unſern Muth zu mehren, 
Sprachſt du dort in deiner Ned’: 

Du woll'ſt Jeden gern erhören, 
Wenn er dich um Hülf' anfleht. 


Nun ich bin vor dich getreten — 
Zu dir fleh' ich in der Noth: 
Du woll'ſt mich aus Gnad' erretten 


Als ein Brand vom Fluch und Tod. 
21 


O, mein Herr und mein Berather! 
Ach! erhör' dies bittend Wort — 

Ja, du unſer Gott und Vater! 
Der du biſt im Himmel dort. 


Hilf, daß wir es recht erkennen — 
Das, was Jeſus uns gelehrt: 

Daß, wenn wir deinen Namen nennen, 
Er von uns geheiligt werd'. 


Daß wir nicht mit kalten Lippen 
Ihn entehren insgeſammt — 

Sondern unſ're Herzen bücken 
Wenn dein Name wird genannt. 


O, laß uns dein Reich zukommen, 
Welches du aus Gnad' beſchert — 

Laß uns erben mit den Frommen, 
Die dich in der Welt verehrt. 


Hilf, daß hier dein Will' geſchehe, 
Gleich wie auch im Himmel dort; 

So, daß Jeder dem nachgehe, 
Was du uns gelehrt im Wort. 


O, laß uns aus Gnad' zufließen 
Unſer täglich Brod doch heut' — 

Auch die Seelen-Speiſ' genießen, 
Die du uns aus Gnad' bereit't. 


Ach, vergieb uns hier im Leben 
Unſ're Sünd' aus Gnad' und Huld, 
Gleich wie wir auch dem vergeben, 
Der ſich hat an uns verſchuld't. 


O, hilf uns auf dieſer Erden 
Doch aus Gnad' mit deiner Macht, 
Daß wir nicht verſuchet werden, 
Sondern ſchütz' uns mit der Kraft. 


— 326 — 


Ja, du wolleſt uns erlöſen, 
Wenn Gefahr der Seelen droht, 

Und uns retten von dem Böſen; 
Uns beiſteh'n in jeder Noth. 


Dein iſt jedes Reich auf Erden; 
Dein iſt die Gewalt und Macht — 

Was du wollteſt, mußte werden 
Durch die Allmacht deiner Kraft. 


Aller Ruhm und Lob zuſammen: 
Dank, und Ehr' und Herrlichkeit — 
Das gebührt nur deinem Namen 

Bis in alle Ewigkeit! 


Ach, mein Vater! ſprech' jetzt Amen — 
Gleich wie wir zu dem Gebet, 

Welches jetzt in Jeſu Namen 
Unſer Herz zu dir gered't! — 


Anhang. 


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Kurzgefaßte Geſchichte 
der Mennoniten. 
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Die ſtrengern oder Amiſchen Mennoniten erhielten ihren 
Namen von Jacob Amen, ein Bürger von Amenthal in der 
Schweiz; welcher um das Jahr 1696 mit Johann Heisly 
und andern in Mißhelligkeiten gerieth; von wegen dem 
Glaubensartikel des Fußwaſchens, und der Meidung der 
Abfälligen. Jacob Amen hielt für eine äußerſt ſtrenge 
Auslegung der im Jahre 1632 zu Dortrecht in Holland 
angenommenen Glaubensbekenntniß: indem ſeine Gegner 
eine gelindere Deutung behaupteten. 

Aber wiewohl der Name Amiſch von Jacob Amen den 
Urſprung nahm, ſo war er dennoch kein Stifter einer Glau— 
bensbekenntniß oder neuen Secte, ſondern der Vertheidiger 
einer ſtrengen Conſtruction (oder Auslegung) der 
Glaubensartikeln der frühern Mennoniten. 

Daß aber die Mennoniten ſchon zu Menno Simons Zei— 
ten in zwei Partheien zertheilt waren, iſt eine ſo unbezweifelte 
als bedauerliche Thatſache, wie aus folgenden Auszügen 
zu erfahren iſt. Nach dem Bericht dieſer Schreiber (welche 
von andern Seeten und daher frei von Partheigunſt fein 
müſſen), erhellet es unſtreitig, daß die Mennoniten überhaupt 
die wahren Nachkommen der Waldenſer ſind. 

