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Full text of "Ethnographie von Ungarn"

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Ethnographie von Ungarn. 



^ 



(D 



ETHNOGRAPHIE 



VON 



UNGARN. 



* i; 



PAUL HUNFALVY. 



MIT ZUSTIMMUNG DES VERFASSERS INS DEUTSCHE ÜBERTRAGEN 

/• 

ProfH. H. ^chwickefj. 




BUDAPEST, 1877. 



FRANKLIN-VERKIN 

UNGARISCHE LITERARISCHE ANSTALT UND BUCHDRUCKEREL 






f\, ^Q'nr)f\n \ Harvard coLuet libkabt 



HARVARD COLLEGE LIBRARY 



y f: 



Druck des Franklin-Verein. 



\ 



INHALT. 



Vorwort des Verfasser'^ 
Vorrede des Uebersetzers 



Einleitung. 



§ 


1. 


§ 


2. 


§ 


3- 


s 


4. 


§ 


5. 


§ 


6. 


§ 


7. 


§ 


8. 


^ 


9. 


§ 


lo. 


8 


11 


§ 


12. 


§ 


13. 


^ 


14. 


§ 


15. 


s 


lf> 


g 


17 



Raceneintheikmg nach BLL'UESBA(H und MORTON 

*Die Clas^sificirungtn von Rktzics » . . . 

Die Classiiici mögen Hermann WELCKER's 

Die Schädelmessungen WElSSBACH's . .^* 

Die Clas.sificirung Fr. Müller's nach den Kopfhaaren ..,...,. 

Stoff und Form der Sprache 

Verschiedenheiten der Sprache ; \V. HUMBOLDT ... 

Die Spracheintheilung nach Fr. SCHLEGEL und POTT 

Die Classificirung von Max MOller 

Unter.schicde zwischen den ari.schen, .semitischen und altaischen Sprachen 

Die ClaÄsificining der Sprachen nach STEINTHAL 

Physiologische Gassificirung der Sjirachen ...,.,.., 

Genealogische Eintheilung . . , , . .......... 

Fr. Möller über die Verschiedenheiten de.s Menschengeschlechtes . , , 

Oskar Peschkl's Ethnographie 

Ethnoj^raphisohc Unsicherheiten . 

Die Nation bildet sich durch Sprache, Ge^^ellschaft und R'^ligion ... 



Erster Abschnitt. 
Ungarn U7id Sübenbürge/i vor der Einwanderung der Magyaren. 

L Vorhistorische Zeit. 

{; l8. Vorweltliche Thiere ; Sletn-, Bronze- und Eisenpfriode , :^6 

g 19 Die ältesten Nachrichten über Ungarn und Siebenbürgen ... .40 

n. Römische Periode. 

20 Die Römer erobern Pannonicn und Dacien 45 

21, Bevfdkerung von Pannonien und Dacien , 5t* 

22. Jazygier. Quaden . 56 

23 Daker, Pannonier^ Nichtslaven , , 60 



VI 

Stite 

in. Germanisch-hunnische Periode. 

§ 24. Gothen, Gepiden, Wandalen 67 

§ 25. Hunnen (Attila u. s. w.) 7ü 

§ 26. Wohnsitze der Hunnen und der übrigen Völker im Reiche Attila's : 

Gepiden, Langobarden • 77 

IV. Die Avarenzeit. 

§ 27. Das Auftreten der Avaren ; Bajan . . . •. 83 

§ 28. Völker im Avarenlande : Gepiden, Bulgaren, Slaven, Avaren 87 

§ 29. Der Avarenkrieg 99 

V. Die Periode der fränkisch-deutschen Herrschaft. 

§ 30. Die Einrichtungen Carl des Grossen •, Avaren, Slaven iü2 

§ 31. Das angebliche «Theiss-Bulgarien» 106 

§ 32. Die Missionsthätigkeit der Salzburger Kirche; Priwina, Kozel lli 

§ 33. Bekehrungen der Chazaren, Bulgaren und Slaven 115 

§ 34. Arnulf und Swatopluk ; die Klagen der deutschen Bischöfe 119 

§ 35. Alte Ortsnamen; das Salz • • • • 1^3 

Zweiter Abschnitt. 

Ungarn und Siebenbürgen nach der Einwandenmg der Magyaren. 
§ 36. Das ehemalige Avarenland w^ird Ungarn 127 

ERST K S C A P I T E L. 
Die Magyaren. 

I. Die Urgeschichte der Magyaren nach dem Zeugnisse der Geschichtsquellen. 

§ 37. Ihn Dasta. Die Nachrichten Leo des Weisen 129 

§ 38. Die Nachrichten des Constantinus Porphyrogenitus 134 

A) Von den Chazaren 13^> 

B) Von den Petschenegen 137 

C) Von den Magyaren 139 

II. Die Urgeschichte der Magyaren nach dem Zeugnisse der Sprache. 

§ 39. Das Zeugniss der Sprache wird durch die verwandten Sprachen ver- 
ständlich 145 

1. Die genetische Periode der Magyareji. 

§ 40. Die Theile des Körpers, natürliches und sittliches Leben, die Dinge und 
Erscheinungen der äusseren Natur, Familie und gesellschaftliches lieben, 
Zahlwörter, nominale Postpositionen, die ursprüngliche Religion 146 



Vll 

Sfiie 

2. Die Periode des türkischen Eniflusses. 

§ 41. Die Ugren und ihr Land (Ugorien). T)i«^ Urheimat der Magyaren, ihre 

Wanderungen. Türkische Wörter. Die Sprache der Chazaren 172 

3. Die Periode des slavische?i Einflusses. 

§ 42. W^elche slavischen Wörter finden sich im Magyarischen und aus welchem 

slavischen Dialecte ? 170 

III. Die Urgeschichte der Magyaren nach den magyarischen Chroniken. 

§ 43. Simonis de Keza, die Chronik des Markus, des Thuroczi, des Anonymus 185 

§ 4A. Die Bestrebungen Pilgrim'.s. Die Hunnensage 196 

§ 45- Die Szekler. Das Zeitalter der ältesten ungarischen Chronik 200 

IV. Das Christenthum und Königthum bei den Magyaren. 

§ 46. Rivalität zwischen Ron) und Constantinopel. Die Fälschungen Pilgrim's 204 

§ 47. Das Prager Bisthum. Stefan der Heilige 209 

§ 48. Das Wiederaufleben des magyarischen Heidenthums. Das kirchliche 

Schisma. Ladislaus der Heilige 213 

§ 49. Ismaeliten, Bulgaren, Juden 218 

8 50. a) Ausdehnung des ungarischen Königreichs. Thronerbe. Die Würde des 

«Uram». Jobagyen 221 

h) Erdo-elv (Erdely - Siebenbürgen) 227 



V. Völkerankömmlinge, die mit den Magyaren verschmolzen. 

§ 51. Petschenegen 230 

§ 52. Kumanen und Jazygen (Jaszen). Tartaren . ... 235 

§ 53. Fhis.snamen 247 

§ 54. Die Nationalität der Hunnen, Bulgaren, Chazaren, Avaren, Petschenegen 

und Kumanen 251 

VI. Der gegenwärtige Stand des magyarischen Volkes. 

§ 55- Blüthe des Magyarenthums im 16. und 17. Jahrhundert. Zahl der magya- 
ri.schen Ortschaften. Anzahl und Confession der Magyaren. Anzahl der 
übrigen Nationalitäten in Ungarn 265 

§ .=)6. Zoologi.sche Charakteristik der Magyaren 273 

ZWEITE S C A P I 1^ E E. 
Die Deutschen. 

g 57. Der grosse Einfluss der Deutschen 276 

§ 58. Deutsche Colonien, Städte 277 

g 59 Die Deutschen und die Ki rchen reformatio n. Die Gegenreformation und 
das Deutschthum. Deutsche Colonisirungcn unter Carl VI (HI.), Maria 
Theresia und Josef II 283 



VIII 

Seite 

§ 60. Die Deutschen oder Sachsen in Siebenbürgen. Anzahl und Confession 
^J;. der Deutschen. Deutsche und Nichtdeutsche Die Schulbildung bei den 

t. • Deutschen. Ihr zoologischer Charakter 289 

i. 

^ D R I T T E S C A P I'I' E L. 

i Die Slaven. 

f.. . § 61. Der Zustand der Slaven bei Ankunft der Magyaren. Die Meinungen 

^: I Palacky's und BÜDiNGER's 298 

y.. A) Die Slovake^i (deren Name, ihre Verbreitung, Anzahl, literarische 

( Verhältnisse. SCHAFARlK, J. Kollär) 301 

%: B) Die Polen ' 305 

\ . C) Die RutheJieii (Anzahl, Name, Verbreitung, Zeit der Einwande- 

;."^ rung, Confession) 305 

§ 62. D) Die Bulgaren 308 

E) Die Serben (frühere serbische Ansiedlungen in Ungarn ; Zehent- 
V,. befreiung ; erste Spuren der . serbischen Hierarchie ; die grosse 
■ : serbische Einwanderung ; serbische Privilegien ; staatsbürgerliche 
. * Verhältnisse ; Benennungen ; kirchliche Zustände ; Verbreitung ; 

Anzahl ; Charakter ; literarische Verhältnisse ; Obradovks ; die 
Schokäczen und Bunyevaczen) 309 

F) Die Croaten 330 

G) Die Wenden 332 

VIER T E S C A P I 'Y E I.. 
Die Rumänen, 

§ 63. Ansichten über den Ursprung der Rumänen. KoGALNiTSCHAN 334 

§ 64. Das rumänische Volk und seine Sprache ist nicht im heutigen Sieben- 
bürgen, sondern in Rumelien entstanden 342 

§ 65. Historische Spuren der Rumänen oder Walachen. Fremde Wörter im 

Walachischen 346 

; § 66. Rehgiöse und kirchliche Verhältnisse. Zustände der siebenbürgischen und 

\' Marmaroser Walachen 349 

§ 67. Rumänische Bischöfe. Kirchhche Union. Anzahl der Rumänen .... 356 
\ 

V 

FÜNFTES CA PI TE L. 
Die Zigeuner. 

§ 68. Verwandtschaft. Einwanderung. Zustände der nomadisii enden und der 

sesshaften Zigeuner. Zigeunermusik. Anzahl 362 



IX 



Seite 



SECHSTES C A P I T E L. 
Die Armenier, 

§ 69 Ihre Niederlassung. Kirchliche und sociale Verhältnisse. Anzahl 365 

SIEBE N T E S C A P I T E L. 
Die Juden. 

§ 70. Erstes Auftreten der Juden in Ungarn. Ihre Verhältni.sse während des 
Mittelalters. Toleran2taxe. Allmälige Emancipirung. Vermehrung und 
Anzahl der Juden in Ungarn. Sociale Einflüsse derselben. Der Grund- 
besitz und die Juden 367 

Rückblick 375 

Anmerkungen und Nachträge 379 



Vorwort des Verfassers. 



Die Ethnographie von Ungarn behandelt der Natur der 
Sache gemäss sämmtliche Volksstämme, welche auf dem Gebiete 
der ungarischen St, Stefanskrone wohnen. Nachdem aber der 
Jetzige Zustand nur das Product vergangener Zeiten ist, so 
niuss sich diese Ethnographie auch mit der allgemeinen Ge- 
schichte dieser Völker beschäftigen. Diesbezüglich erscheint 
jedoch eine bestimmte Grenzlinie für geboten, Deutsche, Slaven, 
Juden u. s. w. ^vohnen nicht blos in Ungarn, sondern auch 
anderswo. Deren ursprüngliche und allgemeine Geschichte 
gehört also nicht in eine Ethnographie von Ungarn; diese 
kann sich diesbezüglich nur mit den besonderen, d. i. ungar- 
ländischen Schicksalen jener Volksstämme, welche deren sociale 
Bedeutung in Ungarn kennzeichnen, befassen. Unter einen 
I ganz andern Gesichtspunkt fällt das magyarische Volk; denn 
die Erforschung von dessen Ursprung, Gestaltung und Schick- 
salen ist die erste Aufgabe einer Ethnographie von Ungarn. 
^— Allein für uns ist auch das rumänische oder walachische 
Volk von besonderer Wichtigkeit; ja, als ein vor unseren 
_Augen entstehendes und sich entwickelndes Volk besitzt das- 
^Ibe auch für die allgemeine Ethnographie ein lehrreicheres 
iteresse, als irgend ein anderes Volk, dessen Ursprung und 
Entwickelung man nicht in solcher Weise von Stufe zu Stufe 
verfolgen kann, wie das bei den Rumänen der Fall ist. 



xn 

Bei meiner Auffassung von Volk und Nation haben die 
anthropologischen oder vielmehr zoologischen Beschreibunger 
nur geringen Werth. Nicht die Formen des Schädels, nocl 
das AVachsthum der Haare oder die Farbe der Haut machen 
den Menschen oder ein Volk ; sondern nur allein dessen 
Sprache und sociales Wesen, In meiner Ethnographie fand alsd 
die Darstellung dessen, in welcher Gestalt uns die Natur de^ 
Menschen zeigt, nur spärlichen Raum ; desto mehr Rücksichl 
schenkte ich der Erscheinung des Menschen in der GcschtchM 
d, i. seiner Darstellung durch sich selbst. 

Ich kann mich dessen nicht berühmen, alles CharakteJ 
ristische, das die Geschichte bieten mag, beigebracht zu haben! 
doch war ich überall bemüht, nur historisch Wahres zu geber 
Aus diesem Grunde überging ich auch die eine oder die anderä 
Ansicht, weil si^ der geschichtlichen Unterlage entbehrt. 

Es konnte meine Absicht nicht sein, ein vollkomm ene^ 
Werk liefern zu wollen ; allein ich hege die Hoffnung, das 
es mir gelungen ist, hie und da die Bahn zu brechen, au 
welcher ein weiteres Fortschreiten leichter möglich sein AvirdI 



Patil Hnnfalvy, 



Vorrede des Uebersetzers. 



Herr Paul Huxfalvy hat in seinem «Vorwortei* den Stand- 
punkt gekennzeichnet, von dem aus er seine «Ethnographie 
von Ungarn* geschrieben hat und beurtheilt wissen will. Es 
ist der sprachhch-historische Gesichtspunkt, unter welchem der 
Verfasser dieses Ruches insbesondere die Entstehung, Bildung 
und Schicksale des magyarischen Volkes behandelt; den übrigen 
Volksstämmen Ungarns wurde nur eine mehr cursorische Be- 
rachtung zu Theil, nur die Rumänen machen hiervon eine 
Lusnahme. Die Motive dieser verschiedenen Behandlung sind 
>ppelter Natur i einmal bestehen über die deutschen und 
ivischen Völker bereits umfassende und eingehende For- 
bhungen und dann, insoferne dies nicht der Fall wäre, kommt es 
3ch nicht der ungarischen Wissenschaft zu, diese Forschungen 
>er Stämme anzustellen, von denen oft nur kleine Bruchtheile 
leses Land bewohnen. Diese Aufgabe zu lösen ist Sache jener 
inder, wo diese Volksstämme auch heute noch ihren ethno- 
rapbischen Hauptsitz haben. 

Was nun den wissenschaftlichen Werth der vorliegenden 
irbeit betrifft, so wird die competente Kritik hierüber das 
Trtheil fallen; weder der Verfasser, noch def deutsche Bear- 
?iter wollen ihr diesbezüglich vorgreifen. Nur auf einige 
rientirende Momente sei hier hingewiesen. Ungarns Ethno- 
raphie woirde zum ersten Male systematisch behandelt in dem 



grossartig angelegten, doch unvollendet gebliebenen Werke i 
«CzoERNiG, die Ethnographie der österreichischen Monarchie « 
(Wien, 1855^57), von welchem Werke jedoch nur erschiener 
sind: Band I., i. Abtheilung und die Bände IL und III, Diese 
letzteren beschäftigen sich ausschliesslich mit Ungarn unc 
seinen Nebenländern und bringen im obgenannten Werkö 
dessen « Ethnographie» zum Abschlüsse. Niemand läugnet dasi 
Verdienstvolle dieser Arbeit. Der Verfasser, V. v, HäufflerJ 
hat mit grossem Fleisse ein reiches Material zusammengetragenil 
und in einzelnen Parthien auch bis heute noch Vortreffliches^ 
geleistet, Ueber die Deutschen und Serben z. B. sind die Mit- 
theilungen in der «Ethnographiej^ von namhaftem WertheJ 
Andere Abschnitte des Werkes wurden jedoch von der wissen^ 
schaftlichen Forschung der letzten 20 Jahre weit überhol tJ 
Dies gilt namentlich in der Hauptfrage einer Ethnographiel 
von Ungarn. Was Hauffler über Munnen, Avaren, Magyaren,! 
Petschenegen, Rumänen, Bulgaren etc., sowie über die Bildunj 
des walachischen Volkes sagt, entspricht schon lange nicht! 
mehr den Anforderungen der Wissenschaft. Eine einfache Ver- 
gleichung der betreffenden Abschnitte bei lE^UFFLER mit der 
vorliegenden Buche wird dies für Jedermann bald deutlicl 
machen. 

Diese «Ethnographie von Ungarn 1^ verfolgt ihren beson- 
dem, selbständigen W^g. Bei der Unvollkommenheit der ein- 
schlägigen kritischen Vorarbeiten war der Verfasser vielfaclr 
genöthigt erst selber ^^n Schutt hinweg"zuräumen, w^elchenl 
Vorurtheile, kritiklose Aufzeichnungen oder Verwahrlosung auf- 
gehäuft hatten. Aus diesem Grunde kann das Buch an manchen! 
Stellen nur mühsam vorwärtsschreiten und musste der FIuss 
ruhiger Erzählung und Erörterung durch kritische Auseinander- 
setzungen unterbrochen werden. Die Resultate dieser Arbeit] 
sind jedoch lohnend gewesen. Die viel ventilirte «Abstammungs- 
frage« der Mag}"aren und die sich daran knüpfenden histo-J 



XV 



en, ethnographiischen und sprachlichen Probleme sind hier 
ihren wesentlichsten Momenten /um Ahschlusse gebracht. Die 
weitere Forschung wird im Einzelnen noch Manches schärfer 
und eingehender beleuchten; allein in der Hauptsache kann 
Jene Frage kein Gegenstand weitem Zweifels sein. Der Streu 
ffnes Jahr hunder Is hat seine wissenseha/tliche Erledigung gefimden. 
♦Aber auch in Bezug auf sonstige historische Verhältnisse des 
ungarischen Mittelalters, namentlich mit Rücksicht auf die 
socialen Zustände» wird der Leser so manche dankenswerthe 
Aufklärung in diesem Buche finden. In der Auffassung und 
Behandlung aller Fragen bekundet dieses Werk eine vor- 
heilsfreie Objectivität, ein unbeirrtes Streben nach der 
torischen Wahrheit und eine Unbestechlichkeit im Urtheile, 
sonst nicht alle Tage und nicht überall anzutreffen ist. 
Auch die deutsche historische Wissenschaft leidet hie und da 
';und in letzterer Zeit mehr als früher) an der Neigung, die Ver- 
gangenheit im Lichte der Parteien unserer Zeit zu betrachten, 
üeber das Verhältniss dieser deutschen Bearbeitung zum 
magyarischen Originale nur noch wenige Worte. Es ist diese 
Bearbeitung keine sklavische Uebersetzung ; sondern unter 
^^ustimmung des liutors wird dem deutschen Publicum eine 
Bearbeitung übergeben, die in einzelnen Th eilen eine wesent- 
liche Erweiterung des Originals ist. Neigung und Studium 
hatten den Bearbeiter schon früher auf dieselbe Spur wissen- 
:haftlicher Forschungen geführt und ihn mit der einschlägigen 
teratur vertraut gemacht. Diese seine eigenen Arbeiten auch 
Dienste des vorliegenden Buches zu verwerthen war ihm 
so mehr ermöglicht, als er sich in den meisten Punkten 
vollständiger Uebereinstimmung mit dem Verfasser befand, 
hat derselbe nicht blos in Bezug auf die literarischen Nach- 
ise die Belege de.s Originals vervollständigt, sondern auch 
Texte selbst an verschiedenen Stellen kleinere und grössere 
ätze beigefügt. Das Letztere gilt insbesondere für die 



XVI 

Capitel über die Deutschen und Slaven. Das Capitel über die 

p Serben ist nahezu ausschliessliches Eigen thum des Bearbeiters, 

!> wofür er natürlich auch die Verantwortung übernimmt. Aeusser- 

*■. lieh sind die Zusätze des Bearbeiters durch Einschlusszeichen 

1-; {^—^) unterschieden. 

;i.- Verfasser und Bearbeiter übergeben dieses Buch der Litera- 

■^ tur mit dem einzigen Wunsche, durch dasselbe der Wissenschaft 

jV- und ihrem Vaterlande einen kleinen Dienst geleistet zu haben. 

v" Budapest, am i8. October 1876. 

^^ ^^0/. I. H. Schwicke7\ 




Einleitung. 



5 I. 

Blumenbach,* der Begründer der wissenschaftlichen Anthropologie, 
th eilte das Menschengeschlecht nach der Hautfarbe in fünf Stämme oder 
Ra^en (varietates) ein ; in den kaukasischen oder weissen, den mongoli- 
schen oder gelben, den maia^nschen oder braunen, den Neger^y schwarzen 
oder äthiopischen, und in den amenka?tischtm oder rothen Stamm. Seit- 
dem wendete sich jedoch die anthropologische Forschung vorzugsweise 
dem Schädel, als jenem Theile des menschlichen Körpers zu, dessen 
Bildung die geeigneteste Basis zur Classeneintheilung unseres Geschlech- 
tes bildet. 

Der amerikanische Gelehrte Samuel Georg Morton* acceptirte 
anfanglich die BLUMENnACH'sche Ra<jeneintheilung, richtete jedoch später 
sein Hauptaugenmerk auf die Schädel/ormaiion und gab im Jahre 1859 
sein grosses Werk «Crania Americana» zu Philadelphia heraus. In die- 
sem Werke sind die Resultate seiner wiederholten Untersuchungen über 
die Schädelbildung der amerikanischen Völkerschaften niedergelegt und 
es fand dasselbe nicht nur jenseits des atlantischen Oceans^ sondern 
auch in Europa grossen Beifall. Retziits, den wir bald näher kennen 
lernen werden, schrieb ihm im Jahre 1847 : <<Sie haben für die Ethnologie 
mehr geleistet als irgend Einer der lebenden Physiologen und ich hoife,. 
dass Sie die Pflege dieser Wissenschaft, -^velche so überaus interessant 
Ist, fortsetzen werden.» Morton behauptet in dem erwähnten Werke, 
dass die amerikanischen Völkerschaften (mit Ausnahme der nahe am 
Nordpol wohnenden Eskimos und anderer Stämme, welche man vPoiar- 
tfolkir^ [Arktiker] nennt) sämmtlich einem Stamme angehören, der sich 
in zwei Zweige theilt, und dass dieser amerikanische oder kupferfarbige 
Stamm (die amerikanischen Gelehrten nennen ihn «red manj« — Roth- 
niann^ Roth haut) von den übrigen Menschenstämmen, auch vom mon- 
golischen, verschieden sei ; denn was zwischen beiden als Aehnlichkeit 
erscheint, kann von der Einwanderung aus Asien herstammen, es kann 
aber auch dem Einflüsse des gleichen Klimas zugeschrieben werden. ~ 
Nachdem Morton sich später mit Gliddon, dem Beauftragten des 

Hunfalvy^ Ethnogr. 



1 




äg>ptischen Vicekönigs Mehmed Ali, vereinigt hatte, verschaflfte er sie 
auch ägyptische Schädel und veröffentlichte im Jahre 1844 seine «Cran 
Aegyptiaca*. Auf solche Weise verbreitete sich sein Ruf und er sau 
melte aus allen Theilen der Erde Schädel; sein Einfluss gab der Ethiid 
logie in Amerika grossen Aufschwung, wo ohnehin das Zusammentreffe 
der Rai;fen zu derlei Forschungen grösseren Antrieb bot als irgend anderswJ 
In Amerika begegnen bekannt licli der europäische und der Negerstan 
einander nicht nur auf socialem, sondern auch auf staatlichem Gebiete 
hier trifft der Europäer mit den eingebomen Rothhäuten » deren Za 
zusehends abnimmt» zusammen ; hier berührt sich der Kaukasier 
dem asiatiscl^en Einwanderer, namentlich mit dem Chinesen. — Bli 
MENRACH nahm für die fünf Menschen stamme einen emheiilkken Uj 
Sprung an ; Morton sah sieh durch das Resultat seiner Untersuchunge 
genöthigt» nicht bios eine grossere Zahl von Menschenrayen anzunehme 
(er setzte deren Anzahl auf 23), sondern diesen auch eine derartige Sti 
bilität beizulegen, dass seiner Annahme zufolge zwei verschiedene Ra^e 
nicht einerlei Ursprungs sein können. Den Stamm oder die Ra9e nannj 
er Typtis und bezeichnete damit eine solche ursprüngliche bestäjidi| 
Form, welche sowohl vom Klima, wie von anderen natürlichen Einflüssel 
unabhängig sei. Der I\Iensch sei zwar überall den äusserlichen Einwir- 
kungen ausgesetzt, aber diese verändern niemals seinen ursprünglichi 
Typus. 3 



§ 2. 



RetziitS'* stellte nach der Biidung des Schädels und dts Antlifä^ 
(des Gesichtes) eine neue Classificirung auf. Darnach ist der Schäd 
ent wieder hing, wenn seine Länge grösser ist als die Breite, so verhä 
sich z. B. die Länge eines schwedischen Schädels zu seiner Breite 
1000:773, d. i. beinahe wie 9:7, derselbe ist also, von oben betrachte 
eiförmig (oval) ; oder der Schädel ist kurz^ wenn seine Breite seiner Länge fa 
gleichkommt, so ist z. B. die Länge eines slavischen Schädels nach Retzie 
zu seiner Breite wie 1000:888, oder wie 8:7; ein solcher Schädel nä 
hert sich also, von oben betrachtet, dem Vierecke oder der KugelgestaM 
Darnach unterscheidet man Liingköp/e (Dolichocephalen) und Kurzkdpk 
(Brachycephalen). Die Länge der Schädel wird durch das Hinten 
haupt (occiput) bewirkt; dieses ist bei den Kurzköpfen nur wenig vob 
stehend. 

Die Antlitz- oder Gesichtsbildung wird durch die Richtung dd 
Kinnes und der Zähne bestimmt. Stehen Kinn und Zähne gerade a| 
wärts, dann wrird das Profil nahezu serjkn'ik/; treten dagegen Kil^ 
und Zähne nach vorne, so entsteht die ihürische Nase (die Schnauzti 



Im ersten Falle entstehen die Geradzähner (orthognathische Bildung), 
irn. letztern die Schuf zähner (prognathische Bildung). 

Indem Retzius je zwei Bildungen des Schädels und des Gesichtes 
zusammenfasste, erhielt er folgende vier Typen: 

1 . Langköpß mit geraden Zähnen (dolichocephalisch-orthognathischer 
Typus) ; 

2. Langköpfe mit schüfen Zahnen (dolichocephalisch-prognathischer 
Typus) ; 

3. fCurzköpfe mit geraden Zähnen (brachycephalisch-orthognathischer 
Typus) und 

4. Kurzköpfe mit schiefen Zähnen (brachycephalisch-prognathischer 
Typus). 

Darnach stellte Retziüs mehrere male (in den Jahren 1842, 1844» 
j8 52und 1856) sein ethnologischem» System auf; das letzte und vollstän- 
dig-ste dieser Systeme veranschaulichte er auch durch eine ethnologische 
Landkarte. Nach dieser Karte wohnen im östlichen Europa, dann auf 
dem grossen Gebiete Asiens bis zum Himalaja, bis nach Persien und 
Arabien, endlich in der Westhälfte Amerikas, vom Norden bis nach dem 
Süden, und zwar den ganzen südlichen Theil mitin begriffen, kurzköpfige 
^^ölker (Brachycephalen) ; dagegen in Westeuropa, in ganz Afrika, in den 
südlichen Theil en Asiens, in Australien und in den nördlichen und öst- 
liclieii Theil en von Amerika Langköpfe (Dolychocephalen), 

Geradzäh nige Kurz köpf (Gentes brachycephalae orthognathae) sind 
in Europa : 

die Ugren, mit welcher Benennung Retzius die Samojeden, Lap- 
pen, Wogulen, Ostjaken, Permier, Wotjaken, Tscheremissen, Mordwinen, 
^schtruki sehen, ^lagyaren und Finnen bezeichnet ; ^ 

die Neugriechen, 
die Albanesen, 
die Etrusker, 
die Rhätier, 
die Basken. 

Geradzäkm'ge Langköpfe (Gentes doHchocephalae orthognathae) in 
Europa sind : 

die Germanen, und zwar: die Norweger nnd Normannen, die 
Schweden, Dänen, Holländer, Flaraänder, Burgunder, Deutschen (die 
eigentlich germanischen Urspnmgs und nicht gemianisirte Slaven sind), 
w Angelsachsen, die Gothen; 

die Kelten, die englischen, irischen und schottischen Kelten, die 
"allonen und Gallier in Frankreich ; 
die eigentlichen Römer; 
die alten Griechen, 



Schü/zähmge Kurzkop/e (Gentes brachycephalae prog^athae) ifl 
Asien sind i 

die asiatischen Ugren (so nennt Retzius die asiatischen Samoje 
den und Jakuten) j 

die asiatischen Türken, Turkomanen und Tataren ; 

die Mandschuh's und Mongolen, 

die Malajen u, s. w. 

Gcradzähm'g^ Langkiipfe (Gentes dolichocephalae orthognathae) ii 
Asien sind : 

die Hindus, 

die Perser, 

Araber, 

Juden u. s, w. 

Schüfzähnige Langköpß (Gentes dolichocephalae prognathae) in 
Asien sind: 

die Tungusen, 

die Chinesen, 

die Japanesen u. s, w. 

Alle Völker Afrikas sind Langköpfe, aber mit schiefstehenden ZäB^^ 
nen; auch in Amerika gibt es solche schiefzähnige Langköpfe. Nehen^ 
bei sei erwähnt, dass Retzius die Tschuwaschen zu den europäischen« 
die Jakuten aber zu den atiiatischen Ugren zählt, weil er nicht gewusst hatJ 
dass beide Volksstämme einen türkischen Dialekt besitzen. 5 Auch seif 
noch bemerkt, dass er im Jahre 1842 unter Anderem Folgendes schrieb: 
«In Europa gibt es Formae doHchoccphalae orthognathae et brachy-1 
cephalae orthognathae. Die erste Form herrscht in den kleineren, be-j 
völkerten und gebildeteren Theilen vun Westeuropa» die andere in de 
grösseren, weniger bewohnten und unciviüsirteren Theilen des östlicheul 
Europas, Die euro]iäischen Gentes dolichocephalae orthognathae sind 
also; die Schweden, Norweger, Danen, Holländer, Engländer (Kelten)J 
Franzosen, Irländer, Schotten und Belgier,»*' Aber in der Classificimng 
vom J. 1S56 findet Retzius, wie wir gesehen haben, nur die gtimaniA 
sc htm S/ctmme ttUsprossenen Dmtsthen als Dolichocephalen. 

§3. 

Die Schädelmessungen setzten insbesondere der Engländer Bi 
NAKD Davis und der Deutsche Herm Axx Welcker fort und ihnen ver- 
dankt man diesbezüglich die exaktesten Bestimmungen. Indem sie die 
Länge als Einheit nahmen und dieselbe in 100 gleiche Theile theilten, 
drückten sie die Schädelbreite durch die Perccnte jener Einheit aus und 
nannten diese den ßnihn-lndix. Einen vollkommen runden oder kugel- 
förmigen Schädel zeigt also jener, dessen Index gleich 100, das heissi,. 



dessen Breite und Länge gleich ist. Und derartige Schade! kommen in 
der That unter den amerikanischen Völkern vor. Unter den bekannten 
Schädeln kommt diesen am nächsten ein Tatarenschädel, dessen Breiten- 
Index 97*7 beträgt ; dagegen wäre der schmälste ein Neuseeländer 
mit 69*9 Index, ja bei Davis findet sich ein angeblich keltischer Schä- 
del mit einem Index von 58. Der Index schwankt also zwischen den 
beiden Extremen von 58 bis 98; die Durcbschnittszaliilen sind 67^ — 85. 
Nach den Erfalirungen Welcker's bewegt sich bei der Hälfte des ge- 
sammten Men.schengeschlechtes der Index zwischen 74^78; Schädel von 
solcher Breite oder mit solchem Index nennt er orihocephaiische^ Andere 
gebrauchen dafür Heber die Bezeichnung mesoaphaimh. 

Bei Annahme dieser letzteren Benennung stellt sich die Classifici- 
mng nach den Schädeln in folgender Weise: 

DoUdmephakn (Langköpfe), deren Länge 100, ileren Breite geringer 
als 74; 

Äfesoaphaltn (mittlere Langköpfc), deren Länge 100, deren Breite 
zwischen 74—78; endlich 

Briuhmphdltn (Kurzköpfe), deren Länge 100, deren Breite mehr 
als 78 beträgt. — Die Langköpfe sind also Schmal-, die Kurzköpfe 
BreitschädeL 

Zu den ersteren* und letzteren treten noch Unter- Abtheilungen 
(Subdolichocephalen und Subbrachycephalen) ; darnach stellte Welcker 
folgende Skala auf: 

Breite n-lndex 

67 Radschputen 

68 Neger in Sennaar und Darfur, Bewohner der Carolinen- 
Inseln, 

69 Abyssinier, Aschanti, Kaffem, Hottentotten, 

70 Eskimo, Mozambique-Neger, Australneger, 

71 Keu-Aegyptier, Guinea- und Sudan-Neger. 

SuMo- J ^2 mittlerer Index von vier Hindu-Kasten, 

phalen' | 73 I^^änder, Ostindier, Bhil, God, Kol, Neuseeländer. 

74 Altrömer, Spanier, Araber in ägj-ptischen Mumien, Brasi- 
lianer u. s. w., 

75 Altgriechen, Schweden, Esthen, Holländer, Braminen, Ka- 
bylen u. s. w,, 

76 Engländer, Dänen, Isländer, Schotten, Portugiesen, Chi- 
nesen, Japanesen u. s. w., 

77 Niederdeutsche, Neugriechen, Tataren, nordanierikanische 
Indianer u. s. w,, 

78 Juden, Sumatresen u. s, w. 



u 

o 

.c 

C 




Breiten-Index 

79 Franzosen, Italiener, Serben, Polen, Kleinrussen, Finnen 
u, s. w.j 

80 Oberdeutsche, Gross russen, Ruthenen, Baschkiren, Magya* 
reo, Rumänen, Karaiben u. s. w. 

81 Schweizer, Slovaken, Kabaiüken, Tun^sen, 
S2 Czechen, Croaten, Türken, 
83 Lappen, Buräten 11. s. vv., 

84- - - 

85 

95 künstlich geformte Alt- Peruaner, 

joö künstlich geformte Nordamerikaner. * 

Aus [jieser Tabelle ist ersichtlich, dass die Mehrzahl der Schade^ 

der mittleren Gruppe der Bildungen angehört und dass die Völker mit: 

entschiedenen Lang- oder Kurzköpfen die I\I inderzahl ausmachen- Welcke» 

hat dieses Verhältniss durch Zahlen in nachstehender Weise bestimmte 

die Dolichocephalen betragen darnach ... 107 Millionen 

» Subdolichocephalen » » . , . 165 •♦ 

» Mesocephalen * * ... 544 •« 

» Subbrach ycephalen » » . . , . 1 95 n 

I» Brach} cephalen t> " ... 15 i» 

Zusammen , 1026 Millionen^ 

Retzius wollte nur die aus gefnianmhtm S/trmme efi/sprossaitn Deut^^ 

sehen als Dolichocephalen gelten lassen ; allein Diejenigen, welche die-^ 

sen Charakter der Schädelbildung den Deutschen überhaupt beilegen^ 

acccptirten diese Einschränkung Retzius' nicht, und betrachteten z. B-; 

* Nach den Messungen, welche der Militärarzt J, STKiNBURii in der Gegend 
von Szegedin (Ungarn) an neunundsechzjg 20^24JEihrigen Hiiszaren vornahm, wa 
der Durchschnilt-s-IndL-x 87.8 ; der niedrigste betrug 68. 8, der hnchste 100,6. Un4 
zwar unter 80 waren nur zehn, bis 81 ffinf, bis 85 flinf, bis 90 zweiun dz wanzig 
bis 1006 dreiundzwanÄig. Unter den 69 f,rab es also 10 Dolichocephalen und 
Brach ycephalen, 

MoRiZ Stkinrcrg fand bei 20 -64jalirigen Szeklern nus Udvarhely (Sieben 
bürgen) den DurchschnitU-Index auf 81.45-, die Extreme waren 754 — 89.7, Unle 
80 waren xwfdf, bis 81 sechzehn, bis 82 acht, 89.7 die wViteren achtzehn. 

Derselbe fand bei lu Walachen (Rumiincn) den Index 8 1-6; ferner bei ein^^ 
undachtzig 20 — 58jähngen sächsischen Städtern nur 80.7-, die Extreme waren hielj 
7.i^7 tind 86.8 Es waren demnach 45 Dolichocephalen, 13 Mesocephalen und nul 
23 Brachycephalen Endlich mass er auch die Schädel von fOnfundzwanKis Zigeunern 
(darunter waren acht nomadisirende, die übrigen sesshafte) und fand die Extreme 
von 71.3 und 87.2. so dass sich darunter 13 bollchocephakn, 2 Mesocephalen und 
10 Brachycephalen befanden. — Vgl «Ein Schädelfund von Szekely-Udvarhely un^ 
Jlittheilungen über einige andere Schädel *, von MoKlZ V. Steinburg. — Programn 
des evang, Gymnasiums in Schilssburg zum Schlüsse des Schuljahres 1874 — 1875 
Hermann Stadt, 1875. 



^^2^ 



Sotiiller*s Schädel als Typus eines orthognathen Dolichocephalen. Der 
Hi^eiten-Index desselben beträgt aber nur Sz, ist daher (nach Welcher) 
ebenso ein Brachycephale, wie die Schädel der C zechen, Croaten und 
T^iirken. 

Welcker untersuchte in verschiedenen Gegenden die Schädel der 
1>^^tschen?; es ergab sich ihm als Resultat, dass die jetzt lebenden 
OoTitschen theils Brachy- und Subbrachycephalen, theils Mesocephalen, 
al>er nirgends Doikhocephalen seien. Und da die Kurzköpfe auch dort 
vorherrschen, wo (wie z. E, in Württemberg, in der Schweiz) an einrn 
sla. vischen Einflüss nicht gedacht werden kann : so müsste man ;^voraus- 
g'O setzt, dass die ursprünglichen Deutschen Dolichocephalen gewesen 
waren) annehmen, dass sie kurzköpfigen Ureinwohnern aufgepfropft 
\^'or(len oder durch eine unbekannte Kreuzung, oder durch eine im Laufe 
der Zeit stattgefundene Umgestaltung kurzkopfig geworden seien. Die 
letzte dieser Annahmen will Welcker am wenigsten zulassen ; denn 
die grosse Mehrzahl der kurzköpfigen Deutschen kann von keinen doli- 
cbncephali sehen Yorältern abstammen. 

Ausser der Länge und Breite des Schädels bestimmte Welcker 
auch dessen Hoht\ die er von der OefTnung des Hinterhauptes bis zur 
Schädelspitze, wo die Scheitelnähte sich kreuzen, nahm. Die Hohe drückte 
er dann auch durch Percente der Länge aus, was er ä^n Höhen-Index 
^trint, Welcker fand, dass die Höhe in umgekehrtem Verhältnisse zur 
breite stehe: je breiter ein Schädel, desto flacher oder niedriger 
^^^ er; und je schmaler, desto höher. Der Höhen-Index der Langköpfe 
^Wsteigt daher deren Breiten- Index ; allein der Abstand zwischen den 
Extremen ist hier kleiner, er beträgt nur 70.2 — 82.4. Wo ein Schädel 
^ber 82.4 hoch ist, dort wurde er künstlich also gestaltet ; wie z. B. 
ttTUge amerikanische Stämme bis zum heutigen Tage den Schädel ihrer 
neugebornen Kinder in eine gewisse Form pressen. Welcker zeigt nun 
^"•^ einer Tabelle, wie der Höhen*Index im Verhältnisse abnimmt als 
^t?r Breiten Index wächst. Aus dieser Tabelle entnehmen wir einige 
Öaten : 



Die Zahl der 
E*»^esseiien Schädel 

5 Radschputen 

zo Kaffern . . 

18 Hottentotten 

r5 Au&tralneger 




18 Eskimos . . 

10 Neu-Aeg}pter 

8 Irländer . . 



Breiten- 


Höhen- 


P|ifT__~_, 


Index 


Index 


jjineren 


. . . 66.6 


7^4 


+ 6 


. , . 68,7 


73-7 


+ 5 


. . . 69,2 


70.2 


+ I 


. . , 69,8 


75-2 


+ 5 


- ■ ^ 70.1 


74-7 


+ 5 


. . . 70.3 


7+.1 


+ 4 


' ■ • v-\ 


^t.^ 


+ 5 


. . . 73.4 


70.6 


— 3 



Die Zahl der 




Breiten- 


Hahen- 




gemessenen Schädel 




Index 


Index 


Differcn 


20 


Altrömer . . . 


. 


• 7+0 


7 '-3 


— 3 


ir 


Spanier . . . 


- 


73-4 


730 


— 3 


11 


Esthen . . , 




74.8 


73.6 


— 1 


12 


Altgriechen . . 




750 


73-& 


— j 


j6 


Schweden . . 





75-« 


7'-S 


— 4 


10 


Zigeuner . . 




76.3 


73-9 


— 2 


10 


Tataren , . . 


. 


77-' 


75-8 


— I 


10 


Neugriechen 




77.1 


74.6 


— 3 


6 


Ungarn, d. i. hi< 


^r Geborene . 


77.8 


7S-I 


— 3 


'5 


Juden . , . 




78.4 


7'-4 


— 7 


1 1 


Finnen 




78.6 


74-9 


— 4 






' ' * * 




6 


Serben . , . 




78.8 


76.2 


— 3 


i6 


Oesterreicher . 




78.8 


75-0 


— 4 


i6 


Magyaren . , 




79-7 


76.0 


— 4 


4 


Rumänen . . 


. 


80.0 


76.. 


^ 4 


6 


Slovaken . , . 




81.0 


76-3 
76.2 


— 5 


^7 


Czechen . . . 




82.1 


— 6 



Auch das Gewicht des Gehirns wurde gewogen ; A, Weissbacm unJ 
tersuchte diesbezüglich die Volksstämme der österreichisch-ungarischei 
Monarchie ; insbesondere wog und verglich er die Gehirne von Köpfe 
des germanischen, romanischen, slaWschen und magyarischen Stammes 
Darnach ergab sich : 

Das durchschnittliche Gewicht von 46 magyarischen Gehirnen be 
trug 1322.86 Gramm, das leichteste hatte 11571 das schwerste 1605.58 
Gramm; beide gehörten mittelgrossen und nicht starken Menschen an| 

das Durchschnittsgewicht von 13 rumänischen Gehirnen war 1326. 5 J 
Gramm, das leichteste 1106.74^ das schwerste 1499,49 Gramm; 

das Durchschnittsgewicht von 20 italienischen Gehirnen betma 
1301.J7 Gramm, das leichteste 1108/98, das schwerste 1586,97 Gramm| 

das durchschnittliche Gewicht von 11 polnischen Gehirnen: 1320.5« 
Gramm, das leichteste 1135.29, das schwerste 1320.56 Gramm; 

von II slovakischen Gehirnen: 1310.74 Gramm, die Extreme warejg 
hier 1176.30 und 1445.84 Gramm; 

von 23 deutschen Gehirnen durchschnittlich 1314.50 Gramm, da 
leichteste 1127.59, das schwerste 1531.19 Gramm. 

Ausserdem bestimmte er auch noch das Verhältniss zwischen den 
grossen und kleinen Gehirne und fand, dass die Slovaken das schwerst^ 
kleine Gehirn hatten, ihnen folgten die Deutschen u. s. w. 



§ 5. 

Wenn ich nicht irre, so war der Wiener Sprachforscher und Ethno- 
graph Friedrich Muller der Erste, welcher in der Beschreibung der 
Weltumsegekmg der Fregatte •Novara» ^ das menschliche Haupihaar zur 
Grundlage der Classificirang nahm ; denn das Haar ändert sich weniger 
als irgend ein anderer Theil oder ein anderes Merkmal unseres Körpers. 

In Bezug auf das Haupthaar zerfällt das Menschengeschlecht in 
zwei Classen: in wollhaarige und schlkhihaange Menschen (Ülotriches 
und Lissotriches). Bei Ersteren ist jedes Haar bandartig abgeplattet und 
erscheint daher auf dem Querschnitt länglich rund ; die seh iichth aarigen 
Menschen liaben cylindrische Haare mit kreisrundem Querschnitt. Sämmt- 
llche wollhaarige Menschen haben LangkÖpfe mit schiefen Zähnen( sind 
also Dolichocephalprognathen) und bewohnen die südliche Erdhälfte bis 
an den Aequator und noch einige Grade nordwärts darüber hinaus. 

Innerhalb dieser beiden Classen unterscheidet man nach der nä- 
heren Beschaffenheit und dem Wachsthum der Haare abermals je zwei 
Unter-Abtheilungen, und zwar: 

L Die Wollhaarigen sind i, hüscheihaarig (Lophocorai), wenn das 
Haar ungleichmässig vertheilt^ in einzelnen Büscheln vorkommt, oder 
sie sind z, vimshaarig (Eriocomi), wenn das Haar gleichmässig über 
die ganze Kopfhaut vertheilt ist. 

IL Die Schlichthaarigen unterscheidet man i. in Straffhaa?ige (Eu- 
thycomi), wenn die dunklen Kopfhaare glatt und straff herabhängen, und 
2' in Lockenhaarige (Euplocomi), bei denen das braune oder blonde 
Haar gekräuselt, mehr oder weniger gelockt erscheint. Bei den Locken- 
baarig^en, pflegt auch der Bart stärker entwickelt zu sein. Die übrigen 
Abtheilungen sind entweder ganz bartlos oder ihr Bart ist nur sehr 
schwach entwickelt. 

Diese vier Unter-Abtheilungen zerfallen dann wieder in zwölf Men- 
sihenslämme (Ra^en) nach folgender Ordnung : 



I. WoUhaari^e: 

A. Büschelkaange ; i. Papuas (Homo papua) • i. Hottentotten (H, 
bttentottus) ; 

B. Viiess haarige : i. Kaffem (H. c affer) ; z. Afrikanische Neger 
(H. niger). 

II. Schlichtiiaarige : 

A. Siraffhaarige : r» Australier (H. australis) ; z. Malayen (H. ma- 
layus); 3, Arktiker (H, arcticus); 4. Amerikaner (H, americanus); 5. Mon- 
golen (H. mongolus). 



B. Lockenhaange : i, Dravidas (H. 
5. Mittelländer (H. mediterraneus)»9 



dravida) ; 2. Nubier (H, nuba)j 



§ 6. 

So gross die Anzahl der Vülker ist, so gross ist auch die Anzah 
der Sprachen. Classificiren heisst bekanntlich nichts anderes, als dic 
Vielheit unter einen allgemeinen Begriff bringen, wodurch Einheit und 
Ordnung hergestellt wird, Classificiren lässt sich jedoch nur dasjenige 
was innere natürliche Regelmässigkeit besitzt. Die Classificirung der; 
Sprachen setzt also auch eine solche ursprüngliche Regelmässigkeit vor j 
aus, nach welcher die Sprachen sich in natürlicher und nicht kiinstlichelj 
Weise entwickelt haben. 

In den Sprachen unterscheidet man Begriffs- und FormwörUr, ZiiJ 
jenen gehören insbesondere die Nenn- und Zeitwörter, das AWr« und 
das Veröum. Die Form Wörter sind theits Füru^örter (Pronomina), thüilffj 
VtrhäliHimrofierx je nachdem letztere entweder einzelne Wörter oder ganze! 
Sätze in Verhältniss setzen, werden sie nach der Grammatik Prä- (beiJ 
manchen Sprachen *Fosi-*) Pfmfionen (d. i. Vor- oder Nachwörter) odefj 
Conjumiiomn (Bindeworter) genannt. 

Bopp nannte die Fomiwörter *promfmimj/eit und die Begriflfswön 
% verbale Wurzalwör/tr». Der Unterschied zwischen beiden ist deutlich- 
Verbale Wurzeln sind diejenigen, aus denen das Nennwort überhaupt^ 
(als Haupt- oder Dingwort, substantivum, Eigenschaftswort, adjectivu 
oder Zahlwort, numerale) und das Zeitwort (das Zeitwort mit seine 
Sprösslingen, der Infinitiv und das Particip mitinbegriffen) entstände 
sind und diese bilden eigentlich den S/iff der Sprache, das Sprachma- 
teriale, d. i. die Namen der Dinge und deren Eigenschaften, die Be-^ 
jteichnung von deren Zahl und Menge und der Ausdruck des Seins, deS 
Thuns und Leidens umfasst den wesentlichen Inhalt der Sprache. Di* 
Pronominal wurzeln sind diejenigen, aus denen die Stellvertreter des Nö 
mens, die Conjugation des Verbums» die Verhältniss- und Personal-^ 
Suffixe und die Satzbänder (Conjunctionen) gebildet werden; diese geben 
sodann die Form der Sprache, 

Ein Beispiel soll den Unterschied beider noch deutlicher macheni 
Nehmen wir z.B. den Sats: «Clarorum virorum facta moresque poster 
tradere antiquitus usitatum ne nostris quidem temporibus quamvis inctl4 
riosa suorum aetas omisit.» In freier Uebersetzung lautet dieser Satz^ 
«Die Ueberlieferung der Thaten und Sitten vortrefflicher Männer auf difl 
Nachwelt, wie das ehedem der Brauch gewesen, wird von unserem Zeit^ 
alter zwar auch beobachtet ; obgleich dasselbe seinen eigenen Ereig 
nissen wenig Aufmerksamkeit widmet. •♦ — Im Lateinischen bilden d^ 



II 



lÖrtex insgesammt «ur einen Satz; im Deutschen zerlegt sich dieser 
le Satz in einen Haupt- und zwei Xtknsäizt', Wer des Lateinischen 
indig ist, weiss ferner, dass die lateinischen Substantiva im Satze ge- 
wisse CfZJ^i/j-Endüngen erhalten and dass diese Endungen abermals von 
anderen Wörtern bedingt, respective verändert werden. So stehen z* B. 
im obigen Satze die Genitive «claronuTi virorum» um des Wortes «facta» 
willen; die Accusative « facta moresque « werden vom Zeitworte «tradere» 
gefordert; die Ablative «nostris temporibua» sind vom Verbum «omisitt 
abhängig; ferner steht «incuriosa^ wegen des Substantivs «aetasi im 
weiblichen Geschleclite und der Genitiv wsuoram» muss wegen «iiiciiriosa» 
gesetzt werden» Die Fürm des lateinischen Satzes wird also gebildet 
einerseits durch die Casus der Nennwörter, ariderseits durch die Afodus-, 
Ti'^npora!- und Persona! formen des Yerbums und endlich durch die gegen- 
se^ilrigen Beziehungsformen der einzelnen Satzglieder: qiie^ tjuamquam. 
A.\ich der Umstand, dass die lateinischen Wörter nur einen Satz bilden, 
geliört zur Form der Sprache. 

Ganz älmhch ist es im Deutschen ; auch hier werden die Verän- 
teriingen der Begriffs wört er im Satze durch nebenstehende andere Wörter 
g^Tordert. So sind z. B. die Genitive «der Thaten und Sitten» vom vor- 
ari stehenden Substantivnm «Ueberlieferung» ■ der Accusativ «die Kach- 
^''^It» von der Präposition •rauf'», der Dativ «unserem Zeitalter» durch die 
Präposition <ivoni» gefordert; das Verbum «widmet» verlangt den Dativ 
* sie^inen eigenen Ereignissen! und den Accusativ »i wenig Aufmerksamkeit i 
(^^"«em? was P) u. s. w. Alle diese Beziehungen der' Begriffswörter im 
S^tze werden theils durch Formsyihen (Flexions- und Biegungssylben), z. B, 
*^*Kat — Thatt//, Ereigniss — Ereignisse«, widmen — widm^/ u, s. w\ ; 
ttieils durch besondere Forviivörter z, B. die Artikel ; die, der, den u. a. ; 
^*i^ Präpositionen : auf, von; die Conjunctionen : und, obgleich ; die Pro - 
•Nomina: das, unser, sein etc, bezeichnet. Die Bezeichnung deV Bezie* 
^ tilgen der Begriffs Wörter im Satze bildet die Form der Sprache ; löst 
^an die Formsylben und Form Wörter ab, so behält man den eigentlichen 
^toff der Sprache : die Inhalts- oder Begriffswörter. 

Aus obigen Beispielen geht auch hervor, dass in der lateinischen 
^'ie in der deutschen Sprache JVor/- imd Saizbildung vorhanden ist. 
*^enn sowohl von Nenn- als auch von Zeitwörtern können durch gewisse 
^^ntre oder äussere Veränderungen des ursprünglichen bedeutsamen Be- 
'^tandtheiles neue Wörter gebildet werden und zwar dergestaltj dass aus 
Nennwörtern nicht blos neue Nomina, sondern auch Verba entstehen 
ujid aus letzteren nicht nur neue Zeitwörter, sondern auch Nennwörter 
lien'orgehen. Aus dem lateinischen Stamme *claro« wird z. B.clams, 
claritas^ claritudo, clarescerej durch Vorsetzung der Präposition «int 
inclarescere u. s. f. So ist das Substantivum »Ueberlieferungi* Ursprung- 



lieh vom Verbum • liefern » abgeleitet, von diesem Stamm ist auch t Lieferung, 
lieferbar», dann i abliefern, nachliefern * u. s. w. gebildet. Das Substan- 
tivum iThat» stammt von dem Wurzelworte tthun»; von «Tbat* bildet 
man ferner <ithätig», *thätlich» u, s. w. Die Wortbildung hat in allen Spra- 
chen eine hohe Bedeutung, Aus den so gebildeten Wörtern wird dann 
mit Hilfe der Formwörter und der Biegungs- oder Flexionssylben die 
Satzbildung (Satzconstruction) gestaltet, wie das an obigen Beispielea 
ersichtlich ist. 



Die Verschiedenheiten der Sprachen beruhen also schon auf derr 
verschiedenen Wort- und Satzbildung in derselben. Denn es gibt Spra- 
chen, die gar keine Wort-, sondern nur eine Sat^bildung haben, un<d 
dann gibt es wieder solche Sprachen, bei denen man keine Satzcon- 
struction, sondern nur eine Wortbildung vorfindet. W^ilhelm v. Ht.'>t' 
BOLDT'^ hat diese Classificirung in folgender Weise ausgedrückt: 

«Es gibt Sprachen, welche die Wurzel wörter unverändert lassen Lin<^ 
den Satz in so viele Tbeile (Worte) zerlegen, als er naturgemäss besitzt ; 
aber die Einheit des Satzes wird nicht durch die Wortformen ausgedrüd^^* 
sondern nur allein durch die Wortfolge. — Hierher gehört das Si^^" 
shche (gewöhnlich incorrect das * Chinesischem genannt). — - In diesom 
gibt es somit keine W'ortbildung, weder DecHnation noch Conjugatio^^- 
Jedes Wort kann Nomen, Verbum u. s. w. sein und hängt der Charakt^^ 
des Wortes nur von dessen Stellung im Satze ab. * 

Es gibt ferner Sprachen, welche die Wurzel wörter durch Ableitung"^" 
und Flexionssylben (Suffixe) verändern und den Satz in so viele Theü^ 
zerlegen als er Worte hat, aber die Einheit des Satzes wird durch cii^ 
Formen» der Wörter ausgedrückt. Solche Sprachen sind z. B. die latei- 
nische, die deutsche, die ungarische u. s. w. In diesen gibt es also ein^ 
Wortbildung, gibt es DecHnation^ Conjugation und eine Satzconstruction -i 

Endlich gibt es Sprachen, in denen die einzelnen Anschauungen^] 
deren Verknüpfung im Satze ihren Ausdruck findet, sprachlich nicht gt- 
sonderi auftreten, sondern in eine unirennhare Emheii znsammengefasst 
werden. Wort und Satz fallen dann ^vollständig zusammen. Hierher ] 
gehören die amerikanischen Sprachen. 

Die drei Sprachenkategorien können als asynthetische, synihetischi\ 
und pöijsynthetische bezeichnet werden. 



* Diese Darstellung ist übrigens übertrieben. Wenigstens nach den Mittheilungen J 
von St ANISLAUS JCLiEN, die wir in der vierten Vorlesung von M. MCxLER finden (siehe! 
weiter unten) bezeichnet die Sinasprache nicht nur durch die Wortfolge, sondern! 
auch durch F:irtikeln die Declination und Conjugation. 



15 



§ 8. 

Die mittlere Kategorie, zu der sehr viele Sprachen, gehören, theilte 
Friedrich Schlegel («Ueber die Sprache und Weisheit der Inder», 
Hleidelberg, iSoS) in zwei Abtheilungen, Die Sprachen der einen Ab- 
iheilung nannte ^i ßexivische (biegbare); bei diesen würden die Modi- 
ficationen der Wortbedeutung durch innere Veränderung der Wurzel- 
Wörter ausgedrückt; hierher zählte er das Sanskrit, das Griechische u. s. w. 
Die Sprachen der anderen Abt h eilung bezeichnete Schlegel als agglu- 
itnjrende (anleimende); hier geschehen die Modificationen der W'ortbe- 
deutung durch hinzutretende Wörter, die an sich die Menge, die Zeit 
und andere Verhältnisse bezeichnen. Zu diesen Sprachen rechnete 
Schlegel das Arabische, das Hebräische u. a. Obgleich diese Unter- 
scheidung nicht stichhältig ist, weil gerade die semitischen Sprachen, 
wie wir sehen werden^ flexivisch, die indogermanischen aber agglutinie- 
rend sind, so hat man dennoch nach Schlegel den Charakter der 
Flexibilität oder Biegbarkeit auf die letztgenannten Sprachen übertragen. 
Friedrich August Pott classihcirt (i Jahrbücher der freien deut- 
schen Academie» i. Heft, 1848) die Sprachen folgendennassen: 

1. IsoHnnde (asynthetische), in denen Sprachstoff (Wurzel, HauDt- 
begriif) und Sprach form (Derivation, also Ableitungssylbe oder Aggluti- 
nation, also Suffixum) von einander gänzlich getrennt sind. Das sind 
dieeinsylbigen Sprachen, das Chmcsjsche und Indo-ckimsische {si^me^isch^). 

2. Ägghitininndt (synthetische) Spracht n^ in denen Stoff und Form 
fast nur äusserlich aneinander kleben, also auch von einander getrennt 
werden können. Solche sind die taiatischey die finnische^ magyarmhe und 
andere Sprachen. 

3. Fkxivisihe (synthetische) Sprachen^ in denen Stoff und Form 
tier Sprache untrennbar, *zur unauflöslichen Einheit» miteinander ver- 
schmelzen ; solche sind die iruhgermam'schen Sprachen : das Sanskrit, das 
Griechische, Lateinische, Germanische, Slavische u. s. w. Das sind die 
't>*>llkfmmmen Sprachen; die Sprachen der 1. und 2. Classe bleibt n liinttr 
tlieser Vollkommenheit zurück ; darüber hinaus schritten die 

4. Trammrmakn (einverleibenden oder polys} nthetischen) Spmcktn^ 
^^Iche möglich Vieles in tin Wort zusammenfassen und den Unterschied 
*^ischen Wort unilSatz aufheben. Solche sind die amerikanisihtn^\)XM:\\^T\. 



Sehr bekannt ist neuestens die Eintheilung der Sprachen, nach 
Max Müller ''^ geworden. Ihm zufolge sind die asiatischen und euro- 
päischen Sprachen : 



* Im 3. Bande des BUNSEN'schen Werkes AChristianily and ^lankinü ^ 
^^\ 1854. p. 281 ff. 



Lnn* 



ai Fümiiünspr^ckeM (famU^' ian^aages). Den Tj^jus dieser Ha 

Poder Familietispracijeii reprä&entirt das Cliiuesisdie. imd werdeo diegj 

' Spcadh^o dadtircia chaTaktrnsiTt* dass sie der Sprachweise zwLsche 

Hatisg^ttio^seii, Atflteni und Kindern äiinelii, wo man mir «uzelne Wor 

au^^prichl, -«ei! der Angesprocfaeoe schon daraas das Ganze verstehj 

wo also die Betonung der Acceßt; den Mangel des Wortaasdruckef' erset 

b) X<m^däclu Sprachm (nomad langniages), die in der Entwicke 
Jung eine Stufe weiter fortge&chntten sind. Sie bezeichnen nait den ein 
jaelnen Wörtern nicht b!os die Dinge und Ideen, sondern auch de 

Tjge Bejiiehung^en, Die nomadischen Sprachen seien dadurcS 
„ . risirL das* sie das Bestreben zeigen. Vielen verstandlich zu sei: 
mas bcj dem iinstaten Leben der Komadenvölken die einander 

■ ' • -\, Damm drücken die nomadischen Sprache 
. -".'-T deutlich ans und venneiden Alle-s, wodur 

ASe;^ Bedeutung des Wortes oder die grammatikalischen Fonnen v€ 
kclt werden konnten. Der Komade behütet kein Erbe, hat also kein 
Tradition und seine Sprache ist die Sprache der Gegenwart, de 
Moments, Die nomadischen Sprachen sind sufügirend (agglutinirendj 
EndUch 

c I Die Siaatsspmch^ (state languages). Diese unterscheiden sie 
von den nomadischen dadurch, dass sie den Einüuss der Suüixe nie 
empfinden; die Siaatsvölker haben eine Ueberliefening, eine Traditic 
nur sie haben es zur Gründung dauernder Staaten gebracht. Staatssprachen 
tind die indogirmctnitcfun oder arischen und die saniiischen Sprachen, 

MÜLLER bezeichnet die nomadischen Sprachen als ^turafttschiii 
indem er der persischen Sage folgt, wonach Fendun drei Söhne hatte:^ 
Tur^ Siiim und Intis, welche die Stämme der Turanitr, Semiten und 
Ariir repräsentiren, MCllek nimmt jedoch in die turanische Sprach'^ 
familie nicht nur die sogenannten turaZ-aZ/aischtn* Sprachen (das Tun-^ 
gUKi^lie, Mongolische, Tatarische oder Türkische, Ugrische und Finni- 
«che^ auf, «ondem er zahlt hierher auch die Drawida- Sprachen (d. i, di« 
Dialecte von Tamul, Telugu, Canarese, Malayalam u, s. w.)^ sowie die 
iaiuhen und mitlaytschen Sprachen in Vorder-Indien. Die turanischen oder 
agglutiiiiri^tiflt n Sprachen zerfallen nach Müller in zwei grosse Abthei- 
lungen : 

L Nördliche Abtheilung: 

») Tungusische Gruppe» 

ß) Mongolische Gruppe, 

y) Türkische (tatarische) Gruppe, 

I) Samojedische Gruppe, 

i) Finnisch-ugrische Gruppe. (Hierher gehört auch das Mag\arische.; 



15 






n. Südliche Abtheilung: 
«) Taische Gruppe, 
ß) Malayische Gruppe, 
y) Gangetische Gruppe, 
t) Lohitische Gruppe, 

t) Munda-Gmpfje, ^ 

^) Tamil! ische Gruppe. " 

§ lo. 
Die Basis dieser Sprachclassificirung (§§ 6— =9) bildet die Iu}mi der 
Sprachen, wesshalh man diese Classificirang auch die morphologische nennt. 
Es muss jedoch bemerkt werden, dass der Charakter der Flexihi- 
liidt eigentlich nur den semitischen Sprachen (dem Hebräischen, Arabi- 
schen, S>Tischen u, s. w.) gebührt. Wenn wir von den agglutinirenden 
Sprachen nur die altai sehen Sprachen, also die Sprachen der nördlichen 
Abtlieilung, insbesondere das Tatarische, Ugrische, Finnische, mit den 
arischen und semitischen Sprachen vergleichen; so finden wir folgende 
vresentliche Unterschiede : 

aj Die altai sehen und arischen Wurzeln stimmen darig überein, 
dass sie aus zwei oder mehreren Lauten bestehen, also an keine regel- 
mässige Gestalt^ gebunden sind ; die Vocale sind dabei so wesentlich 
vie die Consonanten, ja es kann auch ein einzelner Vocal eine Wurzel 
bilden, wie das sanskritische i, gehen {i-re, i-bam, i-vi) ; in den altai- 
scben Sprachen kommt ein Vocal als selbstständige Wurzel selten vor, 
üenn z. B. das Ostjakische i (eins) Ist nur eine Verkürzung von it, 
tlieses aber von yht ; das ostjakische «-ta, schreien, entspricht dem ma- 
g^'arischen Stamme üv-{pX^ er schreit). 

Die Wurzeln der semitischen Sprachen sind einer festen Regel 
unterw'orfen, denn sie bestehen gewöhnlich aus drei Consonanten, wenn 
sift sich ursprünglich auch aus zweien entwickelt haben ; man hat diese 
Sprachen darqm bisweilen «triliterale» genannt. Mit den Wurzellauten 
*st kein Vocal verbunden \ sobald ein solcher hinzutritt, wird der Radical 
^üm bestimmt geformten Worte umgestaltet ; z. B. aus der Wurzel k-t-b 
^'rd kataba er hat geschrieben, kutiba es wurde geschrieben, ktab 
^^Teibe, kotib Schreiber, kitab Buch (das Geschriebene) u. s, \v, 

h) In den altaisciien Sprach wurzeln sind die Vocale nicht nur 
^'^sentlich, sondern auch unveränderlich ; man unterscheidet sie in hoch-, 
^^^f- und mittel- (oder scharf-) lautende und es werden den Vocal en 
^^"^ Stammwortes gemäss auch die Vocale der Bildungs- und Flexions- 
Süffixe gesetzt ; so dass die Vocale der ßildungs- und Flexionssylben 
^^^h den Vocalen des Stammwortes accommodiren, z. B. fa (Baum), heg_^ 
(Berg^); fä-nak (dem Baum), hegy-nek (dem Berge). Diese Ueberein- 
*hinnmng der Vocale nennt man die Yoaiihanmmie^ und zwar: 




i6 



Das tüflauhnde magyarische Substantivum ällat (das Thier) erhält 
folgende Soffigirung : ällat-nak (dem Thiere), ällat-i (thierisch), ällad- 
säg (Thierheit, Bestialität), dllati-sägok (Bestialitäten) u. s. w. 

Das hocklauknde Substantivuin ember (der ^lensch) wird also suf-j 
fi giert : ember-nek (dem Menschen), ember-i {menschlich), ember-i-s^gj 
(Menschlichkeit), embm-s^gek (Menschlichkeiten) u, s. w. 

Auch in den arischen Sprachwurzeln sind die Vocale wesentlich,] 
allein sie herrschen nicht derart, dass sie auch auf die Vocale (lerl 
Bildungs- und Flexionssylben einen umgestaltenden Einfltiss üben wair-l 
den ; vielmehr unterliegen sie selber zuweilen einer Veränderung, wi€ 
L B» das sanskritische v^d- mi weiss ich, sanskr. vid-mas wissen wir, 
ferner wussk ; oder das griechische o-^riieA'j ie-TÄfie«, r^rojo*; oder das latei* 
nische pdlo, pe-pwl-i u. s. w. 

Zu den semitischen Sprach wurzeln gehören, wie oben sub aj ge- 
sagt worden, die Vocale nichts denn diese drücken die Formen des 
fertigen Wortes aus. 

cj Sowohl die altaiseben wie auch die arischen und semitischen 
Wortbildungen stimmen darin überein, dass die Bildungs- und Flexions- 
sylben dem Worte angehängt werden ; miterscheiden sich aber wieder 
darin von einander, dass in der altaischen Construction die BiIdung"S' 
und Beziehungssuffixe sich dem Stammworte accomodiren, wie wir oben 
sub hj gezeigt haben, während in der arischen und semitischen Wort- 
construction diese Anbequeminig nicht stattfindet 

dj Die Wurzel Wörter der semitischen Sprachen können, mit Auf- 
nahme der Pronomina und einiger Verhältniss- und Zahlwörter, sämn^*^"" 
liehe (wenigstens grammatikalisch) auf Verbalw^rzeln zurückgefüh'^ 
werden. Dagegen sind in den altaischen und arischen Sprachen die 
Wurzelwörter entweder zu gleichen Theilen Nominal- und Verbalwur- 
zeln oder diese Letzteren überwiegen nur um Weniges die Ersteren. Darii^^ 
ist die Grammatik der semitischen Sprachen auf die Formen des Zei*^" 
Wortes, auf das Verbum begründet und es werden auch die Veränderui^'' 
gen des Xomens darauf bezogen ; indessen die Grammatik der arisch <^^ 
Sprachen neben der vorzüglichen Hervorhebung des Verbums dennocn 
das Nomen ganz unabhängig betrachtet, und endlich auch bei den altai" 
sehen Sprachen neben den sehr reichen Formen des Zeitwortes aut'l' 
auf das Nomen das gleiche Gewicht gelegt wird. 

Wenn also die Fitxion (Biegung) die innere ]\Iodification des 
Wurzehvortes bedeutet, dann sind in der That nur die semitischen Spra- j 
chen wahrhaft fiectirend, die arischen aber gerade so agglutinirend^J 
wie die altaischen. 

Nichtsdestoweniger hält man an der Eintheilung der Sprachen inj 
isoiirende^ aggiuiininnfk und ßatirende fest und rechnet zu den letzt*! 



17 

inten die arischen und semitischen Sprachen, welche übrigens 
i eine andere gemeinsame Eigenthümlichkeit, nämlich durch das 
iiaiische Gtnus vereinigt werden, welche Eigenthümlichkeit die 
en Sprachclassen nicht besitzen. 



§11. 

Der Unßrung der Sprache ist dunkel ; wir wissen nur so viel, dass 
in instinctmässiges Erzeugniss des menschlichen Geistes ist und 
olches sich mit dem Geiste zugleich entwickelt. Noch dunkler ist 
indere Frage, ob die Beschaffenheit des Geistes den Charakter der 
:he oder umgekehrt dieser jene erzeugt habe» Wilhelm v. Hum- 
T scheint die Sprache als die Ursache, und den Geist des betref- 
m Volkes als die Wirkung betrachtet zu haben \ danmi schrieb er 

•die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren 
uss auf die Ent Wickelung des Menschen geschlechtes»» und dann über 
Einfluss der grammatischen Formen auf die Ideenentwickelung». — 
andermal scheint er wieder die Sprache für ein Product des Geistes 
Iten zu haben» als er mimlich unter Anderem behauptet, ndass der 
rschied der Nationen sich am bestimmtesten und reinsten in ihren 
:hen ausdrücke»; denn jede Sprache sei der Abdruck eines gewissen 
nalen Typus, Steinthal acceptirte die Anschauungen Humboldt's 
suchte diese nach seiner Ansicht zu ergänzen. Demzufolge vervoll- 
igte er die oben (S. iz) eingetheilte Classificirung Humboldt's in 
stehender Weise. 

Es gibt, sagt er, vollkommene und unvollkommene Spra.chen. Also: 



)llkom* 



ihen 

oll- 

mene 

ichen 



aj Sprachen, in denen das Vl r- 
bum ohne jedwede Bezeichnung 
bleibt, Particular- Sprachen. 



ifj Sprachen, in denen das Ver- 
bum durch Anfügung der Pro- 
nomina bestimmt wird. 

aJ Isolirende Sprachen, in denen 
jedes Wort für sich gesondert 
bleibt. 



w) Flectirende Sprachen» 



ofalvy, Ethoogr. 





Das Mai ayi sehe, die Spra- 
chen auf den Inseln des 
indischen Oceans, dai> 
Birmanische u, s. 
Die amerikanischen Spra- 
chen, 



Wenn durch diese Eintheilung die Idee W. v, Humboldt's wirklicr 



'ö 



ergänzt sein soll, dann wird man finden, dass hier die semitisch^ 
Sprachen schon eine besondere Classe bilden^ obgleich sie doch afl 
flectirende mit den arischen Sprachen in einer Kateo:orie stehen sollten 
Allein die sogenannten agglutinirenden Sprachen finden in diesem Sehens j 
gar keine Stelle. Diesen Mangel verbessert auch Steinthal in seine« 
späteren Werke. »3 Die vollkommene menschliche Rede unterscheid<& 
unbedingt das Subject und Object, das Prädicat und das Attribut, ihre 
Grund Verhältnisse sind also prädicativer, attributiver und objectiver Natur 
Daraus entsteht die ^Sprac/inktf^ ; die einzelnen Sprachen sind die voll- 
kommenere oder onvollkommenere Yerwirklichung dieser Idee. Di< 
Aufgabe der Eintheilung der Sprachen kann demnach nur darin be 
stehen j den in den verschiedenen Sprachen sich kundgebenden Fort 
schritt, in welchem die Völker die Sprachidee verwirklicht haben, dar 
zulegen. 

Mit Bezug auf diesen Fortschritt unterschied Steinthal im Jahi 
1850 folgende dreizehn Stufen: 

K Hinterindische Sprachen, 

2. malayische und indisch^oceaniscbe Sprachen, 

3. die Sprache der Kaftern und der Kongo-Stämme, 

4. das Mandschu-Mongolische, 

5. das Türkische oder Tatarische, 

6. die uralischen oder finnischen Sprachen, 
j. das Chinesische, 

8. das Mexikanische, 

9. die nordamerikanischen Sprachen ; 

10. das Vaskische (oder Baskische), 

1 1 . die ägyptische Sprache, 

12. die semitischen Sprachen, 
1^, die Sanskrit-Sprache (indogermanischen Sprachen)» 

Die sechs ersten Classen mengen Stoflf und Form der Sprach* 
diese, sowie die folgenden drei Classen (nachdem auch diese das N*-^ 
men vom Verbum nicht unterscheiden, obwohl bei ihnen Stoff un* 
Form getrennt werden), sind also fonnifne Sprachen ; die vier letzten <i3l 
gegen Formspriuhen. H 

In seinem späteren Werke (1860 erschienen) behandelte SteintH v' 
nur die Flaupt-Typen der Sprache und überging z. B» die afrikanischt^J 
Sprachen, Demgemäss stellte er in folgendem Schema nur acht Eji| 
Wickel ungsstufen auf» 




abwan- 
delnde 



hj Inhaltsbestimmungen durch 
den Wurzeln hinten ange- 
fügte Anhänge ausdruckend III. Die ural-altai- 

sehen. 

c) Beziehungen und Inhaltsbe- 
stimmungen durch Einverlei* 

bung ausdrückend , . , . IV, Die amerikani- 

schen. 



1. nebensetzende 



2. abwan- 
delnde 



V. Das Chinesi- 
sche. 
aj durch lose Anfügung der 

grammatischen Elemente . VI. Das Aegypti- 

sche. 
bj durch inneren Wandel der 

Wurzel . VIL Das Semitische. 

cj durch eigentliche Suffixe , VIII. Das Sanskriti- 
sche. 



Die Sanskritsprachen realisiren am besten die SprachideCi also sind 
che vollkommensten. 

In seinem ersten Schema setzte Steinthal, wie wir gesehen haben, 

<liö mandschu-mongoHschen, türkischen oder tatarischen und uralischen 

*>fier finnischen Sprachen, zu denen auch das Magyarische gehört, auf 

jen^ drei besonderen Stufen, welche sich der Vollkommenheit derart 

Bäliem, dass unter ihnen das Finnisch-Magyarische die vollkommenste 

^P**^che sein würde ; im anderen Schema wirft er die drei Sprachgruppen 

^usELinmen, hebt aber dennoch die finnischen S]>rachen heraus, indem 

^^ Sagt: «Die vollkommensten der uraialtaischen Sprachen sind die finni- 

^^■^^n. Diese in neuester Zeit sehr beliebt gewordenen Sprachen haben 

^^r das ursprünglich mangelhafte Princip, trotz ihrer späteren bewun- 

^^^tlingswürdig glücklichen Entwickelung, doch nicht überwinden können. 

^^^nn sie sich morphologisch den höchstgebildeten Sprachen nähern, 

'^ erheben sie sich physiologisch nur wenig über die anderen Sprachen 

^^^^rselben C lasse, Sie haben viele Casus — drei- oder viermal so viel 

^^ tlas Griechische ; aber einen bestimmten Subjects- und Objectscasus, 

2* 




einen wahren Nominativ und Accusativ haben sie nicht. Ferner: Spra* 
chen, welche wahrhafte Formen besitifien, haben z. B, Präpositionen. Die ^ 
echten Präpositionen sind eben die, welche nicht von Verbal- oder Stoff-^^B 
wnrzeln abzuleiten sind, sondern weiche eine Verwandtschaft mit deiL_ 
Fürwörtern zeigen. Die finnische Sprache hat solche Präpositionen gar — 
nicht, Grund genug, ihre ganze Flexion zu verdächtigen. Die ausseriichfe^ 
Weise ihrer Flexion selbst hat manches Bedenkliche, und mindestens^« 
kann man den hier auftretenden Consonanten Wechsel der feinen Steige-^| 
rung und Schwächimg der Vocale im Sanskritischen nur nachstellen^ 

Indem die finnische Sprache das Gleichgewicht der Laute beobachtet 
werden bei der Wortbildung wie bei der Flexion die Laute theils abge 
schwächt, theils verstärkt. Dem magyarischen -^v^n» (alt) ents])richt das 
finnische «vaeha» (magyarisch venh-edni, altem können), dem magya- 
rischen ikezt (Hand) das finnische •<käti-(e); aber der magyarische 
Nominativ «v^n ki^z» (alte Hand, Greisenhand) heisst im Finnischen- 
tvanha käsii; in dem Worte <'käs»(i) ist also aus *te» nsi» geworden- 
Sage ich im Magyarischen «v^*n k^z-nek» (der alten Hand, Genitiv oder 
Dativ) nven kez-et* (die alte Hand, Accusativ), so ist im Substantivunx 
der Laut t^» verkiarzt worden^ im Finnischen heisst es: «vanha M^Z-i//^ 
ivanha M/*/df'>. Der magyarische Tiativus k6z-nek (der Hand), Ablativ^! 
k^z-tol (von der Hand) imd lUativus kez-be (in die Hand) wird im Fin 
nischen zu käd-elle, käd-eltä, kät-ehen; «kät»» verändert also seine 
Endlaut bald in s, bald in d, bald kehrt das t wieder zurück. Aus de 
finnischen «vanha» (alt) wird im Comparativ «vanhempi» (älter) anstatt 
vanha-npa; im Genitiv van-hcmman (des Aeltern); in diesem Wort* 
ändern sich also das a und p. — Die Stärkung und Schwächung d^' 
Vocale im Sanskrit haben wir schon oben, § lo hj^ gesehen. 

Der Satzbau endlich ist demgemäss unbeholfen und schwerfällig un 
verräth die Formlosigkeit der Sprache besonders dadurch, dass in sein-^3 
Wendungen das Nomen vor dem Verbum das L'ehergewicht erhäl^i 
wodurch er denn oft weniger an hellenische Rede als an Tübet erinnert 
Uebrigens scheint ein Einliuss der indo-europäii^chen Sprachen auf di 
Grammatik der finnischen obgewaltet zu haben. Denn obwohl die Decli 
nation echt altaisch ist, so bietet die Conjugation der Verba so vie. 
Aehnlichkeiten mit den sanskritischen Formen dar, dass Schwärt;? 
deswegen das Ungarische für eine zum Sanskritstamme gehörende- 
Sprache erklären zu dürfen meinte, was freilich sehr falsch war. Hier 
könnte also das seltsame Problem einer Dualität in der Grammatik vor- 
liegen — einer Dualität, deren Möglichkeit bisher aus guten Griindei^. 
bezweifelt worden ist.»'^ 



21 



§ 12, 

Bisher haben wir die Sprachen nach ihrer mürpholügtschen und 

fhys- ^t>hgischt'n Classiiicirung betrachtet ; bei der ersteren war die Formy 

bei der anderen die innere N^aiur der Sprache massgebend (vgl. §§ 6 — 9 

uud % 11); aber es gibt noch eine dritte Classificirung, die Eintheilung 

li dem Ursprünge der Sprache, die geneahgische Classification. 

Die morphologische Eintheilung fasst sehr viele Sprachen in eine 
Ciasse zusammen, weil bei ihnen die äussere Form der Modification 
gleichartig ist. Daher kommt es, dass man in die agglutinirende Classe 
nicht nur jene Sprachen einreihen kann^ welche Max Müller dahin 
versetzt hat, sondern überhaupt alle jene Sprachen, in denen die Bil- 
dungs- und Flexionssuffixe der Wurzeln hinten angefügt werden, was 
nicht nur bei den vSanskrit-, sondern auch bei den Negersprachen der 
-Fall ist. Ebenso reiht die morphologische Classificirung die arischen 
^nd semitischen Sprachen aneinander. Diese Art der Eintheilung betrachtet 
^^So die nähere Zusammengehörigkeit oder Unterscheidung der Sprachen 
S'^r nicht, ja sie lasst diese ganz beiseite, weil sie sich an einem solch 
allgemeinen Begriffe festhält, der auf jedwede Sprache anwendbar ist. 
^^^s für einen Unterschied kann man 2. B. in Bezug auf die Wortbil- 
^Ui\g erkennen, wenn das lateinische (siehe oben das Beispiel S* 10) 
^^a facta, suos mores, der Magyare also ausdrückt, tett-eit, erkÖlcs-eit ? 
^'^^ozu der Lateiner zwei Worte gebraucht, das vermag der Magyare 
^Urch ein Wort auszudrücken; also erfolgt in diesem letzteren eine 
8"i"össere innere Modification als im. Lateinischen; das lateinische sui 
t>^2eichnet der Magyare durch blosses i (tette-i-t, erköics-e-i-t), das aus 
^itiem frühen! «vö», «ja» abgeschwächt w^orden ist. Wenn wir aber die 
C^erivation des Wortes factum von dem Verbalstamme fac mit dem 
Ursprung des magyarischen tett (That^ von dem Verbalstamme te oder 
^v vergleichen j so finden wir, dass im Lateinischen die Ableitnngssylbe 
^o zum Stamme fac getreten ist (facto); in ähnlicher Weise trat das 
ßildungssuffix t zum magyarischen Stamme tev; aber hier assimiÜrte 
sich V zu t, daher entstand tett, im Lateinischen unterlag das c nicht 
^^r Assimilation (im Italienischen ist das geschehen, hier ^vurde das 
*3.cto zu fatto). Wenn wir weiter sehen, dass die magyarische Sprache 
a^5 dem Stamme te die Wörter t(5t (Satz, Thema) und tett (That) bildet, 
^«^ dem griechischen 'jrm^i^i und ^«««ä ähnlich ist, dass aber auf einem 
ganz anderen sprachlichen Wege tot (-tev-et) und tett (-tev-t) gebildet 
'^rden, so muss man die feine Distinction in der Wortbildung aner- 
kennen. 

Die physiologische Classificirung nimmt das Princip der Vollkom- 
nietiheit einer Sprache zur Basis; allein dieses Princip existirt nur im 



Kopfe des Philosophen, nicht aber in der Sprache. Stejnthal behauptet, 
die finnische (magyarische) Sprache könne den Nominativ vom Accd-^ 
sativ nicht unterscheiden; es scheint aber, dass er nicht weiss, wie in 
Finnischen der Accusativ «m», im Lappischen tb» gewesen, welche^ 
Laut dann zu «n» wurde, weshalb jetzt «n» das Suffix des ßnnischeii 
Genitivs und Accusativs ist. '5 Der magyarische Accusativ ist so^ar deut 
lieber als der lateinische und deutsche, was schon die Worte tetteit. 
erkcilcseit zeigen; von tett := That, tette ^ seine That, tettei = seine 
Thaten (nom.), tett-ei-t — seine Thaten (acc. plun) u. s. w. Steinthal 
macht es der finnischen (magyarischen) Sprache zum Vorwurfe, dass sid 
zum Ersätze des Casus nicht die Präpositionen gebrauche; er schein! 
aber zu vergessen, dass in dieser Sprache die vielen Postpositionen die 
Präpositionen der lateinischen und griechischen Sprache vertreten; noch 
mehr übersieht er, dass die finnische Sprache sogar auch Präpositionen' 
verwendet, z. B, üman minuta und ilman minua — absque me. — Ebenso 
meint Steinthal, dass das Finnische (und Magyarische) den Verbal- 
vom Nominalstamme nicht unterscheide. Und doch unterscheidet diese 
Sprache beide Stämme derart, dass aus einem Nomen nur mit Hilfe 
eines Bildungssuffixes ein Verbum gebildet wird. 

Endlich sagt Steinthal: Es scheint, als ob die indo-europäischenj 
Sprachen auf die Grammatik des Finnischen Einfluss geübt haben^ 
namentlich auf die Conjugation des Verbums. Was ein so scharfei 
Denker wie Steinthal damit sagen will, ist kaum begreiflich, Sowr^ 
es nicht nur erklärlich, sondern auch erfahrungsmässig beweisbar ist, 
dass eine Sprache von der andern Wörter entlehnt und ihr Lexikon mi^ 
Fremdwörtern bereichem, ja sogar überfüllen kann; ebenso ist es unbe 
grei flieh, und wie ich glaube, auch thatsächlich unbeweisbar, dass ein^ 
Sprache auf die Bildungssylben und Suffixe der andern Einfluss nehme 
und derart einwirke» wo und wie sie diese Sylben und Suffixe verwenden^ 
solle. Eine Sprache, die ihre Ableitungs- und Flexi onssylben nicht 
selbständig hätte gestalten können, wäre überhaupt gar nicht entstandenJ 
Wahr ist es, dass das persönliche Pronomen, welches beim Verbun 
eine so grosse Rolle spielt, auffallende Aehnhchkeit hat in den uralaltaii 
sehen und arischen oder indo-europäischen Sprachen; allein diese besteht 
bereits in der Sumir- oder Akkad-Sprache der Keil-Inschriften, welche 
man für einen uralaltaischen Dialect zu halten geneigt ist. Diese Sumir- 
spräche kann aber kaum jünger sein als die Sprache der Veden; denn 
sie hatte sich ja früher eine Schrift geschaffen als diese J^ Das persön- 
liche Pronomen müssen wir also wahrscheinlich in die vorhergehende 
Sprachperiode setzen, wenn wir nicht annehmen wollen, dass es in 
beiden Grammatiken von selbst ähnlich entstanden sei. Und wo das 
Personalpronomen als Suffix zum Verbalstamme tritt, dort muss (mögen 



die Sprachen wie immer verschieden sein) in diesem Hinzutreten eine 
-^ehnlichkeit vorhanden sein. 

Uebrigens mögen die Sprachen welche Form immer haben, sie 
sind zu allem fähig, wozu der Geist des betrefTenden Volkes befähigt 
\^i. Als Beispiel diene auch nach Steinthal das Chinesische, das gar 
keine Et^Tnologie besitzt. 

Die Ethnographie kann demnach sowohl die morphologische als 
auch die physiologische Sprach*Eintheilimg für ihre Zwecke entbehren. 



5 13- 

Die gemahgische Classification reiht jene Sprachen in eine Familie, 
welche deutlich auf eine gemeinsame (Ur-) Sprache hinweisen, also aus 
einem Stamme entsprossen sind. Diese Classificirung setzt ausreichende 
Spiachkenntniss voraus; denn nur eine solche ist im Stande zu bestim- 
men, welche Wortbildungen (Etymologie) und Sprach formen (Flexion) 
Jitif einen gemeinsamen Ursprung zeigen. Nur ein solches sprachliches 
^Vissen verleiht ferner die Fähigkeit, die eigentlichen Wörter eines 
Sprachschatzes von den Fremdlingen oder Eindringlingen zu unterschei- 
den. Diese letztere Unterscheidung bietet zwar lehrreiche Einsicht in 
*-^9.s Verständniss der verschiedenen Schicksale einer Sprache und ihres 
Volkes; aber die ursprüngliche Beschaffenheit der Sprache wird dadurch 
'^icht aufgehellt. Das geschieht nur durch die aus dem eigenen Sprach- 
stümme entsprossenen und abgeleiteten Wörter, Dieser Theil des Wort- 
Schatzes ist also zur Bestimmung der Genealogie ebenso wichtig wie 
der Nachweis vom Ursprünge der Bildungssylben und Flexionssuffixe. 
Gehören doch die Fonnwörter, die Pronomina, wie die Verhältniss- und 
Zahlwörter in jeder Sprache zu dem ursprünglichen Wortschatze. 

Nachdem die Sprache das wirkliche geistige Besitzthum des spre- 
chenden Volkes ist und dessen Eigen thümlichkeit kennzeichnet, so bildet 
die Sprache auch die zweckdienlichste Eintheilungbasis in Bezeig auf 
die Menschheit selbst; denn die Forscher überzeugen sich mehr und 
mehr davon, sagt Friedrich Müller, '7 dass tmter den volks- oder 
nationbildenden Factoren die Sprache dasjenige Element ist, w^elches 
am dauerhaftesten und unveränderlichsten von Generation auf Genera- 
lion vererbt wird. 

Wir können die Sprache deshalb ein geistiges Besitzthum nennen^ 
weil sie nicht mit dem Menschen geboren wird, wie etwa irgend ein 
Glied des Körpers, das demgemäss eine körperliche oder thierische 
Eigenschaft ist. Hier fällt der grosse Unterschied zwischen Ra^e (Volks- 
stamm) und Nation (Volk) in die Augen, Die Kennzeichen der Ra^e 
sind Gaben der Natur; ändern sich dieselben mit der Zeit, so hat daran 




der Mensch weder als Individuum noch als Nation einen Antheil ; denn 
sie stehen gänzlich ausser dem Bereiche seiner Einwirkung^. Dagegen 
-wird Dasjenige, was ein Volk (eine Nation) bildet, insbesondere die 
Sprache, mit dem Menschen nicht geboren, sondern es ist mit der 
Gesellschaft, mit dem Volke verbunden. Das Individuum kann es eigen- 
thümlich entwickeln, kann davon einen besseren und schöneren Gebrauch 
machen, als ein Anderer; denn hier ist nichts Thierisches. kein Theil 
des natürlichen Stammes; es ist der Mensch als vernünftiges Glied einer 
Gesellschaft, eines Volkes oder einer Nation, der sich als solches in die 
ererbten Güter dieser Societät theilt und diese auch durch seine eigenenj 
Fähigkeiten erhält, vermehrt und auf seine Nachkommen überliefert. 



§ 14- 

Indem Friedrich Müller die körperlichen und geistigen Eigenn 
Schäften vereinigt, begründet er die Classificirung und Beschreibung des 
menschlichen Geschlechtes vornehmlich auf die Verschiedenheiten der 
Kopfhaare und der Sprache. ^^ Seiner Aufstellung nach theilen sich die 
w oll haarigen Menschen in vier Ra^en, die schlichth aarigen aber in acht, 
und zwar: Aj Xn den siraffh a a rigen geh ör en : die A u s t ral i e r, die H yp er- 
boreer oder Arktiker, die Amerikaner, die Malayen und die Mongolen j 
Bj zu den iocken haarigen: die Drawidas, die Nubas und die Mittel-^ 
länder. Zur Orientirung heben w*ir aus der straifhaarigen Menschenra^d 
nur die Mongolen hervor. 

Nach Müller umfasst die mongolische Ra^ie folgende Volksstämme:: 

I. Uraiaiiaische Völker; hierher gehören: 

aj der samojedische Zweig mit vier Stämmen: Juraken, TawgyJ 
jenisseische und ostjakische Samojeden ; 

bJ der finnische Zweig mit vier Familien : die ugrische (OstjakenJ 
Wogulen und Magyaren) ; die bulgarische (Tscheremi ssen, Mord weinen j| 
der Abstammung nach, sagt Müller, gehören auch die Tschuwaschen 
hierher, ihrer Sprache nach müssen sie aber in die Gruppe der tatari^ 
sehen Völker gezählt werden) ; die permische (Permier, SyTJänen, Wotja-^ 
ken) ; die finnische (die Suomi, Esthen, Liviänder und Lappen) ; 

cj der hiiarische Zweig, dessen Völker sind : die Jakuten, sibiri-1 
sehe Tataren, schwarze Kirgisen (Buruten), die Kirgisen (richtiger: 
Kasaken), Uzbegen, Turkomanen, Karakalpaken, Nogaier, Kumüken, I 
basianische Türken, kasanische Tataren und Osmanli. Der Sprache nach 
gehören hierher auch die Tschuwaschen und Baschkiren, die Meschtscher- 1 
jäken und Teptjären. Von den alten Völkern rechnet Müller dazu diel 
Skythen, die Hunnen, Alanen, Roxalanen, Avaren,- Eulgaren, Cha^aren,! 
Petschenegen und Kumanier; 



^5 



d) der mongoh'sche Zweig (Ost- und West-Mongolen oder Kai- 
rmüken und Nord-Mongolen oder Burjäten); 

ej der iunguststhe Zweig: Tungusen (Tschapogir-, Orotong- etc. 
7'ungusen), Mandschu, Lamüten und Schibä. 

2. Japanesen, 

3. Koreaner. 

4. Völker mit dnsylbigen Sprachen, als : 
a) Tübeianer, b) Birmaner u. s, w.^ c) Siamesen mit viererlei Dia- 

lecten, d) Anamiien, e) Chinesen mit drei Hauptdialecten : dem Kwanhoa 
(in Peking und Nanking), Fukian und Kwantung. 

Die mongolische Ra9e ist von mittlerer Grösse ; die Frauen sind 
in der Regel klein. In Bezug auf Muskelentwicklung steht die mongo- 
lische Rage der mittelländischen nach, ihre Arbeitsleistung ist daher 
bedeutend geringen Der mongolische Typus, sagt Müller, macht im 
Ganzen den Eindruck des Kindlichen, Offenen, Sorglosen und Geselli- 
gen. Alle diese Züge werden bedeutend erhöht durch den mangelnden 
oder schwachen Bartivuchs, was dem Manne einen weiblichen Typus ver- 
leiht. Dieser Typus passt aber nicht mehr auf diejenigen uralaltaischen 
Stämme, welche durch Mischung mit den Mittelländeni sich nicht 
unbedeutend geändert haben, so dass manche derselben eher zu der 
letztem Ra<;e als zu der mongolischen zu gehören scheinen (namentlich 
mehrere türkische Stämme, sowie manche Typen der Finnen). Müller 
gibt sodann auch eine psychische und ethnographische Charakteristik 
der mongolischen Ra<je, wo mach 

1. iK^a / u nö/Ae r jeuQ sind, welche von der Fischerei, Jagd und der 
Renthierzucht leben und dem Schamantsmus anhängen (Samojeden, 
Lappen, Wogulen, Ostjaken, Tungusen und Lohita-Völker) ; 

2. HalbcuUivirte Völker (Vieh- Nomaden), deren Hauptnahrungs- 
zM-eig die Viehzucht bildet; diese sind wiederum: schamanische Stämme: 
Himalaya-Völker u. s. w. ; Buddhisten (Lamaisten): Mongolen, Tübeter; 
^luhamedaner: Tatarfen, 

3. Cullumölker (Ackerhauer), und zwar: 
aj Völker des chinesischen Culturkreises : 

Chinesen, 

Japanesen, 

Koreaner, 

Anamiten ; , 

bj Völker des indischen Culturkreises: 

Birmanen, 

Siamesen ; . 
c) Völker des europäischen Culturkreises: 





26 



«) des römisch-germanischen Culturkreises : Finnen, Ma* 

gyaren ; 
ß) des byzantinisch-russischen Culturkreises: Tscheremissen, 

Mordwinen, Permi er und Andere ; 
dj Volker des rouhamedanischen Culturkreises: 
Osmanli, 
Nubarische Volksstämme in Mittel-Asien. 



§ 15- 

Weit grösseres Interesse erregte Oscar Pe.schel mit seinem Werke 
«Völkerkunde», das vor zwei Jahren (1874) erschien und ein Jahr darauf 
schon die zweite Auflage erlebt hat. 's Auch Peschel fasst sowohl die 
körperlichen als geistigen Ra^en-Merkmale zusammen und nimmt dar- 
nach iTitiftn Menschen ra^en an» Und zwar: 

1. Die Ausiralitr (Bewohner des australischen Festlandes sammt 
den Küsten-Inseln und Tasmanien); bei einem mittleren Breiten-Inde] 
von 71 und einem Höhen-Index von 73 gehören sie zu den hohi 
Schmalschädeln ; sie sind zugleich prognath. Der Körper ist reich* 
lieh behaart; die schwarzen Haare, im Querschnitte stark elliptisch, 
bilden abstehend um das Haupt eine zottige Krone. Bezüglich ihrer 
Sprache bemerkt Peschel: «"Wenn der Reichthum von Formen zum 
kurzen Ausdrucke feiner Beziehungen über den Rang einer Sprache, 
entscheiden sollte, so müssten uns und allen Völkern West-Europas d« 
beinernen !Menschenschatten am King George-Sund Neid einflössen;' 
denn ihre Sprache besitzt nicht blos soviel, sondern sogar vier Casus- 
endnngen mehr als die lateinische, und ausser Einheit und Alehrheil 
noch einen DnaL Das Verbum, an Zeiten so reich wie das Lateinische, 
hat ebenfalls Endungen für ütn Dual, ja drei Geschlechtsformen für die 
dritte Person, sonst aber ausser den Activ- und Passiv- noch Reflexiv-, 
Reciprocal, Determinativ- und Continualformen.»'^ 

2. Die Fapuamn, Diese zerfallen in australische und asiatische 
Papuanen (Papuas); ihr Breiten-Index ist 70, der Höhen-Index 77, die 
Schädelform also schmal und hoch. Die Kiefern sind prognath, das 
Haar lang, üppig, stark abgeplattet und in Büscheln vereinigt. Es 
umgibt das Haupt perückenartig als eine acht Zoll mächtige Krone, 
Die Haut aller Papuanen ist dunkelbraun, fast schwarz. 

3. IHe motigoi {sehen Völker. Gemeinsame Merkmale derselben sind: 
Das lange, straffe, im Querschnitt walzenförmige Haar, Armuth oder 
gänzlicher Mangel an Bartwuchs wie an Leibhaaren, ledergelbe bis zum 
tiefen Braun, bisweilen ins Röthliche spielende Plautfarbe, vorstehende 
Jochbogen, begleitet bei den meisten von einer schiefen Stellung der 



^7 

A.ugen, Für alle sonstigen Merkmale sind Uebergänge vorhanden, so 
dass die örtlichen Typen in einander verschmelzen. Die Sprachmerkmale 
allein gewähren die Mittel zur Aufstellung von Unterabtheilungen. ^^ 
Diese Unterabtheilungen sind nach Peschel folgende: 

a) Der nmlayische Sin mm \ 

b) die Südoshmaftn mit einsylbigen Sprächet!. Gemeinsam sind 
icliesen Völkern straffes, schwarzes Haar, Mangel an Bartwuchs und 
Leibeshaar, meist ledergelbe Haare und schiefgestellte Augen, Schmal- 
schädel gehören unter ihnen zu den grössten Seltenheiten; ihrem Breiten- 
Index nach ordnen sich diese Völker theils unter die Mesocephalen, 
theils unter die Brachycephalen. Die Höhe des Kopfes ist entweder der 
Breite gleich oder überbietet sie nicht selten ; Prognathismus tritt nicht 
überall und stets in massigem Grade auf. Die Zahl dieser Völker beträgt 
bei 350 Millionen Älenschen (Tübetaner, himalayische Stämme, Birma- 
nen, Anaraiten, Chinesen) ; 

cj Koreaner und Japantsen. Die Japanesen gehören mit einem 
Breiten-Index von 76 unter die IMesocephalen und Höhe des Schädels 
ist fast so gross, wie die Breite. Nur ihre mehrsilbigen Sprachen, die 
aggl utinirend sind und sich dem uralaltaiscben Typus nähern, verhindern 
tis, dass sie in die nämliche Gruppe wie die Chinesen gestellt werden; 
dj Die mongoknähniichm Völker im Norden der alten \^^elt, vom 
ochotzki sehen Meerbusen bis nach dem europäischen Lappland, C>b ehe- 
mals dieses geräumige Gebiet von Menschen verschiedener Ra^en 
bewohnt war, lässt sich gegenwärtig weder verneinen, noch bejahen. 
Jedenfalls hat die beständige I^Iischung des Blutes frühere Unterschiede 
verwischt und so finden wir nach der Aeusserung Peschel's in den 
Körpermerkraalen alle Uebergänge vo» den streng mongolischen Er- 
kennungszeichen bis zur gänzlichen Uebereinstimmung mit den gesit- 
teten Bewohnern des Abendlandes," Peschel theilt diese Gruppe nach 
Ät CASTRiN'3 in fünf Aeste, nämlich in Tungusen, m (eigentliche) Mon- 
^m^ in Türken^ in Finnen und in Sam47jeden ; 

ej N'ordasiakn von unbestimmier sjskmaiischer Sklitmg. Peschel 
zählt hierher die Jenissei-Ostjaken, die Jukagiren und die Aino. 

fj Die Beringwöiken Es gehören hierher die Itelmen oder Kam - 
tJfchadalen, die Korjaken und Tschuktschen, die Namollo (in der äusser- 
sten Nordostecke Asiens) und die Eskimo, die Aleuten, die Thlinkiten 
iKaljuschen in Nordwest-Amerika) und die Vancouverstämme. 

gj Die amenkanische Urbevölkerung^ welche nach Peschel über die 
ingsstrasse (vielleicht als diese noch Landenge gewesen) aus Asien 
Amerika gewandert sind. 

4. Die Drawida oder Urbewohner Vorder-Indiens, Die Haut der- 
selben ist meistens stark gedunkelt, oft geradezu schwarz wie bei den 




28 



Negern, doch fehlt der widerliche Geruch der Letzteren. Das Haar is 
lang, schwarz, nicht büschelförmig, sondern kraus oder gelockt, Bart 
und Leibhaar sprossen reichlich ; dadurch lassen sie sich leicht vo^ 
den mongolenähnlichen Völkern trennen. Es gehören hierher die Brachy 
in Beludschistan, die Malabaren, die Tamulen, die Teluguen, die Karl 
naten und Andere, Die Zahl der Drawida beträgt über jz Millionen 
Seelen. =^ Einige haben die Drawidasprachen zu den turanischen (uraV 
altaischen) Sprachen zählen wollen, was schon von Sprachkennerij 
gemissbilligt worden ; ^eine Volke rkundt aber, weiche den KoffermerkmakH 
da^ eni scheidende Getvkhi bei kg/, kann nur vor diesem Irrihum warnen. ^^ 

5. Höikniotien und Buschmänner. 

6. Die Neger. 

7. Die miiielländische Ratie, Bei dieser sind die vorherrschende 
Schädelformen die mesocephalen und brachycephalen ; die Höhe dei 
Schädels sinkt gewöhnlich mit der wachsenden Breite. Prognathismu 
gehört ebenso sehr in den Seltenheiten^ wie das Vortreten der Backen-i 
knochen. Die Farbe der Haut ist bei den nördlichen Völkern gan^ 
hell, trübt sich in Süd-Europa, wird gelb, roth und braun in Nord-H 
Afrika und Arabien, sowie bei den Zigeunern. Das Kopfhaar ist nie sO 
lang und so walzenförmig, wie bei den mongolenähnlichen VölkernJ 
nie so elliptisch im Querschnitt und so kurz wie bei den Negern, sonl 
dem meistens gelockt. Innerhalb dieser Ra^e finden sich die bärtigsteml 
und am besten behaarten Volker, nur die Nord- Afrikaner sind schwä- 
cher mit Bart- und Leibhaar ausgestattet. Die Ra9e zerfällt in fol- 
gende Stämme : 

^) Die Hiimiten (Altägypter, Berber und Afrikaner). Die AltägypteEi 
stehen nach der Schädelbildung auf der Grenze zwischen Dolicho- und 
Mesocephalie. Schon bei ihnen treten die Kiefern ein wenig vor, der] 
Prognathismus wächst aber, je weiter wir nilaufwärts uns bewegen. 

^5) Die Semiten. Sie sind bärtiger als die Hamiten und häufiged 
als diese mit ausdrucksvollen Gesichtszügen, schmalen Lippen, hohenJ 
meist gebogenen Nasen und scharf gezeichneten Brauen ausgestattet 
Es gehören hierher die Juden, die Araber, die Syrier, die Phönicier, did 
Babylonier, die Assyriern, s. w. Nach der WELCKER'schen Sealastehen dig 
Juden an der Gränze der Mesocephalie, gehören aber noch unter diö 
niedrigen Breitschädel, die Araber dagegen können zu den hohen SchmalJ 
Schädeln gezählt werden. Den Semiten verdankt man drei Religionen? 
das Judenthum, das Christenthum und den Islam (Mohamedanismus)J 
Die heutige Völkerkunde darf sich aber auch bei den semitischen Vol-j 
kern nur an die betreffenden Sprachen und Sprachreste halten und 
darnach ihre Eintheilung treffen. =^ Aus der Geschichte führt Pesche^ 
an, dass bevor im 18. Jahrh. v. Chr. die semitischen Chaldäer in Babj^ 









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DaJ- 
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ron ihre Herrschaft gründeten,, am Mündungsgebiet des Euphrat ein 
Reich mit der Hauptstadt Ur bestand, dessen Könige nicht semitische 
Mamen führten. Dort wurde die älteste Gattung der Keilschrift erfunden, 
welche die sumerische oder akkadische genannt wird, von der jedoch 
die assyrisch-babylonische Schrift erst abgeleitet worden ist. Die Sprache 
jeries Urv'olkes bezeichnet J, ÖPPEitr als eine «turanische», unzweideuti- 
g^er soll es heissen : «uralaltaische» und zwar schliesst sie sich dem fin- 
nischen Aste näher an als dem türkischen, «Leider», bemerkt Peschel, 
«ist die Erforschung des Akkadischcn oder Sumerischen völlig abhängig 
von den Fortschritten der assyrisch -babylonischen Schriftkunde. Wir 
werden daher noch lange der völligen Klarheit entbehren, dann aber 
sicherlich Aufschluss gewinnen über das anziehendste Räthsel der Völ- 
kerkunde», ^7 

v) Europäische Völkersiämme von unbestimmter Stellung, 
aa) die Basken, an den beiden Abhängen der westlichen Pyrenäen, 
deren Sprache dem amerikanischen Typus ähnlich ist. ^^ 

blf) Kaukasische BeviUkinmgen^ deren Sprachen völlig ohne Ver- 
vvandtschaft bis jetzt dastehen. (Die Avaren in Daghestan, die Kasiku- 
n^ücken, die Akuscha, die Kürinen und Uden, welche sämmtliche von 
11115 Lesghier genannt werden u. a. m.) 

ä) Der indo - 1 u ropäisch e Sla m m, I n K u ro pa ge h 5re n h i er h er : d i e A 1 1 - 
.Griechen, die Römer, die italischen Völker überhaupt, die Thraker, 
K^elten; femer die romanischen, die germanischen und slavischen Völ- 
^^r; endlich die Zigeuner, die ihre indische Heimath kaum looo Jahre 
tiach Chr. G. verlassen haben; im J. 1322 trifft man sie schon auf der 
Insel Kreta, im J. 1346 auf Korfu, 1370 in der Moldo- Walachei, woher 
sie auch nach Ungarn einge\<'andert sind. — In Asien sind zu der indo- 
europäischen Völkern zu zählen: Die Alt- und Neuperser und die eigent- 
li^^hen Sanskritvölker in Indien. 

Die europäischen Völker dieses Stammes, zu denen auch die amj;^- 
rikanischen Europäer gehören, sind die Vorkämpfer der menschlichen 
C^ltur, die Inhaber der grössten Industrie und Macht in der Neuzeit. 

Wenn wir nunmehr einen Rückblick auf die ethnographische Cha- 
^kteristik werfen, so bemerken wir vor Allem, dass unter den Gelehrten 
^t'der in Hinsicht auf die Zahl, noch auf die Abgrenzung der einzelnen 
Mcnschünstämme Uebereinstimmung herrscht. Fr. Müller nimmt 
i. ß, eine besondere A'i/^ö-Ra^e an, womit er «eine Reihe von Völkern 
DCg^roift, die im Norden Afrika's theils zwischen den Negern, theils am 
Ivande des Negergebietes wohnen und sich sowohl durch ihre physische 



I 





Uo 



Complexion als auch durch gewisse ethnologische Merkmale von i] 
unterscheiden. Diese Völker sind weder Neger, noch mittelländische" 
Hamiten, sondern ein Mittelschlag zwischen beiden, »^s Peschel meint 
dagegen: «iMan hat die Fundj als eigene Ra^e von d^n Negern abson- 
dern wollen und zwar als nubische Rasse. Unglücklicher konnte ein 
Name wohl nicht gewählt werden, denn Nuba oder Nobah heissen die 
Bewohner der Gebirgsgegenden und des flachen Landes in Kordofan, 
die sich in allen Merkmalen den Fundj (Fundschi) anschliessen, nur 
dass sie noch negerhafter als Dolichocephalen mit sehr stark gekräusel- 
tem Haare sich darstellen. Gänzlich unverständlich bleibt es aber, 
dass sie mit den Fulben in Weytafrika in Verbindung gesetzt werden 
konnten.!* 3° 

Peschel zählt zum mongolischen Stamme nicht blos die malayi- 
schen Völker, sondern auch die Urbe wohner Amerika' s, w^elche nach 
Fr, Müij.er und BlumeJjkach drei verschiedene Stämme ausmachen; 
auch nach Morton (vgl. o. S, j) steht der amerikanische Stamm ganx 
isolirt da. 

Sowohl Müller als Peschel wählen die Westfinnen und die 
Mag}'aren zur mongolischen Rai;e ; beide behaupten jedoch, jene Völ- 
ker hätten sich derart verändert, dass sie mit der mittelländischen Ra^e 
vollkommen übereinstimmen. Auch das ist aufl'ällig» weshalb z. B. die 
Türken und Magyaren zu den bartlosen Mongolen gehören sollten, wo 
doch seit 300 Jaliren bei den Europäern der türkische und magyarische 
Schnurbarte zumeist bekannt ist, und auch heute deutsche und nicht- 
deutsche Witzblätter ihren Lesern den Magyaren nur mit langem 
Sehn örb arte zu p rasen tiren pflegen. — Im Gege nsatze hievon reihen beide 
Ethnographen die Hamiten, welche ebenso schwachen Bartwuchs hab( 
wie die Mongolen, zu der mittelländischen bartreichen Ra<;e. Hierhi 
gehören auch die Semiten, und doch ist der Unterschied zwischen doj 
aJtägyp tischen, altassyrischen und den babylonischen Gestalten, welcl 
in den europäischen I\Iuseen aufbewahrt werden, ganz augenscheinlic 

Es ist ferner Thatsache, dass die körperlichen Kennzeichen d< 
Ra9en sehr schwankend und veränderlich sind und zwar nicht blos 
ganzen A'ölkern, sondern auch hei den Individuen. Das zeigen die Schi 
delmessungen, die Bestimmungen der Haare u. dgl. Wie veränderlii 
die Farbe der Haut ist, weiss jederman, der das ungarische Volk kennt 
auch in Bezug auf den Bart^^mchs kann man hier interessante Beobacl 
tungen machen. 31 — Welcker sagt unter Anderem : <iDie vortreffli- 
chen Termini «brachycephaU und t dolichocephal * sind weit mehr 
anatomisclie als ethnologische Begriffe ; benützt man sie als ethnologi- 
sches Eintheilungsmoment, so wird man bei consequenter Durchführung 
Gruppen zerreissen müssen, die zu s am qi enge hörig sind, und Heteroge- 



mi 



31 

ses vereinigen.» ^^ Dasselbe gilt auch von allen anderen Körpermerkma- 
len. Bei Peschel lesen wir (S. $zz) einen Ausspruch MLrN2:iNGER*s, 
I dass bei genauer Beobachtung der aufrichtige Reisende nicht mehr weiss, 
wo der eigentliche Neger anrangt, und der Glaube an die absolute Ra- 
^entrennung schwindet mehr und mehr.» Das erscheint übrigens ganz 
natürlich Demjenigen^ der den einheitlichen Ursprung des Menschen- 
geschlechtes acceptirt, was nicht blos bei Blumen räch, sondern auch 
bei Müller und Peschel der Fall ist ; und es muss diese Anschauung 
jeder Anhänger der DARWiN'schen Descendenztheorie annehmen. Die 
Stabilität der Körpiermerkmale konnte nur dann als Regel gehen, wenn, 
wie t. B, Morton behauptet, der getrennte Ursprung und die Un Ver- 
änderlichkeit der Ra9en feststünde. Bei der entgegengesetzten Ansicht 
ht es allerdings missiich, die Körpermerkmale als ausschlaggebend zu 
betrachten, wie das Peschel thut 33, der gleichwohl an einer andern 
Stelle erklärt, dass < niemand die Schwäche der Ansicht von der Unver- 
äjideritchkeit der Ra9enmerkmale besser fühle als derjenige^ welcher 
versucht hat, die Völker zu beschreiben ; denn nicht ein einziges Kenn- 
leichen ist strenges Allein gut irgend einer Menschenra^e.» 3+ 

Müller überlässt daher die Ra^en frage ganz richtig der Anthro- 
polugie, die den Menschen wie das Thier nach seinen natürlichen Eigen- 
schaften betrachtet ; wogegen die Ethnographie mit dieser Frage nichts 
iü thün habe. Denn diese — die Ethnographie — fasst den Menschen 
•alB ein zu einer bestimmten, auf Sitte und Herkommen beruhenden, 
durch gemeinsame Sprache geeinten Gesellschaft gehörendes Indivi- 
duum.» 25 In seiner * Ethnographie » nahm indes Müller ebenso wie 
Peschel dennoch die anthropologischen Kennzeichen auf. Aber gerade 
das ausgezeichnete Werk des Letztern macht es deutlich, dass die Ra- 
^üTitnerkmale sozusagen nur in ungemessener Entfernung recht wahr- 
nehmbar sind» in. der Nähe jedoch verschwinden und andere, unkÖrper- 
Üche Merkmale, insbesondere die Sprache, mehr und mehr hervortreten. 
So lesen wir bei Peschel, ^^ dass die Erage, ob das Volk der /*;////*' 
(nach Müller «Euhih») zu den Negern gehöre oder nicht, blos durch 
die Sprache entschieden werden könne; ebenso erklärt er von den semi- 
tischen und mongolischen Völkern, dass man diese nur nach den Sprachen 
classificiren könne. ^7 Wahr ist frei I ich , was Peschel sagt, dass die 
sprachliche Verwandtschaft, selbst die nähere Uebereinstimmung noch 
*^ii* untrüglicher Beweis eines gemeinsamen leiblichen Stammbaumes 
*^'» denn sonst müssten * die vormals slavisch, jetzt deutsch redenden 
Völkerschaften östlich der Elbe von jeher Germanen, es müssten die 
^^glisch sprechenden Neger der Vereinigten Staaten Angelsachsen, die 
spanisch redenden Indianer Mittel- und Südamerika*s Blutsverwandte 
^^Itlerons sein.» 3« 





32 

Aber, so fragen wir, macht denn die leibliche Abstammung 
Menschen die Nation ? 



§ 17- 

Der Mensch wird geboren wie das Thier; alsdann erlernt er ei; 
Sprache, was das Thier nicht thut ; durch diese Sprache wird der Meni 
nicht blos Mitglied einer bestimmten Gt?sellschaft und Nation ; sondei 
er wird auch theilhaftigan all dem Schicksale, das diese Gesellschaft, diej 
Nation seit Jahrhunderten erlebt, erfahren, gethan, gelitten und au< 
gehofft hat. Die Spuren davon sind in der Sprache niedergelegt ii] 
werden den Nachkommen getreulich überliefert. Sie finden sich in tli 
ersten Worten, die das Kind lallt, wie in den Märchen und Sagen, dem 
der Knabe mit Wonne lauscht ; sie finden sich in den Geschichten, di 
der Jüngling lernt, wie im Glauben, in dem er herangewachsen ist : si 
finden sich in der Literatur, die den Mann trfreut, oder in der ArbeS 
die den Landmann, den Handwerker, den Kaufmann Äc. und die Seil 
gen ernährt. — Die Cieburt ist also nur der Anfang des Lebens, nid 
sein Inhalt und die Würde des Menschen liegt nicht in seinem Gel 
rensein, sondern darin, dass er sich selbst und dann auch andere erziehi 
dass er sich ans Lernen und Arbeiten gewöhne und sodann Andei 
unterrichte und zur Arbeit anhalte ; dass er sich entwickle und auf dW 
Entwickelung seiner Mitmenschen Einfiuss nehme. I\rit einem Wort« 
die Bestimmung des Cnl türmen sehen ist, auf^runehmen, was Gesellschi 
und Nation ihm bieten ; dann aber auch seinerseits das Erbe diel 
Gesellschaft und Nation zu bereichem, Noch mehr! Die Gebort vei 
den Menschen keineswegs derart zu beschränken, dass er ausser seil 
Muttersprache, die er in der Kindheit gelernt, nicht noch eine odi 
auch mehrere Sprachen sich aneigne und dadurch nach eigenem Willei 
auch in eine andere Gesellschaft treten, das Glied einer andern Natioj 
werden könnte. Dieser Fall kommt unzähligemal namentlich in gemischt 
sprachigen Ländern vor. In den Vereinigten Staaten Nordamerika's 
z. B., wo im Laufe der Zeit, vielleicht auch schon jetzt, der Neger in 
seinem ganzen Fühlen und Denken, in seinem Wirken und Hoflfen ini! 
dem Weissen übereinstimmt, sollte er da nicht zur anglo-amerikaniscb« 
Nation gehören dürfen ? Die Geschichte der Civil isation, ja der Mensi 
heit bejaht diese Frage. 

Was will die Ethnogrnpkü oder Efhnoiogie f Nach der Abstam- 
mung bedeutet das griechische Wort ethnos Volk ; graphein scbreibeni 
beschreiben; logos Vernunft, LTrsache u. s. w» «Ethnographie» wäre also 
nach dem Wortlaute l^oiksbesiknihung^ « Ethnologie >» die Darstellung d^r 
Ursachen (des LTrsprunges, der Herkunft) des Volkes. Hält man sich 



33 



tfeiigc an diese Wortbedeutung, so wäre «Ethnographie» jene Wissen- 
chaft, welche die Völker nach ihrem Wesen beschreibt? die «Ethno- 
Dgiei aber würde nachforschen, wie ein Volk entstanden» geworden ist, 
lewühnlich fasst man aber die Bedeutung beider Ausdrücke in Eins 
^sammen und versteht darunter jene Wissenschaft, welche sowohl der 
Jntwickelung der Völker nachforscht, als auch deren Wesen beschreibt, 
diesem Sinne wird auch das deutsche Wort «Völkerkunde» gebraucht 
Im Deutschen hat man für das griechische «ethnosi die BcEeichnun- 
gen laik und Nation, Der Begriff des «Volkes» ist umfassender als der 
der « Nation 1». Das deutsche «Volk» begreift alle Menschen deutscher 
Abstammung in sich, mögen diese auch sonst (in politischer Hinsicht) 
dem verschiedensten Nationen angehören. Der Begriif des « Volkes ^ 
bezieht sich überhaupt mehr auf die «^///^rZ/f/^^/; Merkmale, auf den geneti- 
schen Charakter, der mit dem Lande, mit der Natur desselben im Connex 
sieht. Zur Bezeichnung der natürlichen Abkmift wird auch das Wort 
• Kation all tat* gebraucht und ist hierbei das hauptsächlichste unter- 
icheiilende Kennzeichen die Sprache, Die « Nation •* ist ein sociahr 
Be^iff; er bezeichnet die Menschen, welche in poliimher Gemeinsam- 
keit» innerhalb der Grenzen mnes bestimmten Staates denselben bürger- 
lichen Gesetzen unterworfen sind. So kennt Ungarns Gesetz in po/i/ischr 
Hinsicht nur tine Nation, die aber in naiürlkJur Beziehung in eine 
Reihe verschiedener Volksstämme oder Nationalitäten zerfällt, bei denen 
te unterscheidende Merkmal, wie erwähnt, vor allem die Zunge ist. 
Dic Deutschen in Ungarn bilden z. B, in politischer Beziehung einen 
*ntt^grirenden Bestand t heil der politisch einheitlichen ungarischen Nation ; 
in Bezug auf die natürliche Abstammung und Verwandtschaft, namentlich 
föJt Rücksicht auf ihre Sprache gehören sie zum deutschen Volke. 

Das «Volk» %vird durch Sprache, Religion und Sitte gebildet ; 
öttter diesen Factoren nimmt die Sprache den ersten Platz ein, wie schon 
& Benennung «Muttersprache» andeutet. Die Sprache ist die eigent- 
liche Gestalterin des Volkes, ist dessen Lebensbaum. Auf welche Weise 
^e Stamm- oder Ursprache entsteht, durch welche Modification oder Ab- 
1^ die besonderen Idiomebildet, die jedoch trotz aller Abweichung 
1 einen gemeinsamen Centralpimkt, eine gemeinschaftliche 
Grundlage besitzen, das lässt sich ebenso schwer bestimmen als der 
^^^üprung der Sprache überhaupt. Wir müssen uns mit der Anerkennung 
^l^r Thatsache begnügeUi dass jeder besondere Sprachstamm geworden; 
"loch kann Jede entstandene Sprache umständlich beschrieben w^erden^ 
Wodurch man einen richtigen Begriff von ihr empfangt. Menschen, die 
«ne besondere Sprache geraeinsam sprechen^ bilden ein besonderes 
Volk, dessen Keim gewiss auch auf dem Wege der gemeinsamen leib- 
Abstammunff entstanden ist und sich gemehrt hat. 



infalv^s Ethnogr. 



Allein ein A^olk vermehrt sich nicht blos auf dem natürlichen 
Wege der Fortpflanzung und schwindet nicht blos durch das Absterben 
seiner Glieder: sondern es vergrössert sich auch durch äusserliche 
Aiischluss oder nimmt ab durch Lostrennen. Die Sprache wird nichl^ 
mit dem Menschen geboren ; er lernt diese erst später von seinen: 
Aeltem, von seiner Umgebung ; ja mit der Veränderung der frQherenJ 
Genossen kann er von seinen neuen Gefährten auch eine neue SpracheJ 
erlernen, dadurch, sich von seinem Muttervolke trennen und ein neueg 
Volksthum annehmen. Auf diesem Wege des Anschliessens vergrö 
sich das russische Volk auf Kosten der Finnen und Tataren ; dagl 
verlieren die beiden letztgenannten A'ölker in demselben Masse durcli 
die Lostrennung ihrer Volksangehörigen. Dasselbe m ar der Fall bei deri 
ehemaligen Slaven am rechten Elbeufer, die ihr slavisches Volkslhurx^ 
aufgegeben und das Deutschthum angenommen haberA So vermehrte 
sich auch das walachische Volk, indem sich dem rumänischen StatRX^ 
all mal ig bulgarisches, serbisches, kumanisches und mag)-ansches El * 
ment einverleibte und geht diese Absorbirung anch heute noch fort. W* 



die Volker nur nach ihrer natürlichen Vermehrung betrachtet^der kennt d- 
eigentliche Volksleben nicht. Die Ursachenfies Anschlusses an ein andert^^^^ 
Volk sind mannigfaltig; mag es jedoch die höhere Cultur oder die grösse:«^'^ 
Kraft oder die bedeutendere Zahl sein, das Resultat bleibt stets dasselb *^- 
^lit dem besondern Sprachidiom gestaltet sich zugleich d *- ** 
besondere Religion, Das Thier lebt nur in der Gegenwart ; sobaÄ- ^ 
der Mensch aber zu denken, also zu sprechen beginnt, erinnert ^^' 
sich der Vergangenheit und sein Wünschen überschreitet die Geger^»^- 
wart, er boflt und fürchtet für die Zukunft, mit einem Worte: er verlani^^ 
auch das zu \n5sen, was er nicht sieht ; die Ursache dessen zu erfo «:"- 
sehen, was sinnlich nicht wahrnehmbar ist. Der Mensch wird nac^Ä 
Aristoteles zum Wissen geboren ; desshalb verschafft er sich auch mci<^- 
iichste Wissenschaft über sein eigenes Wesen. Die Bewegung von Sonn^^* 
Mond und Sternen, der Wechsel der Jalireszciten, das Thierleben d^* ' 
Waldes wie der Fisch im Wasser erregten seine Aufmerksamkeit, sein.«^ 
Ee wunderung. In allen diesen Dingen und Erscheinungen ahnte er ein*? 
Macht, die grösser und einsichtsvoller ist als er selber und die erent- | 
weder in Furcht oder Liebe erkennt und anbetend verehrt. Der redend*^ 
Mensch gelangt unbedingt zur Religion oder er konnte den thierischen^ 
Zustand niemals verlassen. Der religiöse Glaube erzieht das Individuu 
das Volk, die Menschheit. In den einzelnen Sprachen sind also dl 
religiösen Ausdrucke und Benennungen die ursprünglichsten Aeusserur 
gen des Volksgeistes und deshalb auch in der Ethnographie von gross 
Bedeutung. — Sobald aber ein Volk später mit anderen Völkern 
Berührung kommt und von denselben beeinfiusst wird, ändern sich auC 



35 



iiöe religiösen Anschauungen und Ausdrücke ; allein das Volk selbst 
esteht fort, solange es seine Sprache bewahrt; seinen neuen Glauben 
»pft es auch seiner Sprache ein. 

Das Volk mit besonderer Sprache und eigenthüm lieber Religion 
iesteht unbedingt aus mehreren Familien, die schon nach einigen Gene- 
ationen zu einer zahlreichen Gemeinschaft heranwachsen, wenn auch 
Lein Anschluss von Aussen sie vermehren sollte. Da entstehen alsdann 
Verhältnisse zwischen ^lann und Weib, Aeltern und Kindern, Herr und 
Kr^'cht, seihst zwischen Fürst und Volksgemeinde und diese Verhält- 
rtjen auch durch die Verschiedenheit der Lebensweise noch 
let-* rt. Anders wirkt ein die Fischerei und die Jagd, anders die 
Ueschäftigungen der Viehzucht und des Ackerbaues. Diese natürlichen 
Verhältnisse rufen die socialen Bildungen her\'or, -welche sonach jeder- 
zeit den naturgemässen Bedürfnissen entsprechen werden. Die gesell- 
ahaftliche Urv'erfassung ist also der dritte Factor zur Gestaltung eines 
Volkes. Sobald das Volk alsdann mit anderen Völkern in Berührung 
kommt, wird sich auch seine sociale Verfassung ändern ; ja es ist 
niö^lich^ dass es die fremde Verfassung vollständig annimmt ; aber das 
Volk ex ist irt so lange, als es seine Sprache bewahrt; denn es nimmt 

I± die Benennungen der neuen Verfassung in seine Sprache a:uf. 
■ •Zur Bestimmung der Stammverwandtschaft eines Volkes müssen, 
ch ScHAFARiK 39, drei Quellen g/iü/urmasscn die Beweggrüntle darbieten: 
<iie natürliche körperliche Beschaffenheit, der grammatische Bau der 
Sprache und die Geschichte.* Fasst man jedoch diese drei Momente 
bc'i der Beschreibung irgend eines neuern Volkes strenger ins Auge, 
^ ergibt sich, dass nur allein die Sprache den Ausschlag gibt ; denn 
<Iie körperliche Beschaffenheit und die Geschichte können mit anderen 
Völkern gemeinschaftlich sein. So unterscheidet sich z. B. die leibliche 
Constitution des walachischen Volkes nicht im Geringsten von der 
körperlichen Beschaffenheit der Slaven, namentlich der Bulgaren ; ihre 
Geschichte haben ferner die Walachen gemeinsam mit den Bulgaren 
^cl jenen Völkern in Siebenbürgen und Ungarn, die zur orientali- 
schen Kirche gehören. Es bleibt demnach nur allein die Sprache übrig 
*1» die Quelle zur Bestimmung des Romanenthums der Walachen ; die 
Sj*rache ist die einzige Erhalterin ihrer Nationalität; die Sprache ist 
das Magazin jener Cultur, welche das Volk sich eben durch seine 
Sprache erworben und in derselben niedergelegt hat. Dasselbe gilt von 
illen europäischen Völkern, mögen sie nun einen selbständigen politi- 
kben Körper bilden, denselben Glauben bekennen oder aber %^erschie- 
Jenen politischen Staatsverbänden angehören und in unterschiedliche 
.ubensbekenntnisse getheilt sein, wie z. B. heute das grosse Volk 
»eutschen und der Slaven. 



ERSTER ABSCHNITT. 
Ungarn und Siebenbürgen vor der Einwanderung der Magyaren» 

/, Vorhistorische Zeit. 

§ i8. 

Das ungarische National-Museum besitzt eine reichhaltige Kno- 
chen-Sammlung. Es sind darunter Schienbeine, Schenkel, Höraer, 
Schädel und Zähne von einer Grösse, dass man erstaunen muss, wenn 
man sich ein solches Thier in seiner ganzen Grösse vorstellt. Der 
grösste Stier von heute erscheint dagegen wie ein kleines Kalb. Die 
meisten dieser Knochen wurden im Schlamme der Donau und Theiss 
aufgefunden. Es mussten also in unserem Vaterlande zu einer Zeit 
solche Thiere gelebt haben, -die gegenwärtig hier nicht mehr existiren. 
Diese Knochenfunde lehren uns jedoch auch Geschichte, falls wir nur 
geschickt zu fragen verstehen ; besonders dann, sobald wir wissen, in 
welcher Erdschichte die Knochen begraben waren, in welcher Zeit- 
epoche also die betreffenden Thiere gelebt haben und wann sie das 
erstemal zum Vorschein kommen. Das Pferd, die Hejine gehören z. B. 
nicht unter die älteren Thiere ; das Vorkommen ihrer Knochen zeigt 
überall, demnach auch bei uns, auf eine neuere Zeit. 

Im ungarischen National-Museum sehen wir auch viele Werkzeuge- 
aus Stein. Wie viele solcher Steinwerkzeuge hat man in Ungarn und 
Siebenbürgen gefunden, ohne dass hiervon das National-IMuseum etwas 
erhalten hat und wie viele solcher Funde hat man unbeachtet beiseite 
geworfen, eine Achtlosigkeit, die erst in jüngster Zeit in etwas zu 
schwinden beginnt ! Die Steinwerkzeuge bekunden, dass hier solche 
Menschen gelebt haben, die derartige Werkzeuge anfertigten und 
gebrauchten. Wann, in welcher Zeitperiode diese Menschen lebeii 
mochten, das könnte man nur dann mit einiger Wahrscheinlichkeit 
bestimmen, wenn die Werkzeuge und Knochenfunde mit einander 
verglichen würden und es bekannt wäre, was für Werkzeuge mit bestimm- 
ten Knochen zusammentreffen. Ob diese Menschen lang- oder kurz- 
schädelig, mit geradem oder schiefem Gesichtswinkel behaftet waren^ 
das Hesse sich auch aus den Messungen der aufgefundenen oder noch 



^7 



Äufeufindenden Schädel erkennen. Allein welche Sprache diese Men- 
schen redeten, ob sie d\^ Vorfahren irgend eines noch lebenden Volkes 
gewesen: das kann man weder aus den Werkzeugeni noch aus den 
Schädelmessungen herauslesen. Nur so viel ist gewiss, dass vor Zeiten 
in unserem Lande auch solche Menschen, die wir nicht kennen, gewohnt 
liaben. Sehr wahrscheinlich ist ferner, dass Ungarn und Siebenbürgen 
nicht zu jenen Ländern Europas gehören, in denen der Mensch am 
frühesten erschienen ist. Es ist darum ebenso unzweifelhaft, dass die 
menschliche Cultur ihre ersten Keime gleichfalls nicht hierzulande 
fetriehen bat. Daraus folgt aber auch die weitere Möglichkeit, dass die 
Menschen in unserem Lande sich noch der Stein Werkzeuge bedienten 
m einer Zeit, als man an den Rändern des ^littelmeeres schon lange 
bessere Waffen und Geräthschaften aus Metall zu verfertigen im Stande war. 

An allen Orten, wo man bisher die Altcrtbümer mit grösserer 
Sorgfalt gesammelt hat, ergibt sich, dass die Werkzeuge und W^affen 
aus Bronce denen aus Eisen in der Zeit vorangegangen sind, Bronce 
ist bekanntlich eine Mischung von Zinn und Kupfer. Die Bereitung 
Und Verwendung derselben zu W^affen und Geräthschaften wurde aber 
nicht in Europa erfunden, sondern von den asiatischen und afrikanischen 
Vfem des Mittelmeeres, wahrscheinlich durch die PbÖnicier, nach Europa 
febrachL Nachdem man diese Kenntniss ge%vonnen hatte, setzte man 
dk^ Herstellung der Bronce in Europa fort: diese Kunst blühte auch 
in Ungarn und Siebenbürgen ; ja wie die Funde beweisen, erreichte sie 
•kter sogar eine höhere Stufe der Entwickekmg. Die Alterthümer aus 
Bronce findet man bei uns gleichfalls in sehr grosser Menge. Insbe- 
^ndere zahlreich sind die Funde in der Umgebung des Matragebirges, 
^so in den Komitaten Heves, Neograd und Hont ; sie mangeln übri- 
gens nirgends, am allerwenigsten in Siebenbürgen. Das ungarische 
^Vtional-Museum besitzt viele und vorzügliche Bronce-Altertbümer ; 
Ändere werden in Debreczin, in Hermannstadt und anderen Orten auf be- 
ehrt; viele sind auch in die Sammlungen nach ^Vien gekommen. 

Nach dem Materiale, aus welchem der Mensch seine Geräthe und 
Waffen verfertigte, theilt man die Geschichte der Menschheit in die 
Skin^^ Bmnce- und Eüenperiode ein. Bei dieser Eintheilimg wird Gold 
Tlöd Silber nicht in Betracht gezogen, da diese Metalle nicht zu Geräth- 
schaften, sondern blos zu Schmucksachen verwendbar sind und dieselben, 
namentlich das Gold, in der Natur im reinen Zustande erscheinen, 
J'Qm Menschen also wie jeder andere beliebige Stein fertig vorgefunden 

n. Darum begegnet man dem Golde schon sehr frühzeitig; bereits 

Steinperiode zeigt es sich. Die Gewinnung des Eisens beansprucht 

iloeiste Erfahrung und Geschicklichkeit ; darum tritt die Bereitung 

erwendung dieses Metalls am spätesten auf. Mit den Eisengeräth- 




38 

Schäften zeigt sich gewöhnlich auch das Silber und wie die Bronce 
langsam den Stein verdrängt hatte, so setzte das Eisen allmälig die 
Bronce aus dem allgemeinen Gebrauche. Die Benützung der Bronce 
setzt grössere Erfahrung voraus als die Verwendung des Steines; das- 
selbe gilt von dem Gebrauche des Eisens im Verhältnisse zur Benützung^ 
der Bronce. 

• Vorgeschichtliche'» oder «.prähistorische^» Zeit pflegt man jene Periode 
zu nennen, welche die Menschheit ohne Kenntniss der Schreibekunst, 
womit die eigentliche Geschichte beginnt, verlebt hat. Die Steinperiode 
gehört ohne Zweifel überall zur prähistorischen Zeit. Jndess unterscheidet 
man auch eine ältere und jüngere Steinperiode. In der altern lebte der 
Mensch mit dem Mammuth und dem Riesenhirsch zusammen ; seine 
allmälig vollkommeneren Geräthschaften bestanden aus Stein und 
Knochen. In der jungem Steinperiode bestanden auch andere Thiere; 
und die Steingeräthe -des Menschen erreichten die Stufe ihrer Vollen- 
dung. Die Menschen der Steinperiode scheinen sich von den Ufern 
des mittelländischen und adriatischen Meeres nach und nach über das ' 
Innere von Europa verbreitet zu haben; dieselben gelangten also wahr- 
scheinlich erst später nach Ungarn, wo die damalige Cultur auch nicht 
den Gipfel ihrer Entwickelung erreichte. 

Ebenso gehört die Bronceperiode, wenigstens für Ungarn, zu der 
vorgeschichtlichen Zeit. Die Bronce wurde, wie erwähnt, durch die Phö- 
nicier nach Europa gebracht. In den Binnenländern Ungarn und Sie- 
benbürgen kann man also den Beginn der europäischen Bronce-Cultur 
nicht vermuthen. Aber auch das ist unbekannt, welches Volk di& 
Bronce hier benützt und weiter entwickelt hat. Darum gehört auch 
diese Periode für uns zu der vorhistorischen Zeit ; ja diese dauert bis zu 
jener Zeit, wo die Waffen der Römer auch Ungarn und Siebenbürgen berührten' 
Ob aber der Gebrauch des Eisens erst mit den römischen Legionen 
hierher gekommen oder schon früher bekannt gewesen, das ist meinem 
Wissens noch nicht festgestellt. Eine bestimmte Auskunft hierüber 
können wir nur von den Siebenbürgor Funden erwarten. 

Eine entsprechende Orientirung über die prähistorische Zeit liefert 
der Däne WORSAA E in seinem Werke : ,,Ricsslands og det Skandinaviskc 
Xordcns Bebyggelse og oldske Kulturforhold.'' (Kopenhagen 1872, J Mit Be- 
zug auf Ungar?i imd Siebenbürgen ergeben sich daraus /olgende Resultate -' 
Die Geschichte lehrt, dass die zvelthistorische Civilisation von Asie7i über 
Aegyptefi 7iach Griechenland u?id Italien und von da weiter 7iach Nordeft^ 
U7id Westen ge2va7idert sei. Nichts deutet darauf hi7i, als ob der Europäer 
die Stei7igeräthschafte7i aus eige7ie7}i A71 triebe verlasse 71, also die Bah7i einer 
selbstä7idige7i Entwickelung vo7i der Stein- zur Bro7iceperiode bet7'eten 
habe; sonder7i alle Wahr7ieh77iu7ige7i lasse7i viel77iehr ver7mithe7i, dass in 
Europa die Bro7iceperiode U7iter Beei7iflussung vo7i ausse7i ei7iget7'eten 
sei, Ebe7iso sei es deutlich, dass die Stei7iperiode hie7' 710c h recht huigefort- 
l)estehe7i ko7i7itey 7iachde7n i7i Asien U7id Afrika die Ken7it7iiss U7id der 



Ikhe 

Hronf 



Gebrauch der Bronce schon lange verbretM gewesen. Von Asien drang dk 
neue Cuittir üher den Bospfirns nach Afacrdon/en, von hier aber theils nach 
Griechenland und Italien^ theils im Donanthale au/imris. Ob aber diese 
grosse Xenerung auch mit einer neuen Volke rbeivegung la- banden 7var, 
also mit dem Beginn der neuen Brmictperiode in die I>onangegenden, 
dann nach Griechenland und in die übrigen Theile von Xord- umi Wesf* 
Euro-pa auch neue Vulksstamme eingewandert sind : das lässt sich zwar 
nicht genau bestimmen, wohl aber rermnthen. Und falls mit der Bronce 
Vfiirklich auch neue Volker hierher kamen ^ musste sich die neue Cultur 
nur umso schneller verbreiten, Äu^h ist es natürlich, dass die Bewohnef- 
von Ungarn und den übrigen inner-euraßdisc hen Ländern nicht gerade 
nur auf die aus der Fremde eingeführten Gerätluc haften oder deren scla- 
vische Nachahmung angerviesen rearen ; umsomehr, nachdem sie in ihren 
lUrxr,'/} hinlänglich Ku Pf er fanden y das sie zur Anfertigung 7Vin eigen- 
hen Gerät hen anspornen konnte. Unter Anderem kommen du 
ich grossen Schwerter zuerst in Ungarn^ in Oesterreich und in der 
Schweiz rar. 

In Bezug auf Ungarn ist Dr. FL. Römer 's ,^Führer^' eine treff- 

AuleitungA^ R6iMER charaktei'isirt darin erstlich die St^in- und 

tperiade im Allgemeinen und er läutert seine Schilderung mit 

iftgen gut ausgetvählter Gegenstände ans dieser Periwie; sodann 

' die prähistorischen Bundorte insbesondere in Ungarn auf und 

k:ihreiht die gefundenen Objecte aus beiden Perioden, Arnold IpüLYI, 

(untüchtigste Gelehrte auf dem Gebiete der ungarischen Archäologie ^^^ 

crgihfzfe in seiner Besf rechung des trefflichen Werkes den y^Führer'* in 

t^imgen Punkten. RÖMBlR hatte z. B. behauptet, dass Feuerstein- Geräthe 

in Ungarn nicht vorkommen; \vcyL\\ führt dagegen an, dass solche Ge- 

^äthv allerdings hier vorkommen^ er selber besitze in seiner Sammlung 

\a Pfeilsfitze van Feuerstein aus der Theissgegendi ebenso finden sich 

'h in anderen Sammlungen derartige Geräthe. — Römer*s „FüJirer 

umfelt m*ch das Vorhandensein von Pfahlbauten in Ungarn; ajfcj 

Tl'OLyi vermuthete solche bereits im Jahre 1SÖ4 zu Füzes-Abony und 

tii'tmtens (im fahre tSy4j hat mau im A^eusiedlersee auf eitler Besitzung 

^fi Grafen Bela Szichenyi in der Thai deutliche Spuren einiger Pfahl- 

^utat aufgefunden, 4* 

Ah Ipolyi im fahre rSöS die vorgeschichtlichen Altert hü mer der 
■^"'m^fdte Heves und Aeusseres Szolnok beschrieb, äusserte er^ dass daselbst 
:us der paläolithischen oder älteren Steinperiode kaum anzutreffen 
h '>/ö zahlreicher seien aber die Funde aus der jüngeren Steinzeit; 

|L ^'Hdie Funde ergaben sich auf der Puszta Szikszd unterhalb Er lau, 
wm ^unn in Szihaloni, Mezd-Tür und anderen Orten. Weit bedeutender 
M ttnd aber die Funde aus der Broncezeit, Im Aldi ra- Gebirge, ganz nahe 
y *in der Grenze desHeveser Comitates istdie Ortschaft Kis-Terenye (Co- 
■ ^^ütat Neograd), schon seit ungefähr fünfzig fahren als der ergiebigste 
I ^mdnrt für prähistorische Bronce- und Goldgerät hsc haften bekannt. 
<clbst gefundene ti Schmelztiegel, Tkonformen, Feuerherden, s. tv. 
, dass hier in der Broncezeit eine bedeutende Giess- und Schmelz- 
'te sich befand. Bin Thcil dieser Geräthsc haften Tvurde von JAN- 
Fehera'AKY, insbesondere aber z'on FR-\nz KuBTNYl sen, gesam- 
/ dem National- Museum einverleibt. Nicht minder interessant ist 
se Fund zu Füzes-Abony , leelcher im Jahre 1S64 bei Gelegen- 
Erbauung einer neuen Strasse und Brücke ans Tageslicht kam 
gleichfalls deutlich zeigt, dass auch hier in der Bronceßeriode 
rl^x-fäfte oder Schmelzstätte bestand. Der gross fe Theil der gefun- 
fände ging verlörest ; zum Glück gelangte noch Vieles in die 
POLYVs,4y In Siebenbürgen ist der Broncefund zu Hammer s- 
^i*rf vom Jahre iS'^a bemerken swerth ; der grösste Theil desselben befindet 
tick in Hermann Stadt, Einiges davon im National- Museum zu Budapest, 44 




U fiter den Forschern und Sam7nhrri erti. ahnen Ziir ferner den Bar^ 
EuGiiiN NvAry, der zu Pili/t und Lapnjto im Ncftgrader Connfate gmsi 
nrhge Lekhenacker ans der lironccperwdc fandi dann den Domherr 
Ferdinand Eben huck ::// Raah, dvn Theodor Lehuczkv zu Dcrcg, den 
e^v'angeiischen Seelsorger LrDA\iG Hahn /// Bekes-Csaba, dessen er/'/:, 
reichem Wirken die Gründung und Bereicherung' des Bek^ser Couhf^ 
A/nseums zu danken ist. Derartige Brovinzial- Museen entstehen nucii 
anderen Orten, was ein erfreu /icher Bc2veis davon ist, dass die vornh:-.:^ 
Gleichgiitigkeit gegen die historischen Alter fhianer allmählich sc hikif 
lind dem wachsenden Interesse für die archäshgiscli^ Wissenschaft Pkiz 
Macht. 

Veberhanpt erregen die Bronce-Alterthnmer Ungarns grosse Auf 
merksam keit in ganz Eurnpii : au^h auf der Wiener Weltausstellung ifn^ 
Jahre tSjj zeichnete sich die Bronce- Sammlung des Georg Rath besor^ 
ders aus: dieselbe hat nach dem Urtheile des Berichterstatters kaum ihr^4. 
Gleichen in beiden Hälften der österreichisch-ungarischen Monarchie^^ j 



§ 19. 

Das Licht der Geschichte dringt von Griechenland über Unga. 
herein. Die Griechen befuliren nämlich etrsva seil 700 vor Chr. J-^S 
schwarze I^Ieer, welches ihnen vordem das *y ungastliche a (pontus Axeln ui-S) 
gewesen, dann aber zum ^gaslfriundluhen* (pontus EtLxeinus) ward 
denn an seinen Küsten entstanden griechische Städte, wie z. B, 
B'nisilunes (Dnjeper): Olbia (die « Glück h' eben), unweit d\^T südlichst 
^lundung des Ishn (Donau) : Ist na, südwärts davon 7omi^ Kalatis od 
Coilalis, Odessus in der Nähe des heutigen Varna, Mesembria, Apollon^i 
Die griechischen Einwohner dieser Städte trieben Handel mit den bi 
nenländischen Barbaren. Im Jahre 513 w Chr. brachte der KriegsZ' 
des Darius die Völker an der untern Donau und am Pontus in Bew*' 
gung. Nachdem Darius sein grosses Kriegsheer nach Europa gebrach' 
hatte, führte er es an der Westküste des schwarzen Meeres nordwärts 
und zog auf einer Brücke über die Donau gegen die Skythen, die C^f 
jedoch erfolglos bekriegte. Dieses grosse Ereigniss machte die Binnen- 
vülker genauer bekannt. Der Ister (die Donau), dessen Wellen damals 
zum erstenmale eine Schiffbrücke wiedergespiegelt hatten, wurde aucb 
in den Mythen der Griechen verherrlicht; war es doch der grösst^ 
Strom in der damals bekannten Welt, Nach dem Dichter brachte Herknl^^ 
von den Quellen der Donau den Oelbaum, mit dessen Zweigen tii^ 
Sieger bei den oljmpischen Spielen bekränzt wurden; dort an d^*"* 
Quellen der Donau wohnten auch die Verehrer des Apollo. ♦^ pi^ 
ältesten griechischen Dichter versetzten überhaupt die gottesfürchtig^** 
und guten Menschen nach dem Norden. 

Ungefähr 60 Jahre nach dem Kriegsziige des Darios schreite ^ 
Htrodol (lebte von 484^405 v. Chr.) von der Ister oder der Donai*^ 
dass dieser Fluss seine Quelle im Lande der Kelten habe, Europa qu^'* 



41 

durchfliesse und, nachdem er die Grenzen des Skythenlandes bespült, 
in fünf Mündungen in das schwarze IMeer falle. Die Nebenflüsse der 
Bonau sind nach Herodot vom schwarzen Meere westwärts folgende : 
Pörata oder Pyrctus (der heutige Prut), Tiarantus, Ararus, N'aparis, 
Ordessus (vielleicht der Szeret, Ardschisch, 01t, Szul oder Schil?)-*? Das 
sind, sagt Herodot, die Flüsse in Skythlen ; also in der heutigen Moldau 
und Walachei. Weiter nach Westen hin erwähnt er des Marh, welcher 
m\ Lande der Agath}TSen entspringt und j'n die Donau fliesst. Die 
Ägaihvrst^H, erzählt Herodot, seien ein sehr verweichlichtes Volk, wel- 
ches das Gold besonders liebe; im Uebrigen leben sie jedoch nach 
thrakischen Bräuchen und Gesetzen*^ Daraus ist ersichtlich, dass die 
Agathyrsen das heutige Siebenbürgen bewohnten, und dass den Namen 
• Marisw (Maros) auch die untere Theiss führte. (Auch bei späteren 
Schriftstellern, welche Theiss und Maros unterscheiden, wird die Theiss 
in ihrem Unterlaufe Maros genannt.) Weiter nach Nordwesten reichten 
Herodot's Kenntnisse nicht; allein auch aus dem Gesagten ist zu ent- 
nehmen, dass die Bewohner der griechischen Städte am schwarten 
Meere, von denen Herodot seine Nachrichten sammelte, ihre Handels- 
verbindungen bis an die Ufer der Donau (Theiss) und der Maros in 
Siebenbürgen ausgedehnt hatten, vielleicht gerade des Goldes wegen. 
Von Griechenland her, also aus dem Süden, geht die Kenntniss 
Herodot's etwas weiter nach Westen. Ebenfalls beim Meere beginnend » 
^ählt er die südlichen Nebenflüsse der Donau in folgender Reihe auf : 
Aus dem Hämus entspringen der Afias, Auras, Tibisis ; aus Thracien : 
Aihry^s^ NocSy Arianes; aus Päonien; Skios, jetzt Isker ; aus lUyrien : 
Angms^ welcher in den Bn?n^os und mit diesem in den Ister oder in 
die Donau fliesst; das ist also der Margits der Römer, die heutige 
Jkforavd, Weiter aufwärts, sagt Herodot, ergiessen sich der Karpis und 
Alpis in den Ister. Einer dieser Flüsse kann die heutige Kitlpa sein ; 
denn so wie der Handel nordwestlich auf der Donau (Theiss) und 
Maros bis nach Siebenbürgen sich erstreckte, so ging er auf der Donau» 
Save und Kulpa westlich nach dem Adriatischen Meere, w^o die Pro- 
vinz Istria lag, wie am Schwarzen Meere die Stadt Istria. Ein jonischts 
Meer gab es gleichfalls im Westen und Osten. Auf solche Weise ent- 
stehen und wandern die geographischen Benennungen. Ein Beispiel 
hieven ist auch der Fluss IWsis, w^elchen Herodot aus dem Haemus 
(Balkan) in die Donau lliessen lässt; später wanderte der Name über 
die Donau und wurde als «Tibiscusw der heutigen Temes beigelegt, 
bis er endlich der Thtiss dauernd verblieb. 

Die Völkerschaften zur Zeit Herodot*s sind jenseits des Tanais 
(Daa) Saunmakn oder Sarmaien; vom Don bis zur Donau Skjihvn, 
südlich von der Donau, am heutigen bulgarischen Ufer Gekn, die nach 



Herodot zu den Ihracicrn gi- hören : im nordwestliLhen lünnenTäi 
wohnen die Aga/hjrstNf nordöstlich folgen nach einander die 6VA»« 
Bufhntm^ Nturen, Atidrophagen und zuletzt die Äldanchhiinen, Im äus& 
sten Westen» an den Quellen der Donau, sitzen die Kclkn. BezügJi 
der Nationalität wusste Herodot, dass die Sprache der Sarmaten ei 
skythische sei, obgleich mit einigen Verschiedenheiten ; dass Herkul 
von einem Weibe drei Söhne zeugte : Agtithyrsm^ Gehnus und .S'-^^'^^ 
von denen die gleichnamigen Völker abstammen. Das ist eine Herli 
tung des VölkeruTSpunges, die nicht nur bei den Alten, sondern am 
im Mittelalter ja bis zur Neuzeit üblich war. Nach der Fabel des Herod 
waren also die aufgezählten Völker stammverwandt. Für uns ist jedo 
am interessantesten, dass der Fkissname Maros von den Agathm 
Siebenbürgens herstammt und von diesen zu den Griechen gelang* 
Noch kann angemerkt werden, dass Herodot, also die damaligen Gr 
cheo am Pontus, von der Bodenbeschalffenheit, den Bergen und Se 
Ungarns gar uichts wussten* Sie hatten Kunde vom Ural, aber nie 
von den Karpaten ; sie kannten den Kaspisee, aber der Plattensee « 
ihnen unbekannt, obgleich dieser zu jener Zeit wahrscheinlich viel ai 
gedehnter war als heute,*5 

Die Sarmaten (Sauromaten) hausten, wie wir gesehen, zur Z 
des Herodot jenseits des Don ; um das Jahr 560 v. Chn treffen wir 
schon diesseits dieses Flusses, wo sie die Skythen bedrängen. D 
besonderen Stämme der Sarmaten : die RiKXohjnai, Jazjgtn und Akt ff ^ 
treten allmählich in den Vordergrund. Im Jahre 94 \\ Chr. finden 
die Roxokmen zwischen Dnieper und Bug» nach dem Jahre bo berei 
zwischen Dnieper und Donau. Ovidius, der nach Tomis« Verbana "t 
(Jahr I — 17 n. Chr,), erwähnt in seinen Dichtungen hauptsächlich di 
Namen der Sarmaten, Geten und Jazygen. Die Skythen waren scho 
verschwunden; wenn die Schriftsteller ihres Namens Erwähnung thiiJ" 
so benutzen sie denselben als eine Collectivbenennmig für sammtlicfci^ 
nordöstliche Barbaren völker. Wie die Sarmaten sich von Osten nacr. 
Westen ausbreiten, so drängen die Geten nordwärts und gelangen aui 
bald diesseits der Donau. Diese Bewegung wurde durch die keltisi 
Völker hervorgerufen. 

Die Kelten oder Gallier, welche Herodot als das w^estlichste Xi 
kannte, gelangten im heutigen Frankreich zu Macht und Ansehen ; 
verbreiteten sich von da über die britischen Inseln und auch nacF" 
Spanien* Einst brach» nach der Erzählung des Livius, 5^ eine ihreJ 
Streifsc haaren auch in Italien ein und bedrängte um das Jahr j88 voi 
Chr. Rom ; andere Schaaren zogen über den Rhein wieder ostwärtJ 
und wurden als Bojer^ Taurtsker und Shrdisktr in der Geschichte berühmt 
Die Bojer nahmen vom heutigen Böhmen Besitz» welchem Lande m 



reil 



4J 

seinen bleibenden Namen verliehen (Böhmen = Bohemia. boiohaim = 
Heimat der Bojer). Auch bis in die Gegend der Westkarpaten, also 
bis in das heutige ^lähren und westliche Ungarn, breiteten sich die 
iBojer aus. Die Taunskcr beäelzten das heutige Steiermark» Kärnten nwd 
Salzburg: von ihnen stammt der Name des «iTauern »-Gebirges ; oder 
man nannte im Gegentheil das Volk nach dem Gebirge (taur = Berg). 
Die Skordisker zogen noch weiter nach dem Osten; etwa um 350—336 
v% Chr, erfüllen sie die Länder an der Save, Dran und Donau bis znx 
•südlichen iMorava;^^ sie nahmen also auch das Gebiet zwischen der 
Brau und Donau ein, wo sie die früheren Bewohner entweder ver- 
drängten oder in sich aufnahmen. Allein auch hier Hessen die Kelten 
sich nicht dauernd nieder, sondern von 2 So — 218 v. Chr. verwüsteten 
sie ganz Thracien, Macedonien und Thessalien, ja sie setzten sogar 
nach Kleinasien über, wo sie das Königreich Gnhiiün gründeten, das 
bis zum Jahre 189 v. Chr. fortbestand. Der Name «Galatien^» blieb dem 
Lande auch später tmd der Apostel Paulus schrieb seinen apostolischen 
Brief an die Galater, 

Die Keltenbewegung rief also unter den Völkern entlang der 
Donau grosse Veränderungen hervor. Sie drängte auch die Geten nach 
den Norden, atif das diesseitige (linke) Ufer der Donau, in die Wohn* 
sitze der alten Skythen ; hier wurde für die Geten allmählich der Name 
Dada' (oder Daker) gebräuchlich ; und w^enn in jener Zeit auf den 
athenischen Märkten und in den Lustspielen auf einmal viele getische 
und dakische Sklaven erscheinen, so kann das nach Schafarik's Ansicht 
der keltischen Eroberung zugeschrieben werden. 53 Auf diese Weise 
gelangte das Volk der Geten oder Daken in jenes Land, das nach ihm 
Düiün (das Dakerreich) genannt wurde. Die Agathyrsen aber verschwin- 
den gleich den Skythen, sie vermischten sich also entweder mit dem 
freuen Volke oder sie wanderten aus. Später finden die Geschichts- 
«t^hreiber dieselben ebenso wie die Skythen weiter im Norden. 

Aber es erscheinen auch noch andere Völker auf dem Sc hau - 
platze und zwar die Basianier und Patker voq den Quellen der Theis!* 
fe an den Fluss Tyras (Danastris, Dniester) ; sie bedrängen die Geto- 
Daken von Norden her. Dort im Nordosten sitzen also fortan die Sar- 
mt(n (Roxolanen, Jazygen, Alanen) und BashiftttTy ja nach den letzte- 
ft!n werden die östlichen Karpaten Siebenbürgens <k Basianier Alpen* 
genannt. 

Gleich allen Völkern war auch das geto-dakische Volk in Stämme 

J^^^theilt, die in der /Zwietracht schwach, jedoch stark und gefürchtet 

i ^aren, sobald eine kräftige Hand sie zusammenhielt. Unter diesen 

&^to-dakischen Stämmen waren die Karpen, die Kostaboken und die 

^^ukomstr die bemerkenswerthesten. Die Karpen wohnten in der heu- 



tigen Marmaros und im nördlichen Siebenbürgen, von ihnen stamrafr 
der Name «Karpaten», den übrigens Julius Caesar noch niclit kannte.j 
obgleich er es ist, der unter allen lateinischen Schriftstellern zu 
erstenmale des Danuvius {der Donau) und Daciens erwähnt. Denn zti ' 
seiner Zeit (go — 50 v, Chr,) hatte sich der dakische König Bunisia 
(bei römischen Schriftstellern Boerevista, bei Strabo Bv^ißtirTu^) zu grosser 
Macht emporgeschwungen. Seine verheerenden Einfälle empfanden die 
Völker vom schwarzen Meere bis an die westlichen Karpaten und bis 
jenseits der Donau ; zwischen 60 — 55 v. Chr. zerstörte der Daker- 
häuptling die berühmte griechische Stadt Olbia an der Mündung des 
Dnieper oder Boristhenes. Im Lande zwischen der Donau und Theiss 
bekriegte er die Bojer und verdrängte sie von dort. So entstand S4 die 
sogenannte « Bojerwüste » (deserta Boionmi). Eine Empörung machte 
der Herrschaft Burvista's ein Ende und sein Reich wurde in vier 
Theile getheilt; allsogleich werden aber auch die Dako-Geten von 
anderen Völkern besiegt. Damals ziehen die sarmatischen Jazygen vom 
Fusse der Karpaten w^estwärts und lassen sich im Zwischenstromlande 
der Donau und Theiss nieder; gleich einem Keil schoben sie sich so 
zwischen die westlich wohnenden Bojer und die östlichen Daken. 

Als Jidiu?! Caesar Gallien unterwarf (58^ — 51 v.Chr.) und dadurch 
die Hauptmacht der Kelten brach, hausten vom rechten Ufer des 
Rheines und dem linken der Donau bis an die Nordsee die Germanen, 
welche die Bojer aus Böhmen vertrieben hatten und als deren östi 
liehe Grenznachbarn Caesar die Daken nennt ; die Jazygen hatten siel 
noch zu wenig bemerkbar gemacht ; er gedenkt ihrer gar nicht, woli 
aber erwähnt er der Anarten» welche an der oberen Theiss ihr 
Sitze hatten. 

Zur Zeit des Julius Caesar wohnten also auf dem Gebiete de 
heutigen Ungarn und Siebenbürgen : 

1, Die Dahr, zu denen auch die Anarten gerechnet werden kÖnl 
nen» in den Theilen jenseits der Theiss, dann in Siebenbürgen, in deq 
Bukowina, I\roldau und Walachei, wo sie bald mehr, bald weniger voij 
den Sarmaten und Bastarnen zurückgedrängt "wurden ; 2. die Jazygen 
von ihrer Wanderung ♦< metanastae «, <» wandernde» Jazygen genannt, in 
Lande zwischen der Donau und Theiss, im Morden und Westen sind 
die Grenzen ihres Gebietes unbestimmbar; 3, die Boßr im westlicheii 
Ungarn dies- und jenseits der Donau ; 4. Vöiker vcnchüätn^r Absian 
mu7tg, als : Illyrer, Kelten, Skordisker an der Drau und Save. 

Caesar erwähnt, wie gesagt, zuerst der Donau und der DakenJ 
allein die Karpaten nennt er noch nicht; diese sind nach seiner An*- 
schauung nur die Fortsetzung des hercynischen Waldes. 5s Man glaubi 
von Caesar, 50 dass er eine Unterwerfung Daciens geplant habe, als it 



45 

Jahre 44 v. Chr. der Dolch seinem Leben ein Ende machte. So viel 
ist gewiss, dass er es auf Illyricum abgesehen hatte, von wo er wahr- 
scheinlich, wie sein Nachfolger Octavianus, 57 auch nach Pannonien 
gelangt wäre. Mit dem Tode Caesar's endigt gewissermassen die Vor- 
zeit der Geschichte Ungarns und Siebenbürgens ; mit Octavianus oder 
Augustus beginnt dann die eigentliche historische Epoche. 

//. Römische Periode, 
§ 20. 

Im Jahre 35 v. Chr. griff Octavianus zum ersten male die Stadt 
Si^esta oder Stgtsiika am Zusammenflusse der Kulpa und Save in Illy- 
ricum an, wodurch er sich den Weg zu weiteren Eroberungsthaten 
öffnete; denn auf der Save konnte er in die Donau und auf dieser 
nach allen Seiten hin gelangen. Auch der Handel hatte vor Zeiten 
diesen Weg genommen ; Aquikja, am nördlichen Ufer des Adriatischen 
Meeres, war schon seit dem Jahre 183 v. Chr. eine römische Colonie. 
Obwohl Segesta von den Eingebornen stark vcrtheidigt wurde, siegte 
dennoch das römische Heer und die Stadt ward als Siscia eine neue 
römische Colonie ; heute heisst der Ort Sissek, Vergeblich erhoben sich 
im folgenden Jahre die Pannonier; die Römer brachen ihre Kraft, ja 
sie nahmen auch Sinnium (an der Stelle des heutigen ^Nlitrowitz) in 
Besitz und machten sich im Jahre 30 v. Chr. zu Herren von Mösien 
• das heutige Bosnien und Serbien). Im Jahre 16 v. Chr. unterwarfen 
die Römer Pannonien, im Jahre 15 auch Rhätien, Vindclicien und 
^oricum (vom Innflussc bis zur Raab und von der Donau bis zur 
oberen Save). 

Während die Römer so den ganzen Theil jenseits der Donau 
besetzten, gelangten in der früheren Heimat der Bojer (in Böhmen) 
^ie germanischen Sueven, Markomanen und Quaden unter König Mar- 
bod JMarobuduus) zu grosser -Macht. 

«Dort ist der hercynische Wald und das Volk der Sueven, dessen 
^^ohnsitze von jenem Walde umringt sind, wie die der Quaden», sagt 
^Jer Zeitgenosse des Augustus, der Geograph Strabo ; «dort ist Bovian- 
nium (Bovirti.uov), die Residenz (;^«(r<A£*ov) ]Marbod's, wohin er viele seiner 
Stammgenossen (Markomanen) angesiedelt hat. Denn als Jüngling hielt 
^r sich in Rom auf und erwarb sich die Gunst des Augustus ; als er 
'^^ch später vom einfachen Mann zum Könige emporgeschwungen hatte, 
breitete er seine jNIacht auch über jene Völker aus, welche jenseits des 
^Uldes wohnten, ganz bis zu den Geten (Daken) hin. »58 Allein trotz der 
Freundschaft des Augustus wurde Marbod Rom gefährlich und Tiberius 



wollte gerade von Carniintum (das heutige Petnineil bei Wien; 
gegen ihn zu Felde ziehen, als in seinem Rücken die Pannonier, ja | 
selbst die lUyrier und Dalmater aufs Neue zu den Waffen griffen. 
Tiberius schloss darum mit Ma.rbod rasch den Frieden und eilte zur 1 
Unterdrückung der Ann^tändischcn, was ihm jedoch erat nach einem | 
vierjährigen blutigen Kriege im Jahre 8 v. Chr. gelang. Marbod's Rivale 
war der Cheniskerfürst Hermann (Arminius) ; w^aren Beide im Einver- 1 
sttindnisse gemeinsam gegen Rom aufgetreten, dann wäre die römische 
flacht diesseits der Alpen und in Pannonien* nicht so schnell erstarkt/ 
Arminius griff im Jahre 9 n. Chr., also ?tack der Niederwerfung derj 
Pannonier, auf eigene Faust die Römer an, und sein Sohn und seinft 
Gemahlin geriethen in die römische Gefangenschaft. Auch die Fartdl 
Marbod*s wurde immer schwächer ; Drusus aber, der Nachfolger Tibe-I 
rius, suchte diesen Zwist unter den Germanenhäuptlingen noch met 
anzufachen. Catuald vertrieb den Marbod aus dessen Burg; so da 
Letzterer genüthigt war, die Hilfe der Römer anzurufen. Allein aucll 
den Catuald erreichte bald darauf sein Schicksal. Die Völker der beiden 
Fürsten wurden dann im Jahre ig n. Chr. durch die Römer zwischer 
dem Marus untl Cusus (]March und Gran? oder Eipel ?) angesiedeltl 
und erhielten zum Könige den Vannius, einen Fürsten von quadischeC 
Herkunft, So entstand diesseits der Donau, in den Westkarpaten aufl 
dem Gebiete der heutigen Comitate Fresshurg» Neutra, Trentschint| 
Arva, Liptau, Ttiröcz, Bars^ Sohl, Hont und Neograd, in der Kachbar- 
schaft der Jazyger, ein römischer Vasallenstaat, das qttiidtsche Könignich, 
dessen Umfang und Grenzen sich natürlich nicht genau bestimme^ 
lassen,59 

Vannius hielt mit den Jazygcn gute Nachbarschaft und regiert« 
^i Jahre, als seine Neffen Vangio und Sidu, im Jahre 51 ihn vatu 
Throne stürzten. In der Erzählung des römischen Historikers TacituT 
finden wir über die damaligen Ereignisse in Ungarn folgende Mittbei| 
lung: «Um dieselbe Zeit wurde Vannius, den Drusus Caesar den Suev&i 
zum Könige gegeben hatte, vom Throne gestossen. Im ersten Zei^ 
räume seiner Regierung stand er gross und geliebt von seinen Untci 
thanen da; dann aber im Laufe der Zeit zum Uebermuthe sich wer 
dend, w'urde er durch den Hass der Grenznachharn und zugleich durc^ 
Zwiespalt im Innern gestürzt. Die Rebellion ging aus von dem König'4 
der Hermunduren, Vibilius, und von Vangio tmd Sido, SchwestersöW 
nen des Vannius. Claudius aber, wiewohl oft darum gebeten, trat niclm^ 
mit den Waffen zwischen die streitenden Barbaren ; jedoch verspractlL- 
er dem Vannius für den Fall, dass er verjagt würde, eine sicher 
Zufluchtsstätte. Auch schrieb er an P. Atellius Hister, den Statthaltei 
Pannoniens, er möge eine Legion und auserlesene Hilfstruppen au^ 



47 

Provinz selbst am Ufer aufstellen, den Besiegten zum Ruckhalt und 
Schreckmittel wider die Sie^^er, damit sie nicht, übermüthif^ im Glücke, 
b den Friedensstand im römischen Reiche stören möchten. Denn 

Hoffnung auf reiche Leute lockte eine Unzahl von Menschen, 
gier und andere Volksstämme herbei, nachdem Vannitis in dreissig 
Iren durch Raubzüge und Abgaben reiche Schätze gesammelt haben 
!te. Seine eigene Macht bestand in Fussvolk ; die Reiterei war von 
i (ihm verbündeten) samiatischen Jazygen ; da sich diese aber mit 
i zahlreichen Feinden nicht messen konnten, so beschloss Vannius, 
1 in festen Plätzen zu vertheidigen und den Krieg hinauszuziehen. 
Doch die Jazygen vermochten nicht eine Belagerung auszuhalten, 
dem streiften in den nahen Flächen henmi, wodurch Vannius genö- 
j^t wurde, mit den eingedrungenen Lygiern und Hermunduren eine 
dacht anzmiehraen. Er kam von seinen Bergschlössem herab und 
lor die Schlacht, obgleich er im Missgeschicke sich Lob gewann, da er 
persönlichen Kam]>fe gegen den Feind verwundet wurde. Dennoch 
kam er auf die zu seinem Empfange im Donaustrom bereit gelegene 
nische Flotte ; auch seine Lehensleute folgten ihm, bekamen Land 
Pannonien, wo sie sich ansiedelten. Sein Reich theilten Vangio und 
lo mit einander, beide in Ergebenheit gegen Rom ausgezeichnet, bei 
X Untert hauen genossen sie auch viele Anhänglichkeit (mochte das 
1 Wirkung ihres eigenen Wesens oder Charakter des Sklaven sein), 
:h nur so lange, als sie nach Eriangung des Thrones strebten; nach- 
n sie ans Ziel gekommen, waren sie desto stärker gehasst*»^'^ 

Obzw^ar die Barbaren diesseits der Donau die Germanen, Jazygen 
1 Daker nicht gemeinschaftlich gegen die Römer auftraten, so erkann- 

diese doch genau die Uebel, an denen das Römerreich dahinsiechte, 
Urch Gedankenlosigkeit (und Feigheit) der Führer, Aufruhr der 
Jionen, Angriff von Aussen und Verrath der Bundesgenossen wäre 
tti fast zu schweren Schaden gekommen. Denn damals gab es Lärm 
Deutschland und auch der dacische Volksstamm, dem niemals zu 
len war, gerieth in Bewegung und beobachtete den Gang der Dinge 
Italien. Es war das Glück des römischen Volkes, dass Dacier und 
huanen stets zu verschiedener Zeit angriffen», so schreibt Tacitus.^^ 
gleich nun Vespasian die Don angrenze stark befestigte, so war den- 
j^Domitian nicht im Stande, das Reich an der mittleren und untern 
|B| zugleich zu vertheidigen. Dort riefen- die Qiiaden als römisches 
lutzvc}lk vergebens um Hilfe gegen die Lygier, welche sie und die 
rkumanen bedrängten. Nachdem sie die römische Hilfe nicht erhalten 
inteu, verbündeten sie sich mit den Jazygem und Markomanen und 
tchen vereint über die Donau herein, wo sie die römischen Legionen 
die Flucht trieben. 



Auf diese Nachricht erkaufte Domitian im Jahre 90 den Friede^ 
mit Geld von Dccebalos, dem er überdies noch viele Künstler nnd 
Handwerker aus der Provinz überliess.^* 

Decebalus hatte nämlich, wie seinerzeit Burvista, ganz Dacien it 
seiner Hand vereinigt und weil er fühlen mochtei dass nach der Umge 
staltung Thraciens zur römischen Provinz (75 n. Chr.) und nach de 
Unterwerfung der südlichen Geten, die Gefahr auch für ihn gewachst 
sei : so verstärkte er stets mehr und mehr seine I^Iacht Allein der neul 
römische Caesar, Trajan (98 — 1 17), konnte weder den schirnjfflichea 
Friedensvertrag, noch weniger den Ehrgeiz des Decebalus dulden, 
zog also im Jahre 100 gegen den Dacier, der ihn auch durch seifl 
Bündniss mit den Buren und anderen Völkern nicht abschrecken konnte 
Bei Tape (Tapae, rttTral im Engpasse der Aluta, in der Gegend de 
heutigen Rothenthurmpasses) kam es zu einer blutigen Schlacht, vvelcli 
Decebalus verlor. Noch war dieser nicht gebeugt. Als aber das ander 
römische Kriegsheer durch das heutige Banat und das Eiserne Thö 
in Siebenbürgen eingebrochen war und sich mit dem ersteren Heer 
vereinigt hatte ; da fiehte Decebalus durch vornehme Gesandte um 
Frieden. Sein Flehen blieb jedoch solange vergeblich» bis er sich nich^ 
im Jahre loi bedingungslos unterworfen hatte. Dennoch brach er her 
nach die Friedensbedingungen, eroberte einen Theil des Jazygerlandeii 
und gab diese Erobenmg auch über Ermahnung der Römer nicht wieJei; 
heraus; Trajan beschloss deshalb im Jahre 103 einen neuen Feldzu^ 
gegen Dacien. Er leitete abermals persönlich die KriegsoperationenJ 
liess im Jahre 104 die berühmte Donaubrücke erbauen und besiegte imj 
Jahre 105 Jen Decebalus vollständig, so dass dieser in Verzweii1uiif| 
sich selber den Tod gab. Trajan machte hierauf Dacien zu einer römi^ 
sehen Provinz ; das Andenken des Sieges verewigte sowohl die Trajans-I 
Säule in Rom als die Gründung der « Siegesstadt » Nikopolis, welctej 
Trajan am Jatra oder Jantra errichtete.^^ Dacien, insbesondere da 
heutige Siebenbürgen, bildete die nordöstliche Burg des römischenJ 
Weltreiches. 

Unter Hadrian (i ij^ijS) und Antoninus Pius (13S — 1 6 1 ) herrschtel 
im römischen Reiche allgemeiner Friede, wiewohl man nicht weiss, ol>'j 
Fladrian aus Vertrauen oder aus Neid auf Trajan*s Werke die berühmte 
Donaubrücke abtragen liess. Allein schon Marcus Aurelius Antoninus 
(161 — 184) war, nach Dio <]^assius, fast wahrend seiner ganzen Regie 
rung gezwungen, gegen die Qimden, Markomanen und Jazygen Krieg 
zu führen. 

Insbesondere zw^ei Schlachten haben ^Berühmtheit erlangt; die 
eine gegen die Jazygen, welche bis in das Innere Pannoniens gestreif 
waren. Von den römischen Legionen verjagt, erwarteten sie diese auf 



49 

dem Eise der Donau, wo sie jedoch unglücklich waren (172), Die 
andere Scblacbt wurde im Jahre 174 gegen die Quaden geliefert; in 
dieser Schlacht rettete nach der Legende ein Wunder die ersrhnpften 
and ermatteten römischen Helden, Die melitische (maltaische) Legion 
(legio fulminatrix) bestand nämlicli aus Christen ; diese» so erzählt der 
spätere christliche Schriftsteller Xiphilinus, dem wir den Auszug (Epi- 
lome) aus dem Werke des Dio Cassivs verdanken, flehten zum Gott 
der Christen um Regen und siehe! es erhoben sich plötzlich Wolken, 
aus denen unter Blitz und Donner ein Regen herniederströmte, der 
die ermatteten römischen Kriegsschaaren erquickte, ^-^ Marcus Aurelius 
schrieb das erste Buch seiner «^Meditationen» («15 e«vr«*) auf quadischem 
den an der Gran, das zweite aber im Camuntum (dem heutigen 
tronell), ^s wo der tüchtige Kaiser und edle Mensch auch starb. Er 
«chlug zwar wiederholt die Völker diesseits der Donau, allein er unter- 
warf sie nicht völlig, sondern zwang ihnen nur die romische Protector- 
^haft auf, weshalb er auch durch das Land der Jazyger zwei Strassen 
aus Pannonien nach Dacien baute. 

Nach Marc Aurel trat an den Gestaden der Donau und in Dacien 
für einige Zeit Ruhe ein ; doch gerade seine Kriegführung gegen die 
;ennanischen Völker mochte auch unter den entfernter wohnenden 
lammen eine Bewegung hervorgerufen haben ; denn um diese Zeit 
Irängten die Goihen von Norden her entlang den Flüssen Dniester und 
l^^nieper dem schwarzen Meere zu, das sie um das Jahr 215 erreichten 
'^nd sich daselbst auch niederliessen. Schon im Jahre 228 erstürmen 
^ie flie Stadt Ister. Seitdem beunruhigen sie durch fortdauernde Ein- 
falle Dacien und die Gebiete jenseits der Donau, Kaiser Decius verlor 
^ni Jahre 251 in Moesien (bei ♦< Forum l'erebrii»*) gegen die Gothen 
^t^Jilacht und Leben, und Gallienus war kaum im Stande, Dacien vor 
en zu schützen ; ja nach Eutropius verlor er dasselbe damals. ^^ Der 
ftige Aurelianus (270 — 275) siegte zwar überall, dennoch fand er es 
nothwendig, Dacien im Jahre 274 definitiv zu verlassen ; aus den 
Äen und Dörfern sammelte er die römischen Ansiedler und führte 
^ie auf das rechte Donau-LIfer nach Moesien, das er ebenfalls «Dacien» 
'"'nannte, während das alte Dacien am linken Ufer der Donau gelegen 
^^'ar,*7 Der Nachfolger Aurclian*s, Prubus (176 — 282), ist unter Anderem 
ith darum für uns bemerkenswerth, weil er in Pannonien, und zwar 
<^ni Berge Almus bei Sirmium, der Erste den Weinstock pflanzte ; da 
^^ aber zu dieser Pflanzung seine Soldaten mit Zwang anhielt, ermor- 
•^^Wcn ihn diese, ^^ 

Das Trajanische Dacien, welches sich ungefähr 170 Jahre (104 
, j '*8 274) in den Händen der Römer befunden hatte, ging solchergestalt 
|H*^rloren und w^urde auch sogleich von Gothen und Vandalen besetzt; 

^^B Huiffalvy, Ethnogr. 4 





allein Pannonien blieb auch fernerhin noch ungefähr 200 Jahre bis 
um das Jahr 440) römische Provinz unJ bildete einen l'heil der ilhTi- 
scben Präfectur; aurh die Kaiser hielten sieh öfters in SvTmium auf. 
Nichtsder^towenig^er litt diese Provinz fortwährend durch die Einfälle 
der Quaden und anderer germanischer Völker, sowie durch die Ver- 
wüstungen der Jtuygen und Sarmaten* Insbesondere brachten die Quaden, 
obwohl sie lange nicht mehr so gefürchtet waren, wie zur Zeit de» 
Marc Antonius» unter Valentinian grosses Unheil, wozu sie allerdings 
auch gereizt worden waren. Der Kaiser Hess nämlich stets niehr Befesti- 
gungen am linken Donauufer, also auf quadisrhem Boden, errichlen. 
Sie erhoben deshalb mit Recht Klagen, weshalb auch Equitius, der 
Magister armorum von lllyricum, die Bauten einstellte, bis er von dem 
gegen die Allemannen kämpfenden Kaiser neue Weisungen erhalte. 
Dieser Hess sich jedoch von Maximius bereden, er möge die ganifc 
Angelegenheit dessen Sohne Marcel linus anvertrauen : dieser werde die 
Sache besser zu Ende bringen als Equitius. Marccllinus war ein leicht- 
sinniger Jüngling, der den bei ihm in Angelegenheit der Festungs- 
bauten erscheinenden Quadenkonig als Gast zurückbehielt und ihn 
dann verrätherlscher Weise ermorden Hess. Auf die Kunde von dem 
Morde empörten sich die Quaden und Sannaten, d. i. die Jazygen, 
überschritten die Donau, und da gerade Erntezeit war. verwüsteten sie 
unbarmherzig die Aecker und Durfer bis nach Sirmium. Valentinianus 
entbrannte in heftige Rachbegierde und sobald er nur konnte, eilte er 
nach Pannonien, um das quadische Volk auszurotten. Die Quaden 
wollten den erbosten Kaiser besänftigen und trafen mit demselben in 
Bregetio (Alt-Szöny) zusammen ; allein ihre Entschuldigungen regten 
des Kaisers Zorn derart auf, dass er eines plötzlichen Todes starb 
(375 )*^ in diesem Jahre überschritten die Hunnen den Don, was für 
die Völker an der Donau das \ erspiel der grössten Umgestaltun- 
gen war- 

Nach dieser kiu*zen historischen Uebersicht betrachten wir dj| 
Zustände Pannoniens und Daciens unter den Römern. 

Von Pannonien weiss Strabo, der Zeitgenosse des Kaisers Augusti 
dass die Daken gegen die keltischen Bojer und Taurisker öfters Kri« 
führten, indem sie behaupteten, das Land wäre ihr Eigenthum» unl 
scheide der P'Iuss Parisus (die Theiss), welcher von den Gebirgen hera 
neben den Skordisker genannten Galatern dem Ister zuströmt, dies^ 
Land von dem Lande der Dacien Die Skordisker wohnten gemiscl 
unter iHyrischen und thrakischen Völkern. INFit den Daciern stände 
sie in Kampfgenossenschaft, die Bojer und Taurisker aber wurden 



51 



den Daciern vernichtet. Das übn^^e Land bis Segestika und den Ister 
gegen Norden und Osten haben die Pannonier inne, Segestika ist eine 
Stadt derselben am Zusammenflüsse mehrerer schiffbarer Flüsse am 
Fusse der Alpen. Von daher entspring^cn viele Flüsse, auf denen aus 
Italien und von anderwärts die Waaren zugeführt werden. A"on Aquüeja 
bis Nauportus (jetzt Ober- Laibach) fahren die Frachtwagen der Tau- 
tisker, aus Tergcsta (Triest) aber führt ein Weg über den Berg Okra 
bis zu dem Sumpfsee Lugeum (Lugeus lacus, der Zirknitzer See). In 
der Nähe von Nauportus ist der Fluss Korkoras (Gurk), welcher die 
Waaren aufnimmt, dieser ergiesst sich in den Savns (Save), dieser in den 
Dravos (Drau), welcher bei Segestika in den Noarus fallt, der sich noch 
durch den Kolapis (Kulpa) vergrössert und bei den Skordiskern in den 
Danubius mündet. Der Weg von Tergeste bis zum Dannbius beträgt etwa 
I 200 Stadien (30 geogn IVIeilen); nahe bei Segestika liegt auch die Festung 
Siscia (S^iszek) ond weiter ostwärts Sirmium, beide an der Heerslrasse 
iiach Italien. 70 — Das Verhältniss zwischen der Save und Drau kannte 
Strabo nicht genau, wenn er dasselbe wirklich wie oben dargestellt 
hatte : vielleicht haben wir es jedoch hier mit einem Fehler seiner 
Abschreiber zu thun. — Ausser den genannten Flüssen erwähnt Strabo 
noch den Oeneus (die heutige Unna), den Urpanus oder Urbas (Wer- 
bas) und den Valdasus (nach der Peutinger sehen Karte Basante^ jetzt 
Bosna), welche auf dem rechten Ufer oder von Süden her in die Save 
einfliessen. 

Die romische Besitzergreifung Pannoniens begann südlich an der 
Save und zog sich allmählich nordwärts; das Gebiet an der Save wurde 
darum auch früher cultivirt als die Donaugegend, Nach dem Bedürf- 
nisse entstanden vor allem militärische Stand lager gegen die Marko- 
mannen. Stara/kin/m (Oedenburg) wurde wahrscheinlich schon im Jahre 
14 n. Ch,, also noch unter Aiigustus, gegründet. Und als die Römer 
die Völkerschaften der Sueven, Markomannen und Quaden am rechten 
Donauufer, in der sogenannten •< Bojerwüstei*, ansiedelten, da entstand 
Saharia (Savaria, heute Stein am Anger), sowie weiter im Westen Are- 
iak (Gross- Pöchlarn), Aguntum fluni eben), Tiurnia, Virunum, Celtja 
(Cilli), Poiiovw (Pettau). Wenn PHnius sagt, dass der See Peiso und 
die Bojerwüste, die übrigens schon durch die Colonie des Claudius, 
Sabaria. und durch Scarabantia Julia bewohnt seien, 7^ Noricum begränzen: 
so drückt er damit zugleich aus, dass diese beiden römischen Nieder- 
lassungen die Bojerwüste und deren neue Bewohner beschützen. Aus 
dieser Stelle ist auch zu ersehen, dass Plinius mit dem See Peiso den 
Neusiedlersee meint. Vespasianus und Trajanus sicherten sodann die 
westliche Donaugegen die Barbaren, indem &iq Leniia (Linz), Lauriacum 
(Lorch an der Enns), Viudohfuui (Wien), Carnunium (Petronell), Bngt/iufN 

4* 



52 

oder Bregetio (Alt-Szöny), Salva (Gran) und Aquincum (Altofen) grün- 
deten ; von letzterem Orte angefangen bewachten militärische Stand- 
lager die östliche Donau bis Mursa (Essek) und Sirmiujn. Solche Lager 
mochten nach Kenner 72 sein : Salinum (Adony), Intercisa (Duna-Pen- 
tele), Aftnamantts (Annamatia, Duna-Földvär), Lussunium (Lussobium, 
Kömlöd bei Paks), Teutiburgum (Dälya), Äcumincu??i oder Acimincum 
(Szalankamen), Rittium (Banovcze), Taurinum (Semlin), obgleich Plinius 
ihrer nicht erwähnt. Dieser militärische Kordon (limes) war also gegen 
die Jazyger und Daker aufgestellt. 

Wenn wir die heutigen geographischen Benennungen aus dem Theile 
Ungarns jenseits der Donau zur Zeit der Römer aufsuchen, finden wir 
ausser dem Murius (der jetzigen Mur) und dem Arraho oder Arabo (der 
Raab) kaum noch einen andern Namen ; so z. B. wissen w4r nicht, 
welcherName den Leithafluss bezeichnete. Ptolemaeus erwähnt indess unter 
den jenseits der Donau entfernt liegenden Städten Sala^ auch der Geo- 
graph von Ravenna gedenkt des Namens Salla. 73 Daraus scheint hervor- 
zugehen, dass der heutige Flussname «Zala» (Szala) ebenfalls aus der 
Römerzeit stamme; denn die Stadt «Sala» befand sich neben dem 
gleichnamigen Flusse. Billig staunen kann man aber, dass weder Strabo 
noch Ptolemaeus jenseits der Donau einen grössern See kennen ; bei den 
römischenSchriftstellern finden wir den Pelso oder Peiso, auch lacus Pelsois, 
lacus Pelsodis ; allein es ist nicht deutlich, ob dieser Name dem Platten- oder 
dem Neusiedlersee oder aber beiden zukomme ? In der citirten Stelle 
bei Plinius bezeichnet «lacus Peiso» offenbar den heutigen Neusied- 
lersee (magy. Fertö) ; andernorts werden wir sehen, dass man darunter 
unzweifelhaft auch den Plattensee verstand. Dio Cassius nennt noch 
den Morast Vo/caeus, den er zwischen die Drau und Save setzt. 74 

Nach der Eroberung Daciens begannen die Römer auch auf dem 
linken Donauufer Befestigungen anzulegen ; so z. B. gegenüber von 
Aquincum den Platz Contra Aquincum. Wir haben weiter oben gesehen, 
dass Marc Aurel im Lande der Quaden an der Gran (rfÄvov«) verweilte; 
aus der Erzählung des Dio Cassius wissen wir ferner, dass er auch 
den Handel der Quaden und Jazygen auf der Donau regelte oder 
auch verbot. Die Römer waren somit die Herren von beiden Ufern des 
Stromes, wodurch sie die linksseitigen Anwohner desselben nicht nur 
im Zaume hielten, sondern sie auch aufs Tiefste verletzten. Deshalb 
waren die Quaden und Jazygen Feinde des Festungsbaues auf ihrem 
Grund und Boden, was im Jahre 375 dem Kaiser Valentinianus den 
plötzlichen Tod verursachte. 

Das Gebiet von Pannonien umfasste die ötslichen Theile von 
Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Krain und den Theil jenseits 
der Donau von Ungarn bis an die Save ; seine Grenzen waren im 



Bn der Berg Ceiius (KtTtu* « 0?) und die julücken Äipen; im Süden 

die Save^ aber an der Bosna gehörten auch Theilc des südlichen 

Ufers zu Pannonien ; im Osten und Norden die Donau, welche die 

ramjsclie Provinz von den Jazyg^en, Quaden und Markomannen (mit 

hinein Worte von den Sueven) trennte, — ^ Schon zur Zeit des Tiberius 

theihe man Pannonien in ein oberes (westliches) und unierrs (niederes, 

östliches) Pamionicn^ nach welcher Eintheilung Ptolemaeus um 170 

n* Chr. Pannonien beschrieb. Die Grenze zwischen den beiden Pannonien 

Dilciete eine gedachte Linie vom Flusse Arabo bis an die Save, wo 

die^se den Urbas, (Werbas) aufnimmt. — In den letzten Zeiten der 

f^rnischen Herrschaft n:iachte Kaiser Galerius (308—511 n. Chr,) einen 

grossen Theil von Nieder-Pannonien dadurch culturfähig, dass er die 

üL>orstrümende Wassermenge des Pelso-Sees in die Donau ableiten und 

dio Ungeheuern Waldungen ausroden Hess. Er gewann dadurch eine 

ga-riz neue Provinz, die er zu Ehren seiner Gemahlin Vakria nannte. * 

I^iese neue Provinz bestand also aus dem Gebiete der heutigen Komi- 

tate Pilis, W'eszprim, Stuhlweissenbürg, Tolna und Baranya, 75 

Die wichtigeren Orte derselben waren Cimhriana (Weszprim), Hir- 
c\€lwa (Stuhlweissenbürg), Tricciana (Siu-Maros), Vaik Cariniana (Varos- 
Hidv^g)^ Foriiana (Simontornya) u. s. w. Nachdem durch die Lostrennung 
ter Provinz Valeria Nieder-Pannonien bedeutend verkleinert wurde^ 
Vereinigte Constantin der Grosse mit dem letztern noch die Gegenden 
an der oberen Drau und Save und die neuen officiellen Titulaturen 
la^titeten : Pannonia /., Fanno7iia IL. und Vahria ; zusammen nannte man 
tias Gebiet die ^ pannonischen Prün'nzen* (Pannoniae). Bei der umständ- 
lichen Beschreibung des Krieges gegen die Quaden imd Jaz)gcn (Jazy- 
g^s Sarmates) im J. 35g erwähnt Ammianus Marceüinus insbesondere, 
dass Bregetio den Quaden gegenüber liege ; der Kampf überhaupt aber 
?en den Feind gegenüber den Provinzen Pannonia IL und Valeria 
irt worden sei. Auch daraus wird die Lage der valerianischen Pro* 
viasj deutlich. 7^ 

Unter den lateinischen Schriftstellern nennt Julius Caesar zuerst 

•Oaciem und den «Danuvios» (die Donau), auch Strabo besitzt von 

^3cien noch wenig Kunde, mehr weiss er von dessen Bevölkerung; 

^^^ Lande sagt er nur, dass einstens, vor der Einwanderung der 

J^y^en, der Pan'sos (die Theiss) die Bojer von den Dakern getrennt 

"äbe uj^(j (j^gg dieser Parisos bei den Skordiskern in den Ister münde, 

jsowi^ der Marisos (die Maros) in den Danuvius. Ferner erzählt Strabo, 

I *^^ der obere Theil dieses Stromes von seinen Quellen bis zu den 



♦ Ammianus Marcellinus sagt (XIX. 11): «ad honorem Valeriae Diolectiani fiUae 
[ ^^^itutam et ita cognominatara». 



54 

Wasserfällen (Katarakten des «Eisernen Thores») Damibtus, der untere 
bis zum Pontus Euxinus aber Ister genannt werde. Der « Danubius * 
fliesse meist durch das Gebiet der Dacier, der « Ister » jedoch neben 
den Geten; übrigens sprechen die Dacier mit den Geten einerlei Sprache,Tr 
Der ältere Plinius, der unter Vespasianus verschiedene Staatsämter 
bekleidete und im Jahre 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuvs ums 
Leben kam, fasst die Kenntnisse der Römer über diese Provinzen in 
Folgendem zusammen. « Westlich vom schwarzen Meere hausen nur 
skythische Völker als : Geten (von den Römern « Dacier » genannt), Sar- 
maten oder Sauromaten, Alanen und Roxolanen u. s. w. In den oberen 
Theilen zwischen der Donau und dem hercynischen Walde bis zu dem 
pannonischen Winter-Standlager in Carnuntum wohnen Germanen, in 
deren Nachbarschaft auf den Feldern und Niederungen (campos et 
plana) jazygische Sarmaten, endlich, von diesen jenseits des Pathissos 
(des Theissflusses) zurückgedrängt, in Gebirgen und Wäldern die Dacier 
(montes vero et saltus pulsi ab his Daci ad Parthissum).» 78 Er fügt noch 
hinzu, dass der Name der Skythen überall in die Namen der Sarmaten 
(Daker, Jazyger) und Germanen aufgegangen sei und nur auf die ent- 
ferntesten unbekannten Völkerstämme übertragen werde. -— Nach der 
römischen Eroberung wird « Dacien » die officielle Bezeichnung der 
Provinz und Ptolemaeus benützt in seiner Beschreibung derselben den 
Namen Geta gar nicht. 

Die Grenzen Daciens bildeten nach Ptolemaeus vom Karpaten- 
gebirge im Norden («jto tov Ku^ttutov oc6Vi) bis zum Flusse Tyros 
(Dniester) das europäische Sarmatien, nach Westen entlang des Tibis- 
cus (Ttßttrxog) die Jazygen, im Süden die Donau und im Osten der 
Hierasus (bei Ammianus Marcellinus «Gerasus», der heutige Prut). 
Die Donau wurde aber vom Einflüsse des Tibiscus bis nach Axiopolis 
« Danuvius » (Danubius), von da bis zum Meere « Ister » genannnt. Nach 
dieser Grenzbestimmung umfasste das trajanische Dacien den heutigen 
Distrikt Ungarns jenseits der Theiss, ferner Siebenbürgen, den südli- 
chen Theil von Galizien und die Bukovina, den diesseits des Prut gele- 
genen Theil der Moldau und die Walachei. — Ausser dem Flusse 
Tibiscus oder Tiviscus (Tißia-Kof) nennt Ptolemaeus noch den I^ado {Teißi^) 
und die A/u/a {a)^ovtu ), die Maros führt er jedoch nicht an. In der 
Städteliste findet sich ferner bei ihm zwischen Zeugma und Dierna 
eine Stadt « Tibiscum » oder « Tiviscurtn (ZcSy^a, Ttßia-Kov^ Aie^fcc, 'Anfittü») 
angeführt, die an der Temes = Tibiscus gelegen war. Es entstand des- 
halb die Frage, ob Ptolemaeus mit dem « Tibiscus » die Theiss oder 
die Temes meine ? Wo der Geograph sagt, dass im Westen die Meta- 
nasta-Jazygen am Flusse Tibiscus die Grenzen Daciens bilden : dort 
kann dieser Name nur die Theiss bezeichnen, um so mehr, weil die 



f eta n a s t a- J azy gen zur Ostgränze abermals den Tibiscus besassen und 
[tolemaeus denselben also beschreibt» dass er sich nach Osten dem 
tarpatengebirge, wo er entspringe, zuwende- Hier spricht er offenbar 
Von der in der Marmaros entspringenden Theii^s. Die Stadt «Tibiscum» 
ag indess nicht an der Theiss, sondern an der Temes, welche die 
prenze des Jazygerlandes nirgends berührte. ?9 

Die Namen der Theiss sind also bei Strabo a Parisus » bei Pli- 
nius » Pathissus ». bei Ammianus Marcellinus « Parthissus », bei Ptole- 
luaeus »Tibiscus»; doch bezeichnet Letzterer mit diesem Namen sowohl 
Wie Theiss als die Temes, gleichwie in Pannonien die Römer mit dem 
panien * lacus Peiso » oder « Pelso * nicht nur den Neusiedler- sondern 
(bch den Plattensee benannten. (Das erste Mal begegnet man im 
h Jahrhundert bei Jordanis den gesonderten Flussnamen: Tibisia 
remes), Marisia (Maros), Gresia (Keres oder Koros) und Tisia 
Theiss). 

' Ausser den schon erwähnten Flussnaroen findet man bei den 
hörnern noch folgende : Samus in « regio Samos )*, was die heutige 
[zamosgegend bezeichnet; Amßt/a mit der Stadt Ampelum, die heutige 
/mpolj; S'argi'fiijf in welchem FInsse Decebalus seine Schätze vergraben 
it»en soll, der heutige Zejkany-Bach ; ferner in dem sogenannten 
inate, d. i. in dem Theile zwischen jMaros, Theiss und Donau, die 
liisse BiTSiwa (heute Bersava) und Tkrna (Zier na oder Tsierna, heute 
scirna). ^ 
I Trajanus theilte Dacien in ein ^Oberes» und * Unitres^, aber Anto- 

KUys Pitts unterschied drei Dacien und zwar: 
^H| i) die ^Pnwinda Paroiissemis % im Norden, 
^^m 2) die ^ Provincia Apuknsfsf^f im Südwesten und 
^V" 3) die ^ Provincia Äfahaisis^ im Südosten*^* 

Die drei Provinzen hielten zuweilen gemeinsame Versammlungen 
^oncilium trinmDaciarum) ab in der Hauptstadt « Sarmäege/um »^ in der 
p-iedes heutigen Varhely im Komitate Hunyad, Ausser der Hauptstadt 
F^xden in den Inschriften hauptsächlich erwähnt die Orte: Tskrtia^ Malve 
%^j Äfaha, Ttlmcum, Äpuium (Karlsburg), Porolmsum (Moigräd), Dro- 
K«*/' ( Kl au s en b u rg ) , Potaissa ( To r d a ) , A d Media m ( Me h ad i a ) , Praetorium 
P^i Hermannstadt), Ampelum (Szalathna) u. s. w. 



Die Römer Iwrr sc hafi l/ess in Pannonien (rvo sie etijoa 4^0 Jahre ) 
in Dacien (voo sie von 104 — 214 n. Ckr. dauerte) viele Spuren 



W^^ck : Reste von Gebäuden, Strassen und Wasser ieituugen^ Kunstgegen- 
^^nde, Hausger ätksc haften, Särge mit Aufschriften, Grab- und andere 
^^numentale Steine, Ziegel etc.j welche Gegenstände die ruinische 
^ tte r f hu ms kujide gern deschreidt, sammelt, ordnet, erklärt. Die 
^tedlmöer und Schätzer dieser Alterthümer tvaren in Ungarn 7 'on Jeher 
^Alreich, schon deshalb, meil die lateinische Sprache bis auf die neuere 
^Hi nitht blas die Sprache der IP^issenscha/t, sondern auch der Land* 



rsö 



tage, der Gerichtshöfe und Omiitats- Versammlungen gewesen, ja da 
ledende Umgangssprache der Gebildeten in Ungarn ausmachte, J^edei 
Jiest des römischen Altert hu ms war darum hier fiir viele MensckeA 
'wenn auch nicht verständlich, so doch interessant. Anderseits muss man 
jedoch zugestehen, dass man sich in dem Jateinischen Zeitalter'' Ungarn^ 
zumeist mit dem geimhn liehen offen t liehen Leben begfiiigie: die lVissen\ 
Schaft und Literatur mussten darum auch vortviegend .^practischer"* Natufi 
seilt; was jenseits dieser Sphäre lag, ivurde nicht sehr beachtet. l^^ichts\ 
destinveniger gab es in Ungarn jederzeit einzelne Mänjier, ivelche die J^esA 
römischer Alterthiimer erforschten^ sammelten. Wir eri?inern hier nur aA 
SCHÖXWTSNER, EXGEL, Kataxcsich. Das ..National-Museum"' in Budapei 
bewahrt viele Schätze des römischen Alterthums. In neuerer Zeit ent\ 
ivickelte sich indess auch hierin eine rege?'e Thätigkeit und grössere Iheil 
nähme nicht blos unter de?i Männern der JVissenschafty sondern auch in den 
gebildeteren K^^r eisen der Gesellschaft. Die zeissen sc haftlichen Zeitschriften 
der ungarischen Academie : y^Tudamänyos Gytijtemeny'' (,, JVissenschafiiich^ 
Sammlung' iS/g—iS4iJ, „Judomänytär'' f.JVisseHSchaftliches Magazin'*' 
jSj4 — fS4jJ, die ..Akademiai^Evkönyvek'' f\,Academische yahrbächer'\ sät 
^^SJj und der .^Akademiai Ertesitö'' f\,Academisclu'r Anzeiger'' von 1S40 
bis iSjQ, neue Folge seit /SöoJ, brachten tmd bringen viele einschlägige 
Abhandlungen oder Mittheifungen , Seit dem "Jahre iSöo ist aber dm 
Beschreibung und Bekanntmachung der römischen A Iterthihner^ Funde elr, 
eine besondere Aufgabe der Zeitschriften „Archaeologiai KÖzlemenyet* 
f,,Archäo logische Mittheilungen^'J und ..Archaeologiai Ertesito^' (ArchäQ^ 
lügischer Anzeiger"'); Das „Archiv des Uereinsfur siebenburgische Laiuiei* 
künde'' (seit 1S40J, und die .Mrdelyi Muzeum-Egylet EvkönyveV' fd, i, 
„Jahrbücher des siebenbürgischen Museum- Vereines^\ seit iSörJ enthalkn 
gleichfalls viel werthvolles Mater iaL iVeuestens hat auch der ^.Sädungariscke 
historische und archäologische Verein^^ in seinen ,,fahrbüchern" den römi- 
schen Resten im Banale eine besondere A ufmerksamkeit gewidmet. Unter 
den Männern, welche die römische Archäologie in Ungarn theils wissen- 
schaftlich pflegen, theils sonst befördern, sind ausser FRANZ V. KuBlNYl 
undEKDY noch zu nennen : der besonders eifrige Dr, Fl. RÖMER und dessen 
hochgesinnter Patron, der Erzherzog JosEY, der als Besitzer von A Icsilth, rm 
wiederholt interessante Funde gemacht wurden, der Wissenschaft manchen 
Dienst geleistet hat; dann Bischof Aknoi.d Ipolyi f -Stummer J, Prof. 
H ENSZ L M A NN, I VA N P A T K , Baron E UG E X N Y Ä R Y U7id A ndei-e ; u n ter den 
jüngereTi Gelehrten: Ur. Hampel, Dr. Ortvay u.s.w. In Siebenbürgen 
ragt als fleissiger Sammler und Forscher Dr* Carl Torma hen>o}\ 
Ucberaus Vieles gewann dieser Zzveig der Archäologie durch die Publica^ 
i/bw Theodor MoMMSEN's, dessen sXorpus Inscriptionum Latinarum'* iW 
ersten und zteeiten Theile des dritten Bandes die bisher in Pannonien un 
Daeien gefundenen Inschriften nach ihren Fundorten anführt und mt 
den nöthtgen erklärenden JVbtizen versieht. In der Einleitung sind äl^ 
Forscher der pannonischen und dacischen Alter thihner und ihre JUerk 
behandelt undde?n ziveiten Theile auch Karten über Pannonien und DaCh 
beigefügt. Jenen Theil des grossen Mo^^^^SE^'J'£:/i'tv/ Werkes, der sich au 
Dacien bezieht, untersuchte \^t, Ortvay eingehend und zvies dubei au 
Hilf jene Mängel hin, die sich in die MoMMSEx'j'r//i? Karte von Dacü^ 
eingeschlichen hatten ß' Ebenso wurde durch MOiMAisEN^s Werk der Schäsi 
burger Gymnasial- Professor, Carl Gooss, veranlasst, die Geschic^ 
Daciens des Nähern zu untersuchen und dessen innere J^erkältnisse auJi 
zudecken. 03 

§ 22. 

Jetzt werfen wir noch einen Blick auf jenen Theil Ungarn 
welcher nicht unter römischer Herrschaft gestanden, also im Sinr 



griechischen und rümischen Schriftsteller * barbarische geblie- 
l>eti war. 

Das Land dtr Jazygfn beschreibt itm das Jahr 150 n. Chr. Pto- 
lemaeus in folgender Weise: «Die Metanasta-JazygeTi grenzen im Nord- 
osten an einen Theil des europäischen Sarmatiens, im Nordwesten an 
die sarmatischen Berge bis zu den Karpaten ; im Südwesten an jenen 
Theil GennanienSt der sich von dem sarmatischen Gebirge entlang des 
Karpis nach der Donau hin zieht und dann an die Donau bis zur 
Einmündung der Theiss in dieselbe ; im Osten an Dacien entlang der 
Theiss, die am Fusse der Karpiaten sich nach Osten wendet, woher 
►sie entspringt,»^* Nach dieser Darstellung nimmt Ptolemaeus auch das 
Land der Quaden zu Jazygien \ die von ihm erwähnten acht Städte 
liegen demnach theils in Jazygien, theils im Quadenlande. Wir erwäh- 
nen drei davon : Pessiu?n (flfreriai»), Parka (n«e*'') und Parthcum (flÄfTitf^xo*). 
Diese letztere Stadt müssen wir uns in der Nähe der Theiss denken, 
veil Amraianus Marcelünos 200 Jahre spater die Theiss «Parthissus* 
nennt. In dem «Pessiumt wollen Einige den Vorläufer des heutigen 
«Pest» erkennen; wohl mit Unrecht. Wenn wir bedenken, dass weder 
in Pannonien (das einzige Sissek ausgenommen) noch in Dacien (Sido- 
> Tia = Zsidovin^ Dorf im Ten^eser Comitate, ausgenommen) von den 
römischen Städten als solchen eine Spur geblieben ist, so dass man diese 
in dem Namen einer neueren Ortschaft erkennen würde \ so wagen 
*ir es umsoweniger, das jazygische «Pessium» an die Stelle des heu- 
tigen Pest zu setzen. Auch daran müssen wir erinnern^ dass Contra- 
Aquincum, ungefähr an der Stelle des heutigen Neupest, sehr nahi^ 
^oai jazygischen Pessium gelegen wäre ; und doch duldeten die Römer, 
'^ttientlich seit M. Aurelius Zeiten, keine barbarische Ortschaft in der 
■^ähe der Donau» Aus derselben Ursache, gemäss welcher Pest nicht 
Q^s jazygische Pessium sein kann, ist auch die Herleitung des heutigen 
wkany aus i Parka» nicht statthaft. Nach dem Aufhören der Römer- 
Herrschaft war allerdings die Ansiedelung an der Donau möglich ; 
^lein wann geschah diese zuerst ? Das ist ungewiss. 

Die Quaden besassen ein besonderes Territorium zwischen der 
^larch und Eipel, möglich, dass auch das Mätra-Gebiet ihnen gehörte, 
*^iin es wahr ist, was man aus Plinius^s folgern kann, dass nanilicli 
^^^ Jazyger die Ebene geliebt hätten. Die Grenze zwischen den Quaden 
^d Jazygern, d, i, die östliche Grenze des Quaden landes ist mir 
^ewissheit nicht zu bestimmen. Auch die nördlichen Grenzen waren 
^^'^ römischen Schriftstellern unbekannt; sie erwähnen hier des Volkes 
der Lvgier. Nach Ptolemaeus scheiden die sarmatischen Berge, d. \. 
<Jie Nordwest-Karpaten, das jazygische (das ist hier das quadische) Land 



58 

von den Nachbarn. Im Süden bildete die Donau die Grenzlinie zwi- 
schen Pannonien und den Quaden. 

Ptolemaeus nennt die Jazygen « metanastae », d. i. «wandernde» 
oder, «vertriebene» Jazygen, weil sie von ihren Stammverwandten, den 
Sarmaten, in das Land zwischen Donau und Thejss gewandert (dahin 
vertrieben worden) sind. Daher werden diese Jazyger bei den Römern 
auch «Jazyges Sarmatae» oder blos «Sarmatae» (Sarmaten) genannt; 
wie das z. B. bei Ammianus Marcellinus der Fall ist, bei welchem Schrift- 
steller wir die meisten Nachrichten über dieses Volk finden. Es scheint, 
dass zur Zeit des Zerfalles der Macht des dacischen Burvista, ungefähr 
um das Jahr 50 vor Chr. G., ihre Einwanderung erfolgt sein mag und 
sie daselbst bis zur Ankunft der Hunnen geblieben sind. Hierauf ver- 
schwindet ihr Name, da sie selber in den neuen Völkern aufgingen. 
« Sie sind Reiter, ihre Waffe besteht in einer langen Lanze, ihr Panzer 
ist mit Leinwand überzogen und mit geglätteten Homstücken wie mit 
Federn besetzt (Schuppen-Panzer). Meistens reiten sie auf castrirten 
Pferden, welche flink und gehorsam sind ; gewöhnlich führen sie noch 
ein oder mehrere Pferde mit sich, damit sie beim Ermatten des einen 
das andere besteigen können. Sie durchfliegen grosse Strecken, mögen 
sie den Feind verfolgen oder demselben plötzlich den Rücken kehren.»^ 
Sie waren in Stämme unter besonderen Stammeshäuptlingen getheilt, 
welche von den Vornehmen begleitet (umgeben) wurden ; der König 
vereinigte wiederum die Stammesfürsten unter seiner Herrschaft. Dieser 
Jazyger-König stand seit Kaiser Trajan zumeist in einem Clientel- 
Verhältniss zu den römischen Caesaren. Vollständig unterworfen waren 
die Jazygen niemals ; doch mussten sie ihre Angriff'e auf römisches Gebiet 
oft blutig büssen. Wir haben die Kriege Marc AureFs gegen sie bespro- 
chen, haben auch jener Ereignisse des Jahres 374 gedacht, welche den 
Tod Valentinianus HL verursachten. Hier gedenken wir noch der 
Ereignisse aus den Jahren 358 und 359, weil wir daraus die inneren 
Verhältnisse der Quaden wie der Jazygen kennen lernen. 

Die Quaden und Jazygen, die als Nachbarn in der Bewaffnung 
und in den Sitten übereinstimmten, ^7 führten niemals Krieg gegen 
einander; die Jazygen liessen übrigens im Osten auch die Römer, so 
lange diese Herren von Dacien waren, in Ruhe. Wie es scheint, bildeten 
die damals ungeheuren Theisssümpfe einen breiten, schwer passirbaren 
Grenzstreifen zwischen Jazygien und der römischen östlichen Provinz. 
Nachdem die Römer Dacien verlassen hatten und dasselbe wenigstens 
in seinen südlichen Theilen von gothischen Völkern, den Taifalen, 
Viktohalen, Terwingern u. s. w. ^^ besetzt wurde ; lebten die Jazygen 
auch mit diesen in gutem Einvernehmen. 



59 

A/s Kaiser Constanfhis den Winter des 'Jak res sjS in Sirmium 
Ttrh-ac/ite^ kamen haußge Kachrichten ^u ihm, dass die 'Jazygen und 
Qtiadcn iwreint die pannouisciien Provinzen (PannoniasJ und das eine 
Motmrf fAIoesiarnfn alterutramj verwihtenM Der Kaiser setzte datier 
ittr ^ett des FrntiiingS'Aet/uiuoitiums, als die Donau noch i<7n Treibeis 
bedeckt 7ear^ und der Feind gar nicJtt vermuttiete, dass die Römer ihn 
an^ret/en tfonnteny mit einer auserlesenen Schaar auf einer Schißbrücke 
über die Douau^ verbrannte und verwüstete sowohl die in der Richtung 
der Provinz Vater ia als die gegen Panuonien gelegenen Wohnorte und 
Brsitzungen der 'Jazygen und dann der i^uaden und züchtigte auj^ solche 
Wtise unbarmherzig die in Schrecken versetzten Völker, Der koniglictie 
^rmsling der Sar muten Zisais smvie die Stammeshäuptlinge fsul/re- 
pi/ij Puma, Zinafer und Fragitedus, sodann der Qu ade Ära- 
häriiis und der Jazyger V s a/e r fleftten um Gnade tend er tuet ten sie. 
Sodann wendete Constantius seine Sorge jenen ^Jazygen zu, welche des 
Mitleids würdig zearen ; denn vordem bildeten sie die Adeligen und Mäch- 
tigen in ihrem Lande ^ wurden jedoch durcli ihre heimlich verschworeneii 
Kntchte^ die ilinen an Wiidtieit glichen, an der Zahl aber überlegen waren ^ 
ksifgt und vertrieben, so dass sie bei den Viktohalen Zuflucht suchen 
muisim. Nun kamen auch sie vor den Kaiser und baten um seinen Schutz 
und seine Gnade. Dieser nahm die Schaar nach A ntwrung des Gesche- 
henen in seiften Sctiutz auf, ,^denn^\ sagte er, ^,nur ihm und seinen 
.Mtamten seien sie Gehorsam scttutdig^^ ; Ja damit ihre zideder hergestellte 
^etheit auch durch IVürden erhöht werde ^ gab er ihnen den Zisais zum 
IConige. Nachdem das geschetien war, verlegte Constantius sein Lager 
Hack B reget io, damit er den A'rieg^ g^g^n die Qua den ebenfalls in Blut 
und Thränen ersticke. Hier ergaben sicti Vit rodorus^ Sohn des ADnigs 
^'id ii a r i u s , der Stammeshäuptling A g i l i m u n du s und andere 
iwuebme und Richter, welche das Volk regierten, in ähnlicher Weise 
fii'fn ICaiser und gelobten Irene. A^acti glücklictier Beendigung dieser 
Aftgtiegenheit wandte sich Constantius gegen die Umigant- Sa r muten, 
'^khe ihre Herren unterjocht hatten. Diese hatten zivischen den Buch* 
(ungat der Itieiss (Parttiissusf wo diese in die Donau mündet, i/ire 
Amiedel un gen und fütilten sictt hier gesichert. Allein die römisctten 
Kriigssi haaren stuhlen ihre Hütten auf und damit sie die Amicenser 
^*(j Picenser (so zvnrden die einstigen sarmatisctien Knechte nach ihren 
^Vühfwrten genannt) noch leictitcr besiegen tcunnten, uaJim der Kaiser 
^i^ch die Mithilfe der Taifalen und der freien Sar muten an. Besiegt ^ 
^ehrnchen, untehea?fen sich die entlaufenen sarmatisctien Knechte; aus 
^nadc durfte?! sie in itiren Wohnsitzen bleiben y ja der Kaiser setzte aucti 
^^n jenigen, ivelchen sie selbst sich erwählt hatten, zu itireni Kon ige ein. 
Allein sie hatten keine RuJie. Der Kaiser verrveilte auc/i den nach- 
^im Winter (im Jahre s 59) in Sirmium und zog, wie im vorigen fahre, 
(fbermals zu Beginn des Frühlings gegen sie. Der Angriß' geschah von 
fier valerianischen Brotdnz aus, indem das römische Heer die Donau 
Hiterschritt. Als i/inen ernste Gefahr drohte, da verlegten sich die Limi- 
giint-Sar muten (oder jazygischen KnechteJ zvuderum aufs Bitten und 
f^'rklärten sich zu Allem, zum Tribute, Kriegsdienste etc. bereit. Der Kai - 
Hr war hierüber erfreut, weil er fioffte, hierdurcfi ein ausreichendes Kriegs- 
fiter zu bekommen, zu dessen Erhaltung die römischen Provinzialen gerne 
das Geld beisteuern zeürden, zvenn sie selber künftig keine Kriegsdienste 
2u leisten brauchten. Er uotlte deshalb auf einem erlmbenen Platze bei 
Acimmcum nach gewohnter Sitte im A ngesichte des Heeres die neuen 
l'ftterthanen anreden und ihre 7 reue entgegennehmen, als im Gedränge 
in yazyge plützlich mit dem. A abrufe ^.rnarha / marlui /'* (das sei, meint 
Afnntianus Marcellinus, bei ihnen der Schlachtenruf j auf den Sitz dts 
Kaisers losspringt. Darauf ergreift die Menge ihre Waffen u?id hätte 
Xaistr fast erdrückt ; er konnte sich kaum zu Pferde retten. Die 



6o 

Rotner geriethen darüber in JVuth, stürzten auf die Jazygen und hieben 
sie nieder. So ettdigte die E?np'drung der Limigant-Sarmate?i, die sich 
erstlich gegeji ihre früheren Herren, dann gegen de?i rötnischen Kaiser 
erhoben hatten. 9^ 

h 23- 

Nach der Mittheilung Herodot's waren die Agathyrsen, Sarmaten, 
Skythen und Geten verwandte Völker und gehörten sämmtlich zu den 
Thrakern. Dass die Sarmaten und Geten in der That eine verwandte 
Sprache redeten, bezeugt Ovidius, der in Tomi diese Sprachen erlernt, 
ja in ihnen auch gedichtet hatte. 9^ Würde die getische Sprache von 
der sarmatischen auffällig verschieden gewesen sein, so hätte das Ovi- 
dius sicherlich bemerkt und mitgetheilt. Der dakische Name kommt 
bei ihm nicht vor, denn zu seiner Zeit war bei der dortigen griechi- 
schen Bevölkerung der Name der Geten der herrschende ; allein Strabo 
nennt wiederholt Geten und Daken als ein und dasselbe Volk, ebenso 
Plinius ; nach der römischen Unterjochung verschwindet der alte 
Getenname, an seine Stelle trat sowohl in der römischen Verwaltung 
wie in der Literatur der dakische. Ptolemaeus erwähnt in seiner Geo- 
graphie gar nicht des getischen Namens. Eine diabetische Verschie- 
denheit bestand ohne Zweifel zwischen den nördlichen und den west- 
lichen Dakern wie zwischen den südlichen und östlichen Geten; um 
so mehr mochten Geten und Daken von den übrigen thrakischen Völ- 
kern verschieden sein. Denn nicht blos diabetischer, sondern sprach- 
licher Unterschied tritt um so mehr ein, in je zahlreichere Stämme ein 
Volk zerfällt, je kürzere Zeit es unter einer Macht gestanden, wenn 
nicht die Literatur die zerstreuten Volksbruchtheile zusammenhält. Die 
Literatur ist aber nicht blos einigend, sondern auch erhaltend. Darum 
gehen so leicht selbst die Namen schriftloser Völker zu Grunde, indess 
andere Namen sich emporheben und Verbreitung findein. Die Bastarner 
z. B. hausten in den nordöstlichen Bergen Siebenbürgens, die nach 
ihnen auch «bastarnische Alpen» genannt wurden ; aber Ptolemaeus (um 
150 n. Chr.) erwähnt in seiner Beschreibung Daciens ihrer daselbst 
nicht, sondern nur bei der Darstellung des europäischen Sarmatiens. 
Es ist klar, dass die siebenbürgischen Bastarnen in der gemein gewor- 
denen Bezeichnung der Daker aufgingen, wie schon vordem eben- 
daselbst der Name der alten Agathyrsen verschwunden war. Ptolemaeus 
zählt in Dacien fünfzehn Völker- und fünfund vierzig Städtenamen auf. 
Die Völkernamen stammen schwerlich aus der Zeit der Römerherr- 
schaft, sondern gehören gewiss der vorrömischen Periode an. Ebenso 
muss man von den Städtenamen sagen, dass die Römer sie vorgefun- 
den haben. Unter ihnen tritt die Residenz (,^«<r<Af/«v) Zarmizegethusa 
(Za^fAi^tyi^wva) hervor ; nach Dio Cassius lag selbe am Flusse ^argeiia. 9' 



6i 



dakischen Städtenamen endigen häufig auf «davai*, wie: Dokidava, 

;ndava, Karsidava, Petrodava, Sandava, Utidava, Markodava, Komi- 

a, Ranaidavaj Zusidava, Argidava, Neutidava o. s. w. Man kann 

iinehmen, dass dieses «dava» Stadt oder Dorf bedeutet.* Die rönii- 

;lien Städtenamen haben wir schon angeführt. Wie es scheint, war 

acien die cultivirteste unter den nordlichen Provinzen, weit cultivirter 

} Pannonien." Bei den südlichen Geten war schon zu Herodot's Zeiten 

moLxis als Held und Religionsstifter berühmt und die Geten zeich- 

ften sich vor den Griechen durch ihren Glauben an die Unsterblichkeit 

>s. Wahrscheinlich war damit auch die Religion der Daker verwandt» 

ur Zeit des Burvistes war Decaeneus {AtKstmoi) ein berühmter Priester 

Ser wie Strabo ihn nennt, ein Gaukler (v&V), der in Aegypten herum- 

estreift war und einige Vorbedeutungen erlernt hatte, aus welchen er 

ie göttlichen Befehle verkündete ; ja es fehlte wenig, so w^äre er für 

inen Gott erklärt worden, wie ehedem Zamolxis* Auf die Daker hatte 

r so grossen Einfliiss, dass sie sich bereden liessen, den Wein stock 

öszurotten und ohne Wein zu leben. 93 Uebrlgens haben wir schon 

Feiler oben erwähnt, dass das dakische %^olk in zwei Classen gethcilt 

pr: in die C lasse der Vornehmen oder //ü/e- Tragenden (die Priester- 

jisse?) und die Classe der Gemeinen oder Mütze-Tragenden. Die Tät- 

fiftfung des Leibes war ebenfalls Sitte, ja nach dem Ansehen und 

Stande der Person gewannen die Lineamente an Ausdehnung, die 

arbe an Verschiedenheit. 

Nach der Eroberung durch die Römer sammelten sich in Dacien 
ömische Unterthanen aus den verschiedensten Provinzen des Reiches 
tad mit ihnen verbreiteten sich im dakischen Lande auch die unter- 
chiedlichsten religiösen Anschauungen und Begriffe ; es mischten sich 
laseibst nicht blos griechischer und römischer Mythos und Gottesdient, 
indem es fehlten auch die asiatischen Reügionsvorstellungen, darunter 
ithras-Glauhe, nicht. Unter den römischen Unterthanen, mochten 
welcher Provinz immer abstammen, war die lateinische oder die 
^^ierungssprache die herrschende ; diese verbreitete sich darum auch 
allmählich unter den einheimischen Dakern ; allein die geflüchteten 
i^iti auch später trotzigen Eingebornen waren natürlich nicht besonders 
feneig^, ihre Nationalität aufzugeben, Ihre Anzahl konnte übrigens 
iicht sehr gross sein ; denn nachdem Aurelianus die Römer aus Dacien 
imweggefiihrt hatte, verschwanden nicht blos die Städtenamen der 
filier, sondern auch die ursprünglichen dakischen Ortsnamen lebten 
icht wieder auf. Der Gebrauch der lateinischen Sprache verschwand 



-^. * J. Grimm, Geschichte der deutschen Sprache, 2. Aufl. p, 141 vi. 561, leitet 
"^ E ndüRK 'dava von dem Volksnamen ■ Davus » (für «Dacus») ab. 



gänzlicli, was ^Lhun du? littin einen Umstände hervorgeht» da^^ 
ursprüngliche Bevölkerung Daciens. mag i^ie nun dicht oder dünn gewe-^ 
sen sein, die lateinische Schrift nicht beibehalten hat. 

Panmnmt hatte nach Diu Casi>iiu:s, der diese Provinz aus eigener 
Anschauung kannte, weil er um das Jahr 190 n. Chr. daselbst Statt 
haller gewesen, seinen Namen von den « Pannoniernv erhalten; diese 
wieder bekamen ihren Namen von ihren langärmeligen Kleidern, weicht 
die Bewohner aus einem Tuchstoffe nach besonderem Schnitte anfer- 
tigten und trugen. Da die Griechen solches nicht wusi^ten, leiteten sie, 
sagt Dio, 94 den Namen der Provinz von der alten Landschaft «Paeon» 
am Gebirge Rhodope her. Hier hatten wir also zwei Erklärungpen des 
Namens Pannoniens. Die Erklärung Dio*s ist jedoch schon darum nicht 
stichhaltig, weil das lateinische opannus» (Tuch)» auf welches sie sieb 
stützt, erst m\\ den Ivömern nach Pannonien gelangen konnte, der 
Natne der Provinz aber weit älter ist. 

Begründeter erscheint k\\\^ Meinung der Griechen, insofern 81^ 
])esagt, dass die Bewohner Pannoniens von Süden her, aas dem alten 
Thrakien, in das Land an der Donau gewandert sind, also zu den weit* 
verbreiteten thrakischen Völkerstämmen gehörten. Im vierten Jahr- 
hundert V. Chr. drängten keltische Völker die alten Pannonier noi 
wärts gegen die Donau und verschmolzen dann mit ihnen. Zur Zeit d( 
römischen Eroberung waren diese beiden \"oIkselemente schon der; 
in einander aufgegangen« dass sie beide vereint gegen die RÖm^ 
kämpften und diese keine politischen Unterschiede zwischen Kelti 
und ursprünglichen Pannoniern fanden. Die Bewaftnung war »m .\lli 
meinen keltisch. 9S 

Strabo nennt Pannonien unwirthlich ; die Bewohner nähren sich 
grösstentheils von Dinkel und Hirse und sind tättowirt gleich den ühri- 
gen Illyriern und Thrakern. ^"^ Noch 200 Jahre später fand Dio Cassiu* 
Land und Leute wild und roh, ^denn», sagt er, »die Menschen leben 
hier am schlechtesten, weder der Boden noch die Luft ist gut ; Oei- 
bäume und Weinstöcke gibt es nur wenige und auch diese werden 
schlecht gepflegt, weil zumeist strenge Winter sind. Man erzeugt hawp^' 
sächlich Gerste und Hirse ; diese wird gegessen, aus jener ein Tran»^ 
bereitet. Uebrigens gehören die Pannonier zu den heldenmüthigsteO 
unter den bekannten Völkern, sie sind kühn und mordbegierig.* ^^ 
Pannonien mochte auch nachher noch selir unbewohnt gewesen sein* 
da Kaiser Valerius durch die Ablassung des Pelso-Sees (Platten-See^ 
und die Ausrodung der denselben umschliessenden Waldungen ein 
ganz neue Provinz (Valeria) gewinnen konnte. 

Ptuli'raaeus, zu dessen Zeit :um r^o n. Chr.) nur (Jber- und Unt 
Pannonien bestand, führt unter den Bewohnern des ersteren folgeni 



6^, 

auf: Lat4)hiki't\ Varkiantr, ßoJtt\ Knletiantr (an tler Kulpai, Ja^sonm und 
OsoritUcH ; in ünter-Pannonien : Amanfinir, Hirkuniamn Andianhr, Bnu- 
kcr, Arabisktr und Skonitsktr. Von den Ära biskern stammt wahrscheinlich 
der Flussname Arah*9^ Zur Zeit tk-r Römerherrschaft hatten die 
verscLneLlenen Volksstämme, wenn sie auch fortbestanden, keinerltM 
pülitisube Bedeutung. Auch in Pannonien stammten die römischen Ein- 
wohner aus verschiedenen Provinzen des Reiches; dies war schon eine 
Folge der hier Station irenth^n Legionen, deren Veteranen siclr daselbst 
ansiedelten. Ausser den Reli£»;ions begriffen der ursprünglich Einheimi- 
schen, wovon uns keine Kunde geblieben, kamen mit den Ansiedlern 
auch viele andere religiöse Anschauungen und Gebräuche hierher: der 
Mithradiensti den auch die Kaiser begünstigten, sowie die ägyptischen 
'Götter und Ceremonien wurden hier ebenfalls eingeführt, wie das 
XBl ganzen römisclien Reiche der Fall war. yy Das Christenthum 
war zur Zeit des Kaisers Aurelius unter den römischen Legionen 
schon verbreitet ; doch ist es un gewiss, ob dasselbe auch hei den ein- 
heimischen Völkerstämmen schcm Anhänger zählte. 

Wiewohl Pannonien anderthalb Jahrhunderte länger als Dacien 
unter römischer Herrschaft gestanden war und obgleich die Kaiser in 
Sirmium und überhaupt in Illyricum gerne ihren Aufenthalt genonmrien 
hatten, so blieben dennoch nach dem Sturze der Römerherrschaft von 
der röniischen Cultur nur in Baulichkeiten, Denksteinen, Kunstfrag- 
menten u. s. w. Reste übrig: das römische Leben selbst hörte gänzlich 
auf und damit verschwand auch die lateinische Sprache aus dem öffent- 
lichen Verkehre. 

In Dacien war zur Zeit der römischen Eroberung die ursprüngliche 
Bevölkerung dakisch-getisch, wenn auch beide Stämme im Einzelnen 
von einander abweichen mochten ; was etwa einem anderen Volke 
a^nKehörte, ging ebenfalls in dakisch-getischem Wesen auf. In Pannonien 
lehte zur Zeit der Eroberung durch die Römer das mit keltischen Ele- 
nicnten gemischte Volk der Pannonier. Die Nationalität der Kelten ist 
^kannt; es bleibt also nur die PVage, welcher Nationalität die Panno- 
nier, Daker und Geten angehörten. Die Antwort hierauf finden wir 
sflion bei den Alten, deren diesbezügliche Ansichten auch die neuesten 
Forschungen bestätigt haben. Das Resultat dieser letzteren besteht in 
^<>lgendem ; Tilyrur^ Thraker^ Geten, Daker, Skythen, Sarmaitn und Aiaruft 
Sind Wellen eines untl desselben Volke rstromes, der vom Osten, durch 
u»^ nördlichen Thore Irans, nach dem Westen gewandert war und 
»Jessen Wellen, je weiter sie von ihrem Ursprünge gekommen, sich von 
»Jemselhen umsomehr unterscheiden. Alle stehen mit einander in Ver- 
wandtschaft, die Benachbarten in näherer, die Entfernten in weiterer. 
Demzufolge konnten die Skythen, Sarmaten, Alanen den Ariern, ins- 



64 



besondere den Alt-Daktriern, naher stehen als die Daker, Thraker und 
Illyrier. Daher wird es begreitlich, warum man im Thrakischen Vield 
findet, was auf arische Sprachen hindeutet und weshalb darin auch! 
zahlreiche Elemente vorkommen, die mit dem Griechischen und Latei- 
nischen übereinstimmen. Endlich wird in Folge dessen auch deutlichJ 
wie so das Dakische, welches oflfenbar dem Thrakischen sehr nahe ver- ] 
wandt war, durch das nördliche Litthauische und Slavische in befriedi- 
gender Weise erläutert werden kann.^^° 

Die Quaden gehörten zu den germanischen Völkern, "" ihre Natio^j 
nalität ist also ebenso festgestellt wie die der Kelten. 

Welcher Nationalität sind aber die Jazygtn beizuzählen ? Di&^ 
griechischen und römischen Schriftsteller brachten sie, wie wir sahen»! 
stets mit den Sarmaten in Verbindung oder nennen sie geradezu Saf-I 
maten* Wenn also das Resultat der neuesten Forschungen richtig istj^ 
wornach die Sarmaten eine Welle jenes Völkerstromes bilden, dem| 
Skythen, Alanen, Thraker und Illyrier angehören, dann sind auch die 
jazygen hierher zu rechnen ; denn sie sind Sarmateti« 

Hier sei übrigens noch erwähnt, dass K AT AN CS RH aus der 
Ovidius bezeugten Spracheng/eich heit bei Geten und Sarmaten beide l^dk^^ 
för S luven er k Hirt, da er das Sia^entimm der Sarmaten a/s zumfclioi 
hinstellt. ^^^ Auc/i Schafarik trug g^ge^^ seinen Willen zur StdrkunA 
Jener Ansicht bei, dass die Serben und Sarmaten stammveriL^andt setf^? 
indem er anfänglich die med i sehen Sarmaten und die wendischen Serkn 
f Sorben J wenigstens dem Adamen nach durcheinander mengte. Allein in 
seinen ,,S la r is c h e n Altert li ü m e r ?r' ivar er aiif Jede Weise 
bemühtj die A/einnng, als ab die Sarmaten die Ahnen der späteren Shwut^ 
gc7eesen wären ^ auszurotten. Schafarik zählt die sarmatischen Volke 
(die Jaxamaten, Roxolaneu^ Jazygen und Alanen) zu dem medischen fydtf\ 
wie mati Jetzt sagt, zu dem arischen Stamme. 103 Dessenungeaclftet Jlndc^ 
er den ursprünglichsten , ältesten Sitz der Slaven an der mittleren un 
unteren Donau, ivo sie abgesondert von den Sarmaten geivohnt habt 
sollen. — ^J}enn^\ so meint er, y^der russische Geschichtsschreiber NESTOR 
(derselbe schrieb seine Chronik von iroo — 1114 n, Chr. GJ schreibt, da 
der erste Wohnsitz der Slaven an den Ufern der Donau gezvesen S^^ 
wo Jetzt (zur Zeit Xestor's^ Ungarn und Bulgarien ist und sie von < 
aus sich an die Flusse March^ Moiduu^ Weichsel, Diina, Pripet uf 
Dnieper verbreitet hätten, indem sie zugleich verschiedene JS^amen erhielt^' 
als : Mährer, Czechen, Polen, Pommeranier, Derevier, Poloezken u. s. 
Einige der von der Donau Angekommenen Hessen sich am Ilmensee nied^ 
und begründeten Noiegorod(?J Als Ursache dieser Auswanderung gtf 
Ne.stor den Angriß' der JVo lochen an, womit diese in die Donat 
gegenden einfielen. '^SCHLÖZER, NEi5TOR II. S. ^tyff.j — SCHAFARIK. J-Wf4 
zu bcteeisen, dass die ,Jf Wochen^* des NESTOR die Kelten seien, von dere\ 
Einfällen schon oben S. 42, 4s die Rede war : dass Nestor die'se iSiachricÜ 
aus den mündliche?t Ueber lieferungen der s lavischen l^Olker geschöpft habel 
dass diese Tradition auch durch geographische Xamen bezeugt und endlicA 
dass sie auch durch directe historische Zeugnisse beglaubigt 7verde,^o4 

A Hein : Ist es glaubhaft, dass die Tradition von den Einfällen dfi 
/Leiten in die Donauländer sich bis zu Nestor *s Zeiten bei den slazHSche^ 
Völkern erhalten habe? Dass also die Slaven am Dnieper etwas davol^ 
gewusst haben sollen, was vor 1000 und mehr fahren an der entferntem 



ftan ^^f-M^ttz/tf/ /sl? Nestor liftä seifi J^olk %iussen nichts von den Hunnen 
\mid Gothcfi^ deren Einfälle iveit sßäfer erfolgten und die einen ebenso 
Vmnpfifidl leiten als andatier nden Ein/luss auf die s lavischen Volker ans- 
wÄ/t7/jo5 Wlie ist es möglich, dass s/e Kunde besitzen sollten von dem, was 
viel fr ft her sich zugetragen ? JVas Nestor erzählt, das lernte er von den 
ByiiiJttinern, nicht aus der slavischen Tradition und das bezieht sich auf 
die Bulgaren, von denen auch die russische Schrift abstammt. Uebrigens 
wüierspricht Sc H Ah' AiUK's Annahme, dass die Slaven ein europäisches 
Unolk f Autocht honen J und keine Eingewanderten wären, schon Jenem 
ungemeinen ethnographischen Bilde, gemäss welchem ?iach den Kelten die 
Gtrmauen und auf diese die Slaven folgen, und wonach die Slaven nie- 
\Mah und nirgends den Germanen westlich oder siidlich 7*or an gegangen 

ürm. Den Noamen ,^lVoloclr% der bei den Germanen erstlich die Kelten, 
mt die lateinische?! Volker bezeichnet ^ haben die Slaven von den Ger- 
neu gelernt. 

SCHAFARIK ist umters der Meinung, dass die geographischen Benen- 
nungen die altslavische Tradition unterstützen ; denn der pannonische See- 
mtfm\,Plesa'*^seiz.B.slavischy da die karpa tischen und mähr ischim Slaven 
den See f' Teich J ^^pleso'^ nen/ien und nicht ,fezero^\ russisch ^/jzero"; — der 
xMiiSsuame „Gran'' (Granua) stamme vom altslavisclieu Jrran!'\ veoraus 
ranice'^ ^= Grenze; — der Gebirgsname ,Karpatus'' könne aus ,xhrbet' 

^tstande?! sein; — auch y^Sajo'' sei slavisch von .yschafiwa^* ; — der Fluss- 
i fisme^^Maris^'j ^^ÄIarosius'\ ^^Jfarisia^' (die Maros) könne vom lateinischen 
„mare'\ slavisch ,,more'% abgeleitet werden ; — ebenso sei der Ä^ame ,,Dafiu- 
Uus^\ ,,Danuviur' slavisch er Abkunft von ,/lan'' umi ^,is^\ „7üir' u.s.w. 
— Die geographischen Benennungen sind allerdings iverthvolle historische 
^ugnisse, nur fällt es nicht immer leicht, sie richtig zu gebrauchen. 
Die Fluss na men Donau, Don, Dana, ferner Dunajecz, Donecz, d, i, 

kleine DonaW, ^.kleiner Don'"; ferner Alarch (Marus), Mar (ÄlurusJ, 

^ar OS (Maris, Mar isla, AlarosiusJ, Morava (Margus) etc. sind oß'en bar 
Elftes, doch nicht s lavischen Ursprunges. Am Don (Tanais) wohnten 
^'f''' tiud nach Her odot keine Slaven, daher kann der Ftussname auch nie hl 
i't^'W iliueu abstammen. Dasselbe gilt von dem Kamen ,,Donau''''; die ,^l)ilua'^ 
^attfde aber schon Pytheas von Massilia »«6 zu einer Zeit^ in der weder nach 
ScHafarik noch nach NEiiTOR Slaven dort woh?i€n konnten, tvohl aber 
^ithauer ; denn die .Mäna'' heisst lithauisch ,,dougava'\ livlsch ,,dougan'\' 
»'«" Rigaer Deutschen nennen sie aber ,fJonau'\ die Janssen ,,dvina'\ woraus 
im esthni.vche ,/iina^', d^s deutsclw ,,Dunet' entstand. Auch die ins weisse 
Meer mändende „Di£na'\ russisch ebenfalls ^^dvina^\ erhielt ihren Namen 
«US derselben Quelle wie der £>on und die Donau-, nämlich nickt von 
^j^f sehen, sojulern von anderen Völkern, welche vor den Slaven an diesen 
Y^^^^en wohnten. Dasselbe gilt von den Flussnamen Marus, Murus, Maris, 
Y*^^gns, obivolil diese heute zum lludl von einander sehr abweichen (Alarch, 
^fnr^ Maros, Alorawa), Schafarik erklärte sie aus dem lateinischen 
^Mart\ slavisch ,ymore'\ was möglich ist; allein dieses } Vor t findet sich 
^c/// fmy^ jjii Slavischen vor. Noch grösser ist sein h^rthum mit dem 
^^^jssnamen „Sajo'\ dem er die s lavische Form .^chajäwa^' supponirt, 
^^hrend die Slovaken im Gönwrer Conti täte diesen Fluss „Slana'\ dir 
^^^^cbaner Deutschen aber „Salzaclt* (^ Salzfluss) nennen, was auch 

f *^^fgarische Bezeich m/ng „Sajö-* bedeutet. — Der N^ame .^Juirpat'' 
"ftmmf van dem dacischen J'olke der „Karpen'\ — Der Gr a n Jluss hiess 
^l^y'dtfi ^^Granua^' und es uohnten an seinen Ufern die germanischen 
Y^uiitn. Der Name ähnelt aber sehr dem Flussnamen .yGarumna'' (heute 
^^füruftne^J, weshalb auch diese beiden Flüsse ihre Benennungen von 
ffpttcni slavischen Volke empfangen haben können. — Ferner muss der 
"^f^f (äffte y^Peiso'* nicht etwa deshalb slavischen Ursprunges sein^ weil die 
*^*^*'htiscluH Slovaken den See Jetzt „pleso^' nennen ; heisst doch bei den 
^^fftiiff Ischen Lappen ein Bergsee auch ^flesse'\ was nur deshalb hier 

nllttfalvy, EihnogT. 5 



66 

unge/ührtwird, um zu zeigen, roie x>orsn/U/£' man bei Erklärung geogr&A 
phtscht^r Benenuungen sein musx. Das alte .^Pelso'' bedeutete wahrschi'inX 
lieh einst dasselbe, \'as das heutige ,,PlatteW-See (ungarisch ^.Balatotr' 
bezeichnet, nämlich i ^^Sumpf^ Morast^*; ,^Platten'^',Jhilaton*' ist aber* 
unziL'ei/elhaft slavischen Urspru7iges. Ebenso hatte ,^Ferio'^ (der ungariuhe 
Name des s^Neusiedlersees'* ) die Bedeutung von ,Mrrast\ ist aber keines- 
falls slawischer Abkunft Mit Einem Worte: Die Fiuss- und Seenamn^ 
in Ungarn und Sieben bürgen, welche schon zur Zeit der Römer bestanden J 
stammen nicht von den Staren ab, sondern entim'der von den Kelten odef^ 
von anderen Volkern, welche noch vor den Kelten hier hausten; kennm\ 
2iHr doch die Alenschen der Stein- Periode (und es lebten solche auch in^ 
Ungarn) gar nicht. 

Die historischen Zeugen, zvelche Nkstor's Nachrichten und rfÜd 
Argumente aus den geographischen Namen directe unterstützen snllenX 
findet SCHAFARLK in den yazygen. Aus unserer Darstellung leissin^ 
wir, dass unter den yazygern etnst die Knechte sich gegen ihre Herren 
erhoben und dass der römische Kaiser diese leibeigenen Jazygen^ //tffAi 
Ammianus Marcellinus ^^Jazyges limigantes''\ besiegte. ScHAFAKfK ' 
behauptet nun, diese geknechteten yazygen seien niemand Anderer als ii 
Reste der vor etwa Soo Jahren durch die Kelten verdrängten SIa:y- 
geieeslen, i^elche sich nach Norden geßikhtet und in den Gebirgsgegetnio 
Oberungarns Zufluchtsstätten gefunden hatten : von ihnen stammen (//^ ^ 
die Flussnamen ^^Schaja%ea^\ ^^Hrorr^ u, s. w. Diese Slaven waren n^^ih 
SCHAFARtlC ein ackerbautreibendes friedliches P^olk^ das in holzen o' 
Städten und Dörfern wohnte, Ebeii dadurch lockten sie aber die Uiit^<'- 
drücker heran. ,^Denn'\ so behauptet Schafart K, ,,hätte es hier 'fv 
ackerbautreibendes Volk gegeben^ so würden die finnischen und saroiati- 
schen auf der einen Seite ^ und die germanischen Räuber häufen auf dt > 
andern nicht so begierig über diese Gegend hergefallen sein ; hier konnhn 
sie, da sie in fremden Zandern den Acker nicltt selbst ^u bauen pflegten, 
längere Zeit den Schtveiss fremder A rheit verzehren u?id we?th nichts mehr 
zu zehren war, weiter ziehen'^, *">? IVie immer sich Schafarik den Ur- 
zustand der Slaven vorstellen mag, so ist doch ge^mss, dass auch die Daker 
und Pannonier den Ackerbau betrieben haben. Was aber speciell dte 
fazyges limigantes betrifl't^ so versetzt Ammianus Marcellinus, unsef^i 
einzige Quelle über dieselben, sie nicht in die Gebirgsgegenden Okf^ 
u?iga7-ns, sondefyt in die Sumpf- Ebenen an der untern Theiss, nahe <Wf] 
deren Mündung in die Donau. Diese jazygischen Knechte können «//löl 
schon deshalb nicht die Slaven Schafakir'sV/w Gran-, Sajö- und änderet 
Flüssen Oberungarns sein. 