In dem großen und allgemein anerkannten Werke „Johann 
Hübners Stgats-Zeitung und Converſations Lexicon“ 
„abgedruckt zu Leipzig 1795“ unter dem Artikel „Wieder— 
täufer“ findet man Folgendes: „Wiedertäufer, mit einer grie— 
chiſchen Benennung von gleicher Bedeutung Annabaptiſten, 


— 330 — 


eine chriſtliche Religionsparthei, welche ſich gleich nach dem 
Anfang der Reformation Doctor Luthers hervor that, und 
beſtand Anfangs aus heimlichen Waldenſern, Hußiten 
und Wiclefiten, welche ſchon vor Luthers Zeiten in allen 
Theilen Europas vorhanden waren.“ 

„Sie fanden einen neuen Wiederherſteller oder neuen 
Stifter, an einem bisherigen katholiſchen Prieſter Menno 
Simonis Friesland, welcher 1536 fein Amt niederlegte, und 
die Stelle eines Lehrers bei den Wiedertäufern übernahm. 
Menno reiſete unter vielen Gefahren und Beſchwerlichkeiten, 
in den Niederlanden in Weſtphalen und in den Ländern an 
der Oſtſee herum, machte Proſeliten und brachte ſeine Reli— 
gionsparthei, die nun von ihm den Namen Mennoniten oder 
Mennoniſten führt, in beſſere Verfaſſung.“ 

„Inzwiſchen war er doch nicht vermögend, eine gänzliche 
Gleichheit der Geſinnung unter ſeinen Glaubensbrüdern zu 
bewirken; ſie theilten ſich in zwei Haupttheile, die Groben und 
die Feinen. Die Feinen hielten über die alte Glau— 
bens⸗ und Sittenlehre eine äußerſt ſtrenge Kirchenzucht. 
Die Groben näherten ſich mehr den reformirten Proteſtanten, 
und ihnen traten nach und nach viele von den andern bei.“ 
Auszug von einem Werk, betitelt: „Encyclopedia of 
Religious Knowledge.“ „By J. Newton Brown Brott- 
leboro Vermont 1849.“ Entnommen aus Briefen von 
dem berühmten Miffionär Ward. 

„Ein Bericht von dem Urſprung der deutſchen Täufer oder 
Mennoniten, gedruckt zu Breda, im Jahr 1819, von Doe— 
tor Ypeij, Profeſſor der Theologie zu Gröningen, und dem 
Ehrwürdigen J. J. Dermont, Kapelan des Königs von Hol— 
land, gelehrte Kindertäufer.“ 

Dieſer Bericht von Herrn Ward iſt der Gegenſtand unter— 
ſchiedlicher Briefe, wovon wir etliche Auszüge entnehmen. 

Nach der Meinung dieſer gelehrten Schreiber ſind die 
Mennoniten die Nachkommen der ziemlich reinen evangeli— 
ſchen Waldenſern, welche durch Verfolgung in unterſchiedliche 
Länder vertrieben wurden und welche im zwölften Jahrhun— 
dert ſich nach Flandern und nach Holland und Seeland flüch— 
teten, allwo ſie ein einfaches und muſterhaftes Leben führe— 
ten, in den Dörfern als Bauern und in den Städten als 
Handwerker, frei von aller Beſchuldigung grober Unſittlich- 


— 331 — 


keit und bekannten die reinſten und einfachſten Grundſätze, 
welche ſie mit frommen Geſprächen bezeugten. 