Allein die Annahme, tkiss die Urbevölkerung an der mittlem ua 
untern Donan siävisch gewesen sei, stösst noch auf andere* weit grö* 
sere Schwierigkeiten. Betrachtet man die Alterthiimer aus der Stein-| 
und BroDceperiode Ungarns, so entsteht die Frage : Was für ein Volfe 
konnte in der Steinzeit daselbst leben ? Würde Schafarik's Annahmsl 
stehen, dann wäre die einfache Ant\vort darauf, dass es Slaven grewesenJ 
Allein das widerspricht aller Kunde, die wir von den Sprachen \xm 
Wanderun^j^en der Völker besitzen und vermuthen. Die Slaven g-ehöreil 
ohne Zweifel zur sogenannten arischen Völkerfamiüe \ ebenso ist es 
unzweifelhaft, dass von den Ariern nicht die Slaven zuerst nach Europ 
gewandert sind ; sie iivaren also nirgends in Europa» konnten also auc 
kein europäisches Urvolk, nicht das Volk der Steinperiode sein. Au 



w 



Fra^a^e können wir also die bestimmt negirendc Antwort i^eben, 
6s auch das Volk der Steiniseit in Ungarn k^in slavisches gewesen. 

An der Donau gingen Kelten und Thraker jedem andern bekann- 
I Volke voran. Jene gehörten gleichfalls zur arischen Völkerfamilie, 

Pen also auch nicht jene Urbevölkerung Ungarns ausmachen, die 
[Herst erschien und die Palaeolith- oder ältere Steinperiode begann. 
Allein am Ende der jüngeren Steinperiode mochten Kelten und 
Iraker schon hier aufgetreten sein und bis über die Mitte der Bronce- 
Iriode daselbst gelebt haben. Die etwa noch zu entdeckenden Pfahl - 
liten wären vielleicht auch ihnen zuzuschreiben; die Bronce-Alter- 
|mer in den Theilen jenseits der Donau und in Siebenbürgen sind 
iSviss Erzeugnisse der Daker und Pannonier, Die am Fusse des 
6tra-(jebirges und in den Karpaten aufgefundenen reichen Broncelager 
ifhören ebenfalls den Kelten oder den an ihre Stelle getretenen Sueven, 

tkomanen, Quaden» Lygiern und anderen Germanen sowie den Jazy- 
an. Von den Römern lernten alle diese Völkerstämmc auch das 
isen kennen. Die Chronik» welche aus den Alterthümern zu uns redet, 
peischt noch grosses Studium. 



III. Germam'sch-hunnmht Pfnode, 
§ 24, 

Nachdem die Römer Dacien verlassen hatten, wurde die Donau 
im Güten abermals die Grenze des römischen Reiches ; die nach 
den vordringenden Völker nahmen bis an diesen Strom die 
Wer in Besitz. Die Goihtu waren » wie wir (§ 20) gesehen haben, 
>m Baltischen Meere "=*^ entlang der Flüsse Dniester und Dnieper an 
^ Gestade des schwarzen Meeres und an die Donau gezogen ; von 
"P aus beunruhigten sie die römischen Provinzen. Sie waren in 
^schlechterfamilien getheilt und nach ihren Wolinsitzen in W^fsi- 
fesegüthae) und Osigoihtn (Ostrogothae) geschieden.^'^^^^ Ammianus Mar- 
^*"nus nennt die letzteren, also die Ostgothen ^Gnu/un^crj^; da sie 
^h vom Dniester ostwärts bis zum Don über eine waldlose Sandebene 
^tit) ausbreiteten ; jene, d. i. die Westgothen, nennt er * Tinvingrr», 
^n sie nahmen die waldigen Berge westlich vom Dniester ein (terv 
Baum, engl, tree^ slav. drevo)> Später begegnet man diesen Benen- 
lügen, die nur auf die ersten Wohnsitze der Gothen passen, nicht 
ihr; an deren Stelle tritt die Unterscheidung in Ost- und West- 
then. Unter den Ostgothen ragte das Geschlecht der Ama/ungm^ bei 
jtgothen das der Balkn (d. i. Kühnen, engl, bold) hervor; die 
stammten aus diesen Geschlechtern. Zu den Westgothen gehö- 




68 

reii auch diu lüi/aitn und i'tktohaitn, die wir schon im heutigen Banale 
angetrulTen haben. (Vgl. oben § 22.) 

Ausser diesen Gothen wanderten noch deren Stamm ver\i'andle,' 
die Gtpiden und Wandakn^ in diese Länder. Allein so wie die Gothen 
auf der östlichen Seite der Weichsel nach dem Süden zugehend so^voLl 
den nordöstlichen Karpaten wie den jenseits derselben wohnenden Sar- 
maten auswichen ; ebenso kamen die Gei)iden an den westlichen Ufern 
der Weichsel südwärts und erreichten nach Uebersclireitung der nörd- 
lichen und nordwestlichen Karpaten das heutige Ungarn. Aber wann 
und wie sie sich durch Quaden und Jazyj<en die Bahn gebrochen, ist 
unbekannt. 

y<}rdanis erzählt^ dass die Geptden, a/s sie unter Führung ihm 
Königs Fastida die ATitndung der Weichsel verlassen haften^ die Bitr- 
gundioneti Imnahe vernichteten: Ja ungeachtet ihrer gegenseitigen Vn- 
ukindtsckaft (die ja bekanntlich die Rivalität und den Hass nitufuili 
ausschliesst, sondern oft noch aneifert) griffen sie auch die Gothen iui 
Fastida forderte damals durch seine Abgesandten von Ostrogoth, da :if 
fener Zeit über sämmtliche Gofhensfämme die Herrschaft führte, / ' '■ 
Land, nachdem sie (die Gepiden) in umvirthliche Berge und 
JVälder eingezwängt seien ; im Falle der Verweigerung rief Fastia. 
Ostrogoth zum Kampfe heraus. Ostrogoth ivählte das Letztere und 
der Ortschaft Galtis am Flusse A uha kam es zu einer blutigen Seif lad 
in welcher Fastida besiegt wurde, j*o Ä^ichtsdestotveniger setzten die Gt'f- 
ihre IVanderung nach dem Süden fort , so dass Kaiser Probus gezieu 
ward, gegen sie zu kämpfen und nahmen eridlich neben oder zwiscln 
West' Gothen ihre Sitze. 

fJie Wandalen sollen nach ^ordaniSf der sich auf den ScJr 
steller Dexippus beruft, gleichfalls binnen einem Jahre von der ' 
bis an die Flüsse Maris ia (AfarosJ, Miliare (weisse KtirösJ, ' 
(schwarze Koros J und Grisia (schnelle Koros) ins alte Da den g 
sein; so dass sie östlich von Gothen, westlich von AJarkomanen^ noj- , 

von Hermunduren und südlich durch die Donau begrenzt waren, ^^^' I 
danis entnahm die Kunde über die Wanderung der Wandalen nor ^^^f'- 1 
der ungewissen Sage, die Bestimmung ihrer Grenzen aber aus den St 
stellern jener Periode, in der Markomanen und Hermunduren 
bekannt waren. A ach die Wandalen kamen nicht mit einem Male n^i^'^' ^ 
Dacieni zur Zeit Marc AureVs waren sie Verbündete der Markomatie^^A^ 
söhnten sich aber bald mit den Romern aus, so dass Com modus in tü'^^ ^ 
X^er trage mit den Quaden die Bedingung aufnahm^ dass diese weder < ff^ 
fazygen noch die Wandalen beunruhigen sollten. Damals wohnten 
Wandalen in jenen llieilen des heutigen Böhmens und Schlesiens, wo 
Elbe entspringt, LIief auf überstiegen sie die Alpen und die Kaiser Auf { 
lian und Probus kämpften mit ihnen. Wann und wie es ihnen geluni 
ist, durch das Gebiet der Quadern und ^azygen an die A/aros und Kfi 
SU kommen, ist nicht bekannt. Hier kündigte (nach der Erzählung ^J 
danis' J Geberich, der nuichtige Gothen kbnig, ihnen den Krieg an ti* 
besiegte sie. Der Wandalen klhng Wisimar bittet für sein ßüclitiges Vi 
%Km Constanlin d. Gr. fumjssj Wohnsitze in Pannonieh, wo die Wü 
dalen über öa fahre als ruhige und ständige Bevölkerung verweilen^ 
sie über Aufmunterung Stilicho's nach Gallien wandern und von da m 
Spanien, von wo aus sie dann unter Genserich in Afrika ein fallen, ^^ 
Platz der Wandalen in Dacieu nahmen^ wie es sclwint '^ ^ «';-/>,>/'»' 



69 

Ausser den gothischen Volkern finden wir in den östliclien Theüen 
Siebenbürgens noeh Sarmaten. Animianiis ]\Ian:tdlinas nennt diese sieben- 
hürgischen 1 heile ^Kaukaland^, in welcher Benennung das Wort <»Land » 
das erste germanische Wort in Ung^arn und Siebenbürgen ist und nur 
von den GotheR abstammen kann.^^' Allein wenn auch noch andere 
Völker in Dacien vorhanden waren, so überwogen dennoch die Gothen 
Alle, weshalb das Land auch den Namen «Gothia* führte, "3 

Wie alle Völker, deren Hauptbeschäftigung nicht der Ackerbau 
gewesen und die in die Nachbarschaft der agricultur- und industrie- 
treibenden römischen Provinzen geriethen, verhielten sich auch die 
Gothen nicht ruhig, sondern unternahmen von Zeit zu Zeit Einfälle auf 
römisches Gebiet und setzten mit ihren Verwüstungen Europa und 
Asien in Schrecken. Ebenso kämpften sie auch häufig unter einander 
oder verbanden sich zum Angriffe gegen andere barbarische Völker; 
denn ein solches Kriegenolk kämpft theiis als Gegner, theils als Bun- 
desgenosse ohne Unterlass, siegt oder wird besiegt. Die Kriegszüge 
(1er Gothen gegen die römischen Provinzen übergehen wir hier; der 
Kämpfe mit den Gepiden und Wandalen haben w^ir bereits gedacht ; 
sonach bleibt uns nur noch übrig von Hermanarich zu sprechen, da 
dessen Heerfahrten unsere ethnographische Kenntnisse bereichern. 

Unter den Gothen waren gezvö/tnlich die Ost gothen die mächtigeren 
lind die Fürstett aus dem Geschleckte der A maiungen herrschten über 
^ämmtliche Gothenstämme^ so der sagenhafte Ostrogoth, iL*ie auch König 
Geberich. JVicht tauge 7iacti diesem Gothenfürsteu zwang Hermanarich 
xahlreictie nördlicfie Völker unter seine Herrschaft^ so däss itiu Manche, 
de Jordan is sagt, mit Alexander dem Grossen verglichen. Dieser Histo- 
^iker zählt auch die unterjochten 17)1 ker au/;, es sind Gottieu, Skythen, 
Thuiden^ IVasinabronker, Afereuser, Mordemsiinniser und andere noch 
weniger bekannte lUlker, TVer mochten die Skythen und Thuiden sein ? 
Das ist nicttt bekannt., auch die J\7imen findet man verschiedenartig 
jesc/irieben. A der die AI e renser und Mo r d e m s i m n is e r treten 

K" äter als ,,Me rie r" und ,,Ma rdw in en'* deutlicher vor und wird von 
nen an betreffender Stelle die Rede sein, — Her?uanarich schonte, so 
rzählt yordanis weiter, auch die Heruler nicht; nach den He ru lern 
Tiff er aber die IVenden an, die zwar keine Helden ( Kriege rj sind, doch 
uf ihre grosse Anzahl vertrauten und sich vertheid igten. Allein tvas hilft 
Ue schwache Menge, fragt yordanis^ besonders gegen Gottes Weilten und 

\gen ein bewaffnetes Heer ? Die TVendeUj setzt er hinzu, sind "von einem 
flamme, t heilen sich aber jetzt in drei Zweige: IVenden, Anten 
utd Sk/avenen, — A^ach den Wenden unterzvarf Hermanarich aucti 
lie A esten, welctie an der langgestreckten Käste der germ attischen See 
assen. Darnacti he rr seilte Hermanarich über sämmtliche Völker Sky- 
^iens und Germaniens und über sein eigenes Volk und seifte Macht 
eichte vom ßaltischen bis zum schzvarzen Meere. — Aus dieser Erzäh- 

ng des Jordanis geht hervor , dass der grosse Gothenfiirst nicht blos 
\der gothischc und germanische, sondern auch über slavische und lithaui- 
fhc (hierher gehören wohl die AestenJ, Ja auch über finnische und 
gnsche (Merier^ Mordwinen) Volker und Stämme sein J^eich ausgedehnt 
p^. Dessefi ungeachtet anerkattnten die Westgothen seine Oberhoheit 



nicht: denn ihr An/ithrer, A t h a n a r i r h , kämpfte und paktirti 
somfert mit den Römern, ohne dnss Hernuinarich daran theilgenoi 
hätte. Gleich allen Barbarenvijlkern waren auch die Gothen gra- 
Hermanarich Hess unter Anderem die Gattin eines Fliichtlings, rn 
ihren Gemahl nicht mehr bestrafen kannte, durch P/erde in .V/ 
reissen. Die Verwandten der unglikklichen Frau leollten diese Gnhr 
keit rächen und Herntattarich meuchlings tödten. Der i/o yahrv asiv 
Fürst wurde zwar verieundet^ blieb jedoch am Leben, Während er am 
Krankenlager gefesselt war, grijfen die Hunnen die Ostgothen a^r "" 



§ 25. 

Erschütternd grosse Ereignisse wecken indem anstaunenden Men* 
schengemiithe den Glauben an Wunder und Prophezeiungen. Auch 
Ammianus Marcel linus beginnt die Geschichte der Hunnen mit der 
Erwähnung solcher Wunder, Alsdann setzt er fort: »Das hunnische 
Volk, welches den Vorfahren kaum bekannt war, wohnte jenseits der 
Mäotis in der Nähe des Eismeeres ; es ist %vild. ungefüge, schreckhaft' 
u. s, w. — Obgleich ein Zeitgenosse der erzählten Geschichten, sokaiNit< 
wie es scheint, Ammianus die Hunnen dennoch nur vom Hörensagen; 
denn so wie er diese jetzt beschreibt, gerade so beschrieb er früher die Sara- 
cenen und wird bald darauf die Alanen auch so beschreiben ; wahrschd»- 
lieh wandte er älteren SchrifttiteMern entnommene Charakterzüge auf 
hämratliche diese Völker an. Ein Volk» das ausser den Kleidern ai 
Fellen auch schon linncne Gewänder trägt, wie nach Ammianus dii 
Hunnen sie hatten, ist nicht mehr ^viwz wild. Man kann es auch kaui 
Ijügreifen, dass die Hunnen mit Knochenpfeilen die Alanen und Gotb 
besiegt haben sollten. "5 Die Hannen stiessen mt^Iqx Balambhs oder Btiii 
mirs Anführung auf die Alanen, welche vom linken Donufer ostwärts 
wohnten und nachdem sie in mehreren Schlachten ihre Kraft erschöpft 
hatten, den Hunnen sich unterwarfen und ihre Schaar vermehrten- 
Hierauf erreichte im Jahre 375 die Ostgothen die Hunnengefahr. P'*^ 
Westgothen waren von ihnen getrennt, die slavischen VÖlkerschattef* 
schlössen sich aber, w*iees scheint, gerne den Hunnen an, somit bliebe^ 
die Ostgothen allein. In der Verzweiflung stürzte sich der alte krani 
Hermanarich in sein eigenes Schwert; ein Theil seines Volkes such 
Rettung in der Flucht, der andere» grössere Theil der Ostgothen unter 
sich den Hunnen in der Weise, dass sie ihre eigenen Fürsten unter hunoi] 
scher Oberhoheit behalten konnten. Die neuen /Ankömmlinge hatt< 
somit ihre Macht vom seh warben Meere bis zur Donau ausgebreiti 
Jetzt ereilte auch die Westgothen das Schicksal. Athanarich wnlli 
Widerstand leisten, musste sich aber bald in die Berge SiebenbürgenJ 
in das « Kaukaland », von wo er die Sarmaten vertrieb, zurückziehe 
Allein die Hunnenlkith folgte ihm auch bis dahin. Athanarich hal 



einst seinem Vater geschuoren, dass er nie seinen Fuss auf römischen 
Boden setzen werde ; jet^jt flehte er beim Kaiser um die Gestattiing 
des Ueberg-anges über die Donau und freute sich, dass die Römer ihm 
Einla-ss gewährten. Ein grosser Theil der Westgothen, die christlichen 
Goihen, war schon vor ihm auf rÖTnisrhes Gebiet gezogen, wo sie viel 
Unwürdigkeiten zu ertragen hatten. Nachdem sie jetzt durch die neuen 
(lOthenschaaren verstärkt worden waren, nahmen sie mit Feuer und 
Schwert Rache für die Niederträchtigkeit der römischen FehJherren. 
Der aus Asien herbeigeeilte Kaiser Valens verlor bei Adrianopolis nicht 
nur die Schlacht, sondern auch das Leben (378). Auf solche Weise 
kamen die Westgothen ins römische Reich und Theodosius der Grosse 
nnci fieine Söhne kämpften bald gegen sie, zuweilen schon mit Hilfe 
<h'T Hunnen, "^ bald schlössen sie mit den Gothen Bündnisse ab. 

Noch ist Pannonien eine römische Provinz, aber nur so, dass 
ilessen Städte, welche früher von Gothen, Hunnen, Alanen ver\\iistet 
nurden, jetzt durch Theodosius Weisheit, wie seine Schmeichler rüh- 
men ^ von denselben Gntheni Hunnen und Alanen « vertheidigt <* würden. 
Der Westgothe Aihatdf üble in Ober-Pannonien gleichfalls unabhängig 
<1ie Herrschaft aus ; Alanch aber, aus dem Geschlechte der Balten, 
Dux in Xoricum, bereitet sich vor nach Unterpannonien^ das herrenlos 
schien, zu ziehen ; im Jahre 400 bricht er jedrich im Vereine mit einem 
andern Gothenfürsten in Italien ein. Ihm folgte im Jahre 409 auch 
Athaulf, der jedoch nach einer verlorenen Schlacht seine Gothen und 
andere Völkerschaften, die sich ihm auf dem Wege angeschlossen hatten, 
nach Gallien führte. Daraus ist ersichtlich, in welchem Zustande das römi- 
sthe Pannonien sieh von 375 — 41 o befunden hat. 

Unterdessen zogen die Hunnen auf dem linken Ufer der Donau 
sttjis weiter nach dem Westen ; ja Cpiar oder Okiar kämpft im 
Jahre 408 schon am Rhein gegen die Burgunder, wo er auch seinen 
^od fand. W'as wurde aus den Jazygcn und Quaden jenseits der Donau ? 
Auf diese Frage gibt die Geschichte keine Antwort. Man kann jedoch 
«annehmen, dass die Quaden sich mit den stammverwandten Wandalen 
M Gepiden vermischten ; Aehn liebes mochten auch die JaKygen gethan 
nahen, obwohl sie kein germanisches Volk waren ; denn die modernen 
ßtigriife von Nationalität darf man den Völkern jener Zeit nicht auf- 
oktroyiren wollen. Diese mengten und trennten sich ohne Rücksicht 
auf Verwandtschaft und Nationalität. Uebrigens liisst sich noch eher 
^^^^ehmen, dass jetzt mit der Ausbreitung der Hunnen, denen die 
■^toen, Ostgolhen und wahrscheinlich auch die Slaven, doch nicht 
^nter eigenen Fürsten wie jene, sich angeschlossen hatten, auch die 
Jazygen wie die Quaden in der allgemeinen Völkerfluth aufgingen. 
Wenigstens ihre Namen verschwinden ; nur der Jazygen-Name erscheint 



■btfdM 



etwa rooo Jahre später in den ungarischen t Jazygiern » wieder; ob ai 
Gelehrtthuerei oder in Folge natürlicher Abstammung — das könnt 
wir hier nicht nntersuchen. 

üktar hatte drei Briidcr : J^oas, O/ktn' und Mundzuk ; diese staroi 

ten also aus dem vornehmsten hunnischen Geschlechte, neben welche 

jedoch noch andere fürstliche Geschlechter bestanden. Daraus ist erkläl 

bar, dass wir ausser den Hunnen, die sich in d^n Provinzen am linki 

Donau-Ufer ausbreiteten, hunnische Häuptlinge auch am rechten Ufer 

römischen Diensten Eintreffen, weshalb das herrschende Geschlecht von d( 

Römern fortwährend die Herausgabe gellüchteter Hunnenfiirsten forde; 

Roas empfing den 71tel eines römischen Feldherrn und zog Sc 

vom Hofe in Constantinopel ; erhöht man ihm diesen Sold nicht, da] 

droht er mit Krieg, d. i» mit verwüstendem Einbrüche in die Provinz( 

jenseits der Donau. Nach Roas Tode (454 oder 455) herrschten 

Söhne IVIundzuks, Atiiia und Bkda, vereint über die Hunnen. Die v( 

Roas begonnenen Friedensunterhandlungen schlössen die Brüder 1^ 

IMpirgus, an der Gründung des Margus (derMorawa) in die Donau, i 

Attila tödtete seinen Bruder Bleda aus unbekannten Ursachen ui 

herrschte nun allein über die Hunnen, «Die Sitten der Hunnen wan 

so bluttriefend, dass dieses Verbrechen gar kein Aufsehen erregt< 

schreibt Thiekry^^? und vergisst dabei der Mordgräüel im* fränkische 

Herrschergeschlechte oder der lebendigen Beerdigimg des Kaisers ZeH 

die er selbst erzählt oder aus neuerer Zeit der Palastrevolutionen 

Moskau und St. Petersburg. Jordanis charakterisirt Attila in folgendl 

Weise: «Attila, Sohn des Mundzuk, dessen Brüder Oktar tind Roi 

vorher über die Hunnen herrschten, obgleich nicht über sämmtliche 

er (Attila), trat nach dem Tode seines Oheims mit seinem Bruder Bl 

die Herrschaft an. Ura seine Absicht erfüllen zu können, vergrösst 

er seine Macht durch Brudermord und strebte nach dem Leben all 

Anverwandten, Er erhöhte sich zwar durch diese entsetzliche Th 

allein er musste dafür auch mit einem schändlichen Ende büssi 

Nach der hinterlistigen Ermordung Bledas, der über einen gros! 

Theil der Hunnen herrschte, riss er das ganze hunnische Volk an 

und verstärkte es durch die Menge anderer Völker, die er in sei 

Gewalt besass. Damit wollte er die ersten Nationen der Welt, 

Römer und Westgothen, beugen. Sein Kriegsheer pflegte man 

500.000 zu schätzen. Er war der Welt zum Verderben der Volker, 

Schrecken aller Reiche geboren und ich weiss nicht, w4e es gesch 

dass vor seinem entsetzlichen Rufe alle erbebten. » '^'^ Jordanis beschn 

also mehr das Andenken an das allgemeine Entsetzen, als an die Tha 

Attilas. Die griechische Gesandtschaft, welche im Jahre 448 bei At 

erschien^ fand Bledas Wittwe in angesehenen Verhältnissen. 



73 

Die griechische Gesandtschaft schlug nämlich einstens, so schreibt 
ein Mitgiied derselben, Priscus, ihre Schlafzelte in der 2^^ähe eine Teiches 
auf. Des JVdchts ging ein heftiges Ungewittcr nieder^ das sie alle zer- 
ürcüte. fm nächtlichen Dunkel flüchteten die Griechen in das' nahe 
humiische^Dorf. Auf ihre Rufe kamen die hunnischen Einwohner herbei 
imd nahmen sie freundlich auf; Ja die Herrin der Borfes f^ h tn it«j«y, 
Atyjiy^* yu^^J, eine TVittxve Bleda's, versah die Griechen nicht nur mit Le- 
kmmitteln, sondern wollte sie auch mit schönen JVeibern trösten y was 
ki den Hunnen eine Ehrenbezeugung ist^ wie Prisen s meint. Als Mar- 
ens nach dem Geuntter ein heiterer Tag' anbrach, trockneten die Grie- 
chen bis zum Abende ihre Gepäcke; vor der Abreise machten sie aber 
ihre Aufwartung bei der ICönigifi f^oL^ixUJ und erwiderten durch Ge~ 
schenke deren Freundlichkeit. — -4 us dieser Erzählung geht nicht hervor ^ 
dass Attila gegen seine ganze Ve^-wandtschaft grausam gewesen sei. "9 

Andererseits beweist folgende von Prise us erzählte Geschichte, zvelcke 
verdächtigende Furcht Attila bei seinefi Stammesgenossen erregte. One- 
ßSius, Attila' s hervorragendster Diener, der die Gesandtschaf t erwartete, 
kfand sich mit Attila' s älterem Sohne bei den Akacziren. Dieses 
^nlk K'ixr in mehrere Stämme unter besondere Fürsten getheilt. An diese 
ichkkte Kaiser Theodos ins L Geschenke, um sie dem Bündnisse mit A ttila 
m entziehen und für die Römer zu gcivinnen. Der Ueber bringer der 
Gtschertke verfehlte aber bei Austheilung derselben die Reihenfolge und 
tUitrgttb dem ältesten Fürsten, Kuridak, nicht das erste, sondenn das 
ixmte Geschenk. Dieser betrachtete das als eine Beleidigting und rief 
Attila gegen seine fürstlichen Genossen zu Hilfe. Attila erschien mich 
SQgidck mit einerm grossen Kriegsheer und die Fürsten der Akacziren 
titiai tkeils in der Schlacht, theils u fiterwarfen sie sich. Attila berief 
d&titinn Kuridak zu sich, damit er seinen Theil aus der Kriegsbeute 
mpfange. Allein dieser besorgte eine List und antwortete, ,/te?n Sterb- 
Ikhen sei es unmöglich vor Gott zu erscheinen ; schon in die Sonne könne 
mtUi offenen Auges nicht blicken, wie erst in das Antlitz des erhabensten 
Cfottesh Kuridak blieb auch in seinem Fürstenihum, das übrige Volk 
^^y^ Akacziren huldigte dem Attila^ 

Nachdem Attila die Städte ^lösiens geplündert und den Land- 
strich an der Save durch Vertrag erworben hatte, eroberte er Sirmium 
nut Gewalt und unterwarf sich auf solche Weise die Hauptstadt Pan- 
Jioniens, die Residenz mehrerer Kaiser, in welcher nach der Legende 
Andronicus, der Freund des Apostels Paulus, der erste Bischof j^ewesen. 
^'»gleich aber ganz Pannen ien, wie Priscus sagt, sein Eigenthum war, 
^ö blieb er dennoch, also auch der Ilaupttheil der Hunnen, in den 
Theilen diesseits der Donau und hierher, in seine Holzfeste folgte ihm 
die j^riechische Gesandtschaft.^'"^ Im Jahre 451 zog Attila mit seinem 
^i^s verschiedenen Völkern bestehenden Heere nach Gallien gegen die 
Rf^^mer und Westgothen, im Jahre j^$z aber nach Italien, wo ihn Papst 
^^0 zur Umkehr und zur Schonung der Stadt Rom bewog ; das Jahr 
^tarauf {^^i) bereitete er abermals einen Kriegszug gegen das oströmi- 
Jtche Reich vor, als er plötzlich starb. Seine Grösse bezeugt auch jenes 
Wunder, das seinen Tod verkündete. Es gieng nämlich die Sage, dass 
•^ der Todesnacht Attilas der Kaiser von Constantinopel getriiumt habe, 
^^tlilag Bogen wäre entzwei gebrochen. 



In der That zerbrachen auch die uneinigen Söhne den Böge 
des Vaters bald in Stücken. Zuerst erhob sich Ardarich, König d^ 
Gepiden, dann die Gothenfürsten, Walemir, Theodemir und Widen 
geg-en die Hunnen; an einem unbekannten Flusse Netad oder Netaoi 
Pannonien wurde die entscheidende Schlacht geschlagen, in weicht 
Ellak, Attilas ältester Sohn, fiel und die Hunnen besiegt wurden. Die 
flüchteten zurück an die Gestade des schwarzen Meeres, von wo sie vflj 
etwa 80 Jahren die Ostgothen verdrängt hatten. Von hier aus griffci 
sie noch einmal die Gothen an^ jedoch Walemir allein besiegte sie, 
dass sie nach Jordanis sich in jene Theile Skythiens 2urückzogen| 
welche von den Armen des Bnieper durchströmt und in der himnischeJ 
Sprache ^ Hunivar * genannt werden. ^=^ Attilas jüngerer Sohn £m(ti 
besetzte mit seiner Schaar die Grenzen Klein -Skythiens, d, i. der heu| 
tigen Dobrudscha, während seine älteren Brüder Enmadzur und UUzinivk 
einige Zeit weiter westlich an den Flüssen Utus, Hiscus und Alrau^ 
in der Nähe der heutigen bulgarischen Städte Widdin, Artser und Lora 
verblieben ; noch andere hunnische Schaaren traten, wie ehedem die I 
We:st-, später die Ostgothen, in römische Kriegsdienste. Zwischen den 
Horden Emnedzurs und Ultzindurs und den Ansiedelungen Ernaks, 
also in Unter-Müsien, sammelten sich Alanen verschiedenen Namens 
unter dem Fürsten Kandak, ^== woraus ersichtlich ist, dass die Alanen 
sich nicht sogleich von den Hunnen getrennt hatten. 

Wie aber der Schatten des Hochgebirges um so weiter reiclit» \ 
je tiefer die Sonne sinkt: so wuchs auch der Hunnen, insbesondere 
Attilas Ruhm immer mehr, je weiter ihre Geschichte in den Hinter- 
grund der Zeiten zurücktrat. Darum ist schon an sich die Frage inter- I 
essant: Welcher Nationalität gehörten die Hunnen an? Für die MaJ 
gyaren der Gegenwart besitzt diese Frage aber noch das besonder^ 
Interesse, weil die Hunnen als die Ahnen der Magyaren betrachtet 
werden. Wir können diese Frage hier allerdings nicht erschöpfei^l 
behandeln, doch auch nicht gänzlich umgehen. 

Jordanis erzählt über die Herkunft der Hunnen, was di^ ah^k 
giäubische Furcht erzeugt hat. Ein alter Gothenkünig, Filimer, htf^ 
?mter seinem Volke Hexen (Haliurunen, Alraunen) gefunden und di^h 
in die Wüste vertrieben. Hier vermählten sich dieselben mit bösetz Geiste^ 
und erzeugten das Volk der Hujinen. — Auch Attila's Äfacht erklärf^ 
sich schon die Zeitgenossen durch Wunder. Priscus traf nämlich am HM^ 
Atiila^s den westruniL'^chen Gesandten und sie sprachen von dem Ehrge^^^ 
des ausserordentlichen Mannes, Es war die Nachricht verbreitet, dti^-^ 
Attila gegen die Meder und Perser rüste. ,JVemi es nur an dem wärt^^" ^ 
seufzten die Leute des Priscus, ,,dann würde sich die Gefahr des Kri^g ^ 
von uns abwenden,"' — ^fch glanbe'% erioiederte der römische GesamlA 
,/lass er auch die Perser leicht besiegen wird und dann kehrt er nich 
als unser Freund, sondern als unser Herr zurück. Ohnedies will er sc ho 
mit dem Kaiser gleichen Ranges sein und betrachtet dessen Heerführer 



'e seine Düner und doch heziekt auch er gleich diesen einen Sold. Binnen 
kurzer Zeit wird seine Macht noch mehr zunehmen, was die Gottheit 
selbst dadurch verkündet hat, duss ihm dxis Schwert des Mars zu Theü 
j^eworden.^* Dieses Schwert, sagt Priscus^ war dem. JCriegsgotte geweiht 
und seit Jahr hjinderten in Verlust gerat hen ; allein jet^t wurde es durch 
ein Rind ans Tageslicht gebracht. — Jordanis weiss das nach Priscus 
noch umstäfidlicher zu erzählen. Ein Hirt habe wahrgenommen , dass 
eines seiner Rinder hi?ike und als er die Ursache der Verwundung suchte 
und den Blut spuren nachging, fand er das Schwert auf, welches er aus- 
grub und dem A ttila brachte. Dieser ergrijT es voll Freude und glaubte, 
dass er zum Herrn der IVelt berufen sei. ^^3 — *fene Außassung, dass 
A ttila die ..Geisel Gottes'* sei, kennt weder Priscus noch 'fordanis. 
Bei Untersuchung des Ursprunges der Hunnen geben wir vorerst 
tlas geo' und ethnographische Bild, wie es um das 'Jahr 550, also hundert 
Jahre nach Abzug der Hunnefi aus Ungarn, Jördanis von Ost- Europa 
entwirft. 

,,Die TVeichsel'\ sagt er, ..welche in den sar malischen Bergen ent- 
sf ringt und in das Baltische Aleer mihulet, bildet die Grenze zwischen 
Germanien und Skythien.*'^ — yordanis nennt die Karpaten nicht; leas 
hei Ptoiemaeus „Sarmatien^' war, ist bei ihm ^,Skythien'\ — ^fJessen Länge 
und Breite'', setzt er fort, ,Jst sehr gross. Im Osten wird es von den 
Seres fSinesenJ begrenzt, welche bis an das Kaspi-Afeer reichem im 
Norde n vom (Eis*) Aleere; im IVesten von de?' Weichsel; im Süden vtm 
ihr Donau, dem schwarzen Aleere, Jberien, Albanien und Persien, f IVie 
nian sieht, ist hier die westliche Grenze von der IVeichsel bis zur Donau 
nkht ausgefüllt ; weiter unten schliesst er sie durch die Theiss abj In 
ikr Mute dieses grossen Skythiens befindeii sich die Riphäischen Berge, 
wiche Asien von Europa trennen und in denen der Don entspringt. In 
Shiliien sind nach Westen hin das erste Volk die Gepiden, die von 
grossen und reissenden Flüssen eingeschlossen werden. In den nördlichen 
Thtikn ihres Landes fliesst die I^tsia f Theiss; also in den heutigen 
^^^imitiUen Alarmaros, Vgocsa, Szatmdr und Szabolcs); im Süden ist dte 
i^onau, im Osten der Flu ss fa u s i s ,^'^^ der in die Donau strömt. 
Innerhalb dieser Flüsse lieg-t Dacien, das hohe Alpen lüie eine Krone ein- 
i^hUhsen. In dem linken Theile dieser Alpen, der gegen Norden blickt, wohnt 
'^}ri fler Quelle der IVeichsel an das zahlreiche und in viele Stärnme gel heilte 
l^oik der JVe ?iden auf endlosen Flächen; m4in Jiennt darunter haupt- 
sächlich die Sklavenen und Anten, Die Sklavenen breiten sich 
rmt der Stadt N'o viel u n a und dem See A/ursianus bis zum Dniester 
^^, im Xordwesten aber bis zur IVeichsel; sie wohnen in Alorästen und 
^dhUrn, das sind ihre Städte. Die Anten, welche kriegerischer als Jene 
^^tid, hausen gegen das schwarze Aleer vom Dniester bis zum FJnieper. 
^^n dvr Mündung der Weichsel wohnen die Vidivarier, hinter diesen 
^^^^ Meeres uf er die friedlichen A e s ti er (nicht die heutigen Est hen, 
mtdern die Litt hau er J. Südlich von diesen sind die A kaczirc7i, kein 
litt reibe mies, sondern vo7i Viehzucht und Jagd lebendes, sehr 
Volk. Jenseits der Akacziren, aber halb des schwarzen Aleeres, 
/'. .77/ sich die IVohnsitze der Bulgaren, die durch unsere Sünden 
^ebr bekannt geworden sind. Jenseits derselben trifft nmn schon die 
nun neu. Dieser Stamm der tapfersten Völker verbreitet steh nach 
^^ci /Dichtungen, nach der einen wohnen die Ultziagiren, nach der 
ondtren Seite die Saviren, doch beide gesondert," Die Ultziagiren 
'Jheff am Chersonnesus, von wo der Kaufmann die Erzeugnisse Asiens 
'^i//?/;/ /, iffi Sommer vei-weilen sie auf den weiten Geßlden bei ihren 
7/ Heer den, int Winter ziehen sie an das schwarze Aleer. Die 
uguren sind aber durch ihre?i Handel mit wer thvollen Pelz- 
^rken bekannt, Ihre Kühnheit hat viele tapfere Aliinner in Schrecken 
Ersetzt, Alan liest von ihnen, dass ihr erster Wohnsitz in Skythien an 



76 



der Mäoiis gewesen^ ihr ziveiter m Mosten^ Thracien tma Ijaiu/i, (kt \ 
drilter abermals in Skythien oberhalb des schwarzen ÄIceresJ* 

Jordan/s kennt also im Osten von Germtinieii das grosse Skythm-X 
land; das durch die Riphäi sehen oder Ripäischen Berge (den Ural) in\ 
ein europäisches und asiatisches Skythien getheilt 7üird und zu wekheml 
Dacien (oder zu seiner Zeit Gepidien) gehört. In diesem Skyt/iien wohnt 
ausser den Gepiden noch zuerst das grosse Volk der Uzenden in sweil 
Gruppen : S k l av ene n und A n te n , die sich von der JVe ichsei bts\ 
zum Dnieper und von der Stadt Novietuna bis zum Dniesier ausbreitend^ 

Die erste Frage ist : Wo hat man jene Stadt Novicluna zu siichi 
und welcher Ort ist damit geineint ? Wenn wir den Jordanis, dei 
diesseits der Karpaten Dacien^ jenseits derselben aber vom Ursprung« 
der Weichsel angefangen die Wohnsitze der Wenden oder Slavi 
beschreibt, ohne Befangenheit lesen, so ist es unmöglich, diese Stadi 
in der Mähe der Donau zu suchen, sondern wir müssen Novietuna al 
im Norden gelegen denken. *Novietima» ist aber ein skandinavisch« 
Name, wie «iSigtmia» und andere; er bedeutet «Neu-Stadt», slavisch 
Noivgorod. Der See^Iursianus ist danach auch kein anderer als der heuti, 
Ilmtnsee, Von den Skandina\dem stammt also jenes «Novietuna», ihnen 
konnte dasselbe in der That eine «neue StatU» sein; die Slaven über- 
setzten dann einfach diese Benennung. Würden sie selbst Nowgorod 
erbaut haben, dann hätte die Stadt nicht den Beinamen »Neu», sondern 
nach dem Vorgange bei anderr-n slavischen Städten das Epitheton «Alt« 
bekommen, '^s Bereits der russische Geschichtsschreiber Nestor wusste 
nicht mehr, dass Nowgorod eine skandinavische Gründung und dessen 
alter Name <<Xovietunai9 sei. 

Ausser den Vidivariern und den Aestiern, die theils direct zu dem 
Slaven gehörten (die Vidivarier), theils mit ihnen entfernt verwani 
waren (die Aestier — Litthauer)» führt Jordanis (om das Jahr 550) no< 
solche Völker auf^ die keine Slaven waren. Der Gothe Hermanari 
hatte, wie wir oben (S. 69) gesehen, ausser germanischen Völkern ni 
die Wenden^ Anten, Sklavenen und unter Anderem auch die Merii 
und Mordwinen seiner Herrschaft unterworfen. Vierhundert Jahre spät 
(950) kannte Constantinus Perphyrogenitus das Land Mordia an dersi 
ben Stelle» wo auch heute die Mordwinen wohnen; abermals r6o Jah: 
später (i I To) nennt der russische Chronist Nestor die jShrjamr und JMord- 
waner Tschuden, denn also nennen die russischen Slaven die finnisc! 
ugrischen Völker, seitdem sie diese kennen. — Es scheint mir, dass 
dem Gebirgsnamen uRißt* (Riphaeus, Ripaeus), der schon bei Aeschyi' 
vorkommt (siehe Note 49) die älteste Spur der Finnen und Ugn 
verborgen sei; denn im Ostjak ischen heisst auch heute «rip», «re 
der Berg. Eine andere alte Spur dieser Völker verbirgt der Flussn 
tRha» (die Wolga), der bei Mela, Ptolemaeus und Ammianus vorkorami 
da im Mordwinischen auch heute die Wolga und das Meer «mv 



ravo» genannt werden. ^^^^ — Hermanarich herrschte also in der That über 
germanische, slavische und finnisch-ugrit*chc Völker und dasselbe kann 
iman auch von Attila sagen. 

Bei Jordan is werden ausser den Meriern und ^Mnrdwinen noch 
folgende nichtslavische Völker genannt ; die AkaiZinn, Buli^^ann, Hunrnn 
und Hunugurtfi, Aus seinem Texte ist heute nicht mehr deutlich zu erken- 
nen, ob Jordanis die Hitmun und Ilunugtiren sich als ein Volk denkl. 
Klar ist jedoch, dass er sie als üusaminengehörig betrachtet, wenn er 
auch die Hunnen südlicher an das schwarze Meer und die Mäutis ver- 
setzt, wo in jener Zeit die Kuirigurcn und Uirigtirm^ auch zwei hunni- 
sche Stämme, wohnten : »^^ den Hunuguren weist er ihre Sitze nördlicher 
an, woher die werth vollen Pelze kommen, also im nördlichen Ural. 
Wer daher, wie Schafakik, '^^ (jiese Völkerschaften, obwohl sie im Ein- 
zelnen sich von einander unterscheiden mochten, mit dem gemeinsamen 
Namen der ^iUral-Vplktr* belegt» ^egeht keinen Irrthum, Damit ist 
jedoch die Nationalität derselben noch nicht festgestellt. 

Einige Schriftsteller folgen, gestützt auf die Beschreibung des 
Sidonias Apollinaris (470) und Anderer, dem französischen Historiker 
Degüignes, "9 der die Hunnen Rir mongolischer Abkunft erklärt. Allein 
bei der Erklärung des Namens *Hiungnii*, der in den chinesischen Jahr- 
büchern vorkonamt und die «Hunnen» bedeuten soll, verliel man, nach 
ScHAFARiK, in einen Irrthum, «Die et}Tnologiscben Beweise», äussert er, ^^^ 
«welche die mongolische Abstammung rechtfertigen sollen, sind süo 
werthlos, dass man auf diese Weise die Hunnen von jedwedem Volke 
der Welt herleiten könnte», und diesen Ausspruch unterschreiben auch wir. 
Friedhich Müller zählt, wie wir oben (S. 24) gesehen haben, 
unter den alten Völkern die Skythen, Hunnen, Alanen, Roxolanen, 
Avaren, Bulgaren, Petschenegen und Rumänen zum /a/an\u/f<n, d. i. 
ti^rküi'hfH Sprachzvveige der ural-altaischen Gruppe. Auch das ist eine 
90 allgemeine Behauptung, wovon ein Theil wahr sein kann, der andere 
Theil aber sicherlich nicht stichhältig ist. An dieser Stelle können wir 
aber nicht untersuchen, wo die Wahrheit, wo der Irrthum sich befindet. 
Uebrigens war der hufinischt Name durchaus nicht so unbekannt, 
wie Ammianus Marcellinus dachte; denn er kommt bei Ptolemaeus und 
Dionysius Periegetes (um 300 n.Chr.) vor; noch deutlicher weisen auf 
ihn die armenischen Geschichten hin; denn als Tiridates (259 — 312) 
mit den nördHchen Völkern Krieg führte, verfolgte er den Feind l>is 
an das Reich der ^Hunk^.^i' 

§ 26. 

Weder Priscus noch Jordanis theilen uns mit, auf welche Weise 
-die verschiedenen Volker unter Atlila wohnten, ob innerhalb abgegrenzter 



^ 



Gebiete oder aber gemischt unter einander. Aus den folgenden ThaH 
Sachen lässl sich jedoch nicht hios vermuthen, dass sie auf besonderen j 
Gebieten wohnten, sondern auch wo ihre Wohnsitze waren. 

Ans der Beschreibung der Gesandtschaft des Priscus geht hervorj 
dass die Hunnen hauptsächlich zwischen der Donau und Theiss ihre] 
Wohnungen hatten ; denn die Gesandtschaft berührte hier hunnische j 
Dörfer; mindestens wird man das Dorf der Witwe Bleda's für ein hun* 
nisches ansehen müssen. Auch Attila's Holzfeste befand sich in diesem 
Zwischenstromgebiete. Endlich, nach dem Zerfalle des Hunnenreiches» 
setzten sich die Ansiedelungen der Völker erst bestimmter fest. Und 
zwar nahm Ardarich mit seinen Gepiden den jenseitigen Theil der] 
Theiss und Siebenbürgen oder das alte Dacien in ßesitz, welches Gebiet ] 
auch den Namen ««Gejddia'« erhielt. Die drei verwandten Gothenfürsten j 
Hessen sich in Pannonien nieder und zwar, wie Jordanis erzählt, The<J-] 
demir in Ober- Pannonien in der Gebend des Sees Peiso ; WalamirinJ 
Unter-Pannonien bis zur Save und Widemir zwischen beiden. *3= Man! 
kann also annehmen* dass die Gepiden und Gothen unter Attila'«! 
Herrschaft dieselben Landestheile bewohnt haben. Auch ist bemerkens-J 
werth, dass Jordanis im L^inde der Gepiden wie in dem der Gothen j 
keiner einzigen unter den Römern entstandenen Stadt erwähnt. ThetJ-j 
demir besass in Ober-Pannonien die Gegend am Pelsosee, auf seineml 
Gebiete lagen somit die römischen Städte Sabaria, Scarabantia, Car- 
nuntum, Vindobona u* s. w. ; allein Jordanis kennt nicht einmal derenl 
Namen. Die Gothen verschmähten also entweder diese Städte oder siej 
mieden deren (für sie namenlose) Ruinen. Ebenso ist in dem neuetiJ 
Gepidien keine Rede von dem dakischen Sarmizegetusa oder von der] 
an dessen Stelle getretenen Römerstadt ülpia Trajana* noch von den übri- 
gen dakisch -römischen Städten, als ob sie alle sammt ihren Namen 
verschwunden wären. Sicherlich waren diese einstigen römischen Vp 
vinzen ganz verwüstet; denn, wie wir gleich sehen werden, die Golhenl 
verliessen Pannonien hauptsächlich aus Hnngersnoth. 

Was für Völker nahmen aber Besitz von dem Landstriche zwi-J 
sehen Donau und Theiss, aus welchem die Plunnen verdrängt wordenij 
waren ? Die Rugmrj welche mit Attila auch nach Gallien gezogen warenJ 
nahmen jetzt die Sitze der Quaden ein ; hier entsteht für kurze Zeit 
das «Rugiland». Die Htrukr aber begKinden ihre ebenfalls bald vor-1 
übergehende Herrschaft in den eigentlichen W^ohnsitzen der Hunnen J 
Ansser den Gepiden kommen und gehen alle übrigen Völker rasch 
vorüber. 

V^on den drei verwandten Gothenfürsten üel Walami r in der 
Schlacht; der jüngste, Widemir, zog mit einer Schaar nacli Italien une 
Gallien ; sammtHche pannonische Gothen erkannten also Theodemir als 



an. Dessen Sohn, Theodorich, der zwei Jahre nach Attila's 
Tode geboren ward, verlebte seine erste Jugend ah Geisel in Con- 
stantinopel ; nach seiner Rückkehr in die Heimat machte er mit 6000 
Kämpfern einen Streifzug die Donau abwärts bis Singidunum (das 
heutige Belgrad) ; allein die Beute eines getödteten Sarmatenkönigs 
genügte den hungernden Gothen nicht, die Pannonien nicht mcmr 
ernähren konnte. Sie wanderten deshalb "Südwärts nach Mösien (47+}, 
wo Theodorich nach dem Tode seines Vaters König der Gothen wurde 
tmd das Römerreich theils verwüstete, theils vertheidigte,* Unter Ande- 
rem schlug er auch den ersten Angriif der Bulgaren im Jahre 487 
rück. Jetzt breiteten sich vom Osten her die Gepiden, vom Nord- 
westen die Rugier auch in Pannonien ans. 

Die Macht der Rugier brach im Jahre 4S7 Odoaker (der von 
Italien her mit den aus Xoricum südwärts strebenden Rugiern zusam- 
menstiess) und schleppte ihren Fürsten saniint dessen Gemahlin gefan- 
gen mit sich fort. Die flüchtigen Rugier suchten Schutz bei Theodorich, 
der dem Kaiser Zeno den Antrag stellte, Italien wieder zu erobern ; 
>^'odurch er zugleich an Odoaker Rache nehmen konnte. Im Jahre 48S 
führte Theodorich seine Gothen nach Italien und nachdem er den 
Odoaker in mehreren Schlachten besiegt hatte, nahm er im Jahre 489 
tn des Kaisers Namen das Land in Besitz; gründete aber hernach ein 
selbständiges Königreich, das er von 493 bis 526 mit Ruhm regierte, 
Sein Grabdenkmal, welches ihm seine Tochter Amalasunta (Amalasuinta) 
E^rrichten liess» wird in Ravenna bis zum heutigen Tage bewundert. 

Während die Gothen in Pannonien und Musien hausten, waren 
fiie Gepiden Bundesgenossen der Römer und bezogen von den Kaisern 
ahressold. Nach der Entfernung der Gothen wollten die Gepiden das 
gebiet an der Save in Besitz nehmen, mit Einem Worte : auch in 
P'innonien an die Stelle der Gothen treten. Mittlerweile bestieg Justi* 
**^nus den oströmischen Kaiserthron (527 — 565) und fand in den Longo- 
»^s^rden ein geeignetes Werkzeug, um die Gepiden im Zaume zu halten. 

Die Longobanhn kannte schon Tacitus ; '3^ sie sassen damals etwa 
^^ der Gegend des heutigen Brandenburg. Ihre W'ildheit nahm, wie es 
scheint, mit der Zeit zu. Sie waren erst kürzlich in Böhmen erschienen 
^^tl harrten im Hinterhalte des Momentes, wo sie an die Stelle anderer 
^'^Jlker treten konnten. In unseren Gegenden siedelten sie sich vorerst 
1^ ehemaligen «Rugilande» an; allein schon im Jahre 50g kommen 
J^ie liefer einwärts gegen die Theiss und gerathen hier unter die Führer- 
sjchaft der H eruier. Daraus lässt sich am meisten folgern, dass diese 



"* Jordanis nennt Theodorich einen Sohn Theod emir's; nach den Byzan* 
tiocTD Wäre tr Walamir's Sohn gewesen. 




8o 



Heruler an der Stellte ilt-s alten Jazygiens die Wohnsitze der Hüiiiifii 
eingejiommen halten. Allein deren Macht dauerte auch nicht lang:e: 
denn der Lüngoljard en fürst ,Tato besiegt sie und verdrängt das Vulk| 
der Heruler. Diese lassen sich erstlich in dem « Rugiland » nieder;! 
da^n aber theilen sie sich in zwei Schaaren ; die eine kehrt gegcni 
Skandinavien zurück, die andere geht östlich und erhält jenseits der 
Donau vom Kaiser einen Landj^trich, wo sie theils in den römi^ciieirj 
Kriegsheeren, theils unter den Gepiden verschwinden. 

Gegen diese Letztgenannten berief nun Justinianus die Lon^t-j 
barden nach Pannonien (527). König der Longobarden war A/(fuin^dtrt 
Gepidenkönig Turisend oder Tortsin. Dieser besetzte Sirmiiim, währeöit 
die Longobarden sich in Pannonien ausbreiteten ; auf solche Weisel 
entbrannte der gegenseitige Zorn in beiden Völkern umsomehr, je] 
näher sie einander rückten. 

Jnstinianus emi>fing die Boten beider Theile, unterstützte schein- 
bar jeden derselben, schürte aber in der That die Feindschaft unterj 
ihnen. Schim im Jahre 548 sollte die entscheidende Schlacht stattfifl^j 
den, allein in blinder Furcht ergreifen beide Theile die Flucht UIVÄ 
schliessen einen zweijährigen \^'affenäLtllstand. L^nterdesscn gewinntj 
Turisend von den Kutriguren 12.000 Reiter zur Hilfe %egQi\ die Lon-I 
gobarden. 

An den Gestaden der Mäotis sassen nänalich zwei Hunnen stamme, 
an der westlichen Seite die Kuinguren oder Kuiurguren, an den öst- 
lichen Ufern die Utiguren oder Uturguren. 

Procopius wir/t die alten und neuen Zeifeti durc/iemamür, ■a'f^'^l 
er die Geschickten dieser Hunnen in folgender Weise berichtet: ^Andiiti\ 
Meeresgestaden der Äliiotis wohnten von Alters her Hunnen und sWäf^ 
mite r Königen^ deren einer zwei Söhue hatte: Uturgur und Kututf^ 
gur mit Adamen. Diese thei/ten nach ihres Vaters Tode das Reich, cP^"i 
lialb nach ihnen der eine Iheil des Volkes die U t u r gu ren, der andfr^ 
die Kuturguren genannt werden bis ztim heutigen Tage. Kackk^^ 
sie einerlei Gebräuche und Gesetze hatten, lebten sie für sich, verkehrtO^ 
auch nicht mit den l 'öl kern auf den diesseitigen Ufern der Mäotis, äa 
sie nicht wussten, dass man das Meer durch'waten könne. Im. Laufe tk^ 
Zeit geschah es einmal^ wenn die Kunde wahr ist, dass einige hunnische 
f kimmer iscke) Jünglinge auf der Jagd, entweder aus TVaidmannslnsk 
oder über Fügung Gottes ^ eine Hirschkuh eifrig verfolgten. Diese sßriinjr 
vor ihnen ins Aleer und die Jünglinge folgten ihr bis an das jenseitig. 
Ufer, ivo die Hindin plötzlich verschwand. Auf solche IVelse entgif^ 
ihnen zwar ihre Jagdbeute, allein sie fanden umsomehr Gelegenheit ^ 
kriegerischen Beute, Heimgekehrt erzählten sie, dass das Meer zu dnrcl^ 
waten sei, worauf das Volk der Hunnen sogleich die See bewaffnet durch 
schritt und die jenseits wohnenden Gothen angj-iff »34 

Man sieht, pROCOPirs erklärt hier den ersten Angriff der Hunnfl 
auf die Gothen durch ein Märchen, ohne den bedeutenden Zeitunte 
schied zu beachten, der seit dem Jahre 375 bis uni das Jahr 540, 



8i 

iie Kuturguren und Utiirguren erschienen , verstrichen war. Auch 
liese beiden Volker wusste Justinianus dadurch gegen einander zu 
letzen, tlass er die dem einen Stamme entzogenen Geschenke dem 
Indern reichen Hess. In dem darob entstandenen Kriege blieben die 
Kmurguren Sieger und von ihnen gewann Turisend Hilfe gegen die 
Langobarden. Die Gepiden halten sich also entweder bis an die Grenze 
der Kuturguren ausgebreitet oder konnten mindestens bei einem näher 
wohnenden Volke keine Hilfe erlangen. 

Die kuturgurische Hilfe erschien indessen schon im Jahre 549, 
als der Waffenstillstand noch dauerte. Turisend bewog darum die Ku- 
tur^^uren zu einem Einfalle nach Musien ; Justinicin ermunterte dagegen 
die Uuirguren zu einem Angriffe auf das Land der Kuturguren. Auf 
die Kunde hievon eilten diese nach Hause und führten sechs Jahre 
lang den Krieg* gegen ihre Bruder, bis ihr siegreicher Fürst Zabergan 
(vielleicht « Zaber Khan») seine Waffen auch gegen die Römer kehrt, 
tun von diesen Rechenschaft zu fordern. Allein die vordringenden Ava- 
ren besiegen beide Volksstämme und damit verschwinden Kuturguren 
und Uturguren aus der Geschichte. 

Unterdessen hatten die Feindsehgkeiten zwischen Gepiden und 
1-uigobarden ihren theils grausamen, theils ritterlichen Fortgang. 

Der langobardische Künigssohn Alboin tödtete in der Schlacht 
^nen Sohn Tnrisends, Die über sulche Tapferkeit erfreuten Langobar- 
«len wünschen, dass an dem Siegesfeste auch der Königssohn theil- 
liehme; doch Audiiin verwehrte es, bis Alboin nicht nach altlongobar- 
A%'liem Gebrauche aus der Hand eines fremden Königs die Waffen 
empfangen habe. Alboin macht sich also mit 40 auserlesenen Genossen 
auf zum Besuche des Königs Turisend und der Gepidenkönig empfängt 
'^n mit Gastfreundschaft, ja sichert ihn gegen jedwede Beleidigung 
ttöd stattet ihn sogar mit den Waffen seines getödteten Sohnes ans. 
Bfii dieser Gelegenheit mochte Alboin Rosamunde, Kunimunds Tochter, 
&<^ehen haben ; Kunimund wurde bald darauf nach dem Tode seines 
iilers Turisend König der Gepitlen. 

Auch Alboin hatte jetzt nach seinem Vater Auduin die Herrschaft 
Zugetreten ; da er jedoch Rosamunde auf gutem Wege nicht erlangen 
•Onnte, griff er zur Hinterlist und brachte sie durch Gewalt in seinen 
fesitx. Nachdem er aber in dem darob entstandenen Krieg von den 
epiden, denen diesmal auch die Römer beigestanden hatten, besiegt 
forden» war er gezwungen, den Gegenstand seiner Liebe wieder heraus- 
igeben. Dieser doppelte Verlust stachelte seine Rache noch mehr an ; 
P verband sich mit Bajan, dem Khagan der Avaren, mit dem die Ge- 
fden in Folge ihres römischen Bümlnisses ebenfalls in Feindschaft 
anden. Im Vertrage wurde den Avaren der zehnte Theil sammtlichen 

llaixfa.ivy, Ethnogr. Ö 



Viehes der [.anü^oharden zugesagt, und überdies» im Falle de^ Me^^e« 
die Hälfte^ der Beute und das Land der (}e[>iden. Die Gepiden, von den 
Römern verlassen, erlitten eine totale Niederlage. Auch Kötiija^ Kiiixi- 
mnnd fiel, (560) und au,s Heinem Schädel liess Alboin sich eine Trink 
schale anfertigten. 'J5 Rosamunde aber wurde gezwungen oder freiwillig 
Alboins Gemahlin, Die zur Beute verfallenen Gepiden theilten die Sii 
ger unter sich zu gleichen Theilen und Bajan nahm Besitz vom Gepi^ 
denlamie* d. i. von der heutigen Moldau und Walachei, Siebenhiinr^f 
und den Theilen Ungarns jenseits der Theiss. 

Durch die Vernichtung der Gepiden gewann Alboin i^r^^^u 
Kriegsruhm (noch zu Karl des Grossen Zeiten besangen die germani 
sehen Völker in ihren TJedern seine Heldenthaten und RosamuTiden^l 
Schönheit), weshalb allerlei kriegs- und heutelustiges Volk seine Schaa^ 
ren vermehrte, so dass er seine Augen auf das vielbiegehrte Italii 
werfen konnte, auf jenes Italien» das allen Völkernein ersehntes Beme- 
ziel gewesen und auch ihm nicht unbekannt war, weil vor 15 Jahren^ 
in Narses Kriegsheeren auch eine Langobardenschaar daselbst gedten.^ 
hatte, jetzt aber, so erzählt Paulus Diakcmus, berief ihn mit seinem 
Heere Narses selbst, dajss er den armen, ausgesogenen Boden Fan - 
noniens (pauperrima Pannoniae rura) verlassen und nach Italien ziehen 
r^oUe* wo er alles im Ueberflusse finde. Alboin zog dahin im Jahre 5b Ö 
und es nahmen die Avaren von Pannunien und tlem libn^^tMi Un^irn 
Besitz- 

Wirft man einen Blick auf ilen Zustand Ungarns und Sicbenbui'* 
gens von 375—568, so bemerkt man in diesen zwei Jahrhunderlen nicht: ^^ 
als ein fortwährendes Drängen und Stossen der Völkerfluten. Die a!t^ 
Kultur in den ehemaligen römischen Provinzen geht völlig zu GrnM^* 
die auf einander folgenden Völker bewahren davon nicht einmal eine 
mündliche Ueberlieferung, wenigstens ist hievon nirgends eine Spiirzo 
entdecken. Aber auch diese Völker selbst hinterlassen gar nichts, was w«*' 
in unseren Museen als bestimmte Denkmale der Gothen, Hunnen, G^" 
piden oder Langobarden zeigen konnten. ^3^ Die Ostgothen und I^f 
gobarden nahmen spater in Italien allerdings eine höhere Kultur an • 
allein so lang sie an der Donau und Theiss wohnen, bekunden sie all^ 
Rohheit und alles Elend des Barbarenthums. 

In der Walachei ftmd man im Jahre 1837 im Ardschischflus!*^ 
bei Petrossa einen bewunderungswürdigen Schatz von Gold- und Silbe*" 
gefässen und Schmuckgegenständen: auf einem Ringe befindet sich au^t* 
eine Runeninschrift die verschiedenartig gelesen wird. Dieser Sch^^^' 
mag er nun einstens dem Könige Athanarich oder einem andern geh^^ 
haben, ist oflenhar ein gothisches Ueberhieihsel und das einzige bestimii^*^ 
Andenken an die germanisch-hunnische Periode in Ungarn. *3r 



83 



7t f Af'ar^nz^ii, 



§ 27. 

« Die Bulgaren sind durch unsere Sünden ^ehr bekannt geworden », 
ruft Jordanis aus» als er sein geo- und ethnographisches Bild von Ost- 
Europa entwirft. Damals (um 550) wohnten diese oberhalb des seh war- 
ben Meeres (supra mare Ponticum), von wo sie ihre Einfälle» die 
Jordanis fiir göttliche Strafe der römischen Sünden erklärte, ins mgr- 
ij^ndische Römerreich unternahmen. Wie es scheint, überschritten 
^^n Jahre 487 zum ersten Male die Donau (s. o. S, 79), wurden aber 
TOi Gothenkönig Theodorich zurückgeschlagen, Nachdem Abzüge der 
Qothen überfielen sie im Jahre 493 Thrakien; im Jahre 499 verwüste- 
ten sie abermals die Provinzen jenseits der Donau. Im Jahre 535 nen- 
nen die byzantinischen Schriftsteller als Führer der verwüstenden Bul- 
garen Vuiger und Dnmga^ welche unter Anderen der Christ gewordene 
illime und römisch^ Feldherr Akum besiegte. Die Bulg^uren griffen 
edodi nicht nur allein, sondern auch im Vereine mit Hunnen und 
Slaven das römische Gebiet an. Bei Erwähnung des Vernichlungs- 
kampfes zwischen Uturguren und Kuturguren gedachten wir des kutur- 
gürischen >?abergan. Dieser vereinigte im ]. 559 hunnische, bulgarische 
Hnd slavische Schaaren und stürzte sich mit solcher Kraft auf das ost- 
fomische Reich, dass er selbst Konstantinopel anzugreifen wagte; nur 
wer j^reise Feldherr Belisar befreite die Stadt vom Schrecken und schlug 
^en unbeholfenen, wilden Feind. Die Schriftsteller jener Zeit betrach- 
ten Bulgaren und Hunnen als ein Volk, aber die Slaven i Skiavinen) 
unterschieden säe von jenen. ^3^ 

Ein Jahr früher (im Jahre 538) zeigte Justinus, ein Neffe Justi- 
ftiaas, als Statthalter von Lajuica, in Konstantinopel das Auftreten eines 
ötßen Volkes an» das auf Anempfehlung des al an i sehen Fürsten Saro- 
^m oder Sarodius^39 die Bekanntschaft des römischen Kaisers zu machen 
^Ünjiche. Die Bitte wurde gewährt und die Gesandlschaft der Ai^aren, 
'leren Redner Kandik war, erregte in ihrer hunnischen Kleidertrachl 
wnd mit den aufl'älligen Haarflechten die anstaunende Neugierde der 
*Jßwohner Konstantinopels. Kandik versprach in einer hochmütbigen 
Rede, dass die Avaren gegen Sold und Land das römische Reich gegen 
^le seine Feinde schützen wollen und der alte justinian schickte in 
^W That (iesandte zu den Avaren, welche mit ihnen ein Bündniss 
sen. Später erfuhren die Römer (Griechen; durch türkische Gesandt- 
^ woher diese Avaren gekommen waren. In der Gegend des Gold- 
es (o^ef ;^ft/<r«üi-Mo) war die Macht der Türken so gross gewesen, 

6* 




84 

dass sie auch das tapfere Avarenvolk im Zaume hielt. Später wendete 
sich der türkische Khagan gegen die Ogoren (Ugren) und besiegte auch 
diese. «Dieses Volk war gross an Zahl und durch seine kriegerische Ge- 
wandtheit sehr mächtig. Es wohnt gegen Osten, wohin der 7/7 '4» fliesst» 
den die Türken den « Schwarzen » nennen. Die einstigen Fürsten dieses 
Volkes hiessen Uar und Chetinni und von ihnen wird der eine Theil 
(des Volkes) die « Uaren » (Varen) der andere die Chunen genannt. Zur 
Zeit des Justinian trennte sich eine Schaar (oA/yjj ^oi^« ), ungefähr 
20.000, von dem Stammvolke und kam nach Europa, nannte sich «Ava- 
ren » und ihren Führer « Khagan ». Die Sarseiter, Unoguren, Sahiren 
und andere hunnische Völker erschracken sehr, als diese Varchuniten 
auf ihre Gebiete flüchteten, denn sie dachten, es seien die echten Ava- 
ren über sie gekommen. Darum empfingen sie diese mit reichen Ge- 
schenken und grossen Ehren. Als die Varchuniten sahen, dass ihre List 
ihnen gelungen, behielten sie den avarischen Namen, und doch sind 
sie nur Pseudo-«Avaren» (i'ivJ«5«c«0-'^^ Nachdem die Avaren von Justinian 
empfangen worden und ein Bündniss mit dem Kaiser geschlossen hat- 
ten, unterwarfen sie sich die Utiguren oder Ufurgtwen, die Sahiren und 
Kuturguren und mit diesen oder nach ihnen die Bulgareft, indem sie 
diesen Völkern ihre einheimischen Fürsten beliessen, wie das einstens auch 
die Hunnen gethan hatten. Auf solche Weise kamen sie in die Nach- 
barschaft der Slaven (Anten), deren Gesandten Mezamir sie auf den 
Rath Kotragers, wahrscheinlich der Fürst der Kuturguren, tödteten und 
sodann ihr Land verwüsteten. Im Jahre 562 baten diese Avaren aber- 
mals durch eine Gesandtschaft vom Kaiser Land, allein vergeblich, ja 
die zurückkehrenden Gesandten wurden von den römischen Feldherm 
geplündert. Damit gieng das avarisch-römische Bündniss zu Ende. Nach 
dem Tode Justinians suchten sie auch Justinus den Jüngern oder II. 
im Jahre 564 durch eine djohende Gesandtschaft auf; aber der neue 
Kaiser gab eine trotzige Antwort und so hielten sich die Avaren vor- 
läufig noch fern von den römischen Provinzen, um so mehr, als ihr 
Khagan, Bajan, um den Nordfuss der Karpaten mitten durch sla- 
visches Gebiet seine Schaaren g^g^n die Franken führte, diese besiegte 
undmitSigisbertimJahre5ö5 ein Bündniss schloss.Alboin der Langobarden- 
könig war (nach seiner ersten Gemahlin) ein Schwager Sigisberts und Letzte- 
rer mochte etwa auf diesem Wege mit Bajan bekannt geworden sein ; denn in 
demselben Jahre (565) suchte seine Gesandtschaft den Avaren-Khagan auf, 
der mit seinem Volke bereits in die östliche Nachbarschaft der Gepiden 
gekommen war. Wir wissen, unter welchen Bedingungen der Vertrag 
zwischen Avaren und Langobarden gegen die Gepiden zu Stande 
gekommen war. (s. o. .S. 81) Nach dem Siege der Verbündeten nahmen 
die Avaren von dem Gepidenlande Besitz ; die Gepiden aber wurden 



85 

: "Beute der Sieger; denn in Zukunft ist von gepidischen Königen 
he weitere Erwähnung. '*3 Die Gepiden geriethen demnach den Avaren 
legenüber in ein ganz anderes Verhältniss, alt, die Hunnen oder Bul- 
garen, welche ihre eigenen Fürsten behielten und auch Antheil nahmen 
den Siegen ihrer Herren. Als Alhoin mit seinem Heere, in dem sich 
Rieht nur Gepiden, sondern auch Bulgaren, Slaven und andere Volksele- 
^mente befanden, Pannonien verliess, übergab er dasselbe an die Avaren 
p der Bedingung, dass er es von ihnen zurücknehmen könne, falls 
Rriegsglück ihm nicht günstig sein solltet** Allein das Gluck 
fliehe ihm und so blieben die Avaren die Herren des ganzen Landes 
»itchen der Enns und dem Don ; im Norden wurde e,s durch eine 
unbestimmte Grenze von sla vischen Völkern, im Süden von den römi- 
schen Provinzen eingeschlossen* Indessen kennt man den eigentlichen 
Wohnsitz Bajans viel weniger als die einstige Residenz Attila^s ; denn 
l^bwohi auch zu ihm oftmals griechische Gesandte kamen » so fand sich 
darunter kein Priscus, der die Erlebnisse einer solchen Gesandtschaft 
tuidergeschrieben hätte. '*5 Auf diese Weise wurden seit dem Jahre 568 
Mie Avaren in Ungarn und Siebenbürgen herrschend ; byzantinische 
^nd lateinische Schriftsteller nennen dieselben überall auch « Hunnen ■. 
Die Biüthezeit des avarischen Reiches dauert bis zu Ende der 
lan^^eii Herrschaft Bajans, der im Jahre 582 Sirmitimi im Jahre 597 
Singidiinum (Belgrad) eroberte und die Städte jenseits der Donau nach 
<^inander verwüstete. In seinem Kriegsheere befinden sich auch bulga- 
) lisch e oder hunnische und slavische Schaaren, die er zuweilen abgeson- 
dert auf Beute oder zur Unterstützung verbündeter Fürsten aussendet : 
so schickte er z. B. dem langobardischen Könige Agilulf eine Slaven - 
schaar, mit deren Hilfe Agilulf Cremona einnahm. '^6 Zur Entgegnung 
fhielt er von den Langobarden schiflTbaukundige Handwerker.'*? Manch- 
»1 verwüsten Avaren, Langobarden und Slaven im Vereine die Be- 
tingen der römischen, d. i. der byzantinischen Kaiser. Mit seinen 
restlichen Nachbaren, den Langobarden und Franken, steht Bajan 
zumeist in guten Beziehungen, doch fehlt es auch hier nicht an Streit 
^d Krie*g.M2 Von seinem südlichen Nachbar, dem romischen (byzan- 
tinischen) Reiche, erpresste der Avaren fürst jene Jahresgelder heraus, 
welche vordem die Fürsten der Uturguren und Kuturguren als Geschenk 
^"^r Sold bezogen hatten ; ebenso hatte er auf Grund der Ansprüche 
^äth den Gepiden die Herausgabe der Stadt Sirmium gefordert. Gegen 
^^^ Unabhängigen Slaven führt er zuweilen über Aufforderung des Kai- 
sers Krieg; manchmal benützt er jedoch die Kriegsvorbereitungen gegen 
*lit; Slaven als Vorwand, um sich dann plötzlich auf das byzantinische 
*^H selbst zu stürzen. 

Um das Jahr 597 trennten sich auch die zu den Varchuniten 



gehörigen Stämme der Tarnier und Koczag^er» der Zahl nach lo.oöi 
von den Türken und kamen nach Europa, wo sie sich dem a^-arischci 
Khagan anschlössen. *^9 Allein Bajan ist nicht immer ein glücklichi 
Krieger. 

Im Jahre 600 siegt des Kaisers ^laiiritius Feldherr Priscus bi 
Viminaciiim und bricht über die Donau nach Avarien, was des Kha« 
gans vier Söhnt% denen er die Bewachung des diesseitigen Ufers anver« 
iraul hatte» nicht verhindern konnten. Der siegreiche Priscus verfol] 
den fliehenden Khagan bis an die Theiss, wo er demselben ebenfi 
mehrere gltii kliche Gefechte liefert. Aber der Kaiser, irregeleitet durrl 
die avarischen Gesandten, entlässt frei die grosse Zahl der gefangeni 
Avaren, *sö ^Auf diesen Theissfeldzug kommen wir noch zurück.) Nid 
lange darauf sehen wir Bajan abermals in der Nähe von Konstantin^ 
pel siegen; doch die in seinem Heere ausgebrochene Pest, rafft siebei 
seiner Söhne dahin, so dass sich die Siegesfreude in grosse Trauer vei 
wandelt, ^s^ 

Bajan starb im Jahre 602. Den Xamen seines Nachfolgers k 
nen wir nicht ; überhaupt begegnen wir bis zum grossen fränkisd 
avarischen Kriege (79t — 803), welcher der avarischen Herrschaft ei 
Ende machte, keinem einzigen Namen der Khagane. Jener Kha; 
der im Jahre bit in venetianisches Gebiet einbrach und durch di 
Verrath der Fürstin Romilda die Stadt Foriojulium (Friaul) einnahi 
war ein Jüngling, konnte also Bajans Sohn oder Enkel sein**^^ 

Die Macht der Avaren erreichte ihren Höhepunkt zur Zeit d< 
Kaisers Heraklius; nach derselben begann sie zu sinken, Herakiii 
war erstlich im persischen Kriege und dann durch die soeben aufge- 
tauchten Araber beschäftigt. Der persische Feldherr Sarharus forderte, 
wie Theophanes berichtet, die westlichen Hunnen, die sogenannten 
Avaren, Slaven und Gepiden auf, dass sie sich mit ihm gegen Kon- 
stantinopel vereinigen mochten. Die Verbündeten belagerten auch die 
Stadt im Jahre 626, jedoch mit wenig Glück. Bei dem Sturme auf die 
Stadt giengen sehr viele Slaven zu Grunde ; denn diese richteten ihre 
Angrifle von der Seeseite her und sanken mit ihren elenden Schiflfeii 
ins Meer. — Allein diese Schlappe hielt die Avaren nicht ab, im lahre 
630 Dalmatien in Besitz zu nehmen. 

Wie Heraklius sich vordem gegen die Perser mit den östlu hen 
Türken, den sogenannten Chazaren, verbündet hatte, so forderte er 
jetzt die Kroaten und Serben zum Bi^indnisse gegen die Avaren auf» 
damit sie Dalmatien den Avaren entreissen und die nordwestliche Grenze 
des Reiches schützen mögen. Hier begegnen wir also zum ersten Male 
einerseits den Chazaren, andererseits den Kroaten und Serben. 
Und da weiterhin die Kriegszüge der Avaren gegen das östli' 



8? 

Kaiserreich aufhörten, scheint t's uns angemessen, an dieser Stelle 
unsere Aufmerksamkeit auf jene Völker zu richten, welche ausser den 
Avaren damals in Ungarn und Siebenbürgen gelebt haben. 

§ a8. 

Bei der Erzählung von dem Theissfeldzuge (im Jahre 600} gibt 
der griechische Schriftsteller Theophylaktus ein ziemiich deutliches 
BÜtl von den verschiedenen Bewohnern des avarischen Reiches, ja er 
bleutet zum J heil auch deren numerische Verhältnisse an. Der römische 
Feldherr Priscus richtet von den Städten Singidunum und Viminacium 
aus geine Angriffe auf Bajan. Jene Stadt lag an der Stelle des heutigen 
Belgrad, diese östlicher jenseits des Margus (der serbischen Morava) 
aj) der Donau, wo heute Kostolatz liegt, (Gegenüber von Viminacium 
vertheidigten Bajan's vier Söhne das linke Donau-Ufer; aber das römi- 
sche Kriegsheer überschreitet siegreich den Strom, vielleicht in der 
Richtung des heutigen Duboväcz, rmd verfolgt das avarische Heer gegen 
den Tissus, unter weichem Flussnamen wir wohl nicht die Temes, 
sondern die Theiss zu verstehen haben. Der Kriegszug ging also durch 
die heutigen Comitate Temes und Torontdl. Nachdem Priskus an der 
Theiss gesiegt hatte, bereiteten sich die beiden feindlichen Heere 211 
einer neuen Schlacht vor. Der römische Feldherr sendet 4000 Mann 
Soldaten über die Theiss, also auf das rechte Ufer derselben» um die 
Bewegungen des Feindes zu erkundschaften. Die Späherschaar traf 
drei gepidische Ansiedelungen, deren Bevölkerung, ohne Kenntnis von 
dem, was auf dem andern Ufer geschehen war, in grosser Versammlung 
irgend ein nationales Volksfest gefeiert hatte und nach dem nächtlichen 
Trinkgelage in tiefem Schlafe versunken wan Diese Menge wurde nun am 
Morgen von der römischen Slreifschaar überrascht, welche unter ihnen ein 
entsetzliches Blutbad anrichtete und mit reicher Beute zurückkehrte. 
Nach zwanzig Tagen siegt Priscus in einer neuen Schlacht abermals. 
Von dem Heere Bajan's kommen Viele, namentlich der grösste 'l'heil 
der SJaven, in der Theiss um; die Römer machten zu Gefangenen 3000 
Avaren» ^5* 6100 andere Barbaren und 8000 Slaven. Wir begegnen somit 
hier ausser den Avaren noch den Gepiden, dann anderen Barbaren 
ilJid endlich den Slaven, namentlich den Slovenen {TKÄ$tßit>*i^ Sclavini). 

Ein anderes Ereigniss zeigt uns, wie weit und über welche Slaven 
^Bajan's Macht sich erstreckte. 

Zur Zeit des ersten thrakischen Kriegszuges (um 597) fanden 
*ich beim römischen Heere drei unbewaffnete Männer ein, welche nur 
eine Leier auf der Schulter trugen. Vor den Kaiser Mauritius geführt, 
imtworteten sie auf die Frage : Wer sie seien und was sie wollen ? dass 



88 



sie Slovenen (:e»Aä^^jj«<) von vier Küste des westlichen (Baltischen), 
Meeres seien, dass die Abgesandten des Khagan bis dahin kamen mi 
Geschenken zu den Fürsten (i^tttpjc^i) des Volkes, um Krieger zu wer- 
ben ; dass die Fürsten die Geüchenke zwar angenummen hätten, du 
Kriegsleute aber wegen der zu grossen J^ntfernimg nicht schickei 
konnten; deshalb seien sie (die drei Männer) zum Khagan gesendet 
worden, um diese Unterlassung zu entschuldigen. Sie hätten 15 Monate 
auf der Reise zugebracht, jetzt aber wolle der Khagan sie nicht nacli 
Hause entlassen. Nachdem sie von der Macht und Grossmuth de« 
Kaisers Kunde erhalten, kamen sie hierher nach Thrakien. Sie trügen 
eine Leier, weil sie der Waffen nicht gewohnt seien. Bei ihnen 2U 
Lande gebe es kein Kisen. dort lebe man im Frieden und da sie keine 
Kriege führen, so imterhielten isie sich mit Musik, Dem Kaiser gefiel 
diese Geschichte und tler hohe Wuchs der Fremdlinge; er liess 
wohl verpflegen und schickte sie nach Heraklea. ^55 

Bajan fand also bis an das Baltische Meer keine Macht, welche 
seine Ansprüche einschränken konnte ; in seinem grossen Reiche' 
wohnten Völker verschietlener Abstammung, deren Verhältnisse iinti 
Schicksale wir, so weit es möglich ist, kennen lernen wollen. 

Die Gtpiden wurden, wie wir wissen, die Kriegsbeute der verbiin ^ 
deten Langobarden und Avaren und letztere nahmen auch deren Vater 
land Gepidien (das alte Dacien) sogleich in Besitz. «Die Gepid< 
selbst, welche Alboin nicht mit sich führte, seufzen bis zum heutige! 
Tage (sagt Paulus Diaconus um das Jahr 790) in harter Knechtschj 
der Hunnen», d. i. der Avaren (vgl. oben S. 84). Worin diese «harti 
Knechtschaft !♦ bestand, geben die Quellen nicht an. W^as sie jedocl 
anderseits von den Gepiden mittheilen, deutet auf keine << harte Knecht 
Schaft hin. Wir sehen das auch an den drei gepidischen Ansiedelung 
gen, von denen weiter oben die Rede war. Würden diese in avarischfi 
Knechtschaft geschmachtet haben, wie Paulus berichtet, so hatte da: 
wahrscheinlich auch der römische Heerführer in Erfahrung gebracli 
und auch gegen die Avaren benützt. Die Gepiden wären dann nichx 
niedergemetzelt, sondern aufgefordert worden, die W^afTen gegen ihre 
Unterdrücker zu ergreifen. Das würde die Pflicht eines klugen rötni' 
sehen Heerluhrers, und als solchen kennt man den Priskus aus dei 
Geschichte, gewesen sein. Auch die gepidische Volksmenge selbst, mal 
sie sich nun zum Markte oder aus religiösen Motiven versammell 
haben, zeigt auf kein unterdrücktes, schmachtendes Volk, sondern viel 
mehr auf ein solches, das die Avaren, wahrend sie auf Leben und To* 
kämpften, im völligen Frieden sich unterhalten Hessen. "56 Ein Prieste' 
(von dem nochmals die Rede sein wird) wollte von Bajan flüchten un' 
beredete sieben seiner gepidischen Leibeigenen, dass sie ihn nach 



I 

iL 11 



del 



?miat der Avaren im Osten bis an die persische Grenze beglei* 
Ti.^s? Wenn dieser Priester seine gepidi^^chen Unterthanen sehr schlecht 
^handelt hätte, würde er ihnen sein T.eben wohl nicht anvertraut 
aben. Einzelne Gepiden dienen als Kundschafter im römischen Heere 
t^en die Slaven, z. B. geg^n den sl avischen Fürsten Muzok, dessen 
«a^er Priskus zerstörte. 'sS Allein ich finde nirgends, dass die Gepiden 
fgendwo geg-en die Avaren als Spione gebrauch t worden wären. Aus 
lolchen Thatsachen folgt also nicht, dass die Gepiden von den Avaren 
»ärter behandelt worden wären, als dies nach den Sitten des Landes 
and jenes Zeitalters üblich gewesen. 

Interessant wäre es zu wissen, in welchem Verhältnisse die Gepi- 
kn tu ihren Herren gestanden, ob als Feld baue r oder als Hirten ? 
Kas sie ihren Herren bezahlen musstcn ? Allein von all dem findet 
lau nichts bei den Scliriftstellern. Uass sie auch häusliche oder 
^enstboten-Leistungen verrichteten, ist gewiss ; denn je unentwickelter 
fe socialen Verhältnisse sind und je ungebildeter der Herr ist, desto 
ehr Dienerschaft pflegt er um sich im Hause zu behalten. Aus dem 
nterthanen- Verhältnisse der Gepiden kann man folgern, dass mit 
ren avarischen Herren auch sie über das ganze Avaren reich zerstreut 
Dimten. Alboin führte überdies Gepiden nach Italien. Die drei gepi- 
schen Ansiedelungen, von denen oben die Rede war, lagen im heu- 
fen Bacser Comitate und die grosse Menge der getödteten Gepiden 
^isl wiederum auf eine dichte gepidische Bevölkerung in dieser 
Cgend hin. Indess im Laufe der Zeit verschwinden die Gepiden, cL h. 
fe verschmelzen mit anderen Volksstämmen. In der Mitte des neunten 
ihrhunderts gedenkt ihrer zum letzten Male ein anonymer Schrift- 
eller, indem er sagt : Die Hunnen vertrieben die Römer, die Gotben und 
te Gepiden. Von diesen Gepiden wohnen auch jetzt noch einige daselbst. *59 
etiss»6o zählt die Gepiden zu den Gothen ; mit ihnen verschwand also 
&-S gothische Germanenthum aus dem heutigen Ungarn und Sieben- 
Bürgen. 

Die Bidgann unterwarfen sich im Jahre 558 dem Avaren -Khagan 
siehe oben S. 84) ; eine Bulgarenschaar folgte übrigens auch Alboin 
^ach Italien. Der Name der Uturguren und Kuturguren versehwindet 
öald; doch der hunnische und der bulgarische Name besteht fort, und 
*^ar derart, dass z. B. Procopius bei Erzählung der bulgarisihen Ein- 
•^ll^ nur den Namen der Hunnen erwähnt. '^^ I\Lin kann also annehmen, 
Qass die uturgurischen und kuturgurischen Hunnen, falls sie auch 
*ttfän§^lich nicht Eines Stammes mit den Bulgaren gewesen, dennoch 
*^it diesen bald verschmolzen. Aber die Bulgaren stehen in einem 
luderten Verhältnisse zu den Avaren, als dies bei den Gejjiden der Fall 
^^f« Jene sind Bundesgenossen der Avaren, haben daher ihre eigenen 



90 



Fürsten, die in tlerselben Weise jetzt unter der Hegemonie des 
gans stehen, wie ehedem die iLfOthischen und gepidischen Fürsten d* 
Oberhoheit Attila's imtergeordnet waren. Wenn in der Schlacht an d 
Theiss ausser 3000 Avaren noch bzoo andere Barbaren in Gefangei 
Schaft geriethen (die Slaven führt der griechische Schriftsteller besoQ< 
ders auf), so konnten diese wanderen BaHmrrn^ nur bulgarisch-himnischi 
Stämtne gewesen sein. Wir entnehmen femer den historischen ErzählungeaQj 
dass die Bulgaren an zwei Orten in grösserer Anzahl wohnten: an di 
Ufern des Don, also in ihrer ursprünglichen Heimat, und in den Theil 
jenseits der Donau im heutigen Ungarn, also im alten f^annonien. D^ 
gute Einvernehmen zwischen Avaren und Bulgaren hörte drei Jahr- 
zehnte nach Bajan's Tod auf; den Vorgang erzählt der abendländische 
lateinische Chronist Fredegarius in folgender Weise: «sZu Pannoniei 
im Reiche der Avaren oder Chunen, entstand \m\ das Jahr 630 
grosser Krieg um <lie Überherrschaft, ob nämlich ein Avare oder 
Bulgare in der (Königs-) Macht folgen solle. Zuletzt siegten die A 
ren und vertrieben 9000 Bulgaren mit Weib und Kind aus Pannoniei 
Diese suchten beim Frankenkönige Dagobert um einen Ansiedelun 
platz auf fränkischem Boden an. Dagobert Hess ihnen sagen, sie möchi 
ten den Winter über bei den Bayern verweilen ; alsdann werde er 
ihre Ansiedelung Sorge tragen. Den Bayern gab er aber den Auftra] 
dass sie die bei ihnen zerstreut wohnenden Bulgaren in einer Xacl 
ermorden sollen. Das geschah auch ; nur Aliiceun konnte sich mit 71 
Männern sammt deren Weibern und Kindern zu den Wenden flüchten .t 
Das sind vielleicht jene Eulgaren, welche einige jähre später unter il^m 
Führer Aizecm (wohl identisch mit Aiikem) zum Langobardenkönig 
Grimoald ziehen, der sie in Süd-Italien ansiedelte, «wo sie bis zum 
heutigen Tage wohnen», sagt Paulus Diaconns, «und obgleich sie suhon 
lateinisch sprechen, so haben sie doch ihre eigene Sprache noch nicht 
vergessen. »^^3 Nach den byzantinischen Historikern erhob sich Ktihrat^ 
der Fürst der onogurischen Bulgaren (um das Jahr 624) ^^^^n den 
Khagan der Avaren nnd vertrieb dessen Volk (d, i, die dort lebenden 
Avaren) aus seinem Lande, schickte dann Abgesandte zu Heraclius 
und schloss mit demselben einen Frieden, den er auch bis an sein 
Lebensende einhielt. Theophanes nennt diesen Kubrat «Fürst der Uno- 
gunduren, Bulgaren und Kotragen» und setzt seinen Wohnsitz oberhalb 
des schwarzen und Mäotischen Meeres zwischen die Flüsse Atal (Wolga) 
ond Don.^^+ Diese beiden Nachrichten sprechen also deutlich von zweierlei 
Bulgaren, von pannonischen und donischen \ jene wenden sich an die 
Franken, diese an den Kaiser in Constantinopel ; der Anführer jener 
ist Alticeus (oder Alzecus)» der Fürst dieser Kubrat ; beide bulgarisc 
Abtheilungen gerathen wegen der Oberherrschaft mit den Avaren 



^ 



Conflict, aber mit entgegengesetztera Erfolge ; denn die östlichen Eul- 
garen vertreiben aus ihrem Lande die Avaren, indess die westUchen 
Bulgaren von den Avaren vertrieben werden. Daraus ist klar, dass die 
Bulgaren in Pannonien in der Minderzahl, die Avaren in der Majorität 
waren ; am Don bestand das umgekehrte /ahlverhaltniss. Indess dieser 
Conflict entwickelte sich keinesweg zu einem unversühnlichen Hasse 
zwischen beiden Völkern, Denn Theophanes setzt die Erzählung der 
Geschichte der östlichen Bulgaren also fort : 

«Vor seinem Tode ermahnte Kubrat seine fünf Söhne, dass sie 
beisammen bleiben sollen, dann werden sie mächtig sein. Allein 
diese trennten sich nach des Vaters Tod. Der älteste, Batbajaa^ 
blieb im ererbten Lande ; der zweite, KoiragMs\ setzte über den Don 
und Hess sich auf dessen rechtem Ufer, gegenüber dem Bruder, nieder; 
<ler dritte, Aspnruih, zog westlicher, überschritt den Dnjeper und 
Dnjesler und siedelte sich in der Nähe des Olgus, nördlich von der 
Donau, an ; noch weiter nach Westen als dieser dritte Bruder wander- 
ten der vierte und fünfte, so dass Krstercr in Pannonien unter der 
Oberhoheit des avarischen Kbagans verblieb, der Letztere aber neben 
Ravenna die Pentapolis unter einem christlichen Könige einnahm. Nach- 
dem auf solche Weise die bulgarische Macht geschwächt war, kam das 
grosse Volk der Kozaren (Chazaren) aus dem Innern des ersten Sar- 
matien, aus Berzilien, hervor und machte Batbajas tributpflichtig. Gegen 
Asparuch wendete sich Constantinus Pogonotus, war aber nicht glücklich; 
ja Asparuch überschritt die Donau und unterwarf dort in Mösien die 
sogenannten sieben slavischen Stämme seiner Gewalt. »^^s Auf solche 
Weise entstand im Jahre 678 Bulgarien, dessen nördliche Grenze die 
Donau, die westliche das Avarcnreich, die südliche der Hämus oder 
Balkan war. 

Slavt-n. Das ursprüngliche Gebiet der Slaven war ungefähr bis 
mm Jahre 450 n. Chr. (vgl. die Nachricht des Jordanis' o. S. 75) von 
dem Ursprünge der Weichsel bis zur östlichen Spitze des Baltischen 
Meeres ; im Norden bis zur heutigen Stadt Nowgorod und bis an die 
Quellen der Wolga und des Dnjesters ; im Osten beinahe bis an den 
Don und von da moss man die Südgrenze am untern Dnjeper und 
Dnjester bis an die Karpaten und die Quellen der Weichsel ziehen. 
Die Westgrenze wird durch die Wasserscheide der Weichsel und Oder 
bezeichnet. Die älteren Namen tfer Slaven waren Wenden und Serben ; * 

♦ ROESLER, Über den Zeitpunkt der slavischen Ansiedlung an der untern Donau 
(Silzungsber, d. k,k, Akad. d. Wiss, in Wien, Bd. LXXllL. S. 77 ff.), findet die Ansicht, 
dass die • Spalei ^t des Plinius (Hist, nat. ö. 22) den einheimischen Namen der Slaven 
bezeichne und die Erklärung dieses Wortes als « Slammgenosse, Midiruder m für * sehr 
tdfaJlswürdiß, 



später wurden die westlichen Slaven Shveftm (Sklavinen i, die östlichel 
Anten geDannt ; doch erhielt sich der Nanie der Anten nur von 550 — 771 
Aus der obumgrenzten Urheimat der Slaven begannen sie die Auswai 
derung in westlicher und südlichcT Richtung, der Elbe und der Dona 
ZM. Doch siedelten sie sich früher an den Ufern der Elbe als an d( 
Donau an \ denn jene Landstriche waren nach dem Abzüge der get 
manischen Völker leer geworden, indcss an diu Donau die Hunnen, 
Bulgaren und Avaren die Wege versperrten. Entlang der Elbe und an 
der westlichen Küste des Baltischen Meeres drangen die Slaven bis 
in die Nachbarschaft der Sachsen und Dänen vor. Im Anfange des 6< 
Jahrhunderts besetzen sie Mähren und Böhmen und um diese] he Zeit 
erscheinen sie auch an der untern Donau, von wo sie sich bald nad 
MÖsien, Thrakien, Makedonien, ja bis in den Peloponnesus verbreiten; 
In der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts, nach dem Wegzuge der I^an- 
gobarden» dringen die Slovenen an der Donau durch Pannonien bi! 
nach Noricum, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten und Krain letwi 
um 592 — 59S)*** In der ersten Hälfte des 7. Jahrh. wandern, wie scboi 
erwähnt haben, die Croaten von jenseits der Karpaten aus Weiss-Cro- 
atien im heutigen westlichen (jalizien und die Serben aus Weiss-Sßf- 
bien im heutigen Ost-Galizien, jenseits der Save bis zum Adria-Meeri 
Später, im Jahre 678» nehmen von Osten her die Bulgaren Mnsien in 
Besitz, indem sie zugleich die daselbst wohnenden Slaven ihrer Gewafi 
unterwerfen ; allein unter dem Einflüsse ihrer sl avischen Unterthanei 
werden sie selbst slavisirt, namentlich seitdem sie um das Jahr 850 daJ 
Christenthum angenommen haben. Die Slaven umgiengen also beiihren 
Wanderzügen augenscheinlich die Karpaten, indem ihre Ausvvanderungei 
sich erstlich nach dem Westen und Süden hielten, im Süden der Strom sie 
wieder westwärts wandte wo er mit dem westlichen Strome abermals zusani' 
mentraf.Zwischen diesen slavischenAusströmmigen und Wanderzügen lagel 
Ungarn mid Siebenbürgen inselförmig vom grossen slavischen Völker 
Strome umschlungen; zum mindesten dringen ähnliche s lavische Volks' 
w*ellen wie die mährischen, böhmischen, kroatischen, serbischen^ karo 
sehen, kärntischen, steierischen, slovenischen etc. weder vom Nordei 
noch vom Osten über die Karpaten herüber. Denn Ungarn und Sieben 
bürgen befand sich seit dem Auftreten der Hunnen bis zum Unter 
gang der Avaren stets im Besitze kräfjüger, kriegerischer Völker; gerad 
in dieser Zeit, besonders aber zur Äit der Avarenherrschaft geseha; 
die grosse Ausbreitung der Slaven. Ein Theil der südöstlich vordrii 
genden Slaven gerieth zuerst in das Joch der Gothen ; aus diesem wol 
den sie durch die Hunnen befreit und diese wohnten mit den Slave 
ziemlich friedfertig beisammen, wobei letztere jedoch die Hunnen al 
ihre Herren anerkannten. *^7 Allein dieses war, w;ie es scheint, blos a] 



9J 



^nius, Dnjeper und Dnjester der Fall ; in Dacien und Pannonien 
pnnten zur Zeit der Gothcn, Gepiden, Heruler und Langobarden 
ur wenige Slaven vorhanden sein, jedenfalls weniger als in der Zeit 
er Avaren. 

Weil die Hunnen die Slaven gut behandelten, meint Schafarik, 
Bass diese 7t 'a/irjr/if7>///r// in Gesellschaft mit den Hunnen nach Bacien und 
Pannonien, das seiner Ansicht zufolge ohnehin ihre alte Heimat gewe- 
len (s, o. S. 64 — 65), gekommen seien. Zum Beleg führt Schafartk die Ausj 
lage des Jordanis an, dass neben den Hunnen noch andere, unter- 
worfene Völker im heutigen Ungarn gewohnt haben ; ferner folgert er 
iitJS dem Gesandtschaftsberichte des Priscus, das^s hier Slaven gewohnt 
haben müssen, da das Volk die griechischen Abgesandten mit Hirse- 
Wci und Meth( Honigbier) empfangen habe; ebenso, weil Jordanis Atti- 
las Leichenschmaus «strava» nenne, was im Slavischen diese Bedeutung 
habe, und endlich weil nach Procopius die Slaven von so roh und 
)ichlec'ht zubereiteten Speisen leben wie die Massageten und ebenso im 
♦^chirmtz stäken wie diese ; allein sie wären nicht falsch und hinterlistig 
und bewahrten in Allem die hunnischen Sitten. Natürlich, setzt Schafarik 
hinzu, müsse man Procopius Worte dahin verstehen, dass nicht die 
Slaven die Hunnen nachahmten, sondern umgekehrt: die ungebildeten 
Hunnen beobachteten die Sitten der gebildeteren Slaven, ^^^ Indess all das 
feeweist nicht das massenhafte Vorhandensein der Slaven im heutigen 
l^ngam während der Herrschaft Attilas. Die Aussage des Jordanis ist 
richtig, nur waren jene unterjochten Völker Gothen, Gepiden etc, aber 
keine Slaven. Priscus erwähnt der Hirse und des Meths ; allein Hirse 
Wen auch die alten Pannonier (s. o. S. 62) ; das Wort medos ( ^«Äa«),^^^ 
*las Meth bedeutet^ kann nicht blos slavischer, sondern auch gothischer 
Herkunft sein. Das Wort <istrava» ist in derThat ein slavisches; doch lässtsich 
s<-h wer erkennen, ob dasselbe wirklich aus der hunnischen Zeit abstamme, 
i»<ierdas Product einer spätem Periode sei. Was schliesslich die Worte des 
^ocopius betrifft, so beliehen sich diese auf die Hunnen und Slaven .f<'/«^>* 
'Eigenen Zeitalters (und dazu gar nicht auf die Hunnen und Slaven in Un- 
»311»); man kann deshalb aus denselben durchaus nicht das herauslesen, 
^^ Schafarik darin finden wollte. ^^ Im Heere Bajans dienten, wie wir 
^^m, zahlreiche Slaven ; diese kamen jedoch weit eher von der untern 
^onau als aus dem eigentlichen Avarenlande, d. i. aus Dacien und 
«nnonien. Die hier befindlichen Slaven, welche allerdings unbemerkt 
iber die nördlichen und östlichen Karpaten hereingedrungen sein 
lochten» waren wohl auch eher Ackerbauer als Krieger. 

ie Geschichtschreiber wissen, gestützt auf die Zeugnisse Frede- 
id Nestors, viel zu erzählen von der Grausamkeit der Avaren 
die Slaven. Fredegar erzählt, dass die Wenden (Vinidi, die mäh- 



94 

Tischen und böhmischen Slaven) stets in den vordersten Schlachtreihen 
der Avaren kämpften ; dass die Avaren jedes Jahr zu den Slaven kamen, 
um den Winter daselbst zu verleben ; « dann nahmen sie die Weiber 
und Töchter der Slaven und schliefen bei ihnen und zu den übrigen 
Misshandlungen mussten die Slaven den Chunen (so nennt Fredegar 
die Avaren) noch Abgaben zahlen.» Auf solche Weise sei von den sla- 
vischen Frauen eine neue Generation entstanden, welche die Ausschwei- 
fungen der Avaren nicht länger dulden wollte und sich dagegen erhob. 
Als sie in Waffen standen, kam zu ihnen ein fränkischer Kaufmann 
Samo, dessen Rath den Aufständischen von grossem Vortheile war. Da- 
mm machten die Slaven den Samo zu ihrem Könige und dieser regierte 
35 Jahre glücklich, indem er auch oftmals die Avaren besiegte.'?^ 

Nestor weiss dagegen zu erzählen, dass die Ohrik (Obren, so 
nennt er die Avaren), die Duljeben (am Bug) besiegt und an deren 
Weibern Gewaltthätigkeiten verübt hätten. Wenn ein Avare fahren 
wollte, so Hess er nicht Pferde oder Ochsen vorspannen, sondern 3 oder 
4 oder 5 duljebi'sche Weiber. « Denn es waren die Avaren » (Obren), 
also setzt Nestor fort, « gross an Körper und stolz an Sinn und Gott 
rottete sie aus und nicht ein Obrin (Avare) ist übrig geblieben. Und 
es ist ein Sprichwort im Russenlande bis auf diesen Tag (d. i. bis zum 
Ende des 11. oder Anfange des 12. Jahrhunderts): sie sind unterge- 
gangen wie die Obren ; es ist nicht Vetter noch Erbe von ihnen vor- 
handen. »^7^ 

Mit Bezug auf das erste Zeugniss urtheilt Palacky : «Es unterliegt 
keinem Zweifel, dass die Avaren auch über die 9echischen Slaven ge- 
herrscht haben ; aber wie weit erstreckte sich diese Herrschaft '^ und 
welcher Art ist sie gewesen } Darüber fehlen glaubwürdige Zeugnisse. 
Denn Fredegars Darstellung steht mit der Natur der Sache und mit 
sich selbst im Widerspruche und kann deshalb nicht wörtlich genom- 
men werden. » '72 Das zweite Zeugniss ist noch auftälliger ein Mär- 
chen, das deutlich aus dem Worte «obor» entstand, welches im Slavi- 
schen auch « Riese » bedeutet. Die Riesen des Märchens konnten sich 
Weiber als Zugthiere vorspannen ; die historische Avaren, die als Rei- 
tervolk berühmt waren und darum rasch dahin zu jagen liebten, moch- 
ten schwerlich ein derartiges Gespann gewählt haben. ^73 Dennoch meint 
ScHAFARiK, dass bei Ankunft der Avaren wahrscheinlich ein Theil dersel- 
ben mit Erlaubniss des Khagans in Galizien geblieben sei und dort die 
Duljeben gemisshandelt habe. '74 

Die Avaren waren gewiss nicht menschlicher als die Langobarden , 
und andere Barbaren : allein darum konnten sie auch nicht grausamer 
gegen die Slaven sein, welche in so grosser Anzahl und bewaffnet, na- 
mentlich zu Bajans Zeit, Theil nahmen an den Schlachten der Avaren. 



j 



pätcr wurden übrigens auih die Avarcn sanfter in ihrem Wesen ; denn 
reicher Art immer dieselben in der Mitte und am Ende des 6. Jahr- 
mnderts sein mochten ; in den zwei Jabrhunderten bis zu Knde des 
Jahrhunderts hatten sie sich doch verändert. Was ist uns aber von 
hnen aus dieser Zeit bekannt ? 

Unter den buntgemischten VtHkerschaften im Avarenfande bbeben 
dxeArarfn bis zu Ende das herrschende Volk. Bei ihrem Auftreten sehen 
^ir sie in zwei Stämme H/r (Uar) und C/turf getheilt; später (vg-L o. 
S. 86) schlössen sich ihnenn och die Stämme der Tarnkr und Koczager 
•an, Ausserdem gedenkt Theophylactus^^s noch eines fünften Stammes, 
L)kndtr, welcher in der Urheimat zurückgeblieben war. Ks ist also 
^wiss, dass auch die Avaren wie alle Völker aus mehreren verwandten 
Stämmen bestanden. Die Zahl dieser Stämme ist unbekannt, man kann 
jedoch annehmen, dass nach der Besitznahme des Landes sie hier 
Stammes weise abgesondert vvohnlen, was übrigens auch die Nachricht 
bestätigt, welche besagt, dass sie nach Stämmen und (jeschlechtern 
angesiedelt w^aren. ^^ Ihre Anzahl kann manausder Mitiheihm^^ des (aller- 
<imgs nicht ganz zuverlässigen *77)Theo|)hylactus ungefähr entnehmen. Sei- 
ner Angabe nach soll der Stamm der Varchuniten 20.000, die Stämme der 
Tamiüf und Kuczager aber 1 0.000 betragen haben ; — gewiss eine ge- 
ringe Zahl im Verhältnisse zu dem Gebiete, tlas Bajan eroberte. Der 
Reic'hthum des avari sehen Volkes bestand wenigstens anfänglich nicht 
im Grundbesitze, sondern in Viehheerden: ein gleiches Hirtenvolk wa- 
ten auch die Langobarden, weshalb Bajan mit diesen das Bündniss 
ftrhloss, in welchem er sich die Hälfte des langobardi sehen Viehstandes 
4iNl)cdang, Ein solches Nomaden volk ist zugleich beritten : die avari- 
^hen Reiter waren durch ihre Schnelligkeit, womit sie grosse Strecken 
durchflogen, berühmt, Kin eiserner Panzer schützte den gewöhnlichen 
Reiter wie den Anführer, dessen Pferd aber ebenfalls he panzert war. 
Man kann annehmen, dass die Bulgaren eine ähnliche Bewaffnung hat- 
ten; denn auch sie waren ein Reitervolk. '7^ 

Der avarische Königstitel «Khagan* (Khakanj ist offenbar türki- 
schen Ursprunges. Welchem avari sehen Stamme der König angehörte, 
^ie er zur Herrschaft gelangte, ob durch Wahl oder durch Erbschaft, 
^^t unbekannt. Kennt man doch ausser Bajan kaum den Namen eines 
äderen Khagans. Wegen der obersten Würde entstand auch bald nach 
fcjan's Tode vStreit und Verwirrung, und es ist möglich, dass diese 
Zwietracht durch die Rivalität zwischen Avaren und Bulgaren hervor- 
^nifen wurde. Allein wir wissen abermals nicht, wer von den sieg- 
laichen Avaren die Khagans^vürde erhielt und aus welchen Ursachen, 
innere Zwiste beschleunigten den Verfall des Avarenreichcs. 
treten ausser dem Khagan auch die Würden des Twiun oder 



^ 



SodüH und Jugur auf, deren Bedeutung man jedoch ebenfallh nichd 
kennt, weil man auch nicht weiss?, welchem Zweige die avaxische SpracheJ 
angehörte. Der griechische Schriftsteller findet dieselbe unschön;*^ 
allein w« le lu' Barbarensprache klang dem griechisch »n <'>iir'^ wühl-l 
lautend 

Udicr die Religion der Avaren kann man Einiges dein ludtj 
Bajans entnehmen, welchen er den Roniern geleistet» das^ er nicht aun feind-j 
sfeliger Absicht gegen sie die Brücke über die Save schlagen las^J 
Mit entblösstem, erhobenem Schwerte verfluchte er sich selbst» in<iein| 
er sagte: «Wenn er aus feindseliger Absicht die Brücke erbaue, 
iäolle ihn und sein XoW Tod durchs Schwert treffen, der Himmel doi 
oben und der C5ott, der im Himmel ist, Feuer auf sie regnen, Berg unJ 
Wald, der sie umgibt, herabstürzen und sie begraben und die Wass* 
der Save sie verschlingen.»*^** Die Emporhebung des Schwertes, di<j 
Berufung auf Himmel, Feuer, Erde und Wasser machen den Eid| 
schwur aus; diese Dinge waren also (jegenstände religiöser Verehrung 
Als solche dienten auch, wie wir sehen werden, Götzenbilder. AlleiS 
der Khagan legt den Kid auch nach christlicher Form ab, d. i. er fälll 
vor der Bibel auf flie Knie und schwört zu jenem Gotte, der sich il 
diesem Buche geoffenbart habe. Man hat an dieser Doppelglaubigke 
Bajans vielfach Anstoss genommen, dabei aber vergessen, dass da 
Heiden tbum überhaupt keinen alleinseligmachenden Glauben kenati 
ßajan leistete einen falschen Eid : allein unter den damaligen yxsA 
späteren Christen des Ostens und Westens waren falsche Eide un^ 
Eidbrüche nichts Seltenes. Uebrigens ist Bajan ein gewaltthätiger 
hochmüthigcr Mann ; sein Charakter ist ganz verschieden von dem dö 
Avaren in den folgenden Jahrhunderten. Hören wir nur die Aeusserun 
des Langobardenfürsten ßertaridus (nach 640): «Nachdem ich in raefij 
ner |ugendzeit aus meinem Vaterlande flüchten musste, hielt ich mic 
bei einem heidnischen Hunnenkonige auf, der mir bei seinem Götzen 
i>ilde (in deo suo idolo) schwur, dass er mich meinen Feinden nich 
verrathen werde. Xach einiger Zeit kamen deren Abgesandte zu ihU 
und versprachen ihm einen Scheffel GoUl (soHdorum aureorum modiun| 
[^lemim), wenn er mich ausliefere. Dieser aber antwortete ihnen : «Dil 
Götter mögen mein Leben ausloschen, wenn ich jene Frevelthat, roeii 
nen Eid zu brechen, begehen würde. »^^* Aus dieser Stelle ist demnac 
ersichtlich, dass die Avaren auch Götzenbilder besassen. 

Ebenso hatten sie auch Priester, die sie » Bocholabren » nannte 
Das berichtet Theofüiylactus an jener Stelle» wo er die Flucht des avaii 
sehen Priesters, welche dieser mit Hilfe seiner gepidischen Knöch 
vollbracht hatte, erzählt (vgL o. S. 88 — 89V Derselbe führt auch an, dai 
der Name %'B^yj>^«,^iPL% {Bocholabraj gleichbedeutend sei mit « Zaubere» 



97 

Magier».*^ Bei der vorhin beschriebenen Kidesleistnng Bajans inter- 
enirte nach Menander kein Priester ;*^3 auch sonst findet sich keine 
Lndeutung über die Functionen der Bocholabren, deren Zaubererhan d- 
^rk uns somit ganz unbekannt ist. 

Unter allen avarischen lugenthümlichkeiten sind wohl die soge- 
nannten ^ Ringe* (Avarenringe) das Merkwürdigste, 

Nach dem Berichte eines Augenzetigen Namens Adalbert, der im 
H^re Carl des Grossen gegen die Avaren gedient, schreiht d^r Älönch 
im St. Gallen darüber Folge7tdes: ,,Adaldcrt sagte mir wiederholt, dass 
fiax Land der Hunnen (terra HunnoruviJ — so nennt er die A varen ^ — 
durch neun Gehege geschützt läar. Und als ich, der hlos geßochtene 
Züungehege gesehen, /ragte: ,J-lerr, was Jiir Gehege waren das?'* ant- 
Wtrtffecr : ^,S*ufi , solche Hecken f hegin , ha gen J,^* Und da ich keine anderen 
JÜi^lrn kannte, als womit man die Saatfelder zu schützen pßegi, so erklärte 
fr mir es also : ^Jüin solches Gehege ist so gross wie die Entfernung von 
Turtcum (Zürich) bis Constantia (Konstanz), Zwischen Pfählen ans 
Eichtn, Buchen oder Tannefi befindet sich aus Stein und Lehm ein Damnu 
ranzig Fu SS breit und zwanzig Fuss hoch und mit andauerndem Rasen be- 
itckt. Innerhalb des Geheges sind die Dörfer und Wohnungen derart ver- 
fhfiii, dass man von einer A nsiedelung zur andern die menschliche Stimme 
annehmen kann. In den unbezzo in glichen Steinmauern aber, gegenüber den 
^bäuden, befinden sicli Thore, durch welche man ein- und ausgehen kann. 
^W dem zweiten Gehege, das übrigens wie das erste gebaut war, befand 
^üh tn einer Entfernung von to deutschen mier ^o italienischen Meilen 
fcr dritte Ring und so fort bis zum nennten, oltwohl nicht alle von gleicher 
7rimc' tvaren. Zwischen den Gehegen sind auch die Besitzungen und IKoh^ 
)fiwgen (passessiones et habitacula) nach allen Fichtungen so geoj'dnet, 
^>f sie durch 7ronipetensfi}sse einander Zeichen geben können. In diesen 
rehegen häuften die Avaren ihre Schätze auf die sie durch zwei Jahr- 
hunderte von den westlichen llitkern geraubt hatten .^' i^a 

Aus dieser Nachricht geht hervor, dass diese Avarenringe nicht so 
€?hr Erd festen als vielmehr Umzäunungen, vielleicht die Grenzlinien der 
einzelnen Stammesbesitzungen waren ; obwohl ein anderer Schriftsteller 
dieselben wiederum « regia =? d. i. Wohnsitxe oder Lager nennt. '^"^ Allein 
^^ der Natur der Sache folgt, dass sie auch als Befestigungen dienten. 
^us der obigen Mittheilung des Mönches von St. Gallen geht ferner 
»ervor, dass inner- und ausserhalb dieser *i Ringe • Wohnungen, Dörfer 
ind Besitzungen waren, was auf das Verlassen der nomadischen Lebens- 
weise hindeutet. ^^^ Daraus lässt sich wieder folgern, dass diese berühm* 
'&u Ringe nicht gleich in der ersten Zeit des avarischen Reiches ent- 
'länden sind, wie Schafarik meint, '^7 sondern später, vielleicht in Folge 
^Hes Ereignisses, das wir nicht kennen. Dass diese Befestigungen erst nach 
^äu erbaut wurden, bestätigt auch das gänzliche Schweigen der byzan- 
^'»ibchen Schriftsteller über diese Ringe. Kein Einziger unter ihnen kennJt 
<2r|ei Ringe und doch rückte, wie wir wissen, bei Lebzeiten Bajans ein 
ffechisches Heer bis an die Theiss und darüber im Avarenlande vor. Es 
^eint also, dass dieseGehege keine befestigten Lager gegen äussere Feinde 
^wesen sind, sondern vielmehr eingeschlossene, grössere Ansiedelungen. 

7 



9** 



Endlich geht aus den Mitthei hingen des Mönches von Sanct Gaile 
noch hervor, dass damals zwischen den verschiedenen V'olksstämm« 
des Avarenlandes kein anderer Unterschied mehr bestand, als jene 
zwischen Herr und Knecht. Das wird die Geschichte jenei» Kriegci!, dd 
dem Avarenreiche ein Ende machte, noch deutlicher beweisen. 

Die avarischen Ringe hatten einen weitverbreiteten Ruf und Jil 
Archäologen suchen bis heute deren Spuren. Was aber hinterlie&^J 
sonst noch die Avaren ? Während der dritthalbhundertjähngen Daud 
ihres Aufentbaltes in Ungarn und Siebenbürgen seihen sie gar nichll 
gearbeitet und geschaflen haben, was als- Zeugniss von ihren Sitten i 
Gebräuchen, von ihrer häuslichen Lebensweise, ihrem Geschmacke od 
von ihren geistigen Fähigkeiten dienen könnte ? 

Ulis ungarische N'atiöital' Musen ni besitzt drei Funde, derin Ank 
alter und Ursprung die mitaufge/utuiefien Münzen bestimmen lassi 
Diese sind : der Fund von Kunägota im Csanäder Comitate mit eiun 
Galdstiicke aus der Zeit Justinians /. (527—5(^5) ; der Fund 
Set.- Andre im Pitts er Comitate mit zwei Goldstücken ynstifts 
(398—321) und Phükas' föoj^öroj und der Fund von Ozora im Stm 
weissenburger Komitate mit einem Goldstikke aus der Zeit ConsfantiHX 
Pogonatus fööSJ, — ^JJnter den drei Fu tuten, welche aus d^r Avarem 
stammen, ist augenscheinlich der von Kunägota der älteste, obgleich 
Goldstück Justinians auch in einen Schatz aus späterer Zeit getan, 
konnte . Derselbe ist interessant durch einige Ge/ässe und Armspa/L 
aus Silber mit unedler Legirung; von den letzteren ist eine an beiden Etnkn 
trichterförmig. Solche trichterförmige Armspangen hat auch der Set, 
Andrcer Fund, Dessen hauptsächlichste Merkivürdigkeit sind Jedoch i\ 
Steigbügel aus dem 6. oder 7. Jahrhundert. Die Griechen und RotH^ 
kannten dieses Geräth nicht ; auch auf den Relie/^verken der Sassanki 
ßndet man davon keine Spur ; e^ sind also die Steigbügel des Fundes n 
Set, 'Andre bisher die ältesten Gerät he dieser Art. — Der Ozora er S< 
hat viele Schmucksachen , ivetche uns eine besondere Technik kennen hn 
Der Fund zeigt goldene Spangen, Ringe, Haarnadeln, Schnallen, 
goldene Verschlüsse tkeits mit Granaten, theils mit dunkelrothen r 
stücken besetzt sind. Diese Technik war in Byzanz unbekannt, tvohi tt 
war sie in ganz Westeuropa verbreitet und kennzeichnet die zweite Häl) 
der Völkerwanderungs- Periode. Die Steigbügel scheinen aber ift 
sondere avarisctien Ursprunges zu sein; und diese sowie das HuftfM'ti 
eröffnen die Ritterzeit, gleichwie die Flinte umi das Bajonnet die Newze ■ *' 

Ich weiss nichts ob man dem Steigbügel und Ff uf eisen soviel Fn 
zuschreiben darf, namentlich da die A'riegsheere nomadischer Htrtvi 
ker hauptsäctilich aus Reiterei bestanden, was somit auch schon bei liuj^^ 
neu und Gothen der Fall war; das Schmiede- und ICürschnerhandwc^ 
4Zber war bei allen Reitervölkern einheimisch und man kann sich kau 
darstellen ^ dass diese beiden Handwerke nicht aucli i/ei den Avaren e^ctsi:^ 
haben sollten. 

Im Jatire iS 20 fand mein bei Grafenegg, nicht weit vom Einßus- 
des Kampflusses in die Donau, einen sehr auffällig geformten Schä*h* 
den ma?i für einen avariscfien hielt, tveil daselbst eine Haupljcs^ 
dieses Volkes gewesen, fs. o. S. gjj — Im fahre iS^(> wurde /* 4 A/ei/^ 

* »Magyarorszagi avar leletckr6I« d.i. ober avarische , Funde in Ungarn vc 
Franz Pulszky, Academische Abhandlung, 1874. 



99 

IVien bet Ahgefsdin-f ein dem Grafenegger voHkommen ähnlicher 
Schade! auf ge/Huäen, Auch in der Krim, hei Kert seh, fand man der- 
rUge Schadil. Wenn diese/ifen alle avarischer Ahkunfl sind, dann ge- 
harten die Ai'aren 'zu den brachycephalen Orthognathen. 

Die auffällige Fami besteht darin, dass der Schädel in eint- Spitze 
gepresst ist. Daraus ginge hervor, dass die Avaren die Schädel ihrer 
Kinder ebenso künstlich z\i formen pflegten, wie dies andere Völker in 
alter Zeit gethan und manche Stämme Amerikas auch bis heute thun. 

In den meisten Sammlungen trifft man eine Münze» welche» wie 
es scheint, zur Erinnerung an die Zerstöning Aquilejas wiederholt 
gep^rägt wurde; denn es finden üich solche mit der Jahreszahl 441 und 
mit 451. Das rohe Werk kann aus der Mitte des 16, Jahrhunderts 
stammen und existiren davon Abdrücke in Gold, Eisen, Bronce und 
Eisen. Der Revers zeigt die Ruinen von Aquileja, der Avers Attda's 
Brustbild. Der Kopf Attila's hat dieselbe Form wie die aufgefundenen 
avarischen Schädel. Der Künstler fertigte also seine Zeichnung nicht 
aus der Phantasie, sondern nach einem Avaren schadeL * 

§ 29. 

Nachdem die Avaren das Land von der Enns bis zum Don in Besitz 
genommen hatten, konnte ihnen auch das oströmische Reich südlich 
der Save und jenseits der Donau keinen Widerstand leisten. Im Norden 
befand sich aber bis zum Baltischen Meere keine staatliche Macht; 
im Westen standen sie mit den näher wohnenden Langobarden und 
.den entfernteren Franken zumeist in guten Beziehungen, Im Laufe der 
Zeit veränderten sich allerdings diese äusseren Verhältnisse. Südlich 
bildeten Croaten und Serben und später (seit 678) das neue Bulgarien 
einige Schranken, nach Südwesten hatten sich die krainischen und 
kärntischen Wenden und in deren Rücken die Bayern staatlich conso- 
'lidin. Im Nordwesten wurden die Avaren während der Zeit der Herr- 
schaft Samo's (627 — 662) nur vorübergehend bedrängt. Im Ganzen 
blieb aber die avarische Macht nach Aussen hin xiemlich ungeschmälert. 
J>ie ICnns bildete fortdauernd die Grenze zwischen Avaren und Bayern. 
Nachdem bei dem letztern Volke das Christenthum Wurzel gefasst 
hatte, kamen christliche Missionäre auch in das Land der Avaren, wo 
^ie unbehelli^i doch ohne merkbaren Erfolg, ihre Wirksamkeit fort- 
setzen konnten. Die innere Geschichte des avarischen Reiches kennt 
man jedoch nicht, seitdem im Jahre 670 abermals eine bulgarische 

* l cber die Schädel der Avaren. Von L. F. FrrziNGER. In den < Denk- 
'hriflen der kais. Academie der Winsen sctiaften. » Mathem.-NaturwissenscbafÜ. 
Ctasse. Wien, 1853. — «Ethnologische Schrlfen» von AVD, RETZtUs, pag, 25 



Volltsschaar sieh unter ihnen niedergelassen hatti* (siehe S. 84, 89 — 90} 
und allraählig in dem Avarenthum so voIlig^ aufging^, dass ihre Spur 
nicht wahrüunehmen ist. ^^^ 

Um die Mitte des 8. Jahrhunderts vollzog sich bei den Franken eine 
merkvvürdig-e Verandenmg. Pipin dir Kurze schickte nainlieh den letzten 
Frankenkönig aus dem merovingischen Hause, Childerich III. , ms 
Kloster und machte sich selbst zum Xünige der Franken, was Papst 
Stefan im Jahre 754 auch bestätigte. Derselbe salbte auch Pipins SiJhne, 
Carl und Carlmann, als er vom neuen König-e Hilfe gegen die Latigo»' 
barden sich erbat. Zu dieser Zeit stand Bayern ebenfalls unter fränkischer 
Uberhoheit und das neue Reich verbreitete Christenthum und Franken* 
herrschaft nach allen Seiten siegreiL^h unter Sachsen und Slaven. Pipin 
besiegte schon im Jahre 755 die Langobarden und Thassilo der Bayem- 
herzog huldigte ihm im J^ihre 755. So näherte sich die Herrschaft der 
Franken stets mehr der avarischen Grenze. Pipin's Sohn, Carl der 
Grosse, wurde im Jahre 768 König der Franken; er erc»berte im Jahre 
774 Pavia und machte dem la ngobardischen Königreiche ein Ende, 
Desiderius, der letzte Langobardenkonig, wurde in ein Kloster gesjjerrt 
Dessen Tochter, Luitberga, war die Gemahlin des Bayern herzbgs Thas- 
silo imd hetzte diesen wetterwendischen, charakterschwachen Fürsten» 
der sich auch mit den Avaren verbündet hatte, gegen Carl den Grossen 
auf. Die Avaren schienen jedoch die aufsteigende Gefahr zu ahnen; 
denn schon im Jahre 782 schickten sie Abgesandte in das Lager Carl 
des Grossen an der Lippe, um mit demselben Frieden zu schlicssen. 
Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, dass bei den Avaren ausser dem 
Khagan noch die Würde des fugur bestand. *^9 Was sie bewog, dass 
sie nach der Gesandtschaft des Jahres 782 dennoch im Jahre 788 mit 
Thassilo gegen Carl den Grossen ein Bündniss schlössen, ist nicht 
bekannt. Sie entsendeten zwTi Kriegsheere, das eine in die Friaulische 
Mark, das andere nach Bayern; überall hatten sie jedoch Missgeschick; 
denn die Bayern selbst verli essen ihren Herzog. Carl der Grosse kam 
nach Regensburg, damit er die Grenzorte gegen die Avaren sichere. 
Im Jahre 790 treffen w^ir abermals eine avarische Gesandtschaft in 
Worms bei dem grossen Carl und dessen Sendboten begeben sich dann 
der Grenzberichtigung wegen zu den avarischen Fürsten,^ mit denen sie 
aber zu keinem Einverständnisse kommen. Dieser Grenzstreit war die 
Ursache des folgenden Krieges. '9^ Carl der Grosse zog im Jahre 791 
m.it zwei Heeren gegen die Avaren ; das eine arn rechten Donau- Ufer 
führte er persönlich an ; das andere zog am linken Ufer des Stromes 
vorwärts; die Bayern aber führten auf Schiffen den Proviant den Heeren 
nach. An der Enns (Anesus, Anisa), dem Grenzflusse zwischen bayeri* 
schem und avarischem Lande, ^9» schlug Carl Lager und bereitete sich 



durch dreitägiges Fasten und Beten auf das Unternehmen vor. Von hier 
aUR kündigte er den Avaren den Krieg an. Die erste avarische Befesti- 
gung am Kampflusse (der von Böhmen her unterhalb Krems in die 
Donau fällt) und die zweite bei der Stadt Comagena (Königsstädten) 
— jene lag demnach am linken, diese am rechten Donau-Ufer — 
fielen auf leichte \Veise in Carl's Hände, Das siegreiche Heer schritt 
vorwärts bis an die Mündung des Raabflusses, wo es sich umwendete 
und über Sabaria den Rückzug antrat. Das Heer am linken Donau -. 
Ufer kuhrtc über Böhmen in die Heimat zurück. Der Feldzug im west- 
lichen Theile des Avarenreiches hatte 52 Tage gedauert* Die Avaren 
Würden, wie es scheint, durch innere Wirren an jeder kräftigen Ver- 
tbddi^ung ihres Gebietes verhindert. 

Nachdem Carl anderweitig in Anspruch genommen war, setzte t?r 
den nächsten drei Jahren den Krieg nicht fort. Als er im Jahre 795 
jen die Elbe-Slaven zu Felde war, kamen die Gesandten eines avari- 
schen Häuptlings, den sie Tudun nannten, zu ihm» um die Ankunft 
dieses Häuptlings und dessen Absicht, das Christenthum anzunehmen, 
dem mächtigen Frankenkönige zu nieklen. «Tudun t bezeichnete eine 
Würde und war kein Personenname, \\\ demselben Jahre sendete Carl 
abermals zwei Heere gegen die Avaren, das eine unter Anführung des 
Frianü sehen Herzogs Erich, dem sich der Wende Wo in i mir mit seinen 
Slavt^n anschloss, das andere unter der Leitung von CarPs Sohn Pipin. 
Nachdem der Khagan und Jugur infolge inneren Zwistes ihr Leben verloren 
hatten, konnte auch der neue Khagan den Feind nicht abwehren, der 
die befestigten Ringe erstürmte und ungeheure Schätze erbeutete. Die 
Franken eroberten jenseits der Raab L^nter-Pannonien in der Gegend 
tles Plattensees *5* bis zur Mündung der Drau in die Donau und unter- 
warfen sicli sämmtliche avarische Fürsten (Häuptlinge). Wie es scheint, 
unternahm Pipin zwei Feldzüge gegen die Avaren, jenen, in wtjlchem 
^T Pannonien eroberte, und einen zweiten, bei welchem er auch die 
Donau überschritt, die Avaren bis hinter die Theiss zurückdrängte und 
die daselbst befindlichen Verschanzungen in seine Gewalt bekam. 

Den avarisrhen Krieg beschreibt ein Zeitgenosse, Eginhard, in /öl- 
ender, allgemeiner IVeise: Nach dem Sachsen kr lege war jener der gross te^ 
^i Carl der Grosse gegen die Avaren oder Hunnen mil grosserem Eifer 
^nd umfassenderer Vorbereitung führte. Persönlich war er nur in einem 
^däzuge anivesend ; die übrigen Feldzüge Hess er durcli seinen Sohn 
Pipin 14 nd die Statthalter seiner Provinzen (Marken) führen. Diese 
kämpften mit möglichst grosser Tapferkeit und beendigten im achten 
Jahre den Krieg, IVie viele Schlachten geschlagen, wie viel Blut rer- 
güssi^n worden, das bezeugt das men selten leere Pannonien und die Ver- 
wüstung jener Gegend, 7va des IChaga7is Wohnsitz gewesen und wo heute 
tt/n menschlicher IVohnnng keine Spur anzutreffen ist. In diesem Kriege 
fielen alle Edeln der Hunnen und all ihr Ruhm ging verloren. Die seit 
so langer Zeit augehäuften Schätze wurden sämmtlich Kriegsbeute. Man 



t'tinnert sn n hTiftes Kruj^es, in 2ve!chvm die Franken skh atrart i^-rn- 
ihert hätten 7Vic in ftit'scni : bis dahin waren sie arm ^ attein Jetzt gtlang- 
ten sie zu Reichtimm. Die Franken aber nahmen mit Recht, leas die 
Hunnin vor dem ungerechter Weise von aji deren lud kern zusammen St- 
rafft iiattenr Cart vert heilte die avarischen Schätze unter seine ^etst- 
tictien und ive/t/ictien Grossen, Sereicherte damit Klöster und Kirchen 
und sc flickte aucft eine reiche Gabe nacli Rum dem neuen Papste (Leo IIIJ 
IVie es scheint^ verlor Pannonien zumeist an Einwohnern ; hier wurät 
also auch das Avarenthum Iiauptsächlicti vernichtet : andernorts erhielt 
sich dasselbe eher. 

WährentI tue brsicgten pEmnoni sehten und sagen wir, auch die 
dacischen Avarcn im Jahre 796 den Franken huldigten, ging der Tudun 
mit einem bedeutenden Theile der Avaren diesseits der Donau zu 
Carl dem Grossen, um dem geleisteten Versprechen gemäss die Taufe 
anzunehmen und kehrte dann reich besclienkt in sein Land zurück. 
Carl der Grosse verfolgte die Absicht, die Avaren dem Christenthume 
und seiner eigenen Oberhoheit zu unterwerfen. Die Unterwerfung und 
Bekehrung konnte aber nicht ohne Rückschlag erfolgen ; die getauften 
Fürsten und ihre Avaren mussten entweder ihren neuen Glauben 
abschwören oder sie verloren ihr Leben, Schliesslich verschwindet 
allerdings jedweder Widerstand; die Avaren unterwerfen sich und nehmen 
die christMche laufe an. 

V. Dil' Pifiodt der fränkisch-deuhchen Hcrrschaß, 



§ 30- 

Carl der Grosse wurde im Jahre 803 Herr des AvarenlandeS- 
Noch während des Avarenkrieges im Jahre 797 hatte Herzog Erich vo: 
P^riaul die liburnischen und dalmatinischen Slaven sowie die Croate: 
unterworfen und als er zwei Jahre später bei der Belagerung von Tersai 
einer liburnischen Stadt (in der Nähe des heutigen Fiume). gefalle" 
war, setzte sein Nachfolger^ Kadtdach^ die frankischen Flroberixngen foft- 
Das Gebiet zwischen Save und Drave^ insbesondere das alte Sirmium 
wurde in Hinkunft von den Griechen t Frankenland % (Franko-Chorion/ 
genannt. Als ob Carl die Politik der ramischen Imperatoren befolge- 
wollte, so dehnte auch er die Ostgrenze seines Reiches nicht weit^* 
als bis zur Donau, also über das alte Pannonien, aus. In dem west^ 
liehen Landstriche, am linken Ufer der Donau, w*o einst die IVIark<>' 
manen und Quaden sassen, hatten sich schon seit geraumer Zeit, vri' 
wdr wissen, (siehe oben S. gj ff.) czechische und mährische Slaven vß^ 
breitet, die sich nach den Siegen Carl des Grossen gleichfalls aus 6.et 
Joche der Avaren befreiten. Ihre Verhältnisse zu Carl dem Grosse*' 
als dieser gegen die Avaren rüstete, sind unbekannt ; nur so viel ersehe* 
wir, dass jener Theil des fränkischen Heeres, der auf dem linke 



/^ 



lOJ 



Donau-Ufer ^egen tlen Feind zog, ohne Hinclerniisse das Gebiet der 
Cjseehen und Mäbrer durchzieht. '93 Die Bewohner waren also bereit» 
Carl d^n Grossen in seinem Kampfe gegen die Avaren zu unterstützen* 
Uni;ere Quelle gedenkt zu dieser Zeit bhis des Landes Behaim (Böh- 
inen); der Name «Mähren» erscheint im jähre 822 zum ersten male 
bei den abendländischen Historikern,* woraus deuthch hervorgeht, dass 
(la.s heutige Böhmen und Mähren zu jener Zeit noch eine sehr unbe- 
tieutende Rolle in den öffentlichen Ereignissen spielt, vielleicht gerade 
m Folge der Avaren herrschaft. Nach der Besiegnng der Avaren erken- 
nen fiuch diese Volkerstämnie die Überhoheit Carl des Grossen an. 
Man weiss nicht, wie weit sich diese Bevölkerung nach Osten aus- 
flehnte; die heutige Bevölkerung der Nordkarpaten ist nur bis in die 
Zips slovakisch und es ist noch die Frage, ob die Slovaken in der That 
die Nachkommen der alten Mährer sind. 

Um die neuerworbenen Ländergebiete dem Reiche zu sichern, 
errichtete Kaiser Carl die Grenzgrafschaften oder Marken und zwar 
wurden deren zwei, eine dsiiuhe und eine südiiche Mark errichtet. Zur 
Ostmark («im Ostlande •») gehörten Unter- Pannonien nördlich von der 
Drau, ganz Ober- Pannonien und die eigentliche Ostmark, das spätere 
«(Ksttrreich 1» mit dem Traungau, Der Hauptort derselben war zur Zeit 
Carl des (jrossen LaumuHm (Lorch). Die südliche Mark war die 
J'mukr, zu welcher Frianl (Forojulium) selbst, dann Kärnten, Istrien, 
libürnien, der fränkische Theil von Dalmatien un<l das untere Panno- 
nien zwischen Sau und Drau gehörten. Kärnten ( Karantanien) umfasste 
nebst dem westlichen Theil der Steiermark noch Krain und den östlichen 
Thdl von Tirol. Hauptort dieser Mark war Aquiiejii, Jede Markgraf- 
5^'haft zerfiel wieder in Gaue und Cntergaue. An der S|>itze der mili- 
I tariijchen und civilen Verwaltung der Markgrafschaft stand dQj Markgraf 
(oder dux, Herzog) ; die V^erwaltung des Gaues leitete der Gaugraf 
\<^<jme^). Nachdem aber das Frankenreich gleich unter den nächsten 
-Nachfolgern Carfs fortwährenden Theiiungen ausgesetzt war, so begeg- 
r>en wir auch in den ^Lirk- oder Grenzgrafschaften und deren Unter- 

S-ilungen unaufhörlichen Veränderungen. 
Obgleich nun Carl der Grosse die Verwaltung der Marken den 
grafen übertrug, so beliess er doch anfänglich den einheimischen 
KTi dieser Länder ihre eigenen Fürsten, also behielten auch die 
'orfenen Avaren ihre Khagane, natürlich unter der Ueberwachung 
'treffenden Markgrafen. Auf solche Weise gewöhnten sich diese 
(Jolker leichter an die neue Ordnung der Dinge. Die Namen der mäh- 
n Häuptlinge werden uns zwar noch nicht genannt ; dennoch 




...... -«:. .«.i^^ ^.^ Slasem die Avann dicssetu öer Dooatt bedräagar 

«etiialb im Jalire S05 der Khagan vor den Kaiser Klagre erhebt un^ 
HtHel» das» mtsm ihm gr^taCMi Böge» ikh mit seincin Volke z^\$dt\ 
»Sdiarü md Carmmmimm nkdenalaBseii. d& sie m ihnen allen Wobn^ 
üisatn dits S{2vm wefcn niclil ToMeibeB köciaeii. Der klagende Kiu]^ 
i^t Chrint md fohrt den Namen Theodor. 0er Kaiser empfing Im 
'^j^dig, erfaßte «doe Bctie tmd entliess ihn beschenkt in seine Heimat 
Ab baki nach seiner Rückkehr ThecNlor starb, ^tile man einen anden 
Kha^an dn, der eine Gesandtschaft Vornehmer zu Cari entbietet ml! 
#Iem Ansncben, dass er ihm jene alte Wurde, welche der Khagan bc 
«Un Avaren (Hannen) be^ass, rerleihen möge. Carl that dies und beüibi 
daas der Khagan nach altem a\'ariscbem Gebrauche die volle Würd 
dne» Khagans haben jMjUe. "^ Wie es scheint wurde dieser Khagan ii 
Jahre 805 im Flusse Fischa getauft und erhielt dabei den NaiQi 
Abniham-*«« Ein bemerkenswert her UmÄiand ist es, dass diese Av 
vom linken Donau *Ufer nach dem rechten gebogen waren. Dies 
Landstrich war nämlich durch den Feldzug Carlas im Jahre 796 Vi 
wÜHtet and entvölkert worden, darum fanden die Ävaren hier Ansii 
Uing^raum. •Heerfuhrung» und «Verheerung» ging übrigens auch späl 
miteinander, was schon die sprachliche Verwandtschaft beider Ausdriic 
anzeigt. Noch sei daran erinnert, dass die Gegend zwischen Sabaria 
Camuntum schon früher als tBojerwuste» bekannt war (siehe oben S, 

Die Uebcrsiedelung machte indess den Streitigkeiten zwiscbe^^ 
Avarcn und Slaven kein Ende ; denn der Kaiser war im Jahre S i 
gezwungen ein Heer zu ihrer Beilegung zu entsenden. ^ Was d* 
Hrerführer gclhan, ist unbekannt ; vielleicht überliessen sie die endgiltig 
Knischeidung dem Kaiser; denn in demselben Jahre erschienen der Kh^ 
gan, Tudun und andere Vornehme iprimores) der Avaren und (fi 
FürsttTn der Slaven auf Geheiss der Befehlshaber jenes Heeres i* 
kiiiserlichen J^alaste zu Aachen (Aquis). Bei dieser Gelegenheit begegne 
wir Äimi letzten male dem «Tudun». Eine gewisse Selbständigke?^ 
bewuhren die Avaren auch später noch einige Zeit ; auf einem Reich^^ 
tag«' zu Fnmkfurt am Main erscheinen nämlich im Jahre 822 vor Lurf 
wig dem Frommen auch avarische Gesandte mit Geschenken, wie d^ 
bei trihut[irtiihti;>en Völkern Gewohnheit istJ^? Das ist die letzte avar« 
»che (ji'saiidischafu von welcher die Chroniken P>vvähnimg thun. Es 
ist wahrst'hetnlich, dass es hernach keinen Khagan mehr gab, weil ein 
Mülcher zur f^eitung der rhristiaiiisirten Avaren nicht mehr nöthig war. Die 
Avaren dauerten hIkt noch als Christen und Ackerhauer fort und gleich 
den übrigen Bewohnern mussten auch sie den Bodenzins (Zehent) bezahlen 
waren also der Kirche /.insi>liichtige Leute geworden. Aber ausser deir 
iewrifel halten « N'etvilr^ vcm welchem später die Rede sein wird, kennen 



I03 

wirkeinen einzigen avarischen Ortsnamen ; ihr Gebiet wird jedoch m dem 
berühmten Vertrag von Verdun im Jahre 844, ja noch bis gegen das Ende 
des neunten Jahrhunderts häufig «iHunniin» oder «Avariem» genannt, ^9^ 

Unter-Pannonien war im avarischen Kriege noch mehr verwüstet 
vrorden. Dort verschwanden alle Edeln der Avaren ; was an gemeinem Volke 
vorhanden geblieben, bebaute natürlich gegen Königszins noch um 870 
den Acker. ^99 Die bayerischen Deutschen und karantanischen Slaven 
nahmen nach Belieben Grund und Boden in Besitz; am eifrigsten 
enviesen sich darin die bayerischen Klöster. Der Kaiser bestätigte ihnen 
dann von Zeit zu Zeit diese Occupationen. «Unser Herr Grossvater 
CarU, so heisst es in einem Diplome Ludwig des Deutschen für Nieder- 
altaich, ♦'crtheilte seinen Getreuen die Erlaubniss zur Vermehrung des 
Kirchenbesitzes in Pannonien Land zu nehmen und zu besitzen, was 
bekannüich an vielen Orten und auch zu Gunsten dieses Klosters 
^e^hehen ist.»^<>'* Die Ansiedler waren also theiLs Deutsche» theils 
Slavßn; letztere ebenfalls meist neu eingewandert, weil die unter den 
Avaren vordem sesshaften Slaven im Kriege gleich ihren avarischen 
Herren zu Grunde gegangen waren. Unter den neuen Bewohnern ent- 
^ckelt sich bald ein bedeutsamer Unterschied ; die Deutschen» ins- 
besondere die Herren und Geistlichen (Kirchen und Klöster)» betrach- 
teten hald die Slaven als Knechte und daher kommt es, dass schon in 
tiiivT Urkunde Kaiser Ludwig' s des Frommen vom Jahre ^iH der Name 
der Slaven zur Bezeichnung; der Leibeigenschaft (Slaven = Sklaven; 
gebraucht wird*-^* 

In der südlichen Markgrafscbaft folg^te, wie erwähnt, auf Erich 
Kadolach (799 — H19), auf diesen Baldrich» der mit dem Mark-Grafen 
in (Ilt Ostmark, Gerold, gemeinsam als «Wächter der avarischen Grenzen 
l>e!it'ichnet wird.**^* Kadolach (Cadolaus) scheint die Slaven zwischen 
<J<Jr Drau und Save ungewöhnlich hart behandelt zu haben; deshalb 
«empörte sich deren Fläuptling Liudewit, der zu Sissek seinen Sitz hatte, 
wrl'ü Nachfolger, Ludwig der Fromme, sendete in Folge dessen im 
Jahre 819 ein Heer gegen die empörten pannonischen Chorwaten. 
J-'udewit blieb jedoch in diesem Jabre vielfach siegreich gegen die 
*'Tanken und deren dalmatinischen Vasallen, den Chorwatenfürsten Borna 
^^ Dalmaiien. Darum wurde im Jahre 820 ein grosser Feldzug gegen 
Uudewit unternommen. Und da der chor^atische Fürst Borna in Dal- 
^Ätien den Franken fort die Treue bewaiirte, konnte Liudewit den 
^rei Heeren nicht lange Widerstand leisten, ja er selbst wurde im 
Jahre 823 von einem Verwandten des Borna, bei dem er Zuflucht gesucht 
hita, getödtet. Liudewit's Nachfolger ward Ratimir oder Ratimar, dem 
Wrir noch später begegnen werden. Allein nicht nur die pannonischen 
md dalmatinischen Chor waten (Croaten) hatten sich den Franken unter- 



io6 

worfen, sondern auch die Slaven am Timokflusse (Timotschaner) ; feraer 
schickten die Ostabotriten oder Branitschewzer und andere slavische 
Volksstämme an der untern Donau Gesandtschaften zum Kaiser Ludwig 
dem Frommen (822) und waren geneigt, fränkischer Oberhoheit zu 
huldigen. Durch diesen Anschluss der niederdanubischen Slavenvölker 
breitete sich das Frankenreich bis in die Nachbarschaft Bulgariens aus 
und es entstand auch eben wegen dieses Anschlusses Krieg zwischen 
Franken und Bulgaren. Das fränkische Reich erstreckte sich nämlich 
in dem sirmischen Frankochorion bis nach Singidunum, von den slavi- 
sirten Bulgaren Belgrad (Bjelogrado, Weissenburg) genannt, wo es mit 
dem Bulgarenreiche zusammentraf. 

§ 31- 

Wir haben oben (S. 91) gesehen, dass der vierte Sohn des Bulgaren- 
fürsten Kubrat mit seinem Heere nach Pannonien zog und sich daselbst 
unter der Oberhoheit des Khagans niederliess. Theophanes, der uns 
dies berichtet, erzählt die Geschichte also: «Zwei von den Söhnen 
Kubrat's überschritten den Fluss Ister oder Danuvius, der eine wen- 
dete sich nach dem avarischen Pannonien und unterwarf sich dem 
Avaren-Khagan, der andere zog nach Italien etc.Ä^oa Der Historiker 
Engel verstand dieses dahin, dass der vierte Sohn Kubrat's.als avari- 
scher Vasall in Pannonien blieb ; dass jedoch die Gegend zwischen der 
Theüs und Maros sein Hauptsitz wurde, wo er auch über die daselbst 
wohnenden Slaven herrschte, ja, um seinen Rücken zu decken, diese 
sogar von der Donau weg in die gebirgigen Theile Oberungarns über- 
siedelt habe. 204 Auf solche Weise, meint Engel, habe er ein neues 
Capitel der Geschichte Ungarns, nämlich ^.das Theiss-BuUjarien^ ent- 
deckt. 2°s Indess steht von alledem bei Theophanes kein einziges Wort. 
Nachdem dieser Geschichtsschreiber (f 817) das Pannonien Avariens 
so deutlich hervorhebt, '^^ darf man darunter keineswegs das avarische 
Dacien verstehen. Dass damals zwischen Theiss und Maros auch schon 
Slaven wohnen konnten, kann man nach Theophanes weder behaupten 
noch verneinen ; dass aber Kubrat's Sohn diese Slaven in die Karpaten 
angesiedelt habe, ist ein deutlicher Zusatz Engel's. Nichtsdestoweniger 
wird seine Entdeckung von den Historikern festgehalten. Schafarik 
schwächt dieselbe anfänglich noch etwas ab, indem er sagt, dass der 
vierte Sohn Kubrafs sich in Pannonien dem Avarenkhagan unterworfen 
und, wie es scheint, an den Ufern der Theiss und Maros angesiedelt 
hätte. 2°7 Später behauptet er jedoch diese Ansiedelung entschiedener 
und dehnt dieses Bulgarien sehr weit aus, wie wir das sogleich sehen 
werden. Dudik hält es schon für gewiss, dass eine Horde der Bulgaren 



m jenseits der Theiss gelangt sei und die hier wohnenden Avaren 
mterjocht habe, ^^'^ 

Nach der Auflösung des avarischcn Reichei^ flÜLiiteten ohne 
Zweifel viele von den besiegten Avaren zu den Bulgaren, über welche 
tamals (803 — 815) Krumtis oder Kremus herrschte; denn in dessen letztem 
Feldzuge gegen Constantinopel (814) bestand sein Heer aus Bulgaren, 
Avaren und anderen Slaven.^'^'« Nach der Auffassung Engel's war der 
Sieg der Franken im Jahre 798 der Todesstoss für das avarische Reich, 
fttr das «Theiss-Buigarien» aber der Weckruf zum Leben, da er annimmt» 
tlass Krem Qif erstli eil dieses dTlieiss-Bulgarien» beherrschte, bis er dann 
unter dem Namen Krumus auch Herr über die thraki sehen Bulgaren 
wurde, '^^ Kremus wäre also bis zum Siege der Franken Unterthan, 
dann Beherrscher der Avaren an der Theiss gewesen, so lietrachtet 
Engel die Sache. Woher er jedoch diese Ansicht genonimen, weiss 
K"h nicht ; er selber deutet dies auch nicht an. Aus den byzantini- 
schen Quellen ist nur bekannt, dass nach Czerigos der Bulgaren fürst 
Kardamus fünfzehn Jahre (785 — 800) mit den Kaisern in Constanti- 
nopel kämpfte und auf Kardamus folgte Krumus oder Kremus. Alle 
kliere Fürsten eröffnen jedoch ihre Kriegszüge stets aus dem Bulgarien 
jenseits der Donau. Schafakik acceptirt das von Exgei. gefundene 
•nieiss-Bulgarieni» und schreibt ohne Berufung auf eine Quelle, wie 
foljft: .*Die Herrschaft des Krumus erstreckte sich auch über das 
östliche Ungarn und die Walachei ; letztere gehörte wahrsrhaniich vom 
Anbeginn zum bulgarischen Reiche ; das östliche und südliche Ungarn 
aber gelangte erst nach der Vernichtung des avarischen Khanates (im 
Jahre 7981 an die Bulgaren, Es isi wahrschdniich, dass nach dem Falle 
de^ Avarenreiches auch die Theiss-Bulgaren sich ihren Brüdern jenseits 
tier Donau anschlössen und dadurch vergrösserte sich das bulgarische 
:h bis nach Pest und in die Berge der Matra und Karpaten,»^" 
lass dieser grundlosen Annahme erklärt sodann Schafarik auch 
folgende Thatsachen, Krumus eroberte im Jahre %ii die Stadt Debelos 
^ schwarzen Meere und siedelte deren Einwohner sammt ihrem 
öii^chofe in eine andere Gegend (in aliam regionem) an, d. i., bemerkt 
^<^Hafarik, nach Ungarn» =^^* Und doch ist von einer Stadt am schwarzen 
Meere die Rede; weshalb dann die *■ andere Gegend w gerade Ungarn 
•»^TU sollte, ist nicht einzusehen. — Als Krumus im Jahre 813 die Stadt 
Ädriönopel einnahm, schleppte er eine grosse Menge Gefangener in 
tks Bulgarien jenseits des Isters,='3 also nach Ungarn, meint Schafarik. 
ta VerhäUniss imt Lage Adrianopels ist aber * Bulgarien jenseits des 
» die heutige Walachei. Schafarik setKt hinzu: «Die Ansiedelung 
ieler Christen, unter denen sicherlich auch Geistliche w^ren, 
6e/orderte ungemein das Christenthum in Bulgarien^ ^^^ wobei er jedoch 



jo8 

nicht bemerkte, dass er selbst diese Ai-usHerun^^ auf das transdanubisch 
d. i. das eigentliche Bulgarien bezog» welches auch in der Th;it bi 
nachher christlich wurde, indess von dem Christenthume des vorgebKchi 
«TheisÄ-Bulgariensi» kein Mensch etwas weiss. Ueber dieses tThd 
Bulgarien« äussert sich auch DümmliiR folgendermassen : «Aus Eini 
nnd Anderem lasst sich schlitssen, dass die Bulgaren ausser ihn 
eigenen Lande, das von ihnen den Namen fiihrte, auch das alte Dati 
auf dem linken Ufer der Donau in Besitz nahmen, sich also di 
grössten Theil des avarischen Erbes angeeignet hatten. »^'5 Wir hab( 
jedoch gesehen, dass man einen solchen tSchluss nicht ziehen kana 

In neuester Zeit erwähnt noch ein Schriftsteller der Theiss-Bi 
garen, indem er die F'urchtbarkeit der Magyaren dadurch hervorh«) 
dass er bemerkt, stiLsf die mäihiigtn l'ktiss- Bulgaren sekn gcsivun^ 
gtwesin, ihnen als ihren Herren Gehorsam zu leisten ; und zur Beki 
tigung dieser Ansicht beruft er sich auf das Werk des Constantin 
Porphyrogenitus (De administrando imperio 15, 38, 40)/***^ Allein H 
MÜLLER lebt entweder diesbezüglich in einer argen Täuschung od 
hat die citirte Quelle nie gelesen, in welcher von ^Srhiiafz-Buigarii 
(fidv^n BowAya^j«)^ d. 1. von dem Bulgarien an der Wolga die Rede 
in das die Russen einzuf^illen pflegten. Eines Theiss-Bulgariens geddl 
Constantin mit keinem Worte. 

Es ist in der That interessant zu untersuchen, was Engel 
einer solchen Interpretation der citirten Stelle des Theophanes vei 
lasst haben konnte ; denn alle übrigen Historiker folgen nur Engel oi 
ScHAFARiK. Enciel wurde df/n/i die htutigc EAisitnz der Walafhvn in 
T/jt'ikft diessa/s der Thrias auf jene Erklärung des Theophanes geleil 
*<Die Byzantiner I», sagt er, «versetzten die neuen Ansiedelungsorte in 
Bulgarien jenseits des Isters, d. i. in die Gtgtnd an dir Thass. \ 
glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, dass auf diese Weise za 
reiche Dako-Romanen, die in Adrianopel und sonst in Thracien wol 
ten, nach Ungarn und Siebenbürgen gelangt sind und von diö 
Colonien stammen die heutigen Walachen in Ungarn und Siebenbürj 
ab."» ='7 Allein diese Annahme widerlegt die walachische Sprache selb 
die erst nach der Slavisirung und Christianisirung der transdanubisch 
Bulgaren sich jenseits der Donau gebildet und darum von diesen B 
garen auch die cyrillische Schrift angenommen hat. Wenn die V 
Krumus hierher angesiedelten Dako-Romanen die Vorältern unse 
heutigen Walachen gewesen wären ; dann wurden diese nicht nur 
lateinische Schrift beiliehalten, sondern namentlich in Siebenbürj 
auch die Traditionen an die Römerzeit erneuert und fortgesetzt habi 
wovon jedoch keine Spur zu entdecken ist. 



lOQ 

Was bezeugen also die byzantinischen Chroniken ; denn die abend- 
ändischen Schriftsteller reichen noch nicht bis hierher? Siebezeugen, 
ass in der Mitte des siebenten Jahrhunderts sich die Bulgaren in 
^annonien, d, i. (für uns) in Ungarn jenseits der Donau unter avari- 
[cher Oberhoheit niedergelassen haben und alsdann mit den Avaren 
öllig verschmolzen sind : denn zur Zeit der Eroberung Carl des Grossen 
erscheinen hier keine Bulgaren. Auch darüber besitzen wir historische 
teugnisse, dass die Bulgaren nicht in die Gegenden an der Theiss, son- 
üem in die heutige Walachei ihre griechisch-romanischen Gefangenen 
tjschleppt haben, « In den Tagen des Theophilus war Kordyles Statt- 
alter in Macedonien. Dieser Hess seinen Sohn Wardas unter den mace- 
Jonischen Gefangenen jenseits der Donau (in der heutigen Walachei) ; 
r selbst begab sich nach Constantinopei, um dem Kaiser seine Absicht 
rar Befreiung der Gefangenen mitzut heilen. Damals war Krumus' Sohn, 
^Valdimer, Fürst der Bulgaren, Diese wollten die Heimführung der 
Ltefangenen verhindern und baten die Ungarn um Hilfe. Mittlerweile 
langten aus Constantinopel die Schiffe für die Ge/angenm an (die Schiffe 
Kimen also zur See in die Donau nach dem östlichen Theile der heu- 
tigen Walachei). Aber plötzlich erschienen daselbst die Hunnm in 
l^osser Anzahl und erklärten, die Macedonier könnten gehen, wohin 
»le wollten, doch müssten sie all ihre Habe zurücklassen. Nachdem die 
Macedonier darauf nicht eingingen, ergrriffen sie die Waflen und ver- 
trieben die lurken.^''^^ Dies geschah im Jahre 836. Daraus ist ersichtlich, 
dass die raacedonischen Gefangenen in der That nach der heutigen 
Walachei geschleppt worden waren, von wo sie zu Schiffe auf der 
Donau und dem schv^-arzen Meere in die Heimat flüchten wollten. 
Wir können darum getrost annehmen, dass die Bulgaren ihre f befan- 
genen auch zu anderer Zeit dahin brachten, weil dieses Gebiet ihnen 
nahe lag und der Verkehr mit demselben fm sie jederzeit ungehindert 
war. Gegen die Theiss zu wäre das kaum der Fall gewesen ; denn 
hier trafen sie auf dem Wege ihre westlichen Nachbarn^ die Serben, 
^ekhe ihnen entgegen treten konnten. Die obcitirte Stelle des Leo 
^irammalicus setzte ich übrigens auch deshalb wörtlich hierher, weil 
derselben die Magyaren ^um ersten Male mit sammtlichen drei 
en: Ungani, Hunnen und Türkin, womit sie bei den Byzantinern 
benaiint werden, aufgeführt sind. 

Mit historischer Gewissheit kann man nicht angeben, was jenseits 
Theiss und in Siebenbürgen während der fränkisch-deutschen 
"en-schaft in Ungarn geschehen ist. Nur aus den Ortsnamen lässt 
**t^li folgern, dass jene Landestheile allmäüg und unbemerkt von 
Slawen besetzt wurden. Es verdient die gross te Beachtung, dass von 
öen römischen Ortsnamen in ganz Dacien kein einziger erhalten blieb, 



no 

was ein völüger Beweis davon ist, dass die römische Tradition gänili< 
erloschen war. Weitere bezeugt dieser UmKtand aber auch, dass (j 
römisch oder lateinisch redende Bevölkerung» die AureÜanus d\ 
xuriickgelassen hatte (siehe oben S. 49), in der Zeit der aiife^inandt 
folgenden Gothen-, Hunnen-, Gepiden- und Avarenherrschaft dera 
umgestaltet wurde, daüs sie auch nicht die kleinste Erinnerung an d! 
Römerzeit bewahrte, sondern deren zahlreiche Denkmale gleichgilt 
und ohne Verständniss betrachtete. Auch die vorrömischen, dakisclw 
Namen lebten nicht wieder anf, ein entscheidender Beweis von dß 
gänzlichen Verschwinden der Dacier nach der Römerperif>de. Auf d< 
Trümmern der dakischen Hauptstadt Sarmiztgtihusa und der rÖmisHihl 
llpia Tnijana steht heute am Fusse des herrlichen Retyezät ein wJ 
chisches Dorf, dessen einer Name, Gredistye, slavischen» der andej 
\'arhe]v, magyarischen Ursprunges ist, beide Namen bedeuten so 
als «t Burgflecken», Die walachischen Bewohner von heute umgrenl 
ihre Gärten mit Bruchstücken römischer Steine und Ziegel ; i 
Schweine fressen aus Trögen von römischem Mosaik und ihre Kim 
spielen auf den begrasten Mauern des römischen Amphitheate 
welch ein Wandel in den ethnographischen V^erhältnissen und zugle 
welch vielsagender Beweis von der tiefgehenden Veränderung in 
ursprünglichen Bewohnerschaft Daciens ! Die dakische Bevölkef 
würde den Namen «Sa^mizegethusa^ die romische «Ulpia Trajai 
forterhalten haben; «Gredistye» stammt von Slaven, die weder von 
Daken, noch von den Römern etwas wussten ; die heutigen rmni 
sehen oder walacliischen Einwohner aber bekamen die letztere Beai 
nung von den Slaven. Nach dieser Disgression, welche wir des vorj 
liehen «Theiss-Bulgariens» wiegen machen mussten, kehren wir abeni 
zur Fortsetzung unserer historischen Erörterung zurück. 

Wir haben gesehen (siehe oben S. 106), dass nicht nur 
Croaten, sondern auch die am Timok {Grenzfluss zwischen Serbien 
Bulgarien) wohnenden Bodriczen und Kutschanen sich von den I 
garen lossagten und im Jahre 818 den Franken anschlössen.'^» 
erw'ähnte Borna war auch mit seinen Kutschanen von den Bulgare! 
den Croatun in die Nähe der Franken gezogen»*=° Der bulgaris 
Fürst Mortagnn oder Omortag wollte die Abtrünnigen zurückbring 
Deswegen liebten diese im Jahre 822 und 824 bei Kaiser Ludwig 
Frommen um Hilfe. Es verkehrten auch in den Jahren 824 und 
Gesandte zwischen dem Kaiser und den Bulgaren ; allein die Einigi 
kam nicht zu Stande. Demzufolge brachen die Bulgaren im Jahre 
auf der Drave in Pannonien ein und vertrieben die fränkischen Beam| 
Der Kaiser entsetzte zwar deshalb den Nachfolger Kadolacb*s, Balderi 
im Jahre 828 seines Amtes ; aber die Bulgaren wichen durch mehi 



ahre nicht. Dennoch macht sich Ratimir oder Ratimar^ der Nachfolger 
las Liudewit, unabhängig von den Bulgaren (um 836) und sowohl die 
laven als auch die Bul^rarcn leben in don Jahren 842 und H52 
n gutem Einvernehmen mit Ludwig dem Deut,sChen (dem Sohne 
Ludwigsi des Frommen). Als der zweite Nachfolger Mortagtui's, Bogoris 
der Boris, Christ geworden war (im Jahre 859), wobei er den 
STamen «Michael» angenommen hatte» entwickelte sich zwischen Bili- 
aren und Franken ein ganz neues Verhältniss, Die bisher erzählten 
Corfälle geschahen an den Ufern der Save und Drau, also in Pannonien, 
ichi in Dacien, 

§ 32< 

Die erobernden Römer brachten ihre staatliche und gescllschaft- 
Uche Ordnung den unterjochten Völkern, welche dadurch mehr weniger 
romanisirt wurden. Die erobernden Franken besassen keine eigen th um - 
liehe Civilisation ; sie ahmten jedoch die Römer darin nach, dass sie 
den christlichen Glauben unter die von ihnen besiegten Völker ver- 
hreiteten. Ihre Eroberungen gingen daher Hand in Hand mit der 
Bekehrung zum Christenthurne ; dies beweisen nicht blus die Kriege 
der Franken gegen die Sachsen, sondern auch ihre Kämpfe mit den 
Slaven und Avaren, Schwert und Kreuz traten hier stets vereint auf. 
Alte Grepznachbarn der Avaren und Slaven waren die Bayern (Bagoa- 
ren, Bavuaren) ; bei diesen war das C bristen ihum der Franken herr- 
laft vt prange gangen. Zur Zeit des Fürsten Theoto (um 696) begann 
heilige Rupert, Bischof von Worms, die Verbreitung des Christen- 
ims unter den Bayern und nachdem er vernommen, dass am Ivar- 
isp 'die heutige Salzach) in Juvavum sehr schöne alte Gebäude 
en (auch in Norikum war die Erinnerung an die Rumerzeit gänzlich 
kschen) und er den Ort persönlich besichtigt hatte, liess er sich 
selben vom Fürsten schenken- Dort erbaute er zu Ehren des heiligten 
Petrus eine Kirche und stiftete so das Bisthum von Juvavum oder 
zburg. Als im Jahre 796 Pipln, der Sohn Carl des Grossen, das 
sdanubische Avarien von der Raab bis zur Drau unterworfen hatte, 
•übertrug er kraft der ihm verliehenen Gewalt das hunnische und sla- 
wische Volk der Fürsorge und dem Unterrichte des Bischofs Arno von 
Juvavum, bis sein Vater eine andere Verfügung treffen würde», also 
gerichtet eine Geschichtsqueüe."' Carl kam im Jahre 803 nach Bayern 
bestätigte die Verleihung seines Sohnes, ja er erklärte selbe für 
bänderlich. *** Demgemäss wetteiferte Arno mit Paulinus, dem 
^»J<chnfe von Aquileja, in der Bekehrung der Avaren und Slaven. 
•Wschen dem salzburgischen und aquilejischen Bisthum bildete die 



Drau die Grenze;"^ ostwärts erstreckten sich beide Diöt:esen bislftl 
die Grenze des fränkischen Reiches» d. i. bis zur Mündung der Drau 
und Save in die Donau. Aber die alte Hauptstadt Pannoniens, Sinniunrl 
im sot^enannten «Frankenlande» (Frankochorion\ lebte nicht wiederl 
auf, wiewohl sie im vierten [alirhundert der Sitz eines Erzbischofs und 1 
nicht selten der Aufenthalt der Kaiser gewesen und darum auch dcrJ 
sirmische Erzbischof nach der Metrupolie in Illyricuni gestrebt hatte. Die | 
Bedeutung dieser Stadt war zu jener Zeit um so grosser, als man J^n 
heibgen Andronikus, den (iefahrten des Apostels Paulus» für den erstes j 
Bischof von Sirmium hielt. Nachdem aber die Hunnen unter AÜ 
die Stadt erobert hatten und diese nach einigem Wiederaufleben : 
in die Hände der Gepiden und endlich im Jalire 582 in die Gew 
des Avarenkhagans Bajan geralhen war (wobei ihre Bewohner, alsal 
auch der Bischof, die Stadt verliessen), konnte sie sich nicht wiedcf| 
erholen. ="^ 

Das Bisthum Salzburg wurde zur Zeit Carl des Grossen zUTttl 
Erzbisthum erhoben ; zwischen diesem und dem Passauer Bisthum wurdfrl 
im Jahre 829 der Raabfluss zur Grenze bestimmt. -"^s Die Salzburgerl 
Erzdiöcese umfasste also in Avarien oder Nieder-Pannonien das LanAl 
von der Raab bis zur Drau ; zum Passauer Bisthum aber gehörte dai 
Gebiet vom nordwestlichen Cfer der Raab angefangen soweit, als iml 
Westen Ungarns jenseits der Drinau sich die Macht der Avaren erstreckt 
hatte* Die weiteren Tbelle dieser Diöcese umfassten Oesier/eich unoi 
Mähren diesseits der Donau, doch war in letzterem Lande das Recb^ 
der Passauer Kirche unbestimmt. 

Hier (in Mahren) treten um das Jahr 830 zwei Männer in htjH 
vorragender Weise auf den historischen Schauplatz : Prhvtna in Keit 
(Nitrawa) und Mojmir oder Mojmar jenseits der March (Morawa) ifltl 
unbekanntem Aufenthaltsorte ; es sind die ersten mährischen Häaplj 
iinge, deren Namen die Geschichte kennt. "^ Allein wir treffen s^ 
auch sogleich in Zwietracht. Priwina fluchtet sich zu Radbod, del^ 
Markgrafen in der Ostmark. Dieser stellt ihn dem Könige Ludwig wot 
lässt ihn im Christenthnm unterrichten und taufen. Adalram, Erzbisch^ 
von Salzburg, dessen Suffragan der Passauer Bischof war, consecrir 
eine Kirche in Neitra,^^? die somit die erste christliche Kirche unt< 
allen nordwestlichen Slaven, also auch in Ungarn diesseits der Don£ 
war. Man weiss nicht, weshalb Priwina mit seinem Sohne Kozel sie 
auch von Radbod erstlich zu den Bulgaren und von diesen zu Raiimi 
oder Ratinuir llüchtete. Gegen diesen schickte der bayerische Koni 
Ludwig im Jahre 858 ein Kriegsheer ; denn Ratimir scheint nach Unat 
hängigkeit gestrebt zu haben. Priwina und dessen Sohn mussten neueil 
dings die Flucht ergreifen und zwar flohen sie zu Salacho, dem Grafel 




Karantanien. Dieser versöhnte sodann den Mährerfürsten sowohl 
mit Radbod als mh dem Köni^^e, Bei letzterem gewann der omh er- 
ebene Priwina besondere Gunst und König Ludwig überliess ihm 
Kutzniessung (in benelicium) einen Theil von Nieder- Pannonien*^* 
am Flüsschen Zaia oder Szala. Priwina nahm daselbst seinen Wohnsitz» 
erbaute am Szalaflusse in einem waldigen Sumpfe eine Veste (muni- 
men), in die er von allerwärts Einwohner sammelte. Um die Burg 
herum entstand allmälig eine Stadt, die ani^nglich « Priwina-Stadt » 
(civitas Privinae), später Most2purk genannt wurde. Als eifriger Christ 
erbaute Priwina in seiner Stadt drei Kirchen, eine durch Bauleute, die 
ihm der Erzbischof von Salzburg geschickt hatte. Ausserdem liess er 
Kirchen erbauen zu Saiapiug (Salabug), Dudleipi, Ussiti, Businica, 
Fettau (ad Bettoviam), Stepilberg, Lindolfskirch, Keis, Wiederhers- 
oder VVeitersherrS'kirch, Isangrims-kirch, Beatus-kirch, Ottakars-kirch, 
Paldmunts-kirch und «ad Quinque Basilicas», anders «Quinqee Eccle- 
siae», also im heutigen Fünfkirchen (magyarisch «Pecs*).^*» König 
Ludwig war mit dem Verhalten Priwina's derart zufrieden, dass er im 
Jahre 848 demselben als Eigenthum verlieh, was er ihm vordem blos 
2Ur Nutzniessung überlassen hatte, mit Ausnahme der Besitzungen, 
welche der Salzburger Erzbischof dort hatte, 

Mojmir war nicht so treu als Priwina, darum führte Ludwig im 
JÄhre 846 ein Kriegs beer gegen denselben, brachte den Mojmir in 
^eine Gewalt und setzte anstatt seiner dessen Neffen Rastiz oder 
Rastislaw ein, der seinen Oheim verrathen hatte. Aber Ludwig musste 
bald darauf, im Jahre 855, auch gegen Rastiz das Schwert ergreifen, 
^t>ch mit wenig Erfolg. Im Jahre 856 übertrug der König die Ostmark 
seinem Sohne Carlmann, der sich jedoch gegen seinen Vater empörte 
^d mit Rastiz ein Bündniss schloss. Vielleicht mochten die Empörer 
den getreuen Priwina als ein bedrohliches Hinderniss betrachtet haben: 
^«nn im Jahre 859 wurde Priwina von den Mähre m ermordet. Sein 
Sohn Kozel suchte Schutz bei dem Könige und wurde im Jahre 861 
^^r Nachfolger seines Vaters, doch nicht in dessen ganzem Besitzthum, 
<la ein Theil davon als Gau Dudleipa abgetrennt wurde. *3o Bei Kozel 
*D Mosapurk verweilte noch im Jahre 865 zu Weihnachten der Salz- 
Ur^er Erzbischof Adalwin, der in diesem Jahre auch eine Kirche dort 
t^onsecrirte. Adalwin konnte sagen, dass «die Kirche zu Salzburg schon 
^eit 75 Jahren die pannonischen Kirchen leite, als ein Grieche namens 
«lethüdius dieslavische Schrift erfand und die lateinische Sprache, die Wis- 
^eniichaft der römischen Kirche, die lateinischen Briefe des Papstes sowie 
l^s Ansehen Derer, welche die Messe, das Evangelium xmd den Gottes- 
liensl in lateinischer Sprache lesen und halten, mit seiner aufgeblasenen 
'Wlosophie bei dem slavischen Theile des Volkes verächtlich machte. »^^'^ 

falvy, Ethnügr. " 




D?t«> Hc-rzo^- oder Fürstenthum (ducatus) Priwinas und Kozels, 
r\f'.T\u ;iUo '.vurdo es g^enannt, ist ein wichtiges Moment für die Ethno- 
'/rri[,\üf'. l'uirurri-!. Die Grösse dieses Territoriums lässt sich daraus erken- 
n^r», ''l/'i .-. ^;iri#;rseits Pettau Bettovia) an der Drau in der heutigen 
^*^.;<'-.rfrj;rrk, anderseits Fünfkirchen (ad Quinque Basilicas oder Quinqoe 
K' ' i''.:i/V:^ irn jetzi;a:en ungarischen Comitate Baranya innerhalb seiner 
^/r«-.fi/':fi Vri'j^fzvi, Die Gegend am Szalaflüsschen bildete den Kern des 
V 'if-\r*\u\u*izu':. Die hier ansässig gewesenen Avaren hatte der Mark- 
yf.'/. Lr.',U im Jahre 796 besiegt und Carl des Grossen Sohn, Pipin, 
f,*-.. >.^..'.':r Kü'^-kkehr vom Feldzuge an der Theiss in demselben Jahre 
':.'•. /v.::/.j.r;n der Raab und Drau, also in der Gegend des Pelissa- oder 
' /'■;:::/;;.- .*f':e"s wohnenden Avaren und Slaven der geistlichen För- 
i^.."/*-, ;':.' .SaJzburger Kirche anvertraut. Die unter den Avaren wohnen- 
•>,r, '':.i'.frn ^^eriethen also jetzt mit ihren einstigen Herren in densel- 
'.*:.'. yyA\r-:<.hcr\ und socialen Zustand, ja, wie es scheint, wyrden sie, 
triA^^'A'zT :n Folge der gleichmässigen Kleidertracht oder weil sie eben- 
da.. > jl'riden waren, für identisch mit den Avaren gehalten.. Zahlreidi 
ii'4.f 'ias übriggebliebene Volk keineswegs ; denn wir lesen, dass nach 
'jejj vertriebenen Hunnen, d. i. Avaren, die einwandernden Slaven hier 
■Jij'i dort ihre Wohnungen aufzuschlagen begannen. =32 Mit den Geist- 
j' L^rij und Klöstern der Salzburger Bischöfe zogen auch ba}Tische 
j>'r!j\^^he in diese Gegenden und vermehrten sich daselbst so sehr, 
OiiJr, nach den Kirchorten zu schliessen, sie fast die Majorität ausmach- 
v.u. Unter diesen Namen befindet sich auch «Salapiugi = Salabug. 
Zur Zeit der Römer gab es auch eine Stadt Fhxum odti ad Flexumn 
<i<rr Leitha; der Name stammt offenbar von der Gestalt des Flusses. 
Auf dieselbe Weise bildete sich bei den bayrischen Deutschen der Name 

♦ SaJabug» = «Bug, Biegung der Salai; wie es z. B. auch heute iffl 
S/olnoker Comitate jenseits der Theiss zwischen Värsäny und Martfä 
*rJnen Ort Tiszahajlat ( = Theiss-Bug) gibt. — Das Szalaflüsschen 
fliegst von « Szalafej » ( = Kopf, Ursprung der Szala) angefangen, bei 
«Szalalövö» (Szala-Schützen) und « Szala-Egerszegt bis « Szalab^r » nord- 
ösjlJi'h ; hier bildet es eine Biegung oder Krümmung von Norden nach 
Süd'rn und wendet sich nach Szent-Gr6t, Szala-Szent-Läszlö, Szalaapdti 
'jjj'i Szala-wir, bis es in dem Sumpfe des Plattensees verschwindet. Das alte 
•- >aJabij;.f » stand demnach un fraglich an der Stelle des heutigen SzalaWr. 
J''f:wj;j;i: Stadt wurde später Mosapurk, d. i. im Althochdeutschen = 
M'Jthur-/ i(t'A)iiTiTii. 'i^ Auch dieser Ortsname ist der moorigen, sumpfi- 
yt.fi }>,vAi'iiU:uhf'At der Umgebung entlehnt. Moor oder Morast heisst 
:f/j }A'''^y'yir. j.\\*tr\ «s.'irt, daher die magyarischen Ortsnamen: «Sär\'är» 

Kv,'i- '/d':r Morastburg), «Sär-väsäri (= Kothmarktj, «Särszeg« 

• y,'/*'irij:tiV.*t\), « S/ir-sziget » (= Moorinsel), «Sär-r^tt (= Kothwiese), 



115 

Sir-vize» (= Moor- oder Sumpfwasser) u. s. w. «Mosapurk» oder 
Moorbur^» ist also im Magyarischen = Särvär, gewöhnlich «SzalavÄr». 
on den in der Gegend angesiedelten Slaven stammt der Name des 
Platten-Sees»; slavisch «blato» = Sumpf oder Morast; im Magyari- 
then wird der See »Balaton-tava» = «Sumpf-See» genannt. Der Ver- 
isser der «Conversio Bagoariornm» gebraucht (um 871) noch das latei- 
ische iPelissai; das «halaton» der Bauern war noch nicht in die 
ich rift Sprache des Lateinischen aufgenommen,* Die Namen « Moorborg« 
m\ 1 blato * beweisen zugleich, dass die Bevölkerung der Städte foay- 
lisch'deiJtsch, die des offenen Landes aber slavisch war. Indess wollen 
^ir uns erinnern» dass Kaiser Galerius die Moräste und Gewässer des 
i-Sees ableiten liess (vgh oben S. 62); die Ueberreste davon sind 

impf «Särret» und die «Särviz» im heutigen Stuhlweissenburger 
litate. — Die übrigen deutschen Ortsnamen, als : Stepilberg, Lin- 

irch, Wiederhers- oder Weitersherrskirch, Isangrimskirch, Beatus- 
Paldmuntskirch sind zahlreicher als die Nichtdeutschen : Dud- 
T, Ussiti, Businica, Bemerkenswerth ist noch «adQuinque Basih*cas» 
oder «Quin que Ecciesiaen, Selbst in i\Iosapurk waren nur drei Kirchen; 
hier nun beurkundet der Name fünf Kirchen ; die Ursache wissen wir 
nicht. Nur sei noch erwähnt, dass sowohl in dem Deutschen « Fünfkir- 
chen 1 wie in dem ungarischen *P^csi» (vom slavi sehen ■ pet » = fünQ 
Ak Erinnerung an die Fünfzahl vorhanden ist. Endlich beweist der 
S^ame »Pecs», dass auch dieser Ort von Slaven bewohnt war. 

Der heutige Name des Platten-Sees stammt also aus der Zeit Priwinas 
Äöcl Korels (840 — 870) und gelangte von da zu den Magyaren ; um so 
iierkwürdiger ist es, dass der magyarische Name des Neusiedler-Sees 
Ferlö) weder slavisch noch deutsch» sondern ungarisch ist. In dessen 
Umgebung hatten sich die Avaren am längsten erhalten, so dass unmit- 
elbar nach ihnen die Mag}^aren folgen konnten. Ob die Avaren wohl 
i^m schönen See keinen Namen gegeben hatten und derselbe bis zur 
Niederlassung der Magyaren unbenannt geblieben war? Oder ob das 
Von «fertöi von den Avaren herstammt? Der Name *Vetvär» wird 
ft seiner Stelle ganz ähnliche Fragen hervorrufen. 




§33- 
FDas siebente Jahrzehent des g. Jahrhunderts zeigt eine eigenthüm- 
wegung auf dem Gebiete der Religion und Kirche. Die Fürsten 



Etwa siebzig Jnhre später finden wir jedoch diesen Namen schon bei dem Grie* 
'onstanünus Porphyroßenitu^. der von Venedig sagt, dass dessen Stelle froher leer» 
ohnt und sumpfig (z= baltod« ^ia^TOftfn) ^eAveseii sei. Vgl. «De Admin, Imperio» 
[der Bonner Ausgabe, p. 123. Bei diesem Schriftsteiler kommen übrigens noch andere 
vi<»che Bezeichnungen vor, z. B. voevod, zakon^ kml, iupan (zupan) und andere. 



der Chazaren an den Ge*>iaden des Azow'sciicn Meeres^ die Mahff 
und die Bulgaren jenseits der Donau senden um Priester, damit ditjsi 
ihre Völker im christlichen Glauhen unterrichten. Mit diesem Vei 
langen ist aber bei den Mährern und Bulji^aren ein gewisses politiscta 
Ziel verbunden, was sich von den Chazaren nicht behaupten lässt. Dies 
Letzteren sahen nämlich in jener Zeit ihre Macht durch Niemanile 
bedroht. 

Unter den Chazaren hielten sich jüdische, mohai-ntnedanische 
christliche Glaubenspredig^er auf; der Khagan wendete sich nun dit«( 
an den Kaiser Michael III. in Constantinopel und bat um vertrauenswiiniig 
christliche Lehrer. Zu der selben Zeit hatten zwei Brüder aus Thessalonid 
Constantin und sein älterer Bruder Methodius» grossen Ruf erlangt, D« 
Kaiser sandte deshalb den Constantin in Begleitung seines Brudtri 
den Chazaren. Constantin hielt sich um das Jahr 860 in der Stad 
Cherson auf^ um die chazarische Sprache zu erlernen, damit er uni 
erfolgreicher wirken könne. Der Khagan entliess ihn dann im jal»i 
862 mit grossem Lobe nach Constantinopel zurück, gleichwohl trat 
(der Khagan) zum Judenthum über. 

Zur selben Zeit trafen die Gesandten des Rastislaw und Sv^aU 
pluk in Constantinopel ein und sprachen nach der Legende also txi^ 
Kaiser: t Durch die Gnade Gottes befinden wir uns wohL Ks komrnei^ 
aber zu uns christliche Lehrer aus Italien, Griechenland und DeutbCJi 
land und lehren uns auf widersprechende Weise. Wir sind einfe^ 
slovcnische Leute und haben Niemanden, der uns in der Wahrh 
unterrichte und uns den Sinn [der Schrift) erkläre. Wir bitten Dich d 
halb, Herr, sende uns einen solchen Mann^ der uns alle Wahrfc 
lehre.* *34 Der Kaiser forderte Constantin auf, zu den Mahrem 
gehen. Er konnte keinen tauglichem Mann finden. Da die Um\ 
bung von Thessalonich slavische Bevölkerung hatte, so erlernten at 
die Griechen in der Stadt die slavische Sprache; dazu kam» d 
Metbodius ein slavisches Amt bekleidet hatte, ^^s bevor er seini 
Jüngern Bruder ins Kloster gefolgt war. Constantin, durch die Erfi 
rung bei den Chazaren belehrt, erkannte, dass er ohne eine Schi 
nicht reussiren werde und stellte noch in Constantinopel ein slavise 
Alphabet zusammen. Zugleich begann er die Uebersetzung des Evanj 
liums Johannes ins Slavische. So vorbereitet begab er sich mit Method 
im Jahre 862 zu Rastislaw. Dieser und sein Nefi'e Swatopluk hatt 
zwar auch nach Rom um Lehrer geschickt, von daher jedoch keine erhai 
Die mährischen Fürsten waren nämlich bemüht, entweder vom Pap 
oder aus Constantinopel christliche Lehrer zu gewinnen, um auf di 
Weise dem Einflüsse des deutschen Episcopats, wodurch die Abhänjj? 
keit vom deutschen Königthume befördert wurde, zu entgehen. Indi 



lonstantin und Method auch der slavi sehen Sprache kundig waren, 
ind man in ihnen eben die gewünschten Männer. Diese sammelten 
uch allsogleich Schüler und predigten allerorten. Da sie jedoch der 
»berhirtlichen Volbnacht entbehrten, so begaben sie sich im Jahre 867 
lach Rom. Auf ihrer Reise verweilten sie auch bei Kozel, wo sie fünfzig 
Schüler in slovenischer Sprache unterrichteten. Sie kamen nach dem 
Tode des Papstes Nicolaus L (f 14. November S67) in Rom an. 

Unterdessen schickte der Bulgaren fiir-st Bogoris, der im Jahre 859 
in der Taufe, vielleicht nach Kaiser Michael IIL» den Namen Michael 
erhalten hatte, im Jahre 866 sowohl an den Papst Nicolaus I. wie an Lud- 
wig den Deutschen Sendboten um christliche Lehrer. Nicolaus beeilte sich 
zwei Bischöfe nach Bulgarien zu schicken mit mündlicher Instruction 
tind schriftlicher Antwort auf jene Fragen, welche der Bulgarenfürst 
dem Papste vorgelegt hatte. ^3*5 König Ludwig sandte den Passauer 
Bischof Ermenrich nach Bulgarien (denn die Erwerbung einer neuen Pro- 
vinz vermehrte Stets Einfluss und Einkommen); als dieser aber die Send- 
linge des Papstes daselbst fand, kehrte er zurück. Allein auch der Papst 
bmnle die Bulgaren nicht gewinnen, Indem er zögerte, ihnen sogleich 
tmtn Patriarchen zu geben (das wünschte aber der bulgarische Fürst, um 
von Constantinopcl unabhängig zu sein), noch die gewünschte Person zum 
btilprischen Bischof erheben wollte, wendete sich Fürst Michael durch 
flenselben Peter, der in Rom sein Gesandter war, an die Synode in Con- 
staininopel und vereinigte sich schon am r6. März 870 mit der orienta- 
lischen Kirche, welche der Patriarch Photius (seit 855) von der römischen 
Kirche getrennt hatte (Schisma). — In unseren Tagen, also 1000 fahre 
später, herrscht in Bulgarien abermals Bewegung und Neigung zur römi- 
'^hen Kirche zurückzukehren oder sich wenigstens vom Patriarchate in 
^-'ünstantinopel unabhängig zu machen. 

Nach Nicolaus L bestieg Hadrian IL den päpstlichen Thron. 
Dieser billigte nicht nur die Lehrthätigkeit der Brüder Constantin und 
Methodius, sondern auch die Uebersetzung der Bibel ins Slavische. 
^^ 6. Jänner 86g weihte er beide Brüder zu Bischöfen; damals 
ftafim Constantin den Namen Cyrillus an, daher nennt man die von ihm 
pfftindene Schrift die *cyn7Im/i€^, Als aber Cvrillus bald darauf starb, 
Khuf der Papst für Method ein neues Bisthum, das pannonische^ 
Wodurch das alte sirmische Bisthum wieder aufleben sollte. Zum ersten 
^rzbifichofe dieses wieder errichteten Kirchensprengels ernannte er den 
Wcthod mit der Vollmacht, die Messe in slavischer Sprache lesen 
'S« können; nur müssen jedesmal Epistel und Evangelium zuerst in 
tatejnischer Sprache gelesen werden. Jetzt berief Kozel den Methodius 
m zu sich und Letzterer begann auch im Jahre 870 in Pannonien, 
Kozels Fürstenlhum seine Wirksamkeit, Vielleicht kennen wir 



Tl8 



nicht alle daselbst vorhanden gc^wesencn Kirchen: so viel Narnt^n der- 
selben wir aber kennen, so war die Mehrzahl davon deutsch. E,% ist 
daher begreiflich, da.ss die deutschen Geistlichen, die dem Sabburgcr 
Erzbischofe unterstanden, zögerten, das Krzbisthüm des MetlKX 
insbesondere die slavische Liturji^ie anzuerkennen; ja es erhob sich ( 
ofiene Opposition» Ebenso begreiflich ist es, wenn die bamsctiei 
Bischöfe diese Beweg^ung unterstützten. Es hielten auch in Gegenwart 
des Königs der Salzburger Erzbischof Adalwin, die Bischöfe Ermeö-.^ 
rieh von Passau, Hanno von Freisingen u. A. eine Synode ab, zuj 
auch Methodius einberufen ward. Da dieser nicht gutwillig weicj 
wollte, so warf man ihn ins Gefängniss und hielt ihn zwei und ein ha 
Jahr lang gefangen. Mittlerweile schickten die bayrischen BischÖfei 
Beschwerdeschrift an den Papst Johann VIII, und übergaben dem Köfll 
im J. 873 jene Schrift, welche Adahvin über die Bekehrung der Bayern iin«i 
Karantanen hatte abfassen lassen. =3? Adahvin starb den 14. Mai 87 j» 
Ermenrich am 2. Jänner 874; =3^ mit ihnen schieden die beiden grösstem 
Gegner des Methodius aus der Welt. Unterdessen hatten sich auch ä&\ 
politischen Verhältnisse sehr verändert- 

Swatopluk verbündete sich im Jahre 870 mit Carlmann, de» 
ältesten Sohne des Königs Ludwig und verrieht seinen Oheim Rastisla*» j 
den er in Fesseln nach Regensburg schickte. Der Kaiser liess diesem 
grausamerweise die Augen ausstechen und ihn in ein Kloster sperren; Carl- I 
mtinn verwüstete aber Mähren und nahm auch den fürstlichen Schatz itti^l 
sich. Swatopluk wurde tributärer Fürst des fränkischen Reiches. Als er 
aber bei den Franken gleichfalls in Verdacht kam, führte man auch ihu 
gefangen nach Regensburg, von wo er dann mit einem deutschen Kriegs- 
heere nach IMähren zurückkehrte; denn es war zwischen den Mährem und 
Deutschen ein Aufstand ausgebrochen, den er zu dämpfen versprach • 
Allein der schlaue Swatopluk verband sich mit den Aufständischet 
liess die Führer des deutschen Heeres meuchlings ermorden und dies« 
selbst vernichten. Deshalb entbrannte ein Krieg, in welchem Swatopl*^"^ 
Sieger blieb; der im Jahre 874 zu Forchheim geschlossene Vertr^^ 
beliess ihn in seiner Macht. Um dieselbe Zeit starb Fürst KozeL Sei^ 
Land kam an Carl mann zurück^ der es seinem Sohne Arnulf übertriij 
dieser besass es noch im Jahre S84 ungestört. Auf solche Weise gelan^^ 
das Szalader Fürstenthum von den slavischen Ilerrschern wieder unt^ 
die Herrschaft der Franken. 

Nach dem Abschlüsse des Forchheimer Vertrages vertrieb i?w^ 
topluk die deutschen Geistlichen und übertrug an den aus deutsch« 
Gefangenschaft befreiten Methodius alle mährischen Kirchen. Math* 
dius lehrte von 874 — 885 und setzte auch die üebertragung der heil 
gen Schrift fort, worin ihn seine slavischen Schüler unterstütztet 



IIQ 



sen beschuldigten ihn die deutschen Bischöfe im Jahre 878 in 
Wm der Ketzerei, weil er nicht das «filioque» singe, -'3? Der Papst lod 
deshalb den Methodius im Jahre S79 vor sich und dieser ging mit 
einem Günstlinge Swatopluks, mit Wiching, dahin. Schon im folgen- 
den Jahre (880) kehrte er siegreich als neubestätigter Erzbischof, 
Wiching aber, sein geheimer Gegner» als Bischof von Neitra, nach 
Mähren zurück. Die Messe konnte er auch fernerhin slavisch singen; 
wenn es aber der Fürst oder jemand Anderer wünschen sollte, so war 
er verpflichtet, dieselbe auch lateinisch zu haken. Svvatopluk scheint 
nämlich die lateinische Messe vorgezogen zu haben* Papst Johann VI IL, 
der Methodius wohlgesinnt war, wurde im Jahre 882 ermordet ; sein 
Nachfolger war Stefan V. Im Todesjahre des Methodius ging Wiching 
labennals nach Rom und brachte von dort ein angeblich gefälschtes 
Breve mit» welches die slavische Messe verbietet; denn diese dürfe nur 
in der griechischen oder lateinischen, nicht aber in einer barbarischen 
Sprache gesungen werden; predigen sei jedoch auch in dieser Sprache er- 
laubt. Und der wankelmüthige Swatopluk vertrieb im Jahre 886 die slavi- 
sehen Priester, namentlich die Schüler des Methodius, Gorazd, Clemens 
u. s.w., welche auch die heiligen Schriften in slavischer Sprache mit sich 
nahmen. Die Vertriebenen flüchteten zu dem Bul garen fürs ten jenseits 
der Donau, in dessen Reich sie die aufkeimende slavische Literatur fort- 
rollten. Auf solche Weise nahm das wiedererstandene pannonische Bis- 
thum und die slaviische Liturgie in L^ngarn und Mähren ein rasches 
inde. Von -den heiligen Schriften ist keine einzige übrig geblieben; 
ja «selbst die Existenz und der Ruf von Methodius war derart in Ver- 
gfeÄsenheit gerathen, dass man im 14, Jahrhundert auf literarischem 
'Wege das Andenken der beiden Slavenapostel wieder ins Bew^usstsein 
bringen musste, ^^ 

§ 34. 

fikisch-deutschen Reiche sank das herrschende Geschlecht, 
i die Nachkommen Carl des Grossen in Folge der fortgesetzten 
:ht immer tiefer. Arnulf, der illegitime Sohne CaHmanns, seit 
Tode Herrscher in Pannonien, intriguirte gegen seinen Oheim, 
^arl den Dicken. Swatopluk neigte sich bald auf diese, bald auf jene 
^ite. Im Jahre 883 stand er zur Partei des Kaisers gegen Arnulf und 
i^^fwüstete Pannonien aufs grausamste; dasselbe wiederholte er im nach- 
säten Jahre (884) im Vereine mit dem chorwatischen Fürsten Braslaw, der 
pirschen der Drau undSave herrschte. Sie wütheten von der Raab bis zur 
«gleich Wölfen»». Carl der Dicke ging in seinem Zorne gegen Ar- 
io weit, dass er im selben Jahre (884) den Swatopluk in Treue 





nahm und üim den grössten Theil Pannen iens als Lehen übertm^. 
Braslaw aber trat in die Leibwache des Kaisers. Swatoplak herrschte 
demnach auch über Pannemi en, wenigstens als Lehen slurst, und seine 
Macht erstreckte sich bis Sirmium. ^' Wie sehr jedoch Carl der Dicke 
seinen Halbneffen Arnulf hassen mochte, dieser wurde dennoch nach 
Carls Tod im Jahre 888 Könige und Kaiser. Anfänglich bestand ein 
anscheinend gutes Verhältnis zwischen dem neuen Kaiser und Swato- 
pjluk: denn sie trafen sich im Jahre 890 in einer sonst unbekannten Ort- 
schaft Pannoniens, in Omunsterberg, um, wie man annimmt, wohl auck 
gegen die vordringenden Magyaren Verfügungen zu treffen. 

Aber bereits im Jahre 892 finden wir Arnulf im Kriege gegen Swa* 
topluk, gegen den auch Braslaw kämpft, der für sein Fürstenthum gerechte 
Besorgniss hegen musste, falls der mächtige MährenRirst seine Macht iji 
Pannonien dauernd befestigt. Bei dieser Gelegenheit nahmen die Ge\ 
Swatopluks auch die Magyaren als mitkämpfende Bundesgenossen an- 
Swatopluk starb im Jahre 894 und Hess drei Söhne (Mojmjr 11^ 
Swatopluk und einen dritten unbestimmten Namens) zurück, die gleidk 
nach ihres Vaters Tode mit einander in Zwist geriethen. Arnulf über- 
trug im Jahre 895 Pannonien sammt der IMoosburg der VertheidigungT 
Braslasvs ^^^^ sowie er schon 888 die Besitzungen des Salzburger En* 
bischofs daselbst bestätigt hatte. Da diese Donation surkunde eine der 
letzten der fränkisch-deutschen Kaiser gewesen, theilen wir deren Inhalt 
etwas ausführlicher mit. König Arnulf übergibt (tradimus) dann di 
Salzburger Erzstuhle, was dieses Erzbisthum zu Sabaria, Panwhabe un< 
Mosapurch besessen ; in letzterem Orte namentlich die Abtei zi 
h. Hadrian ; sodann in Salapiug einen Hof (curtem) mit 300 Mansei 
(Hufen), mit ebenso vielen Weingärten und Allem, w'as es bei di 
Kirchen zu Quartana, Giins (Gensi) und Fünfkirchen (ad V. EccleiaaJ 
an Eigenthum besass, mit allen Abgaben, Weingärten und Wäldern. 
Nachdem Arnulf schon im Jahre 89g starb, bestieg sein sechsjährig 
Söhnlein. Ludwig das Kind, den Thron der Carolinger, 

Mojmir wollte die kirchliche Unabhängigkeit seines Reich 
erneuern, um so mehr, als der Bischof von Neitra, Wiching, im Jah 
893 Arnulfs Kanzler geworden w^ar, und als solcher im Jahre 81 
auch den Passauer Bischofsitz einnahm. Der Erzbischof Dietmar v 
Salzburg und seine Suffragane sahen in dieser Besetzung des Passau^ 
Stuhles eine kirchliche Unregelmässigkeit und setzten den Wiching nai 
einem Jahre ab ; und zwar ohne Gefahr, denn sein mächtiger Kais^ 
ruhte im Grabe. =^44 Die mährische Kirche war somit verwaist, Mojm i ^ 
ersuchte deshalb Papst Johann IX., dass er die Kirche Mährens ordn« 
wolle und der Papst betrachtete Mähren allerdings so, als ob es 
keinem deutschen ßisthume gehören würde, denn er sendete einen E; 



ischof und zwei Bischöfe dahin, damit diese die kirchlichen Angele- 
enheiten regeln. "+5 Diese päpstlichen Sendboten theilten das Land 
h ein Erzbisthum und drei Bisthümer. Dadurch erregten sie aber den 
ganzen Ingrimm der Bayern und veranlassten den Erzbischof Theotmar 
öder Dietmar von Salzburg mit seinen SufiTragan- Bischöfen Waldo von 
Freisingen, Eichenbald von Eichstädt, Zacharias von Sähen (in Tirol, 
jetzt Bisithum Säben-Brixen), Tuto von Regensburg und Richarius von 
Passau zu einem leidenschaftlichen Schreiben an den Papst, in welchem 
sie die Anhänglichkeit der Älährer an den Gottesdienst in slavischer 
Sprache als einen Abfall vom Christenthume hinstellen und behaupten, 
liass die I^Iährer Angehörige der Passauer Diöcese seien, und twei! wir 
sie», heisst es darin wörtlich, «mit Gewalt bezwangen und in Knecht- 
schaft brachten, deshalb mussten und müssen wir sie von Rechtswegen 
zu Ünterthanen haben und unserem Reiche werden sie angehören, 
mögm sie nun wollen oder nicht.» Sodann heisst es weiter: «Die Vor^ 
ganger unseres erlauchten Herrn Ludwig, Kaiser und Könige, gingen 
atis dem allerchristlichsten Volke der Franken her\'or, die Slaven des 
Mojmar dagegen stammen von Heiden und Ungläubigen ab. Jene 
erhöhten mit kaiserlicher Macht das rumische Reich, diese schädigten 
t*s. Durch den Rath jener ist der apostolische Stuhl mächtig geworden, 
über die Verfolgung dieser trauerte die Christenheit» . . . «Die Falschheit 
dessen, was uns die besagten Slaven Schuld geben, wir hätten mit den 
Öngarn den katholischen Glauben verletzt und durch einen Hund oder 
^ölf und andere abscheuliche und heidnische Dinge den Frieden 
besieh woren und ihnen Geld gegeben, damit sie nach Italien zögen, 
^ärde offenbar werden, wenn unsere Sache vor dem allwissenden Gott 
änd vor euch, seinem Stellvertreter, zur Prüfung käme. Denn weil sie 
ttnsere fem von uns wohnenden Christen stets bedrohten und ihnen 
•^nrch heftige Verfolgung zusetzten, haben wir ihnen nicht Summen 
Goldes gegeben, sondern nur eine Anzahl unserer leinenen Gewänder, damit 
^'ir einige rmassen ihre Wildheit besänftigten und sie von der Verfolgung 
Zurückhielten» . , . <«Aber jene (die Slaven) selbst haben das Vergehen, 
messen sie uns einmal bezichtigten, seit (oder vor ?) vielen Jahren (multis 
4öms) verübt. Sie selbst haben eine beträchtliche Zahl von Ungarn zu 
*ich genommen und nach deren Weise auf heidnische Art ihr Haupt 
^2 abgeschoren und sie über unsere Christen losgelassen, die sie 
wtik zu Gefangenen machten, theils erschlugen, theils vor Hunger und 
*^örst umkommen Hessen, unzählige aber schleppten sie in die Ver- 
bannung, brachten vornehme Männer und angesehene Frauen in Skla- 
verei, steckten die Gotteshäuser in Brand und zerstörten alle Gebäude» 
*o (hh'S' in ganz Pannonien, unserer grössten Provinz, fast keine Kirche 
Ittthr zu erblicken ist, wie euch eure Bischöfe melden könnten, wenn 



sie gestehen wollten, wie viele Tage sie hindurchrcisten 
Land als P^inÖde trafen». 

Welchen Erfolg die Beschwerdeschrift der ba}Tisehen GeistlichkeJ 
bei deni Papste hatte, ist gänzlich unbekannt, da derselbe auch bereitf 
im Juli 900 starb ; ebensowenig wissen wir von den weiteren Schicki 
salen der neu eingesetzten mährischen Bischöfe; denn das Mährenreicli 
seine Kirche und das fränkische Ostland wurden bald von der magya-^ 
rischen Stunnflut überdeckt. 

Die Magyaren brachen schon im Jahre 900 auf beiden Seiteij 
der Donau in die Ostmark ein und drangen tief in altbayrisches Gebid 
jenseits der Plnns, wo sie unter Anderem die Besitzungen des Klosießj 
St. Plorian verheerten. Als ein Theil des ba\Ti sehen Heerbannes unter! 
Führung des Grafen Liutbold und des Bischofs Richar von Passaul 
gegen sie rückte, zogen sie sich rasch zurück ; nur ein Theil ihrer 
Nachhut wurde am linken Donauufer erreicht und geschlagen. Eine 
andere Magyaren schaar erlitt im Jahre 901 {am 11. April) in KarnteirJ 
eine Niederlage. Gegen sie erbauten Graf Liutbold und sein Heer ain| 
Ennsflusse die Feste Ennsburg, welche von den Ungarn nie erob 
wnirde. Noch besass das fränkische Reich den Landstrich zwische)J^ 
Enns und Leitha, wie dies zahlreiche Güterschenkungen und Güitr- 
tausche sowie iHe Existenz von Gaugrafen dieser Gegenden bezeugen. 
Allein dieser Besitz war schon unsicher geworden, er ging völhg vcr-J 
loren in Folge einer blutigen That, welche die bayrischen GrosseHj 
gegen die Magyaren begingen. Jene luden nämlich einen Führer dei 
Ungarn zu sich ein und brachten ihn mit seinem Gefolge beim i\Iahlej 
um (904). »^^ (Es war eine Wiederholung jener Treulosigkeit, die mäil 
vordem an den Bulgaren verübt hatte.) Doch diesmal rächte sich ^^ 
Unthat in schrecklicher Weise. Zwar erfolgte die Rache der Üng 
nicht allsogletch ; diese befanden sich damals gerade auf einem Zug 
in Italien; andererseits lagen sie mit den Mährem im KntscheidungS 
kämpfe. Swatopluk's Reich erlag im Jahre 905 oder 906, das Jahr ^^j 
nicht verzeichnet ; wür w issen nur so viel, dass die Magyaren i| 
Jahre 906 zum ersten Male an der mittlem Elbe erschienen, wohin 
von den slavischen Dalaminziern gegen den Sachsenherzog Heinri< 
zu Hilfe gerufen worden waren. Dahin konnten sie aber nur üb 
Mähren gelangen ; dieses Reich musste somit damals bereits den ung 
rischen Angriffen erlegen sein. Das IMährenreich verschwand derart a^*^ 
der Geschichte, dass die historischen Quellen durch ein Jahrhunde 
nicht einmal des mährischen Namens Erwähnung thun. 

L^nd jetzt war auch der Moment der Rache gegen die treulos< 
Bayern gekommen. Am 28. Juni 907 fand auf einem unbekannt^ 
Schlachtfclde der Entscheidungskampf statt, in welchem die Unga 



fie Sieger blieben. Der bayrische Heerführer Markgraf Liutbold, vielleicht 
eit 895 Markgraf in Ober-Pannonien, der Salzburger Krzbischof Theot- 
T, die Bischöfe Uto von Freisingen und Zacharias von Sähen sowie 
riele bayrische Grosse mit dem grössten Theile des Heeres fielen. tDurch 
diese Schlacht», sagt Büdixger, «war die Niederlassung der Ungarn in 
Lande, das sie noch heute bewohnen, gesichert.»» Sie begnügten sich 
ens mit der alten Avarengrenze an der Enns, über welche hinau=^ 
nach Westen ihre Herrschaft sich nie erstreckte. =47 



§ SS- 
Unter Carl dem Grossen und seinen Nachfolgern lebte mancher alte 
igco^aphische Name wieder auf, so Unter- und Ober-Pannonien, Siscia 
(Sziszek), Sala, Sabaria ond Camuntum; allein Bregetio, Aqoincum und 
die übrigen Ortsnamen entlang der Donau erstanden nicht wieder; 
ebenso blieb Sirmium in Vergessenheit. An diesen Orten mochten also 
öifc neuen Ansiedelungen sehr schwach gewesen sein oder gar nicht 
bihi dahin gereicht haben. In dem ftSzalader Herzogthumi» (wenn es 
gtstattet ist, das Lehensfürstenthum Priwinas und Kozels so zu nennen) 
moubte die Ciiltur am meisten vorgeseh ritten sein ; denn in demselben 
treffen wir nicht blos die Stadt Mosapurk (Moosburg) und die Abtei 
St, Hadrian, sondern auch die meisten Ortschaften, darunter Fiinf- 
Eirchcn (Quinque Ecclesiae, niag)\ P^cs); von der Rebencultur daselbst 
sprechen die DonationabUrkunden, um so eher darf man auch Pflege 
to Ackerbaues annehmen. Wir werden sehen, ob von dieser Cultur 
ßtwas die magyarische Sturmflut überdauert, was sodann König Stefan 
der Heilige fortsetzen konnte. 

Jenseits der Donau tritt Neitra als Bischofssitz hervor. Neiira 
^ nach der Römerzeit der erste neue Ortsname, dem wir begegnen 
und den bekanntlich auch Stefan der Heilige wieder auffrischte. Swato- 
*luk*s Herrschaft jenseits der Donau dauerte nur kurze Zeit (kaum 6 — 8 
'iire); von einem ftPanmmiscken Mähnnreiche» kann deshalb kaum die 
lesein, obgleich slaviscbe Historiker (Schafarik, Palackv, Dudik) 
uf grosses Gewicht legen. Im heutigen Ungarn, diesseits der Donau, 
^ar die Macht Swatopluks von längerer Dauer; doch auch hier erhebt 
feh die Frage: Wie weit reichte diese nach Osten, bis zum Hernad- 
^/6oderbisandieTheiss? Das lasst sich nicht bestimmen. DasZwischen- 
Itromland zwischen der Donati und Theiss, sowie das heutige Sieben- 
^t%^n sind zur Zeit der fränkisch-deutschen Herrschaft ebenso unbe- 
kannt wie zu Herodots Zeiten. Die Ursache dieser völligen Unbekannt- 
cltaft ist wohl dieselbe, aus welcher wir auch von den Slaven jenseits 
er Karpaten bis zum Baltischen Meere und von dem soeben (862) 



124 

entstehenden Russenreiche nichts wissen. Nach den Avaren erhob sich 
nämlich im alten Dacien keine Gewalt, welche den angrenzenden Völ- 
kern fühlbar geworden wäre. 

Auch das Christenthum wagte nicht, die Donau und Theiss zu 
überschreiten ; wir besitzen nicht die leiseste Spur davon, dass Glau- 
bensboten aus Pannonien in jenes unbekannte Land zu fremden Völkern 
gegangen wären. Als Swatopluk die slavischen Priester aus Mähren 
vertrieb, wandten sich diese nicht zu den «Theissbulgarem — die Viele 
jenseits der Theiss vermuthen, — gewiss deshalb, weil dort weder 
Bulgaren noch Christen überhaupt existirten ; sondern sie flüchteten zu 
den mösischen Bulgaren, wo unter Simeon (regierte von 893—927) 
Clemens Bischof von Welicza wurde und in Achrida seine Grabstätte 
fand ; sein Gefährte Naum wirkte an seiner Seite, Gorazds Gebeine 
wurden aber in Albanien im Kloster am Berat bestattet. ^^ Also 
weder fränkische noch mährische Priester besuchten das alte Dacien, 
dessen natürlicher Salzreichthum den Nachbarvölkern ebenfalls unbe- 
kannt war. 

Kaiser Arnulf sandte im Jahre 892 Gesandte an den Bulgaren- 
könig Wladimir, den Oheim Simeons, um das alte Friedensbündniss zu 
erneuern und den Bulgaren fürsten zugleich zu bewegen, dass er den 
Mährern den Salzkauf nicht weiter gestatte. '^9 In Siebenbürgen hatten 
die Römer auch die Salzbergwerke ausgebeutet. Die römische Stadt 
Salinae lag an der Stelle des heutigen Torda. Eine natürliche Folge 
dieses Salzbergbaues war, dass auch der Salzhandel schon in der Römer- 
zeit betrieben wurde. Die darauffolgenden Gothen, Hunnen, Gepiden 
und Avaren benützten sicherlich dieses Salz der Solen und Salzteiche 
sowie das zu Tage tretende Steinsalz; den eigentlichen Salzbergbau 
betrieben sie jedoch ebensowenig als den Bergbau überhaupt. Des- 
gleichen war der Handel, den sie Fremden überliessen, keineswegs 
ihre Sache. Der siebenbürgische Salzreichthum war somit im 9. Jahr- 
hundert ganz unbekannt geworden ; denn hätte man denselben gekannt, 
dann hätten Swatopluk und seine Mährer das Salz aus Siebenbürgen 
auf weit kürzerem Wege, nämlich auf den Flüssen Aranyos, Maros, 
Theiss und Sajö, beziehen können und würden keineswegs aus Bul- 
garien Meersalz bezogen haben. Auch der Salzreichthum der Nord- 
karpaten war noch nicht bekannt,* denn erst im Jahre 1136 und ii45 
begegnet man dem «Magnum Sal» (das heutige Wieliczka) in der Nähe 
Krakau's. Dass auch die Auffindung der Salzniederlagen von Sövär erst 
in einer spätem Zeit erfolgt ist, bekundet schon der magyarische Name 
dieses Ortes. Man darf sich also nicht wundern, dass die Mährer ohne 
Kenntniss vom Salzreichthum der Karpaten dieses unentbehrliche 
Gewürze von anderwärts bezogen. 




Aus dem lehrreichen ßüchlein Hehn's über ftdas Salzt (BerHn, 
174.) ist ersichtlich, dass die alten Griechen und Römer nur Meer- 
salz benutzten^ und die Kelten in Europa die Ersten waren, welche 
den Salzbergbau betrieben. Die unterjochenden Römer beHessen des- 
halb die keltischen Salzarbeiter auch in ihren Bergwerken, so z. E. 
in Hallstadt» Den keltischen Ursprung der Salzgewinnung bezeugen auch 
sdle jene Orte, in deren Namen das keltische «hal» (Salz) erscheint ; 
$0: ilallstadt. Hallein, Halle o. s, w. ; die Flüsse an diesen Orten aber 
<i;rhieUen die entsprechenden deutschen Benennungen, wie die Salzach 
(ehemals Ivarus) bei Sakbnrg, Saale bei Halle u. a. In der Periode 
der frlinkisch-d^utschen Herrschaft war das bayrische Salz von grosser 
Bedeutung und man darf annehmen, dass der Einfluss des Salzburger 
Erzbisthums nicht wenig durch den Salzhandel befördert wurde. Auch 
die Mährer kauften grösstentheils bayrisches Salz ; nachdem sie jetzt 
mit Arnulf im Kriege waren, verbot wahrscheinlich der Kaiser diesen 
Salzkauf und um die Mährer noch härter zu bedrängent wollte er ihnen 
aucli dtn Bezug von Meersalz aus Bulgarien entziehen. Das ist eine 
überaus interessante Thatsachc, denn sie beweist, dass das siebenbürgische 
SaljE, welches die Römer auch bergmännisch gew^onnen hatten, in der 
Periode der fränkisch-deutschen Herrschaft dem Auslande ebenso unbe- 
kannt war w\G der Salzreichthum am Nord abhänge der Karpaten. 

Erst unterden Arpäden öffnen sich wieder die Salzgruben Siebenbür- 
gens. Meines Wissens geschieht die erste Erwähnung des siebenbürgischen 
Salzes in der Legende des h. Gerhard, wo bei Gelegenheit der Erzäh- 
Jwi^ des Krieges, den Stefan der Heilige im Jahre 1007 gegen den in 
der Marosburg hausenden mächtigen Häuptling Achtum führte, ange- 
fölirt wird, dass dieser trotzige Stammesfürst sich unter Anderem 
erkühnt habe, auch von dem iöniglichen Salze, das auf der Maros ver- 
frachtet wurde, Zoll zu erheben. '^^^ Später lesen wir in einer Dona- 
tlons-Urkunde des Königs Geisa vom Jahre 1075 zu Gunsten der Abtei 
<^t;s h, Benedict am Granfkisse (Abbatia S, Benedicti de juxta Gron); 
*lch habe überlassen bei der Burg Turda die Hälfte der königlichen 
SaUsteuer an jenem Orte, der magyarisch Aranyas, lateinisch Aureus 
g^iiannt wird.n'si Vom ethnographischen Gesichtspunkte aus W'äre es 
^sonders wichtig zu wissen, was für Bewohner schon in den Jahren 
»007 und 1075 die Salzgruhen von Torda ausbeuteten. Der Name 
^Aranyos», welcher offenbar den dortigen Fluss bezeichnet, bekundet 
magyarischen Besitz ; darf man aber auch magyarische Salzbcrgleute 
annehmen ? Gewiss ist, dass wenn auch nicht schon in den Jahren 
J007 — 1075, so siedelten sich doch hernach deutsche Bergleute in diesen 
Gegenden an^ was auch die deutschen Ortsnamen iSalzburg» (magyarisch 
Vizakna) und iThorenburg» magyarisch Torda) zweifellos machen. 



126 



1 



Auffällig bleibt es jedenfalls, dass, obwohl die Heere Carl des 
Grossen höchstens bis an die Theiss, niemals darüber hinaus gelangt 
sind und sowohl er als seine Nachfolger ihre cultivirenden Besitzergreifun- 
gen sogar nur bis an die Donau ausgedehnt haben: dennoch, in den unbe- 
rührt gebliebenen Theilen des Avarenlandes, im alten Dacien, unter 
Anführung der daselbst verbliebenen Avaren sich keine neue Macht 
erhoben hat. Es scheint, dass hier am Ende des 8. Jahrhunderts 
nur wenige Avaren gewohnt haben ; dass die avarische Hauptstärke 
im Westen, in Pannonien, gelegen war. Jene wenigen Avaren worden 
entweder slavisirt oder lebten unbeachtet unter den Slaven. Die Existenz 
dieser Letzteren bezeugen die slavischen Flussnamen Kraszna, Bistritz, 
Bistra, Csema, Csernawoda, Biela-Reka u. a. Dass aber diese Slaven 
kein Staatswesen gründen konnten, darf nicht auffallen, wenn man 
bedenkt, dass auch die Slaven jenseits der Karpaten im 8. und 
9. Jahrhunderte dazu nicht fähig gewesen und auch die Russen 
ihren Staat nur mit Hilfe der germanischen Waräger errichteten, gleich- 
wie die Czecho-Slaven ihren ersten Versuch einer Staatsgründung dem 
Franken Samo verdanken. 






ÜÜPWW^?"^^ 



ZWEITER ABSCHNITT. 



Ungarn und Siebenbürgen nach der Einwanderung der 

Magyaren. 

§ 36. 

Weder in der Römerzeit noch später bis zur avarischen Periode 
befand sich Ungarn und Siebenbürgen in der Herrschergewalt eines 
Volkes in der Weise, dass man nach diesem Volke das Land selbst 
benannt haben würde. Die Avaren fassten während der 250jährigen 
Dauer ihrer Herrschaft zum ersten Male Ungarn und Siebenbürgen 
als Ein Ganzes zusammen und darum wurde dieses auch als ^ Avarenland n 
bezeichnet. Die Schriftsteller jener Zeit nannten es «Hunnia» in der 
Erinnerung an Attila und dessen Fortleben in der deutschen National- 
Sage, weshalb in den abendländischen Chroniken auch die Avaren 
zumeist als • Hunnen • erscheinen. Unter der fränkisch-deutschen 
Herrschaft zerfiel das Avarenland oder Hunnien wieder in mehrere 
Theile, von denen nur Pannonien und jener Theil des Landes diesseits 
der Donau, der zu «Mähren» gehörte, vom Lichte der Geschichte heller 
feuchtet werden. 

Diesem schwankenden Zustand macht die Einwanderung und 
*>iederlassung der Magyaren ein Ende. Sie gründeten hier jenes Reich, 
das die Europäer « Ungarn » («Hungaria» im Latein des Mittelalters), 
^le selber aber ^ Magyarorszäg^h (d. i. «Magyarenreich») nennen und an 
das sich bald auch ^ Siebenbürgen ^^ (niagy. « Erd^lyorszäg », d. i. Trans- 
ivivania, das «Land jenseits des Waldes») anschliesst. Beide Länder 
bilden dann den Keim und Kern einer politischen Macht, welche die 
Kraft der Entwicklung besass, und bis heute fortbesteht, obwohl sie 
in ihrer ehemaligen Grösse manche Einbusse erlitten hat und auch 
iusserlich in engere Grenzen eingeschränkt worden ist. 

Allein soweit unsere Kenntnisse der Geschichte Ungarns und 
iebenbürgens zurückreichen, überall begegnen wir der Thatsache, dass 
iese Länder niemals nur von einem Volke bewohnt waren, sondern 



128 

stets hatten hier mehrere, oft sehr mannigfaltige Völker ihre Wohnsitze 
aufgeschlagen, obwohl unter ihnen immer ein Volk als das herrschende 
hervortritt. 

So finden wir denn auch nach der Niederlassung der Magyaren 
neben der herrschenden Nation noch verschiedene Volksstämme. Die 
Beschreibung derselben ist der Gegenstand der heutigen Ethnographie 
von Ungarn und Siebenbürgen. 

Diese Beschreibung kann jedoch keine gleichmässige sein. Wenn 
wir den Ursprung der Magyaren darlegen wollen, müssen wir unbe- 
dingt auch die ältere Geschichte dieses Volkes erforschen, und darum 
zeitlich weit zurückgreifen. Dagegen ist ein Gleiches bei den Deutschen, 
Slaven u. a. Volksstämmen nicht von Nöthen. Eine Untersuchung der 
Abkunft und Verwandtschaft dieser Völker kann nicht Aufgabe einer 
Ethnographie Ungarns sein ; zudem besitzt man hierüber schon ent- 
sprechende Leistungen der europäischen Wissenschaft. Nur die Rumänen 
(oder Walachen) werden eine Ausnahme machen ; bei deren Beschrei- 
bung müssen wir auch ihre Herkunft untersuchen, denn das erfordert 
sowohl das ethnographische wie auch das historische Interesse. 



Erstes Capitel. 



Die Magyaren, 
:/♦ Die Urgt'sckkhk der Magyarai nach dem Ztugnhse der GeschkhisqueUm. 



k 



§ 37. 



1 Während das fränkisch-deulsche Reich in Folge der Tfieilungen 
und Streitigkeiten der CaroUnger, sowie das Mährenreich durch den 
'fortwährenden Zwist seiner Fürsten und die Auflehnung gegen die 
deutsche Herrschaft stets mehr geschwächt wurden und tiefer sanken, 
(erhoben sich gegen beide Reiche zwei mächtige Feinde, die erstlich nur 
jdie Grenzländer beunruhigten, bald aber auch verwüstend in das Innere 
«derselben eindrangen. Es waren das im Norden die Nonnannen (Nord- 
^nänner, Dänen und Norweger), im Osten die ]^Iagyaren. Jene liegen 
.ausserhalb der Sphäre unserer Betrachtung ; diese nehmen aber in einer 
l^thnographie von Ungarn die erste Stelle ein. 

Die erste sichere Kunde über die Magyaren haben wir bereits 
[Oben (S, log) gemeldet. Um das Jahr 836, also unter der Regierung 
^es byzantinischen Kaisers TheophiUs (82g — 842), wurden nämlich die 
Magryaren von den Bulgaren gegen deren macedonische Gefangene zu 
^ilfe gerufen, als diese von der Donau über den Pontus Euxinus nach Hause 
•flüchten w^ollten. Der griechische Schriftsteller Leo Graramaticus nennt 
'"'e Magyaren * Ungern», t Türken» und * Hunnen •♦; wir vernehmen also 
"i<?r sogleich alle drei Namen, mit denen die Byzantiner auch später 
^ic Magvaren bezeichneten. Zu jener Zeit hielten sich die Magyaren 
^chon nahe an der Donau auf, sonst hätten die Bulgaren sie ja nicht 
iJiii ihre Hilfe ansuchen können. 

I Der griechische Missionär Constantin gerieth nach der Legende 
(vgl. oben S, 116) auf seiner Reise zu den Chazaren in die Hände der 
Hagyaren, die ihn mit grossem Geschrei und unter Drohungen empfin- 
den; allein der Heilige besänftigte sie durch sein Gehet. =5= S[>äter 

nfaJvy, Ethnogr 9 




ijo 



fand Constantin's jüngerer Bruder, Method, bei ihnen eine be^sci 
Aufnahme, was die Legeude also berichtet : 

«Als der ungrische König (uogncus rex, Korolju iingrskomu) h 
die Gegenden an der Donaa kam und jenen (Method) sehen wolltei 
da widerriethen es viele (^lenschen), indem sie sagten, er (Method' 
werde vom Könige unverletzt nicht wiederkehren ; dennoch ging Mt thud 
dahin, der König aber empfing ihn mit Ehren, sprach mit ihm freund- 
lich, beschenkte ihn und reichte dem Methodius beim Abschiede einea 
Küss mit den Worten: «Ehrwürdiger Vater, gedenke meiner stets im] 
Gebete! »=53 Nicht blos diese Legende, sondern auch die abendländischen 
Geschichtsquellen nennen zuweilen die einzelnen magyarischen AnfüJn vr 
1 Könige», In der Zeit zwischen den Besuchen der beiden Brüder ersibi : 
nach der Kunde Hincmar*s im Jahre 862 das vordem unbeka:^:i 
Volk der « Ungarn i» (*<Ungri») in Deutschland imd verheerte zu^^Hi!' 1 
mit den Dänen (Xormannen) das Reich Ludwigs des Deutschen, 

Gegen das Ende des Jahrhunderts gibt uns ein arabischer Schrift- 
steller, Ibn Dasta, die erste ausführliche Kunde über die damaliirn 
Wohnsitze und inneren Verhältnisse der ^Fagyaren, welche wir k- »r 
verstehen, wenn wir sie im Verein mit der Geo- imd Ethnograph ii 
Verfassers geben. Ibn Dasta beschreibt nämlich die Länder und S- 
der Chazaren, Burtasen, Bulgaren, Slaven und Russen ; es wird jeiiocb 
genügen, wenn wir daraus nur die Beschreibung der Chazaren, Bul- 
garen und Magyaren mittheilen. 

Das Land der Ckazaren liegt zehn Tagreisen weit vorn Lande def 
Petschenegen ; das Gebiet zwischen beiden Völkern ist theils %Vald, tkih 
Sumpf, Das Land der Chazaren hat eine grosse A usdehnnng und mtn< 
det sich dessen eine Seite dem (Kaukasus*) Gebirge zu. Der A^amc M 
Ckazarenkönigs (nielikj ist Jsa; allein der oberste Herr ist dtf 
K ha ka n. ' 

Doch herrscht dieser nur dem Namen nach ; die eigentliche Alachi 
besitzt der Jsa. Dieser schattet und waltet mit dem Kriegsheere wie Mit 
seinem Eigenthum und legt davon Niemandem, der hoher stihuie als tf\ 
Rechenschaft ab. — Der grössfe Theil der Chazaren bekennt sich x^ 
judischen Glauben; das ist die Religion des Isa, der Heer esan/ührer U^ 
ulier ha upt der Vornehmen ; ehedem war die Religion der Chazaren ä£ff* 
Glauben der Türken ähnlich. 

Ihre Hauptstadt ist Sara- Sehe n ; allein sie haben auch noch 
andere Stadt, Hah-Nela, Im Winter wohnen sie in diesen beiden StädteH. 
aber mit dem Herannahen des jFrühtings ziehen sie auf die Steppe ///* 
bleiben daselbst bis zum Eintritte der kalten Jahreszeit. In beide? t Stiidt^' 
wohnen auch Moslims, welche ihre Äloscheen, Imame und Äluedzt^ 
haben. 

Die Steuer und die Zahl der Kriegsleute ver theil t der Isa auf d 
Ver möglicheren in solcher Menge ^ wie er es /irr nothwendig hält; def^ 
die Chazaren /Uhren jedes 'Jahr Krieg mit den Petschenegen. Ihre R^ 
terei belauft sich auf r 0.000 Mann. Bei der Vertheilung der Kriegsbeil 
nimmt der Isa als seinen Theil ^ was ihm gefällt : das ißrige vertheil^^ 
die Kämpfer unter sich. 



131 

I Uas Land der Bulgaren greri^i an das Land der Biir tosen. Die 
^I garen woknen an den Ufern des Ltil- Flusses, welclier in das Cha- 
yiscßie (Kaspische) Meer müfidet und zwischen den Siaven und Chaza- 
jw dahinfliesst. Der Name des Königs ist A I m u s (eigentlich Elmüsen 
fer nach Ibn Fozlan Ahnus^ Almsjy der sich zum Islam bekennt. Im 
wnde der Bulgaren breiten sich Moräste und dichte IVälder aus, in 
men sie zt'ohnen. Sie zerfallen in drei Stämme': in den Stamm der Ber- 
fJen^ der Fssege/n und der (eigentlichen) Bnlgaren. Die Chazaren stehen 
if'/ ihnen im Handelsverkehr ; desgleichen bringen auch Jene Idossen 
WmsenJ^we/clie an dem genannten Flusse 7t'ohnen, ihre JVaaren zu ihneit, 
%s : die Felle des Edel- timi Steinmarders, des Hermelins u. A. Das 
iflgarische Volk debaut den Acker und erzengt allerlei Getreidearten: 
Vtizen^ Gerste^ Hirse u. s, w. Der grösste Iheil desselben bekennt sich 
Um Islam ; in ihren Dörfern sind Aloscheen, Schulen u. s, w. Jene, 
Wiche Heiden sind, verbeugen sich vor jenen verschiedenen Götzenbildern y 
t? ?(^rlmnden sind. 

\ Zwischen den Bulgaren und Bur tosen liegt eine Entfernung von 
Y"^ Tagreisen ; diese pflegen sie anzugreifen und zu verwüsten . Die 
f u/garen sind ein Reiiervolk. Ihr König erhebt Pferde und A n der es 
j/j Steuer ; Jedes Ehepaar muss ein gesatteltes Pferd liefern ; die moste- 
fiiischen Kanfleute aber den Zehnten ihrer JVaaren. Uebrigens glei- 
ten die Bulgaren im Aeussern sehr den Moslims ; auch muselmänni- 
Geld ist bei ihnen im Umlaufe. 



Zwischen dem Lande der Petschenegen und den Essegei- Bulgaren 
^gt die erste Region der Älagyaren. Die Magyaren sind türkischer Ab- 
^'ümmung* Ihr Fürst zieht mit 20,000 Reitern in den Kampf ; er nennt 
ick Kende^ das ist eine IViirdenbenennung^ sein Eigenname ist 
^schliff, feder Magyar gehorcht dem Dschik% mag dieser sie zum 
fensiven oder zum defensiven Kampfe auß ordern. Sie wohnen unter 
'fiten and wand^rn^. von Ort zu Ort nach der Fülle an Viehtveiden. 
hr Land hat grosse Ausdehnung: auf der einen Seite reicht es bis zum 
'^mischen fschzüarzenj Meere, in das zwei grosse Flüsse sich ergiessen ; 
^ ^ame des grossem ist Dsrhejhun. An den Lfern dieser beiden 7*liisse 
^(fhien und wandern (nomadisiren) die Magyaren. Mit dem Eintritte 
^r kalten "Jahreszeit ziehen die nahe am Flusse Verweilenden dahin und 
^treiben den Fischfang, so lang der Winter dauert. Im Lande der Ma- 
^^arai sind IVälder und Ge^viisser reichlich vorhanden, der Boflen ist 
^wptig^ doch gibt es auch fruchtbares Getreideland. 

Jkrer Religion nach sind sie Heiden ( Gotzenanbeter). 

Sie beherrschen alle benachbarten Siaven stamme, legen diesen eine 
tkwere Steuer auf und behandeln sie gleich Kriegsgefangenen. 'Von Zeit 
►^ ^cit fallen sie über dieselben her und schleppen die gemachten Gefau- 
feneft in einen Hafen des römischen Äleeresf Karcli)^ Xv^o sie dieselben an grie- 
^f'^cbe Sklavenhändler vert'aufen. Der IIa ndelsver kehr geht hierbei also 
^ sich, dass die ÄMagyaren griechische JVaaren , als Samnity bunte JVoll- 
'^ffe ntid Anderes gegett ihre (slavischenj A'riegsgef angeneu austauschen, 

Alan sagtt dass die Chazaren sich ehedem durch aufgeworfene Grä- 
tn gegen die Magyarefi und andere A achbar n, vor denen sie sich für ch- 
^UfH, geschützt haben. 

Ibn DasU*s Nachricht schildert uns den Zusjtand der Länder und 
^ölkt;r zu seiner Zeit. Damals und später wohnten die Chazarcn an 
^^ umern Wolga (ltil) ; nach ihnen heisst bei den arabischen Schrift- 
lellern das Kaspische Meer das wChazarische». Da wir die Bulgaren 

9* 





U2 



an beiden Ufem der Wolga antrefTen, so müssen wir dieses Volk 
den Mittellauf dieses Stromes versetzen, wo dieser sich mit dem KaraS' 
vereinigt und seinen westöstlichen Lauf nach dem Süden richtet. Daselbst 
linden wir auch spater * Gross-Bulgarien •♦, Erinnern wir uns, dass die 
Bulgaren früher oberhalb der Mäotis und an den Ufern des Don 
gesessen hatten, also auf kiiturgurischeni und uturgurischem Boden, 
dass sie hier den Avaren gehuldigt, sich dann unter Kubrat befreit, 
nach dessen Tode aber in TunfTheile gespaltet hatten, von denen zwi 
Theile am Don verblieben, indess drei Theile auswanderten, um 
Mösien ein neues Bulgarien ku begründen (vgl. oben S. 91) 
Don-Bulgaren wurden später von den Chazaren mehr gegen Non 
an die Wolga gedrängt und tributpflichtig gemacht. Ibn Dasta beschreil 
diese Wolga-Bulgaren, welche sich zum Islam bekannten, während 
mösischen oder Donau- Bulgaren bereits das Christenthom angenr>n> 
men hatten. 

Die Bulgaren waren also die nördlichen Nachbarn der Chazar 
von diesen gegen Nordosten sassen noch zu Ihn Dasta*s Zeit 1 
Petschenegen, Wie es seheint, leisteten die Bulgaren damals den Ci 
zaren keinen Tribut mehr, was auf ein friedliches Verhältniss zwisdi 
beiden Völkern hinweist ; allein gegen die Petschenegen führten 
Chazaren alljährlich Krieg. Die chazarische Macht erstreckte sich si 
weit nach dem Westen ; denn auch die Kiewer Slaven am Dl 
waren den Chazaren tributpflichtig. 

Das Land der Magyaren lag nach Ibn Dasta westlich von di 
Chazaren und zwar so, dass dessen eine nördliche Region von Pel 
negen und Kssegel-Bulgaren eingeschlossen war; die südlichen 
aber das römische oder schwarze Meer berührten. Die Slaven wai 
ihnqn steuerpflichtig und sie tauschten ihre slavischen Gefangem 
Waare an die griechischen Kaufleutc aus. Es scheint also» (l 
Magyaren vielmehr die südwestlichen als die nordw^estlichen Slav 
bedrückten. Nach Ibn Dasta hatte das Land der Magyaren zwei 
Flüsse, welche in das schwarze (romäische) Meer münden, Def^ 
grössere, den der Araber Dschihun nennt (ebenso heisst auch der 
Aralsee fliessende Amu-Derja), ist oftenbar der Dnjeper\ der 
kleinere, demnach der Bug (bei den Alten «Hypanisi»). Die HaA 
aber, wohin die slavischen Gefangenen durch die Magyaren zu Mai 
gebracht werden, ist wahrscheinlich das alte Carcina, denn dieses 
das arabische «Karch» des Ihn Dasta bezeichnen. Die Tributpllichtii 
der ^lagyaren sassen also am Bug und Dnjester, oder vielleicht nt 
weiter westlich am Brut und Seret oder waren etwa gar in Siebenbüfj 
sesshafte Slaven ; wissen wir doch, dass im Westen bis zu den Gcbiel 
des Rastislaw und Swatopluk keinerlei staatliche Macht vorhanden 
Dass von jenen Sitzen am Dnjeper und Bug und dem schwarzen M 



^di^i 



|ie Mag)^ren sowohl an die untere Donau wie im Rücken der Karpaten 

iat:h Westen bis ins Reich der Franken Strei fzüge unternahmen, beslä- 

Igen die bereits mitgetheilten historischen Nachrichten. Beachte nswerth 

tßti dass Ihn Dasta von einer Abhängigkeit der Magyaren von den Cha- 

Baren gar nichts zu wissen scheint ; im Gegentheile berichtet er, dass 

[ehedem die Chazaren sich gegen die Magyaren zu schützen suchten» 

lalso dieselben fürchteten. Wenn der Araber sich endlich nicht getäuscht, 

|so besass das Magyaren- Heer z 0,000, das der Chazaren aber nur 

10,000 Reiter, 

Ihn Dasta theilt uns auch Einiges über die Regierungsweise (ier 
•Bchriebenen Völker mit. Bei den Chazaren übt nicht der Xh^ßian, 
indem der Isti^ sowie bei den Magyaren nicht der König, der Kende\ 
ßdern der Dschik die Macht aus; nur bei den Bulgaren Hegt Würde 
M Macht in einer Hand. Die mögliche Erklärung dieser Verhältnisse 
erden wir weiter unten versuchen. 

In Bezug auf die Religion dieser Völker ist bemerkenswerth, dass 
ei den Chazaren der Glaube des Moses, bei den Bulgaren die Lehre 
ffuhameds die herrschende Religion gewesen, neben welcher jedoch 
bch andere Bekenntnisse vorhanden waren ; so bei den jüdischen Cha- 
^ren der Islam und das Christenthum, bei den muhamedanischen 
fllgaren das Heidenthum ; die Magyaren sowie die angrenzenden Slaven 
^d die entfernter wohnenden Rossen (Russen) waren zu Ihn Dasta's 
^^Jt noch Heiden. Nachdem jedoch bei ihren Grenznachbarn der jüdi- 
^^c, muhamedanische und christliche Glaube öffentliche Geltung 
besass, ist es unmöglich, dass diese Religionen den Magyaren ganz 
unbekannt geblieben sein konnten. 

Wir haben gesehen, dass um das Jahr 860 der chazarische Fürst 

von Kaiser Michael HL christliche Lehrer erbeten hatte, dass aber die 

jüdischen Lehrer über die christlichen den Sieg davon trugen. Das 

verkündigt uns ein um 957^961 geschriebener hebräischer Brief des 

Chazarenfürsten Josef mit genügender Ausführlichkeit. =54 Obgleich die 

Bulgaren schon in den Tagen Ibn Dasta's Moslims, d. i. Muhame- 

daner waren, so sendete doch König Almus im Jahre gio eine Botschaft 

an den Khalifen nach Bagdad, um von diesem Lehrer zu erhalten, 

welche die Institutionen des Islams bei den Bulgaren vollkommener 

einrichten sollten. Bei der vom Khalifen im Jahre 921 geschickten 

^Gesandtschaft befand sich Ibn Fos/an, der, wie einst Priscus über die 

flennen und Attila, nun über die Wolga-Bulgaren ebenso wcrth volle 

^*achrichten niederschrieb. =55 

Die Cultur eines Volkes hebt sich mit dessen Religion. Die 
^^hazaren und Bulgaren waren halb Nomaden, halb Ackerbauer; allein 
"^*^ dem letzteren Volke war die Agricultur entwicke^lter. Auch der 



Vi4 



Handel l)lühte bt'i ihnen am besten, was uns beweist, dass auch ihre 
gesellschaftlichen Verhältnisse geordneter sein mussten als bei den 
arideren Völkern ihrer Nachbarschaft, In der Cultur waren die Magmen 
weniger vorgeschritten als die Chazaren oder Bulgaren ; sie führten 
noch hauptsächlich ein heerdenweidendes oder nomadisches Leben, da? 
mit ihren kriegerischen Streifzügen selbst in entfernte Länder sich gaiw 
wohl vertrug. Daher kam es, dass bei ihnen im Winter die Fischerei 
und sicherlich im Sommer die Jagd — obwohl Ihn Dasta tlies nicht 
erwähnt — mehr gepflegt wurde als der Ackerbau, welcher, wenn aüch 
nicht von den Magyaren, so doch gewiss von deren slavischen Untef- 
thanen schon betrieben wurde, Beachtenswerth erscheint, dass Ihn 
Dasta die I^Iagyaren zwar zum türkischen Stamme zählt, sie selbst aber 
nicht Türken, sondern Magyaren nennt. Dieser Name war also gtgtui 
das Ende des neunten Jahrhunderts bei den pontischen Völkern schon 
bekannt. 

Kaiser Leo V'L, der Weise (886 — 911), der Zeitgenosse Ibn DastaV; 
beschreibt die Kanipfesart der Magyaren, woraus wir ebenfalls Einiges 
über deren Lebensweise erfahren. 

* Unter den sk}thischen Völkemi*, sagt Leo, «beobachten nur di* 
Bulgaren und Türken (Magyaren) eine stärkere Heeresordnung und dii 
Kamfjfesweise beider Völker unterscheidet sich wenig von einander. 

«Die Türken sind ein zahlreiches und freies Volk; ihr Haupt* 
bestreben ist die Tapferkeit. Kälte» Hitze, Anstrengungen und Entbeh- 
rungen ertragen sie gleichmässig, Sie leben unter einem Fürsten» der 
sie in strenger Disciplin erhalt und es bändigt sie mehr die Furcht aJ» 
die Liebe. Die Türken sind vorsichtig, zurückhaltend, aber atich geld- 
gierig und halten wenig auf Verträge. Sie erkundschaften geschieht 
die passende Gelegenheit und überraschen den Feind. Ihre WaffeHi 
bestehen in Schwert, Panzer, Pfeil und Lanze; die Pferde der Vorn«! 
men sind auch durch einen Panzer geschützt. Grossen Eifer verwen^Ci 
sie auf das Pfeilschiessen vom Pferde, worin sie eine vorzügliche Sicher 
heit erlangt haben. Sie leben nach Geschlechtern und Stämmen v'er-»] 
theilt. Ihre Pferde weiden im Sommer und Winter. Zur Zeit des Kriegen 
halten sie die Pferde gefesselt in der Nähe ihrer Zelte bis zur Ord 
nung des Kampfes. Wenn sie ihre Gegner in die Flucht treiben, ver- 
folgen sie dieselben unbarmherzig so lange, bis sie dieselben vollstandi] 
geschlagen haben u. s. w.t^s'^ 



§ 38. 



Ungefähr 50 — ho Jahre später schrieb der «im Purpur gebomC^ 
(Porphyrogenitus) Kaiser Consfaniin (um 950) ein für die Politik Con- 



'^a-titinopels sehr lehrreiches Buch, in welchem wir auch die meisten 
^a-thrichten liber die Magyaren finden. Als eigentliche historische 
luelle leitet dieses Buch in die älteste Zeit zurück^ ja die daselbst 
TfOrkommende traditionelle Benennung der « Dentumoger •» führt uns 
tnoch tiefer ins Alterthuni ; überdies beleuchtet es auch die Nachrichten 
1 bei Ibn Dasta. In der Zeit von Ibn Dasta bis Constantin waren sehr 
[bedeutende Veränderungen an den Gestaden der Donau eingetreten, so 
tfass Regino, Abt von Prüm, zum Jahre 889 schreiben konnte: «Das 
Hehr wilde und alle Raubthiere an Grausamkeit übertreffende Volk der 
H Ungarn zog von den skjthischen Reichen, vertrieben von den Peci- 
nacen (Petschenegen), und durchwanderte zuerst die Einöden der Pan- 
nonier und Avaren und suchte seine tägliche Nahrung auf der Jagd 
und Fischerei; dann brechen sie häufig in die Gebiete der Karantanen, 
Ma.raher (Mährer) und Bulgaren ein.» Regino weiss auch, dass die 
Ungarn edas Haar bis auf die Haut mit dem Messer abschneiden.» =*^?^ 
Allein wodurch diese grossen Veränderungen in den Donaugegenden 
hervorgerufen wurden, das erüihren wir von Constantin dem Purpur- 
;lDomen. 

Zu dessen Zeit (um 950) treffen wir die Petschenegen im Yorder- 
' gründe der Völkertafel an der untern Donau, während Ibn Dasta 
dieselben noch weit rückwärts, hinter den Sitzen der Chazaren und 
Magjaren aufführt. Jetzt bildet die Behandlung derselben eine Haupt- 
sorge der kaiserlichen Politik in deren Verkehr mit den nördlichen 
Barbarenvölkern. 



1 



^JVir fHiissen'\ schreibt äer Jutiser, ,,mi/ dem l^lke der Petschene' 

^^1 itz frieden leben, zU ihnen Gesandie und entsprecitende Geschenke 

^<^^ic^^fi 2ifid dafür liu'ederum von ihnen Abgesandte und Geisein empfan- 

^^fi 7^^1(1 dieselben in Constantinopel gut behandeln. Denn dieses J'olk 

i'f//^^ ;;// ^iß Stadt Cherson^ welche es angreifen kann ; es ist an€h den 

^iss^^i benachbart^ die von ihm Pferde, Rindvieh, und Schafe kaufen. 

ö^Y?^^ j/fi- (die Russen) Ä fanget haben. Die Russen kinuien nur wegen 

'^ ^petschenegen nicht in die benachbarten Länder und in die Gegend 

j /! ^^<ons tantin Opel einbrechen, ^sS A uch die Türken (Magyai-en) fürchten 

^A ^^or den Petschenegen, von dene?i sie öfters besiegt und nahezu ver- 

i^ll^^''^ ^'urden, Wenn also der Kaiser mit den Petschenegen in Frieden 

• 'können weder die Russen noch die Türken dem Reiche ein Unheil 

p/^^^'^^'^^t > j^ alsdann hält d^r Kaiser auch die (niosischen) Bulgaren ifn 

dg^^^^^f <Ä? auf seinen blossen JVink die Petschenegen pluizlich in 'das Land 

^^^ulgaren einfallen können, 
xtpy,^ - Jener Iheil der Petschenegen, der nahe bei der Stadt Cherson haust, 
T ^^^htet gegen Sold des Kaisers Dienste sowohl in Russland wie im 
Tj^ *^^^ der Chazaren. Der andere Theil wohnt nahe bei Bu /garten an den 
r/^ ^^des Dnjeper^ Dnjester u.a. Flüssen. Auf der Reise der kaiserlichen 
^ ,^*^^<//'f*;/ nach Bulgarien gelatigen diese früher zu den Petschenegen ^ 
(/f,f^^ fi<ich ihrem Gebrauche unter Eidschwur gegen Sold die Wünsche 
y- -^^aisers sowohl gegen die Russen als auch gegen die Bulgaren und 
\.JI^^^i erfüllen. Die Macht der Petschenegen wird auch dadu?xh bewie- 
' ^ass, als einmal der Kaiser den A/önch Gabriel zu den Türken 



(Magyaren) sandte mtt der Aufforderung, diese mögen die Petschemgm 
angreifen und von ihren Sitzen vertreiben^ da Ja das Land ehedem ihnen 
gehör i habe, die Häuptlinge fFurstenj der Türken einstimmig aim" 
fen : „ IJ^ir mischen uns nicht darein ; denn wir kämpfen nicht mii\ 
Petschenegen ; das sind arge Leute, ihr Land ist gross und zakin 
ihr Volk ! Wir wollen kein Wort davon mehr hören /*' 

Die Uzen können nicht nur mit den Petschenegen, sondern auch 
mit den Chazaren kämpfen; ebenso vermag der Fürst von Alanien die 
Chazaren anzugreifen. Wenn der Kaiser also mit dem aianischen Für- 
sten in Frieden lebt^ so sind die Chazaren genöthigt, sich ebenfalls fritd^ 
lieh zu verhalten; denn die Alanen können sie (im Norden) hisiur 
Stadt Sarkel und (im Sihien) bis zur Stadt Cherson angreifen. 

Auch Schwarz- Bulgarien können die ChazarcJi angreife n:"^Vi 

Hierauf zählt der kaiserliche Schriftsteller auf, was für Geschenke 
man den Chazaren, Türken, Russen und anderen nördlichen Barbaren 
geben könne, und welche man ihnen nicht geben dürfe. Wenn sie den - , 
noch solche begehren sollten — denn die Barbaren verlangen ja Alles] 
— so muss man ihnen antworten, Gott verbiete es, ihnen dies od&T] 
jenes zu schenken. Es ziemt sich nicht, mit ihnen in Ehebündnisse^i 
zu treten. Einmal wagte es freilich Kaiser Leo aus Tollkühnheit;^ 
[dßtvM roAwfj) die Tochter des chazarischen Khakans zur Frau zu neh-^ 
men ; allein er mussle es schwer büssen* ^^^ Wenn man dagegen ein- 
wenden wollte, dass ja der römische Kaiser mit den (mösischen) Bül— 
garen in verwandtschaftlichem Verhältnisse stehe, denn er gab seinem 
eigene Tochter dem Bulgarenkönige Peter zur Gattin, so wird das schon 
dadurch entschuldigt» dass diese Bulgaren Christen, also mit uns eine^ 
Glaubens sind. 