Daher ſind ſie eine viel ältere Kirche als die Niederdeutſche 
Reformirte. 8 | 

Zu dieſer Zeit waren zwei Secten unter ihnen, die eine 
ausgezeichnet durch den Namen „die Vollkommenen“ (welche 
die Gemeinſchaft der Güter hielten), die andern wurden die 
„Unvollkommenen“ genannt. Wie der größte Theil der Erſten 
und alle die Letzten waren gewißlich die frömmſten Chriſten, 
die die Kirche jemals geſehen, und die wertheſten Bürger, die 
der Staat jemals enthielt. Die Geſchichte räumet allen 

Zweifel aus dem Wege über dieſen Gegenſtand. 

Im Jahr 1536 erhielt ihre zerſtreute Gemeinheit eine re= 
gelmäßige Kirchenordnung, abgeſondert von allen holländi— 
ſchen und deutſchen Proteſtanten, welche ſich zu ſelbiger Zeit 
noch nicht in einen religiöſen Körper vereinigt hatten. Dieſen 
Vortheil erhielten ſie durch die kluge Verwaltung eines 
Friesländiſchen Proteſtanten Menno Simonis, welcher früher 
ein römiſcher Prieſter war. Dieſer gelehrte, weiſe und kluge 
Mann wurde von ihnen zu einem Führer erwählt, auf daß er 
ſie durch ſeine väterliche Mühe in den Augen des ganzen 
Chriſtenthums befreien möchte von der Beſchuldigung, welche 
ſich einige von ihnen zugezogen hatten. 

Dieſe Abſicht wurde dem zu Folge erreicht: ein Theil der 
ſoͤgenannten Vollkommenen brachte er in gehörigen Zuſtand, 
die übrigen ſchloß er aus. Er reinigte auch die religiöſe 
Lehre der Täufer. 

Aus Obigem erhellet klar genug, daß die Täufer, welche 
früher Wiedertäufer oder Anabaptiſten genannt wurden und 
in ſpätern Zeiten Mennoniten, die urſprünglichen Waldenſer 
waren; welche Ehre ihres Urſprungs ihnen ſchon lange in 
der Geſchichte der Kirche zugeſtanden wurde. 

Daher ſind die Täufer die einzige chriſtliche Geſellſchaft, 
welche ſeit der Apoſtel Zeit beſtanden iſt, und welche als eine 
chriſtliche Gemeinheit die reine Lehre des Evangeliums durch 
alle Zeiten verwahrete. Die vollkommene, richtige, äußerliche 
und innerliche Einrichtung der Taufsgeſinnten iſt ein Beweis 
der Wahrheit, welche von denen der römiſchen Kirche geleugnet 
wird, daß die Reformation, welche ſich im ſechszehnten Jahr— 
hundert ereignete, im höchſten Grade nöthig war; ebenfalls iſt 


— 332 — 


es eine gänzliche Widerlegung der irrigen Meinung der Ka— 
tholiſchen, daß ihre Gemeinſchaft die älteſte ſei. So weit 
Doctor Ypeij und J. J. Dermont. 

Wegen der Beſchuldigung des Kirchengeſchichtſchreibers 
Mosheim, daß Menno Simon heimlichen Umgang oder 
Verkehr mit der münſteriſchen Secte ſollte gehabt haben, ob⸗ 
wohl in den Geſchichten Hollands nichts zum Vorſchein kommt 
eine ſolche Folgerung zu rechtfertigen; und wiewohl Menno 
Simons Leben, Wandel und Lehre gegen eine ſolche Ver— 
läumdung ſtreitet; alſo daß Niemand, der mit feinen ſämmt⸗ 
lichen Schriften und mit ſeiner Geſchichte bekannt iſt, einer 
ſolcher Beſchuldigung den geringſten Glauben beimeſſen 
kann, wollen wir dennoch hievon das Zeugniß eines Schrei— 
bers von einer andern religiöſen Verfaſſung anführen. 