Nach diesen Allgeraeinheiten interessiren uns am meisten jen^ 
speciellen Nachrichten, welche Constantin über die Chazaren, Petsche- 
negen und Magyaren mittheilt. 

A. Fort den Chazaren. 

„Das Land der Petschenegen (PaczinacitenJ reicht von der untcf"*^ 
Donau jenseits Distra (SilistriaJ bis zur Chazaren- Veste Sarkel, ^''^ 
„Weissen bürg'' (»u-^^tn »tnttTtt^J bedeutet. Diese Veste hatte Petronas erha^^ 
Denn der Chazaren- Khagan sowie der Beg des Chazarenlandes'^^^^ schickt^^ 
Gesandte zu Kaiser Theophilos (S^g — S42J, damit dieser ihnen einen B^^ 
meisier sende; und der Kaiser schickte den Petronas. Derselbe traf 
Cherson die chazarischen Ceberfahrtsschiffe, auf diese lud er seine ^4-^ 
beiter und schiffte den Don aufwärts bis zu dem Orte, wo der Bau ^^ 
richtet werden sollte, Nachdem daselbst keine Steine vorhanden war^^^ 
Hess er Ziegel- und Kalköfen errichten und verfertigte also das natk^2 
Baumaterial. Auf diese Weise entstand SarkeL'' 

So viel über die Chazaren, was durch die Nachrichten des I ^ - 
Dasta und die Mittheilungen des Chazarenkönigs Josef ergänzt wi<^^ 
Nach Ihn Dasta (siehe oben S. 130) war im Lande der Chazaren znv'- 
der Khagan der Herrscher, allein nur der nominelle ; die eigentlich 



m 



Macht besass der König Isa. Constantin unterscheidet den Khagan von 
dem Beg {^i)c)', beide Benennungen sind türkisch. In Ungarn {und 
dem übrigen Europa) ist die Bezeichnung wBeg- (oder «Bey», wie man 
das Wort jetzt ausspricht) bekannt geworden; sie bedeutet «Herri». 
Der «Beg» Constantins ist also der «Isan Ibn Dasta's, Der Chazare 
josef (g57 — 961) nennt sich <i König», doch gedenkt er auch des t Gross- 
Kirsten«,*^® der offenbar dem Khagan entspricht; Josef war also nach 
Constantin der «Beg» der Chazarcn. Dieses Wort und diese Würde 
wird auch -Bak» geschrieben, was dem altmagyarischen «bägy» («j6- 
bäg)^», jetzt: ♦ijobbigy» =^ Lehensraann) nahe kommt. Auf dieses Wort 
ömmen wir noch zurück. 

Nach Ibn Dasta heisst die Hauptstadt der Chazaren « Sara- Sehen w ; 
Konstantin nennt die am Don erbaute chazarische Stadt «Sar-keK mit 
der Erklärung, dass dies «(Weissen bürg» bedeute. W^ie wir sehen wer- 
den, bedeutet das Wort in der That «weisses Haus». Das *Sara» des 
Ibn Dasta und das «Sar» bei Constantin sind offenbar gleichbedeutend 
^ «weiss». 

Ibn Dasta nennt das Land der Chazaren von grosser Ausdehnung. 

P^r Chazarenkönig Josef rühmt sich dessen, dass die nach Westen am 

Constantioopeler Meere wohnenden Völker ihm tributär seien ; dass sein 

^^kh im Norden bis zum Jaik-Fhisse reiche^ wo die Leute in Dörfern 

t^nne Mauern wohnen und in der ganzen Steppe umherziehen bis an 

^^^ Grenze der Jugrier. ^'^3 «Ich aber», schreibt Josef, «wohne an der 

^iündung des Stromes und dulde nicht, dass die Russen mit ihren 

^<^niffen den Fluss abwärts gehen, denn sonst würden sie das ganze 

^d Jsmael bis Bagdad verwüsten, 1* Femer berichtet Josef, dass er in 

s<finem Königreiche drei Residenzen habe ; in der einen wohne die 

Königin mit ihren Dienerinnen und Verschnittenen, dazu gehören viele 

^^rfer und Weiler und es wohnen darin Juden, Ismaeliten (Muhame- 

aarser), Christen und andere Nationen von anderen Sprachen. Die zweite 

^*^^t ist mit ihren Umgebungen acht Quadrat-Parasangen gross und die 

"^Ue bewohne ich selbst mit Fürsten und Knechten und allen Dienern. 

^^^ ist klein, der Strom (die Wolga) fliesst hindurch und wir wohnen 

^3-i"in den ganzen Winter; im Monate Nisan (April) aber ziehen wir 

^^'"aus und jeder geht auf sein Feld und seinen Garten, um diese zu 

"^Dauen. Jedes Geschlecht besitzt sein Erbgut, wohin es zieht und in 

^^ssen Gebiet es wohnt, mit Freude und Jubel u. s. w^ Alle diese 

^ Kehrichten stimmen mit den Aussagen bei Ibn Dasta überein. 



B. 



VoJi dm Pefschenegen. 



,,Di€ Petschenegen (PaczinacitenJ wohnten ursprünglich an den 
Hmsen Atel ( Wolga J und Geich (Geech, Jajk, Ura/J.zvo s/e den A/aza- 



ren und Lfzen bcttachbari waren. ^^ Ais vor junjztg yanren ate 

mit den Chazaren sich verbündeten, griffen sie die Pctschenegen an u»ä \ 
vertrieben sie aus ihren JVohn sitzen^ welche die Uzen in Besitz no^n 
und bis zum heutigen Tage bewohnen. Die Pctschenegen suchten nuf 
Ansiedelungspiätze und trafen dabei auf die Türken f Magyaren J, i:t 
sie besiegten und aus ihrem Lande verjagten ; sie selber nahmin du: 
Wohnsitze der lurken ein und wohnen daselbst seit S5 Jahren bi-j. ;«, 
diesem Tage, 

,Man mtiss wissen, dass die Pctschenegen in acht Stämme ztrfai-\ 
len unter ebenso vielen Grossfürsten ( Sta nimeshäuptlinge , ^iytii at^vt/A 
Die iVamen di*r Stämme sind.' Ertem^ Tzur^ Gyla^ Kulpei, Charohi\ 
Tal mal, Chopon, Izopon, In jener Zeit, als die Petschenegen aus ihnn\ 
Wohnsitzen vertrieben wurden, war Martza Fürst des Stammes ErtemA 
Kuel der des Tzur, Kurkuta des Gyla, Ipam des Kulpei, Kaidum fic^\ 
Charoboi^ Kosta des Talmat, Giaze des Chopon und Vata (Bata) da T 
Tzapofi. Nach ihrem Tode folgen ihnen ihre Oheime ; denn bei ihtim [ 
übergehen nach Gesetz und Sitte die Würden nicht vom Vater auf dk\ 
Söhne oder Enkel, sondern auf die Oheime ( Vatersbrüder j. 

Wissen niuss man, dass vier Petschenegen- Stämme, nämlich < 
Kuurtzi-Tzur, der Syru-Kulpei, der Boro- Tal mat und der Bulat-Tzap»}}' 
jenseits des Dnjeper nach Osten und Ä^orde?i tvohnen und an die LiUi'h' 
der Uzen, Chazaren und Alanen und an die Stadt Cherson grenzen. Du 
übrigen vier Stäm?ne wohnen diesseits des Dnjeper gegen Westen mi 
xVorden. Der Stamm Giaze-Chopon ist also nahe zu Bulgarien, der ti€ 
fenmhneftde Stamm Gyla zu den Türken, der Stamm Charoboi zu äei 
Pussen und der Stamm Jabdi-Erteni nahe zu den russischen Trihutv^d 
kern; als: Will inen, Der bleu inen, Lenzenitien und arideren Slaven. 

,yDas Land der Petschenegen liegt fünf Tagreisen von den Uzeji tm 
Chazaren, sechs lagreisen von den Alanen, zehn Tagereisen von Mordkf 
eine Tag reise von den Russen, vier läge von den Türken und eine hM 
Tagreise von den Bulgaren entfernt. Es ist nahe bei Cherson, noch näk' 
zum Bosporus. 

„Wissen muss man, dass bei der Vertreibung der Petschenegen (it^^ 
ihren Wohnsitzen ein Theil von ihnen zurückgeblieben ist und bis ^''^^ 
heutigen Tage dort mit d^iu Uzen zusammefi wohnt ; man kann sie ah 
an den ICleidern erkennen, die nur bis an die Knie reichen und ärtne'S. 
los sind. 

^^uch das muss man wissen ^ dass in defn Theile diesseits des D^J^ 
per, der gegen Bulgarien liegt, bei den Fluss Übergängen verlassene ^^ 
festigungen sind. Die erste wird von den Petschenegen ihrer weisslich^'f_ 
Steine wegen „Weissen bürg*' genannt; die zweite heisst lung-gata, '*f _ 
dritte Krakna-kata, die vierte Salma-kata, die fünfte Saka-kata, (^J 
sechste Giau-kata, In diesen alten Befestigungen findet man Ruinen 
Kirchen, Kreuze aus Tujfstei?i u. a.^ weshalb Viele glauben, dass 
einstmals die Römer ge^mhnt haben. ^^ 

,,Endlich muss man wissen, dass der Name der Petscheneß'^ ' 
^^Ka ngar^'- ist ; doch heissen nicht alle so, sonder 71 nur die d?'ei Stäm ^j,^ 
yahdi- Erlern , Kurtzi-Tzur und Chabuxin- Gyla, welche tapfe?*er und e(f^ 
(denn das bedeutet der Name ^,Kangar''J als die Uebngen si?id.'' 

Wir werden sehen, dass die politische Organisation der Petscl 
Hegender magyarischen sehr ähnlich war, mit Ausnahme des Umstand^ 
dass sie keine einheitliche Obergewalt anerkannten wie die Magyar^S 
Die Ansiedelungen der Pelschenegen-Stämme kennt Constantinus bes^^ 
als die der I^Iagyaren. Von jenen Befestigungen sagt er, dass sie \C^ 
oder verlassen seien und sich in denselben die Ruinen alter Ba 






LUU^ 



äitcn befanden, die er den Römern zuschreibt. Nachdem jedoch die 

Namen dieser Festungen nicht römisch, sondern petschenegisch sind : 

lässt sich annehmen, dass die Petschenegen ihre Burgen an die Stelle 

älterer Befestigungen anlegten, wie das auch bei anderen Völkern üblich 

war. Unter den Eigennamen fallen drei auf: Gj/a, Giaze imd Vaia oder 

Bala, welche ähnlichen magyarischen Namen entsprechen. Denn die 

griechischen Schriftsteller pflegten den Namen G6za oder Gejza (Geisa) 

auch «Giaze» z\x schreiben. Und nachdem der Stamm Gyla vier Tage- 

teisen weit vom Lande der Türken angesiedelt war, so würde diese 

Entfernung bis Siebenbürgen reichen, wenn Constantin nicht ganz 

Siebenbürgen zu Ungarn gerechnet hätte. 



C. l^n dm ßfagj'ann. 

,^£)as iürkiscßie f magyarische ) Volk "Wohnte vormals in der Nähe 

d^r Chazareii in dem Lande Lebedia, das von ihrem ersten IVojumden 

f Führer, Fürsten) Lebedias den Adamen erhalten hatte; daselbst ist der 

Fluss Chidmas oder Chingylus. Damals zimrden die Tiirken aus irgend 

etilem Grunde ^^Sabartoiasphalen^*' genatint, Sie beste hetz aus sieben Stdm- 

^<^n unter edenso vielen IVojwodeUy unter denen, wie erwähnt, Lebedias 

der erste 7var, Drei Jahre wohnten sie bei den Chazaren und waren 

deren Bundesgenossen in all eil Kriegen. Der Chazaren- Khagan gab eine 

"^^^^nehme chazarische Frau dein Lebedias, der jedoch von ihr keinen Sohn 

^^ß/i^ig. Als zwischen den Chazaren und Petschenegen ein Krieg aus- 

°^üc/t^ tourden die Letzteren besiegt ^ mussien ihr Vaterland verlassen 

^nd s-ich eine andere Heimat suchen. Sie stiirzten sich auf das Land 

«<?r y^iirkeUi deren Lager sich in Folge dessen in zwei Theile spaltete; 

^ <^^V/^ Tlieil wanderte gegen Osten nach Fersis und behielt bis heute 

'^.^^ ^^Men Kamen ,,Sabartoiasßhalen'' ; sie schicken Gesandte und Kach- 

^jch^^-^i fi^i ^{^. westliche?? Türken und empfangen dasselbe wiederum van 

^k'se^^ />^^ iifi^^^j^e Theil (nämlich die tuest liehen Türken) Hess si^h aber 

^^^ ^^^ebedias in der Gegend von Atelkuzu nieder. 

^Mald nachher berief der Chazaren- Khagan den Lebedias zu sich und 
a/^*^ /-äw ; yfch will dich, weil du vornehm, klug, tffchtig und der Erste 
^'^^^'tS^^'sehensteJ unter den Tiirken bist, zum Fürsten deines Volkes ma- 
chen , wenn du meinen Rath und Befehl annimmst.'' Lebedias dankte für 
^^ ^^öhlwollen des ICkagans, erklärte aber, er sei zur Annahme des 
ÄJiti^~^^ges unfähig; jef' empfahl hiezu den zweiten Wbjwoden Sa/mutzes 
n^ ^«e^Xf« Sohn Ar päd, die in ähnlicher IVeise gehorchen würden. 
Dtes^G^:^ Vorschlag gefiel dem Khagan und er schickte mit dem Lebedias 
P^'^^^^^ ^/^ den Tiirken, welche 7iach vorheriger Berathung lieber den 
^P*^d als den Sa l mutz es wählten. Hierauf hoben sie nach chazarischer 
is%tt& nfi^ Gesetz den A rpdd auf dem Schild in die Höhe und machten 
tnn .s-ö zu ihrem Fürsten ; vordem hatten sie nie einen Fürsten gehabt, 

>Kach einiger Zeit griffen die Petschenegen abermals die Türken 
"j* f^ telkuzu an und vertrieben sie pon dort sammt (ihrem Fürsten J 
J^'*p€td, a65 Die vertriebenen Tiirken suchten nun anderwärts Wohnsitze 
und nahmen Gross- Älähren in Lksilz, wo sie bis zum heutigen Jage 
mh^i^^i Ä?// dieser Zeit war zwischen Petsc he neigen und Türken kein 
^^^^ mehr,'' 

Bevor die Magyaren sich in Ungarn niederlicssen, wohnten sie 
nach dem Berichte des kaiserlichen Schriftstellers erstlich in Lebedia 



I40 



und dann in Ateikuzii : aus beiden Wohnsitzen wurden sie durch die 
Petschenegcn vertrieben. Nach Ibn Dasta lag die erste Ansiedelung der 
Magyaren zwischen den Pctschenegen und einem Stamm (Essegel) der 
Nord- oderWolga-Bulgaren,— waÄ dem^Lebedia» Contstantins entsprechen 
würde. Atelkuzu aber, das Constantin auch «EteU und iKuzii» nennt, ^ 
hatte nach ihm seinen Namen von den dortigen fünf Flüssen erhalten, 
von denen «Brutusi« und *Seretusi deutlich der heutige Prat und Seret 
sind. Ungarische Historiker halten «Atelkuzui» für ^^Etelköz» ; Constan- 
tious nennt aber unter den Flüssen , die ins schwarze Meer münden^ 
keinen einzigen «Etel» oder «AteU ; dieser Name gebührt auch bei ihm 
nur der Wolga. Es scheint mir gewiss zu sein, dass diese Namen Atel* 
Etel und Kuzu sich auf jenen Wohnsitz der Magyaren beziehen, den 
sie an der Wolga inne hatten, * bevor sie südwärts an die Flüsse des 
schwarzen Meeres gelangten. Hier fand sie auch Ibn Dasta an den 
Ufern des Dnjeper, den er Dschihun nennt, und anderer westlicher 
Flüsse» 

Nach Constantin hätten die Magyaren sowohl in Lebedia wie in 
Atelkuzu nur kurze Zeit verweilt, da ihnen jedesmal die Petschenegen 
auf der Ferse waren. Aus der Darstellung Ibn Dasta's geht d 
Entgegengesetzte henor. Denn ein oder zwei Jahre hätten mc 
hingereicht zur Unterjochung der Slaven am Priit und Seret und 
Betreibung eines Sclavenhandels mit den Griechen, — Constatiti 
benachrichtigt uns von einem Clientel- Verhältnisse der Magyaren ^ 
den Chazaren, wovon Ibn Dasta gar nichts meldet. Es ist auch an 
fällig, weshalb die Chazaren die Magyaren gegen die Petschenegerx 
ihren gemeinsamen Feind, nicht vertheidigt haben, sobald sie über die 
Magyaren in der That die Oberhoheit besessen hatten. Die historisc 
Wahrheit besteht wohl darin, dass die Magyaren von der Wolga h 
südwärts gegen das schwarze Meer zogen, und dass die Petscheneg 
nach ihnen dieselbe Richtung (gleich den Hunnen und Avaren) ei 
schlugen, was die Chazaren nicht verhinderten oder auch nicht verhinde 
konnten ; dass ein Theil der ^lagyaren in den alten Wohnsitzen ver- 
blieb, was wir auch von den Avaren vernommen haben und endlich» 
dass die sieben Stämme der Magyaren zu ihrem grössten Glücke de; 
Arpdd zum Fürsten wählten, noch bevor sie in ihr heutiges VateHa 
eingewandert waren. Indessen geht auch aus der folgenden Darstellun. 
Constaniins selbst deutlich hervor, dass die Oberhoheit der Chazan 



♦ CäSSEL, Ma|t;yarisclit Alterthünier^ p. 202» ahnt dasselbe, und will Alel-Ku^ 
«Atel-Ciux» lesen und darunter den ^Atel der Guzen* (Usen) — Land der Gu^enl 
ver?itehen. Wenn der Name «Gux^Atel* viräre, kdnnte man diese Krkliirun/! ] 
acct'ptiren 



rii^d 



M 



über die Magyaren keine besonders bedeutende sein konnte. Denn der 
kaiserliche Schriftsteller fährt also fort : 

^.Wissen mtiss man^ dass die sogenannten Ka baren chazarischcr 
Abkunft sind. Als eins/ wegen der Herr sc ha ff (bei den Chazaren) eine 
Empörung entstand, siegte in diesem innern Kriege die alte Macht n^d 
ein The il der Aufs tändisctien zvurde niedergemetzelt, der andere Tkeil flott 
zu den Türke?! Und vereinigte sich mit ihnen. Sie lehrten den Türken die 
chazarische Sprache und behielten bis zum heutigen Tage diese ihre eigene 
Sprache; allein sie erlernten auch die Sprache der Türken, Nachdem die 
Kabaren sich durch Stärke und Tapferkeit auszeichneten, kämpften sie 
in den Schlachten als erster Stamm in de/i vordersten Reihen ; die Ka- 
harcn bestehen aus drei Geschlechtern, die bis heutigen Tages einen ge- 
meinsamen Stammeshäuptling haben, ^' 

Wenn die Chazaren in einem solchen Hoheitsverhältnisse zu den 
Magj'aren gestanden wären, wie das ans der Darstellung Constantins 
henorgeht, so würden die Ersteren wohl kaum gestattet haben, dass die 
flüchtigen Kabaren sieh mit diesen verbünden. Indess in Bezug auf unsere 
ithnographie ist es von weit grösserer Wichtigkeit, dass sich den 
Mageren noch vor ihrer Niederlassung in Ungarn ein fremder Volks- 
ütamm angeschlossen und sich mit ihnen verschmolzen hatte- Solchen 
Beispielen werden wir im Verlaufe unserer Untersuchungen mehrmals 
begegnen. Hören wir Constantin weiter! 

„Jetzt sind also bei den Türken der erste Stamm die Ka baren, 
d^ Name des zweiten ist Ä^eke, des dritten Megere, des vierten 
ICh rlyge r m a tu, des fünften Ta rja n u, des sechsten Gen ac h, des 
ncbenten Käse. — Durch Leo (VI. oder den „H'eisen'\ SS6 — g//J berufen t 
idm-sckritten sie die Donau, und besiegten d^n bulgarischen König Simeon ; 
hs Prestklaw streiften sie und zwangen den Bulgaren kön)g in der 
Festung Jilundraga Schutz zusuclien. Ä^achdem Simeon mit de7i Römern 
Fried^fi geschlossen hatte, verhand er si^h mit den Petschenegen gegen die 
T^^i^ken )tnd als diese auf einem Kriegszuge fern waren, überfielen die 
y^'bündeten die Daheimgebliebenen und vernichteten sie. Nach Hause 
H*^'i<ckgekekrty sahen die Türken ihr Land vertv ästet und zogen in jenes 
-f^^^i das sie bis fieute besitzen. Die Türken wohnen also von Belgrad 
^1^ Jenseits der Donau ; aber auch diesseits der Donau, zwischen der 
^^au und Save, Ferner wohnen sie an den Flüssen Times es fTemes), 
fute s (?j, Mo rese s f Marax J, Xr isus (Koros) und Ti tza ( TheissJ 
^^ie ifi ^^GrosS'iMähren'\ da wo ehedem Swatopluk (SphendoplukJ ge- 
*^^rrscht hatte. Die Türken grenzen im Osten, wo die Donau fliesst, an 
^^^garien; im Norden an die Petschenegen ; im JVesten aft die Franken 
'I??^ /w Süden an die Croaten.^^i ^eder Stamm hat seinen besondern 
^fi^Uptling (Führer, Fürsten), ist aber nicht Unter tlian desselben ; wird 
*'"' Stamm %Him Feinde angegriffen, so müssen ihm alle Stämme mit 
i^nzer Kraft zu Hilfe kommen. Der Grossfürst stammt nach dem Erb- 
^^chte aus item Geschlechte Ar päd* s. Ausserdem gibt es noch den Gylas 
^1^^ Kare has (Karchan). Das sind keine Eigennamen, sondern JJ'ür- 
"''"', welche ein Richteramt bezeichnen ; aber der 'Gylas steht höher (ist 
^'^'^nchmer) als der Kare has,'' 

Die abendländischen Schriftsteller, welche uns über den Avaren- 
krieg benachrichtigen, erwähnen zwar die Theiss, darüber hinaus reicht 




14-^ 



aber ihre Kennlniss nicht. Während der ganzen fränkisch-deutschei 
Herrschaftspenode hören \vir gar nichts vom Gebiete jenseits derTheiss^ 
Der griechische Kaiser mochte es vielleicht von den ^Magyaren ^elbsi 
erfahren haben, ^^ ^\^^^ ^\q ausser im ehemaligen Mähren und In dei{ 
Theilen jenseits der Donau sowie zwischen der Donau itnd der Sav^ 
noch an den Flüssen Ttmes, Maros, A'orös und l^keüs wohnen. Die 
Marosufer führen nach Siebenbürgen; es ist also nicht mi wahrscheinlich, 
dass sie sich um das Jahr 950 auch schon nach Siebenbürgen ver^ 
bereitet hatten. 

Noch interessanter sind die Mitthcihmgen Constantins über die 
politi-schen Zustände der Magyaren, Jeder Stamm hätte sein besondere* 
Oberhaupt, dem jedoch die Stammesgenossen nicht als Unterthanen 
untergeben sind ; diese konnten somit in öffentlichen Dingen auch mit 
dr(^insprechen. Die Würden der Stammeshäuptlinge, weiche Constanti» 
«Fürsten» {Üfiz^^} ^^^^ vielmehr xAnführer» (Herzoge) nennt, waren vid^ 
leicht ebenso erblich wie die drei obersten Würden des gesaramten 
Volkes. Unter diesen war die erste die des «.Gross/ürsiem (üfy«; *u*>> 
von dem Constantin ausdrücklich bemerkt, dass er ans dem Geschlechtc 
Arpad's stamme, also nach dem F>b recht seine höchste Würde besitzt. 
Die Gewalt und die Rechte der Grossfürsten erfahren wir nicht, ebens£> 
wenig den magyarischen Namen dieser Würde ; denn das W^ort « Wtytvodtih 
womit Constantin den Grossfürsten öfters beaeichnet, ist slavisch ; man 
kann jedoch annehmen, dass die oberste Würde ebenso wie die beiden 
anderen National- Würden eine originale Bezeichnung gehabt hat. Ihn 
Dasta berichtet (s. o. S. 131), dass dieser Name ^/itmit'\* gelautet habe. 
Sollte etwa das magyarische WVjrt *Kentl* (*dhri» als Anredew'ort)» womit 
heutzutage nur die Dorfbewohner einander apostrophiren, so hohe« 
L'rspnmges sein ? Unmöglich wäre es nicht ; wissen wir doch, dasi 
auch das Wort «jobagy» erstlich die Grossen des Reiches, als die dem 
Konige zunächst stehenden Vasallen, später aber, mindestens bis zum 
Jahre 1848, mir die den Grundherren contribuirenden Bauern bezeichnete. 

Die zweite Nationalwürde der Magyaren w^ar nach Constantin die 
des Gy/as oder Gr/(t. Diesen Namen bestätigt Ihn Dasta, der ihn 
arabisch Bsckiü schreibt, obgleich er darin irrt, dass er denselben al^ 
den «Eigennamen* des Kende bezeichnet, Uebrigens war nach Ihn 
Dasta der Gjia der Anführer im Kriege, was sehr wahrscheinlich ist. 
Der Name lautete im magyarischen wohl ^^Gyula^ und erhielt sich am 
längsten bei dem siebenbürgischcn Geschlechte der Gyula, welche da*^ 
Amt eines Vicekönigs bekleideten. Von ihnen stammt auch der OrtS^ 
name «fGrula-Eejervär*» ( Weissenburg, Carlsburg), Später venvandeltiJ 
sich auch dieser Würdenname gleich anderen in persönliche Eigen- 
namen : Gyula, G}ailai ; gleich «Kiraly»» (von *ikiräly = König), *Ken^2^ 



Richter) u. a. üb* die Würde des «Gyiila» erblich war, wird nicht 
meldet ; doch ist es sehr glaublich. 

Dasselbe gilt wohl auch von der dritten Nationalwürde, dem 
irch^is; denn Constantin sagt von Bulcsu, dass er Karchas und der 
ihn des Kal^ war, der ebenfalls Karchas gewesen (siehe die Anmer- 
mg'^). Ibn Dasta macht von dieser Würde keine Erwähnung ; ihre 
dstenz wird uns jedoch nicht blos von Constantin gemeldet, sondern 
th in einem Gesetze des Königs Ladislaus des Heiligen vom 
hre 1092 (Decretuni IIL 2) bestätigt; daraus erfahren wir zugleich 
e Natur dieser Würde, Das Gesetz lautet : «Wir befehlen, dass der 
inigliche Herold Jedermann, Adeligen, Nichtadeiigen, insbesondere 
er den Bischöfen, Aebten» Gespanschaftsgnifen und niedrigeren Amts- 
iten verkünde : Derjenige, bei welchem sich noch nach dem Urtheiie 
^s Richters Carchas aus der Zeit des Königs Andreas und Hei^- 
gs Bela einer jener Stadt- oder Dorfbewohner vorfinden sollte, die 
►reki oder «Sclaven» genannt werden, — der solle denselben am Tage 
ariä Himmelfahrt dem Könige vorführen. Wer denselben mit Gewalt 
nickhält, zahlt den doppelten Werth der Person ; wer aber sein An- 
cht beweisen will, der erscheine am genannten Tage und beweise es.»^^^ 

Zum Verständnisse dieses Gesetzes muss man sich erinnern, dass 
efan der Heilige die christlichen Sclaven befreit hatte, was bei den 
iilnischen Herren gewiss eine arge Schmälerung <les Eigen thums- 
Jchtes und ebenso lästig war wie die Entrichtung des anbefohlenen 
fchenzehenten. Die Rückkehr von Andreas und B«^da im Jahre 1046 
t dann den V^irwand zum Wiederaufieben des Heidenthums, womit 
türiich auch die Wiederherstellung der früheren, sociaien und 
htlichen Verhältnisse verbunden war ; der Kirchenzehent wurde 
geschafft utid die befreiten Christen-Sclaven neuerdings der Sc laverei 
terworfen. Mit dem Heidenthum erstand auch die alte heidnische 
-hter würde des Canhas (denn der «Sarchas» im Decrete Ladislaus 
^n niemand Anderer sein als der «Karchasi» Constantins, den man 
^*inisch «Carchas» schreiben musste, wobei dann die Abschreiber das 
• für ein iSs lasen) — erstand also auch dieses altheidnische Richteramt 
-der, welches offenbar von König Stefan dem HeiHgen abgeschafft 
'i^den war, weil man seiner nach der Restauration des Christenthums 
'ht weiter gedenkt. Der Karchas urtheilte demnach in privatrecht- 
«en Dingen, war also der wirkliclie Richter des Volkes. Ladislaus 
i^tillirte die Richtersprüchc des Karchas, gestattete aber, dass, falls Jemand 
^ anderw^eitiges Recht auf seine Sclaven hätte, er dieses bew^eisen 
rfe. 

^Vas weiss nun Constantin über die Besitzergreifung Ungarns 
[^ die Magyaren ? 





yj^lan muss wisseft\ sagt £/% ,,äass Spkemiophik, der Fürst rwJ 
Mähren, tapfer und gefürchtet war bei den benackharten J*olkern. 
seinem lade t heilte er das Reich unter seine d?'et Sohne, indem er jetL 
Sohne einen Theil gab, doch so, dass der ä/teste der Gross/rhst sc/n, 
beiden anderen aber dessen Oberhoheit anerkennen sollten, indem nr \ 
durch das Beispiel mit dem Ruthenhündel zur Einigkeit ermahnte, Alkk 
jene lebten nach des luiters Tod nur kurze Zeit in Eintracht ; sie gcrid 
then bald in Streit und bekämpften sich gegenseitig. Als tiun auch dm 
l^ürken sie angriffen^ gingen sie völlig zu Grunde und jene nahmen tkfi 
Land in Besitz, das sie bis heute inne haben. Die übriggebliebenen Mäk^ 
ren flohen zu den Bulgaren, Türken, Croaten und anderen benachbarirA 
lljlkern.'' 

Wenn irgend Jemand unter den Schriftstellem des lo- JahrhunJ 
derts es gewusst hat, was für Mächte die Magyaren bei der Besitrer-I 
greifung ihres neuen Vaterlandes besiegen mussten, so war das sicherlitlij 
Kaiser Constantin, der «Purpurgebornei. Er nennt aber blos die Soll 
Swatopluks ; eine andere Macht kennt er nicht und doch lagen ^^ 
östlichen Gebiete Ungarns, deren Flüsse er anfzählt, ihm räumlich nähe^ 
als die w^estHchen, entfernteren Landestheile. deren Herrscher 
kennt, weil es solche gab. Im Osten war jedoch keine Herrschermacfa 
vorhanden, also konnte Constantin auch keine kennen oder nennen - 

Die Geschichte der Besitzergreifung selbst und deren Einzelheiten*^ 
kennt Constantin ebenso wenig als die abendländischen Geschicht.^_^ 
quellen. Wir lesen nur in dem Klageschreiben der bayrischen Bischa^ 
(s. o. S, i2i), dass damals in Pannonien kaum eine Kirche erhalU 
war, und dass die Mährer ihre Haupthaare beschnitten und sich d€ 
heidnischen Magyaren anschh.>ssen, um im Vereine mit ihnen zu kän 
pfen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die christlichen Priester 
möglich vor den neuen Ankömmlingen flüchteten, und dass die ch 
liehen Deutschen und Slaven dem Beispiele ihrer Geistlichen gefolj 
waren» Indess war die Bevölkerung schon während der letzten Zeitd* 
fränkisch -deutschen Herrschaft in Pannonien nicht besonders dicht, 
ja Swatopluk, wie wir sahen, die Gegenden jenseits der Donau wiede 
holt verwüstet hatte* Nach der magyarischen Besitzergreifung ahmte 
von der zurückgebliebenen Bevölkerung wohl viele, namentlich die va 
handenen Avaren, das Beispiel der Mährer nach und fandeii es 
theilhafter mit den Magyaren zu vernichten, statt selber vernichtet 
werden. Was diesseits der Donau zu Mähren gehört hatte, fiel aii^ 
mit leichter Mühe in die Hände der Magyaren ; die Theissgegend^ 
aber waren herrenlos und gehörten dem, der sie nehmen wollte; 
Magyaren nahmen sie. 

Die Hauptstärke der Avaren lag im westlichen Tlie.ile Pan«^^ 
niens ; es scheint, dass die Mag)aren auch darin das Vorbild ib*^* 
avarischen Vorgänger befolgten, indem sie das Land bis an den Kti^ 
üuss besetzten. Später wurden sie allerdings wieder mehr nach O^*-^ 



iie heutigen Grenzen diesseits der Leitha gedrängt ; dennoch blieb 
lie Hauptmacht der Magyaren \in Westen ihres Landes; hier ent- 
ickelte ?;ich unter dem Grossfijrsten Geisa wie unter dessen Sohn 
5tefan der Kern des ungarischen König-thums, 

//. Urgcsckkhii der Magyaren nach dem Zeugnisse ihrer Sprache. 



Sprache, Religion und Sitte gestalten ein Volk, und wenn sich 
auch die beiden letztern ändern» so besteht das Volk dennoch so lange, 
als seine Sprache fortdauert. Die Sprache ist die Seele des Volkes; die 
j Geschichte der Sprache somit die Geschichte der Seele eines Volkes. 
|Die Sprache beweist auch die Zugehörigkeit, die Verwandtschaft eines 
^Volkes» sie weist demselben untrüglich seine Stelle unter anderen Völ- 
fiern an. Die körperlichen Merkmale können den einzelnen .Menschen 
fßur nach seiner leiblichen, thierischen Seite hin charakterisiren ; aber 
[niemals ein ganzes Volk kennzeichnen, welchem Individuen der ver- 
schiedensten Körpergestaltüng augehören können, sobald sie nur die- 
slbe Sprache reden und dieselben moralischen und socialen Eigen- 
fthiiniüchkeiten haben. In der Ethnographie ist das Zeugniss der Sprache 
ftier einzig sicher weisende Führer. =7'^ 

Allein eine Sprache allein kann für sich noch kein verständliches, 
Igenügendes Zeugniss ablegen ; dies wird nur möglich unter Mithilfe 
Ider verwandten Sprachen. Die verw^andten Sprachen erklären, beleuchten 
I einander; sie zeigen zudem den Ursprung und die Entwickelung des 
^betreffenden Volkes; ohne die Kenntniss der verwandten Sprachen kann 
|also auch die Urgeschichte eines Volkes nicht aufgehellt werden. Und 
doch j^ehl jene Geschichte, die wir dem Zeugnisse der Sprache und 
ihrer Verwandten entnehmen, der eigentlichen Geschichte sehr weit 
voraus. Jene Vorgeschichte zeigt uns die Wiege und jugendliche Ent- 
^'ckelung des Volkes; es ist das in Wahrheit die nUrgeschichfe^ desselben, 
bobaid ein Volk auf dem Schauplatz der eigentlichen Geschichte auftritt, 
[wes seine jugendliche Entwickclungszeit schon zurückgelegt. Der lehr- 
reichste und interessanteste Theil des Volkslebens liegt also eigentlich 
hinter dem Schauplatze der Geschichte. 

Die geschichtlichen Aufklärungen, welche uns eine Sprache und 

Ihre Venvandtschaft bietet, schöpfen wir aus dem gemeinsamen Lexikon 

\ma ji^g jji^j. gemeinschaftlichen Grammatik derselben. Die erste Frage 

\^\ Unseren Untersuchungen ist also : welche sind die Verwandten der 

"'^g^'ari sehen Sprache ? Diese Frage werden wir durch eine Reihe von 



That 



^^chen beantworten. Wer nach Aufführung dieser Thatsachen unsere 



^»«»ifalvy. Eihnogr. 



10 



Ansichten noch in Zweifel zieht, der muss durch ebenso trilliyc uci-j^ 
aus anderen Sprachen unsere Beweisführung zu widerlegen suchen. 

Die Verwandtschaft der Sprachen zeigt sich in gewissen Lau) 
Veränderungen, die nach einer bestimmten Regel %'or sich gehen, Dd 
bezeugen die unten folgenden Beispiele. Diese Beispiele beziehen sici 
aber vor Allem auf natürliche Gegenstände, als : auf die Theile dw 
Körpers, auf das natürliche und sittliche Leben, auf die Dinge in dö 
äusseren Natur» auf die Zahlen, die Familie und die ersten ElementI 
des gesellschaftlichen Lebens, endlich auf die ursprüngliche religiös^ 
Anschauung. Ausser den Wortern werden wir auch die Gemeinsamkeifl 
des grammatikalischen Baues nachweisen und auf diese Weise 
Entstehen und Werden des ungarischen Volkes und seiner Spraclj^ ^ 
wenigstens in den Hauptmomenten beobachten. 

Das so entstandene Volk blieb nicht an einer Stelle haften: 
wanderte und auf seinen Streifzügen lernte es und sammelte Erfahning^eiL J 
Wir werden sehen, wie die ursprüngliche Sprache erstlich unter tür-j 
kischem, dann in noch grösserem Masse unter slavischem EinflnM 
gestanden ist (abgesehen von den Einwirkungen des Lateinischen, Deul'l 
schert und anderer europäischen Sprachen in neuer und neuester ZeltJl 
Das magyarische Volk und seine Sprache weist also drd Eniwkhlunp- 
ptrmkn auf : a) die Zeü des Ursprunges, der Entstehung, in welcher ilw 
Wesen, ihr eigcnthüralicher Charakter gestaltet wurde ; — genelkk* 
Pin'öde; bj die Zeit des türkischtn und c) die des slavischen Einflusses; 
diese beiden letzten Perioden zeigen die Schicksale, die Erwerbungen 
und Verluste, welche Volk und Sprache auf der langen Wanderschaft von 
der Urheimat in die jetzigen Wohnsitze zu erleiden hatten. Jen 
erste Periode der Entwickelung verlebten die IMagyaren unter veO 
wandten Volksstämtnen, die beiden letzten unter fremden Völkern (b 
Türken und Slaven), 

1 ) Die genetische Periode der Magyaren. 
§ 40- 



Die Periode des Ursprunges oder der Entstehung des ma 
Tischen Volkes und seiner Sprache brachte dasselbe inmitten stainn 
verwandter Völker zu. Welche sind diese ? Es sind die finnisch 
Völker, und zwar; die cigeniitchen Finnen oder Suomi, die Esten^ Eaf'ß 
lanen, die Watjen, Wepsen und Liren, die insgesammt eine geschlosse 
Sprach- und Volkseinheit, das Finnenthum, ausmachen» Femer 
Ugren, als: die Pemiier, die Syrjänen, die Woljaken ; die \l}>gul 
die Osijaken ; die Tsc he remissen und Mordivinen, Diese machen keil 



147 

geschlossene Einheit wie die finnischen Völker aus ; sie waren 
rösseren äusseren Schicksalen ausgesetzt. Endlich g:ehören hierher 
appeji (Lappländer), deren Sprache die Mitte hält zwischen 
1 und Ugren ; einige ihrer Formen treten dem Magyarischen am 
en. 

Die nachstehenden Beispiele sind nicht aus sämmtlichen ver- 
sn Sprachen entlehntj sondern hauptsächlich aus dem Wogu- 
1, Ostjakischen und dem eigentlich Finnischen. Besonders her- 
ende Thatsachen werden indess auch aus anderen Dialecten 
ewiesen werden. 



a) Die Körptrihdk. 

Magyarisch 

, föv (Kopf) 
Schädel) 
(Auge) 
)hr) 
ilahn) 
Mund) 
(Zunge) 
: (Kehle) 
jaumen) 
?cham haare) 
sez, Hand) 
:hoss) 
(Spanne) 
^inger) 
(Brust) 
Leber) 
Mark) 
1\mX) 

ziv (Herz) 
u. s. w. 

Nachdem jedes Volk und seine Sprache allerlei äusserliche Schick- 
u ertragen hatte, in denen es von seinen Eigenthümlichkeiten 
hes verlor, Anderes vergass und an deren Stelle Fremdes aufnahm, 
st sich dieses auch an der magyarischen Sprache nachweisen. Wir 
i beispielsweise nur an, dass in der magyarischen Bibelüber- 
ig vom Jahre 1466 das Wort *tügy» vorkommt» welches «Wange» 
tet; dem entspricht das finnische ityk» (ö) ^ «Seite», «nebenan ». 
^existirt das magyarische fftügy» nicht mehr. 



Wofullich 


Osyakiach 


Finnisch 


pong 


-- 


pää 


— 


og 


aju 


sem 


sem 


silm «7* 


päl 


pal 


— 


ponk 


penk 


pii 


sop 


— 


suu 


rielm 


nalim 


— 


tur 


tor 


tur-kku 


egn 


an gen 


— 


pun 


^un 


— 


kat 


— 


kät 


täl 


tel 


syl 


tarasz 


— 


— 


ture 


luj 


— 


majl 


mejl 


— 


majt 


mugol 


maksa 


valem 


velim 


— 


ver 


vir 


ver 


sim 


sam 


syöm, sydäm 



14^ 



Schon in den obigen Beispielen erkennen wir eine Regelmas 
keit in den Lautveränderungen. Das magyarische « f » entspricht c 
p in den verwandten Sprachen, gleichwie das deutsche f dem Jale 
sehen und griechischen p, (z. B. Fuss = lateinisch pes (von dem Staw 
ped, ped-is), griechisch pus (von pod, pod-os). Die magyarischen • 
fiil, fog, fan» entsprechen in den verivandten Sprachen dem «pong, p 
pal, pal, ponk, penk, pii, pun ». — Der magjarische Auslaut tzt kJij 
in den verwandten Dialecten tt» (d), wie das «6» im Deutschend 
einem n d •• im T^ateinischen (ped) und Griechischen (pod) entsprid 
im Englischen ist noch heute ein «ti (foot). — Der magyarische Ai 
laut «vt, mag derselbe verschmolzen, wie in «szü, velö » (velev, vel 
oder offen sein, wie in »f szfv, nyelv », entspricht stets einem »m» 
den verwandten Sprachen; z, B. «nyelv — nelm, sziv = sim, velö 
velim ü u» s. \v. 

Die auffalligste, aber sehr häufige Erscheinung ist, dass in dfli 
An* oder Auslaute des betreffenden verwandten Wortes «t, 1 oder 
vorkommt, woraus auch hervorgeht, dass «t» nicht bios in ns» ^ 
sondern auch in « 1 « übergehen kann. Also : * öl, üjj, mäj * lautet" 
den verwandten Sprachen «täl oder syl, tuFe oder tul, majt M 
mugol. 1» 

b) Natürliche und siiflichts Leben. 



Magyarisch 


Wog Uli ach 


Ostjakiach 


Finnisch 


1^1-ek (Seele) 


lil 


lil 


— 


esz (Vernunft) 


US 


US* 


ais-t 


el-ni (leben) 


Ol 


vol 


ei 


val (lenni, sein) 


Ol 


ul 


Ol 


hal f-ni, sterben) 


kal 


kal, hal 


kuol 


hall (-ani, hören) 


kul, hui 


kul, hui 


kuul 


bäl (-ni, schlafen) 


kixY 


hal 


-m 


men (-ni, gehen) 


men 


man 


men 


ikt (-at, einführen) 


joht 


jogod 


— 


all (-ani, stehen) 


ful 


lol 


— 


ül (-ni, sitzen) 


unl 


unl 


— ni 


lät (sieht) 


uont 


vant 


vaat (eä 


n^2 (schaut) 


— 


ni 


näh 


i€ tev (tenni, thun) 


— 


— 


teh H 


e* ev (enni, essen) 


te 


li 


syö ■ 


i' iv (inni, trinken) 


aj 


ja 


jtio. H 


vi* viv (vinni, tragen) 


vi 


vi 


vie ^H 


ve' vev (venni, nehmen) 


vi 


vi 


ot ■ 


le' lev (lenni, werden) 


iejm-t 


ji 


lie "1 



Magyarisch 


WogylJach 


Ostjäkisch 


I 

Finnisch 


i hiv (hinni, glauben) 


aü-t, 


ag-t 


ev-l 


— 




-Sz (-ni, schwimmen) 


uj 




Uj 


^i 




Iv (hivok, ich rufe) 


vau 




VOg 


^ 




rfi {-et, geboren werden) 


tel 




ti, til 


synt 




pyel (-ni, verschlingen) 


— 




nel 


niel 




fijal-jii (schlecken) 


— 




nol'id 


nuol 




;fi-ni (blasen) 
äz-ni (frieren) 


— 




pu 


puh 




— 




pot 


— 




lej-ni (aufstehen) 


— 




kil 


käy 




Jl-ni (tödten) 


äl 




vel 


— 




|ö (schiessen) 


H 




jou-t 


luo 




bsz-ni (verloren gehen) 


uos 




TIS 


— 




[esxt-eni (verlieren) 


uos-t 




us^t 


— 




|ev*et (lachen) 


mau-int 


noch 


— 




loni (Schlaf) 


ülem 




ulim, olim 


— 




^g-ni (steigen) 


kang 




hang 


— 





149 



Bemerkenswert he Laut Veränderungen sind hier: Der magyarische 
Ol laut h entspricht einem k in den verwandten Sprachen, vgl. die 
Wörter hal-ni, halla-ni, hÄl-ni ; die Regel zeigt, dass das k der tief- 
lutenden Wörter im ^Lagyarischen zu h sich verwandelt, indess das k 
er hoch lautigen Wörter auch im Magyarischen beibehalten wird ; vgl. 
Hs magyarische k^z mit dem finnischen kät, dem wogulischen kat; 
ÄS magyarische kel mit dem ostjakischen kil, dem finnischen käy 

Das Wort « tor-ok * der vorigen und * lel-ek >» dieser Beispielreihe 
*igt, dass das k hier Bildungslaut ist; denn die entsprechenden ver- 
a-ndten Wörter sind «tur» mid «lil». — ■ Das magyarische « lat * und 
•ine Verwandten « uont, vant, vaat* lehren, dass 1 und v wechseln 
■»niien, wofür man übrigens auch in der magyarischen Sprache selbst 
eispiele hat^ z, B. das alte «vep» lautet jetzt «U^p» (schreitet). Aus den 
' örtem \At, vant sehen wir ferner, dass in dem ostjakischen Worte 
i^ n erscheint. Diese Lautvermehrung ist sehr häufig, man vergleiche 
l Und unl, nev-et und mau- int, hag und kang u. a. Weiter unten 
feflfen wir }6g (Eis) und die entsprechenden jang (wog,) und jung 
*stj.)^ Hierher gehört auch das alt magyarische urdung und das heutige 
tdögp (Teufel). Vor den Lippenlauten pflegt ein m eingeschoben zu 
^^den; z, B. magyarisch eb (Hund) und wogulisch amp ; magyarisch 
ab (Welle, Schaum) und wogulisch kump u. s. w. 

Bei den Wörtern tenni (thun), enni (essen) und den übrigen die- 
'^ Art fällt auf, dass im Präsens der Stamm te(-sz-ek) und e(-sz-em), 
^ Iiiiperfectuni aber tev(-(ik), ev(-em) ist. Das Wort u-sz-ni zeigt, 



150 

dass bei diesem und ähnlichen der Stamm nur u' gewesen, aber de 
Präsentiallaut sz hat sich mit der Zeit auch in die übrigen Tempora 
formen eingeschlichen. Ein anderes Beispiel dieser Art ist jät-6k (Spie 
und jät-sz-om (ich spiele), jät-sz-äm (ich spielte) ; nach dem Zeugnisj 
der alten ungarischen Grammatiker ist ein solches Wort auch von-i 
(ziehen), das nur im Präsens von-z lautete, im Präteritum aber von-^l 
Auch met-sz (schneiden) gehört hierher, denn es bestanden die Forme 
metetni (schneiden lassen, beschneiden), metetlen (unbeschnitten); auc 
heute sagt man «met^lni» (circum-cidere). 

c) Die Dinge und Erscheinungen der äussern Natur, 



Magyarisch 


Wogulisch 


Osljakisch 


Finnisch 


n^v (Name) ^ 


nim 


nem 


nimi 


vfz (Wasser) 


Vit 


— 


vete 


tüz (Feuer 


tut, taut 


tut, tuget 


tuli 


kö, köv (Stein) 


kav 


kev 


kfvi 


hegy (Berg) 


aut, aht 


aut 


— 


felhö, feileg (Wolke) 


— 


paii-ng 


pilvi 


6g (Wolkenhimmel, Atmosphäre) - 


Peang 


— 


— 


sz61 (Wind) 


— 


— 


tuuli 


füst (Rauch) 


posim 


puzing 


— 


hugy (Stern) 


kus 


kus, hus 


— 


töl (Winter) 


tal 


tel 


talvi 


ösz (Herbst) 


täkus 


süs, sugus 


syys, syksy 


tav-asz (Frühling) 


toja, tuoja 


tovi 


suvi 


j6g (Eis) 


jang 


jong 


jää 


fagy (Frost) 


— 


pot-im 


— 


lom (Reif) 


— 


lun-z 


lumi 


t6, tav (Teich, See) 


tur 


tu 


— 


läp (Morast) 


— 


— 


lampi 


jö (Fluss) 


ja 


jog-an 


joki 


hab (Welle) 


kump 


hump 


— 


hol-val (Morgen) 


hol-ejt 


hol-ejt 


— 


est (Abend) 


iet 


jet-n 


ehtoo 


h6, hold TMond, Monat) 


(jongep) 


— 


kuu 


arany (Gold) 


sarni 


sorne 


— 


ezüst (Silber) 


ezis (syrjän 


0- 


— 


6n (Zinn) 


aln 


uln 


— 


ölom, 61m (Blei) 


— 


lolpi 


— 


fa (Baum, Holz) 


— 


— 


puu 


fü, füv (Gras) 


pum 


pom 


— 


16 (Pferd) 


lu 


lovi 


— 



w 



■ MÄgymiiich 


Wogutisch 


OstjakiBch 


Finnisch 


W) 


amp 


amp 


— 


Baummarder) 


nohs 


nogos 


— 


teinmarder) 


-— 


— 


näätä 


ter, Schmalz) 


voj 


voj 


voi 


U) 


länger 


tenger 


hiiri 


is) 


lunt 


lunt 


lintu 


Schwan) 


kateng 


hading 


— 


ranich) 


tari 


tor 


— 


xnyu (Krähe) 


— 


voringa 


varekse 


5chwalbe) 


— 


— 


pääski 


'Nest) 


piti 


• — 


pesä 


lode) 


mau 


— 


muna 


de) 


ning 


— 


ning 


S! 


tahm 


tevdim 


täi 


kul 


hui 


kala 


^Salz) 


cah, ceh 


~ 


^ 



e Gesetze der Lautveränderungen wird der aufmerksame Leser 
3st erkennen. Nur das Wort tij6» (Fluss) wollen wir mit eini- 
ftierkungen begleiten. Dieses Wort kommt in dieser Bedeutung 
IT in Zusammensetzungen vor; so in Sajö (sav-j6) = Salzfiuss, 
Oavisch t Sland », bei den Dobschauer Deutschen « Salz-ach » ; 
unen auch die Orte <Felsö-Saj6t = Ober-Salz-ach, «Als6-Saj6 
>SaIz-ach. So «H6jö» (statt *h6~]6, h^v-j6 ») — warmer Fluss; 
jö» (jetzt « Beretty 6 ») — Wald Strom, «Kükül-jö» (jetzt Kii- 
ii der Chronik der Sz^kler = aqua Kükül ; endlich »Si-j6» 
fäp-iö 1. 



I 



^er) 

Mutter) 

I 

I 

) 



d) Famt'lk und geselhcküßluhes Leben, 



) 
(Knabe) 

: (Kind) 

ohn) 

ny (Tochter) 

IviegervaterJ 



Wogtilisch 


OstJBktach 


Plnniich 


aze 


azi, 


aze 


— 


jis 


is 




isä 


angve 


anki 




— 


— 


imi 




emä 


kum 


hoj, 


h6 


— 


ne 


ne 




nai 


kär-kve »r» 


— 




— 


kärem-kve 


— 




— ■ 


Pi 


pog 




pojk-a 


aj 


evi 




— 


up 


up 




appj 



152 



Magyarisch 


Wogulisch 


Ostjakisch 


Finnisch 


napa (Schwiegermutter) 


anip 


— 


anoppi 


ängy (Schwägerin) 


un 


— 


— 


nen (Tante) 


nin 


— 


-— 


öcs (Neffe, jüngerer Bruder) 


apsi 


— 


— 


vö (Eidam) 


vap-s 


veng 


vävy 


meny (Schwiegertochter) 


man 


men 


miniä 


m (Hälfte, Ehehälfte) 


pal 


pal 


puoli 


feles6g (Ehegespons, Gattin) 


— 


— 


puoliso 


häz (Haus) 


kvol 


kat, kot 


koti 


ür (Herr) 


jor 


jor u. uort 


uroh, uros 


ör (Diener, Wächter) 


ort 


ort 


oija 


tolvaj (Dieb) 


tulmah 


lolmah 


— 


tolvaj-lani (stehlen) 


tul 


lol-imt 


— 


falu (Dorf) 


paul 


pogol 


— 


(vär-)os (Stadt) 


uos 


US 


— 


kert (Garten) 


kart 


kart 


kartano 


fed-ni (decken) 


pänt 


— 


— 


fed61 (Dach) 


päntil 


— 


— 


aj-t-ö (Thür) 


aui 


ovi 


ovi 


ijj, IV (Bogen) 


jaj-t, jau-t 


jug-ol 


jou-tse 


nyil (Pfeil) 


nal 


nol 


nuoli 


had (Heer) 


kant 


kant 


kunta 


ny^l (Stiel) 


näl 


nal 


— 


lö-ni (schiessen) 


li 


jou-t 


luo 


tegez (Köcher) 


taget, taut 


— 


— 


väg-ni (schneiden) 


vuong 


vong 


— 


k^s (Messer) 


kes-äj 


kezi 


— 


6\ (Spitze) 


erm 


— 


— 


ka 6\ü k6s (Scheere) 


kit elmip kesej 


— 


hälö (Netz, haläsz, Fischer) 


kurp 


holup 


— 


v6sz (Senkreuse) 


uosem 


vozim 


— 


pon6 (Fischerausdruck) 


pon 


pon 


— 


fon-ni (spinnen) 


pan 


— 


pun 


fon6 csaläny (Weberdistel) 


puln 


puln 


— 


len (Lein) 


ms puln 


rus puln =73 


— 


szö-ni (weben) 


säg, säu 


sevi 


— 


öl-t-6 (Oberkleid) 


ulem 


ulam 


— 


mez (Hülle) 


mäs 


— 


— 


öv (Gürtel) 


— 


•— ■ 


vyö 


szer (Gesetz, Art und Weise) 


ser 


sir 


— 


sör, ser (Bier) 


sar 


sur 


— 



^J3 

lagyarische Wort « häz » warf man oft mit dem deutschen 
üaus • zusammen, bedachte aber nicht, dass die ursprüngliche Form 
iS magyarischen Wortes «haz» (haz-a, haz-ul; war, welchem in den 
rwandten Sprachen das Wort kat, kot entspricht. Ferner, dass aus dem 
utschen Diphthonge wau»* im Magyarischen *6* wird; z. B. * Bauer * 
magyarisch « por ». Der Personenname « Pal » entstand nicht aus dem 
utschen « Paul >», sondern aus dem slavischen <> Pavel », — Das Wort 
ft6i» (Thür) bedeutet * Oeffnung * und sein Stamm ist «ajw. - — Ein 
merkenswerthes Culturwort ist « sör, ser » (Bier), wogu lisch sar, ostja- 
:ch sur. Die Magyaren bereiteten also schon in ihrer Urheimat ein 
rartiges Getränk entw^eder aus Beeren oder aus Getreide, obgleich 
^rvon in dem gemeinsamen Sprachschatze keine Spur vorhanden ist. 
511 Wein lernten sie erst später kennen. 



e) Zahiumrter. 
Mng^yansch V/oguIisch Oatjalciacb 

ry (eins) äkve, aük i, it 

H, kettö (zwei) kit, kiti kad, kadn 

körom, horom kolom, holim 



irom (drei) 
'g^y (vier) riile 

(fünf) ät 

t (sechs) kat 

* (sieben) sät 

c»i-tz (acht) nol-la 
^-tz (neun) antel-lu 
(zehn) lau, In 

^2 (zwanzig) kus 
Tniii-tz (dreis- 

sig) vdt 
ry-ven (vierzig) neli-men 
^eti (fünfzig) ät-pen 
""Van (sechzig) kat-pen 
''Vea (siebzig) sat-lau 
►Itz-van (acht- 
zig) nol-sat 
'Utz-ven (neun- 
zig) antel-sat 
^ (hundert) sat 
-*" (tausend) sater 



nel, nil 
vet, voet 
hot, hut 
labit 
niil 

jert-jang 
jang 
hus 

nolim-jang 

nel-jang 

vet-jang 

hot-jang 

iabid-jang 

niil-sot 



PinniRch 

yht, (yksi) 

kaht Ikaksi) 

kolm 

nelj 

viit (viisi) 

kunt (^uusi) 

seitse-män 

kahdu-ksan 

yhde-ksän 

kymmenen 

kaksi kymmentä 

kolme kymmentä 
neljä k\Tnmentä 
viisi kymmentä 
kunsi k>Tnmentä 
seitsemän kymmentä 

kah d ek san k \m. m e n t ä 



jert-sot 
sot 

s6r-is, tor-es 

Die Zahlwörter sind gewichtige Zeugnisse. Von 1^7 sind die- 
i!^ii bei Finnen und Ugren einfach und gleich. Die stammver- 



yhdeksän kymmentä 

sata 

— (tuhannen) 



15+ 



wandten Völker rechneten also im Anfange nach dem Sieben er- System] 
(wie solches auch bei den Türken und anderen Völkern der Fall ist),] 
und wohnten in dieser Periode des Siebener-Systems beisammen ; das! 
beweisen die gleichartigen Ausdrücke für die Zahlen von i — 7. Aberl 
auch in jener Periode des Beisammenwohnens schieden sich bereits diel 
iMagyaren, Wogulen und Ostjaken von den Finnen ; denn bei jenen J 
findet man die Form k^t, kit, kad, die nur attributiv stehen kann: k^j 
nö (zwei Weiber), kit ne, kad imi und die dualistische, darum allein-l 
stehende Form kettö (zwei), kiti, kadn. Auf die Frage: Wie viele! 
Frauen sind hier? antworten diese Sprachen: kettö (zwei), kili, kadnJ 
In der finnischen Sprache existirt diese Unterscheidung nicht. Irgend! 
ein Ereigniss, das wir nicht kennen, bewog diese finnisch-ugrischettl 
Völker zur Annahme des dekadischen Zahlensystems. Zu dieser Zeit| 
lebten sie aber nicht mehr beisammen. Sie trafen deshalb je eine 
besondere Wahl der Ausdrücke für acht, neun, zehn u. s. w. ; abe 
auch diese neuen Zahlwörter stimmen bei den benachbarten Völkemi 
mit einander überein, indess sie von den Bezeichnungen der entfernter^ 
wohnenden Verwandten erheblicher abweichen- Dennoch gingen die 
Völker bei dieser W'ortbildung nach demselben Gesetze vor. Die Achd 
und Neun bildeten sie durch Subtraction (8 = 10 — 2 nyoKtiz, nyoMu; 
9 = 10 — I kilen-tiz, antel-lu) ; die mehrfachen Zehner wurden natürlich 
durch Multiplicatiün geschaffen. Achtzig und Neunzig gestalteten die 
Wogulen und Ostjaken nach der Analogie von acht und neun, ohne zu! 
bedenken, dass nol-sat, antel-sat, eigentlich — 100 — 2, 100 — 1, 
nicht 100 — 20, 100 — 10. Beachtenswerth ist ferner, dass da^ Zahl- 
wort 100 bei diesen Völkern übereinstimmt. Viele wollen das magya- 
rische szaz (hundert), wogulisch sat, ostjakisch sot vom russischen tstot 
ableiten ; allein jenes Wort bestand schon, bevor der slavische Einfiuss 
die Ugren berühren konnte. Die Wörter ezer (tausend), sater, sor-is 
t'6r-es betrachten Manche als dem Persischen entlehnt, was ebenfai 
unmöglich ist; denn aus dem persischen "hezan» hätte zwar das mag 
Tische ezer, aber niemals die übrigen verwandten sater, sor-is, t'ör-es 
die in Bezug auf «ezer» den gesetzlichen Lautwechsel zeigen, entstehen 
können. 

Die Ordinalia zeigen auch einiges Grammatikalisches ; deshaD 
setze ich dieselben aus dem Mag}^ari sehen und Woguli sehen hierher' 

Ma^ryaHsch Wogulisch 

elül, elölsö (elsö, erste) elol 

ketted (zweite) kitit 

harmad (dritte) kormit 

neg>^ed (vierte) nelit 

ötöd (fünfte) ätit 



Magyarisch 


Woguliach 


hatod (sechste) 


katit 


heted (siebente) 


satit 


nyolczad (achte) 


nolluit 


kilenczed (neunte) 


anteiluit 


tized (zehnte) 


lauit, luit. 



^^^^m 


^ 




■ 


Als Fortsetzung der grammatikalischen 


Belege folgen nun einige | 


Beispiele aus den nominalen Post-Positionen 


und aus dei 


Conjugation ■ 


des Verbums, 






■ 


f) A^ominak 


Pos f Positionen , 


1 


BfagyarJich 


WOffUliiCh 


Os^mkisch 


Finnisch ^^ 


al (unten, Fuss) 


jol 


il 


■ 


aU (unter, Sublativus) 


jole 


illi 


alle ■ 


alatt (unter, Locati\nis) 


joln 


illi 


alla ■ 


al6! (von unten hervor, woher?) 


jolel 


ilta 


alta ^^k 


el (weg, fort) 


el 


jel 


^^^ 


ele (vor, hin) 


ele 


jelli 


etehe ^^H 


elött (vor, wo?) 


ein 


jelli 


edellä S 


elöl (von vome weg) 


elol 


jelta 


edeltä H 


ki, kü (aus, hinaus) 


kvon 


kam 


fl 


kive (hinaus) 


kvone 


kamne 


H 


kin (draussen) 


kvonu 


kamen 


H 


kivöl (von aussen) 


kvonel 


kanielta 


9 


köz (die Mitte) 


kvot* 


kut 


keski ■ 


kozzi^ (zwischen — hinein) 


— 


kuda 


keskelle ■ 


között (dazwischen, wo?) 


^ — 


kutna 


keskellä ■ 


közöl (von dazwischen her\'or, 






H 


woher ?] 


— 


kudelta 


keskeltä ■ 


hoz (Approximativus) 


— 


hoz 


1 


hozzä (zu ihm) 


_ 


hoza 


1 


hosz (Länge, Dauer) 


kösä 


hü 


kau(-ka) H 


hosszara (auf lange) 


kozäi 


huva 


kauos H 


* hosszan (lange) 


kosän 


hu na 


kaukana H 




kosänl 


hulta 


^k 


r6\ (Seite, Hälfte) 


pal 


pel 


puol ^1 


fel^ (gegen, nach, wohin ?) 


pali 


pela 


puolle ^1 


felett (über, wo? Superessi\iis) 


paln 


pelna 


puolla ^^^k 


felöl (von, über — her, woher?) 


palel 


pelta 


puolta ^^^1 


u. s. w. 


u. ^. w. 


u. s. \\\ 


^^^1 


Die Nomina mit Besitzsuffixen lauten im Magj^arischen und Wo- ^^| 


gallischen also: 






■ 


Magyaritch Wogulisch 


M«£yAriich 


Wogulisch fl 


szem-em (mein Auge) semem 


szem-ünk (unser Auge) 


semu, semov H 


szem-ed (dein Auge) semen 


szem-etek 


(euer Auge) 


semän H 


szem-e (sein Auge) semä 


szem-ök (ihr Äuge) 


Sern an 1 H 


szem-eim (meine Augen) semänen 


szem-eink 


(unsereAug.) 


semänu H 


r— 


^ 




^^k 



156 



Magyarisch Wogulisch Magyarisch Wogulisch 

szem-eid (deine Augen) semän szem-eitek (euere Aug.) semän 

szem-ei (seine Augen) semänl szem-eik (ihre Augen) semänl 

Noch ein Beispiel aus der lappischen Sprache : 

Magyarisch Wogulisch Magyarisch Wogulisch 

kez-em (meine Hand) gietta-m kez-ünk (unsere Hand) gietta-mek 
kez-ed (deine Hand) gietta-d kez-etek (eure Hand) gietta-dek 
kez-e (seine Hand) gied'as kez-ök (ihre Hand) gied*asek 

kez-eim (meine Hände) gied'aidam kez-eink (unsere Hände) gied'aidamek 
kez-eid (deine Hände) gied'aidat kez-eitek (euere Hände) gied'aidadek 
kez-ei (seine Hände) gied'aides kez-eik (ihre Hände) gied'aidasek 

Die Form «kezünk» (unsere Hand), nach dem altmagyarischen 
«vagymuk» (jetzt «vagyunk», wir sind) beurtheilt, lautete ursprünglich 
« kezmük » oder « kezemük » und das entspricht dem lappischen « gietta- 
mek». In den meisten finnisch-ugrischen Sprachen ist der nominale 
Plurallaut « t », z. B. « szem-ek » (Augen) lautet im Wogulischen sem-et, 
im Südwogulischen sam-et, im Ostjakischen sem-et, im Finnischen 
silmä-t ; allein im Lappischen sind die Pluralzeichen : t, h und k ; z.B. 
szem (Auge) = calbme, im Pluralis : calmet, calmeh und calmek. Diese 
letztere Form findet man bei den norwegischen Lappländern. 

Das magyarische Verbum zeichnet sich durch eine zweifache 
Conjugation, die suhjedive (unbestimmte) und ohjective (bestimmte) aus. 
Diese Eigenthümlichkeit fehlt der finnischen Gruppe, ist jedoch bei den 
Ugren vorhanden ; insbesondere trifft man sie im Wogulischen, Ostja- 
kischen und Mordwinischen und in diesen Sprachen sogar noch voll- 
ständiger als im Magyarischen. Letzteres setzt das Object in die zweite 
und dritte Person, wobei jedoch Singular und Plural nicht unterschieden 
werden kann ; im Wogulischen und Mordwinischen findet jedoch diese 
Unterscheidung statt. Das magyarische « követem » heisst sowohl « ich 
folge ihm » als auch : « ich folge ihnen » ; « követlek » = « ich folge dir» 
und « ich folge euch ». Sehen wir nun ein magyarisches und wogoli- 
sches Beispiel : 

Magyarisch Wogulisch 

követek (ich folge) kietem 

követsz (du folgst) • kieten 

követ (er folgt) kieti 

követünk (wir folgen) kieteu 

követtek (ihr folgt) kieteen 

követnek (sie folgen) kietet 

követtem (ich bin gefolgt) kietsem 

követt^l (du bist gefolgt) kietsen 

követett (er ist gefolgt) kietes 



követtünk (wir sind gefolgt) kietsu 

követtetek (ihr seid gefolgt) kietsen 

követtek (sie sind gefolgt) kietset 

követem (ich folge ihm) kieti-1-em 

követed (du folgst ihm) kietil-en 

követi (er folgt ihm) kieli-tä 

követ-j-ük (wir folgen ihnen) kieti-1-u 

kÖvet*i-tek (ihr folgt ihnen) kieti-1-en 

követik (sie folgen ihnen) kietiänl 

kö vettern (ich bin ihm gefolgt) kietis-1-eni 

kÖvetted (du bist ihm gefolgt) kietis4-en 

követte (er ist ihm gefolgt) kitii^-tä 

köVettük (wir sind ihm gefolgt) kietis-1-ü 

követtetek (ihr seid ihm gefolgt) kietis-1-än 

követtek (sie sind ihm gefolgt) kietis-änl 
Im Wogulischen kann man ferner noch ausdrücken : 



Wogulisch 

etiäum 

ietiän 
kietiägä 
kietiän 
kietiäen 
fa'etiänl 
feiänem 
J^ietiän 

iietiänu 
kietiän 
' »tietiänl 



Magyarisch 

követem a kettöt 
követed •♦ » 
követi w » 
követjük 4 '» 
követitek ^ » 
követik c » 
követem a sokat 
követed n •> 
követi » » 
követjük » I* 
követitek » » 
követik >♦ * 
kö vettern a k et tot 

u, s. w. 
követtük a sokat 

u. s. w. 



= ich folge den Beiden 

= du folgst tt i» 

^ er folgt » * 

= Vir folgen •♦ «» 

= ihr folgt rt » 

= sie folgen *» * 

= ich folge den Vielen 

= du folgst tt » 

^= er folgt » » 

— wir folgen w » 

— ihr folgt » » 
= sie folgen o * 

= ich bin den Beiden gefolgt 

= wir sind den Vielen gefolgt 



Der Leser wird aus diesem Beispiele erkennen, dass im Woguli- 
I ^^ ^^^ objective Conjugation weit reichhaltiger und deutlicher ist 
irn Magyarischen. 



eitle 



g) Du ursprüngliche Religion. 

-Der Ursprung eines Volkes ist gleichzeitig mit dem Ursprung 
Sprache. Sobald mit der Sprache zugleich das Volk entsteht, 



158 

entwickeln sich nicht nur dessen Kenntnisse von der äussern Welt, 
sondern auch* von den Wünschen und Ahnungen des menschlichen 
Geistes, von seinen Ideen. Man darf kühnlich annehmen, dass die 
eigenthümliche IMythologie eines jeden Volkes in der Periode der Bil- 
dung seiner Sprache entstanden ist, in jener Zeit, wo sich dasselbe 
am Beginne seiner gesellschaftlichen Entwickelung befunden hatte. 
Die Mythologie der P'innen ist aus der « Kalewala » und aus den in 
ihren Kreis und in ihr Zeitalter gehörigen Mythen in ganz Europa 
bekannt. Auch die Mythologie der Wogulen und Ostjaken wurde aus 
dem werthvollen Nachlasse des magyarischen Sprachforschers Reguly 
schon soweit dargelegt, dass man sie mit der finnischen M}thologie 
vergleichen kann.*74 Nachdem das magyarische Volk in dem Zeitalter 
seiner Entstehung unzweifelhaft in der Nähe, um nicht zu sagen in der 
Gesellschaft seiner Stammverwandten lebte : so muss man annehmen, 
dass dasselbe auch damals schon manche Vorstellungen und Begriffe von 
religiösen Dingen besessen habe ; da uns zudem die Erfahrung gelehrt, 
dass kein Volk ohne jedwede religiöse Ahnung oder Vorstellung ange- 
troffen wurde. Wenn aber die Urmagj-aren solche Ahnungen, Vorstel- 
lungen und Begriffe hatten, so drückten sie diese gewiss auch in 
Worten aus und es fragt sich, ob nicht derlei Worte auch noch auf 
unsere Zeit vererbt worden seien. 

I . Bei den Wogulen bezeichnet das Wort « Tarom » den Himmel, 
die Zeit und das Wetter und personificirt endlich auch die Gottheit, 
in welch letzterem Falle ihm das Epitheton « numi » = « oberste » bei- 
gefügt wird. Es heisst alsdann : « Numi Tarom aze, numi Tarom jag» 
= « Der höchste Vater Tarom ». Beide Worte : « aze » und «jag » bedeuten 
«Vater». Die Finnen und Ugren (Wogulen, Ostjaken etc.) wenden in 
ihren Märchen und Liedern gerne den Parallelismus und die Allite- 
ration an. Parallelismus und Alliteration sind das äusserliche Gewand der 
finnisch-ugrischen Volksdichtungen. Bei den Ostjaken bedeutet «torem» 
Gott und « turum » den Himmel, das Wetter ; beide Wörter sind offenbar 
identisch. Auch sie apostrophiren in ihrem Gesänge Gott auf folgende 
Weise : « Num Torem azi, num Jelem jig », was mit der obigen Ansprache 
der Wogulen ganz übereinstimmt ; denn «torem» = «jelem», d. i. Gott. 

Das magyarische « terem » (entstehen, wachsen) entspricht dem 
wogulischen « tarom » und dem ostjakischen « torem » ; doch ist die 
Bedeutung insofeme verschieden, als das magyarische « terem » (schaffen, 
erschaffen) im Wogulischen durch « tar-et » ausgedrückt wird. Wir sehen 
aber daraus, dass die Stämme dieser Wörter « tar », « ter » lauten, 
« tarom, torem, terem » aber Ableitungen durch « m » sind. Im Woguli- 
schen bedeutet terem-1 = magyarisch terem (entsteht, wächst), aber 
tar-et = magyarisch terem-t (erschafft). Das magyarische «teremtöi 



159 



löpfer) ist also dasselbe, wie das vvogulische * tarom s von dem man 
gt: «tarom ma taretestä»» — « Tarom (Gott) hat die Erde erschatfen >» 
tnagyarisch : « a Tarom [Isten, Gott] a földet teremtetle »J ; wiewohl 
ach der wogolischen Schöpfungsmvthe Elmpi = magyarisch 6gfi (Hirn- 
elssohn) die Erde aus dem Meere emporgehoben habe, doch nach 
er Weisung des Tarom. Vom magyarischen ftterem» (entsteht» wächst) 
it das Nomen « termeszet • (das Entstandene, die Natur) abgeleitet, 
n den Worlen « terem, termeszet, teremtö ^ finden wir also die ersten 
teste der altmagyarischen Mythologie. 

2. In den ostjakischen Gesängen wird Torem (Gott), wie erwähnt» 
Jso angeredet: ^Num Torem azi, num Jelem jig«: «jelem« ist dem- 
lach identisch mit « torem •» ; beide bedeuten Gott, In der altmagyari- 
ichen « Leichenrede » (Allocutio super sepulchro) sind die Worte : 
quanta gratia dominus Dens gratificaverat primum Adam patrem 
ostrum » folgen dermassen übersetzt : h Menyi milostben termiiteve Eleve 
iv isemucut Adamut». In diesem alt magyarischen Satze ist das Wort 
eleve » = dominus Dens, « isemucut = isünk (finnisch isä) = primum 
)atrein. «Elev» oder «eleve» bedeutete also zur Zeit der Abfassung der 
Leichenrede» «Gott«, w^ar also von gleicher Bedeutung mit dem neurrn 
\Vorte « isten « (= Gott), 

Das magyarische Verhältniss*Suffix ft el » (vgL oben S. 153) lautet 
m ostjakischen «jeU; der wogulisch-ostjakische Auslaut m entspricht 
her, wie wir gesehen haben (siehe oben S. 1+8)» dem magyarischen v ; 
lelev« ist also vollkommen conform dem ostjakischen «jelem k. das 
mveilen auch als «jielemw erscheint. Diesem ostjakischen Worte ent- 
spricht ferner das finnische ft ilra », welches Himmel, Lufthimmel (At- 
Biosphäre) und in der Personification Gott bezeichnet; gleich dem 
Worte « Tarom ». Das finnische <• ihn " ist im Syrjänischen *> in *, was 
ebenfalls Gott bedeutet. Es ist also klar, dass das ostjakische «jelem, 
jielemi» dieselbe Bedeutung hat wie das Wort «torem» und demzufolge 
das «eleve» in der altmagyarischen « Leichenrede •« in ähnlicher Weist' 
ebenfalls «Gott» bezeichnet. Wir werden später sehen, dass das heutige 
Wort «isten* (Gott) nicht der genetischen Periode der Magyaren 
angehört und wahrscheinlich dem türkischen Einflüsse seine Aufnahme 
Verdankt. Vielleicht ist es diesem Umstände zuzuschreiben, dass im 
Mag>^arischen die Redensarten vom « öreg isten» (dem «alten Gottn), 
dem « magyarok istene » (dem « Gotte der Magyaren») sich erhalten 
haben* und wäre dann « Elev ** oder «Eleve»» jener ^alte Gott s jener 



* Uebrigens sind ähnlichti Redensarien auch bei anderen Vtllkern y blich ; so 
54gt man im Deutschen: tiDer »alte Gott' lebt noch» uad redet ebenso von einem 
<Gott der Deutschen» oder, dass «Gott keinen Deutschen verlasse« u s. w. 



i6o 

« Gott der Magyaren » im Gegensatze zu « Isten », dem neuaufgenom- 
menen Gotte, dA allmälig den alten « Eleve » aus dem Sprachgebraucht 
verdrängte. ^75 

3. In der «Leichenrede» lesen wir die Verbalformen: «vimddjuk 
vimädjamuk, vimädjonok » statt « imädjuk (= wir beten ihn an). Icl 
halte das Wort « imädni » (anbeten) für ein Compositum von « vim » um 
« äldani » mit der Bedeutung « deum benedicere, deo sacrificare, ad deun 
preces facere ». Diese Analyse rechtfertigt das Tscheremissische, in wel 
chem «jumo» = Gott, «jum-ulden, jum-oltem» = imädkozni (beten' 
jum-uldomas = magyarisch: imädsäg (Gebet), was im Magyarische; 
nach Obigem « vim-äldomäs » lauten würde, jedoch ungebräuchlich isl 
Allein im Gebrauche ist « äldomäs » (Segen, Gabe, Kauftrunk), welche« 
Wort mit dem tscheremissischen «ultemäs» identisch ist. *76 «Jumo» ist 
die abgekürzte Form des finnischen «jumala» ; dem «jumo» oder «jum# 
entspricht femer im Magyarischen « vim », heute nur « im », in dem 
Worte «imädni» = anbeten. Im Ersa-Mordwinischen ist «in-aldomi = 
bitten; hier ist «jom» («jumala») zu «in-» geworden, was ebenfalls 
dem magyarischen «im» entspricht. Wie jenes magyarische «elev, elevei 
durch Vermittlung des ostjakischen « jelem, jielem » mit dem finnischen 
« ilma » sich als identisch erwiesen hat ; so stellt sich das magyarische 
«im, vim» mit Hilfe des tscheremissischen «jum» und dejs mordwini- 
schen «in» als dasselbe Wort mit dem finnischen «jumala» (= Gott) 
heraus. 

4. Das finnische « ukko » bedeutet jetzt den « Hauswirth », den 
« Herrn des Hauses » ; vordem war « yli-jumala » z= ein Haupt-Gott, und 
zwar der Gott des Wetters und der Fruchtbarkeit. Darum betet Wäinä- 
möinen zu ihm, als er die erste Saat ausstreut (vgl. Kalewala, II. Rune, 
317 — 330). Die heidnischen Finnen opferten nach der Frühlingsaussaat 
aus dem Becher (der Schale) Ukkos (Ukon malja). Jacob Grimm ver 
gleicht den Becher Ukkos mit dem Kelche Thors. ^77 

Etwa im Jahre 1866 gelangte die ungarische Academie der Wis- 
senschaften in den Besitz eines Bündels magyarischer Urkunden, welche 
über Kauf und Verkauf von Weinbergen in der Hegyalja (der Heimat 
des Tokajer Weines) handeln. In einer dieser Urkunden gibt der Ober- 
richter Thomas Iv6 von Rätkai in seinem und im Namen seiner Genossen 
sowie 1 5 anwesender Bürger kund und zu wissen, dass Andreas P6csay 
und Andreas Veres von Balla zu ihnen gekommen seien, um wegen des 
Verkaufs eines Weinberges den «äldomäs» zu trinken («jövenek ffii- 
elönkben äldomds-innia egy szölö öröks^g felöl »). Und nachdem die 
Lage des Weinberges, der Kaufpreis sowie der gegenseitige freie Ent- 
schluss des Käufers und Verkäufers, sowie die Erklärung, dass der Wein- 
berg für ewige Zeiten in den vollen Besitz des Käufers übergegangen 



m, constatirt wird^ fährt die Urkunde aUo wörtlich fort : « Mü eskütt 
\Mk ^s polgärok ez k6t felnek igyenlÖ akaratjät meg^rtöttük volna ez 
szolunek dadä.sab61 es meg^VL'teleböl, mii ennck aldomdsat iv6k. Ukkon 
pokaräi muiaiia fol Kis Andnh ; ennok eilen zöJ€ senki nein volt. » {d, i. 
«Wir beeidete Richter und Bürger haben bei dem Verkaufe und Kaufe 
dieses Weinberges den zustimmenden Willen beider Theile erkannt und 
dessen «äldomäs» (Kauftrunk) getrunken. Dm Becher Ukkons erkoif Andreas 
Eis; dem widersetzte sich Niemand."») 

In einem Briefe vom 12, März 1612 zu Tallya wird erwähnt, dass 
bei einem Weinbergtausche vor den Richtern * nach dem bestehenden 
alten Gebrauche der Vorfahren w der € äldomäs » und der « Ukkon- 
Becher» getrunken worden und der Aufheber (Vorweiser) des »Ukkon- 
Becbers» sei der Geber des taldomäs» selbst gewesen. Desgleichen 
beurkundet aus demselben Tallya ein Actenstück vom 28. Dec. 1625, 
dass zur « grösseren Bezeugung » eines abgelegten Geständnisses vor 
den Richtern und Geschwomen diese « nach dem bestehenden alten 
Gesetze unserer Vorfahren i> den «äldomäs» getrunken hatten, wobei 
Johann Kantuk von Liszka der ^Aufhihcr des Ukkon-Bakers ^ gewesen sei. 
Derselbe erscheint in derselben Function auch in einer Urkunde vom 
23. Mai 1624. Dieser Gebrauch lebte in Tällya noch im Jahre 1660^ 
denn in einer Urkunde vom 13. December dieses Jahres w^ird abermals 
tmäKnt^ dass man «zur grossem Bekräftigung» anch den «aldomAsi* 
getrunken habe, wobei für das Becher-Recht des Ukkon zwei Halbe 
Wein gezahlt wurden und Thomas Pävaj der «Vorweiser des Ukkon- 
Bechers» war. 

Der finnische Agricola verwarf 1551 das «Trinken des Ukkon- 
Bechers» als abergläubischen Gebrauch der alten Finnen ; die Winzer in der 
Hegjalja erkannten den Trunk aus Ukkons ^^ö Becher noch in der Zeit 
Von [596—1660 als ein «altes Gesetz» und «bestehenden Brauch», der als 
ßt^kräftigung des Kaufes und Verkaufes galt. * 

Wer etwa geneigt wäre, die finnisch-ngrische IVIythologie aus dem 
skandinavischen Germanenthum abzuleiten, der könnte den « Becher 
Ukkons » (Ukon mal ja) für eine Nachahmung von Thors Trinkschale 
'^^iiimen. Allein in der Mythologie ist die Benennung die Hauptsache ; 
•Ikfco» ist kein germanisches Wort, Das magyarische ■ Ukkon ■ (Ukon) 
*^cht somit in die genetische Periode der Magyaren zurück. Es ist 
^bekannt, in welchem Jahrhunderte die Magi^aren sich von ihren 
finnisch-ugrischen Stammverwandten getrennt haben ; nachdem wir die 
Irsteren aber bereits in den Jahren 836 — 840 in der Nähe des schwarzen 
Meeres antreffen, so können wir die Zeit der Trennung füglich in das 
siebente oder höchstens in das achte Jahrhundert verlegen. Wie viele 
fahrhtmderte nöthig waren zur Kntwickelung der finnisch-ugrischen 

ifalvy, EihsogT. 1 1 




Sprache tind damit der Mythologie der Finnen und Ug^ren — wer ver* 
mag das zu bestimmen? Was aber aus dieser gemeinsamen M vi hologie i 
im Magyarischen bis heute vorhanden ist : das stammt Alles aus jener j 
Periode, in welcher die finnisch -u^m sehen Völker noch eine gemein- ] 
same Heimat bewohnten ; also aus der Periode des Siebener-Zahlen- 
systems (vgL oben S. iSS)* Denn bei Annahme des dekadischen Zahlen- 
systems waren die Ugren, und somit auch die Magyaren, von den Finna 
bereits getrennt. Nach dem Zeugnisse der Geschichte kamen die Gothen 
zuerst mit den Finnen (auch mit den IJgren ?) in Berührung ; doch die 
Mythologie der Gothen kennen wir ebensowenig als die der Hunneiii 
es ist also nicht zu bestimmen, ob Thor eine Gestalt der gothischea 
Mythologie sei oder nicht. Der finnisch-ugrische Ukko bestand aber ( 
wahrscheinlich schon im vierten Jahrhundert; denn vom siebenten Jahr- 
hundert rückwärts müssen wir der Entwickelung der finnisch-ugnschcn 
Sprache und Mythologie mindestens drei Jahrhunderte Zeitraum gewähren. 

Was im Deutschen durch die beiden fremden Wörter «opfemi. 
(vom lateinischen offerre) und * segnen » (lateinisch signare sc. cruce)! 
ausgedrückt wird, das bedeutet im Magyarischen das W'ort «aldani». 
Wir hörten soeben von der * Aufhebung », « Vorweisung » des « Ukkon-Be- , 
chers » ; jetzt werden wir sehen, was dieser Act bedeutete. Aus einer 1 
Urkunde vom Jahre 1573» welche einen Weingarten verkauf zu Miskola 1 
ratilicirt, erfahren wir am Schlüsse, dass bei dem • Aldomäs-Trinken » der 
erste Trinker der Oberrichter Demeter Varga gewesen, ihm folgte der 
« Wein -Opfer er • («i bor-äldoi) Peter Tomda u. s. w. Was also in den Ur- 
kunden aus der Hegyalja der * Vorweiser», * Aufheber » des t Ukkon- 
Bechers » war, das war in Miskolca der » Wein-Opferer », Weins egner. 

Das Derivatum von «dldanii ist «äldomas» ( — sacrificium und bene- 
dictio, nach dem Zeugnisse des tscheremischen «ultemas» auch «precesi). 
Letzteres Wort ist der bekannteste Rest der altmagyarischen Mythologie 
und nicht nur bei sämmtüchen Volksstämmen Ungarns, sondern auch 
in den Nachbarländern bekannt. Die auf gewühnlichen Jahrmärkten , 
geschehenen Käufe und Verkäufe werden durch einen «fAldomäs» be- 
siegelt. Auch im mährischen Kreise Ungarisch -Hradisch herrscht der 
« oldomas pit » = « Aldom äs -Trunk i welcher Brauch offenbar durch die j 
ungarischen Slaven dahin verpflanzt wurde. Jetzt ist das ein blosses 1 
Trinken» vordem war es ein gesetzliches Zeugniss^ wie daiS aus dem 1 
Verböczianischen * Trip arti tum » (P. III, Tit. 5+. S. 2 und 3) hervor- 
geht. Eine magyarische Uebersetzung vom Jahre 1566 gibt die Stelle ;J 
« Verum für ille si dixerit in foro libero et communi vel alibi se emisse j 
(sc. equum v. bovem) et evictorem (quem nos expeditiorem appellamtis)! 
non potuerit statuere, neque hospitem vel alium quempiam, qui mercipo-^ 
ium^ hoc est vkiimam tmpiioms ti vendüionh more soh'/o benedLxisset, pro 



i63 



leere, patibulo reus erit », auf folgende Weise wieder: «De az orv 
mondandja, hogy szabad väsdron vagy küzhelyen avagy valaho! vette, 
szavatosät (i. e, evictor, Gewährsmann) nem adhatja vagy gazddjdi^ 
%y p^dig mast, ki az vlklnek didomdsdt szokds szennl megdidoiht (d. h. 
der nach alter Sitte den Aldomas gesegnet, geopfert •), elö nem hoz- 
tja 6s nem ällathatja, akaszt6 fära leszen m^lt6 (d» i. sei des Galgens 
erth). Hier ist also der «alten Sitte« ^vie in den Hegyaljaer Urkun- 
des «bestehenden alten Gebrauches unserer Vorfahren* gedacht. 
6. Das Zauhtrenmsen spielt in den natürlichen Religionen eine 
osse Rolle. Die Verzückung oder Extase ist das Kennzeichen des 
chten Zauberers. Die Lappen sind bis zum heutigen Tage treue An- 
Snger der Zauberkunst und zur Herbeischaffung verlorener Dinge oder 
iir Entdeckung von Geheimnissen wenden sich sowohl Finnen als 
tussen von weither an die lappischen Zauberer, Als Lünnüot '79 im 
ahre 1836 Lappland bereiste, war das Dorf Akkala durch seine « wei- 
en Meister» oder Zauberer berühmt. Er erzählt seine dortigen Erleb- 
isse in nachstehender Weise: a Kommt ein fragsüchtiger Mann nach 
Lkkala, dann erhebt der Zauberer^ sobald er erfahren, zu welchem 
i^ecke jener sich eingefunden, einen Gesang und setzt diesen so 
^nge fort, bis er vor Ermüdung einschläft. Im Schlafe, meinen sie, 
'cfreit sich des lappischen Zauberers Seele von seinem Leibe und 
^cht an jene Orte, auf welche derselbe während des Zaubergesanges 
eine Gedanken gerichtet hatte. Der Schlaf dauert oft die ganze 
^acht hindurch ; beim Erwachen redet der Zauberer von allerlei und 
Qachl es glaubhaft, dass er im Schlafe Auskunft gesucht habe. Dieses 
-inschlafen nennt man in Verzückung gerathen (in extasim abripi). Von 
cm verzückten Lajjpländer behauptet man, dass er nie Salz geniesse, 
l^nn die gesalzenen Speisen berauben ihn der Zauberkraft.» Aus dieser 
^ittheilung geht hervor, dass bei den Lappen das Zauberwesen älter 
st als die Kenntniss und der Gel)raiich des Salzes. Andernorts trifft 
^lan das Gleiche. Homer gedenkt bei dem Opfern des Salzes nicht ; 
auch jetzt», sagt ein Schriftsteller des Alterthums, «verbrennen wir zur 
-rinnenmg an die Vorzeit, in w^ekher das Salz unbekannt gewesen, zu 
Ehren der Götter die Eingeweide der Opfer ungesalzen.» ^^° Von dem 
verzückten lappischen Zauberer wird erzählt, dass seine Seele während 
■es Schlafes sich auf den Weg mache, um die gewünschte Kunde zu 
Erhalten, — In den altungarischen «Legenden der Heiligen» (« Szentek 
pgendäji »), welche der ungarische « St. Stefans- Verein ■ herausgegeben 
tat, finden wir folgende Stelle : * Felde az kopors6ban, 6s akkik ott 
al^nak mind kifutänak, megijedven az nagy csuda dolgon. Monda az 
leg^ny j dm bor, mint ha hmzju ufrSI ßii zmina, nagj^ fohdszkoddssal : Oh 
ni atydniy hidd be azokai is^ kik kive fuidnak^ nuri rejülh fnüihj mm 




104 

vagj^'ok^ (d. i. Er richtete sich im Sarge auf und alle Anwesenden Ui&fen 
hinaus, erschrocken über das grosse Wunden Der amie Fromme aber 
sagte ////■/ einem sc/mknn Seufzer^ als ob er von einer langen Reise zurück- 
gekehrt wäre : heiliger Vater, rufe auch Jene, die hi?iausge/au/en sind, 
denn ich hin kein Gespemi^,'^^'' Klingt das nicht, als ob von der 
Reise der Seele des verzückten lappischen Zauberers die Rede wäre.^ 
Was aber bedeutet das Wort »i r^jiiies » ? 

Der woguHsche Zauberer schlägt so lange seine zauberische Kessel- 
Trommel (kvojp), bis er in Kxtase geräth, was sich durch Zuckungen 
des Körpers kund gibt; dann sagt man von ihm: «Tarom rej tauen 
johlest» — Gottes Wärme (Glot , r^j) hat ihn erfasst (ist über ihn 
gekommen), oder: « larura jäni rej tauen johtes, lating tauen ti pini» 
— Gottes grosse Wärme hat ihn ergriffen und nöthigt ihn jetzt vm 
sprechen. Die Wogulen nennen die Extase die * Wärme, die Glut Got* 
tes»; durchströmt ja bei einem Ohnmachtsfalle Hitze den Körper; dif 
Extase ist aber im Grunde nichts Anderes als eine Ohnmacht, ein. 
Schwinden der Sinne. Im WoguHschen heisst diese « Wärme Gottes»= 
tarom rej ; dieses d rej » ist aber auch der Stamm des magyarischen ^ rejü- 
I6s I« oder «revülesi. Das magyarische W^ort bedeutet also • Ohnmaclil 
mit Wärmeempfindung» und die Gesichte während der Ohnmacht oder 
Verzückung nennt die magyarische Sprache ^ r^m ». 

Es ist ein Verdienst des ungarischen Historikers Florian Matyäs 
zuerst auf die Bedeutung folgender altmagyarischer Wörter hingewies«« 
zu haben : ^ reüitdik valamive w = transformatur, z. B, « Istenasszonmi 
reüitetott^ (sie wurde zur Mutter Gottes verwandelt); < elreüttetik, elrÄ 
tetik =: in extasim rapitur, z. B. « mikoron äjojtatos imädsagänak ideji 
Ö elmeje szerint elrhUietik es elragadtaiik vala ; ime legottan eiriUlälk 
lelökben ^s lattatik vala neki, hogy egy szep egyhdzba volna» d, 
zur Zeit seines andächtigen Gebetes sein Geist in Extase gerieth ßi 
verzückt wurde ; verwandelte sich auch sogleich seine Seele und 
erschien ihm, als ob er in einer schönen Kirche sich befände»); 
«elrittetik, elröjtetik, eirevöltetik » haben alle dieselbe BedeutüDgl 
« r^ület » = Phantasma, species, ^^^^ 

Der Stamm aller dieser W^örter ist « rej » oder • rev », das dei 
wogulischen «rej» entspricht, also auch « göttliche Wärme» (Begeisti 
rung) bedeutet ; gleich dem t buz », wovon « buzog » (eifern), « bufj 
(eifrig) und andere abstammen. Das erste Derivatum von «r<5j» 
♦ r^v» ist «rt^j-em» oder «r^vem», contrahirt « rt^ra », visio, Gesichl 
jetzt bedeutet es dessen Wirkung, nämlich « Schreck >. Weitere Derivj 
sind: « r^mül, r^mit»*, ursprünglich: «vor eingebildeten Erscheinuni 
erschrecken», oder «mit solchen in Schrecken setzen*. Dass aber «r^ml 
wirklich = visio, Erscheinung, beweist das heutige magyarische t 



1^ 



165 

ik B ^ es scheint, dünkt mir. — Fernere Ableitungen von «r6j, r6v » 
ind : «rejül» oder «r6vül», «rejult» oder • r^viilt », zusammengezogen - 
t6}X » (« n't »), wovon n riN ftik * (wird entzückt) ; « revez «, « r^vedez » 
er phantasirt) ; « revezet » (bei den Sz^klern ein schreckhaftes Skelett); 
r^vezetes» (skelettartig). Noch andere Derivata sind: « rejtezik •» 
der « rejtüzik » = bewusstlos, ohnmächtig werden. In dem « Nagy 
Szötär» («Grosses Wörterbuch») der ungarischen Academie der Wis- 
isenschaften schreibt unter «rejtezik» Johann Fogarasi Folgendes; « Bei 
den^Sz^klem versteht man unter rejtczes, elrcjtcz^s auch den Schein- 
tod, daher die Redensart: « nem holt meg, csak ehrjie^eit% d. i. er ist 
nicht gestorben, sondern nur scheintodt ». Und weiter: «Bei den Sz^^k- 
lern bedeutet rejtozik auch : « in Gedanken verzückt sein » in welchem 
Falle das Wort mit « rittetik» oder « rüttetik » eines Ursprunges ist». Biese 
ursprüngliche Bedeutung des Wortes ♦< rejtezik » ist wohl zu beachten 
und dasselbe von dem ähnlich lautenden « röjt, röjtezik » ~ abscondit 
absconditur zu unterscheiden. 

7. Das magyarische Wort «Egy-haz», das heute ecciesia, Kirche, 
bedeutet, ist aus der christlichen Außassung nicht erklärbar ; dasselbe 
entstammt unbedingt der Sprache des altmag}^ari sehen Glaubens, — Im 
Comitate Oedenburg heisst der magyarische Ortsname <t Hegy-kö » zu 
deutsch « Heil igen stein » ; « heilig 1 wäre also hier eine Uebersetzung 
des magyarischen «hegy», d. i. «Berg», was wir für unsinnig halten. 
Allein in einer Urkunde des Palatins Konth vom Jahre 1366 finden 
wir den Namen als «Eg-kii^ in einer Handschrift der Csornaer Prob- 
stei «Eg'kü, Ig-kü»; in der Gegend jenes « Hegy-kö i» oder « Heiligen- 
«tein» fliesst ein Bach Namens «Ik-va». Es ist also deutlich, dass jenes 
♦ hegy-kö» ursprünglich «egyw- oder « igy-kö » gelautet und dieses «egy, 
jgy» (eg, ig) die Bedeutung «heilig»« (magyarisch szent) hatte; « heg}'- 
köi soll also soviel heissen als «i Szent-kö », d. i. ■ Heiliger Stein»; und 
jener Bach: * Szent- patak » (d. i. «Heiligen-Bach»; vom Worte « va » 
wird weiter unten bei den geographischen Namen die Rede sein). 
Darnach ist «Egy-häz» = ^heiliges Haus und wir verstehen, wes- 
halb die christlichen Magyaren dieses Wort für ecclesia , Kirche 
gebrauchten. * 

Es mag sein, dass die magyarische Sprache noch mehr mytholo- 
gische Reste besitzt, wie z. B. die Worte tältos (Zauberer), tdtos (das.) 
tnan6 (Teufel), welche wir nicht verstehen, weil der erklärende Schlüs- 
sel noch unbekannt ist ; andere mögen wir noch gar nicht wahrgenommen 
haben oder es sind dieselben in Redensarten verborgen, wie etwa i se 



* Vgl. «Nyelvtudomänyi Kfizlemenytfk » d. i, ^SprachwJswnschaftlicbe W\\r 
Ibeilungen.» Bd, ^^L S. 12a ilittheiliuig von STEI- AN Fabjan. 



i66 

hire se hamva» {es ist weder sein Ruf noch seine Asche, also keine 
Spur von ihm vorhanden), was sich auf die Verbrennung der Leichtn 
zu beziehen scheint, * die bei den Magyaren auch üblich war. Der 
Mönch von St. Gallen bezeugt es, dass bei diesem Kloster die Ma- 
gyaren zwei Leichen verbrannten. 

Die volksthünilichste mythologische Gestalt in den magyarischen 
Märchen ist « tünd<6r * (Fee)» dessen Abstammung noch iiümer nicht 
deutlich ist, ob tün-d6r oder tünd-er; wiewohl es auf die Verbalwur- 
zel «tünik, tün-d-ik» (scheint, erscheint) hinweist. Es ist möglich, dass 
id6r» die Bildungssylbe ist, wie im Finnischen e tar, tär» in zahlreichen 
mythologischen Namen, z. B. luonno-tar = Fee der Natur, päivatär — 
Sonnen- oder Tages- Fee u, s, w. Wenn das Wort t ukko » sich im Ma- 
gyarischen erhalten konnte, wie sollte das Verbleiben des finnischen 
* tar, tär » unmöglich sein? «iTünd^r» nennt man im Magyari sehen sol- 
che Personen oder Thiere, die in sichtbarer Gestalt vor uns erscheinen 
und entweder ihr Antlitz rasch verändern oder vor uns ganz verschwin- 
den» dass auch das schärfste Auge sie nicht wahrnehmen kann. 
* Tünd^res vagy, mert nem lätlak, 
ha lätnälak, megfognalak » — 

(«Feenhaft bist du, denn ich seh dich nicht, würde ich dich stehen» 
möchte ich dich fangen» heisst es im VolksHede.) 

*lch glaube nicht», sagt ein magyarischer Schriftsteller des vori- 
gen Jahrhunderts, ** «dass es eine Nation gibt, die so viele Märchen 
und leeres Geschwätz vom Reiche der Feen besitzt als die Mag}'aren. 
Davon erzählen die Mädchen in der Spinnstube wie auf dem Tanzbo- 
den,» »In der Volkssprache ist Siebenbürgen die Heimat der Feen». 

Mit den religiösen Dingen steht im Zusammenhange die Zeit' 
rechnung und die äussere Form der Sagen in Wort und Lied. Wi^i 
dürfen also auch diese Dinge nicht übergehen, 

8. Wir haben bei den Zahlwörtern gesehen, dass das wogulischi 
tsät» sieben bedeutet; dasselbe bezeichnet aber auch gleich dem ma- 
gyarischen «h6t» die Woche (hepdomas, septimana). Desgleichenst 
das ostjakische labid = sieben und septimana. Die doppelte Bedeotanjf 
des magyarischen *het» (sieben und Woche) stammt also noch ausde^ 
Urheimat oder aus der genetischen Periode der Magyaren. Da bw 
den heidnischen Wogulen «sät» = sieben und septimana ist; beiden 
heidnischen Ostjaken i labid » (bei den Südostjaken « tabit ») diesell 



* Vgl. Le Comte x\. Ol VARoff, Les Meriens, p 32 ff. 
** VgL die Leichenrede dtfs Georg Tskri von Vere.stn aus dem Jjihrc t7S3i 
n «Holtakkai val6 barätsäi^*, d, i. «Freundschaft mit Verstorbenen», l. Slflcltf 
Klausenburg. 1783. S. 90 u. 125- 



167 



Doppelbedeutung hat : so geht daraus hervor, dass die Magyaren die 
Wochcneintheilung nicht von dem Christenthum erhalten, sondern die- 

^ selbe aus der Urheimat mitgebracht haben. 

Erinnern wir uns, dass im Wogulischen «pong» dem magi^ari- 

i sehen * f ö t (Haupt, Kopf, Spitze) entspricht, und nun sehen wir, auf 
welche Weise der Wogule die Namen der Tage der Woche (sät, magya- 
risch het) aufzählt. 

Wogulisch Mä^yiU-isch 

Sät-pong h^t-fö (der • Woche Haupt 1 oder tWo- 

chenanfang », Montag) 
kitit (katel) kedd, d. i. ketted-nap {— der « zweite 

Tag», Dienstag) 
kormit ( » ) szerda (Mittwoch) 

nelit ( » ) csütörtök (Donnerstag) 

ätit ( » ) p^ntek (Freitag) 

katit ( j» ) szorabat (Samstag) 

jäni o, jeming (katel) vasärnap (Sonntag) 
Der Wogule benennt also die Tage der Woche nach ihrer nume- 
lischen Folge : « Wochenanfang », der zweite, dritte, vierte, fünfte, sech- 
ste (nämlich Tag) und der « grosse » oder t heilige Tag ». Jeder Käme 
der Wochentage stammt aus dem Wogulischen, Die magyarischen Na- 
men der Wochentage dagegen bekunden einerseits die Abkunft und 
andererseits auch die äusserlichen Schicksale des Magyarischen. «H6t-fö» 
(Montag) und «Kedd» (Dienstag) sjnd on'ginale Benennungen ; « szereda 
(szerda, Mittwoch), csütörtök, pentek und szomhat » sind sim^iscken Ur- 
spmngs; tvasarnapi ist das türhsike^ hazdr-^nniit = tväsär-nap> (d. i. 
Markttag), Die estnische Sprache benennt die Wochentage in folgender 
*^^fse : erster, zweiter, dritter, vierter (Tag) ; die Namen für Freitag 
''d Samstag sind fremden Ursprungs: «rede» = Freitag ; « lau i-(paev), 
^isch tlauvantai» = Samstag; « püha paev » =^ heiliger Tag, Sonntag, 
^^^ Nieder estnisch. 

Es ist gewiss, dass alle verwandten finnisch-ugrischen Völker 
'^Hglich auf obige Weise gezählt und die Wochentage benannt haben; 
^^n sie auch jetzt statt der originalen Benennungen fremde gebrau- 
^^, wie z. B. das magyarische Volk. 

Im Wogulischen bedeutet ikit satt — zwei W^ochen, soviel als 
einet^ halben Monat; mile sät» = vier Wochen, einen ganzen Monat, 
^^ Somit im Wogulischen nur 28 Tage hat, also 13 Monate ein Jahr 
^üSTtLa^(3.jjg.j^ Diese Zeiteintheilung besteht auch bei den Ostjaken, =^^ 
und bestand auch bei sämmt liehen verwandten Völkern. Etwaige Zweifel 
Verden durch Nachstehendes zerstreut. In der Beschreibung Liv- und 
Estlands von Hupel (1782) heisst es: «Obgleich man für die estnischen 



Bauern jedes Jahr wohlfeile Kalender in estnischer Sprache herausgibt, 
so fertigpen dennoch die estnischen Bauern auf der Insel Oesel fdr sich< 
einen besondcm Kalender an, wobei sie sich, da sie nicht schreibei 
können, gewisser bestimmter Zeichen bedienen. Auf einer Schnur wer 
den sieben kleine Holzbrettchen aufgereiht und deren 13 Seiten i 
roher Weise mit Farben bestrichen. Jede Seite zeigt einen Monat mil 
28 Tagen. In diesem Kalender finden sie jeden Wochen- und Feiertag 
oder die vom Aberglauben bezeichneten merkwürdigen Tage schnell 
heraus ; denn jeder Tag hat sein eigenthümlichcs Zeichen. Das Jahr 
fangen sie jedesmal mit einem Tage später zu zählen an.» =»8* Hüpel 
hatte keine Ahnung von dem finnisch-ugrischen Jahre mit 13 Monaten 
er theilt den Kalender der Oeseler als ein Curiosum mit, das nur ii 
Bauernkopfen entstehen könne; für uns ist seine Nachricht jedoch ei: 
sehr werthvolles Zeugniss. W^ir ersehen daraus, wie diese einfache] 
Menschen das Jahr mit 13 Monaten zu 28 Tagen ergänzen konnten. 
Diese 13 Monate geben nämlich nur 364 Tage; wenn sie jedes Jahr 
um einen Tag später beginnen, also einen Tag überspringen, dann 
macht dies 365 Tage. Auf diese Weise konnten sie, wenn es nöthig 
war, auch zwei Tage überspringen. Und wie nannten die Esten diesen 
einen oder diese zwei (übersprungenen) Tage ? «ülle-astja» =; Ueberschrei^-i 
ten Die Finnen nennen das Schaltjahr « karkaus-vuosi >», wozu Renv 
bemerkt: «vox male ficta» (ein schlecht gebildetes Wort). Die Magyarei 
aber heisscn das Schaltjahr «szokü-^v» (* springendes Jahr») und d^ 
Schalttag «szökö-napi {« springender^ Tagi), von jedem dieser Wort 
gilt die obige Bemerkung Renval's: «vox male ficta». In Bezug ai 
den julianischen und gregorianischen Kalender sind die Bezeichnungei 
* übergehend* (»dtl^pö») oder «springend*» («szökö») schlecht gewählt 
Bezeichnungen; allein mit Rücksicht auf das ursprüngliche finnisch- 
ugrische Jahr, wie wir dieses aus dem Kalender der Oeseler kenn< 
gelernt, ist das nicht der FalL Dort (in dem julianischen und grego- 
rianischen Jahre) kann eigentlich nur von n eingeschalteten *, eingescho- 
benen Jahren und Tagen die Rede sein, was die deutschen Worte 
i Schaltjahr» und «Schalttag» ganz richtig bezeichnen. Bei dem lieber* 
tritte der finnisch-ugrischen Völker zum Christenthume mussten sie die 
christliche Zeitrechnung annehmen, wobei sie aber jene alten Bezeich- 
nungen von. «übergehenden», «sjjringenden» (d, i. ausfallenden) Tagen 
und Jahren beibehielten, wiewohl diese ihrer Bedeutung nach gar nicht 
dahin passten. 

Aus diesen finnischen und magyarischen Benennungen geht aber, 
des Weiteren hervor, dass das ursprünglich dreizehnmonatliche Jahr bei 
den alten Finnen und Magyaren schon in deren gemeinsamer Urheimat 




169 



bestand, obschon wir ausser dem sprachlichen Zeugnisse hievon keinen 
andern Beleg mehr besitzen. 

Endlich lernen wir aus dem Gesagten, dass die finnisch-ugrischen 
Völker ihre Wochen, Monate und das Jahr nach den Mondesphasen 
eintheilten ; wornach sie auch ihr Siebener-Zahlensystem gestaltet hatten. 
Das finnisch-ugrische Mondjahr war zudem glücklicher constituirt als 
das Jahr der alten Griechen und Römer, ^^s 

q. Der ParallelismuH sowie die Alliteration kennzeichnen wie bei 
den übrigen jinnisch-ugrischen Völkern, so auch bei den Magyaren die 
Volkssprache und Volksdichtung. Zum Beweise wollen wir einige Sprüch- 
wörter und Volkslieder betrachten. 
Für die AHiiiniiton : 

«Szegi^ny ember szändokat, 
boldog isten birja.u 
(Des Armen Anwalt ist Gott) 

• Hätän häza, kebel^ben kenyere.» 
(Auf seinem Rücken sein Haus, im Busen das Brot.) 
«Ki mindennek barälja, 
mindennek bolondja 
(Jedermanns Freund, aller Welt Narr) u. s. w. 

«Aziitan hamar vigyed kapranczi kakasnak, 
kopomyaki kappannak, bihari bagolynak 
rakamazi rokänak, az szegszardi szarkänak, 
SziksKÖi szajkdnak t etc. ^^^ 
(t Alsdann sollst du es schnell bringen dem Hahn von Kaprancz, 
dem Kapaun von Kopornyak, der Eule von Bihar, dem Fuchse von 
Kakamaz. der Elster von Szegszärd, der Krähe von Szikszöi u. s» w. 
Für den Para/h/ismus : 

tTizenk^t kÖmijes, esszetanakod^k 
magos Deva värat hogy föl^pitendk; 
hogy fölepitenek fei veka ezüstert, 
f6\ v6k^ ezüsti^rt, fei veka aranyt^rt. 

D^va varosähoz megis megjelöntek, 
magos Deva vArhoz hozvA is kezdöttek ; 
a mit raktak delig, leomlott est^re, 
a mit raktak estig, leomlott röggelre. » =®7 

(«Zwölf der Maurer hielten lange Rath, 
wie sie erbauten Devas hohe Stadt ; 
ein halber Scheffel Silber sei ihr Sold, 
ein halber Scheffel Silber und auch Gold. 



Mieleni minun tekevi 
aivoni ajattelevi 
lähteäni laulamahan 
saa'ani sanelemahan 



Als sie kamen an bei D^vas Stadt, 
bauten sie das Schlosä auf hobem Grat : 
was sie bauten bis zum Mittag, 
stürzte ein des Abends ; 
und was bis Abends sie erbauten, 
stürzte ein zum Morgen,*) 

Wober konnte das maLgynnsche Volk die Alliteration und 
Parallelisraus entlehnt haben ? Weder von den Slaven noch von 
Deutschen, welch' letztere in ihrer Volkspoesie zwar die Alliteration ab 
nicht den Parallelismus besassen ; allein die Alliteration war bei ihnei 
schon stark im Verschwinden begriffen, als die Mag>^ren mit den Deufe 
sehen näher bekannt wurden. Dagegen begegnet man in der finnischen 
Kalevala vom Anfang bis zum Y.nde der Altiteration und dem Paralle 
lismus; desgleichen sind die finnischen Sprichwörter alliterirend. Die» < 
Kalewala beginnt z. B, 

Es treibt der Geist, die Lust ist gro^v 
Die Gedanken drängen mich, 
Dass ich zum Liede greife, zum Gesang, 
Dass ich die Mähre nun beginn. 

Aus diesem Beispiele ist ersichtlich, wie im finnischen Alliteration 
und Parallelismus vereinigt sind» 

Im Wogulischen und Ostjakischen enthält auch die Apostrophe 
an Gott einen Parallelismus (vgL oben S. 158). Allein dass hier aacli 
Alliteration und Parallelismus verbunden sind, wollen wir durch einige 
ostjakische Citate belegen. 

iski turpi turing vuat = ein kalter Wind mit kaltem Rachen, 
meleh turpi turing vuat = ein warmer Wind mit warmem Rachen. 
Tom pablep pahling entep enteptelä = ein mit Lindenknöpfen verse- 
bener knöpfiger Gürtel wird umgürtd. 
anzi '^^ pahlep pahting entep jersetela — ein mit Dornen-Knöpfen v r 

sehener knöpfiger Gürtel wird aufgebunden^ 

vuah nirpi niring kat üpelna ^ im Innern eines von Kupferfarbe far- 
bigen HauseSr 
sarni ulpi ulung kat lipelnä = im Innern eines von Goldfarbe gerärbten 

Hauses.^ 

Im Mag) arischen w^urde meines Wissens bisher noch kein alt«» 
Sprachdenkmal aufgefunden ^ in welchem Alliteration und Paralle lisroö-^ 
vereinigt wäre; nichtsdestoweniger kann man behaupten, dass die 
ursprünglichen finnisch-ugrischen Gesänge durch Alliteration und 
Parallelismus charakterisirt waren. 



^ 



Aus dem Vorangelassenen geht nun mit Evidenz hervor, dass das 
magyarische Volle und seine Sprache zu dem finnisch-ugrischen Völker- 
tind Sprachenstamrae gehört; dass es also in seiner ersten Jugend und 
in der Zeit seiner ersten Entwicklung, d. i. in der Periode des 
Siebener-Zahlensystems, in GeseHschart der übrigen Finnen und Ugren 
lebte und unter Anthcilnahme an den gemeinsamen Eigentliüimlich- 
keiten und in deren Geiste heranwuchs. Ferner ergibt sich daraus, dass 
Jer grösste Theil der Ugren zu einer gewissen Zeit sich von den Finnen 
jetrennt hat; denn als diese Völker das dekadische Zahlensystem 
mnahmen, lebten sie nicht mehr beisammen; dass ferner die Finnen 
itich nach dieser Trennung in engerer Verbindung blieben, weil sie bis 
heute eine geschlossene Einheit ausmachen, während die Ugren weiter 
luseinander rückten, \veshalb sie heute keine so geschlossene Volks- 
ond Sprach-Einheit bilden wie die Finnen, Aus der obigen Darstellung 
-rgibt sich endlich, dass nach dem Zeugnisse der Sprachen die Ma- 
!}"aren am längsten in der Nähe der Ostjaken und Wogulen, der 
5yr[änen, Permi er und Wotjaken gewohnt haben, weshalb man von diesen 
"ohnsitzen aus ihre Auswanderung nach dem Süden annehmen kann, 
iuch in der genetischen Periode der magyarischen Sprache lassen 
rch zwei Abschnitte unterscheiden : der erste Zeitabschnitt ist der fin- 
usch-ugrische, der zweite der ugrische. Im Verlaufe dieser beiden Zeit- 
^^chnitte, deren Jahrhunderte wir nicht bestimmen können, bildete sich 
me Individualität des Volkes und der Sprache, w^elche die Seele der- 
tlben gewesen und für alle folgenden Zeiten geblieben ist. Die dama- 
?^ Lebensweise des Volkes bestand hauptsächlich in der Jagd und 
'S^herei ; denn die betreffenden Werkzeuge haben gemeinsame finnisch- 
^ische Benennungen; als: fjj (Bogen), nyil (Pfeil), tegez (Köcher), 
C^T schiesst), hälö (Netz), veszhalö (Fangnetz), p6n6-häl6 (I landnetz). 
^Htsdestoweniger gelangten auch in dieser Periode die socialen Ver- 
^ Ibisse zu einiger Entwickelung, was die Familien und Verwandschafts- 
*^c;n: ipa (Schwiegervater), napa (Schwiegermutter), vö (Bräutigam, 
^^viegersohn), meny (Braut, Schwiegertochter), ur (Herr), ör (Knecht); 
'^^^r die Namen : häz (Haus), falu (Dorf), ja auch vdros ( = einge- 
'^igter Wohnplatz, Stadt); endlich einige hausgewerbliche Beschäfti- 
gten, wie : fonäs (Spinnen), szöv(!^s (Weben) und köt<3s (Stricken) 
*^iigen. Unter den Hausthieren waren bekannt: der Hund (eb) und 

Pferd (16), dieses Hauptthier nomadischer Völker, Von Rindvieh 
*^t sich in dem gemeinsamen Sprachschatze der finnisch-ugrischen 
"^«^er keine Spur. Man kann überhaupt annehmen, dass die Magya- 

in der genetischen Periode ihrer Entwickelung ungefähr dieselbe 
*^le und culturelle Stufe errungen Ratten, wie die Germanen zur 
^ des Tacitus; wobei man allerdings die Verschiedenheit des Kit- 





172 



ma's, welche die Lebensweise und die gesellschaftlichen Verhältnisst* 
bestimmt, in Betracht ziehen miiss.^9<^ 

2) Die Periode dm türkischen Einflusses. 

% 41- 

Insoweit wir mit der Leuchte der Geschichte in das Dunkel des 
Alterthiims eindringen können, treflen wir die ugrischen Völker jeder- 
zeit an den beiden Abhängen des Uralgebirgcs, westlich an den Ufem 
der Flüsse Petschura, Kama und der mittleren AVolga, im Osten am Ob, 
am untern Irtisch und obern Jajk (Uralfiuss). Die Östlichen und südöst- 
lichen Nachbarn der Ugren waren von Beginne an türkische Völker, 
Wir glaubten die älteste Spur der Ugren in dum Gebirgsnamen Rep, Rip 
(Riphaeus) und in dem Flussnamen Rav (Rha, Wolga) zu erkennen 
(s. o. S. 76); das Wort «rep» lebt bis heute im Ostjakischen wie «ravt 
bei den Mordwinen. Bei Jordan is finden wir schon zahlreichere Spuren. 
Er nennt (s. o. S. 69) die « Mordwinen i> und «Merier», welche zum 
Reiche des Gothen H ermann ch gehören ; die «Merieri» sind bereits im 
Russenthume aufgegangen {man hält dafür, dass sie zu tlen Tschere- 
missen gehörten, denn deren Volksname ist ^^mari»); allein ihre Alter- 
thümer brachten russische Gelehrte erst kürzlich ans Tageslicht. =^9^ Die 
Mordwinen bestehen bis heute in zwei Zweigen, Ersa und Mokuha^ 
sammt ihrer Sprache fort, ^s^= Jordanis rühmt die Hunuguren nicht nur 
wegen ihrer Tapferkeit, sondern auch deshalb, weil sie wert h volle Thier- 
felle in den Handel bringen {s, o. S, 75). In der Bezeichnung «hun- 
ügor u ist der ugriscke Name vorhanden ; die Composition des Wortes 
liesse vermutben, dass Jordanis die Hunnen auch zu den Ugren rech- 
nete, w^enn man anders der Schreibung dieser Stelle völlig vertrauen 
könnte* ^93 Im 7. Jahrhundert begegnet mEm diesem Namen bei dem 
Auftreten der Avaren abermals; Theophylaktus Simokatta (612^640) 
nennt nämlich diese Avaren ebenfalls «= Ogoren » oder < Ugoren » (s. 0. 
S. 84) Constantin kennt diesen Namen nicht; er erwähnt nur der 
»Mordia» (der Mordwinen), aber der Chazarenkönig Josef (um 957 — 961) 
nennt das Land nUgorien» oder « I^gf>^i<-*^** (s- o. S, 137), welches von 
seinem Reiche gegen Norden liege. Seitdem die Handelsleute von Now- 
gorod auch die Uralgegenden besuchen (v. J. 1096 ab) wird das Land 
t U grien » oder «Jugrien» wieder bekannt. Die Mongolen verwüsteten 
im Jahre 1235 die Gegenden an der Wolga und Kama; im Jahre i2j6 
unterwarfen sie die Mordwinen und Bulgaren; von 1237 — ^1239 beug^ 
ten sich die russichen Fürsten t>is Twer und Jaroslaw unter das mongo- 
lische Joch ; Nowgorod unterjochten sie zwar nicht, machten es jedoch 




butpHichtig. Nachdem die Mongolen von ihrem Verwüstungszuge in 

Ungarn (1242) zurückgekehrt waren, drangen sie durch das Gebiet der 

Mordwinen, Bulgaren und Baschkiren auch nach Ugricn. An der untern 

und mittlem Wolga gründeten sodann die Nachfolger Batu-Khans das 

Land «der goldenen Horde der Kiptschak » dem auch die Fürsten von 

Nowgorod zinspllichtig waren. Das Reich der Kiptschak-Horde zerfiel 

;im 14. Jahrhunderte in mehrere Khanate, unter denen sieh auch das 

sibirische Khanat befand, welchem die Fürsten der Wogulen und Ost* 

jaken unterworfen waren. Im Jahre 1455 verwüstete Aszik, Fürst der 

Wogulen, die Provinz Witschegda diesseits des Urals, bei welcher Ge- 

[legenheit auch der Bischof von Perm, Pitirim, ums Leben kam. Im 

iJahre 1467 zog eine grössere Kriegsschaar von Wiatka und Perm aus, 

Kim diesen verwüstenden .Einfall zu rächen ; Aszik selbst wurde zum 

r Gefangenen gemacht. 

Bald nachher, im Jahre X477, wurden die dortigen Verhältnisse 
(durch den Fürsten von Moskau, Iwan den Schrecklichen, umgestaltet. 
Er vernichtete die Freiheit der Nowgoroder und eignete sich deren 
Handelsrechte im Lande der Ugren ao. Im Jahre 1483 entsendete 
er gegen die Ugren ein Kriegsheer; in Folge dessen ging Asziks 
Sohn, Jumsari^ mit einigen fürstlichen Genossen nach Moskau, um dem 
gefürchteten Herrscher zu huldigen; die anderen Fürsten der Wogulen 
und Ostjaken setzten aber den Verl hei digungskampf fort. Im Jahre 1499 
zog ein neues Heer an den LTral ond eroberte Läpina, Jujl, Munkes 
oder Munkos und andere wogulische Städte, im Ganzen 32 an der 
Zahl, und schleppte fünfzig Fürsten (Häuptlinge) und mehr als tausend 
vornehme Gefangene mit sich in die Gefangenschaft nach Moskau (1500). 
Iwan nahm von da an das Reich Ugrien oder Jugrien in seinen Für- 
stentitel auf. =9* 

Siegmund Herberstein, der Gesandte der Kaiser Maximilian IL 
»nd Carl V. und des Königs Ferdinand L (15 16 und 1529) erfuhr in 
Moskau, dass die Mag)'aren unter Attila's Anführung aus Jugarien oder 
Juharien gekommen wären und man dort noch magyarisch spreche ; 
allein er konnte keinen Menschen aus Jugrien in Moskau antreffen, 
mit dem sein magyarischer Diener gesprochen hätte. =95 Dieses Land 
Jugrien oder Ugrien *9^ dehnte sich nach den Untersuchungen 
Lehrherg's vom 56. Grad bis zum 67, Grad nördlicher Breite aus, 
<ia hierher die Gebiete am untern Irtisch , an der Tawda, Tura 
und Tschussowaja gehörten ; das Land umfasste somit zum grossen 
Theile die heutigen Gouvernements Toboisk und Perm. St. Petersburg 
liegt bekanntlich unter dem 60, Grad nördlicher Breite ; die Südgrenze 
Ugriens lag also um 4 Grad südlicher. Nachdem die Russen etwa vier- 
zig Städte, d. i. umschlossene Wohnorte (russisch : Gradi) eingenommen 



Mi 



174 

und so viele vornehme Gefangene gemacht hatten : so geht daraus her 
vor, dass am Ende des 15. Jahrhunderts die Wogulen ond Ostjakeri 
(denn diese bildeten die hauptsächlichste Bewohnerschaft Ugriens) gana 
anderer Art waren als ihre Nachkommen, welche der mag}^ansche Rei^ 
sende Rhgut.y im Jahre 1844^45 und der Finne AHLQUif^r im Jahr 
1858 angetroffen haben. -97 

Da die Magyaren einstens gleichfalls auf dem Gebiete der ugri« 
sehen Völker gewohnt haben» so erhebt sich die Frage: Wo ist dies< 
ihre Urheimat zu suchen ? Auf diese Frage antwortet das Zeugniss de 
Sprache. Bei den Ostjaken heisst das Meer t s'aras », bei den Wnguleil 
saris, bei den Permi ern saric oder saridj, bei den Wotjaken auch zaria 
oder zaridz; weshalb findet sich dieses Wort nicht im Mag^yari sehen 
vor? Wahrscheinlich deshalb, weil die Urheimat der Magyaren auf 
ögrischem Gebiete vom nördlichen Eismeere sehr weit entfernt war; 
dort konnte also das magyarische Volk jenen Gegenstand, den seine 
Stammverwandten saras^ saric u. s. w, nennen, nicht kennen lernen* 
Daraus folgt des Fernem, dass man die Ursitze der Magyaren in die 
südlichen Thcile des ugrischen Gebiete?^ verlegen muss. Dort begegneten 
sie sogleich türkischen Völkern. Auch später, nachdem sie schon diesseits 
der Wolga gezogen und nach der Beschreibung Ihn Dastas (siehe oben- 
S. 130 IT.) die westlichen Nachbarn der Chazaren geworden w^aren : sehen; 
sie sich dem türkischen EinMiisse ausgesetzt, vorausgesetzt, dass die Chazaren 
selbst türkischen Stammes gewesen sind. Es dünkt mich aber, dass die 
Byzantiner, insbesondere Kaiser Constantin, die Magyaren nicht deshalb 
* Türken » nennen, weil diese mit den Chazaren in Berührung und Ver* 
bindung gestanden sind; sondern in Folge ihrer früheren Verhältnisse, wel- 
che die Geschichte zwar nicht kennt, die wir jedoch aus der magyarischen 
Sprache herauslesen. Bevor nämlich die Magyaren mit den Slaven zusam- 
mentrafen, hatten sie das Wort «tenger» (Meer) von den Türken entlehnt, 
bei denen dasselbe «dengiz» lautet. Da die Magyaren, wie wir von Ihn 1 
Dasta wessen, schon in der Nachbarschaft der Chazaren über slavische] 
Völker geherrscht und slavische Gefangene auf den Sklavenmarkt ge- 
schleppt haben, so wäre es sehr wahrscheinlich, dass sie zur Bezeicfe- 
nung des Meeres das slavische Wort angenommen haben würden, wenn I 
sie nicht bereits das türkische 1 dengiz 1 = « tenger », Meer, ihrer Sprache | 
einverleibt hätten. 

Nachdem femer die Magyaren in ihrer ugrischen Urheimat di^^ 1 
Thiere der südlichen Erdstriche nicht kennen lt;rnen konnten, so ent- 
nahmen sie deren Benennungen gleichfalls dem Türkischen, so : oroszldn i 
(türkisch: arslan, Löwe), teve (türkisch: deve, Kameel). borz (türkisch! 
bore, burc, Dachs), tuzok (tschuwaschisch : tugdak, Trappe) ; so ent- 
stand auch das magj'arische «biaza» (Weizen) vom türkischen *bogdaj»- 




^75 

In der magyarischen Urheimat war Jagd und Fischerei die Haupt- 
jschäftig^ng des Volkes ; die Zucht des Rindviehes lernten die Magya- 
Ö von den Türken ; das bezeugen die Worte : ökÖr (türkisch : öktiz, 
thuwaschisch : vigur, Ochs), borju (türkisch: biizagu, tschuwaschisch: 
OTUj Kalb), tin6 (türkisch : dana, tschuwaschisch : tina, Rindj junges 
Und), ünö (türkisch ; inek, tschuwaschisch : ina, Färse, Kuhkalb), tur6 
t^huwaschisch : turak, Topfen, Käse), tulok (tschuwaschisch : turak, 
^"arren, junger Ochs), kos (türkisch: koc, Widder), iirü (tschuwaschisch: 
irü, Hammel), tokl6 (türkisch : tokli, einjähriges Lamm), diszno (tschu- 
waschisch : sisna, Schwein), tyiak, tik (türkisch : tank, Henne) u. s. w. 

Da die Magyaren in ihrer Urheimat vorwiegend Jagd und Fischerei 
€triebei;L, so pflegten sie auch den Ackerbau nicht, und zwar entweder 
fegen der Rauhheit des Klimas oder wegen der Unentwickeltheit des 
lesdlschaftlichen Lebens. Sie lernten deshalb von den Türken die Feld- 
rüchte und das Obst des Südens kennen ; das bekunden die aus dem 
rürkischen entlehnten Benennungen; alma (Apfel), ärpa (Gerste), büza 
türkisch : bogdaj, Weizen), bors6 (türkisch : burcag, tschuwaschisch : 
)urza, Erbse), tarl6 (Stoppelfeld, türkisch : tarla — Acker), gyüraölcs 
.türkisch : jemis, Obst), dara (türkisch : dari, Gries), sarlö (tschuwa- 
schisch: sorla, Sichel); ferner drl-eni (tschuwaschisch: avr = ör, das 
1« ist das Frequentalivum im Magyarischen, 5rleni ^ mahlen), szor-ni 
labunat (^ Getreide worfeln, vom türkischen savur^ säur), arat-ni 
^ernten, türkisch; ara, das ntv ist im Magyarischen Bildungslaut), 
ßper-ni (= kehren, fegen, türkisch : süpür) ; auch der Wein (ma- 
y^&ch : bor) scheinen die Magyaren durch die Türken kennen 
^lernt zu haben; denn das magyarische «bor» weist auf das tschere- 
i'ssische «pura» hin, und dieses ist ursprünglich eine tschuwaschische 
Dmi ; tpurai bedeutet allerdings «Bier^; es kann sein, dass das magya- 
nke tborn anfänglich nur «saures Getränke» bezeichnete, wie man in 
*feiibürgen noch heute sagt : * bor-viz • = Sauer- Wasser das heisst : 
^inwasser. 

Von den Türken entlehnten die Magyaren auch verschiedene 
^^Jsgeräthschaften und deren Namen ; so z. B. balta (Beil), bicsak 
*«chenmesser)^ kapu (Thor), buzoginy (türkisch ; buzdogan, Streit- 
)> tengely (= Achse, türkisch : tingil, tschuwaschisch : töngül), teknö 
Trog, Mulde^ türkisch: tekne), til6 (= Schwinge, Breche, tschuwa- 
'^sch : tila), lükör (= Spiegel, tschuwaschisch r tügär), tömlö, beim 
^^ytnus tulbou, (= Schlauch, türkisch : tulum), kar6 (— Pfahl, Spiess, 
*^isch: kazik, kazuk), gyüszü (^Fingerhut, türkisch: jükszük), gyürü 
Ring, türkisch : jüzük, tschuwaschisch : sürü), gy'ongy (— Perle, 
»U^aschisch : jinzü), kalpag (= Mütze, türkisch : kalpag) u. s. w. 



176 



Auch Benennungen geistiger und religiöser Begriffe und Beziö 
hu n gen gelangten aus dem Türkischen ins Magyarische, wie z. B. bdr 
(Liebreiz, Zauber), bdjol-ni (zaubern, bezaubern, türkisch: bag, tschu- 
waschisch: baji, bajla), bii (Zauber), büv-öl (taubem, hexen, türkisch: 
büjü), bölcs {weise, türkisch : belizi — gelehrt, wissend), erdem 'Ver- 
dienst, im Ujgurischen : ertem, auch im Mongolischen), fr-ni (schreiben^ 
türkisch: jaz, tschuwaschisch: sfr), ördög (Teufel, im Kirgisischfn: 
erteng, im Altmagyarischen: urdung), tanü (Zeuge, türkisch : danik, 
tschuwaschisch: tanuk). Von dem Worte *isten»» (Gott) wurde schon 
oben erwähnt, dass es wohl auch türkischem Einflüsse zuzuschreiben 
sei. Denn in den übrigen finnisch-ugrischen Sprachen findet sich davon 
keine Spur; es muss also aus einer fremden Sprache in das Magyarischr 
gekommen sein. Viele wollen das Wort vom persischen «jezdan» ablei- 
ten. Wenn diese Herleitung richtig ist, dann können die Magyaren das 
Wort dennoch nur durch türkische Vermittlung erhalten haben. Eine 
bestimmtere Ableitung des Wortes kenne ich auch nicht ; die Vermu- 
thung. dass *isten» ein Compositum (is-ten), wovon die erste Sylbe das 
alte is = Vater, die zweite aber eine Verstümmelung des türkischen 
tanri sei, empfiehlt sich weniger. ♦ 

Familiennamen, wie atya (Vater), anya (Mutter) gehören zu jci^ 
gemeinsamen Wörtern» die sowohl in den finnisch-ugrischen wie in den 
türkischen Sprachen vorhanden sind. Zu diesem gemeinschaftlichfii 
Sprachschatze gehören auch manche Zahlwörter, z, B, das türkische 
on, tschuwaschisch : vonna = zehn, welches in den magyarischen Coro- 
positen negy-V€n (vier-zig), öt-^en (fiinf-zig), hRi-van (sechzig), sowie 
im Wogulischen men, pen (neli-men, ät-pen u, s. w.) vorhanden islj 
allein das magyarische iker (Zwillinge) ist ein Lehnwort vom türkischi 
ikiz, tschuwaschisch: iger, jigir»*^^ 

Die Entlehnungen aus dem Türkischen verdienen besondere Ai 
merksamkeit, insofern sie ethnographische Bedeutung haben. Wie das 
Wort «iker» (Zwilling) zeigt, so entspricht demselben das türkischf 
iikiz» und das tschuwaschische «iger, jigir»; ja dieses Letztere stimmt 
mit dem magyarischen Worte sogar besser überein als das Türkische. 
Und dies gilt von allen magyarischen Wörtern mit #r»» denen im Tür- 
kischen Wörter mit *z» entsprechen, z. B. tenger (Meer), ökör (Ochs', 
borju (Kalb), karo (Pfahl), gyürä (Ring), fr (die Salbe) u. s. w. Diese 
Entlehnungen stammen daher aus keinem solchen türkischen DialecICt 



* Nichtsdestoweniger fand diese Vermuthiing bd ROESLKR Beifall, Er sal 
(Rom.lnische Studien S. 168): *Das magyarische Wort Isiea (Gott) ist in den Mti 
wandten Sprachen noch erhalten, wenn die Theikmg in Is-ten, die ich vorscWafi 
richtig ist. Is, Es ist bei den Jenissei-Ostjaken, den Kabalen u. a der HinimehgatlJ 



B^fib 




dem heutiL:Ln osnian i sehen oder kasani sehen noch aus anderen söge- 
nannten t tatarischen i Sprachen; ck-nn nachdem im Magyarischen der 
Auslaut «z» gevvöhnh'ch ist (z. B. viz, Wasser, tiiz, Feuer), so hätte dieses 
auch Warter wie «dengiz» mildem z-Auslaute übernommen ; sondern es 
müssen diese Entlehnungen einem Diah^cte gleich dem heutigen tschu- 
waschischen angehciren. Die Tschuwaschen wohnen jetzt in der Nach- 
barschaft der Wotjaken und Tscheremissen ; es erhebt sich die Frage, 
ob deren Vorfahren auf die Magyaren Einfluss geübt haben. 

Nach der Darstellung Constantin's (siehe oben S. i^i) brach bei 
den Chazaren wegen der Oberherrschaft eine Empörung aus (einem 
ähnlichen Aufstände begegneten wir auch bei den Avaren, siehe oben 
5. 95); die Aufständischen wurden jedoch besiegt und die sich durch 
die Flucht retten konnten, vereinigten sich unter dem Namen Kabaren 
öder Kavaren mit den Magyaren. vSeineni Berichte fügt Constantin die 
interessante Mittheihmg bei^ dass die Kabaren ihre Sprache den Ma- 
wen gelehrt, aber auch ihrerseits die magyarische Sprache erlernt 
\n und so bis zur Zeit Conslantin*s in zwei Sprachen redeten, 
pflegt unter diesen zwei Sprachen nur zwei Dialecte des Magya- 
ben zu verstehen ; allein Fremden, wie es Constantin und seine 
Quellen den ^Magyaren gegenüber gewesen, fallen dialectische Ver- 
schiedenheiten nicht auf. Der Fremde ist nicht im Stande, die Dialecte 
im Deutschen oder Sla vischen zu unterscheiden, Constantin hatte 
unzweifilhaft von zwei verschiedenen Sprachen Kunde erhalten. Es 
L*nipfiehlt sich die Annahme sehr, dass die türkischen Elt:imente im 
-Magyarischen von den Kabaren abstammen. Daraus folgt, dass die 
'Sprache dieser Kabaren tschuwaschisch-türkisch war; es folgt daraus 
aber auch, dass die Chazaren gleichfalls dieselbe Sprache redeten und 
somit wären die heutigen Tschuwaschen die ärnilichen Reste des einst 
**o mächtigen chazarischen Volkes, Diese Armahme wird unterstützt : 
erstlich durch das Wort «Sarkel», das einzige übriggebliebene chaza- 
nsche Wort, welches nach dem Zeugnisse Constantin' s soviel als 
•i^eissenburg» bedeutet; im Tschuwaschischen ist «fsara-kil» und «sor- 
^^* ^ weisses Haus; sodann durch die Titel der Fürsten: «Khagan», 
ßy»; der Fürstinnen «Khatun» — türkisch: «Frau* und drittens 
"ch die Behauptung Jbn Dasta's, dass die Religion der Chazarern, 
bevor sie das Judenthum angenommen hatten, dem Glauben der Türken 
aljnlich gewesen sei (siehe oben S. 130^131), was auch ein anderer 
abischer Schriftsteller behauptet. =^j^ Allein es besteht auch eine andere 
BSJcht, welche sich auf die Aussage des Arabers Ibn Haukai stützt, 
womach nämlich die Sprache der Chazaren wohl von der Siirache der 
Türken verschieden, dagegen mit dem Bulgarischen übereinstimmend 
[ ii-ewesen sei, die Chazaren aber zu den Ugren zählen. Diese Ansicht theilt 

Hunfalvy, Ethnojrr 12 



auch C ASSEL, der sieb dabei auf den Brief des Chazarenkönigs Jm 
bezieht, in welchem dieser sein Geschlecht von dem biblischen ToganaiJ 
und dessen zehn Söhnen ableitet, unter denen Ogur^ Avar, 1« 
Bolgür und Savtr sind. Ogur, Avar, Boigar und Savir sind Persontlichl 
rungen ugrischer Völker» also sind auch die Chazaren Ugren.3*^ Uflid| 
nachdem das Wort tSaxkeU auch durch das Wogulische erklärbar ist,! 
nämlich: «Sajr(-eng) kel, k%*el =^ weisses Haus, so %indicirt Cassei 
den Chazaren eine wogulisehe Sprache, wie Klaproth,3oi und behaupte;! 
dass durch die Kabaren wogulisches d. i. finnisches SprachelemeBt inJ 
das Magyarische gelangt sei, dessen Kern eigenllich « indogerroaai-j 
sehen» Ursprung habe. Dass diese letzte Behauptung nicht stichhältifl 
ist, hat unsere gesammte bisherige Darstellung genug deutlich nach-l 
gewiesen; die Kabaren brachten kein wogulisches oder finnisohi 
Element in das Magyarische ; denn die Qut^Uen Constantin's wättaJ 
kaum im Stande gewesen, das Wogulisehe von dem Magyarischen ti 
unterscheiden, da noch 4 — 5 Jahrhunderte später fremde ()hren b<ii<k 
Sprachen für iiine und dieselbe hielten* Die Kabaren mussten also 
Magyarische mit anderen, und zwar, wie wir gesehen. -mit türkische 
Wörtern bereichert haben und das Türkische drängte sich nothwendig^ 
Weise auch dem fremden Ohre als eine vom Magyarischen verschiedea| 
Sprache auf. 

Vom ethnographischen Gesichtspunkte ist es aber eine über* 
bedeutungsvolle Thatsache, dass die Magyaren sich bereits vor ih 
Niederlassung in Ungiim durch eine-n fremden Volksstamm, der gaj 
mit ihnen verschmolz, vermehrt hatten. Vielleicht bewahren die 
und Familiennamen «Kozär», «Kazär» die Erinnerung an diesen ein 
gen chazari sehen Volksstamm bis zum heutigen Tage. 

Einige Gelehrte, wie z. B. Klxik in St. Petersburg, sind 
Meinung, dass die ugrischen Magyaren erst durch die Berührung 
den Türken ein Reitervolk geworden seien. Constantin sagt zwar, 
die mit den Magyaren vereinigten chazarischen Kaharen als eine besc| 
ders tapfere Schaar in der ersten Schlachtlinie zu kämpfen pfleg 
aber wh- finden weder bei Eeo dem Weisen noch bei Ihn Dasta 
leiseste Spur, welche uns vermuthen Hesse, dass die Kabaren die erj 
Reiterei der Magyaren gewesen seien. Auch das Zeugniss der Spr 
spricht gegen diese Annahme. Das Wort «lö» (Pferd) ist ugrisch 
Abstammung (im Woguliscbcn lu, im Ostjakischen lau, lovij ; eben > 
das Wort «kengyeN (Steigbügel, keng-cl = Stiefel- Untersatz), wenn 
diesem Pferdczeug einige Wichtigkeit beilegen wollten (vgl. ob 
S. 98); desgleichen gehören demselben Spracbstamme an *Djer 
(Sattel, wogulisch «najri») «sarkantyui (Sporen) u, dgL Dieses Zeug 
aus der Sprache wird durch die Ueberbleibsel der Merier verstäri 



179 

i deren Gräbern Steigbügel und Reitersporen vorkommen. Die in 
Täbern gefundenen arabischen Münzen beweisen, dass die Merier 
rhon im siebenten Jahrhundert blühten. Also nicht nnr die Magyaren 
aren ein Reiter\'olk, sondern auch andere finnisch-ugrische Völker, 

ieren Land sich zur Pferdezucht eignete. Das Hauptsächlichste jedoch, 
as die I\Iagyaren zur Zeit des türkischen Einflusses gewannen, war 

lie Vereinigung der Stämme unter die einheitliche Obergewalt, welche 
er Grossfürst, der Gylas (Gjula ? vielleicht der Stellvertreter des Gross- 

lirsten) und der Karchas (Oberrichter) ausübten. 

Du Penode des si avischen Emßt4sses, 

In das Land an der Donau und Theiss brachten die Magyaren 
itie kriegerische Verfassung, in welcher neben dem Bestände der 
Stämme und Geschlechter, die einheitliche Obergewalt die obrigkeit- 
ichen Verfügungen traf. Diese Organisation war unter den damaligen 
europäischen Verhältnissen sowohl zum Angriff als zur Vertheidigung 
trefflich geeignet. Allein ausser dieser kriegerischen Verfassung brachte 
das magyarische Volk noch mancherlei Kenntnisse und Geschicklich- 
keiten mit und diese bildeten dann die Elemente der neuentstehenden 
Staatlichen Gesellschaft. Die Worte: arany (Gold), ezüst (Silber), rez 
(Kupfer), 6n (Zinn), olom (Blei), 3<« vas (Eisen) sind ursprüngliche 
magy^arische Wcirter, welche nicht blos die Kenntniss der Metalle, 
sondern auch deren Behandlungsweise bezeugen ; hierher gehört auch 
das Wort «ütvös», das heute allerdings nur einen Gold- und Silber- 
arbeiter bezeichnet» ehedem aber eine weit umfangreichere Bedeu- 
tung haben mochte.* Ohne Zweifel gab es auch solche Handwerker, 
welche das Eisen bearbeiteten, wiewohl ihr magyarischer Name später 
durch das slavische «koväcs» (Schmied) verdrängt wurde. Die Worte 
varga (Schuster, auch Lohgerber), sziScs (Kürschner), acs (Zimmer- 
mann), ferner szabo (Schneider), ker^k-gyÄrt6 (Radmacher, Wagner), 
•fEij'gyärt6 (Riemer), kött^l-verÖ (Seiler) bekunden, wenn sie auch spätem 
Ursprunges sein sollten, dennoch das Vorhandensein der durch sie 
benannten Gewerbszweige, was auch durch die Wörter tii (Nadel), är 
(Pfrieme), ollö (Scheere), füru (Bohrer), fürösz (Säge), gyalu (Hobel), 
^x\yv i'Leim), fejsze (Axt), ferner durch varrni (nähen), ölteni (anziehen, 
ankleiden, aber auch einfädeln) u. s. w^ bestätigt wird. Stricken (magya- 
risch : köt^s, Spinnen (fonäs) und Weben (szöv6s) war den Magyaren 

* Etwa *5r>ntvr>i» =: Giesser» Metallgiesser ; von r>t-ni, f^nt-eni ^ giessen. 



auch nicht unbekannt» Desgleichen bezeugen die Worter buza(Wcfe! 
ärpa (Gerste), zab (Hafer), köles (Hirse), dann szäntani (pflögs 
örleni (mahlen) die Kenntniss des magyarischen Volkes vom Ackerfe 
den es also, mag es denselben wo inimer erlernt haben, schon] 
sich in die neue Heimat brachte. Nur der Roggen (rozs) war i 
fremd. Auch die Namen für Bier (ser) und Wein (bor) brauchten 
Magyaren nicht zu entlehnen* Die Namen häz (Haus), falu (Dorf),' 
(Feste, Schloss), varos (Stadt) sprechen ferner dafür, dass die Mag>l 
auch die Unterscheidung der Wohnorte von niemand Anderem edel 
mtissten ; endlich hatte das Wort aegy-hiz» (Kirche), das offenbar i 
dem das Haus der Götzenbilder bezeichnete, im Sprachgebraucbi 
feste Wurzeln geschlagen, dass man es auch auf die christliche Ki 
übertrug, was weder die Deutschen noch die Slaven mit ihren urspii 
liehen Benennungen zu thun gewagt hatten. 3^3 Man kann demi 
nicht behaupten, dass die Magyaren hei ihrer Einwanderung auf 
untersten Stufe der Cidtur gestanden haben, wie solches von versC 
dener Seite her so gerne angenommen wdrd. ^h Anderseits darf 
aber auch nicht verschweigen, dass die fünfzig Jahre andauef 
kriegerischer Einfälle und Streifzüge in die benachbarten und fenJ 
Länder die Sitten der Magyaren keineswegs zu mildern vermod 
Sie waren für Europa eben solche Räuber und Wölfe wie die gi^ 
zeitigen Normannen. Wenn diese in der Fremde auch Länder in B 
nahmen, so geschah es, weil ihnen ihre Heimat keinen hinlanglw 
Raum bot; die Magyaren hatten jedoch in ihrem Lande genüj 
Plati!, ja sie konnten denselben gar nicht ausfüllen. Wenn fernei 
Normannen sich in ihren neuen Landern früher als die Magj 
civil isirten, so darf man das nicht ihren sanfteren Sitten, sondern 
jenen eroberten Ländern zuschreiben, in denen die Cultiir weit h 
gestanden als in dem von den Magyaren in Besitz genommenen U 

Nichtsdestoweniger kamen diese Letzteren hier in ganz • 
Verhältnisse, insbesondere durch die wachsende Macht, welche 
Christenthum schon unter dem Grossfürsten Geisa, vielleicht 
schon früher, theils mittelbar durch die christliche Bevölkerung, \ 
unmittelbar durch Bekehrungen bei den Magyaren gewonnen I 
Die hier wohnenden und neu hinzukommenden christlichen Einwc 
waren aber slavmhen Stammes : von daher dalirt der Einfliiss de^ 
vischen auf das Magyarische. 

«Es ist eine schwierige Frage», sagt Miklosich, 3°5 n welche 
vischen Sprache jene Wörter entstammen, die wir im Magyarii 
finden. Wenn wdr die These annehmen, dass die Worte mit den 
gen, die sie bezeichnen, in eine Sprache gelangen ; so muss da^ 
lehnende mit dem gebenden Volke in unmittelbarer Berührun, 



i8r 



A'ir werden hierbei nach der Niederlassung der Magyaren an die 
flüvenen, und zwar an die westlichen denken, die nach dem Verluste 
ihrer Selbständigkeit sich mit den Magyaren vereinigten und grÖssten* 
eils auch magyarisirlen, ein Umstand, der nach dem Zeugniss der 
hichte die Aufnahme fremder Wörter insbesondere beforden, Nach- 
diese westlichen Slovenen (Karantaner) bereits durch bayerische 
Glaubensboten, dann durch Cyrill und Method zum Christenthurae 
jhekehrt worden waren, besassen sie auch schon eine gewisse Cultur. 
Weniger kann man an die südöstlichen Slovenen, d, i. an die Bulgaren 
denken, die einen selbständigen Staat gebildet hatten und mit den 
Magyaren in keinem so engem Verhältnisse standen. Ob die östlichen 
Bewohner des ehemaligen Mähren reiches zum slovenischen oder cechi- 
Jchen Stamme gehörten, ist eine noch unentschiedene Frage; allein 
fibt mehr Gründe, welche für das Slovenenthum derselben sprechen, 
dem Serbischen konnten damals keine Entlehnungen stattfinden ; 
denn die Serben wurden erst später, nach der Verdrängung der Bul- 
gfaren, unmittelbare Nachbarn der Magyaren. Desgleichen kommen die 
Klein-Rusüen oder Ruthenen nicht in Betracht. Indess geschahen auch 
lö späteren Zeiten noch Entlehnungen aus dem Cechischen oder 
Slowakischen, Serbischen und Ruthen ischen,»* s'^'^' Die slavischen Wörter, 
i^elche zur Zeit der Gründmig des ungarischen Staates in das Magya- 
ische aufgenommen wurden, sind schon durch ihre äussere Form als 
Jovenische Wörter zu erkennen. 

Man sieht also, was für ein gewichtiges historisches und ethno- 
r^phisches Zeugniss in den fremden (hier slavischen) Wörtern liegt, 
t^ie karan tan i sehen Slaven oder Slovenen haben wir in den Theilen 
^nseits der Donau oder im alten Pannonien. in dem Fürstenthume 
^wina*s und Kozers angetroffen (siehe oben S. tiT^ ff.), im d zwar am 
«ala-Fltis5chen, in der Gegend des Plattensees, bis Funfkirchen imd 
bttau. Und gerade in diesem Landstriche keimte auch das ungarische 
Königreich ; hier entstand das erste Kloster auf dem Martinsberg, hier 
äs erste Bisthuni zu Gran. Den Einfluss der Sprache dieser hier woh- 
feliden Slaven erkennt man im Magyarischen ; keineswegs aber einen 
influss der Bewohner an der Theiss oder gar Siebenbürgens, 

Die Slaven jenseits der Donau verschmolzen mit den Magyaren 
hd gingen in denselben unter, d. i, sie « magyarisirten » sich, wie 
!iia.osiCH sagt, was auch die heutigen thatsachlichen Zustände bezeu- 
in, denn dort, wo einstens Slaven gewohnt hatten, wohnen jetzt 
agyaren, mit Ausnahme der später zugewanderten Deutschen. Aber 
enn auch die Bevölkerung der östlichen Theile des Mährenreiches 
. L der westlichen Com i täte des heutigen Ungarn) nach der Meinung 
IKJLOSICh's eher Slovenen als Cechen oder Slovaken gewesen waren ; 



so gingen diese Bewohner ebenfalls unter den Magyaren verloren, 
sie <( magyarisirten » sich gleichfalls und die jetzigen Slovaken 
so wie die Ruthenen» Einwanderer aus späterer Zeit» Dadurch erhall 
manche ethnographische Erscheinung ihre Erklärung. 

Betrachten wir nun die sla vi sehen Fremdlinge im Magyarischi 
nach der sachlichen Eintheilung, die wir bei Miklosich finden, 

Kirchliche und religiöse Dinge und Persontn : kereszty^n (Chrislj 
pogany (Heide), pap (Priester), püspök (Bischof), apat (Abt), apai 
(Nonne), barat (Mönch), deak (Schüler, Cleriker), koma (Gevatter^ 
Taufpathe), oltär (Altar), kereszt (Kreuz), krizma (Chrisma), karaci 
(Weihnacht), szerda (Mittwoch), csütörtök (Donnerstag), p^ntek (Freitag] 
szombat (Samstag), szent (heilig), alamizsna (Almosen), babona (Aber* 
glaube), varizs (Zauber), balvany (Götzenbild), dbrizat (Antlit2, Gesicht] 
kurva (Hure, meretrix), parazna (Kebsweib), pokol (Hölle) u. s. w. 

Slaatlicfw Dinge und Personen: tokma (Vertrag), zalog (Pfand' 
zsell^r (Häusler), rab (Sklave, Diener), robot (Frohndienst), dezai 
(Zehent), kamat (Zins), szabad (frei, Freier), szolga (Knecht), 
(Kaiser), kiraly (König), udvar (Hof), udvarnok (Höfling), nädor (PaJj 
tinus), asztalnok (Truchsess), tärnok (Schatzmeister, Tavernicus), va} 
(Wojwode, Anführer), ispän (Gespan, Comes), ken^z (Richter), porüs; 
[jetzt poroszlö] (Trabant, Häscher), porkolab (Castellan, dann Ker-' 
kermeister), tömlocz (Kerker) u, s. w. 

jj/ünzen und ßlass : p6nz (Geld), petak (Siebner, Siebenkreiizer* 
stuck), poltura (altungarische Münze), pint (Mass), ak6 (Eimer), veder 
(Schaff, Wassereimer), köböl (Kübel) u. s. w. 

Krieg, Lager und Mililär : csata (Schlacht), harcz (Krieg), bajnok 
(Kämpfer), vit6z(Held), täbor (Kriegslager), sisak(Helm), pajzs (Schild), 
köpja (Spiess), puzdra (Köcher), zsträzsa (Wache), sator (Zelt) u. t*. w. 
Thierc : kabala (Stute, alte Stute), kancza (Mutterpferd), bival 
(BüÖel), szamär (Esel), bäräny (Lamm), czap (Ziegenbock), marha 
(Rind), szeli^ndek (Dogge), vizsla (Spürhund), macska (Katze), kac2(lT 
(Kater), kan (Männchen, Eber), rnedve (ßär), kakas (Hahn), jercze 
(Vogelweibchen, Henne), kappan (Kapaun), kacsa (Ente), hörcsök 
(Hamster), patkdny (Ratte), vidra (Otter), päva (Pfau), bibicz (Kibitz), 
csiz (Zeisig), czinege (Meise), esztrdg (Storch), szarka (Elster), galamb 
(Taube), kanya (Weihe), csik (Grundel), harcsa (Weis), pisztring 
(Forelle), rak (Krebs), ikra (Rogen), bolha (Floh), raj (Schaar, 
Schwann) o, s. w. 

Pflanzen: rozs (Roggen), gabona (Getreide), murok (Möhre), cz^j 
(rothe Rübe), retek (Rettig), tök (Kürbis), dinye (Melone), len* 
(Linse), bah (Bohne), paszuly (Fisole), mik (I^Iohn), len (Lein), szill 
(Zwetsche), baraczk (Pfirsich), cseresnye (Kirsche), näszpolya fMispi 



i»3 

berekenye (Vogelbeere), mälna (Himbeere)» gesztenye (Kastanie), 
gomba (Pilz), boröka (Wach holder), bodza (Hollunder), topoly (Silber- 
pappel), javor (Ahorn), belend (Bilsenkraut), konkoly (Kornrade, Lolch), 
köm^ny (Kümmel), moh (Moos), szalma (Stroh), kaläsz (Aehrc) u. s. w. 

Ackerbau : iga (Joch, Anspann), järom (Ochsenjoch), patko (Huf- 
eisen), taliga (Karren), kolomäz (Wagenschmiere), pating (Achsenrie- 
men), csoroszlya (Pfliiginesser, Sageisen), gerendely (Pflugbaum), borona 
(Egg^e), asztag (Fehm, Feim, Triste), petrencze (Heuhaufen), guzsaly 
(Spinnrocken), gereben (Hechel), abrak (Pferdefutter), garad (Zaun» 
Damm), dorong (Stange, Knüttel), pälcza (Stab, Stecken), istap (Stütze), 
baräzda (Furche), patak (Bach), röna (Ebene), morotva (Sumpf, Mo- 
rast^ u, s. w. 

Geivtrbe, Handel und Werkzeuge : gerencs^r (Töpfer), kädär (Küfer), 
kolUr (Wagner), bodnar (Binder), molnar (Müller), m^szäros (Fleischer), 
kupecz (Krämer), takacs (Weber), niestcr (Meister), beretva (Rasir- 
raesser), szekercze (Beil), topor (Breitbeil, Schrotaxt), villa (Gabel), 
malom (Mühle), borda (Rippe, Weberkamm), usztovät (Weberstuhl), 
kalitka (Kähg), tar (Speicher), abroncs (Reifen), lapat (Schaufel), cs^v 
(Spule), mohola (Haspel), läncz (Kette), pecs<^t (Petschaft, Siegel) u. s. w. 

^chißjahri : csolnak (Kahn), ladik (Fähre), kormdny (Steuer), 
naszäd (RennschiflT, Corvette), vitorla (Segel) u. s, w. 

Gebäude und Wohnungm : ablak (Fenster), akol (Stall), asztal 
(Tisch), eszterha (Vordach), gariidics (Treppe), katlan (Kessel), k(^^meny 
(Schornstein), konyha (Küche), oszlop (Säule), pakr6cz (Kotze, rauhe 
Wolldecke), pincze (Keller), pitvar (V^orzimmer), polcz (Fach, Stufe), 
szövetnek (Fackel, Windlicht), vankoK (Polster), abrosz (Tischtuch), 
tänyer (Teller) u. s. w. 

Kleidung : sapka (Kappe), csuha (Kutte, Schari)elz), daröcz (grobes 
Tuch), gatya (Unterhose), guba (zottiger Wollmantel), gunya (Bauern- 
kleid, Kleid überhaupt), harisnya (Strumpf), kapcza (Socken), kapocs 
(Spange), paläst (Mantel), päntlika (Band, Bändchen), niha (Kleid), 
tÄska (Tasche), zubony (Kinderrock, kurzer Oberrock) dunyha (Feder- 
decke) u. s. v,\ 

Speisen: brenza (Schafkäse), eczet (Essig), galuska (Klösse), 
kaläcs (Kuchen), käposzta (Kopf kraut), käsa (Brei), kocsonya (Sulz), 
kolbäsz (Bratwurst), koväsz (Sauerteig), szalonna (Speck), pecsenye 
(Braten), t^szta (Mehlspeise), zakla (weiches Brod, Brodkrume), eh€d 
(Mittagessen), vacsora (Abendmahl), uzsonna (Vesperbrod), pälinka 
(Branntwein) u, s. w, 

Ge/ässe : csesze (Schale), pohär (Becher), kors6 (Krug), csutora 
(Holzflasche), kas (Korb), kosär (Korb), karabö (Korb), dezsa (Schaff), 
käd (Kufe, Zuber), zsajtär (Melkgeschirr, Gelte), cser^p (Hafen) u. s. w. 



i84 



Familie und Natisgesinde : ded (Ahne), bäba (Hebamme), unoka] 
(Enkel), mostoha (Stief-), dajka (Amme, Kindsweib), pesztonka (Kiiids* 
magd), raätka (Braut)» barät (Freund), tdrs (Camerad, Genosse), &mur\ 
(Namensbruder), csalad (Familie), szomszed (Nachbar) n. s. w. 

Beruft : kulcsdr (Beschliesser), szakäcs (Koch), szolga (Knechlj 
Diener), tolraäcs (Dolmetscher), komonia (Kammerdiener) u. s. w. 

Körpcrthcik: potroh (Wanst), ikra (Wade), m6h (Schoss), nadral 
(Gebärmutter) a. s, w. 

Krankkeikn : gel}^a (Kropf), görcs (Krampf), natha (Schnupfen , 
mer6gy (Drüse), tälyog (Geschwür), tür (Satteldruck), hiba (Gebrechen;, 
giliszta (Spulwurm), nyavalya (Krankheit, speciell Epilepsie) u. s. v* 

Unter den angeführten Wörtern sind viele, welche man aus dem ' 
Lateinischen oder Deutschen ableiten, kann ; allein nicht davon ist hitr | 
die Kede, sondern es handelt sich darum, dass die IMagyamii dicst 
Wörter durch Vermittelong der slovenischen Sprache, nicht aber directc i 
aus dem Lateinischen oder Deutschen erhalten haben. Unter der 
grossen Fülle slavischer Wörter findet sich kein einziges Verb um ; dtnn 
Worte wie pecseteini (siegeln), abroncsoini (bereifen), uzsonnalni :'d;b 
Vesperbrot nehmen) u* s. vv\ sind magyarisiht Biidungen \'on den iiui* 
genommenen slavischen Substantiven. Deshalb sind die Fremdling<i 1 
auch nicht im Stande, die Sprache zu verändern ; wohl aber unterliegen ^ 
sie selbst einer Umgestaltung, indem die Sprache das fremde \\<»n 
nach den eigenen Lautgesetzen modificirt. 

Das Zeugniss der mag}*arischen Sprache in Bezug auf die Ur- 
geschichte der Nation geht also dahin, dass das magyarische Volk 
aus der Gemeinschaft der Finn-Ugren entsprossen ist; dass dasselbe j 
mit den Ugren vereint sich von den eigentlichen Finnen getrennt und I 
in einem südlicher gelegenen Gebiete der Ugren hauptsächlich at^ 1 
Fischer- und Jägervolk seine nationale Entwickelung ftjrtgesetzt hab^ 
Damals hatten die I^Iag)*aren jedoch bereits das dekadische Zahlen- 
system angenommen. Des Weitern beweist die Sprache, dass die M^' 
gyaren hierauf mit Völkern türkischer Zunge in Berührung kämest 
von denen sie die Viehzucht und wenigstens theilweise den Ackef*^ 
bau erlernten. Zu derselben Zeit sammelten sich die Stämme un^ 
Geschlechter zu einer compacteren Nation, die ihre Landesangelegcn^^ 
heiten gemeinsamen einheitlichen Oberbehörden anvertraute. Fernef 
dass die ^lagyaren, auf diese Weise national gefestigt und durch dcl 
Anschluss des Kabarenstammes verstärkt, nach Ungarn und Sieben^ 
bürgen gelangten, welche Länder sie mehr in Besitz nahmen als erobet 
ten ; denn ausser dem zerfalkndtn mährischen Fürsten thume war kem4 
Macht vorhanden, von welcher sie diese Gebiete hätten erobern müssen^ 
Endlich, dass die hier wohnenden Slovenen sich mit ihnen amalgamirtet 



i durch diese Vereini^rung eine grosse Menge slovenischer Wörter 
die magyarische Sprache aufgenommen wurden. 

Diese Sprache bereicherte sich aber sowohl anter türkischem als 
vischem Einflüsse blos mit Substantiven (einige türkische Verba aus- 
lommen) ; der Geist der Sprache, welcher hauptsächlich in dem 
rhiim lebt, blieb am verändert. Und diese Sprache gebraucht, so %veit 
verbreitet ist, in allen ihren Dialecten dieselben türkischen und 
venischen Wörter, ist also überall vollkommen dieselbe Sprache. 

///. Dif Urg€schkhi€ der Alagyann nach den magyttnschiii Chroniken. 



§ 43- 

Die magyarischen Chroniken, welche hier in Betracht kommen, 
id die des Simonis de KiSza, des Marcus, des Thur6czi und endlich die 
s Anonymus. Keza widmet sein Buch, das die ungarischen Geschichten 
s 1282 erzählt, dem König Ladislaus 111., dem Kumanier; Marcus 3°? 
gann seine Chronik im Jahre 1358 und führte die Geschichte bis 
m Jahre 1330; Thuruczi 3oS verfasste .seine Chronik, die bis zum 
hre 1464 reicht, zur Zeit des Königs Mathias (Corvinus), Verfasser 
»tl Zeit der Entstehung dieser drei Chroniken sind somit bekannt. 
er Anonymus nennt sich: «P, dictus Magister ac qiiondani bonae 
emoriae gloriosissimi Belae regis Hungariae Notarius». Nachdem es 
&r ungarische Könige Namens B«^la (Bela L 1061-^1065; B(^la IL 
Ji — rr+i; B^la IIL 1173 — 1196; Bela IV. 1235 — ^1270) gegeben, so 
nn man aus dieser Benennung das Zeitalter des Anonymus nicht 
istimmen. 

Nach Keza, Marcus und Thuröczi sind Hunor und Magor Söhne 
s Nemrot (Nimrod) ; von ihnen stammen die Hunnen und Magyaren, 
ifanglich wohnten Hunor und Magor an der Mäotis und alle drei 
ironisten erzählen die Sage, welche Procopius von den Uturguren 
id Kuturguren mittheilt (siehe oben S. 80). Nachdem sich die Nach- 
►ßimen des Hunor und ^lagor vermehrt iiatten, zogen sie nach Scy- 
160» wo sie drei Reiche: Barsatia oder Bascartia, Dentia und Mogoria, 
'Endeten. 309 Marcus erklärt uns auch die Benennung •Dentia» vom 
^inischen «dens» (Zahn). Weil, also fabelt er, die Hunnen und 
^gj'aren alles zermalmten, wurden sie die «Bissigen» (Gezähnten, dentos) 
^3.nnt. In Skythien gibt es zwei grosse Flüsse; den Don» welchen 
^ Magyaren Eihui nennen und den Ihgaia (nur bei Keza Togara), 
*" in das Eismeer fliesst. Nach Thuröczy und K^za grenzen ferner 
^ drei Reiche im Osten an das Land Joria (regnum Jorianoruni). 
'^n drei Chroniken zufolge scheint dort die Sonne so selten, dass 



\ 



i86 

sie selbst in den Monaten Juni, Juli und August nur drei Stunden 
sichtbar ist. 

Ans diesem Lande (Skythten) kamen die Hunnen oder Magiiren 
das erste Mal, nach K^za, im Jahre 700 n. Chr., nach Marcus m 
Jahre 475, nach Thuröczy ini Jahre 573, als sie Kadar, aus dem 
Geschlechte Turda, zu ihrem Oberrichter eingesetzt hatten. Bei ihrem 
Auszuge gelangten sie durch das Gebiet der Petschenegen und weissen 
Rumänen nach Susdal» Ruthenien und in das Land der schwanen 
Kumanen, von da an die Theiss und nach Pannonien. Hier herrsc 
im Namen der Römer der aus Steinamanger gebürtige Langobai 
Macrinus oder Matrinus; der Alemanne Detnk (Dietrich) aus Vetoa^l 
aber stand ihm hilfreich zur Seite. Die Hunnen griffen beide an; ßadJ 
Keza wurden die Schlachten im Tavarnok-Thale und bei Cezumaur; 
nach Marcus bei dem österreichischen l'uln und Cesumaur geschlagen; I 
Thur^czy dagegen weiss zu erzählen, dass dieselben bei Szazhalomimd ] 
Kevehaza stattfanden und in denselben die Hunnen siegten, HierauJ 
wurde Attila Konig der Hunnen, dem jetzt Detrik (Thuröczy nennt) 
ihn den «unsterblichen Detre») mit allen deutschen Fürsten huldigen.| 
Alle drei Chroniken wis.sen unter Vermischung von Geschichte und Sa 
sehr viel von Attila zu erzählen, bis dieser endlich bei seinem letzten 
Hochzeitsmahle stirbt. Unter seinen Sühnen kämpifte der von der deut- 
schen Krimhiiile (Crumheld, Kremheylt) geborene Aiadar mit Csaha^ 
dem Sohne der Tochter des Honorius, um das Erbe ; diese grosse 
Schlacht, genannt die « Schlacht der Xriem bilde » vernichtet die 
Hunnen, Nur drei Tausend fluchten sich und damit die Feinde sie 
nicht erkennen, leben sie unter dem Namen Szekitrx^rhoig^n in Sieben- 
bürgen, von wo sie bei dem zweiten Auszuge der Magyaren oder Han- 
nen aus Skythien diesen bis Ruthenien entgegen gehen. Die Chronik 
des Marcus erzählt das folgendermassen ; «Als die Szekler (Zekul) erfuh- 
ren, dass die Magyaren zum zweiten Male nach Pannonien kommen* 
giengen sie ihnen bis Ruthenien entgegen und nachdem sie mit ihnen 
vereint Pannonien unterworfen hatten, blieben sie, wie sie vordem gcwe* 
sen. Die Magyaren wollten aber nicht, dass sie in der Ebene wohne 
deshalb erhielten sie ihr Erbe an der Grenze des Reiches im Gebtrü 
unter den Walachen» von denen sie» wie man erzählt, auch die Set 
angenommen hatten, •» 3»° Noch ausführlicher berichtet Thuroczi : «Au 
ser jenen Hunnen, die Csaba folgten, flüchteten sich aus der genannt 
Schlacht noch dreitausend und licssen sich anfänglich in Pannonie 
auf dem Cziglamezo (Ziegel fei de) nieder, spater aber zogen sie all 
Furcht vor den westlichen Nationen, die Attila bei seinen Lebzette 
unterdrückt hatte, nach Erdö-elv (Erd(5]y, Tran ssyl van ia, Siebenbürgenl 
d. i. in dieGrenzorte Pannoniens. Damit man sie nicht erkenne, nähme 



/ 



sie statt des hunnischen oder magyarischen Namens den Namen Sz^k- 
ler (zekel) an. Dass diese Sz^kler der erstangekommenen Hunnen bis 
zum heutigen Tage fortbestehen, sagt Thuruczi, ist kein Zweifel ; denn 
ihr Geschlecht mischte sich mit keinem fremden Blute, sie sind stren- 
ger in Sitten und auch in der Vertheihing ihres Grundbesitzes unter- 
scheiden sie sich in Vielem von den übrigen Magyaren. Auch haben 
sie die alte skythische Schrift nicht vergessen, gebrauchen diese aber 
nicht gemalt oder auf dem Papiere» sondern in eingekerbten Stäben 
(Runen), Sie waren bereits zahlreich geworden als sie die Nachricht 
von dem zweiten Auszuge der Mag}'aren vernahmen und mit grosser 
Freude diesen bis ins Land der Ruthenen entgegen giengeo. Und nach- 
dem die Magyaren Pannonien neuerdings in Besitz genommen hatten, 
wählten sich die Szekler mit deren Einwilligung wieder denselben Theil 
des Landes (zum Wohnsitze), wo sie vordem gewohnt hatten. 3" 

Nach Keza und .Alarciis war Pannonien nach dem Untergange 
der Hunnen zehn Jahre ohne König; es wurde damals von Slaven, 
Griechen, Deutschen, Müsiern und Walachen bewohnt. Alsdann erhob 
sich der aus Polen stammende Swatopkik, Sohn des Morot, und begann 
aber die Bulgaren, Mosier und in Pannonien zu herrschen. — ^Thuröczi 
weicht hier nur insofern ab» als er die Zahl der •königlosen» Jahre 
nicht angibt. — Alle drei Chronisten stimmen auch darin überein, dass 
Einige meinen, die Magyaren hätten bei ihrem zweiten Auszuge nicht 
den Swatopluk, sondern dessen Vater als Herrscher in Pannonien vor- 
gefunden. 

Der zweite Auszug der Hunnen oder Magyaren erfolgte nach 
Keza im Jahre 872, nach Marcus 677, nach Thuruczi 704., Alle drei 
führen die Magyaren durch das Land der Bessen (Petschenegen) und 
weissen Kimianen ; von hier lässt K^za sie direct nach der Stadt Kiew 
und dem Hungflusse eilen, w^o sie sieben Burgen erbauen, Swatopluk 
tÖdten und nachdem sie sich in sieben Schaaren getheilt, Arpäd zum 
ersten Anführer erwählen. Nach Marcus kamen flie j\Ligyaren durch 
das Land der Petschenegen und weissen Rumänen nach Susdal und 
nach Kiew, sodann aber durch ein Gebirge, wo Adler ihnen keine Ruhe 
liessen, an die Grenze des Reiches und nach Siebenbürgen, wo sie sie- 
ben Burgen erbauen. Daher stammt der deutsche Name des Landes 
• Siebenbürgen». Thuroczi lässt die Magyaren auf demselben Wege 
ziehen ; nur führt er sie, bevor sie nach Siebenbürgen gelangen , wo si^ 
die sieben Burgen bauen, von denen der deutsche Name «Siebenbürgen» 
kommt, auch nach Schwarz-Kumanien, welches, wie ct sagt, das jetzige 
Moldavia sei. Die Besitzergreifung des Landes geschieht nach Marcus 
und Thuroczi in der Weise, dass eine Gesandtschaft Arpads den Swa- 
topluk überlistet, wobei auch ein Pferdegeschenk eine Rolle spielt; 



i88 



Swatopluk fällt dann in der Schlacht. Uebrigens, meint Marcus, kam j 
Arpad mit seinen sieben Anführern nicht als Gast, sondern als Erbe | 
(in dieses Land). 3'* 

Die drei Chroniken stimmun also in allem Wesentlichen (emigisj 
Kleini;nriieiten abgesehen) vollkommen überein. 

Dagegen unterscheidet sich der Anonymus von ihnen in Vielem, 
Nach ihm ist Skythien auch ein grosses Land ; östlich von demselben 
liegt Dentu-Moger, das unter Anderem sehr reich an Mardern ist; sol 
dass dort auch die Rinder-, Schweine- und Schafhirten in Marderpekenl 
gekleidet sind. Von Magog stammt Moger, von diesem Attila, der imil 
Jahre 451 von dort auszog und nachdem er die Römer vertrieben, an 
der Donau, oberhalb der heissen Quellen (iuxta Danubium supra call-« 
das aquas) seinen Sitz aufschlug. Die alten Gebäude Hess er wieden 
herstellen, eine feste Mauer erbauen und nannte die Burg tBudavdr»,| 
Die Deutschen aber hiessen sie: »lEcil-Burgi, Ebenfalls aus dem Ge 
schlechte des Magog stammt Ugek, der Vater des Almos. Ugejv nahn 
nämlich im Jahre 819 im Lande Deutu-Moger Emesu zur Frau, welche 
ihm einen im Traume vorher angezeigten Sohn gebar, der deshalb AI-' 
mos (vom magA'ari sehen alom = Schlaf, Traum) genannt wurde. Di«J 
«Hetu-Moger« oder die sieben (magyarisch het) Anführer der Magya-j 
ren wählten durch einen mit Eid bekräftigten Vertrag den Almos imni 
Grossfürsten, damit er ihr Volk führe, wohin es ihm beliebe, nur soll«] 
er ihnen Antheil gestatten im Käthe nnd an der Beute. Im Jahre 8^1 
zogen also die Magj^aren aus und nachdem sie die Wolga durch seh woiD*i 
men gelangten sie in das russische Land Susdal und vor Kiew. Hierj 
riefen die russischen Fürsten die Rumänen zu Hilfe ; allein die Ma- 
gj'aren siegen und die Rumänen schlössen sich ihnen an. Die rutheni-I 
sehen Fürsten von Kiew und Susdal bitten die Magyaren, sie mögen j 
in das Land Attilas jenseits der Karpaten ziehen. Als diese zur Stadt] 
Lodomer gelangen, begleitet sie deren Fürst in die Stadt Galicia, selbst- 
verständlich nachdem er ihnen gehuldigt und Tribut geleistet hatteJ 
Hier bittet man die Magyaren neuerdings, dass sie in das ehemalig! 
Besitzthum Attilas gehen mögen. Daselbst wohnen jetzt: in Pannonienj 
bis zur Donau römische Hirten, das Land zwischen der Donau umil 
Theiss hatte der bulgarische Grossfürst Kean, der Grossvater des jdztj 
herrschenden Zalän, ganz bis an die Grenzen der Polen und Ruthenenl 
in Besitz genommen und darin Slaven und Bulgaren angesiedelt. MorOtl 
(Morout) hatte das Land zwischen der Maros und Szamos bis nauhl 
Siebenbürgen seiner Macht unterworfen, hier herrschte dessen Enkel I 
Menmorout über das Volk der Kozaren ; zwischen der Maros und Orsova | 
hatte der aus Budun (Bödön, Widdin) gekommene Glad mit Hilfe der j 
Rumänen sich ein Fürstenthum erworben ; Glads Nachkomme *W | 



Ahtum (Ohtum), der lange nachher (longo post tempore) von Stefan 
dem Heiligen besiegt wurde. 

Die Magyaren kamen sodann nach Hung, woher ihr Name « Hun- 
garn», und nennen den ersten in Besitz genommenen Ort Munkacs, 
weil sie nur mit vieler Mühe und Arbeit (magyarisch «munka») in ihr 
auserwähltes Land gelangt seien. Als die Slaven erfuhren, dass Ahiios 
der Nachkomme Attilas sei, huldigten sie demselben sogleich^ obschon 
sie Zaldn's Unterthanen waren ; ja, um ihre Huldigung zu rechtfertigen, 
erzählen sie, wie nach Attilas Tod der aus Bulgarien kommende Ivean 
unter Beihilfe und nach dem Rathe des griechischen Kaisers dieses 
Land in Besitz genommen und auch die Slaven aus Bulgarien hier- 
her an die ruthenische Grenze angesiedelt habe. In Hung legt Almos 
die Herrschaft nieder, und erhebt Arpäd zum Grossfürsten, Dieser 
beschwichtigt durch einige Geschenke (12 w^eisse Pferde, 12 Kameele 
etc.) den Zalän, der ihm bis an den Sajt5fluss das Land überlässt. 
Hierauf . setzt Arpad den in Bihar hausenden Menmorot durch eine Gesandt- 
schaft in Schrecken ; dieser vertraut zwar auf seinen Herrn, den Kaiser in 
Constantinopel , allein vergeblich. Die ^lagyaren rücken jetzt bis an die 
Pforten Siebenbürgens vor. Siebenbürgen (Ultrasilvania) besass ein Wa- 
lache Namens (ielou (Gyaluj. Tuhutum erfährt durch seine Spione, 
dass die Bewohner dieses Landes, Walachen und Slaven, erbärmlicher 
seien als die übrigen Völker, dass somit Gelou ihm keinen besonderen 
Widerstand leisten könne, da er keine guten Streitkräfte habe ; übri- 
gens hätten die Einwohner viel zu leiden von den Kumanen und 
Petschenegen, Was aber das Land betrifft, so besitze es gute Flüsse, 
das beste Gold und Salz, Am Kapusflusse kommt es zur Schlacht, in 
welcher Gelou fällt ; die Bewohner des Landes leisten deshalb bei 
EskülÖ (von eskix — Schwur, ¥Ad) durch einen Pjd dem Tuhutum Ge- 
horsam, der nach seinem Sohne Horka iswei Enkel hatte ; Geula 
(GyulaJ und Zombor, Gyula besitzt zwei Töchter: Karoita und Sarolta; 
die Letztere wurde die Motter Stefan des Heiligen. Der Sohn Zorabors, 
der jüngere Gyula, wird der Vater von Bue und Bukne ; alle drei führte 
Stefan der Heilige spater gefangen nach Ungarn, weil sie das Christen- 
thum nicht annehmen wollten ; ihr Land aber nahm er in Besitz, 

Die Ausbreitung und Besitzergreifung geht unausgesetzt fort ; 
Szabolcs, Eger (Erlau), Neograd, Bars werden zu neuen magyarischen 
Burgen, Bei Neitra angekommen, erzählt der Anonymus, dass nach dem 
Tode Attilas unter einem cechischen Fürsten Slaven und Cechen das 
Gebiet an der Waag und Gran von der Donau bis zur March besetzt 
hatten ; gegenwärtig sei von Gnaden des böhmischen Fürsten Herrscher 
in Neitra Zuhur (Zobor), den die siegreichen Magyaren hernach aufhan- 
gen. Jetzt kommt die Reihe auch an Zaktn. Diesen unterstützen Griechen 



190 



und Bulg^aren, aber die Heerschaar Arpdds siegt ; Ärpäd selbst wählt] 
für sich die Insel CsepeL Nachdem am Temesflosse auch Glad besiesjtl 
worden war, wendet sich Arpad zur Besitzergreifung Pannoniens, wol 
Wessiprim, Eisenburg und andere feste Orte sind. Hierauf berichtet der 
Fabulist den Fall Menmorot's, der eher auf die Flucht nach Griechen- 
land als auf Vertheidigung bedacht war. ArpEid's Heerführer und ihre 
Schaaren schwimmen über die Theiss und schlagen am K6rögyflusse ihr 
T.ager auf. Hier kommen zn ihnen die Szt^kler, weiche ehedem zum Volkr 
Attila's gehörten und nachdem sie ihre Sohne als Geisel gegeben, 
welche die Führer zu Arpäd senden, kämpften sie in erster Reihe gegen 
Menmorout. Dieser ergibt sich; Arpdd aber überlässt ihm die Burg 
Eihar und gab dessen Tochter seinem Sohn Zoltan zur Frau. Arpad 
stirbt im Jahre 907 nnd überlässt das Land diesem Sohne Zoltan 
Das genüge aus der Erzählung des Anonymus. 

Wie man sieht, bewegen sich die ungarischen Chronisten in eine 
Sagenwelt» in welcher sie Dichtung und Wahrheit nicht zu unterscheiden 
vermögen. Sie wissen gar nichts von der Geschichte der Magyaren im 
heutigen europäischen Ost* und Südrussland, sondern führen dieselben 
aus ihrer Urheimat, die sie Dentu-Mogeria oder Dentia und Mogeria 
nennen, directe in das Karpatenland. Sie wissen ferner nichts von . 
dem Zustande Ungarns und Siebenbürgens vor der Ankunft der Ma*l 
g}'aren; denn K6za, Marcus und Thur6czi wissen selbst das nkh 
mit Bestimmtheit, ob die einwandernden Magyaren den Swatoplülfc 
oder den geschichtlich sonst unbekannten Vater desselben an der Rei 
gierung fanden; Anonymus kennt nicht einmal den Namen Swatopluksi 
um so weniger ist ihm etwas vom Reiche der Mährer bekannt; dennj 
nach ihm herrschte zu Neitra der Vasalle des Herzogs von Böhraen.i 
Dass jenseits der Donau und Neitra ehedem schon christliche Civili- 
iiation bestanden habe, davon träumen die Chronisten in ihrer Sagen- 1 
weit gar nichts. Da ihnen von diesem Lande also gar nichts Geschicill-j 
liches bekannt istj (auf die Dichtungen des Anonymus kommen wir noch 1 
zurück), so ist es kein Wunder, dass unsere Chroniken auch gar nichts] 
erzählen von dem Zustande jener Länder, durch welche sie die Ul-i 
gyarcn fuhren. K6za, Marcus und Thur6czi besitzen so wenig histo^^ 
rischcs Gefühl, dass sie die Hunnenschaaren dieselben Reiche (nämlich 
der Petschenegen, weissen Kumanen, Süsdal u. s. w.) durchziehed 
lassen, welche später die Schaar des Almos oder Arpäd durchzog. Un(^ 
doch existirten diese Reiche im 4. Jahrhunderte überhaupt noch nicht und 
im 1 1, Jahrhunderte lagen sie, mit Ausnahme von Susdal, in ganz andea*^ 
Gegend- Unsere Chroniken behandeln die Zeitrechnung nach Willkü 
wie das Märchen; Marcus lässt die Hunnen oder (wie er meinte) diJ 
Magyaren das erste Mal im Jahre 473, Thur6czi im Jahre 373 ati^ ^ 



'er Urheimat ziehen. Ja unsere CJironisten sind für die Wirklichkeit 
so unempfindlich oder so iinwissend, dass selbst Thuroczi in der Zeit 
-<!es Königs Mathias (Comnus)» als bei uns doch schon einige geo- 
g^raphische Kenntnisse verbreitet waren, nicht ansteht, jene Geschmack- 
losigkeit nachzuschreiben, dass in jenem nördlichen Lande, woher die 
Mag^yaren gekommen, der längste Tag des Sommers nur drei Stunden 
dauere. Und doch verkehrten zur Zeit des Königs Mathias schon Ge- 
sandte zwischen Moskau, Ofen und Wischegrad ; auch Handelsleute 
erhielten von dort manche Kunde^ so dass es fast unmöglich war nichts 
äu erfahren über diese auffällige Tageskürze im Sommer. -^^3 Dem 
Mangel an Gefühl für historische Wirklichkeit muss man es auch zu- 
schreiben, dass z. B. K^za mit seinen F'abeleien über den Ursprung 
der Magyaren von Hnnor und Magor und über ihre erste Ankunft als 
Hunnen dre issig Seiten (nach der Ausgabe von Josef Podhraczky) 
ausfüllte^ indess er für die Zeit von E^la IL bis zu Stefan Y. nur drei 
Seiten zur Verfügung hat. Von jenen Dingen fand er fertige Märchen 
vor, von diesen hätte er geschichtliche Thatsachen erzählen sollen. Es 
ist in der That charakteristisch, dass er sein Buch dem Konige La- 
dislaus IIL widmete und es dennoch nicht für nothvvendig oder lehr- 
reicher gefunden hatte, von dem Urahnen (Andreas II.), Grossvater 
(B^la IV.) und Vater (Stefan V.) des Ladislaus mehr zu berichten als 
IjIos ein paar Namen und Zahlen, 

Unsere Chroniken wissen ferner kein Sterbenswörtlein von den 
■Avaren, die 250 Jahre hier geherrscht haben,' wohl aber singen und 
^^g^n sie Vieles von den Hunnen, nur kennen sie auch von diesen 
'^nd deren Ländern nicht die wirkliche Geschichte. Nach ihnen war bei 
Ankunft der,Hunnen der La f7gol/(irde MRCTinns oder Matrinus römischer 
*-ta^ttha]ter in Pannonien und Theodorich von Verona, der Gothenkonig, 
^^T Äv^ei Jahre nach dem Tode Attila's geboren wurde (siehe o. S. 79), 
^^^ Bundesgenosse jenes Macrinus; Theodorich aber huldigte hernach 
^^ Attilal — Endlich kennen unsere Chroniken, wie wir gesehen haben» 
^irie Zeitrechnung, leben also in einer echten Märchenwelt, in der 
^^cbtung und Wahrheit sich bunt mengen. Ihre einzigen Quellen sind 
^^^ mündlichen Traditionen und Sagen, die allerdings auch einen 
^^storischen Kern haben können; nur verstanden es die Chroniken- 
^^hreiber nicht, diesen aus der dichterischen Umhüllung herauszu- 
schälen. 

Von der Urheimat der Magyaren mochte wohl zur Zeit der Ar- 
paden noch einige Erinnerung im Volke leben. — «iDentu-Mogeria» 
oder «Dentia»* und «Mogeria» grenzen an das Land «Joriai», in wel- 
chem unsere Chroniken den Fluss Togaia erwähnen, der in das nOrd- 
\\c\i^' Meer fiiesse. In dem Flussnamen tTogatai erkennt man den 




heutifi:en Fluss tTangat»»{denn also nennen die Süd-Ostjaken den Iru^jn 
welcher in den Ob und mit diesem in ^as nördliche Eismeer mündeiij 
Zwischen dem ostjakischen «tangat» und dem * togat » der magyarisclietl 
Chroniken bildet blos das «n» den Unterschied ; der Wegfall oder diel 
Aut nähme dieses Lautes entspricht aber nicht nur den verwandten] 
Sprachen (siehe oben S. 149)1 sondern dieser Laut ist auch in dei 
Wörtern derselben Sprache bald vorhanden, bald fehlt er; z. B, v^\ 
gj^arisch «iharminczi« (dreissig) neben «harmiczt 3*5, <(penz», pfnz (Geldll 
neben dem dialectischen «pfzi» n. s, w. Der Fliissname «Togat» inj 
unseren Chroniken versetzt also die Urheimat der Magyaren an itiej 
Ufer des Irttsch. Setzt man statt «TogatJ> das ostjakische « tanp^at», ^'j 
bedeutet wohl das Land « Dent » (Dentia, Dencia) nichts anderes akl 
ti Land am Trtisch ». 316 £s jst ein unstatthafter Gebrauch unserer mo-j 
dernen Historiker, das <( Dentu-Moger » im Magyarischen * Don-tü laa-j 
gyar » (♦! Don -Magyaren »j zu schreiben und zu lesen; «tdentu* kann doch J 
neumagyarisch nur « dent» lauten, wie aus « hetu » « het » geworden ist,^ 
Die Urhciniat der Magyaren lag aber nicht am Don, sondern jeJiseit*! 
<Ier Wolga, an den Ufern des Togat, Tangat oder Jrtiscb, Der Ano-1 
nymus kennzeichnet die magyarische LTrheimat durch den ReichtlitnJ 
an Mardern, indess die übrigen Chronisten angeben, dass sie an < 
Land « Joria t» gegrenzt habe. In diesem Namen begegnet man 
bekannten Benennung des Landes «Jugra)* oder «Ugra», An die Uf«*! 
des unteren Irtisch und an die Grenzen des Landes Ugra oder JugnJ 
führte uns auch das Zeugniss der magyarischen Sprache; nach dies^j 
Richtung reisend fantlen die glaubenseifrigen ungarischen Mönche ifl) 
Jahre 1237 ^'^ « Gross- Hun gar ien »; 319 von dorther beabsichtigte Köni|j 
Mathias die zurückgebliebenen Sprach verwandten holen zu lassen; 
von dorther kamen, so vernahm auch Herhehstein, in der Thatdiej 
Magj^aren (siehe oben S. 173). Unsere Chroniken entnahmen also dfl 
alten mündlichen Traditionen Namen und Beschreibung jenes entfern^' 
ten Landes ; denn aus einer anderen Quelle konnten sie diese gar nicht 
schöpfen. Den directen Weg von dieser Urheimat der Mag)aren ^ 
ihr jetziges Vaterland erfand die Tradition und das Volkslied ^ rst später, 
als durch die Beziehungen der ungarischen Könige mit dem russischen 
Reiche die Kenntnisse über das letztere sich bei uns mehr verbreili^t 
hatte, Kiew war das erste russische Fürstenthum, sodann gelangt*^ 
Susdal und Wladimir zur Macht; jenes lag westlich am Dnjeper, 
dieses östlich im Lande der Merier. Wenn die Magyaren auf dC 
von den Chroniken bezeichneten Wege hieher gekommen wäre 
dann hätten sie die stammverwandten Merier angetroffen (denn vo 
Susdal war damals noch keine Rede ^^^) und wären vielleicht dun 



193 



ese ihre Anzahl ebenso vermehrt worden wie durch den Anschluss 
tr Kabaren. 

Von der Besitzergreifung Ungarns wissen K<5za, Marcus und 
hux6czi sehr wenig zu berichten* Die verschiedenen Eigennamen 
itlehnten sie sicherlich der mündlichen Ueberlieferung, ebenso das, 
as sie von Swatopluk wissen. Um so mehr weiss der Anonymus über 
le damaligen Fürsten des Landes und von deren Unterjochung durch 
ie Magyaren, Woher konnte er diese Nachrichten geschöpft haben ? 

Unter unseren neuesten Historikern machte sich die Ansicht gel- 
md, dass der Anonymus Notar des Königs Bela I. gewesen sei und 
amm reichliche Kunde von solchen Dingen besessen haben konnte, 
ekhe die späteren Chronisten schon nicht mehr wussten. Allein es ist 
nmöghch, den Anonymus zum Notar des ersten Bela zu machen. Als 
leamter dieses Königs hätte er das Wiederaufflammen des magyarischen 
teidenthums, die Ermordung der Geistlichen, die Verwüstung der 
%irchen sehen und erfahren müssen und in seiner Eigenschaft als 
fester sollte er gegen alle diese Dinge so gleichgiltig geblieben sein, dass 
r derselben mit keiner Silbe gedenkt, ja dass er das Heidenthum sogar 
rofahvollend behandelt ! ? Es wäre Unsinn, solches von einem christ- 
chen Priester aus der Zeit Bela I. vorauszusetzen 1 Der Anonymus 
eiBt im 9. Capite] einen Bischof Turda aus altmagyarischer Familie. 
ür das Zeitalter des li. Gerhard würde ein Bischof aus einem urma- 
yarischen Geschlechte ein %vahres Wunder gewesen sein; allein ein noch 
TÖsseres Wunder wäre es, dass dessen keine einzige T^egende Erwähnung 
aUD sollte. Indessen ist auch der Name « Turda i> nur ein traditioneller ; 
eirn die anderen drei Chroniken nennen den «rector* der Hunnen 
US dem Geschlechte Turda entsprossen. Daraus dichtete nun der 
^ßonymus seinen « Bischof« Turda. Denn dieser * unbekannte Nota- 
ittsi ist mehr Dichter und Fabulist als Historiker und dazu auch noch 
"^ tnittelmässiger Dichter; es war gewnss Schade, dass er die Volks- 
»chtung verwarf, um an deren Stelle seine eigenen Fabeleien zu setzen l 

Kr führte die Magyaren auch, wie wir gesehen haben, nach 
üsdai und von dort vor Kiew. Nach *;m russischen Chronisten Nestor 
^K^n die Magyaren im Jahre 898 bei Kiew vorbei, als daselbst Oltg 
rter O/f//, Rurik's Nachfolger, regierte; von anderen russischen Für- 
enthümern ist in dieser Zeit noch keine Rede. Dem Anonymus zu- 
gige riefen aber die russischen *< Fürsten » (duces Ruthenorum) die 
omanen zu Hilfe, während doch erst im Jahre 1061 die Kumanen 
m ersten Male erscheinen; in Ungarn treten sie auch noch spä- 
r auf. Allein die AIag)aren siegen und die sieben knmanischen 
imme vereinigen sich mit ihnen. (In einer Urkunde Ladislaus IIL 
ex des «Kumaniersji vom Jahre 1249 ist von sieben Geschlechtern 

Uuofalvy, EthnogT. IJ 



194 



der Kumanen die Rede, worauf wir später noch zurückkommen.) Diel 
Fürsten von Kiew und Susdal huldigen den Magyaren und bitten sie, 
weiter zu ziehen. (Fürsten von Susdal existirten vor dem Jahre r/50 
nicht. Siehe die Note 320.) Von Kiew führt der Anonymus die 
Magyaren nach den Städten Lodomeria (Wladimir) und Halics (Gal?- 
cia), obgleich Halles erst im Jahre 1113 zum ersten Male erwäliDfcL_ | 
wird* 3M Die Fürsten von Lodomerien und Halles wissen es gleirk 
denen von Kiew und Susdal, wo das Erbe Attila's sei und senden dl 
Magyaren dahin und doch trifft man nirgends davon eine Spur, dass be 
den slavischcn Völkern irgend -welche Erinnerung an Attila erhaJie^ ^ 
geblieben wäre. 

Nach dem Anonymus bestanden auch in Ungarn und Siebenbürge-:^^^ 
bei der Einwanderung der Mag}^aren mehrere Fürstenthümerj aber wo 
Weder jenseits der Donau und doch gab es gerade hier solche Fürstea- 
thümer zur Zeit der fränkisch-deutschen Herrschaft ^ noch diesseits def^j 
Donau, obzwar auch daselbst das mährische Fiirstenthum bestand; jeul 
(bei Einwanderung der Magyaren) setzt der Anonyinns nur Zobor, den] 
böhmischen Vasallen von Neitra, hierher. 3^3 Dagegen zählt uns der 
fabelreiche Notar zwischen der Donau und Theiss ein bulgarisches, 
jenseits der Theiss ein chazarisches, in Siebenbürgen ein walachiscb 
Herzogthnm auf und von all dem weiss Kaiser Constantin gar nicht 
obgleich er die Flüsse Temes, Maros, Koros und Theiss nennt \m 
anführt, dass an denselben die angesiedelten Magyaren wohnen; er 
berichtet deutlich den Sturz der Söhne Swatopluk's und weiss, was in 
entfernteren Gegenden geschieht. Und von diesen weit naher gelege- 
nen, angeblich mit Hilfe der Griechen errichteten und von ihnen unter* 
stützten Fürstenthümern sollte der Zeitgenosse und Kaiser Constantin 
nichts gewnsst haben ? Man sieht also, dass der Anonymus alle die:>e 
Fürstenthümer und deren Geschichten selbst erfunden hat, wozu ihm 
theilfi die Ortsnamen, theils spätere Ereignisse Anlass boten. Dies 
geht auch hervor aus den erdichteten Geschichten von Glad und Za- 
län ; zu jener ist die Grundlage das Geschick Achtums in der Zeit 
Stefan des Heiligen, zu dieser, was sich in den Tagen von 1161 — -1200 
zwischen den ungarischen Königen Geisa H., Ladislaus IE, Stefan IIL. 
und IV. und Bela HI. und den griechischen Kaisem aus dem Hause 
der Komnenen ereignet hat. Wenn zur Zeit Arpdds zwischen der Donau 
und Theiss irgend welche bulgarische IMacht bestanden hätte : dann 
würde sich der Bulgarenfürst Simeon nicht nur mit den Petschenegcti, ' 
sondern auch mit diesen Bulgaren gegen die Magyaren verbundea 
haben, und diese Letzteren hätten dann vielleicht in die Gegenden 
der Donau und Theiss gar nicht einwandern können. 



Allein zu welchem Zwecke erdichtete der Anonymus alle diese 
Geschichten ? Denn auch der Fabelschreiber pflegt gewisse Zwecke zu 
verfolgen. Es scheint mir, als ob der Anonymus die Kumanen bei den 
Magyaren im möglichst günstigen Lichte darstellen wollte; darum lässt 
er sie schon mit Älmos einwandern, auf dass sie als ursprüngliche Be- 
wohner erscheinen ; darum spielen bei der Besitzergreifung des Landes 
die kumanischen Helden eine bedeutende Rolle ; deshalb erhalten diese 
Icumanischen Helden die meisten Donationen. Aber der Dichter ist 
auch vergesslich. Da er die Kumanen mit Almos einwandern lässt, 
durfte er nicht schreiben, dass sie und die Petschenegen Siebenbürgens 
Einwohner bedrängten (Cap. XXV) und dass Glad von Kumanen, Bul- 
garen und Walachen Hilfe erhalten habe (Cap. XLIV), Allein das sind 
eben die hhionschin Kumanen, jene aber, \velche bei der Besitzergrei- 
fung des Landes figxiriren, die auf Grund der Ortsnamen des 13, Jahr- 
hunderts erfundmen Kumanen. Der Anonymus ist also nur für die 
Ortsnamen dieses Jahrhunderts belehrend; als historische Quelle für du 
Urgeschichte der Mag)'arcn ist er unljrauchbar. 

Sämmtliche Chroniken und auch der Anonymus setzen Attila und 
seine Hunnen mit den Magyaren in ein solches Verhakniss, wornach 
diese directe Nachkommen, ja die Erben jener in diesem Lande wären. 
Woher konnten das unsere Chroniker genommen haben ? Aus der alten 
mündlichen Tradition, von wo die Nachrichten über Togat, Dent, Joria 
und andere stammen f Nachdem sie dieser Tradition nicht die kleinste 
Kunde entnahmen über die Avaren, welche zwei jalftrhunderte nach 
den Hunnen ihr nördliches Vaterland verlassen hatten und fast bis zur 
Ankunft der Magyaren dieses Land an der Donau und Theiss bewohn- 
ten : so kann man vernünftiger Weise nicht annehmen, dass unsere 
Chroniken das, was sie von den Hunnen erzählen, aus irgend einer 
vaterländischen Ueberliefernng als einer primären Quelle entnommen 
hätten. Ja ihre gesammten Kenntnisse über die Hunnen konnten sie 
(falls wir uns diese Chronisten auch noch so gelehrt denken) selbst 
aus den lateinischen und griechischen Schriftstellem nicht geschöpft 
haben. Denn diese Kenntnisse und Nachrichten werden durch solche 
Eigennamen und Verhältnisse charakterisirt, welche entschieden auf 
deutsche Quellen hinweisen. Die charakteristischen Nachrichten der ma- 
gyarischen Chroniken über die Hunnen stammen somit weder aus ein- 
heimischen oder traditionellen Quellen, noch aus den lateinischen und 
griechischen Historikern: sondern sind den deulschen Geschichtsschrei- 
bem und Chroniken entlehnt. Diese Nachrichten gelangten mit der 
Verbreitung des abendländischen Christenthums unter die Magyaren. 
Nicht der heidnische, sondern der chn'sfiiche Magyare hörte, und zwar 
von seinen christlichen deutschen Geistlichen zuerst etwas von Attila und 



den Hunnen, Christliche deutsche Priester erfanden die hunnisch-ma- 
gyarische Verwandtschaft, sie verfassten die sogenannte t hunnktli- 
magyarisL'he •> Geschichte. 



Die besiegten Avaren kamen erstlich unter die Salzburger (siehe? 
oben S* m) ond Passauer (siehe oben S. uz) BischofHgewalt ; spätei 
erneuerte der Papst für Method das alte syrmische Erzbisthnm (sieh^ 
oben S. 117). Jener Theil des Avarenreiches» welcher zur fränkisch — 
deutschen Herrschaft gehörte, stand, wie wir wissen, in kirchlicher^ 
Beziehung etwa 70 Jahre unter der Salzburger Er^diöcese, deren Me* 
tropoH tan rechte der Passauer Bischof^ als Suffraganeus, anerkannte und. 
achtete. Nach der kurzen Dauer von Mcthod's Erzbisthnm wurdca< 
sowohl die Rechte der Satzl^nirger wie der Passauer Diöcese wieder] 
hergestellt nnd wir haben gesehen, mit welchem Eifer die bayerischen - 
Bischöfe das vermeintliche Recht des Passauers gegen die Mährer ver* 
theidigten. Die Siege der Magyaren über die Mährer und Baj^em 
Hessen den kirchlichen Streit für längere Zeit verstummen. Allein so- 
bald die Deutschen anfingen die Magyaren zu besiegen, wurden aucli 
die verwüsteten Kirchen wieder aufgebaut; noch mehr geschah diesem» 
als der Grossfiirst Geisa Neigung zum Christenthume bezeugte, Damal* 
schien es, als ob die Rechte des Salzburger und Passaner Bischofs 
abermals aufleben würden. Allein der damalige Salzburger Erzbischof 
Friedrich besass keinen solchen Eifer wie sein Passauer Suffragan» Bi- 
schof Pilgrim, dessen bischöfliche Regierungszeit (971 — 991) gleich- 
zeitig war mit der Herrschaft Geisa's (971 — 995 oder 997). Der eifrige 
Bischof wollte seinem Bisthume nicht nur das im Jahre 829 festgesteilt©"^ 
Territorium zurückgewinnen, sondern demselben das ganze neue Ma- 
gyarenreich einverleiben; denn dieses war nach deutscher Auffassung] 
ebenso üHunnia» wie das einstige Avarien und deshalb die Ansprüchei^ 
des Bischofs um so mehr beachtenswerth» Damit er aber die berecH-| 
tigten Forderungen des Salzburger Erzbischofs ausschüessen kÖna^*^ 
bestrebte sich Pilgrim, die Bekehrung der Magyaren sich selbst un^ 
seinen Geistlichen vorzubehalten ; deshalb berief er auch den aus ein^^j 
anderen Diocese stammenden Wolfgang, der im Jahre 972 den Magy* 
ren zuerst das Evangelium predigte, zurück* Hierauf schickte er if 
Jahre 974 an den Papst Benedict VH. ein Sehreiben (da er, wie 
sagt, wegen der Bekehrung des magyarischen Volkes persönhch nicM 
nach Rom kommen könne), worin er sich den idemüthigen Diene *^ 
der LorcAtr Kirche » (sanctae Laureacensis ecclesiae humilis servitor Jf^ 
nennt imd mittheilt, mit welch* grossem Erfolge er unter den Magya*^ 



197 



epredigt habe, dass von «rden Vornehmeren beiderlei Geschlechts 
ungefähr fünftansend im katholischen Glauben unterwiesen und durch 
die heilige Taufe Christo zugeführt worden seien. » Dass die aus allen 
Weltgegenden dahin geschleppten christlichen Gefangenen, welche die 
grössere Zahl des Volkes ausmachte, ihre Kinder nun « um die Wette 
ohne Furcht zur Taufe bringen», nach christlicher Weise Gotteshäuser 
erbauen dürfen ; * denn die Barbaren selbst, obgleich ein Theil von 
ihnen noch im Heidenthume befangen ist, verbieten keinem ihrer Un- 
tere hanen sich taufen zu lassen, und den Priestern verwehren sie nicht 
2U reisen, wohin sie wollen; vielmehr leben Heiden und Christen ein- 
trächtig' und in inniger Freundschaft, mit einem Worte: fast die ganze 
ungarische Kation ist bereit» den heiligen Glauben anzunehmen.» Allein 
Jiir so viel Arbeit seien der Arbeiter nur wenige ; deshalb bittet er den 
)Papst, dass er «daselbst einige Bischöfe weihen lasse, da auch dnsi 
sur Zeit dar Rlmir und Gepiditi das nämliche östliche Pannonien und 
Mösien seine eigenen sitben Bischöfe ha Ue, ivekkc der Lorcher Kirche, deren 
Uni^ürdiger Diener er (Pilgrim) sei, unterworfen waren.^ Der Papst 
^'olle ihm also in Gnaden das Pallium und die priesterliche Inful 
Schicken, welches besondere Ehrengeschenk den Metropoliten ertheilt 
»irird und das seine Vorgänger als Lorcher Erzbischofe zu empfangen 
pflegten.» Endlich möge der Papst «die apostolischen Privilegien! 
meiner (Pilgrims) Kirche, die er durch dieselben Botschafter dem Papste 
Vorgewiesen habe, durch seine apostolische Sanction bestätigen. 3=4 Die 
erwähnten Privilegien will Pilgrim aber aus jenen päpstlichen Bullen 
nachweisen, welche die Metropol ie der Lorcher Kirche bezeugen sollen. 
Unter ihnen befindet sich nebst anderem eine Bulle Papst Engen IL aus 
dem Jahre 826, welche für Bischof Urolf das Lorcher Erzbisthum wieder 
fcierstellt Dasselbe sollen nämlich die Bischöfe blos aus Ungunst der 
Zeitverhäknisse verloren haben, als sie von Lorch (Laureacum) nach 
Passau übersiedeln mussten. Jene Bulle Eugen IL setzte aber zugleich 
den Lorcher Erzbischof zum päpstlichen Vicarius ein. Die Bulle spricht 
unter Anderem von einem Alewin, Bischof von iVfifra, und Anno, 
Bischof von Vc/zdr; ferner von dem avarischen Fürsten Tuttund und 
dem mährischen Mojmar, ^^s 

Pilgrim wollte sich auf solche Art der Salzburgcr Metropolie ent- 
ziehen, die Würde eines Metropoliten für sich erwerben und sein kirch- 
liches Recht auf ganz Ungarn ausdehnen. Indessen sind alle Bullen, 
welche von einem Lorcher Erzbisthum handeln, nichts als Fälschungen 
Pilgrims. 3^^ Derartige Fälschungen, durch welche der Ruhm irgend 
fciner Kirche erhöht werden sollte, erschienen im Mittelalter durchaus 
nicht in dem verwerflichen Lichte w-ie heutzutage. Niemand tadelte 
Pilgrim wegen dieser Thaten ; er blieb in den Augen seiner Zeitgenos- 



198 

sen ein ganz achtbarer und ehrenwerther Mann. Der eifrige Bischof 
interessirte sich übrigens auch in anderer Weise um das neue Hau- 1 
nien, indem er vielleicht auch dadurch seine kirdilichen Pläne fordern < 
wollte. Er Hess die deutschen Sagen von den Burgundern und Hunnen 
sammeln und zum ersten Male in lateinischer Sprache niederschreiben. 
Diese Sagen bildeten dann die Grundlage für das am Ende des n. 
oder am Anfang des 13. Jahrhunderts verfasste grosse deutsche National^ 
Epos, für das A^ihiiungeniitd. 

Nach diesen Sagen steht im Bayerlande zwischen Donau und 
Inn eine alte Feste mit Namen Passau; dort sass ein reicher Bischof, 
der Pilgrim hiess ; sein Lob, seine Ehre und sein Hof waren weithin 
bekannt. Zu ihm gelangte die Kunde, dass seine Nichte Kriemhild, 
Ute's Tochter, die Schwester der burgundischen Könige zu Worms, 
gen Osten zö^e^ sich mit dem PlunnenkÖnige Etzel ( Attila) in Ungarn 
zu vermählen. Der Bischof ritt den Kommenden mit allen seinea 
Dienstniannen entgegen, bereitete ihnen Herbergen und geleitete sie 
durch die Mark Rüdigers von Bechelaren, die an der Enns begann 
und schon König Etzel unterthan war, bis an die Grenze des Oster- 
landes oder Oesterreichs, welches erst unterhalb Wels bei Mautern 
(Mutaren) seinen Anfang nahm. Dort verabschiedete Pilgrim sich von 
seiner Nichte und ermahnte sie dringlich, ihren künftigen Gemahl, 
den Hunnenkönig, zum Christenthume zu bekehren ; denn er %var schon j 
fünf Jahre ein Christ gewesen und später wieder abgefallen ; an seinem I 
Hofe aber wurden Anhänger jedes Glaubens geduldet und lebten vei^J 
träglich beisammen. Kriemhild zieht von Mautern nach Zeisseninaur, j 
Tuln und Wien, wo die Vermählung mit Etzel stattfindet. Zu Misen-^ 
btJrg ^7 stieg man zu Schiffe und gelangte nach Etzelnpurc (Gran), dem 
W^ohnsitze Etzel's. 

Kriemhild erfüllte die Bitte ihres Oheims ; als sie nach sieben 
Jahren einen Sohn gebar, ward dieser nach christlicher Sitte getauft 
Sechs Jahre später entsendete Etzel auf Andringen Kriemhildeos die 
beiden Spielleute Warbel und Schwemmel nach Worms am Rheine, 
die burgundischen Könige und ihre Recken zu einem grossen Hof- 
gelage nach Ungarn einzuladen. Kriemhild sann nämJich Rache an 
dem Tode ihres ersten Gatten, ihres geliebten Siegfried. Die Eingela- 
denen erschienen, Kriemhild erregt Streit zwischen Hunnen und Bur- 
gunder und diese Letzteren gehen in einem grossen Blutbade unter, 
Etzel schickt abermals den Spielmann Schwemmel als Boten an den 
Rhein, die Trauerkunde nach Worms zu berichten. Dieser kehrte auc 
zu Passau wieder ein, wo er erzählt, was sich zugetragen ; Pilgrim ab 
lässt aus Liebe zu seinen Neffen durch seinen Schreiber, den Meiste 



199 



Konrad, die Mähre in lateinischen Buchstaben aufzeichnen, dass man 
sie für wahr halten sollte. 

Das Bezeichnende in den Nachrichten der ungarischen Chroniken 
\n den Hunnen besteht in den Eigennamen Kriemhild, Ditrich oder Detre 
von Bern (Theodorich von Verona), Zeissenmaur, Tulna u. s. w., welche 
diese Chroniken nur aus deutschen Sagen und von cbrisitlichen Priestern 
erhalten konnten. Das Charakteristische dieser Nachrichten geht ferner 
aus jenem ungeschichtiicben Verhältnisse hervor, nach welchem die 
Burgunder mit den Hunnen, Pilgrim mit den Ereignissen früherer 
Jahrhunderte und Attila selbst in dem Lichte der Zustände Ungarns 
am Ende des zehnten Jahrhunderts dargestelit werden. Der Grossfürst 
Geisa, vne ihn Pilgrim kennt oder wie er wünscht, dass er sein möchte, 
ist das Vorbild für den Etzel des Nibelungenliedes, 3^s Ja Alles deutet 
darauf bin, dass die Hunnensage von Beginn an bei keinem andern 
Volke, also auch bei den Magyaren nicht bekannt war, sondern einzig 
allein bei den skandinavischen und den deutschen Germanen, wo sie 
entstand. Die Magyaren %vussten es gar nicht oder bekümmerten sich 
wenig darum, wofür sie von den deutschen Geistlichen gebalten wur- 
den. Bei den Römern und den romanischen Völkern überhaupt war 
die Sage stark verbreitet, dass das Erscheinen des Papstes Leo den 
Hunnenfürst Attila zum Rückzuge von Rom bewogen habe; was für ein 
treffender Anlass zu einer glänzenden Phrase wäre das gewesen für die 
Bulle Sylvester H,, womit dieser die Widmung (des Reichs) Stefan des 
Heiligen lobpreist und mit grossen Gnaden zurückgiebt ! Attila und seine 
Hunnen wollten Rom und das Christenthum vernichten; und siehe dal 
jetzt bekehrt dessen Nachfolger Stefan das gesammte Hunnenvolk zur 
römischen Kirche und verherrlicht Rom ! Aber weder die An fertiger der 
Bulle noch Stefan und seine Boten wissen etwas von der hunnisch- 
magyarischen Verwandtschaft. Davon ist in den magyarischen Geschicbts- 
quellen des elften Jahrhunderts gar keine Spur, weder in den Urkunden 
noch in den Legenden c»der in den Gesetzen des heiligen Stefan oder 
anderswo. Dagegen weiss eine deutsche Geschichtsquclle zu erzählen, 
dass die Mutter des Königs Salamon im Jahre 1071 Attila's Schwert 
I dem bayrischen Otto schenkte ; welches Schwert Jeden, der es trug, 
unglücklich machte. 3^9 Das Schwert Attila* s hatte man im ungarischen 
Königshause gewiss als das kostbarste Kleinod, als die heiligste Reliquie 
der magyarischen Nation verehren müssen ; dennoch wird dasselbe 
verschenkt und die ungarischen Legenden, Urkunden oder irgend ein 
anderes Denkmal erwähnen gar nicht den grossen Verlust. In diesem 
Schweigen, in dieser Gleichgiltigkeit liegt doch offenbar das Zeugniss, 
dass jenes Schwert, welches Salamon's Mutter verschenkt hatte, Nie- 
mand im Lande für das Schwert Attila' s hielt, gleichwie sich kein 



200 



Magyare als «Hunne» betrachtete; nur die Deutschen, Lli avutn ' 
Magyaren für Hunnen galten, rühmten sich auch mit dem SciiwertaJ 
Attila*s. 



§ 45- 



Wer immer der L-rste Verfasser der hunnisch-magyarischen Chro- 
niken, welche dann von Mehreren nachgeschrieben wurden» gewesen, der 1 
fügte jenen entlehnten Geschichten die Sage von Hunur und MagM | 
und Anderes bei, was in der burgundisch-hunnischcn Sage nicht ent* 
halten war. Unter Anderem bereicherte er diese Sagengeschichten aack 1 
mit der Fabel vom hunnisthtn Ursprünge der Szt^kiir. Nachdem die hun- 
nische Sage überhaupt fremden Ursprunges ist, daher aus der Frerndfi 1 
in die ungarischen Chroniken gelangte, so entbehrt sie auch in dß"! 
Gestalt, wie wir sie besitzen, der historischen Grundlagen; sie ist reine 
Dichtung. Es ist daher deutlich, dass auch Alles, was die Chromsicü 
aus dieser Sage ableiten, in das Reich der Fabel gehört, folglich aodll 
der hunnische Ursprung der Sz^klen Die Geschichte Ijerichtet deullicli, 
dass Ardarich, König der Gepiden, der Erste war, der sich gegen dif 
Söhne Attila's erhob (siehe oben S. 74); dass die Gepiden in DacieUiJ 
also im heutigen Siebenbürgen, welches damals «Gepidia» genannlj 
wurde (siehe oben S. 78), blieben; und diese Gepiden sollten diel 
hunnischen Sz<^kler nicht bemerkt haben t Und doch hätten diese \ 
Hunnen, also als ein den Ackerbau nicht treibendes» sondern vonl 
Viehzucht und Beute lebendes Volk, keineswegs sich ruhig verhaltenl 
können ; ihre Existenz würden sowohl die Gepiden als die Byzantinea 
empjfunden haben. Als sodann die Gepiden den Kampf auf Leben ua<i 
Tod mit den Langobarden kämpften und in ihrer Bcdrängniss selbst 
die an der Mäolis hausenden Kuturguren im Jahre 548 um Hilfe an- 
riefen (siehe oben S. 80), sollten sie sich nicht eher an die in ihm] 
nächsten Nachbarschaft oder gar unter ihnen lebenden hunnischen I 
Sz^kler gewendet haben ! ? Es wäre unbegreiflich, falls daselbst wirkÜcM 
Szekler gewesen wären. — Das Land der Gepiden nehmen die Avaren 
in Besitz und herrschen hier 250 Jahre; wo konnten während diesefl 
Zeit die Szekler stecken, dass sie sich weder mit den Avaren ver-l 
schmolzen, was nach unserer historischen Erfahrung unzweifelhaft hätte^l 
erfolgen müssen, wxil zwischen Hunnen und Avaren einige VerwandtH 
Schaft bestehen mochte^ — noch aber, falls sie in der That als besoO-| 
derer Volksstamm fortlebten, in keiner andern Weise auf die Avare» 
irgend welchen Einfluss ausübten? Und als die Macht der Avareul 
verfiel, wie konnte es geschehen, dass die Sz6kler sich auch dann nuch 1 
nicht zeigten ? 



Endlich werden die Mag)^ren als Nachkommen der Hunnen (im 
jane unserer Chroniken), daher als Blutsverwandte der Szdkler, deren 
timittelbare Nachbarn am Prut, Szeret und anderen Flüssen ; wo 
eckten auch damals diese Szekler, dass man von ihnen selbst jetzt 
icht das Geringste vernimmt und sie die Magyaren nicht dort anf- 
lehen, wo sie ihnen unmittelbar die Hand reichen konnten, sondern 
arten, bis deren Ruf aus Ruthenicn 7,u ihnen dringt ? Und ganz 
tiletzt, als l'uhutum Siebenbürgen in Besitz nimmt, auch dann sind 
ie Szekler so schwerhörig oder in so tiefen Schlaf versunken, dass 
ie noch immer nicht die Magyaren aufsuchen, sondern wiederum 
^ten, bis die Reibe der Unterjochung an den von ihnen entfernt 
wohnenden (ilad kommt : erst dann treten sie aus ihrem Versteck her- 
ön Man sieht, was für ein wundersames Märchen der hunnische Ur- 
prung der Szekler im Lichte der Geschichte ist. 

Allein dieses Märchen widerlegen am treffendsten die Szekler 
elbst und zwar durch ihre Sprache, dem untrüglichsten Beweise. Die 
prache der Szekler ist vollkommen dieselbe wie die der Magyaren ; 
le hat also mit der magj^arischen Sprache die genetische, die tür- 
ische und slaviscbe Sprachentwickelung durchgemacht und ist deshalb 
on der magyarischen in gar nichts verschieden. Darin liegt der deut- 
schste Beweis, dass die Szekler sich bereits nach der vollständigen 
istorischen Ausgestaltung der magyarischen Sprache aus dem heutigen 
'ögarn an dessen östliche Grenze angesiedelt haben. Denn wären die 
2^kler wirklich directe Nachkommen der Hunnen, so würde ihre 
prache (selbst zugestanden den identischen Ursprung von Hunnen 
^d Magyaren) sich dennoch unbedingt von der magyarischen in allen 
inen Ausdrücken und Bezeichnungen unterscheiden, welche diese dem 
h"kischen und slavischen Einflüsse verdankt. Es ist aber Absurdität, 
16 Identität der hunnischen und magyarischen Sprache vorauszusetzen. 
pfHchengleicbheit, wo sie vorhanden war, kann einzig durch die gleiche 
^ciale und culturelle Entwicklung bewahrt werden ; wer aber kann 
ßhaupten, dass die Societät und Cultur der Hunnen und Magyaren unter 
'eichen Verhältnissen und gleichen Umständen denselben Verlauf 
ßnommen habe? Nur die Unbekanntschaft mit der Geschichte der Spra- 
^^n konnte den Gedanken erzeugen, dass die Sprache der Hunnen und 
f^^gyaren identisch gewesen sei. Die Sprache der Szekler ist also an 
^h das unwiderlegbarste Zeugniss dafür, dass die Szekler keine Hun- 
^, sondern ebensolche Magyaren wie die übrigen sind ; denn ihre 
prache wurde durch dieselben socialen und culturellen Entwickelun- 
-ö gebildet. 

Und das bezeugt auch der Name der Szekler (magyarisch sz^k- 
J^ = sz^k-elv, szek-elo), der im Magyarischen so viel bedeutet, als 



I 





202 



«jenseits»» «hinter dem Besitze » (also — Mark, Grenze); gleichwie das 
Land Siebenbürgen im Magyarischen <iErd(%», d. i. «erdö-elv^ «jen- 
seits, hinter dem Walde j> (Transsylvania) heissL Dass Im Magyarischen 
«sz^kely» wirklich die «Markv (das Land an der Grenze) bezeichnete, 
beweist die ältere magyarische Sprache. Denn es gab «Sz^kler»» 
d. i. Grenzer, Grenzbewohner anch an der westlichen Grenze des Lan- 
des in den Comitaten Oedenbnrg, Pressburg, Neitra. Insbesondere 
treten her\or die «Szt^kler» des Ortes Väg (Siculi de Wagh) im Oeden- 
bnrger Comitate bei Arpäs, das einst ein Sitz der Petschenegen war; 
der Grundbesitz der T3Tnaner Nonnen erstreckte sich bis zu einem 
grossen Walde den ffSz^klern» zu u. s. w. ;33o diese westlichen «Sz^klt^r» 
waren jedoch Petschenegen» Das Wort «Sz^klen« (magyarisch •sz^kelr») 
bezeichnet also keinen besonderen Volksstamm, sondern heisst so vjd 
als *< Grenzwächter», ♦'Grenzhüter», mögen diese welch immer Nationa- 
lität angehört haben. 

Man könnte fragen: Wie kam die erste Chronik darauf, ohne 
jede historische Grundlage die sieben bürgischen Sz^-kler für Hunnen 
zu erklären? Die Chronik seihst gibt auf diese Frage die Antwort. 
Wie sie die Personen Hunor und Magor, die Abkunft Attila's von 
Nimrod oder Magog, die Abstammung Arpäd's von Attila erdicbti 
hatte; so erdichtete sie auch das Hunnenthum der Sz^kler. Bei« 
Erdichtungen haben dieselben Motive: Was die Geschichtschreil 
jener Zeit nicht wussten, das erfanden, erdichteten sie. Der erst« 
Chronikschreiber wnsste nicht, woher die im fernen Osten des Lindei 
wohnenden SzL'kier gekommen %varen ; darum lässt er sie von d 
Hunnen abstammen ; und ihm folgten seine Abschreiber, denn :iuci 
ihnen war die Abkunft der Szc^kler unbekannt. Diese historische Dich- 
tung war eine sehr leichte Sache nicht blos zur Zeit Pilgrim's, d 
Passaucr Bullenschmiedes, sondern anch noch in den Tagen des B^ 
finius. Was dieser italienische Gelehrte nicht weiss (und er weiss Vieles 
aus Ungarns Geschichte nicht)» das erfindet er ganz ungescheut; 80 
z. B. den Ursprung der Städte. Er weiss nicht, woher die Sach:>en 
nach Siebenbürgen gekommen seien ; flugs dichtet er, dass Carl 1j^ 
Grosse sie dahin versetzt habe und zwar zur Strafe aus jenen Sacbsent 
mit denen er so oft gekämpft hatte. 331 Weil es aber Historiker gegeben, 
die den Ursprung der siebenbürgi sehen Sachsen historisch erforschten, 
deshalb konnte die Fabel des Bonfinius keine Wurzel fassen. Den 
Ursprung der Sz^kler dagegen wagte man schon deshalb nicht kritisch 
zu untersuchen, weil unsere Historiker sich an dem Hunnenthuine der 
Magyaren ergötzten imd heute jeder Sz^kler stolz darauf ist, dass 
er aus dem Volke Attila's abstamme; mit Wonne betrachtet er Altila'« 



203 

Bild, das er in der alten Raaber Ausgabe der Hcltai'schen Chronik 
eben den mag:}'ari sehen Anführern findet. 

Die Ansiedelung der Szt-kler in Siebenburgen lässt uns auch die 
Zeit der ersten Abfassung der magyarischen Chronik vermuthen. Diese 
Ansiedelung- geschah sicherlich nicht vor Ladislaus dem Heiligen ; 
sondern entweder durch Ladislaus selbst, der auch Siebenbürgens 
Landespatron ist, oder durch seine "uninittelbaren Nachkommen. Das 
Patronat Ladislaus' ist ein Beleg, dass er Siebenbürgen kirchlich regelte ; 
mit der kirchlichen Regelung ging die politische paralleL Der Name 
Und die Existenz der Szekler ist somit zugleich ein klarer Beweis davon, 
xiass der sogenannte Anonymus unmöglich der Notar Bela L gewesen 
sein konnte. Aber auch zur Zeit des heiligen Ladislaus konnte er sein 
Buch nicht geschrieben haben; denn damals hatte er den L'rspmng 
der Szekler genau wissen müssen. Wir haben uns also die erste Abfas- 
sung der mag)'anschen Chronik imbedingt in einer Zeit zu denken, da 
Snan nicht mehr wusste, durch wen und wann die Sz6kler an der Ost- 
grenze des Reiches angesiedelt wurden. 33 ^ 

„ (Jeher die ursprünglichen Wohnsitze der Magyaren''*- (A inagyarok 
^eäeti takfölderolj schrieb HAMMER-PuROfiTALL eine Abka/idl'ung,2^3 
m weicher er die Glauhwiu'digkeit des A fzonymus über die £inwande?'ung 
ier Magyaren du?xh die Existenz des Volkes der Uz e n zu kräfiigeti 
^ersuchte. Wir haben gesehen fs, o. S. 138), dass die Chazaren im ßufide 
nit den Uzen die Fetschenegen angriffen^ und diese aus dem Gebiete der 
W^oiga und des Jajk vertrieben ^ wodurch sie die Auswanderung der Ala- 
jaren insofei-n veranlasst hatten^ als nun die verjagten Petschenegen 
ick auf das Zattd der Magyaren warfen. ,,Uz^' oder ,,Guz'' ist der tür- 
jtische 'Name der Kumanen, bemerkt HAiniFR-PURGSTALL ganz richtig; 
demnach, so folgert er, waren die Kumanen bereits dort, als die Magya- 
en aus Lehedia verdrängt wurden und sind somit auch die Kumanen 
eies Anonymus glaubwürdig. Allein der 7f erdiente Historiker folgert viel 
viel aus seiner These. Als die Magyaren von Lebedia austvanderten^ 
da Sassen jene Kumanen oder Uzen an der Wolga und dem Jajk, wo 
vordem die Petschenegen gehaust hatten und dort befanden sie sich nach 
detn Zeugnisse Constantins noch um das Jahr gjo. Sie folgtefi also nicht 
den Afagyaren gleich wie die Petschenegen ; noch weniger konnten sie 
denselben vora?igegangen sein. Das müsste aber nothwendig stattgefun- 
den haben, falls die Darstellung des A nonymus glaubwürdig wäre ; sollen 
doch nach dessen E? Zählung die Kumanen bereits die Freunde der rus* 
tischen Fürsten gewesen sein als die Ä'fagyaren vor Kietv ankamen l Die 
(Jzen oder Kumanen wären* also darnach weit früher als die Magya- 
Ten südwärts gelangt, was mit allen historischen Daten und mit den 
ethnügraphischen Verhältnissen des 10. Jahrhu?iderts im Widerspruche 
steht. 

Hammer- PuRGST ALL versetzt in seiner Abhandlung dxis magyarische 
Gebiet .^Lebedia^' in das heutige russische Gouverneme7tt JViatka, wo der 
Flu SS Kilmas ist, der bei Constanti7i ^fliidmas^^ heisse; weil die Ab- 
schreiber das griechische l leicht für d nehmeii konnten. Das ^^Atelkuz74>^ 
des kaiserlichen I/istorikers l fest H.\MMEK-FVKGST ALL ..Atet' tmd ,,Uzu'' 
und versetzt dasselbe zwischen Wolga und Dnjeper, denn ,,Atet' bedeutet 
auch ihm zufolge nichts anderes als die Wolga, „Uzu'' aber sei auf tür- 
kisch der Dnjeper, — Den türkischen Natnen „ l/zW erhielt der Dnjeper 




204 

oh7ie Zweifel erst später, insbesondere zvenn derselbe iH^n den ,,Uzen**: 
.JCumanefr' herkommt, die, wie Hammer-Pi rgstali. selber bemerk 
den Byzantinern^ im Jahre 1060 zum ersten Male vorko^nimen, 
sind ll^olga und Dnjeper von einander sehr weit entfernt, nur in 1 
Ober laufe nähern sich diese I^/usse im Gouvernement Smoietisk; 
müsste man also das Binnenland „Ate/-L^zu'' aufsuchen. 

Wenn wir die Ansicht Hammkr-Purgsj atj?s über die geographisi 
Lage von Lebedia und ^^Atel-Uztr' accepiireny dann ivären die IVu/irtsti 
der Afagyaren vor ihrer Ankunft nach Ungarn folgefide gewesen : ^ 
Unterlaufe des Irtisch^ an der Südgrenze des Reiches Ugra, im hei 
Gouvernement Tobolsk (Fluss ,,Togat^\ Land „foria>''J war die Utk 
der Älagyaren ; von dort setzten sie über den Ural und schlugen Im 6no«*| 
vernement Wixitka (in „Lebedia^'J ihren zweiten Wohnsitz auf i von hm\ 
gelangten sie Z7vischen die obere Wolga u?id den obern Dnjeper im Ä«-r 
tigen Gouvernement Smolensk f.yAtel'Kuzu^*^ oder ..Atel- Uzu''\J, als in ihm 
dritten Wohnsitz. J^on hier ziehen sie e?idlicli aus und gelangen natsr-\ 
lieh vor Kieiv und dann entlang des Dnjeper dem schwarzen Mare 3Ä 
fan die Flüsse Prut, Seret <2fr./ als in ihren vierten Wohnsitz^ /"wrÜij 
beiden ersten Wohnsitze spricht das Zeugniss der Sprache; beide W(k 
sitze befindest sich unter ugrischen IUI kern. 334 Den dritten Wo/mit 
kennen wir nur aus dunklen Andeutungen Constantins, seine Lage i 
jedoch am ungewissesten. Der vierte Wohnsitz am untern Dnjeper, B^ 
Brut, Seret und an den Gestaden des schwarzen Aleeres ist smvohi dm 
die Nachrichten bei Constantin (s. o. S. ijgj wie durch die Beschreik 
Ibn Dastas (s. o. S. iji) sichergestellt. 

Lndess ist es schwer in derlei Dingen die geographische Genauigk 
zu erreichen . 



IV. Das Chrisienihum und Köfiigihum bei den MagyartN. 

§ 46. 

Glaube und Religion sind wichtige !\[omente in der Etlino-^ 
graphie, selbst dann, wenn sie aus der Fremde stamnien und durcij. 
Fremde bei einem Volke verbreitet werden. Ebenso bedeutungsvoll \A 
die von Aussen eingefülirte staatliche und gesellschaftliche Ordnangjl 
denn mit dem neuen Glauben geht auch die Veränderung der öfFeflt-j 
liehen Dinge Hand in Hand; freilich verletzen beide im Anfange duicnj 
ihr fremdes Wesen die alten Gebräuche und die herkömmliche Ord-J 
nung. Glaube und Religion, Staat und Gesellschaft verschmelzen Ini 
Laufe der Zeiten mit einem Volke derartig, dass die neuen Ideen vo 
ständig aufgenommen und angeeignet werden. In einer EthnograpMJ 
Ungarns besitzt zudem das religiöse Bekenntniss eine weit grösscrf 
Bedeutung als irgend anderswo ; denn dasselbe ist bei einigen ung 
sehen Volksstämmen mit der Nationalität identisch geworden. Aü 
diesem Grunde müssen wir zum besseren Verständnisse der Vergangen^ 
heit und Gegenwart die religiösen Verhältnisse mehr hervorheben» 
dieses sonst nothwendig erseheint. 



/ 



205 



Dem magyarischen Volke mochte das Christenthum schon vor 
er Niederlassuns^ im alten Avarenlande nicht ganx unbekannt sein, 
dieser Zeit war aber in der Christenheit schon jener Zwiespalt ein- 
ten, der die christliche Kirche in eine abend- und morgenländische 
ed, jede mit einem besonderen geistlichen und weltlichen Ober- 
:pte. Das weltliche Oberhaupt der orientalischen Kirche w^ar der 
,ser in Constantinopel, ihr geistliches der Patriarch daselbst; an der 
itze der occidentalen Kirche stand der römische Papst, ihr weltliches 
!aupt wurden die römischen Kaiser deutscher Nation. Die Sprache 
T orientalischen Kirche war zwar die griechische; allein diese Kirche 
Idete in ihrem Schosse auch die Sprache der bekehrten heidnischen 
Iker» z. B. das Slovenische; die Kirchen spräche des Westens war die 
.teinische, dabei war diese Kirche unduldsam gegen die Volksspra- 
en, weshalb in ihr die lateinische zur all ein herrschenden wird, 
m war älter als Constantinopel; von Rom aus strahlte die Macht 
j Römer über ganz Europa und verlieh auch dem daselbst befind- 
?hen christlichen Patriarchen jenes Ansehen, dass man ihn als den 
rsten in der Christenheit betrachtete; diesen Vorrang bestritt selbst 
^r Patriarch von Constantinopel nicht, ^^^ Als aber mit dem Einbrüche 
r barbarisclien Völker Rom zu sinken begann, da concentrirte sich 
IC politische Macht des Römerreiches mehr und mehr in Constanti- 
ipel. Daraus folgte, dass auch der Patriarch von Constantinopel in 
&r Kirche nicht mehr der Zweite sein wollte, sondern gleichen Rang 
lit dem von Rom, ja sogar den Vorrang fiir sich in Anspruch nahm. ^^^ 
daraus enstand zwischen den beiden Patriarch en^ respective zwischen 
er morgen- und abendländischen Kirche ein Rivalitätsstreit, in wei- 
tem indessen der römische Papst, in Folge vieler Umstände, der 
pcger blieb. Denn der historische Vorrang wurde auch noch durch die 
pTchliche Tradition erhöht. Man glaubte nämlich, dass je heiliger der 
teginn irgend einer Kirche sei, desto grösser müsse auch deren An- 
^hen sein sowohl in Bezug auf äusserliche Rangstell ang wie hinsichtlich 
es Glaubens. Ein Beispiel dieser Art haben wir schon bei der Kirche 
bn Sirmium (siehe oben S. uz) gesehen. 

A/s der Bulgarenkonig in Rom mi fragen liess^ wie viele wirkliche 
iiUriarch£n es gehe, antwortete ihm Papst Nikolam I. : ,,So viele als von 
^H Aposteln Kirchen gestiftet wurden y nämlich das römische, ale- 
"^ndr i n is che und a n t io chische Pa triarcha t ; das erste verda n ke 
^ne Entstehung d^n Apostelfärsten Petrus und Paulus, das zzveite dem 
i^siel Markus und das dritte leitete Petrus, bevor er nach Rom kam ; 
Iff Kirchen vo n Consta nt in opel un d Je r usale m luiben jedoch kein 
^hes Anseilen^ obzwar auch sie den Titel von Patriarchen führen. '"^ 

\ Der römische Papst erhielt auch früher eine günstige Gelegen- 
|it, seinen Vorrang zu beweisen. Als nämlich der griechische Kaiser 




206 

Michael III, den Patriarchen Ignatius absetzte und im Jahre 858 deij 
Photius an seine Stelle erhobt entstand deshalb in Constantinopel eine 
Spaltung und Kaiser Michael forderte den Papst Nicolaus I. auf, 
dieselbe zu beseitigen. Dieser trat jedoch nicht als Vermittler und 
Friedeilsstifter, sondern als Richkr auf, verurtheilte die Absetzung des 
Ignatius, weil diese ohne Einwilligung des Papstes geschehen sei und 
tadelte die Erhebung des Photius, der als Laie den bischöflichen Stuhl 
einnahm. Schliesslich anniillirte die im Jahre 865 zu Rom abgehaltene 
Synode die Beschlüsse der Synode zu Constantinopel vom Jahre S6y» 
welche im Gegensatze zu Ignatius den Photius gerechtfertigt hatten. Den 
gegenseitig entbrannten Zorn vermehrte noch das Auftreten der Bulgaren. 
Wir haben gesehen (oben S, 117), dass der bulgarische König, obwohl ti 
durch griechische Geistliche zum Christenthume bekehrt worden war, 
dennoch im Jahre 866 eine Gesandtschaft an den Papst Nicolaus 1, schickte 
mit der Bitte um einen Patriarchen, weil er sich von der Kirche und dem 
Kaiser in Constantinopel unabhängig machen wollte. Der Papst beeilte 
sich auch» dem Wunsche nachzukommen und sendete zwei Bischöfe 
nach Bulgarien, damit sie die kirchlichen Verhältnisse dort regeln, und 
gab diesen auch die Antvs'orten auf die theologischen Fragen des Bi 
garenkönigs mit. Darob ereiferte sich Photius und berief die morgei 
ländischen Bischöfe zu einer Synode zusammen. In dem Einberufuni 
schreiben (Encyclica) machte er der römischen Kirche bittere Vorwürft 
dass sie die Bulgaren, welche er bekehrt habe, an sich locke und di 
auch noch in Bezug auf die samstägige Faste, dann auf die Priesti 
Ehe, ja — ^ was noch schrecklicher sei — sogar in Bezug auf di 
Glaubenssätze (Dogmen) in Irrthümer verleite, da sie lehre, dass 
heilige Geist auch vom Sohne ausgehe. Die Synode zu Constantinopi 
verurtheilte im Jahre 867 den römischen Papst und so wurde di 
Encyclica des Photius die uniibersteigliche Scheidewand zwischen di 
morgen- und abendländischen Kirche. Den Papst beleidigte überdii 
dass die Bulgaren sich im Jahre 870 dennoch mit der griechischi 
Kirche vereinigten. 337 Seitdem setzen die orientalischen Bischo 
Zweifel in die Rechtgläubigkeit der römischen Kirche und halten sid 
für die allein «Rechtgläubigen» (Orthodoxen); der Papst hingegen 
seine Kirche betrachten die Anhänger der orientalischen Kirche 
•< Schismatiker», als sträflich Losgetrennte und gelang es dem Bischöfe 
zu Rom sich durch die Gunst der Verhältnisse, insbesondere atub 
durch die pseudo-isidorischen Decrete zu einer kirchlichen Machtstufe 
emporzuschwingen, die ihn weit über den Patriarchen von Constanti- 
nopel und über sämmtliche christliche Bischöfe des Erdkreises erhebt, ^^ 
Indessen diese Rangstreitigkeiten unter den Patriarchen intcrea* 
sirten die zum Christenthume übertretenden heidnischen Völker well 



207 



weniger als ein anderer Unterschied zwischen dem rivalisirenden Osten 
und Westen. In der abendländischen Kirche wurde nämlich die Zehent- 
Abgabe von der Ernte und dem Vieh der Gläiibigen zum Gesetz erho- 
ben ; im Morgenlande konnte die Geistlichkeit dieses Recht und dadurch 
jleich grosses Einkommen nicht erlangen. 339 Das macht es begreif- 
lich, weshalb die heidnischen Völker des Westens sich so sehr gegen 
las Christenthum sträubten ; es war nicht die christliche Lehre, son- 
dern viehnehr die Zehent- Abgabe, die sie zurückschreckte. Andererseits 
macht das Zehent-Gesetz auch erklärbar, warum die abendländischen 
oder lateinischen Bischöfe einen so grossen Eifer in der Heidenbekeh- 
ning entfalteten. Vor der morgenländischen Kirche schreckten die 
heidnischen Völker nicht so sehr zurück ; allein hier waren auch die 
Bischöfe keineswegs mit solchem Eifer in dem Missionswerke bemüht. 
Wir finden nirgends eine Spur, dass z» B. ein bulgarischer Missionär 
2U den Magyaren gekommen w^äre, um das Evangelium zu. predigen ; 
weder in der Zeit Simeon*s (893 — 924), als die staatliche Macht des 
Bulgarenthums zum Kaiserreiche, die kirchliche Selbständigkeit zum 
Patriarchate sich erhob; noch zur Zeit unseres Königs Stefan d. H. ist 
dies der Fall, als die Bulgaren, obgleich sie unter griechische Ober- 
ioheit gelangten (Kaiser Basilius IL 976^1025), dreissig Bisthümer 
[latten, worunter sich eines zu Widdin, also in Ungarns Nachbarschaft 
lefand. Der Sitz des bulgarischen Metropoliten w^ar zu Ochrida 
Achrida). 34» Die heidnischen Völker Europas konnten somit zwischen 
der griechischen und lateinischen Kirche wählen ; allein die Wahl 
wurde doch hauptsächlich durch die örtlichen oder geographischen Ver- 
hältnisse bestimmt. 

Als die Magyaren ihr jetziges Land in Besitz nahmen» fanden sie 
dies- und jenseits der Donau im Westen christliche Bevölkerung, die 
zu drei kirchlichen DiÖcesen : der Salzburger, Passauer und Neitraer, 
insgesammt aber zur Salzburger Mctropolie gehörten. Zwischen der 
Donau und Theiss, ferner in dem Theile jenseits der Theiss und in 
Siebenbürgen, also im alten Dacien, treffen wir in dieser Zeit keine 
Spur von Christenthum. Darum flüchteten sich auch die von Swatopluk 
vertriebenen s lavischen Priester nicht hierher, sondern nach Bulgarien 
an der unteren Donau (siehe oben S. 119), Wenn die magyarische 
Besitzergreifung das Christenthum, wo sie es vorfand, auch nicht völlig 
ausgerottet hatte : machte sie jedenfalls der Wirksamkeit bayerischer 
Bischöfe für das Ende des g. und die ersten 6 Decennicn des 10. Jahr- 
hunderts ein Ende (in Neitra gab es seit Wiching, d. i, seit dem Jahre 
899 ohnehin keinen Bischof mehr, siehe oben S. lzo). 

Aus der Mitte des 10. Jahrhunderts ist hei den Byzantinern die 
Nachricht erhalten, dass zwei magyarische Häuptlinge f Anführer J^ 



208 



Bulcsu (Bolosudes) und Gyula fGylasJ sich in Consiantinopel (umpcA 
taufen Hessen ; d^^s Kaiser Co ns tantin den Neube kehrten die Fairicm-\ 
würde vertieh und sie mit reichen Geschenken auszeichnete oder "jtelmhrX 
belohnte; endlich dass Gyula einen Mönch, Namens Hier oiheuSy mit mlX 
brachte, den der Patriarch Theophylaktus zum Bischof vo7i Turcien, L i \ 
von Ungarn ge^iceiht hatte. Die Historiker fügen noch bei, dass ßukiuX 
vom Glauben mieder abgefallen und von Gott dafür bestraft worden Tti, ' 
dass ihn der deutsche König Ott^y in d^r Schlacht hei Augsburg okT\ 
auf dem Lechfelde im % gss aufhängen Hess, 34' Gyula blieb dem Ckri' , 
stenthume getreu und trug auch Sorge für die christlichen Gefarigeneiit 
denen er die Freiheit schenkte. 342 Dieser (ryula zvurde der Sckw^g^- , 
vaier des Grossfürsten Geisa und dessen Haupt rat hgeber^ so dijss 1 
dessen Einfluss auf Geisa in Bezug auf das Christen thum nicht lengnenA 
könne, 3A^ Nichtsdestoweniger ßnden ivir von d£r Wirksamkeit des Ek-\ 
rotheus keine Spt^r in der Geschichte ; wir sehen weder bei den Bulß- 1 
ren noch bei den Griechen ein Bestreben, die alte sir mische Meirnpöl\i\ 
wieder aufzurichten ; Hie rotheus hätte aber weit eher darnach streben soilm 
und können als Pilgrim um die Wiederaufrichtung der Lore her E-f^X 
diÖcese (s,o, S, tgöff,). War doch Jene Metropolie historiche WirklkhyiK 
und zur Zeit des Aietlwdius für einige Zeit wieder ins Leben zuriiO^k 
gerufen worden ; indess diese letztere nur das Erzeugniss der ehrgeizigak\ 
Phantasie PUgrims gewesen. 