„Es iſt“ ſagt der Autor vom ” Encyclopedia of Religious 
Knowledge.“ „Kein Schatten des Beweiſes der ſchädlichen 
Behauptung Mosheims, daß Menno Simon heimlichen 
Umgang mit der münſteriſchen Secte hatte, bis er es bequem 
fand, die Maske abzuwerfen.“ 

„Menno Simon“ (ſagt dieſer Schreiber) „war ein Mann, 
deſſen die Welt nicht werth war. Das Zeitalter, worinnen 
er lebte, war am wenigſten von allen geſchickt oder geneigt, 
feinem Namen Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen. Er bes 
hauptete Meinungen, welche nicht nur die Feindſchaft der 
Katholiſchen erregte, ſondern welche auch wenig Gunſt bei 

en großen Secten der Lutheraner und Calviniſten fand. 
Es iſt daher nichts Sonderbares, daß ſein Betragen nicht 
verſtanden; und fälſchlich dargeſtellt wurde.“ 

Die vielen und öfters heftigen Religionsſtreitigkeiten, nicht 
nur zwiſchen den Katholiſchen und Proteſtanten, ſondern oftmals 
zwiſchen den Proteſtanten ſelbſt; nebſt dem, daß die Geſchicht— 
ſchreiber der Mennoniten von einer Secte waren, deren Stifter 
von den Katholiſchen beſchuldigt wurden, Veranlaſſung zu dem 
münſteriſchen Aufſtand gegeben zu haben, mag die Urſache er— 
klären, woher fo viele unrichtige Berichte und falſche Darſtellun— 
gen wegen der Herkunft und Lehre Menno Simons und der 
Mennoniten entſtanden find. — Obwohl Martin Luther ſelbſt 
den Münſteriſchen auf das Eifrigſte widerſtand. Da aber die 
Lutheraner von den Katholiſchen wegen dem münſteriſchen Auf— 
ruhr beſchuldiget wurden und die Lutheraner die Schuld nicht 


= 339 = 


auf die Katholiſchen bringen konnten, weil der Katholismus 
eine niedrige, blinde und ſtumme Unterthänigkeit lehrt, war- 
fen die Lutheraner die Schuld auf die ſogenannten Wieder— 
täufer, mit welchen Menno Simon und die Mennoniten ſo 
wenig zu thun hatten, als die heutigen Lutheraner mit den 
Marmoniten zu thun haben; obgleich viel, ja der größte Theil 
Katholiſche und Lutheraner waren, die an dem münſteriſchen 
Aufruhr und dem Pöbelkrieg Theil nahmen. Denn ein 
katholiſcher Schreiber behauptet, es wären in dieſem Kriege 
bei hundert und dreißig tauſend Lutheraner umgekommen. 

D' Aubigne in feiner Geſchichte der Reformation berichtet, 
daß in Süddeutſchland allein in dieſem Kriege bei fünfzig 
tauſend Rebellen ihr Leben verloren. 

„Nach der Ueberwältigung der Rebellen“ ſagt dieſer 
Schreiber, „übten die Fürſten und Regenten unerhörte 
Grauſamkeiten aus, und vergoſſen ohne Unterſchied das 
Blut der Schuldigen mit denen, die in der Stille und Unter— 
thänigkeit nach Gottes Wort lebten.“ 


10 


Auszüge aus Gerhard Roſe's Geſchichte. 


Menno Simon wurde im Jahr 1495 zu Witmarſen in 
der Niederländiſchen Provinz Friesland geboren, und im 
Jahr 1524 in ſeinem 28ſten Jahre Mönch. 

Wie er aber durch Gottes Gnade erleuchtet wurde, beſchreibt 
er ſelbſt in ſeinem Ausgang aus der römiſchen Kirche. Auch 
daß er ſich in der Stille mit Leſen und Schreiben in des 
Herren Wort übete, daß 6, 7 oder 8 Perſonen zu ihm ges 
kommen und mit vielen Bitten ihn zum Predigen erſuchten 
(wahrſcheinlich waren es taufgeſinnte Waldenſer geweſen, 
die durch die Verfolgungen als zerſtreute Schaafe in die 
Niederlande gekommen ſind.) 