Von Seite der abendländischen Kirche wurde das Christentbßl 

erstlich durch Wolfgang, dann durch Pilgrim bei den Magyaren ver-l 

breitet. Es existirt auch eine Bulle Papst Benedict VJL, welche dj'n 

Bitte Pilgrim* s vom Jahre 974 erfüllt, indem sie erklärt, dass die L' 

eher Erzdiücese alter sei als die Salzburger, folglich das Recht ki 

Metropolie zu Lorch sich wie ehedem über ganz Avarien und Mahren 

(Moravien) erstrecke ; Pilgrim aber sei päpstlicher Vicar sowohl iai 

Avarien, Mähren, Unter- Pannonien und Mösien, wie atich bei den aa-' 

grenzenden Slaven. Es ist ferner eine Urkunde Kaiser Otto IL votn 

Jahre 977 vorhanden, worin dieser den Pilgrim als Erzbischof 

Lorch tinthronisirt« und ebenso hat man bei uns ein Siegel {Petsf 

gefunden, welches angeblich Anno, Bischof von Vctvär, geführt li 

solle, wodurch also die Bulle des Papstes Eugen IL vom Jahre "i^i^ 

und damit die Wiederherstellung des Lorcher Erzbisthums gerecht- ' 

fertigt worden wäre. Allein auch alle diese Beweisstücke sied unecht. ' 

Denn Papst Benedict ernannte eben gegen Pilgrim den Salzburger Erzi 

bischof Friedrich zu seinem Vicar in ganz Noricom, Ober- und Unter4 

Pannonien und droht Jedem mit Amtsentsetzung, der ohne EinwilligßnJ 

seiner Diöcese und Suffragane das Pallium oder andere erzbischöflichÄ 

Privilegien vom Papste erbitten würde, -^^s Gleich der päpstlichen BulW 

hatte Pilgrim auch die Urkunde Otto IL erdichtet; das Siegel ab 

wenn es vorhanden ist, kann auch das Werk einer späteren Fälschun 

sein, um so mehr, als selbst von bestehenden Bisthumern vor dei 

11. Jahrhundert keine Siegel vorfindlich sind und dieses Siegel ddl 

Anno, des angeblich ersim und htzfen Bischofs von Veivdr, wäre erhalt« 

geblieben ? 



Es ist nicht bekannt, ob dieses Vorgehen Pilgrim's den Zorn der 

Iagyaren erregt habe, wie man denn nur schwer annehmen kann, 
ISS Oeisa von dessen Fälschungen überhaupt Kunde besessen haben 
Ute : gewiss ist aber, dass die Magyaren die Besitzungen des Bischofs 
pn^üsteten und seine Missionsthätigkeit Tinter ihnen aufhörte. An 
^iner Stelle wurde das Werk von dem Prager Bischof Adalbert und 
essen Freund Radla, mit seinem Mönchsnamen Anastasius oder Astri- 
|tts, fortgesetzt. Adalbert taufte Geisa und dessen Familie, also auch 
eititn Sohn Waik, der in der Taufe den Namen Stefan empfing» 



Gleichwie das neue Ungamland, nämlich das alte Unter- und 
kber-Pannonien, früher in kirchlicher Beziehung zur Salzburger und 
assauer Diocese gehörte : ebenso tiatte der Bischof von Regensburg seine 
|irchliche Jurisdiction über Böhmen ausgedehnt und gleichwie die bay- 
Iseben Bischöfe die Losreissung der Mährer nicht dulden wollten : ebenso 
teigerte sich jetzt der Regensburger Bischof, Michael, zuzugestehen, dass 
•ohuien seinen eigenen Bischof erhalten solle. Erst nach Michaelas Tode 
n 97^) gab endlich der neue Bischof Wolfgang, der erste christliche 
plaubensbote bei den Mag}aren, trotz dem Widerstände seines Capitels 
jeine Einwilligung zur Errichtung des Prager Bisthums. Sowohl der Bischof 
Bs der böhmische Herzog Boleslaw begaben sich dieserhalb im Jahre 973 
Jörn Kaiser und auf diese Weise wurde das Bisthum gestiftet : allein man 
)ninete dasselbe nicht der Salzburger sondern der IMainzer Erzdiöcese 
fcter, Indess ob es dieser oder jener Metrojiolie unterstellt worden wäre — 
p jedem Falle kam das böhmische Bisthum an die deutsche Kirche.^ 
|tr erste Prager Bischof wurde der Sachse Dietmar und nach seinem 
fode {982) der Ceche Adalbert, der mit Radla schon im Jahre 984 
pisa in Gran besuchte. 346 Wann er die Familie des Grossfürsten 
ptauft, ist nicht bekannt* Nach Geisa's Tode folgte ihm sein Sohn in 
l^r Herrschaft ; dessen Gemahlin war Gisela, die Tochter Herzog Hein- 
i^h HI. oder «des Zänkers» von Bayern. Stefan wurde im Jahre jooo 
pder 1003) zum Könige gekrönt und ordnete nun frei und unabhängig 
N der Kirche Deutschlands die Kirche seines Landes, Dies mag 
femjenigen auffällig erscheinen, der den Nationalitätsstreit unserer Tage 
» das Ende des 10. oder in den Anfang des 11. Jahrhunderts verlegen 
folhe, was jedenfalls unstatthaft ist. Das Prager Bisthum wurde aller- 
Pgs einer deutschen Metropolie untergeordnet, allein gerade dieser 
ftnstand, dass Stefan sich um die deutsche Kirche nicht bekümmerte, 
ffcweist, dass sowohl der deutsche Kaiser als Papst Sylvester U. Un- 
|rn unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten betrachteten als Böh- 

Hunfalvy, Ethno^. I4 



men. Es genügte, das t wilde» Magyarenvolk dem Chrisienthüme zqI 
gewinnen. Eine gleiche kirchliche Unabhängigkeit trat im Jahre toool 
auch in Polen ein, als Kaiser Otto IIL zum Grabe Adalberls iiudl 
Gnesen jjilgerte und darein willigte, dass Boleslaw Chrabry das EnJ 
bisthum Gnesen und die Bisthümer Kolberg, Krakau und Breslau uj^ab- 
hängig von der deutschen Kirche stifte. Boleslaw erhielt aber ml 
später (10Z4) vom Papste die Königskrone. Was in Polen gescbai, 
obwohl dieses Land im Jahre 963 unter Otto 1. in ein Lehensverhättni'^ 
2U Deutschland gelangt war: warum sollte das ia Ungarn nich: ':■ 
schehen» in Ungarn, das niemals in einem Lehensverbande mit Deiit>(ij- 
land gestanden war? 

Stefan fand bei seinem Volke nicht überall Bereitwilligkeit zar 
Annahme des christlichen Glaubens und des Königthums, w^odurch In 
Rechte der Stammesfürsten beschränkt, die Gebräuche des Volkes v.t 
ändert wurden. Den Sümegher Koppa (oder Kuppan), den Csanäir 
Ahtum, ja nach den Legenden seinen eigenen Oheim Gyula musstii er 
mit Waffengewalt bezwingen, wobei dem Könige grossentheils die deut- 
schen Ritter behilflich waren. Diese sowie die christlichen PriesK^r 
mögen sie Deutsche oder Italiener (wie der h. Gerhard) oder Böhmen 
(wie Astricus) gewesen sein, bildeten die Hauptsiiiizen des ntucn Kom- 
thums und der neuen christlichen Kirche in Ungarn. 3*7 

Die kirchlichen Stiftungen Stefanos treten namentlich in jenmJ 

Theilen des Landes hervor, in denen das Christenthum nnd damit iliq 

gesellschaftHche Ordnung schon vor der Ankunft der Magyaren einig» 

Warzel geschlagen hatte. 

Zur Zeit der fränkisch-deutschen Herrschaft fanden zvir in dan^ 
Theilen jenseits der Donau deutsche und slavische' Kirchengememi0\ 
Nach Moorburg f Mosapurk 34S J zu nr theilen^ mochte die Bevöikerungi 
Städte und Burgen deutschen, die der Dörfer s lavischen Stammes ^ 
sen sein, obgleich die meisten bekannten Ortsnamen deutsch zvaren, 
JViederlassuug der A/agyaren veränderte die ethnographische Sitmiti'^> 
dieser Landestheile. Die früheren Ortsnamen verschwanden, die slaiiy^'^ 
Bevölkerung blieb, aber verschmolz mit den Alagyaren ; d^tsselbe Sih'^-^- 
sal erlitten wohl auch jene Deutschen, welche sich mit ihren Fries*'r< 
nicht geflüchtet hatten. Das kann in an insbesondere imn der Bevölk^'s 
im lnnir7i des Landes annehme?} ; an der Grenze hingegen, in der y'' 
des aufkeimenden Oester reich, wo die deutsche Bevölkerung bereits * ' 
Slaven zu ahsurbiren begann, und also auch das Dett.tschthu*H tu ' ' 
Nachbarschaft zu stütze?i ver mochte, erhielt sich auch in r>/; ■ 
deutsche Element. Darauf weist unter anderem das Misen< 
Nibelungenliedes hin, wo Etzel und Kriemhild die Schiffe bestu^^ 
nach Etzel nburg (Gran ?) zu fahren. Das deutschnamige AIisenbu>s 
stand schon zur Zeit Geisa's; deshalb kam es in die von Pilgriw cty 
melten Sagen fs. o. S. iqS) ; seine historische . Existenz be.i 
Urkunde 1 00 fahre später; in dieser kommt auch meines W; 
Name ,,Ferto'' fmagyar. Benennung des Neusiedlersees J zum i 
Äfale vor. 549 Neue Ortsnamen sind also: Mise nburg, ufahrschi' 
das heutige „ IVieselburg', mit deutscher Bevölkerung; FertS^ wiUUf 




me von der maffvarischen Einwohner sc ha/t herstammt i E sztergom 
ran)^ Geisa's Wohnsitz. Dieser Name ist ein Compositum : „Eszter- 
«" oder , ,Eszter-gom'' , g/eich zvie , ,£szter- h äza "^ , „ Esz ter-gd}-^ \ „ Eszfer- 
^, r^Eszter-dg"* aJtes Ortsnamen "jöji jenseits der Donau. Ausser Esz- 
i^am sind noch Beszp rem f IVeszprim), Eejer t* d r fA iba , Stuh/weis- 
burg) saiche JVamen, zveiche zur Zeit der fränkisch-denf schert Herr- 
a/t nicht vorhanden tearen^ die also nach der Niederlassung der 
gr^'aren entstanden sein mussten. Sowo/it die Legenden als auch die 
fsfen historischen Qneiien halten dafür, d^iss schon der Grossfürst 
'sa den Bau der Aötei auf dem Martinsherge /begonnen, Stefan ihn 
^ beendigt habe. Die von kirchlichen Heiligen entlehnten Ortsnamen 
weisen gar nichts in Bezug auf die Sprache der Bezölherung; denn 
" christlichen Völker haben diese Heiligen angenommen. Aber Fejt'r- 
\ Bakon-bil, Ptks-vdrad u. a. sind ungarische Ortsnamen : die beiden 
'^genannten Benedictiner- Abteien leiten ihre Stiftung bis auf König 
'/an den Heiligen zurück. 

Die Legenden berichten, dass Stefan das Land in zehn Bisthü- 
r gethL'ilt und das Graner zur Metropolie bestimmt habe, 35^ Allein 
jleich die Volksmeinunf^ dieses schon zu König Koloman*s Zeiten 
'95 — II 14) glaubte (Hartwig schrieb damals seine Legende des 
Stefan), so fälit es doch schwer, diese Ansicht historisch zu bewei- 
L Gleichwie in der gesammten Christenheit das Bestreben wahr- 
imbar ist, die betreflenden Kirchen auf eine Stiftung oder Grün- 
ig durch die Apostel zurtickzufuhren und man selbst Documente 
sehte, um diesen apostolischen Ursprung belegen zu können : ebenso 
Jhten und fanden in Ungarn die Bisthümer und Abteien darin ihre 
sondere Würde und ein ausnehmendes Verdienst, wenn sie es glaubhaft 
chen konnten, dass sie durch den heiligen König Stefan gestiftet 
rden seien. Gewiss ist nur^ dass die kirchlichen Stiftungen Stefanos 
' Allem jenseits der Donau hen-ortreten ; diesbezüglich ist jedoch 
\ Kalocsaer, insbesondere aber das Csanader Bisthum eine Ausnahme, 
ch die Nachfolger des h. Stefan bis zu König Ladislaus d* H. wen- 
den ihre Aufmerksamkeit bei geistlichen Gründungen hauptsächlich 
1 Theilen jenseits der Donau zu. So stiftete Andreas L die Abtei 
tlany, Bela L die zu Szegszard. Die Kirchen aus der fränkisch-deut- 
len Penode erstehen nicht wieder; wenigstens nicht unter ihrem 
&n Narn^n ; nur allein die Abtei zu Szalavar und das Fünfkirchner 
itbum erneuern das Andenken an die Kirchen jenseits der Donau 
r der Magyarenzeit» Stefan der Heilige stiftete nämlich im Jahre 10 jg 
Ehren des h. Hadrian das Kloster zu Szalavar und obgleich in der 
künde darin keine Erwälmung geschieht, dass daselbst schon früher 
ehe oben S, 120) eine Abtei des h. Hadrian beständigst so waren 
hrscheinlich die Spuren oder Ruinen dieser Abtei noch vorhanden, 
^s Füafkirchner Bisthum, welclies den Namen »iQuintjue Ecciesiae» 
che oben S. 113 und 115) wieder auffrischte, soll Stefan schon im 
*re 1009 gestiftet haben* 35^ Allein das Neitraer Bisthom diesseits 

14* 



der Donau wurde zur Zeit Stefan d, H. nicht erDeuert« sondern m\\ 
später, vielleicht auch unter Koloman noch nicht, sondern höchstens unter 
König Geisa IL (114.1 — ii6i,)-^>5 Die* Abtei auf dem Berge Zobor Süll 
bereits vor Stefan d. H. in der Gegend von Neitra bestanden haben; 
denn darin wohnte der h. Zoerardus oder Andreas, den Maurus, der 
erste Bischof von Fünfkirchen, noch als Knaben kannte. 354 

Nach den Legenden machte Stefan auch im Auslande Stiftungen, 
namentlich in Rom, Jerusalem und selbst in Cunstantinopel, wo er eine 
Kirche erbaut haben soll. Hier bestand, wie wir sehen werden, ein 
lateinisches Kloster ; die von Stefan erbaute Kirche würde also zu diesem 
Kloster gehört haben. 

Uebrigens lebte zur Zeit Stefan d. H. sicherlich noch nicht jene 
Abneigung oder jener Hass zwischen der morgen- und abendländischem 
Kirche, wie solches nach der gänzlichen Trennung (im Jahre 1054), in5- 
besonders aber in der Zeit der Kreuzzüge der Fall war. Stefan erbaute im 
Jahre loit für griechische Nonnen ein Kloster im <i Weszprimer Thiile» 
und bedachte dasselbe in dem griechisch abgefassten Stiftungsbriete 
mit reichen Schenkungen. 35s Man könnte annehmen, dass die E:fjste]H 
dieser griechischen Nonnen eine Folge der Missionsthätigkeit des 
Hierotheus gewesen sei ; allein ein anderes historisches Ereigniss bezeugt 
das Gegentheil. 

Dre Legende des h, Gerhard erzählt^ dass Ahtum als Anhing 
der griechischen Kirche in seiner Siadt Maros (in urba Morisemrj :# 
Ehren des h, Johannes Baptista ein Kloster erbaut und in dasselk tit^ 
Widdin einen Abt und griechische Mönche gebracht hatte, A/s der Kru^ 
zwischen König Stefan und A htum ausbrach und der letztere kstef 
wurde, Hess der Heerführer des Königs die in der Sc h/acht Gefalirnf^ 
im Friedhife des griechischen Klosters bestatten, denn, so sagt die Legtndt, 
..dort gab es damals noch kein anderes Kloster^" ; die griechischen Mbnck 
aber^ denen ein Drittheil der Stadt gehörte, beliess er in ihrem frü/tent 
Zustande. A Is sodann im 'Jahre /ojo Kon ig Stefan das Bisthum CsaitÜ- 
gründete^ versetzte er die g^riechischen Mönche mit ihrem Abte nad 
Oroszlämos. 3s6 Daraus geht nicht blas heri>or, dass der König die ofi^^^ 
ta tische Kirche duldete i, sondern auch, d^TSs die Gläubigen dieser Kirt^ 
nicht aus Siebenbürgen, zvo man sich das Bisthum des Hierotheus dmktj^ 
sondern von Jenseits der Donau, atis Bulgarien, hierher gekommen aC'*' 
ren. Die Legende des heiligen Gerhard ist zwar ziemlich lange michikf 
Zeit Stefan des Heiligen ver/asst worden ; allein dennoch erkennt tni^ 
in derselben die Züge jener Tage. Ahtum jvagte es, von dem auf der M^* 
ras verfrachteten Salze des Königs einen Zoll zu erheben fs. h. S. tish 
er kannte also Siebenbürgen und die Siebenbürger, oder wenigslens dif 
siebenbiir glichen Salzverfrachter kannten ihn, iPenn dort in SiekMf' 
gen Anhänger der griechischen Kirche, ein griechischer BischoJ uft» 
griechische Priester gewesen wären, so hatte sie de?' an der Markts ^\ 
nende A htum gewiss 7ticht übersehen und nicht erst aus Widdin Pftesif 
und Mönche kommen lassen. 

Der Eifer Stefanos für das Christenthum offenbart sich nicht W^ 
in seinen kirchlichen Stiftungen, sondern auch in seinen GeseUeO' 



zehn Dörfer mossten eine Kirche erbauen und diese mit zwei 
Wohnhäusern, zwei Knechten, zwei Pferden, sechs Ochsen, zwei Kühen 
id dreissig Schafen oder Schweinen (minutis bestiis) versehen ; der 
jisthche Stand wurde zum ersten Reichsstand ethoben, der kirchliche 
ihent unnachsichtlich eingefordert 358 ond die Feier der Sonn- und 
*sttage streng anbefohlen. Die Verfassung der christlichen Kirche 
ränderte natürlich auch die politische Constitution des Landes, Der 
m König erhobene Grossfürst, welcher das Recht besass, Bisthümer 
ch Belieben zu stiften und die Bischöfe zu ernennen, die er zu den 
►ersten Ständen des neuen Königreiches gesetzt hatte : dieser König 
mnte keine andere unabhängige, politische Macht neben sich dulden, 
efan beseitigte also die frühere Eintheilung des Landes, welche wahr- 
heinlich nach den angesiedelten Stämmen geschehen war, und ord- 
ite die Coniitate gemäss den darin befindlichen Burgen, deren Be fehls- 
ter (Vögte) er selbst ernannte. Seinen Hof und die Reichswürden 
ganisirte er nach dem Muster des deutschen Hofes und Reiches, 

Die Gegner der neuen politischen Constitution wendeten sich 
itürlich auch gegen das Christenthum und die kirchlichen Institu- 
intn ; denn diese waren ja Ausgangspunkt und Veranlassung jener, 
tne derartige Reaction brach nach dem Tode Stefanos (1038) in den 
ihren von 1049 — 1061 und öfters herein. Die neue christliche Socie- 
t konnte erst unter Ladislaus L {1077 — 1095) festen Stand fassen; 
j^r König erhob zugleich das ungarische Königreich zum ersten im 
Stlichen Europa. 



Den ursprünglit^en oder heidnischen religiösen Glauben der Ma- 
laren können wir noch aus den vorhandenen Resten in der Sprache 
kennen ; sodann zur 2eit der Reaction dieses Heidenthums aus den 
jfietzen, welche die Ceremonien des wieder auflebenden heidnischen 
aubens verbieten. Die in der Sprache aufbewahrten Reste (siehe 
en S. 158 ff.) bezeugen, dass die magyarische Religion, gleich allen 
iturreligionen, polytheistisch war und demnach mehrere Götter ver- 
rte. Den « vim » (« zw/-aldani »), den « ukko » («^^öw-pohär), den «elev» 
i den «jsten»; letzterer wurde schliesslich der alleinherrschende; 
m das Wort « isten " {— Gott) stammt noch aus dem Heidenthume. 
5 heidnische Religion der Magyaren hatte auch ihre furchtbaren 
tter; von einem derselben blieb die Spur in magyarischen Redens- 
*a: *egye meg az h» («der ,?s' möge es verzehren i), »• az {ze»(der 
)ekannte, unbenannte — Gott — ), « izelni » (des Unbekannten öfters 
ahnen); im Finnischen ist « hfte — fz » ^ Teufel. Die andere Spur 



214 



einer schreckhaften Gottheit der Magyaren ist «urdung», jetzt tötdögi, 
d, i. Teufel, der ebenso herrschend wurde wie « Isten ». Man kanit 
demnach im Gegensatze zum Zeugnisse der Sprachdenkmäler nicht 
mehr behaupten, daSs die Urreligion der Magvaren ein Momtkcimu^ 
gewesen sei; einen solchen gab es überhaupt in keiner natürlichen 
Religion, kann es nicht geben. Jene Urreligion der alten Magyaren 
hatte auch ihre (jotzenbiider, obwohl meines Wissens die magyarische 
Archäologie kein einziges derselben aufzuweisen vermag. Allein ihre 
Existenz wird zweifellos bezeugt durch das Wort ««egyhaz» (Kirche). 
Die heidnischen Magyaren bewahrten darnach die Gegenstände ihrer 
religiösen Verehrung nicht blos in Hainen, unter freiem Himmel» son* 
dem auch in Gebäuden; denn sie hatten «heilige Häuser j* («egyhÄJ* 
= heil. Haus, Kirche), Tempel. Ihre Opfer pflegten sie übrigens auch 
an Brunnen und Quellen, bei Bäumen und Steinen zu bringen; es ^ab 
also heilige Brunnen und Quellen, heilige Bäume und Steine. ^^ Die 
heidnische Gott es Verehrung bezengen in der Sprache noch die Aus- 
drücke * aldani •• (segnen), «aldozni» (opfern), «r aldomäs » (Opferiranli, 
Segens- oder Kauftrunk), «böjt» (Faste), « böjteni » (fasten), denn auch 
diese beiden letzten sind alten Ursprunges, 3^ Der Naturcultus belebt 
die Phantasie ungemein und verschmilzt mit den Sitten ; darum kann 
ein Volk demselben nur schwer entzogen w^erden. Die christliche Re- 
ligion selbst musste sich allmälig den alten heidnischen Gebräuchen 
zuneigen. Doch bei ihrem ersten Auftreten verletzte die christliche Reli- 
gion die Magyaren ohne Frage ebenso wie alle heidnischen Völker; 
ja sie verletzte jene um so mehr, weil sich mit ihr das Königthuffl 
verband und daraus den grössten Nutzen und Eintluss zog. Die Bischöfe 
und Aebte wurden zum ersten Reichsstand erhoben ; die Häupter deri 
Stämme und Geschlechter konnten also nicht mehr des Fürsten erste 
tj6-bäg}'ai» (d. i. «guten Vettern •*, Freunde und Rathgeber) sein, Wür- 
den dadurch die alten Magnaten beleidigt, so reizte die Zehent-Eul- 
richtung fortwährend das Volk. Nach Stefan's Tod konnte die Rt^i:"^^- 
nmg Peter's und Aba's oder Samuel's diese Gereiztheit nicht beseitiuri', 
ja diese wurde sogar noch gesteigert. Die einzelnen Menschen sifid 
sehr geneigt, ihre besonderen Uebel einer allgemeinen, gemeinsamen 
Ursache zuzuschreiben ; die unzufriedenen Magyaren fanden daraab in 
dem Christenthume die Ursache alles Unglückes. Als sie im Jahre 104^ 
die Sprossen der Arpäden, Andreas und dessen Verwandte, zurückberii 
fen, da war der Wunsch und die Hoffnung natürlich, dass diese jci 
vermeintliche Quelle alles Unglückes beseitigen sollten. Und di^ 
Wunsch, diese Hoffnung gestaltete sich bald zur dringlichen Fi 
derung. 



wm 



„Ä'achäem Andreas und Leirnnte in Ungarn angekommen waren ^ 
Vsamme/fe sich eine grosse Menge der Magyaren in Fest und von teuflischer 
w^ierde getrieben ver langten diese von den Fürsten^ dass das Volk wie- 
\dtr mtcti heidnischer Art leben dürfe ^ dass die Bischöfe und PHester 
fge/Sdtet, die Kirchen niedergerissen werden sollten, teidrigefifalls würden sie 
Xdie Waffen für Andreas nichtergreifen. J'ata ergab sich auch sogleich der 
\SÜ7ide, indem er sein Haupt nach heidnischer Sitte scheeren liess ; dies 
^hit/en auch mehrere Afidere, brachten den bösen Geistern (daenwnibus) 
tO^X^r, begannen Pferdefleisch zu essen, die Bischöfe und Priester ztc 
*" tfen, die Kirchen nieder zur eissen und Hessen durch Herolde verkünden t 
dass man nach dem offenen Befehle des A ndreas und Levente das Christen- 
\th t4- m a HS rotten kön ne. ' ' sß ^ 

Diese Wiedererstehung des Heidenthums verschwand augenschein- 

Llich nicht so schnell und leicht, wie es die weit später verfasste Legende 

äes h, Gerhard xind die Chroniken erzählen. Gewiss ist, dass selbst Bela 

( A^ntheil hatte an den Concessionen, welche auch die alten Besitzverhalt- 

|msse, weni^^stens in Be^ug auf die Leibeigenen, wieder herstellten. Die 

i glaubwürdigsten Zeugnisse sind in dieser Beziehung die Gesetze des 

Ladislaus (107^ — 1091) und Koloman (1095 — 1114), Insbesondere 

ichtig ist jene Verordnung des h. Ladislaus, aus welcher wir erfahren, 

äaSs zur Zeit des «Königs Andreas und des Herzogs B^la» (tempore 

'regis Andreae et ducis Belae) die alte richterliche Würde des Karchas 

wieder erstanden war und die VerRigungen dieses Richters bis in die 

' Zeit des h. Ladislaus fortbestanden hatten {vgl. o. S. 143). 362 Es scheint 

Qtiach historisch begründet zu sein, dass das Wiederauffiackern des 

gyarischen Heidenthums von 1046 — 1077 das ungarische Christen* 

beunruhigte. 

Im Laufe dieser Zeit wurde der Bruch zwischen der abend- und 
brgenländischen Kirche vollständig. Je mächtiger der römische Papst 
forden war, desto entschiedener wies die orientalische Kirche seine 
Sprüche zurück ; nur die Hoffnung der byzantinischen Kaiser, dass 
von den abendländischen Völkern Hilfe gegen die Mohammedaner 
Ehalten werden^^ verzögerte den endlichen vollständigen Bruch. 

Aber im yahre 10 js er Hess Mic hae l Cerularins^ Patriarch 
^^ Consta ntinopef und Leo, bulgarischer Erzbischof in Ockrida, eine 
Epistel an Johann, Bischof von Tränt in Apulien^ in welcher sie den 
schon if^ Rundschreiben Photius vorgebrachten Ketzer eien noch eine neue 
'^^.^^i^fügten , d^ss ndmlich die occidenta tische Kirche t>ei der Communion 
Sich des ungesäuerten Brodes bediene ^ was eine jüdische Ketzerei sei. 
iJas Wahre Brod werde durch die JVdrme des Sauerteigs und durch das 
^itlz belebt; das ungesäuerte Brod sei gleich dem Steine oder wie getrock* 
neter Kot lt. IVer also die samstägige Pnste und das ungesäuerte Brod 
fmal^e, sei weder Jude noch Christ, sondern bunt gefleckt wie die Leoßar- 
y.^* ,J)ass Ihr dieses nicht sehet*', so spricht der Brief zu den abend- 
*^^dischen Bischöfen, ^^und Ihr Euch selbst und Eure l^iker nicht 
msereth* ^Y^ fil^^ Brief sehr eiber) bitten daher den Bischof von Tranig 
'/ ^^^öge ihr Schreiben an die Bischöfe senden und sie veran lassen ^ sich 
zu bekehren und die Ketzereien zu verlassen. 363 



2l6 



Kaiser Constantin X. (Mononjachus» von 1042 — 1054) wollte um| 
jeden Preis den Bruch verhindern imd bat deshalb beim Papste Leo IX. 
um Nachsicht; allein die Forderungen der römischen Legaten ^^^ sowie 
die Cnbetigsamkeit des Cerularius vereitelten die Aussöhnung* Die 
Legaten sprachen am 15. Juli J054 in der Sophienkirche zu Consianti- 
nope] über die orientalische Kirche den Bannfluch aus, welchen Ctfrn- 
larius mit einem gleichen Bannflüche erwiderte. Nachdem die östÜcheti 
Patriarchen sich ihm anschlössen, so trennte sich die orientalische 
Kirche auf immer von der occidenLalischen. Diese, die abendländische 
Kirche, nennt diese Trennung «Schisma» und die Anhänger der mor- 
geniändischen Kirche «Schismatiker»; diese Kirche aber hält sich fßr 
die «orthodoxe», d. i. die rechtgläubige, christliche Kirche» Die defi- 
nitive Trennung zwischen den beiden Kirchen erfolgte also im Jahre 1054, 
im achten Jahre der Regierung des ungarischen Königs Andreas. 

In Ungarn scheint diese Trennung anfänglich keinen besonders gros- 
sen Einfluss geübt zu haben; wenigstens stiftete Andreas im J. 1055 di'^ 
Abtei Tihany und zu derselben Zeit oder früher zu Sanct Andre ki 
Visegräd auch ein griechisches Kloster. Nichtsdestoweniger empfand 
man auch hier den Unterschied zwischen den zwei Kirchen, Schon der 
heilige Stefan befahl die samstägige Faste, welche, wie er sagt, iin 
der ganzen Christenheit w gehalten werde; damit konnte er nur die 
abendländische Kirche gemeint haben. 36s Noch deutlicher wurde die 
Zugehörigkeit zu dit;scr Kirche unter dem heiligen Ladislaus; denn 
dieser befahl: «Wer sich dem magyarischen Brauche nicht anschliessc 
nnd am Dienstag und Mittwoch Fleisch esse, obgleich die Magyaren 
die Enthaltung vom Fleische beobachten, weil er unseren besseren 
Gebrauch nicht annehmen könne; der kann von hinnen gehen, wohin 
es ihm beliebt, nur muss er das hier erworbene Geld zurücklassea, 
wenn er sich nicht bekehrt und mit uns die Enthaltung vom Fleische 
beobachtet. • 366 Darin ist also schon ein Zwang zur Beobachtung J'^ 
römischen Fastengebotes ausgesprochen. In Bezug auf die Priester- 
Ehe war jedoch die ungarische Kirche nachsichtiger, wie dies das 
Gesetz Königs Ladislaus L und die Beschlüsse der Graner Smode 
unter König Koloman beweisen. 3^7 

Die Nachwirkungen der heidnischen Empörung datierten, wie wir 
gesehen haben, bis in die Zeit Ladislaus des Heiligen. Die aus Empö- 
rung niedergerissenen oder niedergebrannten Kirchen mussten durch 
die kirchlichen Gemeinden wieder aufgebaut und auf Kosten des Königs 
mit Messgewändern und Kelchen versehen werden, die Bücher abef 
solle der Bischof geben; also spricht Ladislaus' Gesetz (Decret L» 7). 
Die heidnischen Gebräuche und Ceremonien tauchen selbst zu Kolo- 
man's Zeiten wiederholt auf; denn auch die erwähnte Graner Synode 




b sich genöthigt zu erklären, dass Niemand wagen solle, heidnische 
ebräuche zu verrichten; wer das thue, hat, wenn er ein Vornehmer 
ist, eilf Tage strenge Kirchenbusse zu üben ; ist es ein Gemeiner, so 
dauert diese Busse nur sieben Tage, wird jedoch mit körperlicher 
Strafe verbunden. 3^^ 

Man kann überhaupt Ladislaus I. als den Wiederhersteller des 
^hristenthums und Befestiger des Königthumes oder vielmehr Ungarns 
ielbst betrachten; ferner muss es als ein besonders günstiges Geschick 
in gesehen werden, dass sein Neffe Koioman ihm in allen Stücken ein 
fi^ürdiger Nachfolger war- Nachdem Ladislaus den Strich zwischen 
[)rau und Save, das sogenannte Slavonicn, dem Lande einverleibt hatte. 
^rümlete er das Bisthum Agram im Jahre 1085 und gewann oder erhielt 
iadurch die Bewohner Slavoniens, die zur orientalischen Kirche hin- 
neigten, der abendländischen Kirche. 3^g Er war es auch^ der Sieben- 
bürgen enger mit Ungarn verband, indem er auch dort ein Bisthum 
Errichtete. Es ist schade, dass man von dieser Errichtung keine glaub- 
würdigen Urkunden besitzt, w^eiche Zeit und Umstände der Gründung 
bekannt geben; für die Ethnographie Siebenbürgens wäre dies von 
unschätzbarem Werthe. Man schreibt die Errichtung des siebenbürgi- 
sehen Bisthums gewöhnlich Stefan dem Heiligen zu, was jedoch sehr 
zweifelhaft erscheint. Vielmehr zeugt der Umstand, dass Ladislaus der 
Kirchenpatron Siebenbürgens ist, dafür, dass er der Stifter des sieben- 
bürgi sehen Bisthums, also auch der erste Ordner Siebenbürgens in 
|)olitischer Hinsicht gewesen. Denn die politische Organisation ging 
damals mit der kirchlichen stets vereint. Wenn wirklich König Stefan 
der Heilige das sieben bürgische Bisthum gestiftet, aus welchem Grunde 
wurde nicht er, sondern Ladislaus der Patron Siebenbürgens.^ Ladislaus 
vertheidigte im Jahre 1089 Siebenbürgen gegen die Kumanen, sicherte 
also das Land» versah es auch mit einem Bisthum; darum wurde er 
auch dessen Kirchenpatron. Ich weiss nicht, ob ich irre, wenn ich 
behaupte, dass auch der magyarische Name Siebenbürgens «Erdt^^ly» 
(•Hinter dem Walde») erst unter der Regierung Ladislaus' und nach der- 
selben in Aufnahme gekommen ist. Zur Zeit Stefan des Heiligen nannte 
Iman diesen Theil « Schwarz-üngarn », welchem Namen wir öfters begeg- 
tien- 370 «Schwarz» und «weiss» haben bei Orts- und Ländernamen eine 
besondere Bedeutung; der letztere Ausdruck bezeichnet die Herrschaft, 
flen Vorrang, der erstere die unterworfene Stellung, die Unterthan- 
Schaft, Solange Siebenbürgen * Schwarz- Ungarn» hiess, konnte es auch 
Jtein fG>nila-/^^Vr-värit, d. i. Gyula-IF^/jj^^«- bürgt (heute: «Carlsburg») 
geben. 



§ 49' 



In Ungarn lebten schon unter den ersten arpadischen KÖtügea 
nicht blos Christen, sondern auch Mohamedaner und Juden. Von den 
Juden wird an anderer Stelle besonders die Rede sein; dieser Volks- 
stamm ist bis heute im Lande vorhanden und hat daselbst eine gros^ 
Bedeutung; von den Mohamedanern müssen wir aber schon hier spre- 
chen; denn diese sind heute als erheblicher Brechtheil der Bevölkerung 
im Lande nicht mehr vorJindlich. 

Die Mohamedaner wurden ilsmaeliten» genannt; von ihnen 
geschieht unter Ladislaus L die erste Erwähnung; es waren Kaufleute, 
die man zum Christenthiime bekehren wc>llte. Denn Artikel IX da 
Ladislaus^schen Gesetzes vom Jahre 1092 lautet also: *Die Kaufleute» 
welche Ismaeiiten genannt werden, sind, wenn sie nach der Taufe 2U 
ihren alten Gebräuchen zurückkehren, aus ihren Wohnorten zti ent- 
fernen und in andere Dörfer zu übersiedeln; diejenigen aber, vvekhc 
das Gericht nicht schuldig- findet, können in ihren eigenen Wohnorten 
verbleiben.» Es ist schwer zu erkennen, was das Gesetz mit dieser 
Uebersiedelung beabsichtigte und was für Strafe darin gelegen ^^ar; 
allein deutlich ist, dass man die Ismaeliten bekehren wollte. Dasselbe 
beabsichtigen auch die Anordnungen Koloman^s, aus denen eine noch 
grössere Intoleranz hervorgeht. «Wenn ein Lsmaelite ertappt wird, ^m 
er zur Fastenzeit Fleisch isst, sei dieses auch Schweinefleisch, oder 
dass er sich nach ismaelitischer Sitte wäscht oder andersartige ismac- 
litische Gebräuche ausübt, so ist derselbe zum Könige zu senden; «ler 
Ankläger bekommt aber aus dem Vermögen des Geklagten seinen 
Lohn.» — «Wir befehlen, dass jedes ismaelitische Dorf eine Kii 
erbaue und diese mit dem Krfordcrlichen versehe. Sobald jedo^^:h dii 
Kirche erbaut ist, soll die Hälfte der Bewohner des ismaelitiscbei 
Dorfes auswandern und sich an einem andern Orte niederlassen, di 
andere Hälfte aber verbleibe mit uns in einerlei Sitten in derselbe 
Kirche Christi,* 37^ Auch hier ist der Zweck der Uebersiedelung dunkelj 
jedenfalls wollte man mit derselben strafen; die Bekehrung wird Öl 
gens auch schon durch Gewalt erzwungen. «Der Ismaelite wage 
nicht, seine Tochter einem seiner Stammesgenossen zum Weibe Ü 
geben, sondern nur einem Solchen» der aus unserem (d. i. magyJ 
rischen) Stamme ist.» *Wenn ein Lsmaelite Gäste erhält oder er Jenii 
den zu Gaste ladet; so dürfen sie nichts Anderes als Schweineßetsd 
essen. • Nachdem der Ankläger belohnt wurde, kann man sich denkci 
welchen Plackereien die Ismaeliten ausgesetzt waren. 

Welchem Volksstamme gt^hörten diese Ismaeliten an ? Wir wisseni 
dass die Magyaren in einem ihrer früheren Wohnsitze den wolgaischon 



ilgaren benachbart gewesen (siehe oben S. \^i) und dass diese Bnl- 
iren den moharnedanischen Glauben hatten : auch daran sei erinnert, 
ISS die Magyaren ebenfalls vordem Nachbarn der Chazaren gewesen, 
dass in diesem ihrem früheren Wohnsitze ein Stamm der Chazaren» 
Se Kabaren, sich mit ihnen vereinigt hatte. Die Chazaren bekannten 
icfi jedoch theils zur jüdischen, theils zur mohamedanischen Religion. 
demzufolge ist es sehr wahrscheinlich, dass die Mohamedaner oder 
isiDaeliten aus der Zeit Ladislaus' und Koloman's theils Bulgaren, 
'theils Chazaren gewesen sind ; aus den citirten Gesetzen ist zugleich 
^tsichtlich, dass einige dieser Mohamedaner Handel trieben, andere 
dagegen in den ismaelitischen Dörfern den Ackerbau pflegten. 

Der Zweck dieser Gesetze, nämlich die Bekehrung der Ismaeliten, 
TATirde nicht erreicht. Nach hundert und mehr Jahren treffen wir sie 
noch in Ungarn theils als Handelsleute, theils als Ackerbauer und die 
ungarischen Ismaeliten besuchen die Lehranstalten ihrer Glaubens- 
genossen in Asien. 

Ah ein arabischer Schnftstelier, Jakttt^ 37* sich um das Jahr 
f;22o in Aieppo aufhieli, ,,sak ich, (so erzählt er) eine grosse Sc haar 
/iaschkireu, deren Haupthaar und Antlitz sehr braun war und die zu 
dem Glaubensbekenntnisse Abu-Hanifas gehörten. Einen von ihnen redete 
:ch an und fragte ihn um seine Heimat und Lebensweise. Derselbe ant- 
n}vrtete /olgeHdermassen : Unsere Heimat ist jenseits von Constantino- 
pei im Lande eines Volkes, welches unter den Franken wohnt und 
^^Hungarn'^ genannt wird. Obgleich wir Äloslims sind, so gehorchen wir 
i/och ihrem JCönige. IVir wohnen an der Grenze dieses Lafides in unge^ 
fähr dreissig Ddrfern, vo?i denen jedes seiner Grösse nach einer kleinen 
Stadt ähnlich ist ; aber der König der .flungarn^' gestattet nichts d^ss 
•wir dieselben mit einer Steinmauer befestigen, ^i^eil er fürchtet, wir konn- 
fen uns gegen ihn erheben. Von allen Seiten sind wir von Christen um- 
^e^en. W'ir sprechen die Sprache der Magyaren^ kleiden uns wie sie, 
dienen in ihrem A'riegsheere und kämpfen mit ihnen gegen alle ihre 
jFeinde,'' Auf die Frage, wie die Baschkiren mitten unter Christen den 
Islam annehmen konnten, erzi) lederte er; „Von fnehreren unserer A lieft 
/labe ich gehört^ dass vor Zeiten sieben Moslims aus Bulgarien zu uns 
gekommen seien and sich bei uns niedergelassen haben. I>ie belehrten uns 
über das Falsche in unserer Religion und zeigten uns den geraden, wah^ 
reu Weg des Jsiams. Durch die Gnade Gottes öffneten sich unsere Her- 
ren dem Glaidfen und wir alle wurden Äloslims. IVir kommen hierher , 
um die Gesetze Gottes zu lernen. Sobald wir in unsere Heimat zurilck* 
kehren, empfängt man uns mit Ehren und vertraut uns die Angelegen- 
heiten des Glaubens'^ Lch fragte ihn noch, weshalb sie nach fränkischer 
Sitte ihren Bart abscheeren. Darauf gab er zur Antwort : ^,fene, 2velche 
unter uns Waffen trage?i, scheeren sich den Bart und kleiden sich nach 
Art der Franken; aber nicht so die übrigen .^^ 373 

Der arabische Schriftsteller nennt die ungarischen Ismaeliten 
«Baschkiren» und unterscheidet sie genau von den «Htjngarn» oder 
Magyaren, Aus jener mündlichen Tradition aber, dass sieben bulgari- 
sche Männer die ungarischen Baschkiren zum Islam bekehrt hätten, 
geht hervor, dass vordem auch die Baschkiren wie die Tschuwaschen 



der Herrschaft der mächtigen Wolga-Bulgaren unterthänig waren undl 
so wie wir nach dem Zeugnisse der Sprache (siehe oben S. 177' diel 
Tschuwaschen den alttn Chazaren zugetheüt haben, ebenso kann mm\ 
nach dem Zeugnisse Jakut's auch die magyarischen Baschkiren dem- 
selben Volke anreihen und sie darnacli für Reste der Chazaren haltenJ 
Demzufolge ivaren also die ungarischen Moslims (Isrnaeliten, Mohame'| 
daner) des 13. Jahrhunderts die Nachkommen der ursprünglichen Bllir 
garen und Chazaren, die allmälig mit dem magyarischen Volke ver-l 
schmolzen. 374 Moslemitische Kaufleute mochten gleich den Juden auchl 
später Ungarn durchzogen und sich daselbst niedergelassen habend 
aber Ackerbauer, welche ganze Dorfer oder kleine Städte erfülltenj 
konnten nur von älteren, massenhaften Ansiedlern herstammen. 

Was der AnomTiius von den bulgarischen Anführern Bi/a, I^xsu 
und Nf/tiH erzählt, die zur Zeit des Grossfürsten Taksony aus <km 
Bulgarenlande (de terra Bular) mit grossem Gefolge hierher gekomuieii 
wären und sich in Pest niedergelassen hätten: 3" so kann darin ijocIj 
irgend welche Erinnerung an die wolgaischen Bulgaren verborgen 
liegen; allein die Nachricht des Anonymus bezieht sich offenbar auf eine 
neuere bulgarische Einwanderung von jenseits der südlichen Donau, welche 
unter Stefan dem Heiligen erfolgte^ als die griechischen Kaiser die 
Macht der Bulgaren brachen. Vielleicht fällt auch der *Heten» üe^ 
Anonymus mit jenen « sieben« (magyarisch: h^t) Männern zusammen, 
die nach der Erzählung des ungarischen Ismaeliten in Alfppo deren 
Vorfahren vor Zeiten zum Islam bekehrt haben sollten. Dass jedoch 
der Anonymus die später von jenseits der Donau eingewanderten Bul- 
garen wirklich in die Zeit Taksonv's versetzt, beweist deutlich deren 
Ansiedeiungsort iPest», das ein slavisches Wort ist und so viel alsl 
«Ziegel- oder Kalkofen» bedeutet, gleich dem deutschen #Ofen*.>'^l 
Dit dort angesiedelten Bulgaren waren also slavischer Abkunft, konnten! 
also nur von jenseits der Donau, nicht aber von dem wolgaischeii| 
Bulgarenreich hierher gekommen sein. 

Nachdem die Ismaeliten theils Kaufleute, theils Ackerbauer waren,^ 
so war es leicht möglich, dass sich unter den Kauf leuten auch einzeln 
Mohamedaner aus anderen Volksstämmen bcfmden konnten. Das Capitafl 
war zu allen Zeiten beweglich und derCapitalist geht stets dahin, wo er da 
Meiste verdienen kann. Die genug harten Gesetze der Könige Ladislauüj 
und Koloman waren, wie wir gesehen haben, nicht im Stande» bis zuf] 
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die ackerbautreibenden Ismaeliten 
zu vernichten; um so weniger konnten sie den Handel und die Berei*^ 
cherung der Ismaeliten verhindern. In mancher Hinsicht accomodirtetl 
sich dieselben auch den christlichen Gebräuchen; so nahmen 2. Bj 
die Ismaeliten der Nyir das Gottesurtheil des glühenden Eisens zt^ 



mr-m/nk 



o^swardein in Anspruch.* Wie man heutzutage häufig die jüdischen 

pitalisttn angreift, so erhob man sich zur Zeit Andreas IL gegen 

* ismaelitischen und jüdischen Geldmänner. 

Im Jahre 12J2 leistete König A ndreas im Walde Bereg behufs der 
'formation des Landes einen Äidscliwur, dass er in Znkunft weder einen 
iden noch Isniaeltten oder Sarazenen zum Vorsteher der Juimmer-, 
nanz-t SalZ' oder Steuer ämter ernenfien^ noch anderen Vorstehern zur 
ite geben, nberhaupt irgend ein Öffentliches Amt weder einem bilden 
^h einem Ismaeiiten uder Sarazenen verleihen werde. Vielmehr ver- 
lichtete er sich, dass diese auch durch äusserliche Anzeichen von den 
kriskn unterschieden iverden soll€?i. Ebenso wer'de er nicht dulden, dass 
•» Jude, Jsmaelite oder Sarazene einen Christen in Dienst nehme oder 
seinem Dienste behalte : um so weniger werde er die Ehe zwischen 
hristen und Juden, Ismaeiiten oder Sarazenen gestatten. Zur Garantie 
"■r strengen Beobachtung dieser Gelöbftisse wird der König Jährlich 
nen eifrigen christlichen Magnaten ernennen, der auf die Bitte des 
ischüfs, m dessen Sprengel Juden, Heiden oder Ismaeiiten wohnen, 
tselbst Umschau halte und die christlichen Knechte und Frauen ihren 
^änden entreisse und die Schuldigen, welche der König überdies zur Skla- 
'rei verurt heilen wird, mit Entziehung ihres Vermögefis bestrafe. 

Es war vielleicht weniger dieses königliche Gelöbniss und die 
arauf basirte neue Verordnung als viehiiehr die in Folge des Mongolen- 
Unfalles veränderten Landesverhäitnisse, wodurch die Existenz der 
ämaeliten vernichtet wurde; denn unter B^la IV. und seinen Nachfol- 
em ist von ihnen keine weitere ErwähnunL^, Die Kaufleute verschwan- 
en wahrscheinlich zugleich mit jener jMongolenfluth ; die ackerbau- 
feibenden Ismaeiiten aber, welche nicht so leicht auswandern konnten, 
ahmen entweder für sich oder im Vereine mit den zugekommenen 
etschcTiegen und Xumanen allmalig das Christenthum an und ver- 
chmoizen so mit den Magyaren wie die Rumänen. 



I 



§ 50^ 



Das Königthum war in Ungarn wie in allen übrigen Königreichen 
Uropas vielen Erschütterungen ausgesetzt ; dennoch wurde es unter 



^^ • Das «Regestrom de Vürad» 1201 - 1235 (dessen lehrreiche Zeugenschaft für das 
■i- Jahrhundert wir noch andernorts kennen lernen werden), thdlt das 38. Urlheil folgen- 
'»rmassen mit: aDie Nyirer Ismaeiiten, Elias und Peter, klagen, auch auf das Zeugniss 
anderer gestützt, vor dem Richter und (?iespan Bank und vor dem Herold Bola die 
^^ohuer des Dorfes Salamon. als : Johann Kosta und Miko des Diebstahls an. Diese 
•^rden auch vom Eisen gebrannt (predicti Joannes, Kosta et Mikon combusti sunt)^ 
I 1. MC waren wirkhch schuldig » Da-s 41. Urtheil lautet: «Die Nyirer Ismaeiiten, 
'lias und Penlek, klagten, auch auf das Zeugniss Ander%r gestützt, vor dem Richter 
Ijnk und dem Herold Bnla die Unterthanen des Dorf-lspans Martin von Vämos (folgen 
ö Namen) sowie die Unterthanen des von dem Geschlechte Mizitacz gestifteten Klosters 
ipolcita (folgen 9 Xauien) des Diebstahls an. Egidius und Benedict trugen für sich 
id Andere das Eisen und wurden freigesprochenes — Egidius trug es nämlich für die 
geklagten Bewcdiner von Vamos. Benedict für die von Tapolcza, 





den Arpäden das mächtigste in Ost-Europa. Schon Koloman {iw^\ 
Ulf) erwarb Croatien jenseits der Save und Dalmatien, sowie einei 
Theil Bosniens, Rama, und nannte sich «Köni;< von Ungarn, Dalmal 
Croatien und Rama* (Hungariae, Dalmatiae, Croatiae, Ramaeqiie 
Dieser Titel wurde unter EmericJf {iiq6 — 1205) mit Serbien, unter 1 
Andreas II. (1205 — 1235) mit Galizien und I.odomerien, unter B«fla IV, 
(1235 — 1270) mit Kumanien, d. i. mit der Moldau und Walachei cdw j 
dem heutigen «Rumänien», und unter Stefan V. (1270 — 1272) mit Bai- j 
garien bereichert, so dass Ladislaus der Knmanier ( 1272— izgoj si'di 1 
nennen konnte: «König von Cngarn^ Dalmatien^ CriMitien^ Roma, Str- 
ifün, Halks^ Lodomeriin, Kttmanien und Buiganefu^^77 Der Titel bezeicbflü^l 
zwar nicht immer di^n wirklichen Besitz, sondern oft nur einen Recht** ] 
ansiiriich oder gar nur eine Erinnerung ; nichtsdestoweniger keimzeich- 
net der obige Titel des ungarischen Königs deutlich den Umfang du»] 
I\lachtkreises des ungarischen KÖnigthums und ist darum von histufi- 
scher Betleutung, Bemerkenswerth ist hierbei, dass weder SiebenbürgiJÄj 
noch Slavonien, d. i, das Land zwischen der Save und Drau, de 
Bischofsitz Agram war, in dem obigen Titel aufgeführt erscheincal 
Baraus geht hervor, dass man zur Zeit der Ar[)äden diese beiden Länder 1 
durchaus nicht als blos <• zugehörige» (partes adnexae), sondern als ^w»*«! 
zhrhiltit Thiik (partes incor|:>oratae) des Reiches betrachtete. Auch di^] 
kirchliche Organisation Ungarns lehrt dasselbe. Nachdem der Eö*| 
bischof von Gran Primas von Ungarn wurde, unterstand ihm <li*j 
gesammte ungarische Kirche, also auch der zweite Erzbischof, der vottj 
Kalocsa, Die Bischöfe von Agram und Siebenbürgen waren aber Suffß'i 
gane des Kalocsaer Erzbiscbofs. 3/^ 

Da Stefan der Heilige der Gründer des ungarischen KönigthuirtsJ 
gewesen, so betrachtete ihn die Nachwelt auch als den Schöpfer des poliü-j 
sehen und socialen Rechts, auf den man sich berufen muss. so oft eU 
Gesetz noth wendig ist oder man den alten Reclitszustand wieder b^f^ 
stellen will. Schon eine Bestimmung Koloman's lautete also: 
Könige und der ganzen Versammlung gefiel es (zu entscheiden), da 
das Besitzthum aller Klöster und Kirchen, w^elche der heilige Eüntl 
Stefan gestiftet, unverletzt bleiben soll. »379 Eine andere Entscheidu 
lautet wie folgt: «Alle Besitzthümer, welche aus einer Schenkung d^ 
heiligen Stefan abstammen, gebühren, falls sie unter Erbschaft falk 
allen Nachkommen oder Erben* »^^o König Andreas IL motiWrte id 
Jahre 1222 seine berühmte «Goldene Bulle •♦ damit: «Weil die lon SkfA 
äffti H<!iiigt'n gtrigtiit Frdh^it der Edeln und dir anderen Einwohner 1 
Landes wiederholt verletzt worden, darum muss das Land reformi^ 
werden. »381 Leiter Anderem wird darin auch bestimmt, dass die Burj 
unterthanen neben dem Genüsse ihrer von Stefan dem Heiligen ve 



223 



henen Freiheit dienen müssen. Diese Unterthanen (jöbägyak) waren 
er, wie wir sogleich sehen werden, verschieden ; denn Einige waren 
türlkhiy d. i, Unterthanen des heiligen Königs, oder die « Söhne der 
iterthanen des heiligen Königs», wie sie sich nannten; und diese 
egten aus ihrer Reihe alle jene Jobägyen, denen dieses Vorrecht 
rht zukam, auszuschliessen. Auch das Decret vom Jahre 1261 began- 
n der ungarische König B^la IV- und sein Sohn Stefan als üjüngerer 
önig» (rex junior) und Fürst von Siebenbürgen sowie sein zweiter 
>hn, der jüngere B^la, als Herzog von ganz Slavonien» in folgender 
'eise: «Wir geben kund, der gesammte Adel Ungarns habe uns unter- 
tänig gebeten, dass wir Alle in jener Freiheit belassen mögen, welche 
tefan der Heilige angeordnet und bestimmt hat,»5S2 Q[^ x[\2lx\ zur Zeit 
.ndreas l\, und Bela IV. noch eine deutliche Kenntniss hatte von 
era Umfange der von Stefan dem Heiligen herstammenden Privilegien 
nd Anordnungen, ist aus den historischen Denkmälern nicht zu ersehen. 
)er Chorus war allerdings stets bemüht, dafür zu sorgen, dass die ihm 
erhebenen Donationen und Privilegien (letztere nennt er seine «Frei- 
heit», »überlas») stets erneuert würden; und darin ahmte ihm auch der 
fellliche Adel möglichst nach ; bestehen doch die historischen Denk- 
ßiler aus der Arpädenzeit grösstentheils aus Donational-Urkunden für 
en Clerus und Adel. Was aber hätte tue Rechte der verschiedenen 
stände im Reiche bescliützen sollen, da doch die alte Gewohnheit 
tnd Uebung sich \o\\ Generation zu Generation langsam verän- 
TO? Nichtsdestoweniger beriefen sich auch diese Stände, und zwar 
ncht blos die Burguntert hauen, auf die Verfügungen Stefan des Heili- 
gen, welche vielleicht kein Mensch gesehen hatte. Ein treffendes Bei- 
piel hievon finden wir in jener Vereinbarung, weiche die magyarischen 
•^id die rumänischen Bauern einerseits und die Adeligen und der Bischof 
Siebenbürgens anderseits am 6. Juli 1437 vor dem Convent zu Kolos- 
öonoslor schlössen, woriti die unterzeichneten Bauern beurkunden, dass 
*ß sich nicht aus Empörung gegen Gott und dessen, Gerechtigkeit 
»der gegen die heilige Kirche, die heilige Krone oder gegen den Adel, 
ondern einzig und allein dazu verbündet hätten, damit sie ihre von 
l^n htihgtu Königen vor langer Zeit erhaltenen Freiheiten, welche man 
finen durch viele Missbräuche entzogen halte, wieder zurückgewinnen. 
n dieser Urkunde erklären sie auch, dass ihr Bündniss so lange beste- 
ten solle, bis sie die Urkunden des heUigen Königs Slt^/an oder seintr Ä^ack- 
fmmtn^ in denen ihre Freiheiten und Verfassung (libertates et Statutes) 
tithalten sind,, werden aufgefunden haben. ^^^ 

Die gefahrA'oUen Erschütterungen, denen das ungarische König- 
üm ausgesetzt war, wurden hauptsächlich dnrch die Unbestimmtheit 
Thronerbfolge hervorgerufen. Gleich nach dem Tode Stefan des 



ZZi 



Heiligen zeigen sich diese Bewegungen (1038 — 1046). Sodann könnt 
Andrt^as I. Sohn, Salamon, seinem Vater nicht auf den Thron fol^e 
wegen seines Oheims Bela; auch auf (3t'isa L folgte nicht dessen Sohn 
Koloman, sondern sein jüngerer Bruder Ladislaus, und damit KoIot 
seinem Sohne, Stefan IL, den Thron sichere, liess er seinen jüntrea-it' 
Bruder, Almos, blenden. Nach Geisa II. wiederholen sich die Zwistig- 
keiten in der königlichen Familie; diese werden von einem byzantiai- 
sehen Schriftsteller, Cinnamus, in folgender Weise erzählt : 

»Ge/sa hatte zwei Brüder, Ladislaus und Stefan C^\nh^^}{Hii^ 
Ti K*tt Xrt^ttfii), Ich weiss nichts sagt Cinnamits^ wodurch diese ihrtn 
älteren Bruder beleidigt hatten; allein dieser hasste sie ungt'm<tft. 
Xach vielem Umherschweifen wandten sich diese endlich an den Kaisir 
ftn Constantinopel ) und ßehten itm dessen Schutz, Hier nahm der £mt, 
Stefan, die Nichte des Kaisers, Marie, die schone Tochter des Seöash' 
krators Isak zur Gemahlin ; der andere blieb unvermählt. Als nach ätm 
Tode Geisas den Einen das gesetzliche fferkommen auf den Thron hvnnj 
(denn es ist bei den M agyare n Gesetz, dass die Krone inh 
m € r a uf die lebe n de n Brüder ü b e rge h ej, so bestrebte sich der 
Kaiser, sie in ihr Vaterland zurückzuführen, Geisa hatte nämlich, unUr 
aM i s sac ht ung des alten Ge setze s, die Her r s c haft setuem 
So h ne f Stefan HL) übertragen* Deshalb beraubten die Magyaren theih 
aus Achtung vor jenem Gesetze, theils aus Furcht vor der Invasion (ks 
Kaisers den Stefan, Geisas So /in, der Herrschaft und verliehen fiteat 
einem der Brüder, dem Ladislaus; dem andern Bruder^ dem äikrn 
Stefan, gaben sie aber als Antheil die Würde des ^,Uranr\ Dieser 
Titel pflegte bei den Magyaren den Nächsteii nach dem Könige zu 
bezeichnen. 384 

Nach der Erzählung des Cinnamus überging somit bei den Ma- 
gyzren die Krone nicht von dem Vater auf den Sohn, sondern vom 
Bruder auf den Bruder und diese !Mittheilung wird auch durch St\ 
Geschichte bestätigt. Ein ähnliches Gesetz finden wir merkwürdigerweise 
auch bei den Petschenegen, bei denen die Stammeswiirden nicht auf j 
die Söhne, sondern auf deren Oheime übergehen (siehe oben S. i}il 
Diese Erbfülge-Ordnong bestand also nicht blos bei den MagyareHt 
sondern auch bei ihnen verwandten Volksstämmen, Den Nachrichten 
des Cinnamus , entnehmen wir auch, dass dem jüngeren Bruder i\ti 
Königs der Titel oder die Würde des tUram» (-= «mein Hern») gebührte» 
welche Mittheilung schon deshalb bemerkenswerth ist, weil hier tiift 
griechischer Schriftsteller die magyarische Benennung beibehalten hatte» 
die wir sonst in den einheimischen ungarischen Chroniken vergebene 
»uehen, — Auffällig ist das Zusammen treffen dieses «Uram» mit di^ 
franaiösischen •Monsieur», welch letzteres, wenigstens bei den Bour- 
bunen, ebenfalls der Titel des jüngeren Bruders des Königs war; 
dienes Zusammentreffen ist auffallig, weil von einer Entlchnun,? 1»^ 
Hchwer die Rede sein kann, — Dieser Titel *Uram» ist nahe^o "**' 
L'inzige unter den wenigen ursprünglich magyarischen Würdenhenfi- 
nuiigcn, die wir verstehen. Das bei Ibn Dasia vorkommende »Kwit^^* 






[siehe oben S. 131), weklies im neunten Jahrhunderte die oberste 
ürde bei den Magyaren bezeichnet haben soll; ferner der ftGylas'» 
Gyula), den wir bei demselben Schriftsteller und hei Kaiser Constantin 
nden ; endlich der «Karchas»» der gleichfalls bei diesem und auch in 
en ungarischen Gesetzen vorkommt (siehe oben S. 143), sind unver- 
täfidliche Würdenamen* 

Die Vornehmen des ungarischen Königreiches nennt das Gesetz 

tefan des Heiligen « principes », das Gesetz des heihgen Ladislaus 

o|itimates >* ; aber in einer ürktinde vom Jahre 10S2 für den Wesspri- 

er Bischof nennt üic derselbe Ladislaus « J6bägyen » : "In Gegenwart 

unserer Jöbägyen (coram jobagionibus nostris) bat Bischof Johann uns, 

dass I. etc. (vgL Katona, IL p. 418.) Später wurde die Benennung 

«jobägyi* allgemein. Eine unrichtige Worterklärung schreibt das Wort 

jobbägyf und trennt es ijobb-ägy» (von «jobb-äg = melior ramus, stirps 

obilior; heute ist jobbagy ^ subditus, tributarius, colonus, villicus). -^^s 

n den alten Quellen, den Urkunden und Gesetzen, findet man das 

ort ausnahmslos «joubägy», cj6bägy» geschrieben^ demzufolge muss 

asselbe in folgender Weise analysirt werden: ♦•jou-bägyw, «j6-bägyi». 

Wo man (ijobbägy^ geschrieben findet, dort wurde eine neuere 

chreibung gebraucht- Nachdem wir oben gesehen^ dass die eJ6- 

bägyen 1» die Vornehmen des Landes gewesen, so lässt sich daraus nach 

rückwärts folgern, dass diese Benennung bereits vor Stefan dem Heiligen 

bestanden und die Häupter oder Vornehmen der Geschlechter bezeich- 

iiet habe. Unter Stefan und seinen Nachfolgern wurde dann diese 

Benennung zum Titel einer Reicbswürde. Da diese Würde vom Könige 

verliehen w^ard, so waren die Träger derselben die ijobägyen des.i 

Königs». Allmälig wurde Jedermann, der von einem Anderen ein Amt 

Oad statt der Besoldung Grundbesitz erhielt, zum «Jöbägy». In dieser 

-Bedeutung finden wir dieses Wort z^. B. in einer Urkunde des Königs 

-Andreas IL vom Jahre 121 1, in welcher die Güter der Abtei von Tihany 

^^^■ezählt und bestätigt werden. Darin heisst es, dass der König 

^^roh seine eigenen lieben und getreuen * Johägyen jf, d. i. durch den 

/^^Ivanzler und Palatin (Pfalzgrafen), die Freiheiten, Pflichten und her- 

^''^i^Ttihchen Verbindlichkeiten der Unterthanen, Johigyen, Hofleute und 

*^i- Hörigen des Klosters habe zusammenschreiben lassen. 3»^ Als<i : 

®^ Königs «Jobägyen» sind der Hofkanzler und Palatin; allein auch 

^ K^loster hat seine « J6b^gyen ^. — Wer überhauj)t verleihbaren Grund 



^^itz hatte, für desj^en Benützung ur Dienstleistungen erhielt oder Be- 

^lung erhob, der konnte auch Jobägyen haben. Wir finden darum 

J^^^^gyen des Königs, der Königin, des Tavemikus, der Btirgen, der 

^^crhöfe, Klöster u. s. w. Endlich nannten die Grundherren auch ihre 

•^^ern oder Grundholden * Jobägyen». 

Munfalvy» Ethnogr. I5 



Unter Jen • Biirg-J6bäg"ycn » finden wir jenen Unterschied» dS5 

im t y. Jahrhundert der •< Stand der J6hägyen des heiligen Känigst 

sich von anderen <( J6bagyen » unterscheidet, was folgender Fall beweist: 

*A/s der siebenbürg'ische IVq/wnäe und Gespan vnn Dihokn das 
Heer inspicirte^ fand er im Lager einen Johägyen Namens Nenh au\ 
dem Stande der natürlichen y d ha gy e n , W'/che sich «JiS^ ,f. 
gyen des hei/igen Königs^ nennen. Es erschienen aber von det^ 
yöbdgyen des heiligen Königs die beiden^ Vanoy und Bocyia^ und st u 
jenen aus ihrem Stande, indem sie sagten, dass er nickt zum S:^r..- 
und Hange der yöbdgyen des he it igen Königs gehöre. Dassel he Itehanpta 
auch der *hadnagy* fhadunogio, Geschiechtsältester ? später Zugführer, 
Lieutenant) Kevereg und der ^oMgy Keril (et Kereu Jobagif*). Nachdm 
der genannte Gespan sie verhört hatte, schickte er sie mit dem GerichH*' 
heroltte ßok de Bosk fpristaldus nomine ßocy de vi IIa Boscu) nach Grm- 
wardein zur Feuerprobe. Dort hekelirten sich Vanoy und Bicyta unJ 
gestanden vor dem Herold und vor Theodor^ der statt des ^hadnaj^* 
Kevereg und des « Jöbagyen » Kerll i(ekommen ivar, sox\.Hje vor dem Oipittl 
dass sie den Heros ungerechter Weise aus dem Stande der ^öbägyen de 
heiligen Königs ausgeschlossen hätten, ß? A ndernorts nennt sich diistr 
Stand <ydie Söhne der yöbdgyen des heiligen Königs,* i^^ 

Zur Zeit der Arpäden waren also, wie wir gesehen haben* <ii^ 
Vornehmen des Landes oder die obersten Würdenträger des Kömg- 
reiches «J6bägyen», somit « Jöbägyen des Königs». Nach und nach 
veränderte sich die Sprache und jene grossen Würdenträger erschein«« 
in den lateinischen Urkunden als « Barone •♦, welche Benennung den 
Namen ^j6higyn für diese Vornehmen verdrängte. Schon in der Ze:i 
Bela IV. und Ladislaus IIL (IV.) macht sich der neue Name und fflii 
demselben ein neuer politischer Geist geltend. Bi!la hält im Jahre iHl 
mit den Fürsten und Banmtn des Reiches Rath (cum princi|Hbus et baro- 
nibus regni nostri) und macht demgemass Donationen; im Art. 59 ^«^ 
unter dem päpstlichen Legaten Firman im Jahre 1274 zu Ofen abgehal- 
tenen Synode steht: «Könige, Fürsten, Binme und andere Katholiken» 
(regum, principum» banmum et aliorum catholicorum). Ebenso begafi» 
auch Ladislaus oder vielmehr sein Kanzler statt «joubagioi den Aus- 
dnick « baro » zu gebrauchen. 3% 

Das Wort *ßbdgy% verstehen wir heute nicht mehr» wir seheß 
nur, dass es ein Compositum von «/f^» und ^bdgyn ist. Dieses • 
kommt auch in Ortsnamen vor. So z, B. in älteren Ortsnamen'. 
JShdgy (Joubag), Otvbdgy {Otoh^g)\^')'^ in heutigen: /Mdgyi (JöbigpV 
/obhdgY/aiva, Johhdgy ielh. Auch ein * Bdgy • gibt es (im Sz^klerstüHl 
Udvarhely), ferner: Htyrio-hdgy, Szaldo-bdgv (in Mittel -Szolnok» Biloal 
und Szatmar), Kis-Tor-hdgy (im Pester Comitate). Lasst sich di( 
■ bägy» mit dem chazarischen «bak», • beg » (siehe oben S, 137) od< 
mit dem bulgarischen • bolj » vergleichen? Ich weiss es nicht. 

Unter den Amtsbenennungen erscheint häufig der Ausdruck •hihi 
oder fbilot* (bilochus, bilotus)» der so viel als «Richter» bedeute 



fl 



tikel 5 der «Goldenen Bulle i» Andreas IL vom Jahre 1222 verordnet, 
SS die Gauner und Uebelthäter von den königlichen Bi lochen ins 
Brhör genommen werden sollen, doch stets nur mit Vorwissen des 
urgvogtes. 39^ 

Die gewöhnlichsten Amtsbenennungen sind der «ispan» (comes, 
«espan) und « poroszt6 » (pristaldus, Gerichtsbote, Herold), Das Wort 
ispän » ist der magyarische Ausdruck des slavischen « zupan, zpant; 
as Wort selbst bezeichnete die verschiedensten Aemter und Würden. 
ils gab nicht blos bei dem Könige einen «Hofgespan» (comes palati- 
ms, woraus später die oberste Reichswürde des flPalatinsi* entstand), 
ondern solche « Hofgrafen ♦ hatten auch die Fürsten und Herren bis 
rerab zum einfachen Edelmanne, der noch einen »Hof» (curia) besass. 
)er heutige « Gutsvervvalter » (magyarisch « gazdasagi ispdn = Wirth- 
chaftsinspector») .bildet jetzt die unterste Stufe dieser «Gespane». Vor- 
em gab es einen «r Regierungs-Gespan * {mag}'arisch * Kormanyzö- 
>pän», comes parochianus), jetzt « Obergespan » (magyarisch « fö-ispän •), 
inen « Hofgespan • (magyar. tbir^-ispänt, comes curialis), jetzt «Vice- 
espan» (magyar. alispdn = Untergespan); einen «Burggespan» (magyar, 
är-ispan), dann «Gespane* oder Grafen einzelner Volksstämme, z. B. 
en Petschenegen-Gespan (magyar. '«besenyök ispänjai«), der Gespan 
er Zipser Deutschen (der Zipser Sachsengraf) u. A. 

Das Wort «poros2t6ii (Gerichtsherold) ist der magyarische Aus- 
i?uck des slavischen «pristav» und bezeichnete vordem den gesetzlich 
letrauten, den Executor; in vieler Beziehung entsprach es dem latei- 
i'^chen «. praeco % dem deutschen ♦< Herold ». Heute spricht und schreibt 
*fln das Wort ^ poroszlo » und versteht darunter einen einfachen Amts- 
iener. 

Auch die übrigen Amtsnamen sind slavischen Ursprunges, vgL 
*>en S. 182. 



§ 50- 



Das ungarische Christenthum und Königthum keimte in dem 
htrile jenseits der Donau; die Stadt Gran und die Abtei auf dem 
^^Hinsberg waren die ersten Stätten derselben. Auch die Reaction 
^gen beide Institutionen entbrannte zuerst jenseits der Donau unter 
6r Anführung Kupa*s oder Koppäny*s. Das ist ein Zeichen, dass auch 
2s Magyarenthum, wie vordem die Avaren, in diesen Landestheilen 
^ne Hauptstärke besass. Desgleichen war auch die fränkisch-deutsche 
'errschaft und das mit demselben verbundene Christenthum und die 
isellschaftliche Bildung dort am meisten entwickelt gewesen. Das 
ue Land und Königreich erhielt seinen Namen von dem magyarischen 




Volksstamme und wie es bei den einheimischen Magyaren als *yi9Lg 
orszag» (IMagyarenland) genannt und geliebt wird, so nennt es 
Lateiner « Ungria», später «Ungaria», «Hiingaria*; der Griechie Owyyi' 
der Deutsche ^ Ungern » oder * Ungarn «. Obgleich Gran der Sitz dd 
Grossfiirsten Geisa war, obgleich auch hier die erste Krönung erfolgte 
so wurde doch nach Stefan « SiuhiwiissenburgA (magyarisch « Feh^r\ip 
zur Residenz der Könige erhoben; vielleicht deshalb, weil in dem Doi^ 
daselbst der erste, spater heilig gesprochene König bestattet ward ua 
auch seine Nachfolger hier gekrönt wurden. Der Beiname ■ weiss» wa 
auch bei den Chazaren im Gebrauche, « Sarkel » bedeutete bei dies 
«weisse Niederlassung»» *i weisses Haus» (siehe oben S. 137). Eben* 
gebrauchte man dieses Epitheton bei den Petscbenegen, bei denen 
Haupt- oder erste Veste gltichfalls • Weissunburg » hiess (siehe ob 
S. 138). Nicht minder nannten die Bulgaren ihre yeste am Eintlusi 
der Save in die Donau, an der Stelle des römischen Singidimum, ^1^ 
visch « Belgrad n (^ VVeissenburg, magyarisch Fejer-vär), welche Sti 
später, als die Mag>aren unter Anführung des Königs Salamon und 
Herzoge Geisa und Ladislaus gegen die Griechen kämpften, im Ma^ 
gyarischen den Namen «Naudor-i» oder « Ländor-Fej^r\'ar» erhielt* 
russische Chronist Nestor nennt die Chazaren selbst *weüstr l\i,m'H^ 
als er erzählt, dass Kaiser Heraclius sich mit ihnen gegen die Pers( 
verbündet habe (siehe oben S. 86). 39' Das f^pitheton «weiss» bezeichnö 
also, wie es scheint, bei diesen Völkern so viel als <( ausgezeichn^ 
vorzüglich, vornehm, hervorragend»». 

Aus den Theilen von jenseits der Donau, aus der Gegend v^ 
Gran^ Martinsberg, Stohlweissenburg verbreitete sich dann das ung 
rische Christen- und Königthum nach dem Süden, (Jsten und Norde 

Im Süden schlössen sich an Ungarn: jenseits der Drau Slavoniö 
jenseits der Save Croatien. Diese Namen beliessen die JMagyarcs 
denn die Bewohner jener Länder blieben dieselben. Im Südost^ 
machte der Herrschaft Ahtum's schon Stefan der Heilige ein Knd 
das Gebiet Ahtum's war von JVlagyaren, Slavcn und slavisirten Bül| 
ren bewohnt und hatte keinen besonderen Namen ; es bildete fori 
einen integrirenden Theil des ungarischen KÖnigreiclies. Im Osten befa^ 
sich »t Schwarz- Ungarn V (Ungria Nigra), wie wir oben (S. 217) gesell 
haben. Der Name zeigt, dass man dasselbe für ein Land der Mag 
ren, nicht der Petscbenegen hielt. Auch über dieses Land !)reitete si^ 
die Macht des ungarischen KönigreicIies aus, c Schwarz-Ungarn i» wu 
zum »Land hinter dem Walde» (*Erdö-elv = Erdely^, d, i, »terra 
silvam»). Dieser Name bezeugt deutlich, dass dieses Land von did 
seits, d. i. von dem eigentlichen Ungarn aus durch die Magyaren 
Besitz genommen wurde. Allein die Benenimngen «Schwarz-Unga 



229 

Erdclyj» (Traossilvania) bekunden zugleich, dass nach den Avaren die- 
ses Land von keinem solchen Volke bewohnt war, vvelcheR demselben 
einen eigenen Namen hätte verleihen können. Die Bewohner des Lan- 
des (denn für absolut unbewohnt kann man es nicht halten) waren 

Iso sicherlich gering an Zahl, lebten zerstreut und entbehrten aller. 
ivTiegerischen oder gar staatlichen Institutionen. Jene wenigen Bewoh- 
ner waren Slaven, was die Ortsnamen beweisen, als: Toplicza, Bistra, 
pukova, Dobra, Glimboka, Glogovicza, Koväszna (Kvasna). Ponor, Za- 
latna (Zlatna), Pojana (Poljana), Prosaka, Priscop, Ribicze, Roviua, Ruda, 
Ostrow, Lunka cserna (Schwarzwiese) u. a. Ebenso die folgenden 
Flussnamen : Strela, Cserna, Bistritza, Ilova, Kraszna; die Kokel (Kü- 
küllö) nennen die Rumänen »lTirnawa^ was im Slavischen so viel als 
» Dombach » bedeutet ; also auch diesen Namen entlehnten die heutigen 
Rumänen von den früheren Slaven. 

Nach der Besitznahme Siebenbürgens durch die ^lagyaren ent- 
stand sogleich Wefsst n&urg (magyarisch ftFejerväri* oder «iGyula-Fejervdr») 
nfiil dem Bischofssitze, 

Die Verbreitung der IVIagyaren von Westen nach Osten blieb in 
Siebenbürgen nicht stille stehen, d, h. die Magyaren überstiegen nicht 
blos den «Wald* (ob der Pass ♦( Königssteig » seinen Namen nicht vom 
Kriegszuge des h. Ladislaus erhalten hat?), sondern auch die «Alpen», 
d, i. die südöstlichen Alpenberge Siebenbürgens, indem sie sich auch 
über dessen südöstliche Grenze hinaus verbreiteten. Dadurch entstand 
ein neuer Ländername : « Havas-elv-föld » oder « Havas-el-föld «^ ^ terra 
ultra alpes (t Land jenseits der Alpen «). Wie aus der * terra ultra sil- 
vara V im Laufe der Zeit « Transsilvania » geworden ist, so wurde aus der 
»terra ultra alpes« Transalpina, die heutige Walachei, Der neuere 

Sprach- und Schreibgebrauch, welcher sich um die ältere Sprache 

wenig bekümmert» spricht und schreibt allerdings * Havas-rzZ-föld », in- 
dem er meint, es sei hier eine Analogie mit •< heg)'-alja » = « Fuss des 

Gebirges», Vorberge; also «havas-alja» = Vorberge der Alpen. Allein 

^S besteht ein grosser Unterschied zwischen « erdö-alja •♦ und ^ erdö- 
elve#; ersteres bedeutet der '«Fuss desW^aldes», also nur den unteren 
Saum desselben ; letzteres das jenseits des Waldes vorgelagerte Gebiet, 
also ein ganzes Land. Demgemäss würde auch « havas-alja » nur den 
Untersten Theil der Alpen, deren * Fuss j» bezeichnen; indess «i havas- 

Iv * das ganze Land benennt, was auch urkundlich bestätigt wird. Aus 
einem Schenkungsbriefe Bela IV, vom Jahre 1247 erfahren wir, dass 
das ganze Gebiet jenseits der Siebenbürger Alpen bis zum Meere, also 
die heutige Walachei^ mit diesem Namen bezeichnet wurde. Die geo- 
graphischen Benennungen « erd<5-elv » und «havas-elv* sind somit un- 
trügliche Wegweiser jener Richtung, nach welcher sich das ungarische 



230 

Königreich hauptsächlich ausbreitete und geben zugleich Zeugnis, diSn 
sowohl Siebenbürgen als auch das «Land jenseits der Alptn • herren- 
lose Gebiete waren und deshalb leicht in Besitz genommen wenieuj 
konnten. Denn wo der Besitzererei Ter auf einen Herrn oder Bei 
tri fit, dort hat der Besitz auch einen Namen, den alsdann der Occu 
mit dem Besitze übernimmt. 

f. VölkerankÖmmiing^, die mit den Magyaren TM-rsehmohtn. 



§ 51- 

Auch bisher haben wir mehrere Verschmelzungen von V6Ik^l^ 
Stämmen mit den Magyaren kennen gelernt, V^or ihrer Ankunft im 
heutigen Ungarn vereinigte sich mit ihnen der chazarische Stamm lid 
Kabaren oder Kavaren und ging allmälig in ihnen auf. Nach ihiei 
Niederlassung an der Donau und Theiss vermehrten ihre Zahl die w* 
rückgebliebenen Slovenen dies- und jenseits der Don an und brachw 
zugleich viele slavische Elemente in die magyarische Sprache, Nacii* 
dem die Magjaren das Christenthum angenommen hatten» begegnen' 
wir bei ihnen ismaeli tischen Kaufleuten und ismaeli tischen Ader- 
bauern ; jene lebten zerstreut, wie das ihr Beruf erfordert, diese wöhntfiH 
compact beisammen. Aus den Anordnungen der Könige LadislattSv 
Koloman und Andreas IL lässt sich zwar nicht erkennen, welcbcffll 
Volksstamme diese Isniaeliten oder Mohammedaner angehörten; vm\ 
kann nur vermuthen, dass es Bulgaren, Chazaren (Baschkiren) o^\ 
einzeln hierher gekommene Kaufleute anderer Nationalität, z. B. t^\ 
tschenegen gewesen seien; allein welchem Stamme sie auch angebö^^ 
haben, sie verschmolzen ebenfalls mit den Magyaren. 

Pchchenegen. 

Die Petschenegen folgten den Magvaren (vgl. oben S. 158 und 
139) und waren deren östliche Nachbarn in der heutigen Moldau uö^ 
Walachei. Zur Zeit des Constantinus Porphyrogenitus (um 950) zähltß^ 
sie zu den mächtigsten Völkern diesseits der Donau und die Magyarß" 
raussten ihre Macht wiederholt empfinden. Allein später, während ^^^ 
ganzen 10. Jahrhunderts, scheint der Friede zwischen den beiden Nacl'" 
bar\^ölkern nicht gestört worden zu sein ; zum mindesten mangelt un* 
hievon jede Kunde. Ob in diesem Jahrhunderte Petschenegen auch in 
das Land der Magyaren eingewandert sind, ist ungewiss, meiner Ansicht 
nach auch gar nicht wahrscheinlich ; obwohl unsere Chroniken solch*^ 
Einwanderungen erwähnen. Denn zu jener Zeit stand die Macht '^^^ 



jtschenegen hoch; dieser Umstand inusste eher Fremde zu ihnen her* 
locken, nicht aber, dass sie zii Auswanderungen geneigt sein mochten. 
i ist darum unwahrscheinlich, was der Anonymus erzählt, dass schon 
ter dem Grossfürsten Zoltan viele Petschenegen sich jenseits des 
jusiedlersees im Wieselburger Comitate angesiedelt hätten, damit sie 
rt das Land vertheidigen, falls die Deutschen wegen der an ihnen 
ruhten Angriffe Rache nehmen wollten. -^^3 Wenn der Anonymus in 
r That jenseits des Neusiedlersees von anderen als magyarischen Be- 
htiern etwas gewusst hätte, dann könnte man diese für Avaren halten, 
flehe zur Zeit Zoltän's daselbst noch vorhanden sein konnten, d* h, 
t den Magyaren noch nicht verschmolzen waren ; allein der Anony- 
ts hörte keine Silbe von den Avaren. Glaublicher ist, dass später 
zelne Vornehme hierher kamen, wie z, B, unter dem Grossfürsten 
ksony der « Bissene » Thonuzoba 394 sein mochte ; allein wer konnte 
s Einwanderung solcher Einzelner selbst zur Zeit Stefan des Heiligen 
>sen? Geschichten, wie die des Thonuzoba, entstanden, als man zur 
iterstützung des Anrechts auf das liegende Besitzthum nach Genea- 
jien suchte und, wenn man sie nicht fand, solche erdichtete. Auch 
ler Umstand, dass die Chroniken die Petschenegen nicht in das ihnen 
nachbarte Siebenbürgen, sondern an die mittlere Theiss oder gar an 
' westlichste Grenze des Landes versetzen, — auch"^ dieser Umstand 
cht jede petschenegische Einwanderung vor Stefan d. H. unwahr- 
teinlich. 

Der Legende zufolge kämpfte Siefan d. H, gegen die Petsche- 
fen im heutigen Siebenbürgen. 39s Aber zur Zeit Stefanos begann die 
Itirchtete Macht der Petschenegen bereits zu sinken und um das 
kr 1049 gerieth sie in gänzlichen Verfall. Die Petschenegenfürsten 
äkundKegen erhoben sich gegen einander und boten dadurch den 
isern in Constantinopel Gelegenheit zur Inter\'ention. Im Jahre 1065 
cheinen dann die Rumänen, welche die Petschenegen allmälig unter- 
"feti und deren Land in Besitz nehmen* Die petschenegischen Ein- 
nderungen nach Ungarn begannen zur Zeit Stefan*s, 39^ was wir als der 
hrheit gemäss annehmen können, weil die Petschenegen bald darauf 
den Urkunden erscheinen. Insbesondere in dem Stiftungsbriefe der 
iei zu Zastyi (Zag>'i?) um das Jahr 1067 wird in der Gegend von 
au, Szihalom, {Di6s-) Gyor u. s. w. ein & Petschenegen -Brunnen ^ dann 
-tschenegen-Leichenäcker »♦, t Petschenegen -Ritter« u* s. w. erwähnt. ^97 
-NEY hat die Spuren der Petschenegen-Niederlassungen mit grossem 
isse gesammelt, diese nach den Comitaten aufgezählt und auch die 
tunden angegeben, in denen von ihnen die Rede ist. Grössere pet- 
enegische Ansiedelungen waren in den Comitaten Wieselburg, Oeden- 
^, Raab, Stuhlweissenburg und Csanäd ; kleinere in den Comitaten 




23J 

Aradt Bäcs-Bodrogr, Baranya, Bars, Bihar, Borsod, Heves, Komom» 
Neitra, Pest-Pilis-Solt, Pressburg» Sümcgh, Szabolcs» Szala» Temes, 
Tulna und Torontdl ; dann auch in Slavonien und Siebenbürgen»^* Die 
Petschenegen tiessen sich somit zerstreut in ganz Unj^am n teder, Ihr 
Andenken ist bis heute durch zahlreiche Ortsnamen *• Be.senyö, BeWj», 
in Slavonien «Besenovo» erhalten, wovon jedes Ortslexikon von Ung:arn 
deutliches Zeugniss ablegt. Einige darunter ?;ind dadurch merkwürdig, 
dass sie auch eine Uebersetzung haben. So heisst z. B, das *Beseny5» 
im Bistritzer Stuhl in Siebenbürgen bei den Deutschen « HeideTh 
dorf», ein Beweis, dass die dahin eingewanderten Sachsen die Petsche^ 
negen als Heiden betrachtet oder als solche gekannt haben. Wo also 
die Urkunden der <i Heidengräber» (sepulchrum paganorum) gedenken, 3« 
dort bestanden Petschenegen- Ansiedelungen. Auch Rode-Namen beleih 
gen die Existenz der Petschenegen ; z. B. Besen vü-tarl6 (= Petsik- 
negen-Feid), Besen} c>-asz6 (= Petschenegen-Thal), Besenjö-mal (=Pe- 
tschenegen-Abhang) etc. 

Die Petschenegen lebten unter ihren eigenen Gespanen (Grafenl 
und Richtern, deren Namen Jernev aus den Urkunden zusammen- 
las ;+'*'^ ihr Oberrichter war in der Regel der Palatin» Die PrivHle^ial 
Urkunde der Bewohner von Arpas (siehe oben S* 202) aus dem Jahre 
1122 bezeugt z. B. die bürgerlichen Zustände der Petschenegen. 

« Ji^ir Gyula f Julius J, Falatin und Obergespan von Oedenl^ur^» 
enibieten Jetzt und künftighin Allen, welche diese unsere Sehr t/t ksm, 
Gruss und allen Segen. ^ IVir ivünschen yedenuann kundzugeben, ffäss 
die Petschenegen von Arpds (Bisseni de Ärpds im Oedenöurger C^/ni" 
tatej, welche unter unserem Paiati7iate stehen, vor uns erschienen sind 
mit der Klage ^ dass ihr von uns ernannter Gespan fOrafj Lukas ihn 
alten Freiheiten sehr stark verringere. Nachdem wir jedoch Gesetz und 
Gerechtigkeit üben wollen, so bestellten wir mit Einivilligung der Petsck- 
negen und des genannten Gespans Lukas den Martin Poki an umm 
Stelle zum Richter. Vor diesem erschienen die Parteien und die Petstk* 
negen beschuldigten den Gespan Lukas, dass er ihre Freiheit vernkhkt 
habe, Lukas antxmrtete, dass er gegen ihre Freiheit nichts begann 
habe^ sundern in der Eintreibung aller Pikkstände ( Schulden J den ÄH' 
Weisungen des ^ubagyen Mika, der vor ihm im Amte gewesen, geßl^ 
sei. Dadurch entschuldigte sich also Lukas und Mika wurde v»? mts 
Gericht citirt. Dieser konnte sich auch nickt rechtfertigen, sonäif^ 
bekannte aus Mangel an Vertheidigung sich selbst als schuldig, tf 
wurde darum zum Verluste seines gesawmten Vermögens und dazu vrrur 
thei/t, dass weder er, noch seine Nachkommen je zur Jöbägyen-Wadt 
gelafigen sollefi. Auf diese Weise wurde die Angelegenheit unter dtn 
Parteien erledigt; Joachim Babuti, Sohn des Roz^ war unser GenchtS' 
herald. 

Nachdem aber die öftgenannten Petschenegen besorgten, das^ i^ 
Zukunft irgend ein Jobdgy oder Gespmn das böse Beispiel be/alg(H uuji 
ihre Freiheiten abermals ver kurzen kÖTtne, so baten sie uns i/fstäftdi^* 
dass wir dieselbe schriftlich zusammenfassen. Wir fanden die Bittf 
gerecht und haben ihre Freiheiten^ wie uns solche aus wahren unä 
getreuen Nachrichten bekannt geworden, in dieser unserer Urkunde fff 
folgender Weise zusammenschreiben lassen : 



' jedem dritten yahre shid sie verpflichtet von je zwei Pferden 
mantiianischen f?J Denaren sechs Fensen zu bezahlen; wer aber 
:ht in den Krieg ziehen kann, zahlt von jedem Pferde sechs Pensen. 

Der Gespan kann nur einmal, wenn er ernannt wird, bei ihnen 
tartier nehmen; aber der Richter ist verpflichtet^ sie jährlich oft zu 
suchen und in den ihm vorgetragenen A,n gelegen ketten Urt heile zu 
/ien. 

Sobald der neue Gespan zu ihnen kommt (bei ihnen Quartier 
nimtj, sind sie nicht verpflichtet ^ mit ihm zu gehen, sondern einer 
f^er Jöbägyen begibt sich zu ihm und zeigt ihm ihre Rechte vor. 

Der Richter kann nicht bei Jenen einsprechen (Quartier nehmen)^ 

* persönlich zum Kriegs hee^re ziehen. » 401 

Der Palatin ernannte also den Verwaltungs-Gespan, den zuweilen 
r J6bägy vertritt. Bei den Petschenegen, wenigstens bei denen zu 
•päs, war somit « J6b<igy • eine Würde, ein Amt. Der Verwaltungs- 
^span oder Jobilgy führte sicherlich die Petschenegen auch im Krjege 

* obzwar das nirgends gesagt ist. In jedem dritten Jahre erhebt er 
sechs Pensen von zwei Pferden bei solchen Petschenegen, die in 

n Krieg ziehen (also kampffähig waren) ; von solchen aber, welche 
rsönlicb nicht zum Kriegsheere ziehen konnten, erhob er sechs Pen- 
n nach jedem Pferde. Der Verwaltungs-Gespan konnte nur einmal, 
\ seiner Ernennung, bei den Petschenegen Quartier nehmen; alsdann 
ussten diese seine Leute (Diener), Pferde etc. erhalten, darum bestand 
ne ihrer Freiheiten darin, dass derlei Besuche nicht öfters geschehen, 
araus geht auch hervor, dass der Paiatin den Verwaltungs-Gespan 
sr Petschenegen von drei zu drei Jahren zu ernennen pflegte. Der 
ätschencgen- Richter war verpflichtet, zur Erledigung der Processe jähr- 
:h Öfters dahin zu gehen, durfte aber nur bei jenen Quartier nehmen, 
le nicht persönlich in den Krieg zogen. 

Eine ähnliche Verfassung wie diese Petschenegen von Ärpäs, 
lochten auch die übrigen Petschenegen des Landes haben, obgleich 

* darin an Unterschieden nicht fehlte. So lesen wir z. B. in der Ur- 
<iiide des Königs PLmerich vom Jahre iig6 für die Abtei Csikador (die 
"^ Jahre 1 142 gestiftete erste Cisterzienser-Abtei) von den Petschenegen 
^i Essek in Slavonien Folgendes: iWir verordnen auch, dass die 
'Twaeliten oder Petschenegen (Hymaelitae vel Bisseni), seien sie welchen 
^ndes immer, auf dem Markte zu Essek und bei allen Fähren, welche 
'*■ Abtei gehören, ohne Weigerung Zoll (Mauth) bezahlen müssen.» (Vgl. 
*tNEY, L c. L 251.) — Jene Petschenegen aber, welche Andreas IL 

Jahre 1224 in seiner Urkunde zu Gunsten der Sachsen im Vereine 
^ den Walachen erwähnt» sind offenbar gleich den Walachen oder 
*^änen ans der Walachei hierher gewandert und keineswegs solche, 
als «Szekier», d, i, Grenzwächter, Privilegien erhalten hätten. -»^^ Die 
^ilegirten Petschenegen waren aber ohne Zweifel, wenn auch keine 
'k^ler, so doch zum Kriegsdienst verpflichtet. 





m 



Nach dem Ausgange des Arpadenhauses verändern sich die pülj*j 
tischen Anschauungen r der Adel kommt empor, das allgemeine J6bi-J 
gyenthum sinkt zur Bauernschaft herab ; das magyarische Wort •pifij 
(vom deutschen »Bauer») zeigt, dass dieser veränderte Geist vom Wc-I 
sten her sich nach Ungarn verbreitet hatte. Der Artikel VI des (jcI 
setzes vom Jahre 1351 unter König Ludwig I. setzt in Ungarn diel 
neue Richtung fest. 

^'Aussere/em werrkm wir und die Königin^, so lautet der ArttklA 
%von jedefn unserer Jöhdgyen^ mögen sie nun in ackerbautreibenden (dffl 
in weinbauenden, in freien oder in Burghofdihfern liyohnen, tindmiX 
immer für Namen haben, sowie auch in den Dörfern der Königin, nurX 
allein die mit einerSteinniiiuer umfangenen StädtfX 
ausgenommen, von jeder Ernte und jeder Weinlese den Neuni<»\ 
ein heben lassen. Darum mögen auch die Grossen des Landes (banmlX 
und die Edelleute von allen ihren ackerbautreibenden oder 'weinbautn^X 
yöbägyen, mögen diese auf zvelch immer ihrer Besitzungen ivobnen, -'<?«! 
jeder Ernte tind Weinlese den Neunten eintreiben und zu ihrem etgcntnX 
Nutzen behalten. Auch die Prälaten und kirchlichen Personen, wtkU\ 
yobdgyen haben, mögen, zvie vordem den Zehnten ^ nunmehr auch ( 
Neunten vom Getreide und Wein ein heben. 

Wenn aber Jemand bei der erwähnten Eintreibung anders k»' 
dein wurde; so werden wir gegen einen solche^/ Empörer und IFidtrA 
sacher dieser unserer Anordnung den Neunten der Ernte und des Wtx-X 
nes ohne Verkürzung oder A'achlass für uns selbst eintreiben lassen,] 
— damit dadurch unsere Achtung zunehme und die Besitzenden im Z^JwrffJ 
(regnicolaej uns um so getreuer dienen mögen. » 403 

Die neue Richtung verändert aüch die Sprache, Unter den Ärpl-' 
den gab es «Jöbdgyen» des Königs; jetzt « barones *°'* regni et nobileJ» | 
(«Grosse des Landes und Edelleute») und diese beiden Stände zusam- 
men wurden als «regnicolae» = die Besitzenden im Lande bezeichnel.J 
Dagegen versteht man unter dem alten Worte «jobagj^» bereits dei 
Bauern, der kein «regnicola», kein Grundbesitzer sein kann. Aus dem 
Gesetze geht aber hervor, dass die neue Richtung, insbesondere die| 
Neiinten-Eintreibung, keinen allgemeinen Beifall gefunden habe; 
zwar es sehr glaublich erscheint, dass eine derartige «Empörung»^ 
welche sich geweigert hätte, das sehr bedeutende neue Einkomnieöj 
zu acceptiren, gar bald verschwinden musste. Um so mehr schmeO 
die J6bägyen die neue Last, von der nur die Bewohner der mit einCl 
Steinmauer umgebenen Städte befreit waren, und wir begreifen 
dass sie noch hundert Jahre spater die von den heiligen König 
ihnen verliehenen Freiheiten suchten. Dem neuen Geiste gemäss 
ken auch die Petschenegen zu gemeinen Bauern herab, ausgenomme 
jene Einzelne, welche den Adel erhalten hatten, also in die Reihe dfl 
Regnicolaren aufgenommen wurden. Für das Erstere sind Beispiel 
die von Petschenegen bewohnten Sze kl er- Ort sc haften Kanta, Karatn4 
Als6- und Felso-Volal, Peselnek, Szärazpatak und Kezdi-Szent-L^lel 
w^elche mit dem Weissenburger Comitate vereinigt wurden, als di 



esclilecht Apor dieselben und die Feste Bälvänyos zur Donatio]"j 
JEnpling. ^'^s 

I Ein Beispiel für die hindere Erscheinung sind jene zahlreichen 
frkundenj welche von Carl angefangen bis Uladislaus IL die Privile- 
len der Edelleote von Alt-Eesenyö (Bisseni nobiles de Bessenew) 
es tätigen. 4^ 

^ So lange unsere Geschichtsquellen der Ismaeliten gedenken, 
^solange befanden sich gewiss auch Petschen egen darunter. Aliein es 
t schwer anzunehmen, dass jeder Ismaelite nur Petschenege oder um- 
^kehrt die Petschenegen, bevor sie das Christenthura *ai;inahmen, 
Lnimtlich nur Ismaeliten gewesen wären. Das Petschenegenvolk selbst 
^rschwaad allmälig sowie ihre Privilegien in Vergessenheit geriethen; 
lir die adeligen Petschenegen bleiben bis in die Türkenzeit. Die 
rtsnamen aber, welche das Wort «Eesenyö» entweder allein oder als 
pitheton führen, haben das Andenken an jenes Volk der Petschenegen 
►s an diesen Tag fort erhalten. 



I 



Du Kumanen. 
\ 52- 



Unter den Völker- Ankömmlingen gehurt der erste Platz den 
'umanen. Sie bilden auch heutigen Tages noch zwei grosse Zweige : 
&r eine wohnt innerhalb der Ausläufer des Mätra-Gebirges in den 
omitaten Borsod, Heves, Neogräd und GÖmör unter dem Namen der 
hioczen und der andere auf der Ebene zwischen der Donau und der 
heisSj in Gross- und Kiein-Knmanieji, die eigentlichen Kumanen, Der 
Janiensunterschied bezeugt^ dass sie zu verschiedener Zeit und unter 
Ärschiedenen Umständen hierher gekommen sind, sowie sie auch in 
politischer Hinsicht von einander sehr verschieden wurden. 

Das Volk der Kumanen drang nach den Petschenegen von der 
^'tilg^a her in der Richtung des schwarzen Meeres und der Donau vor. 
^ unseren historischen Horizont treten sie als Uzen — das war ihr 
Ötkischer Name — bei ihrer Vereinigung mit den Chazaren gegen die 
«tschenegen, welche dadurch von den Gestaden des Atel (Wolga) 
tad Gejch (Jajk, Ural) vertrieben wurden. Deren Sitze nahmen um 
u^ Zeit von 880 — 900 die Kumanen ein (siehe oben S. 138). Auch 
ßch einem halben Jahrhundert sind sie noch dort, was wir von Con- 
*^tinus Porphyrogenitus erfahren, welcher berichtet; *Man muss 
nssen, dass bei Vertreibung der Petschenegen aus ihren Wohnsitzen 
*ö Theil dort gebliehen ist und dort bis zum heutigen Tage vereint 
!^it den Uzen wohnt» (siehe oben S. 138). Bei Abnahme der Petsche- 





«36 

negenmacht kamen die Rumänen den Ländern der Russen und Ma- 
gyaren stets näher. Im Jahre 1061 fallen sie zum ersten Male in diiT 
Besitzungen der Russen ein. «Wsewolod' ging ihnen am 2. Februa 
entgegen und als es zur Schlacht kam, wurde er, von ihnen besieg 
Das war das erste Unglück, welches dieser htidnische und hose Fttnd dtA 
Russen verursackle*, schreibt der nissische Chronist Nestor (lebte zwiJ 
sehen 1050 — 1114). -»"t Die Russen nennen diesen ihren bösen Feind 
• Polowzerw, nach den Russen gaben ihm auch die Polen denselben 
Namen. — Die Magyaren lernten die Kiimanen im Jahre 1086 zuerst 
kennen, als Salomon im Kampfe mit König Ladislaus I, (dem Hdlw 
gen) um ihre Hilfe ansuchte. Die Rumänen («fKünok» nennen sie diel 
ungarischen Chronisten) dehnten ihre Verwüstungen bis an die festen] 
Schlösser Ung und Borsva aus, bis Ladislaus sie zurücktreiben konnte,! 
Nachdem sie aber den Weg über die Karpaten kennen gelernt hatten»! 
brachen sie im Jahre 1089 abermals in Siebenbürgen ein und einige j 
ihrer Schaaren drangen bis in das Gebiet diesseits der Theiss vor. Dal 
eilte Ladislaus aus Croatien herbei und besiegte die Eindringlinge zum 1 
wiederholten Male. ^"^^ Dass die Kumanen sowohl über die nordöstlichen 
wie über die östlichen Karpaten hereinbrechen konnten, beweist, dassl 
die Macht der Petschenegen bereits gebrochen und an deren Stellt' inj 
der Moldau und Walachei die Kumanen getreten waren. Später ver-' 
wüsteten Petschenegen und Kumanen vereinigt die angrenzenden Län- 
der, insbesondere Russland, Bulgarien und das griechiFiche Reich: wdI 
Zeit zu Zeit suchten sie auch Ungarn heim, namentlich das nahegel^ 
gene Siebenbürgen. Ob die beiden Völker vollkommen mit einander 1 
vereinigt waren oder ob die Petschenegen nur die Oberhoheit dcrl 
Kumanen anerkannten, das lässt sich nicht bestimmen. Der Xamft] 
der Kumanen steigt, ohne dass jedoch die Petschenegen gänzlich ver- 
schwinden . 

Das magyarische ^palocz^ ist völlig übereinstimmend mit 
russisch-slavischen ^pohnvz^ (bei den Deutschen kam dafür der ^^ 
« Walen 1» oder *Falen* zur Geltung). Jerney zeigt Schritt für Schritt. 
dass Alles, was die ungarischen Chroniken und die Byzantiner vond«"; 
Kumanen erzählen, die russischen und polnischen Geschichtschreibe» 
den Polmvzcrn zuschreiben >°'3 Der magyarische Name Apalocz» istals*^ ^ 
nicht blos wörtlich, sondern auch geschichtlich ganz dasselbe ^^'' 
das slavische «Polowzeri», Woher kam es, dass in Ungarn sowohNl^''' 
Name der «Paloczen» wie der * Kumanen» einheimisch wurde? Ge^Ji-^ 
von daher, weil, wie schon erwähnt, wir es hier mit zwei verschiedei^^ 
grossen Einwanderungs-Strömen zu thun haben ; der eine kam '^'"^ 
den slavischen Ländern, d. i. von Russland und Polen über die X^''"''' 



tkarpatt:n her; der andtre vom Südosten über die südöstlichen 
arpalen. 

< Der Strom der Paloczen begann offenbar früher und hörte auch 
ler auf als der kumanische ; aber von ihm wissen wir, wie von vielem 
nderem, nichts Bestimmtes ; nur der Name besagt es, dass die Magya- 
tn denselben unbedingt von den Russen (und Polen) erhalten haben. 
Jieser Umstand lässt uns zugleich die Zeit ahnen, in welcher dieEinwan- 
erung der Pal6czen stattgefunden hat. Es steht nämlich unzweifelhaft 
ist, dass die Pal6czen nicht früher in Ungarn als bei den Rossen jsein 
bTinten ; also musste auch ihr Name eher bei den letzteren bekannt 
eworden sein. Die russischen Jahrbücher erwähnen im Jahre 1061 zum 
irsten Male die Polowzer ; König Ladislaus von Ungarn kämpft in den 
aliren 10B6 und 1089 das erste Mal gegen die Rumänen, Es ist dem- 
nach eine historische Unmöglichkeit, die erste Einwanderung der Pal6- 
zen vor der Zeit des Rönigs Ladislaus L zu denken. Doch schon sein 
Nachfolger, Roloman, nahm im Jahre 1 104 die Tochter des Riewer 
Fürsten Swatopluk, Predslawa, zur Gemahlin, welche dann den Borics 
febar, der unter der Regierung der Könige Stefan II, und Bela II. 
hm Lande so viel Unheil brachte. Aus diesen Ereignissen entstanden 
nelfäche Beziehungen zwischen den Magyaren und Russen, Die Ein- 
Abänderungen der Pal6czen konnten nur unter Koloman beginnen und 
*ährend der Zeit von Stefan IL und Bela IL (1104 — 1141) fortdauern, 
^is der Anonymus seine Chronik schrieb» da waren die Palöczen oder 
humanen schon in den Ausläufern des Matra-Gebirges angesiedelt, 
^<?r Chronist, welcher die geographischen und Besitzverhältnisse seiner 
^it in die Periode der Einwanderung und Niederlassung der Magyaren 
■J^ck versetzt, lässt darum den Ar päd an die Rumänen so viel Ge- 
^c^nke austheilen ; aus den Besitzern seiner Zeit verschafft er auch 
ta Könige Aba oder Samuel einen kumanischen Vorfahren in der 
^t:ra, 4TO £§ erscheint ferner unzweifelhaft, dass sich unter oder neben 
1^ Paloczen auch Petschenegen ansiedelten ; allein diese unterschied 
^ Anonymus bereits nicht mehr von jenen j denn zu seiner Zeil w^ar 
■ Verschiedenheit zwischen beiden Volksstämmen wohl schon ver- 
^Xvunden. 

Cletus, Bischof von Erlau, derselbe, weicher als Erlauer Probst 
^ königlicher Plofkanzler im Jahre izzz die «Goldene Bulle« heraus- 
fc>a stiftete im Jahre 1232 für die Cisierzienser die Abtei *de Beel Trium 
^tiuni B. Mariae Virginis, alias Trium fontiura de Beel Cumanorum». 
'ben dem Kloster entstand all mal ig ein Dorf, Apdifalva^ der Haupt- 
^ der Pal6czen oder Rumänen in der Mätra, Das Kloster wurde am 
f^se des tB^lköi^-Berges erbaut; unterhalb dieses Berges finden sich 
^ Ortsnamen «Aldozo-ku» (Opfer-Stein), «Hamn-hegy» (Aschen-Berg), 




uffenbare Denkmale des Heidenthums der dortigen Paloczen 
Kumanen, sowie Belege dafür, dass dieselben noch in ihrer heiänisclanl 
Periode sich den Magyaren einverleibt halten» wenn sie auch urspri 
lieh nicht magyarischer Herkunft gewesen wären. ♦" Privilegien Hatteftl 
die Pal6czen zu keiner Zeit erhalten; die Ursache davon liegt wohllj 
dem Umstände, dass ihre Einwanderungen ebenso unbemerkt und 11 
kleinen Zügen erfolgten wie die Niederlassungen der Ruthenen 
Walachen. Heute sind die Pal6czen nur durch die agmthftmikhi Jm j 
Sprache des ßlagy ansehen, durch das sogenannte «Pal6czische» und dui 
einige ungewöhnliche Provincialismen, wie solche in jedem Dialectel 
vorkommen, von den übrigen Magyaren verschieden. Ihr Dialect hall 
keine grammaticalische Eigenthümlichkeit, die sich nicht auch lal 
Göcsejer, Ormdnyer und Sz^^kler Dialecte vorfinden w^ürde. Man hat ühcri 
das Pal6czische bisher mit besonderer Vorliebe Vieles geschrieben, wetlj 
man in diesem Dialecte etwas Ursprüngliches vermuthete, das dem allg« 
mein Mag}'arischen vorangegangen sei. Allein das Pal6czische legt wid 
der Szekler Dialect am deutlichsten und verständlichsten für die gewohi 
liehe magyarische Sprache Zeugniss ab. Der Ursprang und Volb-j 
Charakter der Palöczen mochte vordem welcher immer gewesen sein;! 
das, w^as sie heute sind, wurden sie erst hierzulande, in Ungarn.*^ 

Die innere Geschichte der Kumanen kennen wir nicht einmal iU; 
demselben Grade wie die der Petschenegen des zehnten JahrhundertsJ 
So viel ist deutlich, dass sie nach der Bezwingung der Petschenei,vn 
von der heutigen Moldau und Walachei aus Siebenbürgen und Ungarn 
beunruhigten. Ebenso erzählt die Geschichte, dass sie um das Jahr irS^ 
in Bulgarien die Wiederhersteller des bulgarischen Königreiches 
und Peter kräftig unterstützten und dass sie von dieser Zeit an (lenj 
Ausschlag gaben in den fortw'ährenden Kriegen, welche die Asenidö 
mit den griechischen Kaisern führten (1186 — ^1^57). Auf den häu% 
Kriegszügen kamen die Kumanen nicht nur mit den slavischen BuH 
garen, sondern auch mit den romanischen Walachen in enge Berüh4 
rung und schleppten Viele davon als Gefangene oder lockten sie J 
Bundesgenossen in ihre Gebiete diesseits der Donau. Durch die Bulgarei 
und Walachen lernten die Kumanen auch die orientalisch-christlichfl 
Kirche kennen. Allein die Kreuzfahrer des Abendlandes, die Venetiaii«j 
und Franken, eroberten Constantinopel (1204) und begründeten daseö 
das lateinische Kaiserthum, welches bis zum Jahre 1261 besti 
Während dieser Zeit gelangte auch die occidentalische oder römischi 
Kirche im griechischen Reiche zu einiger Herrschaft, ja der Bulgarelt 
fürst Kolojan, Neffe von Äsen und Peter, schloss schon im Jahre uö< 
mit der römischen Kirche die Union, die freilich von keiner langen 
Dauer war. Als die Kumanen Christen werden wollten, wählten ?J^ 



nach lieber die abendländische als die gedemiithtigte orientalische 



\ Magister Faul Äfagyar (Magister Paulus Ungarns)^ der bei uns 
)k den neuen Dominikaner -Orden das erste Haus zu Raab errichte te, in 
^ab su/i, als er in Bosnien die Patarener oder Katharier 4^4 bekehrte, 
it einigen Genossen auch zu den Kumanen, Daselbst geieann er einen 
'ossen Theil des Volkes und auch zwei Pursten zur A n nähme des Christen- 
Mi>ls. Einer dieser Fürsten, Älemhrok oder Borics, sandte darum seinen 
ihn mit Z7völf anderen A'umanen zu Robert, dem Erzbischof von Gran, als 
hstrsich zu dem Kreuzzuge nach dem heiligen Lande rüstete.' Der Fürsten- 
hn sprach: *HerrJ taufe mich und meine zwölf Begleiter ; mein Vater 
ird auch bald mit zweitausend Menschen nach Siebenbürgen (Ultra 
fvasj kommen i die alle i'on dir die Taufe zu erhalten wünschen, % Als 
tfdert dies harte, bat er im fahre i22y den Papst um Enthebung vom 
Ireuzzuge und nachdem er diese erhalten, begab er sich nach S leben - 
fr gen zu dem Kumanierfürsten, wo er 13,000 Kumanen taufte. 

i Die Bekehrung war von solchem Erfolge begleitet, dass Erz- 
schof Robert unter den Kumanen ein Bisthum gründete und den 
heodorich^ der gleichfalls ein Dominicaner war, zum ersten Bischof 
M" Kumanen einsetzte. Papst Gregor IX. ernannte Robert im J. 1229 
\ seinem Legaten -♦^s mit der Vollmacht, die neue kumanische Kirche 
\ ordnen ; ja nachdem dieses Volk bisher keine festen Wohnsitze hatte, 
tzt aber zuerst Städte und Dörfer verlangte, in denen es wohnen und 
ich Kirchen erbauen könne : so verkündete Robert einen hundert- 
gigen Ablass allen Jenen» welche den zu erbauenden kumanischen 
irchen Beisteuer leisten. In solcher Weise war der Papst voll Eifer 
t der Bekehrung der Kumanen. Er forderte auch den ungarischen 
önig Bela im Jahre 1234 auf, dass er für den kumanischen Bischof 
ne Kathedralkirche erbauen und das Bisthum mit Donationen berei- 
tem möge. — Wie es scheint, gefiel den Szeklern der «kumanische» 
jame des neuen Biathums nicht; denn der Bischof der Kumanier» 
heodorich, schrieb Jenen, der Name thue nichts zur Sache; in der 
irche können Wolfe und Lämmer beisammen wohnen, weshalb nicht 
ich SsckitTf humanen und IVa lachen f 

Ebenso bemerkenswerth ist das Schreiben des Papstes Gregor IX. 
^m Jahre 1234 in Bezug auf die Walachen» 

^Wie wir zfernammen habend, heisst es daselbst, v, befinden sich 
te kumanischen Bisthume Bewohner, welche sich Wa lachen nennen 
9tä, obzwar dem Auimen nach Christen, dennoch solche Ceremojiien 
\/o/gen und Handhingen verüben^ die dem Christenthume widersprechen, 
*p verachten die römische Kirche und empfangen die Sacramente nicht 
N unserem kumanischen Bischöfe^ der daselbst der Dibcesan-Bischof ist : 
ptäern von falschen Bischöfen des griechischen Ritus ; ja auch aus 
fngarn schliessen sich Alagyaren, Deutsche und a?idere Rechtgläubige, 
M sie unter den IVa lachen wohnen^ diesen an, als ob sie mit ihnen 
***« Volksstammes tifüren und empfangen deren kirchliche Sacramente. 
^fum befehlen 7eir dem kumanischen Bischo/e, dass er für sie einen 
^^^glichen Vicar wa lachisc her Na tum alität bestelle, damit sie keinen Vor- 





240 

imiTid hahen^ sich an schismatische Bischöfe zu wenden. Xachktn akf 
aiso ueendei sich der Papst an den Köni^, Du als katholischer Fürst auc. 
durch einen Eidschwur verpflichtet Inst, die Ungehorsamen in die römmi 
Kirctie zurückzutreiben : so zwinge die XVaiachen zur A nnahmt jm 
Bischofs^ den die Kirche ihnen zusendet, w i^ö 

Wie vordem der Graner Erzbischof Robert, so dispetjsirte di 
Papst im Jahre 1231 auch die Bischöfe von Erlau und Raab xmk 
Verpflichtung zum Kreuzzuge in das heilige Land, weil sie daheim U 
Kirche nützlicher*^ Dienste leisten könnten. Denn ausser den Kumafiä 
erschien auch die Bekehrung der Ismaeliten oder Mohaniedantrr 
sehr noth wendig. Wir wissen, dass in dieser Zeit die Ismaeliten nid 
nur als zerstreut wohnende Handelsleute, sondern auch als in gal 
zen Dörfern wohnende Ackerbauer zahlreich vorhanden waren siel 
oben Seite 219); ebenso kennen wir das im Jahre 1232 geleist«! 
Gelübde Andreas IL, womit er versprach» gegen die Ismaeliten w 
Juden die Inquisition anzuwenden (siehe oben S. 221). Allein wenn 
auch schwieriger war» diese zu bekehren oder wenigstens in dero V< 
mögenserwerb zu beschränken ; so mochte die Bekehryng der Kuraan' 
um so leichter gelingen» als sich diese weder durch den Koran n*] 
durch das Alte Testament gegen das Evangelium schützen konnten. 
Wären die Kumanen in dem damaligen Rumänien, d. i. in der höH 
gen Moldau uud Walachei geblieben imd hätten sie in Folge der Ml 
sionsth!?tigkeit der ungarischen Kirche das Christenthum angenommfl 
alsdann würden sich in Ungarn und an der untern Donau ganz and< 
Verhältnisse entwickelt haben. Allein der Strom der Weltgeschicb 
nahm einen andern Lauf. 

Die Mongolen, welche das damalige Europa Tartaren nanu 
verwüsteten schon im Jahre 1235 die Gebiete an der Kama und Woli 
von 1237 — J239 unterjochten sie die russischen Fürsten. DaniaU, 
Jahre 1237» brachte der Mönch Julian, der die magyarische Urheiil 
♦"Gross-Hungarieni» aufgesoclit hatte und zu Weihnachten des gewät 
ten Jahres in die Heimat zurückgekehrt war, die Kunde von der A! 
breitung der Mongolen. Die Kumanen waren die Verbündeten 
russischen Fürsten. Nach Besiegung dieser warfen sich die unbesK 
liehen Mongolenschaaron auf die Kumanen. Der kumanische Fi 
Köiony (Ruthen) konnte ihnen keinen erfolgreichen Widerstand Icisl 
und sandte eine Botschaft an König Bela IV,, dass, »wenn dieser 
in sein Reich aufnehmen wolle, er und sein Volk bereit seieiif ' 
ihm zu unterwerfen und mit allen ihren Verwandten und Freund 
mit allem Vieh und der gedämmten beweglichen Habe nach U 
zu kommen und auch den katholischen Glauben anzunehmen.» 

Der König Hess ihn und seine 4-0,000 Kumanen komml 
wies ihnen im jähre 123g in der Mitte des Landes Wohnsitze an. 



• A/s der Kumanenkiniig und seine Edeht und Bauern Ungarn zu 
fTchstreifen begannen^ denn sie hatten ungeheure Viehherden, verübten 
^ an den Weiden, Saaten, Gärten, U^äldern, IVeingärten der Ungarn 
^oxsen Schadefi, U^as aber Letzteren noch schreckJicher war, das war 
e Rotikeit, mit der die Kumanen die y^k titer der Armen sctiänd^ten 
*zd, wenn es leicht geschehen konnte, ancti die Ehebetten der Vorneti- 
en befleckten; wieumhl die Alagyaren die kumanischen IVeiber ats 
iederträchtig verachteten. Wenn ei?i Magyare einen Kumanen am 
i^enthum otier an der Person heteidigt iiatte^ wurde er sogleich bestraft ^ 
' dass ein Anderer Gleiches nicht zu thun zvagte ; beleidigte jedocli ein 
Tumane einen Magyaren, dann fand dieser keine Gerec/ttigkeit. Suchte 
' um solche an^ dann erhielt er statt des Richter Sprue ties — Schläge. » 4^8 

In lebhaften Farben sehen wir hier den grossen Unterschied dar- 
sstellt zwischen einem an liegendes Besitzthum gewöhnten Volke und 
nem nomadisirenden, mit seinen Herden umherschweifenden Stamme; 
nes kann sieh nie und nirgends mit diesem vertragen, ^^9 um so we- 
ger, wenn der Nomade auch noch Gewaltthäligkeiten verübt, wie 
'Iches die Kumanen unter der Nachsicht des Königs Bela, nach dem 
bricht unserer Quelle, gethan haben. 

Die Tartaren folgten im Jahre 1241 den Kumanen und verwüste- 
n bis zum Jahre 1242 das Reich, das sie dann wieder eben so rasch 
TÜessen. Obgleich die Magyaren (mit oder ohne Grund) die Kuma- 
m des Einverständnisses mit dem Feinde beschuldigt hatten : so Hess 
41a dennoch die zurückgebliebenen Kumanen sammeln und siedelte 
e in den entvölkerten Orten an, indem er sie zugleich der Jurisdiction 
Js Palatins unterstellte. Nachdem ferner Bela auch den Titel eines 
Königs von Kumanien » angenommen, verlieh er den Johannitern oder 
tospitalrittem (Hospitalarii Jerosolymitani) im Jahre 1247 den District 
everin mit den walachischen Knesschaften von den (siebenbürgischen ) 
Ipen bis an die Aluta mit Ausnahme einiger Strecken, welche dem 
•alachischen Wojwoden Litwa verblieben. Die Johanniter sollten 25 
ahre sämmtliche Einkünfte beziehen, später aber die Hälfte an die 
onigHche Schatzkammer abliefern. Auf gleiche Weise verlieh er ihnen 
ttcli das Gebiet jenseits der Aluta, d. i. ganz Kumanien von den Alpen 
leben bürgens angefangen (a fluvis Olth et alpibus Ultrasilvanis totam 
Waniam), mit Ausnahme des Gebietes vom Wojwoden Szeneszlai, das 
^ ebenfiills den Walachen beliess. Für diese Gebietsverleihung mussten 
äe Ritter sich verpflichten, jene Landestheile zu vertheidigen und im 
Boiglichen Kriegsheere mit einer bestimmten Anzahl Streitkräfte zu- 
Wn. Sie sollten die verliehenen Landstrecken bevölkern ; jedoch 
lezu keinerlei Bauern, welch* immer Standes oder Stammes diese sein 
'ögen, noch Sachsen oder Deutsche aus Ungarn als Colo nisten 

B^la war so sehr bemüht, die Kumanen mit den Magyaren zii 
-rschmeizen» dass er seinem Sohne Stefan eine Kumanierin zur Ge- 

Hunfaivy, Ethnoi^r. ^O 



mahlin gab und Stefan nannte sich als tjüng^erer König» zugleich 
« Herr d<jr Kumanier ». ♦^^ Auch die Bekehrung der Kumanier im 
Christenthume nahm, wie es scheint, anfänglich einen guten Verlaufjj 
denn der Paf)st erwähnt in einem Schreiben vom Jahre 1252, dass^ 
lieh Rumänen in die Kirche eintreten, sowie der König auch die^ 
thenen zum Gehorsam gegen den h, Stuhl bewege. Nichtsdestowenigi 
war selbst unter dem Enkel B^Ia IV. ^ unter Ladislaus III. (IV.), g^ 1 
nannt « der Kumanier », die An^siedelung und Bekehrung der KumaneiJ 
noch nicht beendigt. 