Es gehet deutlich hervor, daß Menno, nachdem er durch 
Gottes Gnade das Werk der Reformation hatte angefangen, 
gebraucht wurde, eines Theils, um die zerſtreueten Kinder 
Gottes zuſammen zu verſammlen; und andern Theils, weil 
die Zeit der allgemeinen Reformation gekommen war, um 
dazu auch ein Werkzeug in der Hand des Herrn zu ſein; wie 


— 334 — 


er auch darin, beſonders in den niederländiſchen Provinzen, 
während allen Verfolgungen und Gefahren, mit allem Eis 
fer gearbeitet hat. Er iſt einer der vornehmſten Lehrer und 
Aelteſten in jener blutigen und gefährlichen Zeit geweſen, und 
war in feiner herrlichen Ermahnung und Schriften alſo über— 
fließend, daß keiner von ſeinen Widerſachern ſich hat dürfen 
unterſtehen, in öffentlichen Schriften ihm frei unter die Au⸗ 
gen zu treten, ob er ſchon um ſolches zu unterſchiedlichen 
Malen mit großem Ernſt Anſuchung gethan hat; durch welche 
heilſame Lehre, chriſtliche Ermahnung und wirkende Kraft 
des Allerhöchſten er eine ſehr große Menge Menſchen aus 
der Finſterniß zu dem lebendigen Gott hat gezogen, bekehrt 
und gewonnen. Um deßwillen ſind ſeine Widerſacher um 
deſto mehr über ihn erbittert worden und haben, um ſolches 
zu verhindern und zu dämpfen, im Jahr 1543, den bluti⸗ 
gen und erſchrecklichen Verhaftsbefehl gegen ihn herausgege— 
ben, worinnen er vogelfrei erklärt wurde. — Sie ließen ſeine 
Geſtalt und Angeſicht abmalen und ſein Bildniß an die 
Pforten und öffentlichen Plätze anſchlagen, und auch durch 
ganz Weſtfriesland ausrufen, daß allen Uebelthätern und 
Mördern die Strafe ihrer begangenen Bosheit ſollte erlaſſen, 
dabei des Kaiſers Gnade, Freiheit des Landes, und über— 
dem hundert Karls-Gulden zugeſagt ſeien, wenn ſie Menno 
Simon den Scharfrichtern und Peinigern in die Hände lie— 
fern könnten. 

Auch ſehr unbarmherzig wurde verfahren gegen ſolche, wel— 
che dem Menno einiges Mitleiden erzeigten. Ein Mann, 
Namens Tiärt Reynerts, wurde gefänglich nach Leuwarden 
gebracht; die Urſache ſeiner Gefangenſchaft iſt geweſen, weil 
er Menno Simon aus Mitleiden und Liebe in feinem gro— 
fien Elend heimlich in fein Haus beherberget hatte. Als 
dieſes die Feinde ausgekundſchaftet hatten, iſt er ergriffen und 
grauſam verurtheilt worden, auf ein Rad gelegt und zu Tode 
gerädert, ob er ſchon ein Zeugniß auch von ſeinen größten 
Feinden hatte, daß er ein recht frommer Mann geweſen. 

Ob aber ſchon die Feinde gegen Menno über die Maaßen 
tyranniſch und mit großer Bitterkeit nach feinem Blut ge— 
dürſtet, und ihn zu tödten geſucht und verfolgt haben, ſo 
hat gleichwohl der Allmächtige Gott über ihn gewacht und 
ihn bewahret, ja gegen die Hoffnung ſeiner Feinde wunderbar 


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beſchützet; alſo daß fie nicht konnten an ihm ihren Muth— 
willen ausüben. — Ein Verräther, der ſich glaubte ſeiner 
Sache gewiß zu ſein, verkaufte Menno um eine gewiſſe 
Summe Geldes, um ihn entweder den Tyrannen in die 
Hände zu liefern oder ſelbſt ſeinen eigenen Kopf dafür zu 
laſſen. Er hatte den Ort genau ausgekundſchaftet, und den— 
noch iſt Menno ſeinen Händen auf eine wunderbare Weiſe 
entgangen. 

Es iſt geſchehen, daß der Verräther ſammt dem Offizier, die 
ausgezogen waren, den Menno zu ſuchen und fangen, unver— 
ſehens in einem Kahn demſelben auf dem Kanal begegneten. — 

Der Verräther aber ſchwieg ſtill, bis Menno vorbei war, 
welcher auf das Land ſprang, um mit weniger Gefahr zu 
entgehen; hernach ſprach er: ſehet da, der Vogel iſt uns ent— 
wiſchet. Der Offizier ſtrafte ihn darum, ſchalt ihn einen 
Schelmen, und ſagte, warum er es nicht bei Zeiten geſagt 
hätte. Aber der Verräther antwortete: ich konnte nicht res 
den, denn meine Zunge wurde mir gehalten. Solches haben 
die Herren ſo übel aufgenommen, daß ſie den Verräther hart 
geſtraft haben, allen blutdürſtigen Verräthern zur Warnung 
und Lehre. 

Und wiewohl Menno hierunter nicht muthlos wurde, 
ſondern noch eine geraume Zeit unter beſtändigen Todesge— 
fahren in ſeiner Arbeit aushielte, ſo wurde er dennoch end— 
lich unter falſchen, ungünſtigen Umſtänden genöthigt, ſein 
Vaterland, die Niederlande, zu verlaſſen und nach Wismar 
im jetzigen Großherzogthum Meklenburg, zu flüchten. Aber 
auch dieſer Aufenthalt war von keiner langen Dauer; denn 
er war durch häufige Verfolgungen gezwungen, ſich von dort 
wieder zu entfernen.“ 

Menno, durch Verfolgungen nicht abgeſchreckt, ſondern in 
feinem Entſchluſſe deſto mehr geſtärkt, aber jetzt wegen der 
weitern Flucht doch in Verlegenheit — wanderte dann nach 
Dänemark in das Herzogthum Holſtein, weil er erfahren 
hatte, daß etliche ſeiner Glaubensgenoſſen zu Freſenburg bei 
Oldeslo geduldet ſeien. Zu Freſenburg iſt Menno mit den 
Seinigen aufgenommen worden; dort fand er Schutz und 
Schirm und den Ort ſeiner Ruhe. Der Adelige Gutesherr 
von Freſenburg, welcher zur Zeit der heftigen Verfolgungen 
der Taufgeſinnten, in den Niederlanden in Kriegs dienſten 


— I — 


geftanden und Mennd's Grundſätze näher hatte kennen ler— 
nen, geſtattete dem gottesfürchtigen und für Gott eifernden 
Menno Simon zu Freſenburg ſtäten Aufenthalt, ungeſtörten 
Gottesdienſt und die Errichtung einer Buchdruckerei. 

Von da aus verbreitete Menno ſeine Lehre allgemein, wo— 
durch auch die unpartheiiſchen Obrigkeiten die falſchen Beſchul— 
digungen gegen ihn geſehen; und die großen Verfolgungen 
mit der Zeit aufgehört haben. Die Kraft der Wahrheit hat 
auch Vielen die Augen geöffnet, und eine große Reformation 
durch die Gnade des Herrn an vielen Orten zuwege gebracht; 
wiewohl nicht mit Gewehr und Waffen, noch mit dem Arm 
der Könige und Fürſten, ſondern blos und allein mit 
dem Schwert des Geiſtes, welches iſt das Wort Gottes, 
Eph., Kapitel 6. Vers 17. gewehret und durchgebrochen, bis 
er endlich nach erlangter Ueberwindung in dem Dorf Wüſten⸗ 
feld, unweit Lübeck, in der Stille gelebet bis an ſein Ende, 
welches geweſen iſt den 31ſten Januar 1561, in dem 66ſten 
Jahre ſeines Lebens, da es den Allerhöchſten beliebte, dieſen 
Kreuzträger von dieſer mühevollen Welt in die ewige Ruhe 
aufzunehmen. 

Die richtig vor ſich gewandelt haben, kommen zum Frieden 
und ruhen in ihren Kammern, Jeſaias, Kap. 57. Vers 2. 


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