^ Auf Andringen des päpstlichen Legaten, des Bischofs Firn 
b€Wog Ladislaus die kunianischen Fürsten Uzak und Talon^ sowir ttirl 
ander maJ Aipra und Uzur, dass diese ku manischen Herren im Jühn\ 
isyq im Nanien der Edlen und des Volkes versprachen^ ddss alle dk)f-\ 
nigen^ welche noch nicht getauft sind, die Taufe annehmen und ^\ 
Satzungen der römischen Kirche beobactiien t dass sie ihre Zelte veriiiiA 
sen und nach dem Geö rauche der Christen in festen Gebäuden wohnm:\ 
dass sie sich ferner von allem Blutiger giessefi enthalten und selber dr^\ 
päpstlichen Legaten bitten werden, er möge zu Jedem kunianischen Stammt 
und Geschlechte vertrauenswürdige Inquisitoren senden^ dumit dksc ück\ 
ilberzeugen, ob Alles nach diesen X^er sprechen geschehen u?td diejeni^X 
welche dagegen handeln, zur Bestrafung anzeigen, EfidUch versprathmX 
sie Alles zu ersetzen^ was sie d^n Kirchen, Klöstern ^ Edel l etilen Q^i\ 
anderen Christen genommen hatten, ■♦ 

A uf detn Landtage wurde im selben Jahre nachstehende Vtf^ 
gung getroffen : 

<«.Nactidem die kumanischen Fürsten (Alpra und Uzur), samii^ 
übrigen kumanischen Herren und das gesammle kumanische Volk w^««r-i 
dings gelobt haben, dass sie die heidnischen Gebräuche verlassen, ^n 
römischen Kirche sich bekehren und Alle, ohne Unterschied, die Sdcr^A 
mente der ICirche annehmen werden ; so belässt anderseits der Konig (ii(\ 
sieben kumanischen Stämme 4^3 in Jenen Sitzen^ wohin sie nach der T 
thung mit den Grossen und Edeln des Reiches angesiedelt worden 
nänilich zwischen der LJonau und Jheiss, Koros und Maros^ der 
und Tenies und an den Ufern der Koros, welche Sitze sie schon 1^^'' 
König BtUa erhalten hatten. In den bezeichneten Gegenden verleiht ^tt\ 
Konig alle, seit dem Mongolen- Einfalle leer gewordenen Grundstücke i 
KumaneHi damit die kumanischen Herren und Edlen, mögen sie Ä«(ti 
welch immer Stamm oder Geschlecht sein, diese Landstriche unter skh \ 
Je nach Stand und Rang, vertheilen. Aber die zwischen diesen Grund* 
stücken beßmllichen anderen Besitzer können mit Zustimmung der Kit; 
manen int Frieden daselbst w/jhnen, damit in Folge dessen allmtiü^ 
Freundschaft und Verwandtschaft unter beiden Theilen entstehe. 

Die kumanischen Herren und Edelleute sind gleich den ungüt"^ 
sehen Adeligen, Vasallen des Kimigs (r egal es servienies), und als süli^^ 
verpflichtet^ im königlichen Kriegsheere persönlich zu dienen. 

Die kumanischen Herren, Edelleute und Gemeinen stehen ;/ " ' 
der Jurisdiction des Palatins, dem als Stellvertreter der Jeweilige Mh 
oder Fürst der Kumanier zur Seite steht; wenn aber zwei Kum' 
Streit führen wegen einer Blutschuld oder wegen eines anderen 1 V 
henSt dann urtheilt nur der aus dem Stamme des Angeklagten en Is />'■'■ 
sene kumanische Richter; zvird aber die Klage bis vor den K»'-''^ 
gebracht, dann urtheilt der Konig selbst in Gerne ißt sc haft mit dem kuf'f''^ 
nischen Richter. F2s wird indess hinzugejügt^ dass in einem solchen /' - ^ 
wenn ein kunianischer Edelmann aus Furcht vor d£r Todesstrafe -/^'j 



H5 

\fiig€ flüchtet^ er dieser Strafe zwar entgeht^ dajür aber zur Verban- 
fig verurtheiit ist und ausserhalb des Landes die Ertaulniiss zur 
Ick kehr von denjenigen erbitten kami, die er beleidigt hat ; so lange 
\ diese Erlauhniss nicht erhält, muss er als Verbannter in der Fremde 
ftben. Aber auc/i von der Verbannung kann er sich also befreie n^ 
fnn kumanische Herren oder £de Heute sogleich zu seinen Gunsten beim 
9^ ige Fürsprache einlegen und er die beleidigte Partei aus seinem 

r mögen befriedigt, 
hie JTumanen sind verpflichtet^ ihre einheimischen Gefangenen 
Ißi zu lassen ; können jedoch die ausländischen behalten ; sie verlassen 
fck ihr €71 weiteren Gelöbnissen ihre Zelte und werden wie die Christen 
! Dörfern in festen Häusern wohnen und sich den christlichen Ge7vohn- 
ften unterwerfen. Auf die Bitte des J^nigs gestattet ihnen übrigens 
r päpstliche Legat, dass sie in Bezug auf das Abnehmen des Bartes, 
is Scheeren der Kopfhaare und auf die ktimanische Kleidertracht bei 
fer bisherigen Gewohnheit bleiben können. 

I Auch xvurde beschlossen^ dass weder der König noch sonst irgend 
» Grosser des Reiches oder ^Edelmann einen Knecht, der seinem ku ma- 
nchen Herr eil entlaufen ist, aufnehme u^ sondern vielmehr denselben 
s seinem Herrn zurücksenden solle. Und ^lachdem die kumanischefi 
hrren und Edlen dieselbe Freiheit gemessen wie die übrigen Adeligen 

t Landes, so werden der König, die Königin oder die Jp'iirden träger 
Reiches auch bei ihnen nicht ge^valtsafn Quartier nehmett, •> 4*3 

Die Ansiedelung^en der sieben kmnaniischen Stämine (VII gene- 
tiones Cumanorum) gehörten zu den Kirchen-D löcesen von Kalocsa, 
rosswardein, Erlau, Csandd und Waitxen ; deshalb gingen die betref- 
tiden Bischöfe mit je einem Reichswürdenträger von Zeit zu Zeit 
jlter die Rumänen, um nachzusehen, ob und wie diese die geleisteten 
prsprechungen erfüllen. Dass die Kömanen sich nur sehr schwer in 
le Schranken fester Ansiedelungen und an christliche Sitten gewöhnen 
bnnten, geht auch aus jenen Wirren hervor, welche die Regierung 
pdislaus III. beunruhigten, so dass es im Jahre 1282 am t Mondsee n 
I6dos-t6) zu einer Schlacht kam und der König die flüchtigen Ku- 
laneE selbst von den Tartaren zurückbrachte. 4=^ Insbesondere geht 
>er jener Widerstand aus der weiteren Thatsache hervor, dass die Be- 
fehrung der Kumanen erst unter Ludwig I. (134z — 1382) vollständig 
leendigt werden konnte. +=5 

Die Privilegien der Kumanen wurden auch durch die folgenden 
Könige bestätigt ; nur während einer kurzen Frist (1702— 1745) waren sie 
em deutschen (Jrden (Ordini Teutonico) und dem Pester InvaHtienhaus 
ibergeben, resp, verpfändet; durch die Gesetzartikei 34: i7<5 und 
^*^75i gewannen sie jedoch ihre politische Stellung wieder zurück; 
\ der Gesetzartikel 29 : 1791 verleiht ihnen auch einen Sitz im Land- 
^ge tind behielten die Kumanen diesen Privilcgialzustand bis zum 
^re 1848. Der Palatin wurde aber schon durch den Gesetzartikel 
* * 1485 amtlich verpflichtet» als Obergespan und Richter der Kuma- 
^w über ganz Rumänien das Richteramt auszuüben, demzufolge der 
'^setzartikcl 26: 175 1 anordnet, dass dem Titel des Palatins beigefügt 

16' 




244 

werde: t Obergeäpan und Richlt^r der Jazygier und Kumanien {com 
et judex Jazygum et Cumanorüm). Die besondere autonome Vcrwaltui 
der Di stricte von i Grosx- ^ und * Kietn-Kttmanünt bestand somit bis i 
unsere Tage. 

Die Ortuhaßm in Gross-Kumanien sind: Kardszag- UJszäUäs m4\ 
Eimüohner), Kiin-Madards (jojö Einimhuer), R^ihi-Hegyes (7272 FJnw»km\\ 
KiS'UJszällds {io,jyt Einwohur), Kiln-Szent-AIärtofi (io,osö Einw<>hmi^^ 
Tär'Kti'e (io,qbg Ein-cohner) ; die Pusztm i Asszony-SzäUds^ -KM-Szülk 
Mester-Szällds, Magyar ka^ Boicsa, Orgonda-Szent-Mikios^ Kts-Tur^ 
Mdrialaka, Csoröa, 'Kis-Kaba, Fabidnka, Käpoinds. 

Die Ortschaften in Klein- Kumanien i Halas (fjj^y Ein-w/tner), Äl^l 
S^äfi'Fiiegyhdza (21 ^r 3 Eitnü^htter}, Kun-Szent-AIiklös (ssgj EinmkHtfU 
Laczhdza (36^2 Eittimhner), Szahad-Szdllds (sryö Eimoohner), Fülop-Siall^ 
(jStÖ Eimmhner), Dorasma (göSS Einwohner), Majsa (7JSJ Eimmhim) ,^mk 
Pttstten: Fefer-Td^ Füzes, Balota, Zsana, Tafö, Bodüglds^ Merges, At^l^t 
häza, Ün'es, Kigyös, ÄgaS'EgyMza, Pdlos, CsMyos, Szenf-LdszM, MtiaM 
gdtja, Fereficz-Szdlldsa, Kn-Szä/lds, Jakaö-Szdllds, Jakabhäza, Päik\ 
Orgozfäny, Mezse, Lajos, Bene^ Kerek-Egyhdza^ Kis-Balds^ Bosztör, B^ 
Imny^ Kdta, Csokds, Kacsa, ^Kocsir. 4^ 

In früherer Zeit gab es auch in anderen Theilen des Landes I 

manische Ortschaften, insbesondere im Stuhl weissen burger Com itate.i 

eine Donational-Urkunde des Königs Johann (Szapolya) vom Jahi^ 

1537 die Ivumanischen Ortschaften El6-Szdlids, Ktirdcsonszdlids^ Ujs^üm 

Jakabszdllds u. s* w. aufführt. (Totales possessiones nostras Cumanicil 

les, Hontorszek appellatas, videlices Elewzallas, Karathonzallas» Wjzal 

Jokabzallas etc.) * 

Die Jazygier. 

Der mag)'arische Name der Jazygier ist«jäs2ok>; dieses W« 
lautet im Singularis xjäsz» und ist gleichbedeutend mit «ijdsz» = 
g^n- oder Pfeilschütze. Solche Bogenschützen konnten für das kott« 
liehe Kriegsheer entweder nur aus den Kumanen oder auch aus andere 
Volksstämmen genommen werden. In den lateinischen Urkunden 
Gesetzartikeln werden diese Bogenschützen «jassones» genannt. ■♦^7 Das] 
lateinische Wort «jasso» rief bei den Gelehrten bald das alte Volk J«^ 
Jazygen ins Gedächtniss zurück, namentlich war das bei dem Italietit^ 
Ranzanus, der am Hofe des Königs Mathias (Corvinus) lebte» ♦•^ i^ ' 
Fall : hatten doch auch jene alten Jazygen ihre Wohnsitze z wische 
der Donau und Theiss (siehe oben S. 44), somit natürlich auch 
Gebiet des jetzigen Jazygien eingenommen. Allein die gelehrte Spiü 
findigkeit tüftelte schon früher einen noch wunderlicheren Namen beij 
aus. Der Bogenschütze entsendet den Pfeil (magyarisch «ij»), im Al^ 



S. 269. 



* Vgl. JERNEY, «Keleti UtazÄsa» (d. i. «Reise nach dem Oslen*} M- 



/ 



245 

chdeutschen • phil i»» Zur Zeit des Königs Sigismund (1387^1437) 
wies nun ein des Deutschen kundiger Schreiber seine Wissenschaft- 
hkeit dadurch, dass er die «jassones» als « Philistäeri* aufführte, -^"^ 
philistaei»* und «ja^yges metanastae« boten dann ein weites 
Id für ethnographische und historische Phantasmen. Nachdem auch 
ir Name und das Volk der Knmanen (Cumanus) in einige Dunkelheit 

üllt war, so wurde dasselbe leicht mit den <i Phüistäern » identificirt, 
s aus den Urkunden deutlich hervorgeht. 430 Selbst in den Landes- 
etÄen treten «Philistäer» und •Jaz3ger* vereint auf;*3i die migari- 
en Gesetze hielten aber auch Rumänen und Jazygen für dasselbe 
Ik, ja Jdsz- Benny war der Haupt ort der drei privilegirten D [stricte : 

gien, Gross- und Klein-Kumanien. Eine urspriingliche Verschie- 
nheit finden wir also zwischen jazygiern und Kumaniern nicht; auch 

Ortsnamen, in denen die Bezeichnung «szällasi* (Ansiedelung, Nie- 
Tlassung) besonders hervortritt, verkünden die Identität des Jazygen- 
d Kumanenthums. 

I Die Ort &€ hilf im in yazygien sind-, Jdszber^ny (20,3 jj Eiftwühntr}^ Jäsz- 

Miiy^ T'Prffiaä: ydsz-Apäii- Szdl/ds (93J1 Einwohner), Ärok-Szällds oder 
'sZ'Arok-Szdiids (962 s Eimvokfur), Fi'nszaru (4S^^ Einwohner), Feiso-SzL- 
Yorgy (-), Aisd-Szt.-György (jois EintLwhner) , DÖZSa (jojj Einwohner), 
tköhaima (JOSI Einiüohner),^ Mthäiy'Te/ek (2100 Einti'ohner), yäsz-Ladäny 
f£i EinuQhntr), Jasz-Kis-Er (5^39 Eimmlmer), Negy*Szdlläs^ Agd, Bo% 
fhäza, Vi>mtals Boldogfalva u. s, iv. 



Tartaren. 

Nebst den Rumänen und Jazygen erwähnen so^vohl die ungari- 
ben Gesetze als die Urkunden auch der Tarhiren. Der Landtag vom 
ttire 1451, welcher für die Zeit der Minderjährigkeit des Rönigs 
idislaus V, den Johann Hunyady zum Landesgubemator ernannte, 
gelte auch das Rriegsheer, wobei bestimmt wurde, mit wie viel Man- 
tn jeder hierzu Verpflichtete ins Lageir ziehen müsse. Dabei wird im 
tikel 9 unter Anderem gesagt : * In derselben Weise sind auch die 
iihstäer (Jazvgen), Rumänen, Walachen und Tartaren zu conscribiren 
id ebenfalls zum Rriegsdienste verpflichtet, » ^?= Als unter König 
athias im Jahre 1459 vom ungarischen Kriegsheere die Rede ist, be- 
immt der Landtag, dass die Rumänen, Philistäer (Jazygen) und Tartaren 
ich altem Gebrauche zum Kriegsdienste verpflichtet seien, sowie auch 
■e Siebenbürger Sachsen. *33 Der Legat des Papstes schreibt im Jahre 
|8o: tEs wohnen in einzelnen Theilen des Landes Tartaren^ die ihre 
^sondere Religion haben und Kumatun genannt \verden. 434 » Der ttir- 
'^che Schriftsteller Ali, welcher in der Gegend von Ofen verweilte, 
reibt im Jahre 1588: «Unter der magyarischen Nation findet man 
cier Gegend der Stadt Ofen in Dörfern zerstreut Viele, die in Klei- 




düng und Sitten Tartann sind ; ein Theil derselben spricht auch 
iarlansche Sprache, 9^^ Der Ort • Kun-Szt.-Mikl6si hie&s ehemals •/>/< 
Szt.*Mikl6s. • Es ist also gewiss, dass in den Zeiten vor der Türke 
Herrschaft auch Tartaren in Ungarn wohnten und xwar unter den K 
manen. Diese Tartaren wanderten nach den Kumanen ins land t 
heute ist von ihnen keine Spur mehr vorhanden. 

Die Siebenbürger Szikler, 

In politischer Beziehung nehmen die Sz^kler in der Geschic 
Siebenbürgens eine hervorragende Stelle ein ; sie bildeten nach 
früheren siebenbürgischen Verfassung die dritte Nation des Land 
So wie der Palatin Ungarns zugleich der Obergespan und Richter 
Jazygen und Kumanen war: ebenso nannten sich die siebenbürgisd 
Wojwodcn ■ Grafen der Szekler», welchen Titel auch die Fürsten Sieb 
bürgens führten. «<5 Die Könige aus dem Geschlechte der K^k 
siedelten die Szekler als « Grenzwächter » an der Ostgrenze Siebenbülf 
an und verliehen ihnen gleichwie den später dahin angesiedelten 
sen namhafte Privilegien* Denn obgleich wir über die Zeit der J 
siedelung der Sz^kleY kein historisches Zeugniss besitzen, so sc 
doch gewiss zu sein, dass sie den sächsischen Colonisten vorangeg 
gen waren. Nachdem sich die Zahl der Szi^kler vermehrt, verbreite 
sie sich weiter landeinwärts, d, i. nach dem Westen, wie 2, B. 
* Sz^klerstuhl Aranyos» (magyarisch « Aranyosszek ») am Flusse Aran 
zwischen den Comitaten Torda und Weissenburg bezeugt. Das Pt 
legium dieser Aranyoser Szekler vom Jahre 1289 steht unter den *\ 
vi legi en und Constitutionen der edlen Szekler- Nation » (* Nemes Sz^l 
Nemzetnek Constitutiöja ^s Privilegiumai») als das älteste bekai 
Szekler- Privilegium an der ersten Stelle. +3? Allein was immer für W 
tigkeit die Verfasnung und Geschichte der Siebenbürger Sz«^kler für 
Geschichte selbst besitzt, für die Ethnographie ist das nicht der Fall» 
Die Sz^^kler können als ein Theil der allgemeinen magyarischen Nation 
keine besondere ethnographische Behandlung in Anspruch nehmen. 

Nachdem wir jene Völker, welche mit den Mag>aren verschrooK 
zen sind, in Kürze aufgeführt haben, müssen wir auch deren Aa/iofUJiil^^ 
nach Möglichkeit zu bestimmen suchen. Dies wird leichter geschebefl 
können, wenn wir vor Allem die geographischen Namen betrachten» 
welche nicht blos die Beherrschung eines Landes durch ein bestimwtö 
Volk bekunden, sondern auch lehren, was die neuen Besitzerg reifer von 
ihren Vorgängern übernommen haben und was wir aus den geogra- 
phischen Benennungen in Bezug auf die Nationalität des betreifendeJi 
Volkes entnehmen können. 



247 



§ 53- 



In den Mittheiiungün über die Niederlassungen der Petschenegen, 
Paloczen^ Knmanen und Tarlaren führten wir auch Ortsnamen an» welche 
zum Theil die Geschichte dieser Völker erzählen. Der Name Apdi/alva 
(= Abtsdorf) lehrt z. B., dass diese Ortschaft einem Kloster und dessen 
Abte seinen Ursprung verdanke; die in jazygischen und knmanischen 
Ortsnajnen häufig vorkommende Benennang szälids (— Niederlassung) 
verkündet, dass die Kumanen als Nomaden sich an gewissen Orten, die 
achher ihre festen Wohnsitze wurden, niedergelassen haben. Jeder 
g-eographische oder Ortsname spiegelt irgend welche natürliche Eigen- 
thümlichkeit oder irgend eine Geschichte wieder ; obgleich wir in den 
meisten Fällen das zurückgeworfene Bild nicht mehr verstehen und 
j5;iA*ar cntw*eder deshalb, weil jener Name aus alter Zeit herstammt und 
leine Bedeutung bereits dunkel gew^orden ist; oder darum, weil wir 
elbst die Ursachen der Entstehung neuer Namen nicht kennen. Die 
Ortsnamen stehen demnach sehr häufig als Zeugen vor uns, deren 
Sprache uns unverständlich geworden ist. 

Die Flüsse sind von besonderer Wichtigkeit nicht blos für das 
wandernde Nomadenvolk, sondern auch für den angesiedelten Acker- 
bauer ; deshalb haften die Namen der Flüsse am dauerndsten, mögen 
ihre Anwohner auch noch so häufig wechseln. Sobald das Licht der 
Geschichte Ungarn und Siebenbürgen zu erhellen beginnt, begegnen 
wir all sogleich den Flussnamen Donau, Theiss, Maros, March (Morava), 
Kulpa, Save und Drau und diese Namen verschwinden auch in Zukunft 
nicht wieder. Zur Zelt der Römerherrschaft treten sowohl in Pannonien 
als in Dacien neue Flussbenennungen hinzu, insbesondere i Murius 
^Mur), Sala (Szala), Araba (Raab und Räbcza], Granua (Gran), Aluta 
(Olt), Tibisia (Temes), Samus (Szamos), Ampela (Ompolya), Borsova 
(Borzava), Tierna, Ziema, Tsierna (Cserna). Im 6. Jahrhundert wird 
noch der Fluss Gresia {Koros) bekannt. Sowohl der Platten- als auch 
der Neusiedler- See kommt bei den Römern unter dem Namen nPelso» vor. 
Die Flussnamen verblieben nach dem Unter gange der Römer- 
herrschaft und vererbten sich auch auf die Magyaren. Nur der See- 
Name tPelso» erleidet eine Umwandlung. Der grössere See erhic^lt von 
den Slovenen, die vielleicht schon unter den Avaren hier wohnten, den 
Namen « Plaiiensee § (magyarisch Balaton-tava, vom slavischen * blato j» 
=: Morast, Sumpf) und dieser Name blieb dem See anch bei d^n Ha- 
gv^aren, welche die dortigen Slovenen absorbirten. Der kleinere See 
heisst im Magyarischen Feri'6 (deutsch « Neusiedlersee ») ; das W^ort ist 
magyarisch \md bedeutet dasselbe wie « Balaton ». Auch die kleineren 
Flüsse bekamen nach der Niederlassung der Magyaren neue Namen, so 




die Lendva (deutsch «Limbach*), Gyöngyös^ Lt7f>incs (d^xxi^ch tLafnit?») 
Marczal^ Egtr [dänisch «Erlauu), Haiz^ Ternova^ Kanizsa^ Iki^a, Hanm 
Sdrviz, Siö^ Kapos, Almas, FekeU vis u. s. w. Unter diesen Flus; 
sind wohl einige slavischen Ursprunges, z. B. Ternova, Kanizsa; 
übrigen sind jedoch deutlich magyarischer Abstammung. Das raaj 
rische «Lajta» (deutsch ftLeitha») ist offenbar das deutsche Lit-abas 
Litfluss, Litwasser ; vordem im Magyarischen : « Sar\*iz », « Sarfolj 
(= Koth- oder Sumpfwasscr, Sumpftläche).+38 Die Flussnamen dl 
seits der Donau : IVaag^ Nciira (magyarisch Nyitra), Eipd (magv-arisd 
Ipoly) sind gleich den übrigen Flüssen in den Karpaten slavisdel 
Ursprunges. Dagegen hat der Sajo im GömÖrer und Borsoder Cömi- 
tate^ welcher in die Theiss mündet^ ferner der Saj6 in der Marmaros, 
der dort neben den Ortschaften Sajö-Polyäna tind Saj6 vorbeifliesst Uöii 
sich mit der Iza vereinigt; sowie die Flüsse Hefo^ Berdiy<\ Tapm ma- 
gyarische Namen ; desgleichen der Sio jenseits der Donau, Magyari.scbr 
Flusünamen sind auch: Zsitva, Zagyma^ Ssmva, BStiva, Biiva, Cmm 
wie die transdannbischen Lendva, Ikva. «Eger» und «Gyöngj-os» finden 
sich dies- imd jenseits der Donau vor. 

In Siebenbürgen sind magyarische Fluss- (und Bach-) Namen die 
mit der AI Uta sich vereinigende Szeg-mzo, Madaras^ Sztlos^ Äytirgßi * 
Kis- und IVagy-FthJe-Ugy, Homorod. — Ebenso der Neben fluss des 
Szamos^ der Är/y, welcher auf dem Berge Tamäs-Homloka (=:: Stirn 
des Thomas) entspringt und an den Ortschaften S6falva, Besenyö, Nagy^ ^ 
und Kis-Saj6, Sajo-Keresztur, Sajo-Udvarhely vorbeifliesst : femer die 
Müsse Kapos, Almas, Sziidgy, Lapos. — In die Marcs gehen: Som^k 
Nai-aszo, Kis- und N^agy-Küküiio {« Kleine » und « Grosse Kokel»^ 
Kis- und A^agy-Aydrad, Ä7x- und A^agy-Aranyos. Ein Bach des Kii- ' 
küllö (Kokel) heisst Sikaszo. ^ 

Wir haben gestehen (oben S. 65), dass Schafartk den FlußS^ ' 
namen Snjo für slavisch erklärt : Schajawa, weil es sehr viele slavische 
Flussnamen mit der Endung «wa» gebe, wie z. B. Morawa u. s. v«* 
allein diese letzteren sind von ganz anderer Bedeutung und Herkunft* 
Den GömÖrer Saj6 nennen die slovakischen Gebirgsbewohner «Slana»» 
d. i. Salz-Wasser, ^Fluss, die Dobschauer Deutschen heissen die Oi^'' 
Schäften ffAls6-i> und «Felsö-Saj6ii LhikrSaizack^ Oher-Salzuch ; tSakacb' 
ist aber gleichbedeutend mit dem slovakischen «Slana», nämlich 
* Salz-Fluss ». Der Anonymus, der in Bezug auf die Ortsnamen d^^ 
i^. Jahrhunderts von grossem Nutzen ist, schreibt den Namen iSoö 
jou I» = « Sd-j6 » = Salz-Eluss ; jetzt nennt und schreibt man dieses 
Flussnamen im Magyarischen « Saj6 ». Das Wort « sou *, * s6 • (— Sal^ 
ist deutlich; ♦• Sajo m lautete also ursprünglich « Sav-j6 i oder • Saj-j6 ^ 
Sollte diese Erklärung irgend welche Zweifel erregen, so zerstreut diö 



2A9 



ften der Flussname H(^ö. Dieser erscheint beim Anonymus als^Hen- 
a»; er entspringt in dem Bade Tapolcza bei Miskolcz und fliesst 
stlich bei dem Orte Tapolcza, dann bei Aranyos und Emöd vorbei, 
> er schon den Namen « H^ju » führt. «Tapolcza» bedeutet im Slavi- 
hen «warmes Wassen ; das aHeu-jou» des Anonymus ist also = 
ii^v-j 6 », woraus das « H6-jö » entstanden ist, wie « He-viz i» statt « hev- 
E> (^heisses Wasser), « ilnnep » statt «ün-nap» (Feiertag). Was aber 
•<Jeutet das «jö» in den Worten: Sa-j6, Saj-jö, H6-J6, H6v-jö ? In 
n ugrischen und finnischen Sprachen lautet dieses Wort Jog, jou, 
fi jag^ jaa und bedeutet so viel als « Fluss ». « Saj6 ^ wäre also ^ 
z-Fluss, iHej.ö» = Warm-Fluss und entspräche jenes Wort völlig 
' deutschen «Salz-ach», respective dem slavischen «slana» und letz- 
*r Ausdruck dem slavischen « tapolcza ». 

Das Wort * j6 » in der Bedeutung von « Fluss », •< Bach »♦ hat sich 
der magyarischen Sprache nur in Zusammensetzungen erhalten. Es 
:heint mir auffäHig, dass nahe bei Miskolcz am Saj6 die Ortschaf- 

«Eesenyö» und « Szimia-Besenyci » liegen. Oh der Ausdruck « jö w ^ 
SS wohl mit den Petschenegen in die magyarische Sprache gekom- 
\ ist? Nachdem es sich ergeben, dass Saj6 = Salzfluss bedeutet, 
>ste ein Fluss solchen Namens auch in Siebenbürgen vorkommen, 
siehe! er fand sich in der That in einem Nebenflusse der Sza- 
5, dem Saj6, von welchem, wie im Borsoder Comitate, mehrere 
Schäften ihren Namen führen und an dem ebenfalls ein « Besenyo w, 
den dortigen Deutschen « Heidendorf j» genannt, sich befindet, 
ser Umstand verstärkt die Ansicht, dass jenes n Fluss» bedeutende 
» vielleicht doch von den Petschenegen herstammt. Noch ein ande- 

ethnographisches Interesse knüpft sich an dieses Wort. Die am 
*enbürgischen Saj6 gelegenen Ortschaften Als6- und Felsö-Saj6 
*sen im Deutschen « Unter-Schogen », « Ober-Schogen », nicht wie 

den Dobschauer Deutschen im Gömörer Comitate : Unter- und 
-r-Salzach. Daraus vemiuthe ich, dass das siebenbürgische Sajö in 
T Zeit « sajog » (sav-jog) ausgesprochen wurde (welche Form ur- 
inglicher war als ♦• saj6 ») und daraus machten die Deutschen « Scho- 
i » ; ferner geht daraus hervor, dass die Deutschen Siebenbürgens 
ter an den siebenbürgischen Saj6 eingewandert sind als die Dob- 
a.uer Deutschen nach Gomör" denn jene erfuhren schon nicht mehr 
i wörtlichen Sinn des Flussnamens «Sajö*. Die Petschenegen konn- 

aber damals noch Heiden sein oder war doch die Erinnerung an 

Heidenthum noch lebendig geblieben \ denn die Ortschaft «f Be- 
yö» wurde von den Deutschen « Heidendorf i» genannt und heisst so 

zum heutigen Tage. 





250 



Wir haben gesehen, dass auch in der ^larmaros ein Bach Si 
in den Iza*Fluss sich ergiesst; es unterliegt keinem Zweifel, dass dici 
Flussname überall von dem magyarischen «s6» (= Salz) herkomi 
sowie durch ihn auch bezeugt ist, dass dieser Name nur von den AJ 
gyaren oder magyarisirten Petschenegen herstammen kann* 

Nachdem wir die Bedeutung des Wortes ■ j6 > (= Fluss) kenni 
erhalten auch mehrere andere Flussnamen einen verständlicheren Sini 
z. B. «Berettyoi, in den Urkunden «Berek-j6», d. i, * Wald-Fluss 
«Täpi6)i ^ «Tdp-jö» = * Tdp-Fluss ■ ; « Siö » = Si*jö, d. i. *fliessend( 
Wasser». (?) 

Den sieben bürgischen Fluss KokeJ, magyarisch « Küküllö • erklän 
ganz richtig: die Ausdrücke « fluvius Kükül *, « fluvius Kükül aqi 
zu deutsch : « Kokel-Fluss » ; die Composition « kükül » und *}6 » ist i\ 
Magyarischen deutlich*«^ Ja weil die Rumänen den Kokelfluss mit di 
slavischen Worte «Tirnavan, d. i. t Dornbach • bezeichnen (s. o. S. 229] 
so scheint in dem Flussnamen « Kükül-j6i» das Wort «kök^'ny» (= We| 
dorn, Schlehe) verborgen zu sein. 

In einigen Flussnamen kommt die Endung « va » vor, was sehr 
slavisch klingt, es aber doch nicht ist. Die «Lend-vai nennen die 
Deutschen « Lim-bach » : am oberen Laufe der « Zagy-va » wohnt unter 
den Pal6czen das Geschlecht der « Zagy » (magyarisch «i Zagyi had •),*** 
Diese beiden Zeugnisse bekunden, dass die Namen « Lend-va», «Zagy-vai^ 
*Zsit-va» u. s. w. Composita sind. Den ersten Theil der Zusammen' 
Setzung verstehe ich nicht, wie solches auch bei *Täp-j6ii der Fall ist ;l 
allein der zweite Theil findet sich in zahlreichen Flossnamen im Landel 
der Sirjänen und sonst, wo diese Handel trieben, wie z. B. bei den VV( 
gulen.++' Auch dieses «va» bedeutet im Sirjänischen «Wasser», «Flusssj 
wie im W'ogulischen ond Ostjakischen das Wort *ja», «<jog». DemiU- 
folge ist « Zsit-va » ^ «. Zsit- Fluss », « Zagy-va » = « Zag}^-Fluss » (Fli 
der Zagy, welches Geschlecht an demselben seine W^ohnsitze hatteV 
flLend-vaj» (« Lend-Fluss », deutsch: « Lim-bach », d. 1. « Linde nbach»! 
Die etwa noch obwaltenden Zweifel zerstreut der Name «Böd-vaiij 
«Bold-va», zu deutsch »Mold-au», d. i. Mold-ach = Mold-Fluss* 

Von besonderem Interesse sind endlich die siebenburgischen 
Flu SS n am en : • K i s » und « N ag>^- Fekck- Ugy » ; 1 etz te ren F 1 s s nenn en die 
Deutschen • Schwarz- Wasser », die Rumänen mit dem slavischen «Cserna 
voda» (= Schwarzwasser). Das magyarische « viz» (Wasser) lautet in den 
verwandten Sprachen: «vet», »vit» und *ujty, üty»; statt des gewöhn- 
lichen tvizB (das übrigens im Magyarischen auch in der Form »vid» 
vorhanden ist, z. B. vi des ri= vizes, wässerig, nass) finden wir in ^^^ 
siebenbürgischen Flussnamen auch * lidj » (üty) = ^^gy^ (d. i, Wasser). 



251 



örök-ül 

(von Ewigkeit) 

Gy5r-iil 44* 

(von Raab her) 

pap-nyul 



Schon aus den liier erklärten Flussnamen kann man entnehmen, 
dass die magyarische Sprache keineswegs das Prodoct eines einzigen 
Dialectes ist; was übrigens auch die heute im Verschwinden begriffe- 
nen Local -Suffixe bezeugen. Solche sind : 
örök-6 örök-(ö)n 

(ewig, auf ewig) (e^^ig) 

Györ-e Györ-t 

(nach Raab) (zu oder in Raab) 
pap-nyi pap-nyut 

(zum Geistlichen) (bei dem Geistlichen) (von dem Geistlichen), 
Die Flussnamen erhielten sich nicht nur aus der Römerzeit, son- 
dern auch aus der Periode vor der Römerherrschaft. Anders ist es mit 
den Orts- und Städlenamen; diese verblioben nicht einmal aus der Römer- 
zeit (das eine Sissek und etwa Zsidowin ausgenommen). Auch die 
Ländernamen sind bei den nachfolgenden Völkern untergegangen; nur 
in der gelehrten Literatur kennt man noch die Namen Pannonien, 
Dacien u. s. w. Aus der fränkisch-deutschen Periode haben sich jenseits der 
Donau die Namen der Abtei zum h. Hadrian und der Stadt Fünfkirchen 
(Quinque ecclesiae), diesseits der Donau nur der Name von Neitra 
erhalten : alle übrigen Localnamen sind also aus der Zeit nach der 
magyarischen Besitzergreifung des Landes. Und wenn die Original- 
Urkunden oder die Copien derselben über die ersten Donationen glaub- 
würdig sind: so zeigen die darin vorkommenden zahlreichen Ortsnamen, 
dass schon bis zur Zeit Stefan des Heiligen die Magyaren in ihrem 
Volksthume grosse Veränderungen durchgemacht haben. 



§ 54- 



Gewöhnlich nimmt man bei uns an, dass Hunnen, Rumänen, 
Fetschenegen und Magyaren eine nnd dieselbe Nation ausmachen ; die 
Avaren sind weniger beliebt, umsomehr klammert man sich aber an 
die Hunnen, indem man in der Abstammung von diesen einen natio- 
nalen Ruhm erblickt. Was die heutige Ethnographie von deren Natio- 
nalität hält, haben wir schon en^ähnt (siehe oben S. 24 und 77) ; es 
fragt sich nun, auf welche Weise wir diese Frage beantworten können. 

Zur vorläufigen Orientirung halte man fest, dass mit Ausnahme der 
Nordpolarstämme die Völker in IVIittel-Europa und Mittel-Asien von Westen 
nach Osten in folgender Reihe aufeinander folgten : Kelten, Germanen, 
Slaven, Finnen» Ugren, Türken (Tartaren), Mongolen» Mandschu; — dann 
Tibetaner, Chinesen, Japanesen. Die Ersten, die Kelten, sind im Aus- 
sterben begrifl'en : die j\Iandschu, sowie die Tibetaner, Chinesen und 
Japanesen haben auf Mittel-Europa niemals directen Üinfiuss ausgeübt, 



25i 

können also bei unserer Untersuchung^ ebenfalls ausser Acht bleiben, 
Die übrigen Völker treten in der Geschichte und Gegenwart stets iq 
der Weise auf, dass nach dem Westen zu die Slaven niemals vor de] 
Germanen erscheinen ; dass die finnisch-ugrischen Völker vom Norden 
her mit den Germanen und Slaven, vom Osten her der Natur dei 
Sachlage zufolge bis in das achte und neunte Jahrhundert nur mit den 
Slaven in Berührung kamen ; dass ferner die Türken stets die östlichen; 
Nachbarn der Finnen und Ugren gewesen» und dass endlich die Mon 
golen nach den Türken auf dem Schauplatz der europäischen Geschieht 
erscheinen. Die Urheimat der finnisch-ugrischen Volker kann man sid 
von den Ufern des Ob, Irtisch und Jajk westwärts bis an die Gebieti 
der Slaven ausgedehnt denken ; wornach also das Uralgebirge ihr eigent^ 
lieber Ursitz gewesen ist. Der finnische Zweig zog bis an das baltiscln 
Meer (die Ostsee) und in Skandinavien bis zum atlantischen Ocean 
und an das nördliche Eismeer, wo er sowohl den Slaven als den Ger- 
manen vorausging. 

Die Frage nach der Nationalität bezieht sich unbedingt in glei 
eher Weise auf die Hunnen, Bulgaren, Chazaren, Avaren, Magyareni 
Petschenegen und Rumänen . 

Die Geschichte der Hunnen wurde von vielen Historikern behau 
delt. Degiignes^^^ lässt die Hunnen von der Grenze Chinas her an 
die Wolga gelangen; der ungarische Geschichtschreiber Prav444 folgt 
Deguignks, fugt Jedoch die finnische Verwandtschaft der Hunnen 
hinzu. 44S Der neueste Historiker der Hunnen, Thierry, berücksichtigt 
die chinesischen Forschungen von Deguignes nicht, nimmt aber das 
hunnische Bündnm auf jenem Gebiete an, wo Jordanis die Hunnen 
gefunden hatte (vgl. oben S. 75). «Aller Wahrscheinlichkeit nach», 
sagt Thierry, ^»unifasste die hunnische Herrschaft alle jene Volker, 
welche sich in dem von ihnen beherrschten Gebiete bis heute vorfin- 
den : im Osten die Türken, im Westen die Finnen; ja es ist sehr, 
wahrscheinlich, auch den herrschenden StEimm der Mongolen, weicht* 
den asiatischen Körpertypus schärfer repräsentiren als die Finnen. In 
der That zeichnet die Geschichte Attila und einen Theil der huniü» 
sehen Nation nach dem ausgeprägtesten kalmükischen Typus, H** Üb 
man auch die Mongolen zu den Bundesgenossen der Hunnen zählen, 
also mit Bestimmtheit behaupten darf, dass das Reich Attila*s ein völli* 
ges Vorbild des Reiches von Dschengiskhan gewesen, weiss ich nicht, 
oder vielmehr ich leugne es. Denn erstlich kann man es nicht wagt'»» 
aus den Historikern jenes Zeitalters den körperlichen Typus Attila*s odßr 
eines Theiles der Hunnen derart zu beschreiben, wie das die zoolog^* 
sehe Ethnographie von heute fordert. Und dann kommt man der Wirt- 
lichkeit wohl am nächsten mit der Annahme, dass das hunnische 



553 

Bündniss entweder nur aus finnisch-ugrischen oder aus finnisch-ugri- 
schen und türkischen Völkern bestanden habe. Allein auch diese 
Bezeichnungen sind so vage Begriffe, dass sie in der Ethnographie 
denselben Werth haben, wie z. B. die «mongolischen Völker n Peschel's 
(siehe oben S. 26), vorausgesetzt, dass man unter ethnos, Volk, etwas 
Einheithches versteht. 

Wir haben den Ursprung jener Sage von der directen Abstam- 
mung der Magyaren von den Hunnen kennen gelernt {siehe oben 
S. 185); wir wissen aber auch, dass diese Sage nicht die geringste 
historische Grundlage hat. Die National itat der Hunnen lasst sich also 
weder aus der allgemeinen Geschichte noch aus der Geschichte der 
Magyaren bestimmen. Der einzig richtige Führer und vertrauenswürdige 
Zeuge, die Sprache^ fehlt uns aber gänzlich. <iHunnivari und «vadom 
wären die einzigen hunnischen Worte, welche uns hier zu Gebote stün- 
den ; allein das «Hunni-var» des Jordanis bedeutet keine «Burg» (ma- 
gyarisch «ivär», also «Hunni-var» etwa = «Hunnenburg»), sondern einen 
Fluss (siehe Anmerkung i2r).-M7 Das Wort «vadon» (im Magyarischen 
'«Wildniss, Einöden), dem man bei armenischen Schriftstellern begegnet, 
kann für sich allein nicht viel bezeugen. Einige Zahl- und Zeitwörter 
würden eine weit bessere Basis zur ethnographischen Erörterung bieten ; 
allein gerade solche Reste der hunnisclien Sprache findet man nirgends» 
Öie einzige Wahrheit ist, dass wir von der Sprache der Hunnen gar 
Dichts wissen. Dennoch ist es vielleicht möglich, auf indirectem Wege 
einiger Kenntniss über die Sprache und dadurch über das Volksthum 
'1" Hunnen zu gelangen, indem wir nämlich das den Hunnen verwandt- 
schaftlich zunächststehende Volk betrachten. Und das sind die Bulgaren. 
Das bulgarische Volk erscheint in der engsten Beziehung zu 
«^Ti Horden der Kuiurgurai und Uiurguren^ diesen Ueberblei bsein des 
"^riTiischen Volkes, Wenn wir also die Nationalität der Bulgaren bestim- 
^^n könnten ; dann wäre es möglich, daraus zum mindesten die Natio* 
'^^Htät derjenigen Hunnen zu folgern, deren Reste die Kuturguren und 
^ ti^rguren gewesen. Ein Theil des bulgarischen Volkes lebte, wie wir 
^*55sen, an den Ufern der Wolga, wo Ihn Dasta und Constantinus das- 
^*be kannten (siehe oben S. 151 und 135), 

Unter König Almus, dem Sohne Wasilko's, nahmen die Bulgaren 

^* Jahre 921 den Islam an, bei welcher Gelegenheit Ibn Foslan (siehe 

*^^^n S, 133) werthvolle Nachrichten über dieselben niederschrieb, ■♦^ß 

^r bulgarische König nannte sich vordem «wlatawas»; von jetzt ab 

^*irt er als ein mohamedanischer Fürst den Titel «Emir» ; die Einwohner 

^*^nken «sidschu», d. i. Methbier ; «sidschu» kann = « sidschowka » sein. 

K'se drei slavischen Worte: «Wasilko», «wlatawasw und «sidschu» 

zeugen, dass schon um gzi das Slaventhum die Bulgaren stark beein- 



¥ 



^54 



flusst hatte. Allein diese letzteren prophezeien aus dem Hundegeheuf 
die Schlange ist ihnen ein geheiligtes Thier ; eines ihrer Kleidung« 
stücke (Ibn Foslan bezeichnet es als Mütze) heisst »kalensuve«». Dazi 
kommt, dass nach Ihn Foslan und anderen arabischen Schriftstallen 
die bulgarische Sprache sowohl von der türkischen wie von der per 
sischen Sprache verschieden, mit der chazarischen aber übereinstim 
raend ist. Der Name ihrer Hauptstadt ist Buigar, welche die Ruaseq 
im Jahre 968 oder 96g verwüsteten ; diesen Namen zerlegen wir in 
*bnl-gar», nachdem ikar«, «gar» im Sirjänischen, Permischen imd Wot- 
jakischen «Stadt» bedeutet; *bul-gar» wäre also ^^ «Bul Stadt», «Stadt 
der Bulen». Alle diese Umstände zeugen für eine Nation mit ugri^ 
scher Sprache. «9 Allein andere bulgarische Städtenamen, noch am 
der Zeit vor dem Mongolen-Einfalle, wie z. B. «Sabakula», »Cselmata»^ 
«Aslix und andere scheinen türkischen Ursprunges zu sein. Auch die 
Correspondenz zwischen dem Bulgarenkönig und dem Khalifen von 
Bagdad wurde wahrscheinlich in türkischer Sprache ge fuhrt, welche! 
Sprache man damals, nach Fraehn's Ansicht, am Hofe zu Bagdad schori 
verstand. Nach dem letztgenannten Schriftsteller gehörten die Bulgaren 
wahrscheinlich zur finnisch-ugrischen Völkergruppe, welche sich danfl 
mit slavischen und türkischen FJementen stark vermengte; so dass di€ 
Wolga- Bulgaren fast gänzlich zu einem türkischen, ihre Stammverwand- 
ten an der Donau aber zu einem slavischen Volke umgestaltet wur- 
den. +50 Heute wohnen in dem Bulgarien an der Wolga Monlwinen. 
Tscheremissen, Tschuwaschen und Tataren, 

Das älteste Denkmal der Donau-Bulgaren ist ein. in neuerer Zesi 
aufgefundenes Verzeichniss, welches die bulgarischen Fürsten bis zum 
Jahre 765 aufzählt. Dasselbe ist in s lavischer Sprache geschrieben^ 
enthält aber viele Unverstand H che Worte, welche der ursprüngliche!* 
bulgarischen Sprache angehören. Diese suchte Hilferding aus dem 
Magyarischen zu erklären, doch ohne Erfolg, wie Dr, Jirecek. d«t 
neueste Historiker der Bulgaren, 4si meint. Die Eigennamen, wie: k^^ 
tocholj Dulo, Irnik (ähnlich dem Namen Imak, Attila*s Sohn)» TenH 
Vokii, Ukil, ügain, Umor etc. scheinen ugrischer Abkunft zu sein. 
Ein glaubwürdigeres Denkmal dieser Bulgaren sind aber die Antwortt^ 
des Papstes Nicolaus L vom Jahre 866 auf die ihm vorgelegten Fragea , 
der Bulgaren (siehe oben S. 117). Aus diesem geht hervor, da 
heidnischen Bulgaren Rossschweife zur Kriegsfahne hatten; das! 
auf den Säbel dej\ Eid ablegten und bei Verträgen Hunde opferten: 
dass sie ihre Haare abschnitten und einen Turban aus Linnen tnigen, 
was ebenso altmagjarische wie türkische Sitte gewesen, ♦s» Das sicberstt | 
Zeugniss wäre freilich die Sprache, wenn nämlich in der heatigen S^-* 
vischen Sprache der Bulgaren auch von deren früherer Sprache ew^ 



^^1 



ossere Anzahl von Worten erhalten worden wären» So aber kennt 
m als solchen Rest nur das Wort «our»; dieses Wort, das gleich 
m magyarischen «um Herr bedeutet, ging von den bulgarischen 
en'en in die slavische Sprache ihrer Unterthanen über, sagt Roesler. 
adurch wird das Bulgarische als ein ugrischer Dialect gekennzeich- 
rtJ53 Auch die rumänische oder walachische Sprache kann zur Lösung 
tr bulgarischen A bs tarn raungssf rage einige Beiträge liefern ; denn man 
,nTi annehmen, dass auch in diese Sprache altbulgarische Wörter ein- 
idrungen sind, welche ihre urspriingliche Form behalten haben. Es 
: nämlich eine bekannte Thatsache, dass die entlehnten Wörter nach 
niger Accomodation an die neue Sprache ihre frühere Gestalt 2iem- 
:h unverändert behalten. Roesler betrat auch diesen Weg der Unter- 
chung^ indem er insbesondere die rumänischen Worte «mal» (Ufer, 
üste) und «siiri (magyarisch iszür-ke» = grau) heraushob, 45-* 

Die alte bulgarische Staatsverfassung beruhte auf dem Adel. Der 
itel des Fürsten war «Khan» (im Magyarischen des r6. und 17- Jahr- 
anderts thdmi), dessen Rath sechs iBoli-as» bildeten: aus diesem 
^ürdenamen leiten Einige das slavische Wort « boljarin >*, « bolerin » 
idelleute) ab, welches Wort (heute «Bojaren"} nur bei Rossen und 
ulgaren üblich w^ar und von diesen zu den Walachen und Albanesen 
slangte, 45S Nach bulgarischer Höflichkeit erkundigte sich der byzanti- 
ische Gesandte zuerst nach dem Befinden des Fürsten ^ seiner Gemahlin 
id seiner Kinder; sodann nach dem des Kanartikin und des Tarkan der 
t>Iias: hierauf nach dem der sechs grossen Bolias, sowie der inneren 
id äusseren Bolias und endlich nach dem Befinden des ganzen 
olkes. '♦s* Die ■ grossen Bolias » (BflÄmEf^ «1 ftsyi?iti) erinnern an die 
f<S-bäg)en » der Magyaren, welche gleichfalls die dem Könige zunächst 
ehenden Würdenträger bezeichnete (siehe oben S. 225) ; ja sie unter* 
Qtzen sogar die Meinung, dass das magyarische * bdg}* » (bagy) viel- 
^cht eher mit « boli i, dem Stammworte von t bolias» zu vergleichen 
1 als mit dem chazarischen «hak» (siehe oben S. 137). 

Fassen wir Alles» woraus sich auf die Nationalität der Bulgaren 
^ Schluss ziehen lässt^ zusammen, so ergibt sich, dass die Bulgaren 
^ t^nsthes Volk waren, auf welches schon friiher sowohl türkischer 
' slavischer Einfiuss eingewirkt hat ; der erstere siegte über die 
%a-, der letztere über die Donau-Bulgaren. Ganz in derselben Weise 
' <lie bulgarische Ab stammungs frage muss auch die « Hunnen frage» 
'itvortet werden. Sowohl Hunnen als Bulgaren gehörten zu den 
^crhen Völkern ; allein, welchem Zweige dieser Völker sie beizu- 
^^xx sind, das kann nicht bestimmt wx^rden. ^57 Wer die Hunnen für 
C:tc Vorältern der Magyaren und die Sprachen der beiden Völker 




356 



für identisch hält: der ahnt gar nirhl jene vielen und grossen Klüfte, 
denen man zwischen Hunnen und Magyaren begegnet. 

Die Nationalität der Chazaren lässt sich aus naehstehcndenl 
Momenten folgern: Der Name der Chazarenburg iSarkeU bedeutet,! 
wie wir oben S* 157 gesehen haben, so viel als «weisse Niederlassuug»,! 
* Weissen bcrgi»; die im Briefe des Chazarenkönigs Josef (siehe obeftj 
S. 178) enthaltene Genealogie (und diese ist ein einheimisches Zeti|-J 
niss) deutet auf ugrisches V^olkstlium hin ; Ibn Foslan und ändert 
arabische Schriftsteller finden die chazarische Sprache übereinstimmendl 
mit der bulgarischen i Tabari ff 924) und der spätere russische Chroni 
Nestor nennen die Chazaren auch Ugren. ^-8 Nachdem das einzigi 
erhaltene chazarische Wort « sarkel w nicht nur im Wogulischen *%veisse?ij 
(sar, sor) «Haus» (kel» kil, magyarisch fthaz») bedeutet, sondern and 
im Tschuwaschischen dieselbe Bedeutung hat: so folgern Viele dafaifi 
und aus den übrigen Daten» duss die Chazaren ebenfalls ein tigns'kfT' 
Volk gewesen seien. +59 Andererseits lässt sich aus den FürstentiHin 
^( Khagan », «Reg*, <^ Hey » (nj^), aus dem Worte «Khatunn (türkiMi 
*Frauj»u sowie aus dem Unistande, dass die Byzantiner die Chazarrü 
gewöhnhch « Türken »> nennen; endlich aus der Mittheilung Ibn Da^M> 
(vgL Ckben S. tjo), dass die Religion der Chazaren vor ihrem lelxr- 
tritte zum Christenthume der türkischen Religion ähnlich gewi n 
sei, die Folgerung ziehen, dass die Chazaren ein iurh'sches Volk w^rn 

Allein die arabischen Schriftsteller nennen einen Theil der l ha- 
zaren auch die tigtniikhtn Chazaren und machen einen Vntersi I ' 
zwischen '« weissen •♦ und « schwarzen •» Chazaren, *^*^ woraus hervi 
gehen scheint, dass die Chazaren nicht aus einem, sondern aus melJ* 
raren Stämmen, vielleicht auch aus mehreren Völkern bestanden. 

Wichtiger als alle diese Momente dürfte das Zeugniss sein» v.':> 
ches wir im Hinblicke auf die Vereinigung der Kabaren mit tlen 
Magyaren aus der magyarischen Sprache ableiten. Es ist bekannt» dasi 
ein Stamm der Chazaren, die Kabaren, sich von ihren bisheri«f,^cii 
Namensbrüdern trennte und mit den Magyaren verband (siehe 
S. 141) und diesen letzteren die chazarische Sprache lehrte, daneU**- 
auch die eigene Sprache behielt, doch, zugleich die Sprache der 
gyaren erlernte. Hier ist also deutlich von der Berührung, ja in gewiss 
ser Beziehung Verschmelzung zweier verschiedener Sprachen die Reda 
Nicht minder ist es aber auch bekannt, dass in der äusseren Geschieh« 
der magyarischen Sprache der türkische Einfluss ebenso erkennbar \^ 
wie der siavische. Wenn wir also die slavi sehen Elemente im Magy^ 
rischen ganz richtig aus der Verschmelzung der Slovenen mit dß 
magyarischen Volke herleiten : so müssen auch die türkischen Wofi 
von der Amalgamirung eines türkischen Voiksstammes mit den MagV^ 



257 



abstammen. Nach dem Zeugnisse der Geschichte vereinigten sich 

baren mit den Magyaren ; also stammen die im Magyarischen vor* 

denen türkischen Wörter von den Kabaren her. Und diese Ansicht 

1 durch eine gewichtige Thatsache unterstützt. Das chazarische 

ort <i sar-kel » lässt sich weit eher aus dem eigentlich Tschuwaschi- 

en als aus einem anderen türkischen Dialecte erklären. In keinem 

kischen Dialecte findet man das Wort « kel » in der Bedeutung von 

aus», «Niederlassung», nur im Tschuwaschischen; ferner sind die 

s dem Türkischen stammenden magyarischen Wörter -mit der r-Bil- 

Bg, als: «tenger* (Meer), «ökör» (Ochs), «< iker k (Zwilling), «borjut 

alb), « karö » (Pfahl) ebenfalls nur im Tschuwaschischen vorhanden ; in 

m übrigen türkischen Dialecten steht hier «z-* statt « r », also; «tengizi, 

küz », «iki?. t i]. s. w. Man darf somit kühnlich annehmen, dass jene 

gyarischen Wörter von türkischer Abkunft von einem Türkenstamme 

t tschuwaschischem Dialecte herrühren ; dass somit auch jene Kabaren 

rken mit tschuwaschischer Sprache gewesen seien. Daraus folgt 

ch nicht, dass sämmtliche Chazaren diesem Dialecte angehörten, 

►rausgesetzt, dass zwischen den Chazaren ein Unterschied vorhanden 

ir; nur das Eine geht daraus mit Nothwendigkeit hervor, dass ein 

üeil dieses Volkes, die Kabaren, diesen Dialect besass und sich, 

?nn sie etwa dadurch von den übrigen Chazaren verschieden waren^ 

plleicht eben deshalb von diesen getrennt hat. — Die Verschmel- 

g der Kabaren mit den Magyaren bedingt keine Blutsverwandtschaft 

er Sprachgemeinschaft zwischen beiden Völkern, wie ja auch die 

^ätere Vereinigung der Slovenen mit den Magyaren keineswegs das 

esullat einer solchen Verwandtschaft. ^^^ 

Das Andenken an die Chazaren biteuhren in Russiand vieiv Orts- 
%me?tj wie 3. B. Kazarecz^ Kazariiscki, ICazarinaWy Kozarowkay Kazart 
, J. w, 46» Auch in Ungarn hatte der Anonymus ehvas vo?i den Chaza- 
^ vernommim ; denn im Cap. XI versetzt er zzvischen die Flüsse Maros 
mi Szamos das Reich jMarot's, weiches, wie er sagt, das Volk namens 
"^ozar bewohnt. In dieser Gegend trißt man heute allerdings nur die 
frisNa^nen ^Jiozdr-zfdm (^ Chazaren- Burg) int Comitate Inner- Szolnok 
Md ikKözdrd^ im Szatntärer Comitate; allein zur Zeil des Anonymus 
^b fj; wohl noch mehrere Ortsnamen, die an das Volk der Chazaren 
^imierten. Im Baranyaer Comitate si?td noch die Orte : ^Nagy-M (Gross^J, 
S'is-* ( Klein- J und ^^Räcz-w (Raiziscli-, Serbisch- j ^Kozdrt; im Eisen- 
urgtr Comitate eine Puszta ^Kozdri^ ; im Neograder Comitate die Ort- 
^hajten ^Kozdrd* und ^Kazdr^. 463 

Koch geringere Behelfe als zur Bestimmung der Nationalität der 
riiazaren stehen uns zur Verfügung, sobald wir die Abstammung der 
Ovaren untersuchen wollen. Aus der chazarischen Sprache besitzt man 
mindesten einen Ortsnamen « Sar-kel • ; aus dem Avari sehen ist 
'er dem unverständlichen *i bocholabra j» (siehe oben S. 96) kein ein- 
«ieuibares Wort anf uns gekommen ; selbst die avarischen Namen 



25^ 



der buriihmten Befestigungea (der iiHringei» oder •Ringe») hab<ii diM 
Geschichtsschreiber Carl des Grossen nicht aufgezeichnet, *^< Das 仫| 
denken an die Chazaren wird ferner in Ungarn durch Ortsnamen s 
zum heutigen Tage bewahrt; die Erinnerung an die Avaren, weil 
daselbst dritthaib Jahrhtinderte herrschten, verewigt kein einziger Orfs-J 
narac; denn der Ortsname tOyör» (Nagy-Györ» Kis-Györ, Dios-Own 
u. s. w.) konnte nur von Jenen für ein avarisches Ueberbleibsel genotninett j 
werden, welche das deutsche Wort « Iting i* unter Zuhilfenahme döl 
magyarischen * gyürü • (= Ring) durch * györ !* zu erklären versuchten 
Der angebliche avarische Ortsname «Vetvar* ist gleichfalls sehr zwc 
felhaft. Man muss in der That staunen, dass von der langen Hen 
eines berühmten Volkes ausser einem Skigdtigrl und zjva odtrdnil 
ddn (vgL oben S. 98 und 98 — 99) nichts weiter übrig geblieben ist. 
Indem wir die verschiedenen Ansichten der Historiker über dieNatic»*] 
nalität der Avaren bei Seite lassen, wollen wir untersuchen, was m.»^^ 
den vorliegenden Daten darüber entnehmen kann* 

Die griechischen Schriftsteller nennen die Avaren ein «'^'- 
sches » oder «ugorischcs* Volk und lassen sie von den Ufern l' 
«Schwarzen Til » (der Kama) herstammen (siehe oben S* 85 ff,). Un^^^'l 
den Griechen gebrauchen Menander (594) und Theophylaktus Sinx'*^ 
catta (62g) zuerst den Namen «Ogom, «Ugor»^ den Jordanis (5> ^^' 
schon in tt Hun-Ugur » und ähnlichen Völkernamen erwähnt halt 
Demzufolge waren die Avaren ein ugnschcs Volk wie die Bulgaren 
Magyaren, deren lateinischer tmd deutscher Name (Ungria, Ungan 
Ungern, Ungarn) ebenfalls von dalier kommt. -^^5 Wenigstens die abeit^ 
ländischen Chronisten Mtghio und Lmiprand^ welche der Mag 
zuerst gedenken, nennen diese darum « Ugren » oder «Ungren>i 
sie aus dem bekannten Lande * Ugorien * eingewandert seien. 

Auch das avarische Volk bestand aus mehreren Stämmen; 
gedachten weiter oben (S. 95) des Stammes der Vartin^ Uann IP 
Chunm, der Tamiaken und Koczager^ sowie des Za^f«*/e?r- Stamm es. 
Ausdrücke «var», «toar», nur», «vor» bedeuten in den ugrischen Sp^ 
chen (im Wogulischen, Permischen u. s. w.) Berg^ Waid; fkur»n' 
«chumi aber Menschen, Leute; darnach wären die « Varchuniten • o«^ci 
* Varchoniten » der Byzantiner =:* Bergbewohner». Nachdem jedoch a«-^^^ 
der allgemeine Name des L^ralgebirges «var», «uar», «ur», d. i. «Bf^'*^' 
lautet, so kann man die Namen deravarischen Stämme der « Varen» «-^^" 
«Chunen» auch von daher ableiten; ja der Name der t Avaren • ^^ 
scheint nichts Anderes als jenes nuar» zu sein. 4^6 — Auch die Staia^ 
namen der «Tarniakenj* und <<Koczagerto deuten auf ugrischen, der N* 
*t Zabender •• auf persischen Lirsprung hin. 



259 



Ausser dem türkischen Würdenamen * Khagan i» begegnen wir bei 
Avaren noch den Namen «Jugur» und «Tudun» oder * Sodan ». 
Jugnm ist dem Worte *ogor», ffugor» sehr ähnlich; man weiss nicht, 
'b dieser Name nicht den Fürsten eines besonderen Stammes bezeichnet 

fiabe; denn bei Eginhard werden die Gesandten des «Khagans» imd 
JuguTs 1 envähnt. +^? Der Ausdnick « Capzanus », welcher einmal vor- 
bmmt, ist eine offenbare Verdrehting von « Caganus », — Ebenso 
Ikheint das Wort « tudun » oder « sodan » schon seinem Klange nach 
gxiHch zu sein; denn das magyarische *tudi (= er weiss) lautet im 
tordwinischen « sod » und wenn es gestattet ist, davon auf die Bedeu- 
1*1 g des avari sehen Wortes zu schliessen, würde « tudun» oder «sodan» 

> viel als der « Wissende », der « Gelehrte » bedeuten, was auf einen 
fi^sterlichen Beruf passen würde. Ob aber der « Todiin » oder t Sodan» 
Tk Oberpriester gewesen, das lässt sich aus den Mittheilungen der 
feschichtsschreiber Carl des Grossen nicht entnehmen. 

Unter den erdichteten Papstbriefen des Pas.satier Bischofs Pilgrim 
^findet sich auch eine Bulle des Papstes Eugen IL vom Jahre 826 
iiehe oben S. 197), in welcher von dem Veivdrer Bisthum im Avaren- 
mde die Rede ist. Pilgrim schickte seine Urkunden, also auch 
lese Eugen'sche Bulle, im Jahre 974 an den Papst Benedict VIL 
ach Rom. Nach der Darstellung Pilgrim*s gehorten die Bisthümer 
^armna und Veivdr vordem zum Lorcher Erzbisthum, Obgleich nun 
Ä diesen Urkunden Alles erfunden ist, so sind doch die Ortsnamen 
Äureacum (Lorch), Nitria (Neitra), Faviana geschichtlich ; ist es da 
icht wahrscheinlich, dass zu Fiigrim*s Zeit auch ein «Vetvdr» bestand 
Ö^r doch die Erinnerung an mn früheres «Yet^^än» noch im Gedächt- 
'sse jener Zeit fortlebte wie das Andenken an Faviana ? « Vet-vir » 
^^"6 aber magyarisch tViz-var», d. i. f Wasser- Burg»; denn wdr wissen, 
^s «vet», «ved» =. magyarisch «viz», d. i. Wasser (siehe oben 

► 150). 468 Wären wir im Stande, auf irgend eine Art zu beweisen, 
P-ss iVetvär» schon um das Jahr 816 bestanden habe, vielleicht als 
*^^r der alten avarischen * Ringe», dann würden wir ein sicheres ava- 
Bches Wort gewinnen, welches auch den magyarischen Namen des 
^Usiedlersees (= FertÖ) als avarischen Ursprunges bezeugen würde. 

Die Reste der Avaren finden wir am längsten in der Nahe des 
**isiedlersees, an der Leitha und in der Gegend des heutigen Wien ; 
'^shalb man annehmen kann, dass die einwandernden Magyaren da- 
^'bst noch Avaren angetroffen haben. Es ist auffällig, dass der Plat- 
lusee seinen magyarischen und deutschen Namen dem Slavischen 
^''ciankt ; bei dem Neusied iersee ist das weder im Magyarischen noch 
^ Deutschen der Fall. Hätten wir auch keine anderweitige Kunde, 
* liesse sich schon aus diesem Umstände folgern, dass die Magvaren. 



26a 



bei ihrer Einwanderung in der Gegend des Plattensees SJaven vor^^ 
funden haben, am Neusiedlersee aber nicht. Der magyarische Nan 
«Ferto* für « Neusiedlersee » kann somit von den Avaren abstammen} 
denn deren Existenz an diesem Orte ist bis zum Jahre 844 historisca 
beglaubigt (siehe oben S. 105). Diese Wahrscheinlichkeit wird nocl 
dadurch verstärkt, dass es nicht denkbar sein kann, dass dieser gros» 
See bis zur Ankunft der Magyaren namenlos geblieben sein sollte 
Wenn aber der Name •Ferto» von den Avaren herkommt, so kann ma 
ihnen auch den Namen des am Nensie;llersees gelegenen Sumpfes" 
« Hansäg I zuschreiben. Uebrigens kommt das Wort * ferto 1» auch in den 
ver^Ä^andten ugrischen Sprachen vor; der schone und grosse Wirz-See 
in Estland ist auch ein « Ferto t; denn «Wirzw, estnisch «virts» = Mo- 
rast, Sumpf, also was das slavische «blato», «Balaton» (^ Platteo-); 
«Fertö* (= Neusiedler*) und «Virtsi (Wirz-See) sind demzufolge Namen 
von gleicher Bedeutung. Das estnische «vlrts* ist identisch mit dem 
mag>'arischen Worte «fercs», «fröcs» (= sudelt, schmutzt). 

Allein wenn auch die Wörter «vetväri», «fertö» und «hansägi 
nicht von den Avaren abstammen würden, sondern erst zur Zeit der 
niagyari sehen Niederlassung entstanden wären : so könnte man das 
L'grenthum der Avaren doch nicht in Abrede stellen. 

Die byzantinischen Schriftsteller besassen mehr ethnographischem 
Wissen oder wenigstens mehr Neugierde als die lateinischen Chronisten 
des Abendlandes. Wie wir gesehen haben, fanden es die Geschichts- 
schreiber Carl des Grossen nicht fiir genug interessant, auch nur den 
Namen einar avarischen Feste zu notirfen. Dagegen unterliess es der 
im t Purpur geborene» byzantinische Schriftsteller Constantin nicht, die 
Burgen der Petschenegen grösstentheils mit ihren petschenegischett- 
Namen aufzuzählen. In dem Theile diesseits des Dnjepers, der na 
Bulgarien zu Hegt, befinden sich, so berichtet er, an den Furten dcsä 
Flusses leere Festen, in denen man Ruinen von Kirchen, Steinkreuzej 
u. s. w. antriflFt, vielleicht Denkmäler der Römer, d. i. der Grieche 
Diese alten Festen oder Burgen bewohnten die Petschenegen ; die er^t« 
dieser Festen nennt Constantin «Weissenburg», von den weissen (Kalk-Jj 
Steinen, wie er meint, so geheissen ; dann folgen : Tung-gata. Krakna-i 
gata, Sahna-kata, Saka-kata, Giau-kata (siehe oben S. ij8). «Weissen^ 
bürg» war ohne Zweifel die petschenegische Haupt- und Residenzstadt J 
es ist bedauerlich, dass Constantin nicht auch ihren petschenegiscfc 
Namen mitgetheilt hat. In den übrigen fünf Ortsnamen begegnet ma 
dem Ausdruck flkata», «gata», was augenscheinlich ein Appellalivum ist, 
das mit Eigennamen verbunden wurde. ^Kat* bedeutet in den ugni 
sehen Sprachen gleich dem chazari seh- tschuwaschischen Worte t kelY 
so\'iel als * Haus » ; « Tung-gata »^ * Krakna-kata v u, s. w. kann also sein i 



26l 

«Haus des Tanges «Haus des Krakna», «Haus des Salma », «Haus 
des Saka ». * Haus des Giau«» Den ersten Theil dieser Ortsnamen, der 
Kigennamen enthält, verstehen wir nicht ; wie wir z, B, auch die Bedeu- 
tung des ersten Theiles von « Eszter-häza * nicht wissen ; dagegen ist 
der zweite Theil, das «gata% tkata» deutlich und nach dem chazarisch- 
tschuwaschischen « kel * zti urth eilen auch vollkommen verständlich. 
Auch im Magyarischen kommt das Wort * haz » (^ Haus) in sehr vielen 
Ortsnamen vor; ausser « Eszter-häza* nennen wir noch: « Fülöp-häza • 
(«Philipps-Haus»), t F^l-eg}^haza *, «Had-häza», (had = Geschlecht, 
Sippe; also « GeSichlechter- oder F^amilien-Haus *), <^ Halom-egyhäza », 

• Ker^k-egyhäza », * Nydr-egyhdza », « Nyir-egyhäza », » Egyhäzas BQkk », 

• Egyhäzas Füzesi, «Egyhdzas Hollös» u. s. w. 
Nachdem unter den magyarischen Flussnanien auch das Wort 

•jog** «jö» (~ Fluss) vorkommt und wir bei diesen Flüssen petsche- 
negische Ansiedelungen gefunden haben (s, o, S. 248—249), so erhebt 
sich natürlich die Frage, ob dieses ♦•jog», *j6» (= Fluss) nicht durch 
die Petschcnegen in das IMagyarische gebracht worden sei. Wiewohl 
jHrir nun diese Frage nicht mit voller historischer Bestimmtheit beant* 
^'orten können, so tritt dafür dennoch eine grosse Wahrscheinlichkeit 
ein, welche auch noch durch eine andere Thatsache verstärkt wird. 
Das Wort * kata * scheint nämlich auch mit den Petschenegen nach 
Ungarn gekommen zu sein ; denn im Wiesel burger Comitate gab es 
ein petschenegisches Dorf Namens « Kata »♦. -^^^ Demzufolge können wir 
auch die in der Gegend des Täpjö-Flusses vorfindlicben Ortsnamen : 
« Szt,-Lörincz*Käta n (Haus des heiligen Laurentius ?), * Puszta-Boldog- 
Xäta » (boldog käta = glückliches Haus), • Puszta-Tamäs-Kata *, « Puszta- 
Egres-Käta», « Nagy-Kata » hierher zählen. Die Ortsnamen * Busenyo- 
tarl6 • (rus Bissenorum) und » Besenyö-aszö * (siehe oben S. ^32) dürften 
in gleicher Weise petschencgische Wörter sein ; * tarlö » ist nämlich 
ein türkisches Wort und bedeutet <i Feld » oder * Acker i* ; « asz6 » = Thal. 
Den sehr gewöhnlichen Lautwechsel « kat *, « häz * trifft man in den 
^verwandten Sprachen ; siehe oben S. 152 die Yergleichung des Wortes 
« hAz » mit seinen Verwandten. 

Au/ Seife rjS haben wir gesehen, dass ein Theil der Petschenegen 
den Namen *Ka ngar% führte, 7vas i^ mann lieh*, ^Held* bedeutet. Die 
UTSprünglicheii N^amen der finnisch-ugrischen l^idker sind zumeist von 
4ieni Lande, das sie be^vohnten^ oder von den Fiihsen, an deren Ufer sie 
ihre AHederlassungen hatten, genothmen-. Die Esten nennen sich 2. B. 
fnU- meSf d, i. ^Bewohner des Landes^, ^Landsleute% ^ Ein gebor ne%\ ihre 
Sprache mH-kel, d. i. die «.Landes*-, die nein heimische Sprache*; Est- 
iitnd selbst heisst ma ^ das liLand*, die ^Erde*. Im JVogulischefi wird 
der Afensch (Ala nnj m a - k u m , mo- k u m , m a ^gu m genan?it ; im Per* 
fntschen kom i ^jnurt ^, Älann von der Kama ; im IVotjakischen ud- 
fn ur t :=, ein Alanu van der IViatka, JVas kann also « magyar* bedeute fi r 
^eini A nonymus und i?i anderen alten Chroniken lautet das Wort m o- 



ger, ma-ger (später ma- gya r). Der ^ erste Thai des i" 

das estnische, wogutische etc. *mo^, nma» = Land oder Jl 
Bedeutung des zweiten Theiles ger oder gyer fifiden wir in den 
sehen U^trtern gy er - e k f Knabe )^ gy erm-ek fKindJ, weicht 
Diniinutiva von gy e r , gy er e m sind, Detn entspricht das r^ 
kär , käreni, zvas so viel als * Menscht, ^Mann^ bedeutet; ufuz 
tischen Diminutiva k ä r - kve , k är e m - kv e sind gleich den ^na^^ 
sehen gy er-e k , gy e r m - e k , d. i. Älenschlein, .Männchen = Kiü 
Knabe. Das na rd-wogu tische k ä r lautet im süd-wogtilischen ka r ^ atxk 
gar. Schon daraus geht deutlich hervor ^dass das Wort ma-gyar dassem 
bedeutet ^ was das estnische m a - m e s , und das ttogu tische m a * gm ' 
nämlich »Älänner, Leute des Landest ^ nLandsleute^^ * Einheimische*, 
kann sein, dass anfänglich blas der Stamm Alegere fs. o. S. 141} 4ii 
sen Namen geführt hat und derselbe erst später zum allgemeinen Valks-^ 
nanien wurde. Wir haben gesehen, dass das permische komi-murt 
einen Älann von der Kama bezeichnet ; denn im Per mischen heisst die 
Kama kom , konii; das wotjäkische ud-mu rt =r ein Alann 1*0 n der 
Wiatka ; denn der Wiatkafluss heisst hn Wotjakischen USi ; auch tki 
russische tWot-jäk* stammt von diesem Ud ( Wiatka j. Sollte nicht auch 
das petschenegische kangar eine ähnliche Zusammensetzung, etwai 
k a m ' ga r , k an- gar sein ? Und bedeutet dieses Wort alsdann nicht 
auch einen ^Afann von der Kama^ ? Mich dankt das sehr wahrschmA 
lieh und ivenn der Byzantiner Constantinus sagt, dass ein Theil desX 
Volkes diesen Namen fährte ^ so verstehe ich das dahin ^ dass dieser Theil dei I 
Volkes von den Ufern der Kama^ die übrigen Petschenegen aber anders- j 
woher abstammten. Ahm können wir auch mit grosserer Bestini mthettX 
behaupten, dass, wenn auch das Wort j o g , j 6 ^ welches in den magya*\ 
ri scheu Flussnamen Sa-jö, Täp-jö so viel als nplussn bedeutet f im l 
Wogulischen, Ostjakischen kommt dasselbe auch vor), nicht von den\ 
Petschenegen herrühren sollte ; so konnte doch dus «r^a» in den mugy&-M 
rischen Flussnamen Szi n -v a , Z a gy *v a u. s, w.^ das int SirjänischenT 
Permischen, Wotjakischen nJVassem bezeichnet, in der That nur mit. 
den Petschenegen nach Ungarn gelangt sein. 

Die Erklärung der Namen m agy ar, kangar macht uns auch 
den Volksnamen b u l - gar verständlich ; denn b u l - gar^ b o l gar z=^ 
%Mann von der Wolga*. Der Name «Wolga* stainmt von den Bulgann 
und bol'ga = wol-ga wie das wotjäkische ud — deßn russischen 
wjat. Die Mauptstadt der Bulgaren hiess auch Bolgar ; wahrschein- 
lich ist der « Stadt* bezeichnende Wort theil weggeblieben ; wenn wir nie hl 
annehmen wollen^ dass das kar, gar, welches im Permischen ^ Wotja^ 
kischen^ Sirjänischen auch « Stadt* bedeutet^ hier weggelassen wurde, i9 
dass Bol'gar entweder: ^ Bot- Stadt* oder v^ Stadt der Bot mannen 
heissen würde. 

Endlich fragt es sich, ob das gor, gur in o-gor» u-gur, hun* 
ugur und vielen anderen Volkernamen nicht auch auf diese Weiset» 
deuten wäre. Ich wage das nicht zu behaupten ; so viel scheint geiviss zu 
sein, dass auch go r, gur Gemein na men und keine nomina propria sind* 

Alle auffindbaren Reste der petschenegischen Sprache, auch dk 
personalen Eigennamen (siehe oben S. 138) deuten daraufhin, dass auclj 
dieses Volk zu den Ugren gehörte, also dem miigyari sehen Volke stamfl 
verwandt war und deshalb mit demselben leicht verschmelzen konnt^ 

Die Kumanen hallen die nichtungarischen Historiker vielieic 
ohne Ausnahme für ein iürkisclus Volk ; die ungarischen Geschieh^ 
Schreiber dagegen betrachten sie eben so ausnahmslos als Ktm-Mah^vi 



^ 




26^ 

Die letzteren Historiker folgern von dem heutigen Zustand der 
auf die Vergangenheit. Die Pal6czen, Jazygier und Ktiraanen 

ilden gegenwärtig den Kern der Magyaren ; wie sollte es da möglich 
sein, dass es eine Zeit gegeben habe, in der sie keine Kern-Magyaren 
gewesen seien ? Also lautet die Argumentation, welche insbesondere durch 
die Palöczen eine scheinbare Stütze empfangt ; denn diese sind heute 

im Westen und Norden von .Slovaken eingeschlossen, Tn solcher Urn- 
gebung, meint man, wäre eine Verschmelzung der Palöczen mit den 
Magyaren, wenn sie vordem auch einem verwandten Volksstamme ange- 
hört haben, nicht möglich gewesen ; unter Slovaken hätten sie die 
magyarische Sprache nicht annehmen können ; sie müssen also vom 
Anfang an völlige Magyaren gewesen sein und sind das bis zum hqji- 
tigen Tage geblieben. ^^^ 

Wir können bei der einschlägigen Untersuchung das Zeugniss 
der Alten billig beiseite lassen ; so z, B. die Angabe der Anna Com- 
nena, dass die Kumanen und Petschenegen eineriei Sprache {ift^yX§tTr&i) 
hatten; +7' oder die Mittheilung bei Edrisi, wonach die Sprache der 
Petschenegen von jener der Baschkiren verschieden sei, wodurch nach 
dem Urtheile Roesler's-*?^ der Unterschied zwischen Kumanisch und 
Ungarisch ausgesprochen sei, weil die Petschenegen und Kuraanen 
sprachlich als ein Volk gelten müssen, die Baschkiren aber zu den Un- 

arn (Magyaren) gehören. Wir können diese Zeugnisse übergehen, 

[enn sie sind nicht entscheidend ; deshalb prüfen wir hier nur jene 
neueren Ansichten, welche die Kumanen entweder als ein türkisches 
oder als ein magyarisches Volk betrachten. 

Die Ansicht über das Türkenthum der Kumanen stützt sich 
hauptsächlich auf ein handschriftliches Wörterbuch, welches Petrarca 
der Bibliothek von Venedig geschenkt hat. Dieses Wörterbuch ist 1303 
geschrieben und behandelt die kumanische Sprache für die italienischen 
Kauficute, welche in der Krim und in Süd-Russland mit den dortigen 
Kumanen grossen Handel trieben. Diese kumanische Sprache weicht 

Is besonderer Dialect allerdings in Manchem vom osmanischen Tür- 

jsch ab ; trägt jedoch den Charakter der einheitlichen türkischen 
Sprache vollkommen an sich. + 73 Die Heimat dieser Kumanen war 
• Schwarz-Kumanien», dessen auch die ungarischen Chroniken erwäh- 
iien (siehe oben S. 186 und 187). Bis dahin gelangte auch König 
Ladislaus HL als er die besiegten flüchtigen Kumanen von dort zurück- 
holte (siehe oben S. 143). Die Kumanen der Krim und Süd-Russlands 

onnten also um 1303 den Kumanen in Ungarn nicht unbekannt sein. 
jpass ferner die Sprache dieser ungarischen Kumanen eine von dem 
Magyarischen ganz verschiedene war, bezeugt auch der Grosswardeiner 
Domherr Rogerius, dieser Augenzeuge bei der Aufnahme der Kumanen 




264 

durch König B^la IV,, sowie Zeit- und Leidonsgenosse im Mongokn- 
Sturme. Kr erzählt uns auch von dem Verdachte der Magyaren, vor- 
nach die Rumänen den Tartaren nur deshalb um ein Jahr früher voranv 
gezogen wären, damit sie die Zustände des Landes auskundschaften und 
dessen Sprache kennen lernen, um so die nachfolgenden Tartaren unter- 
stützen zu können. 474 Ja, aus den einheimischen ungarischen Quellen 
erfahren wir nicht nur, dass die kumanische Sprache von der magj-an- 
sehen verschieden war; sondern zum Thei! auch, welchem türkischen 
Sprachzweige sie angehörte. Der Graner Erzbischof Nicolaus Oläh» der 
im Jahre 1551 seine Beschreibung von Ungarn herausgab, sagt unl« 
Anderem: «Das Bier kennt man nur im kleinsten Theile des Landes; 
denn es ist grosser Reichthum an Wein vorhanden. In den ebenen 
Gegenden der Rumänen geniessen die kumanisohen Bewohner ausser 
dem von auswärts zugeführten Wein noch ein aas Hirse und Wasser 
eigenthünilich zubereitetes Getränk, das sie «iboza» nennen, »♦^s Diesen 
Wort «boza», wie die Sprache der Petrarca' sehen Handschrift überhaupt, 
zeigt, dass das Kumanische nicht wie das Tschuwaschische zu jenea 
Dialecten gehörte, in denen statt des s das r vorherrscht. 476 was ein 
weiterer Beweis davon ist, dass die Rumänen ursprünglich einen türki- 
schen Dialect hatten und noch zur Zeit des Nicolaus Oldh ein Getränl 
der tartarisT:hen Völker genossen. 

Noch im vorigen Jahrhundert war das kumam'scht Va/crunst 
bekannt und mit Stefan Varrö von Karezag soll im Jahre 1770 di( 
Kenntniss des Rumänischen ausgestorben sein.-*?? Darin liegt nicbl 
Besonderes. Auch grosse Nationen sterben aus, d. h. ihre Sprachi 
geräth in Vergessenheit, so dass deren Kenntniss sich allmälig ät 
Wenige oder auf eine einzige Person beschränkt, mit deren Tod dani 
auch die Sprache, wenn sie nicht in der Literatur verewigt ist. 
immer verschwindet. 

Jene ungarischen Historiker, welche das « Stockmagyaren thüi»i 
der Rumänen vertheitÜgen, bekennen sich hauptsächlich zu der Mei- 
nung, dass Hunnen^ Kumanm nnd Magyaren ein und dassall>e Voll 
gewesen seien ; eine Meinung, die jeder historischen Grundlage enl* 
behrt und die nur Derjenige annehmen kann, welcher die Geschieht« 
der Sprache ignorirt. 

Durch den En;v'eis des Mag}'arenthums der ehemaligen Kumanca] 
dem magyarischen Namen selbst in der Weltgeschichte eine hervor- 
ragendere Stelle verschaffen zu wollen, ist wahre Rinderei. 4?8 

Auch jene Ansicht, welche aus dem Magyarenthum der Pal6a( 
die magyarische Abkunft der Rumänen deduciren will (nachdem «Ji< 
Mag}^ari si rung unter Slovaken unmöglich gewesen wäre), auch dies« 
Ansicht \^t total irrig; denn sie versetzt den heutigen ethnographiscbfio 



riOi 



265 



Zustand in die Vergangenheit. Und doch beweisen die vordem rein- 
deutschen nord ungarischen Bergstädte, ferner die früher zahlreiche 
deutsche Bevölkerung in den Com i taten Sohl, Neograd, Bars, Türöcz, 
Liptau, Zips, Saros und Gömnr, dass daselbst das Slovakische weder 
"n solchem numerischen Verhältnisse noch in solcher räumlicher Aus* 
oehnung wie heutzutage vorhanden wrt. Die Pal6czen gelangten also 
bü ihrer Niederlassung unter magyarische Bevölkerung und waren mit 
ditser bereits zu einem Volke verschmolzen, als die Verbreitung des 
Slorakenthums begann. Auf dieselbe Weise amaigamirten sich auch die 
später anlangenden Kumanen, deren »reines» Magyarisch dieselben 
slavisrhen und tschuwaschisch-türkischen Wörter aufweist, wie das 
Gemem-Magyarische überhaupt. Ja gerade der Umstand, dass auch 
die Kumanen keinen besondern Dialect haben, ist der deutlichste Beweis 
dafür, oass sie erst hier das Mag}arenthum und mit diesem die fertige 
magj^arische Sprache annahmen. 

Als die Magyaren vom alten Avarenlande Besitz nahmen, hatten 
sie Stamim-erwandte : am Hnken Ufer der untern Donau die Petsche- 
negen, am rechten die mösischen Bulgaren ; weiter nach Nordosten 
die Chazareti und Wolga- Bulgaren und endlich hinter diesen die Ugren 
an der Kana und am Uralgebirge. Damals bewohnten also ugrische 
Völker Ungarn und Siebenbürgen, das moldo-w^alachische Tiefland bis 
zum ^leere, das transdanubische Bulgarien bis zum Balkan und zum 
Meere ; ferner den grÖssten Theil des heutigen Russland vom Dnjeper 
bis zum Jajk und vom Kaspi- und schwarzen Meere bis an das nörd- 
liche Eismeer* Die Magyaren sind weder «Asiaten» noch tohne Ver- 
wandte», wie Viele aus kindischer Prahlerei, Andere aus unverständiger 
Verachtung zu behaupten Jieben, Endlich geht aus den bisherigen 
Untersuchungen auch hervor, dass die Magyaren ihr jetziges Vaterland 
in solcher numerischer Starke in Besitz nahmen, dass die früher daselbst 
wohnenden, an Zahl weit geringeren Völkerschaften das magyarische 
Volk nicht umgestalten konnten, sondern vielmehr dieses sich ver- 
mehrte durch die Aufnahme verwandter und nichtverwandter Stamme ; 
denn ausser den verwandten ugrischen Volksstämmen hat dasselbe auch 
noch die Kabaren und Kumanen in sich aufgenommen. 

VI, Der gegenwärtige Stand des magjariscken Volkis. 

§ 55- 

Die Ereignisse der Vergangenheit schufen die Gegenwart, Obgleich 
wir hier die Geschichte des magyarischen Volkes nicht behandeln kön- 
nen, so müssen wir doch soviel bemerken, dass zur Entwickelung dieses 



366 



Volkes der Einfltuis der Ideen mehr beigetragen hat als die äussere 
Geschichte des Landes. Das Christenthum siegte erst zur Zeit Ludwig l, 
(1342^1582) vollständig über die kumanischen Nachwanderer; biiä 
dahin wurde also seine Kraft mehr auf die äusserliche Eroberung de^-j 
Volkes als auf die geistige Beeinflussung der neuen Christen verwenlti 
Nach Ludwig L fand die cechische Reformation, der Hussitismus, ; ii f 
in Ungarn Anhänger und Bekenner und das war der erste europä]- 
Motor, der auch auf den Geist der Magyaren belebend einwirkte, >t>- 
wohl nicht andauernd und auch nicht allgemein ; war doch ein grcsser 
Theil der Nation erst kürzlich zum Christenthume übergetreten üaq 
deshalb nicht im Stande, jene Ideen aufzufassen, welche HusJ nxiA 
söinu JiingcT verbreiteten. Nichtsdestoweniger mochte die Bevegunj 
auch unter den Magyaren bedeutend gewiesen sein ; denn de böhJ 
mischen Stände verlangten am 4. Juli 1436, dass die CompackUn, d. ll 
die Vereinbarung zAvischen den Hussiten und dem Concil iu Basel! 
auch in ungansclur Sprache bekannt gemacht werden sollten '•^9 Da 
geschah wahrlich nicht dem König Sigisraund zuliebe, der überhaupt nu 
sehr gezwungen die cechischen Forderungen acceptirte ; sordern weged 
des magyarischen Volkes, von dem ein Theil die Lehre de? Huss angc 
nommen hatte. Da jedoch die neue Lehre keine tiefen Wu-^zeln geschlan 
gen, konnte sie auch leicht wieder ausgerottet werden. 

Die zur Zeit des Königs Mathias (Corvinus) aus Ungarn vertrie-j 
benen magyarischen Hussiten flüchteten nach der Moldau, wo vie!^ 
Denkmäler an sie erinnern ; das vorzüglichste darunter ist die ältatt 
mag)'ansche Bibelübersetzung, deren einer Theil, die vier Evangelien J 
zu Tatros im Jahre 1466 geschrieben wurde. '♦^^^ Die Sprache dieserl 
Uebersetzung ist derartig, dass man aus derselben such heute noch dl* I 
evangelischen Pericopen in magyarischen Kirchen vorlesen könnte; ^»1 
sehr entspricht sie, ausgenommen einige veraltete Ausdrücke, der heu- 
tigen Sprache. Die nahe am Frut gelegene Ortschaft Hus neuDt um 
1550 Georg Reichersdorffer (in seiner Chorographia Moldaviaej «HurtI 
väras» («Hussitenstadtw) ; der Erzbischof Bandin aber schreibt ifflj 
Jahre 1647 darüber Folgendes: «Es ist ein auf drei Hügeln ruhe 
Marktflecken. Seinen Namen erhielt er von den um das Jahr 1460'! 
Ungarn vertriebenen Oedenburger und Pressburger magyarischen HuS' 
siten, die auch jetzt noch die Messe und Litanei in ihrer Muttersprache ^ 
singen, was wir imter Zustimmung der Gläubigen dahin ei ngeseh rankt 
haben, dass die Messe, und was dazu gehört, in lateinischer» die O^J 
sänge vor und nach der Messe aber in magyarischer Sprache 1 
halten werden. » ^^^ Jassy wurde ehedem von den Schriftstellern 
• Jazygier-Stadtii (magyarisch tjäsz-väros») genannt. 



2Ü7 

Zur Zeit des Königs Mathias (Corvinus) erscheint die äusserliche 
sschichte der ungarischen Nation in einem scheinbar glänzenden 
chte; allein das Magyarenthum selbst blühte nicht im Lande. 

Marcus Galeoti^ der am Hofe Mathias^ lebte, schreibt allerdings ^ 
SS während der Alahlzeit des Königs Ha? frier und Musiker die Tkaten 
^ Helden in magyarischer Sprache besangen. Ati solchen Thaten sei 
ch kein Aiangel ; denn umgeben vofi verschiedensprachigen Fei^iden 
tte Ungarn immer hinlängliche Ursache zum Kriege, Sie singen auch 
ne Liebes l ledert sondern besingen zunietst die Thdten gegen die Tiir^ 
U Und was sie singen ^ verstehen Alle ganz gut^ weil die Magyaren, 
m sie Edelleute oder Baue^rn, die Wörter fast gleichförmig gebrau- 
*n ; in ihrer Sprache besteht kein Unterschied, weder in der Aus- 
'ache noch in den Worten ; überall ist dieselbe Betonung, Es ist nicht 
in Ungarn wie' bei den Italienern, setzt Galeoti fort, wo man so x) tele 
rachweisen f Dialecte) antrifft^ dass der Bürger in seiner Rede vom 
tiern, der Calabreser vom Toscaner derart abweicht^ dass Einer ilen 
lätrn kaum verstehen kann. Die Magyaren sprechen aber gleichfor- 
g oder doch nur mit sehr geringen Abweichungen ; weshalb auch die 
dichte in magyarischer Sprache jedermann, der Bauer wie der Bär- 
't der Gemeine wie der Magnat in gleicher Weise z ersteht. 463 

Von den historischen Liedern, welche am Hofe des Königs Ma- 
as gesungen wurden, hat weder ein italienischer noch ein ungarischer 
iehrter eines aufbewahrt ; bei diesen hatte die magyarische Literatur 
änsowenig Werth wie bei Mathias selbst. Von Letzterem bewahrt das 
iger Museum zahlreiche Urkunden in cechischer Sprache ; noch 
ilreicher sind die von ihm in deutscher Sprache herausgegebenen 
künden ; wir kennen jedoch keine einzige Urkunde dieses Königs in 
Lgyarischer Sprache. Das charakterisirt die Zeit Mathias' in natio- 
Icr Beziehung, Cechiscbe und deutsche Urkunden wurden benö- 
gt ; deshalb ertheilte solche Mathias ; einer magyarischen Urkunde 
durfte Niemand, darum gab Mathias auch keine heraus. Selbst der 
lienische Gelehrte bemerkte diese Verläugnung der magyarischen 
Ltionalität und erklärt sich dieselbe auch nach seiner Ansicht folgen- 
nnassen : 

*JDie Deutschen, Cechen und Polen schreiben zuweilen in ihrer 
^^ter Sprache, meist aber lateinisch ; in der g-anzen Christenheit sind es 
die Ungarn, die aHein lateinisch schreiben. Denn die magyarische 
^ache ist schwierig zu schreiben , weil die geringste Veränderung uml 
^^chiedenheit in der Funktation zugleich den Sinn des Ausdruckes 
ändert, » 4S3 

^ Indessen zeigt das magyarische E%'angelium aus dem Jahre 1466 
f^e schwankende, sondern eine festgestellte, bestimmte Sprache, die 
^ eben so gut wie etwa das Italienische hätte schreiben können ; 
■in die Gesellschaft zur Zeit des Königs Mathias wollte von einer 
^>'arischen Literatur nichts wissen, vielleicht gerade wegen der Hus- 
n, die von derselben Gesellschaft verfolgt wurden. 



i6a 

Die erste iiaüic acs j6. Jahrhunderts veränderte sehr bedem 
die angarischen Verhältnisse. Man schrieb in magv'arischtr Sp 
theologische Schriften, Bibeliibersetzongen, Kirchen gesänge, GeschidiJ 
ten und Anderes; der hohe Adel correspondirte nicht nur in de] 
Theilen jenseits der Donau, sondern auch in Oberungam, in den CoJ 
mitaten Pressburg, Trencsin, Neitra, Arva, Liptau. Zips u. s* w, 
magyarischer Sprache ; ebenso entsendeten und empfingen aoclij 
obeningarischen Städte magyarische Briefe. 

In Siebenbürgen wurden Klausenburg und andere deutsche Stäil 
magyarisch. Im 17. Jahrhundert erreichte das Magyaren thum, also aud] 
die mag}'arische Literatur die höchste Blüthe. +84 Auch das Handwed] 
und die Industrie, z. B* die Tuchweberei, Kappenmach erei, das Küisct 
ner- und Gerberhandwerk, insbesondere verschiedene jetzt katim d«a| 
Namen nach bekannte Zweige der Gold- und Silberarbeiter blühten ial 
diesem Jahrhunderte, was die Preistarife der Fürsten Gabriel Bethl««| 
und Georg Räk6c2y bezeugen und die alten Gold- und Silberkunrt" 
werke veranschaulichen. Das 18. Jahrhundert war dem Magyarischi 
feindselig; dasselbe wurde im öffentlichen Leben vom Lateinische!» | 
ganz verdrängt; Jos;ef II. wollte wieder das Deutsche an dieStelkc 
Lateinischen setzen. Da erwachte im magyarischen Volke der nat| 
Geist und rief auch wieder die magyarische Literatur ins Leben; 
wirkte dann wieder erweckend und belebend auf den nationalen GeiM 
zurück. Allein die frühere einheimische Industrie konnte nicht mehFJ 
auferstehen ; denn sie war durch die ausländische erstickt worden. 

Das Auf- und Abwogen des nationalen Geistes zeigt sichindrf»! 
Erwachen, in der Blüthe, im Verfalle und in dem Wiederaufleben Jer] 
Literatur ; aliein die Zahl der Mag)'aren in den verschiedenen Zeit-j 
abschnitten lässt sich nicht nachweisen. Denn vordem fanden keinel 
Conscriptionen, keine Volkszählungen statt. Die erste allgemeine VolW 
Zählung ordnete Kaiser Josef IL durch ein Intimat an den 1 
ungarischen Statthai tereirath vom 16. August 1784 an. In Folge tiesscuJ 
wurde in Ungarn im Jahre 1785, in Siebenbürgen ein Jahr später die| 
Volkszählung in Angriff genommen und das Resultat im Jahre i]^^ 
und 1787 überprüft. Bei diesen Volkszählungen legte man das Haüp*! 
gewicht auf den militärischen Gesichtspunkt, wobei selbst verständli<^«f 
die männliche Bevölkerung in den Vordergrund trat ; das weiblich^ 
Geschlecht, ferner die Geistlichen, Adeligen, Honorationen, Beamtei 
tmd Juden kamen als «Militärfreie» weniger in Betracht.* Der ung*l 
rische Adel legte diesen Zählungen manche Schwierigkeiten in ^^ 



* Vgl SCHWICKER» StiULsük tles Königreiches Ungarn, (Stuttgart, CatU 
S. 73 ff 



6g. Auch konnte man aus den Conscriptionen nur die Zahl der 

tschafteo und der Einwohner ersehen ; die Nationalitäten wurden 

:ht berücksichtigt. Man erfuhr also, wie viel Seelen dieser oder jener 

:t hatte ; allein wie viel Magyaren, Deutsche, Slovaken, Walachen etc, 

mnter seien, war nicht ersichtlich. Aus der Anzahl der Ortschaften 

hätzte man denn auch die Zahl der Magyaren sehr niedrig. 

Adam Kollär schrieb bereits im Jahre 1763, dass im kleinsten 

leile Ung:ams nur magyarisch sprechende Bevölkerung wohnte und in 

r That zu befürchten sei, dass die magyarische Sprache ebenso wie 

e kumanische gänzlich verschw^inden werde.* 

NocA etwa 40 'Jahre später lesen ^ir ^* Sc HW ARTNER Aehnliches^ 
iestr SikreiöiA^s: ^A^ack einer authentischen Liste ^ die ich in Händen 
\h, zähiie man im 'Jahre fjSj in Ungarn, Dalmatien, Croatien, S hi- 
nten, ausser den königlichen Freistädten ^ 11^408 Marktflecken und 
^rfer, von welchen j668 von Ungarn (Magyaren oder tnÜr-Ungarn^^ 
5? sie ScHWAKTXER nennt), sjSg z'on Afen sehen slawischer Herku?ift, 
t vü^n Deutschen und 1024 von Walachen bewohnt wurden, Nuti sind 
den Städten die Ungarn und Slaven sich an der Zahl wohl ziem lieh 
mh; aber auf dem Lande sind ^121 mehr slavische Wohnorte als 
\garische, % 

I Aus diesem Zahlverhältnisse der Ortschaften folgerte man die Anzahl 
ir Magyaren selbst. So schätzte z* B. noch in neuerer Zeit der Fürst 
^CKLER-MüSKAU, der auf der Rückreise aus dem Orient kurze Zeit 
Pest verweilte, in seinen im Jahre J840 geschriebenen Briefen über 
ügam die Z-ahl der Magyaren auf höchstens driHkalh Millionen. ^^^ 

Wie irreleitend es war, das Zahlverhältniss der Wohnorte zum 
isgangspunkt für die Bestimmung der numerischen Verhältnisse der 
Itionalitäten zu nehmen, geht aus Nachstehendem hervor: 

Fenyes fand im Jahre 1840, dass 
: von 126 Städten 46 

IL » 783 Marktflecken 341 

^' » 13765 Dörfern 3648," also 

P von 14674 Ortschaften nur 4035 magyarische Bevöl-i 

ng haben. Und doch gibt Pen v es selbst für Croatien aHein 3050 
♦rfer an, d. i, fast soviel als die Gesammtzahl alier magyarischen 
>rfer (3648) ausmacht. Die gesammte Bevölkerung von Croatien- 
J-Vonien war aber nur 805,944/ d. i- ^"^ kaum 200,000 Seelen mehr 
das Pester Comitat zählte (590,000 Seelen). So hatte das W'aras-r 
ler Comitat sechs Städte, 406 Dörfer und^ 208 andere Wohnplätze, 
o zusammen 6zo Wohnorte mit 151,898 FJnwohnern ; dagegen das 



♦ Minima Hungariae portio est, quae Hungaros sive ptipulum HungaricQ 
lim idioniate utcntem habet; verendumque profeclo est, ne sermo ip,s€ exolescat. 
eum prrjrsus niodum, quo Cumanoruai cvanoit, Amm^rkung KOLLÄR's zu «Nie 
lungaria et Atila.» S. 91, 




270 

B^k^ser Comitat ebenfalls sechs Städte, aber nur 15 Dörfer und 85 
Puszten^ also insgesammt 104 Wohnorte mit einer Bevölkerung van 
155,256 Seelen. Die maf^yarischen Dörfer und Marktflecken sind im 
Allgemeinen weit volkreicher als die slowakischen oder deutsch rn Ort- 
Schäften. ■*^7 

Fenyes war der Erste, der aus den verschiedensten Quellen, urn 
Diöcesan-Schematismen u. dgl, die Zahl der Magyaren mit Welcrn 
Fleiss zusammensuchte. Er fand im Jahre 1840 unter den 12.880406 
Einwohnern des ungarischen Staates 4.812,759 Magyaren. ♦^ Und diese 
Ziffer wird auch durch die Volkszählung vom Jahre 1851, welche die 
damalige österreichische Regierung vornehmen Hess, bestätigt. Nach 
dieser Zählung betrug die Bevölkerung in Ungarn, Groatien, Slavonien. 
Siebenbürgen und der Militärgrenze 13.667,868 Seelen und darunter 
4'939i734 Magiuren. ^^9 Im eigentlichen Ungarn befanden sich unter 
einer Bevölkerung von 8,815^767 Seelen 4.333,997 Magyaren, in Sie- 
benburgen unter 1.927,173 Seelen nur 517,577; in Croatien-Slavonien 
12,770 und in der Militärgrenze 4900 Magj^ren. Dieses Zahl Verhältnis» 
erweckt bei dem ausländischen Politiker manches Bedenken, wobei 
jedoch nicht beachtet wird, dass den /ün/ Miilkmen Afagyaren mehr 
als sechs verschiedene Nationalitäten gegenüber stehen. Und obgleich die 
reine Zahl Vieles ausmacht, so gibt im Völkerleben sie allein d^ 
nicht den Ausschlag, wie auch aus folgender Thatsache hervorgel 
Nach den Österreich i sehen Volkszählungen befanden sicli im J. 181 
innerhalb des damaligen Kaiserthums Oesterreich 15.000,361 Slavei 
also gerade dreimal soviel als Magyaren ; allein die literarischen Pr( 
ducte, welche im Jahre 1860 in sämmtlichen slavischen Dialecten ui 
in mr^gyari scher Sprache erschienen waren, zeigen ein ganz andei 
Zahl verbal tniss. Die Zahl der slavischen Bücher und Schriften bei 
471, dagegen die Anzahl der Werke in magyarischer Sprache 567 

Nach der Volkszählung, welche die ungarische Regierung 
Anfange des Jahres 1870 vornehmen Hess, betrug die Jundisc/ie 
kerung in den Landern der ungarischen Krone : 

In Ungarn 10.806,521 Seelen 

>• Siebenbürgen 2.100,232 * 

» Fiume sammt Gebiet * 3^944 ■ 

» Croatien-Slavonien 954,451 t 

» der Militärgrenze 1,206,266 » 

zusammen . 15.171,357 Seelen. 

Nach den Conßssümen schied sich die ihafsächiirh nnuhscTtfit' B< 
V öl kerung in 



271 



romische Katholiken . . . , 7.502,000 Seelen 

griechische ^ 1.587,485 * 

armenische " 5^104 • 

Griechisch-Onentalische . 2.570,648 » 

Armenisch-Onentalische 605 » 

Evangelische (Augsborger Confession) . 1.109,154 » 

» (Helvet. Confession) . . . 2,07^,332 » 

Unitarier . * ^^^ß^ • 

andere Christen , ^^2^14 » 

J^itlen ; . . 552^133 

andere Nichtchristen 214 » 

zusammen , 15417,527 Seelen, *9f 
Die Volkszählung vom Jahre 1870 nahm auf die Nationalität 
keine Rücksicht. Dieses Versäumniss, mag dasselbe aus welchem Grunde 
^ immer geschehen sein, lässt sich indes durch die vorhandenen Daten 
gut machen, Carl Keleti hat dieses gethan und gefunden *y^ 

in Ungarn in Siebenbürgen 

Magyaren 5.504,200 

Deutsche 1.596,650 

Rumänen 1.249,217 

Slovaken 1.817,099 

Croaten 206,654 



zusammen 



Serben 



26: 



J44 



652,221 


6.156,421 


224,289 


I.8fO,922 


.221,852 


2.470,069 


126 


r. 817,228 


— 


276,651 


— 


*67,344 


217 


469*4^0 


3.019 


11.195 



Ruthenen 469,205 

Diverse ...... 8,276 

Jn dieser Berechnung der Nationalitäten wurden Croatien-Slavo- 
nien und die Militärgrenze, deren Gesammtbevölkerung 2.160,717 aus- 
macht, nicht berücksichtigt. Die Bevölkerung theilt sich hier in Croaten 
und Serben ; in Slavonien und in der Militärgrenze wohnen auch Ma- 
gyaren ; ferner nahm Keleti die Juden nicht als besondere Nationalität, 
sondern theilte sie unter die Magyaren und Deutschen auf; denn die 
Juden bilden auch keine besondere Nationalität ; endlich kamen bei 
Keleti auch die Zigeuner nicht als besondere Nationalität in Betracht; 
denn o!>%vohl diese zum Theil ihre eigene Sprache behalten, so acco- 
modiren sie sich doch der Sprache ihres Wohnortes und werden so 
theil s zu Magyaren, theils zu Slovaken oder Walachen u. s. w. 

Im vorigen Jahre fiSjsJ verüßent lichte der f seither verstorbene) 
ösferreichische Alin ister ialrath Dr. Klun in der Zeitschrift « Ä usiand* 
eine Abhafidlung ilt}er das 'xUngeriand*^ worin er aus den Zahi^t*erkäit- 
nissen der A^atimiali täten Ungarns u?id deren jährt icher verschiedener 
T^ermehrung Folgerungen ziehte die wir zur Orientirung hier anff4hren 
wollen. Nach Dr. Kll'N machen die j.joo^ooo Alagyaren nur jj Percent 



2^2 



der ij.joQ.^oo Seelen starken Bevölkerung des ungarischen JCbnrgretfhts 
aus: in der Zukunft werde sich aber dieses ungünstige Verhäliniss uoch 
ungünstiger gestatten. Denn i*on iSöö^iSyo haben die Geburten die Skrk- 
falte im Allgemeinen mit rj'gj Percent über troffen* Und zwar : 

bei den römischen Katholiken mit i6*iq Percent 

t» "» griechischen » >♦ ^^'^4 » 

t« » Griechisch- Orientalischen mit . . ^9*4 J * 

*> •» Evangelischen A. B. » > * f4'7^ •♦ 

« i» t» H. B, % , , ij'iö .f 

^ n L'nitariern fnit ^J'SS » 

• » Juden * 49' J^ « 

^Die Älagyaren sindn, sagt Kian^ « gross tentheils Protestanten i 
die durchschnittlich unter dem Mittel zurückbleibende Vermehrung 
dieser betüeist also, dass die Alagyaren den Slaven f insbesondere aber dti 
Juden) gegenüber sich nur wenig vermehren. Stoff genug für den den- 
kenden Staatsmann ! ^^^'i Denn wenn die Magyaren an Zahl weniger zu- 
nehmen als die Slaven, dann A^er Her t das fetzige politische System, wel- 
ches nolens volens gezwungen istt sich auch auf diis Zahhwrhältniss der 
Nationalitäten zustutzen, die Grundlage seiner Existenz ; denn dasMagya- 
renthum wird von Jahrzehcnt zu Jahrzehent kleinere Percentual-Zahkn 
der Gesammtbevolkeruiig ausmachen. Dieser Umsta?id mtiss allerdings 
den Staatsmann zum Nachdenke?! anregen und aucli deshalb ist eint 
Aufklärung nothwendig. 

Die ausserordentliche Vermehrung der Israeliten nicht blos durch 
den Ueberschuss an Geburten, sondern auch durch Zuwanderung 
interessirt oder drückt nicht blos das magyarische Volk, sondern aucn 
die anderssprachigen Nationalitäten des Landes. Älit Bezug auf dai 
Uebr ige ist Jedoch die Schlussf algerung Kl.v^'s nicht ganz stichhaltig' 
Nimmt man nur Ungarn allein, so in fanden sich daselbst im Jahre 1840 
nach Fenyes 2,4gs,ig2 katholische und 1,602,471 helvetische ^calvintschi')^ 
aber nur is4,ggö lutherische Magyarefi. Diese ZaJilverhdltntsse hahtn ^ 
sich auch jetzt kaum fnerklich verändert, selbst wenn man die siehen-, 
bürgischen Protestanten hinzunimmt. Es unterliegt keinem Z^eetfcl, düsA 
wenigstens die Hälfte der Magyaren der katholischen Kirche angeht^rti^ 
Nach Klun wären, die Bekenner der Augsburger Confession oder dk 
Lutheraner' am wenigsten propagativ ; allein dieses Zurückbleiben m der ' 
Vermehrung träfe dann nicht die Magyaren , sondern weit mehr tÜt 
Slatfen und Deutschen; denn im Jahre 1S40 waren unter den 7gj,Sä£ 
Lutheranern im eigentlichen L'ngarn 467,^62 Slaven (meist Slovakm)^ 
iSo.öij Deutsche und, wie wir bereits angemerkt haben, nur rj4,ggO Ma- 
gyaren, Nehmen wir-jetzt die siebenbürgischen Lutheraner hmsu, s& 
machen unter den im Jahre i8yo conscribirten i.iog,tj4 Lutheranern die 
Magyaren^ selbst wenn man sie zu 300,000 Seelen annimmt, kaum den 
dritten Theil dieser Confession aus ; die Uebrigen sind Slaz^en Hfd 
Deutsche. fVer ist demnach ausser den Juden noch im Vort heile P Dtf 
Uni tarier, welche durchwegs Alagyaren sind. Auch diese T/iatsiuhe 
beweist, dass n ic h t die N'a tionalität^ sondern sociale 
Verhältnisse, die Wahn platze u?id Anderes die gros- 
se r e oder ge r i nger e Vermehrung eines Vo l kss ta m fftts 
verursachen, JVach den Unitariern folgen die griechischen Katho- 
iiken, deren kleinerer Theil (461^,203) Ruthenen, der grossere fr^iiB.ß')^ 
Wa lachen sind. Auch unter den Griechisch- Orientalischen bilden die* 
Wa lachen die Majfrrität, die Serben aber, welche, wie bekannt, wenigstens^ 
in Ungarn sich nicht vermehren, die Älinoritäf. Die grössere Propagü' 
tion zeigen demgemass nach den unitarischen Magyaren die IValacbm' 
und nicht die Slaven. 



2 73 

Die Magyaren bekannten sich vor der Reformation sammtlich 
ir römisch-katholischen Kirche ; nach der Reformation gewann erst- 
lich die Lehre Luther's, dann die Calvin *s und zuletzt die socinianische 
Kirchenlehre unter ihnen Verbreitung, Heute ist die gfrössere Hälfte 
des magyarischen Volkes römisch-katholisch^ die kleinere calvinisch 
lutherisch oder unitarisch. Die griechisch -orientalische Kirche zählt 
keine Magyaren unter ihren Bekennern; um so auffälliger ist es, dass 
unter den Szeklem die judaisirende Secte der Sabbatharier, welche die 
Beschneidung beobachten, den Samstag feiern etc, Anhänger besitzt. 
Vor Zeiten waren diese Sabbatharier unter der Leitung des Simon Pecsi, 
Xanzler des Fürsten Gabriel Bethlen, eine mächtige Secte. F^csi ist 
Inter Anderem auch der Verfasser des Gesangbuches der Sabbatharier. 
Lllein noch bei Lebzeiten Pecsi's, noch mehr aber später, insbesondere 
seit der Schaffung der Gesetze vom Jahre 1635 und 1638, wurden die 
Sabbatharier fortwährend verfolgt, so dass sie nur im Stillen fortbestehen 
Iconnten, jedoch niemals gänzlich verschwanden. Ihre Hauptsitze haben 
sie heute vorzüglich in den szeklerischen Ortschaften Nagy-Ernye, 
Ikland. Bözöd-L^jfalu u, a, und in den Szeklerstühlen Maros und Ud- 
^arheh*. Dem Vernehmen nach sollen die Sabbatharier in neuerer Zeit 
ibermals an der Zahl zunehmen.* 



§ 56. 

Diese sechs Millionen I^Iagyaren haben sich, wie %vir gesehen, 
gaus verschiedenen Volkselementen gebildet und dauert dieser Einverlei* 
bungs- und Umbildungsprocess auch heute noch fort. Schon bei der 

rsten Niederlassung waren sie nicht eines Stammes, denn es hatten 
iich den Magyaren bereits die chazarischen Kabaren angeschlossen. 
Wach der Besitznahme ihres neuen Vaterlandes absorbirten sie die hier 
vorgefundenen Reste der Avaren, ferner die Slovenen dies- und jen- 
seits der Donau, sowie wenigstens zum Theil auch die Slaven an der 
JTheiss und in Siebenbürgen. Der grösste Theil dieser letzteren Slaven 
j;ing dann später in dem hierher gelangten Rumänenthume auf. Auch 
(«die Völkerankömmlinge, die Petschenegen, Pali^jczen, Rumänen und 
Tataren, mochten sie ugrischer oder türkischer Abkunft sein, ver- 
schmolzen gänzlich mit den Magyaren. Kann nun das magyarische 
Volk vom Standpunkte der zoologischen Ethnographie einen besonde- 
iten» eigen thiimlichen Typus haben, der auf genetischem Wege sich 
auf die heutigen Magyaren vererbt hat? 

• 
* Vgl- Approbatae Constittitiones. Pars L tit. IV. Ferner: JOSKF BkskÖ, 

ranssilvania. Todi. IL Vindobonae. 1778t p 24^ — 243- Endlich: Blasius OrbAn 
«Szekely föld leira^a» fd. i. sfl^eschreibung des Sztklerlandes») Bd. I. S. 14G ff. 

Ktmfalvy, ErhnoRT l8 




274 

Professor Dr. Josef Lenhoss^k in Pest nahm im Jahre 1875 
130 solchen Männern, welche in der That das heutige Magyarenthuiin 
repräseotiren, Schädehnessungen vor; es waren jene Männer Politiker» 
Geistliche, Gelehrte, Künstler u. s, w, aui, allen Theilen des Land« 
Der kleinste Breiten-Index war 74-2, der grösste 91*6; bei sämmtücbe 
ijo Männern der durchschnittliche Breiten-Index 82*2. Im Einzelnd 
fand sich ein Breiten-Index von 7+ — 75 bei dreien» von 75*0 nur \i 
einem, von 7b — 77 bei fünf, von 77 — 78 bei sieben, von 78 nur 1 
einem, vod 78 — 7g bei acht, von 79—80 bei sieben, von 80 — 8j 
acht, von 81 — 82 bei zwölf, von 82 — 83 bei achtzehn, von 82 — 85 btT 
sechzehn, von 84 — 85 bei zehn, von 85 — 86 bei sechs, von Sö—Ü; 
bei sechs, von 87 — SS bei neun, von 88 — 89 bei einem, \^n 8<)— <»► 
bei zweien, darüber (91*3, 9r"6) auch bei zweien vor. Also von jS- 
85 sind neunundachtzig» Der durchschnittliche Höhen-Index diesetj 
130 Männer war 62*2, der grösste 76*9, der kleinste 507. Ihre köc| 
perliche Grösse wechselte von 1545 bis 1830 ram™*^ 

Auf Anregung desselben Professor Lenhossek nahmen Jrur 
HoRVÄTH und Josef Pohl in verschiedenen Gegenden an 50 U^JÜ 
ren Messungen vor. Deren niedrigster Breiten-Index zeigt 76'6, dö 
höchste 90 "4, der durchschnittliche 83*3. Insbesondere war der BreiteDJ 
Index von 79 — 80 bei vieren, von 80 — 81 bei zweien, von 81 — 81 
sieben, von 82 — 83 bei sieben, von 83 — 84 bei sieben, von 84- 
ebenfalls bei sieben, von 85 — 86 bei zweien, von 87 — 88 bei zwei« 
von 88—89 t>ei zweien, von 90-4 bei einem. Also unter diesen 
28 einen Breiten-Index von 81—85. Der Höhen-Index schwankte iw 
sehen 55*5 und 78; im Durchschnitte 64. Die Körperorrösse dieser ?J 
Männer variirte von 1560 bis 1897 mm. ^95 

Vergleicht man diese Messungen mit jenen, welche wir übe 
S. 8 aus dem Werke Wklcker-s mitgetheilt haben: so ergibt sid 
dass bei Welcker der durchschnittliche Breiten-Index 7971 der Höhelt 
Index 76-0 beträgt ; dagegen zeigen die Messungen LENHOSsEK'i^ i 
130 I\Iännern einen durchschnittlichen Breiten-Index von 82'i, einä 
Höhen-Index von 62*2 und die Messungen von HorvAth und 
hei 50 Männern einen durchschnittlichen Breiten-Index von 83*3, Lttif!^ 
Höhen-Index von 64*0. Die Verschiedenheiten lassen sich vielleicht ^i^"^ 
erklären, dass die Messungen an den Köpfen lebender Menschen lJ'^^ 
haupt grössere Zahlen aufweisen als die Messungen an todten t'i^'j 
und haarlosen Schädeln. Indessen trotz der Verschiedenheiten beweist 
auch die an den 180 lebenden Männern vorgenommenen Heü^un^c^ij 
dass die Magyaren zu defi Brachycephalen gehören. (Vgl. oben S, 5 ,'^^ 

Mit Bezug auf die Hautfarbe sind die Magyaren braun und blonuJ 
doch überwiegt im AUgemeinen das Braun; ^an trifft femer bei ifl^ 



starken und schwachen Bartwuchs und der körperlichen Grösse nach 
zählen sie zu einem Mittelschlage, der jedoch mehr hochgewachsene 
als zwerghafte Individuen aufweist. In Bezug auf das natürliche Tem- 
perament ist der Magyare schwerfällig ; wird er aber von der Leiden- 
schaft erfasst, heftig und aufbrausend. Uebrigens verwischt der grös- 
sere sociale Verkehr allmälig auch jene Eigenthümlichkeiten, welche 
die verschiedenen Glaubensbekenntnisse erzeugt hatten und denen 
zufolg-e neben dem heiter gesinnten Katholiken der Protestant sich 
durch Ernst und Bedächtigkeit unterschied; bei den Protestanten aber 
der («lugubrisi) Reformirte ^en Lutheraner an ernster Lebensan- 
schauung und Lebensführung noch übertraf; Diese volksthümliche 
Charakteristik verlor ihre Wahrheit und Bedeutung ebenso sehr wie 
eine andere im Alföld aufgekommene Unterscheidung der einzelnen 
Confessionen : Der Katholik hat darnach den « römischen •, der Refor- 
mirte den « magyarischen », der Lutheraner den « slovakischen » und der 
Grieche den «raczischen» Glauben. 



Zweites Capitel. 



Die Deutschen. 



^ 57. 



Die Mag)*aren errichteten in Ungarn den Staat, die Deuti 
schufen die Städte. Wie jene die Hauptfactoren in der Besitz 
und Vertheidigung des Landes gewesen und bis heute sind» eb 
sind diese die Hauptfactoren in der Entwickehmg der bürgerlichen < 
Seilschaft und der Industrie. Den ungarischen und siebenlwLrisckj 
Deutschen gebührt also nach den Magyaren die erste Stelle. 

Die Deutschen werden in Ungarn seit Jahrhunderten in ^tige^td 
liehe) ««Deutsche» (teutones, magyarisch n<^metek), in «Sachsen» (sa 
nes) und in * Schwaben » unterschieden. In den königlichen Urkimd 
begegnet man neben den Ausdrücken « teuton •♦ und « saxo •• auch nod 
der Bezeichnung « hospites » = Gäste für die Deutschen. *97 Aelt« 
und allgemeiner ist bei den Magyaren der Name *n6met»\ der^ 
stammt vom slavischen n'emec, nVmci ; die Magyaren hatten ihn al| 
von den Slovenen erhalten, bei denen er wahrscheinlich schon 
Zeit der fränkisch-deutschen Herrschaft üblich gewesen. Eigentl 
gebührt die Benenn nng « Hochdeutsche >* nur den Bayern und Aleii 
nen, welche in den ungarischen Chroniken «Teutonen» genannt 
den. Der Name der «Sachsen» wurde in Ungarn erst später bek 
was durch die Geschichte erklärt wird. 

Nachdem nämlich vorerst die fränkischen Könige die Sach 
und dann die deutschen Könige die an der Elbe und am Baltischel 
Meere wohnenden Slaven besiegt hatten : siedelten sie die Sachsen 
den slavischen Gebieten an, wodurch der sächsische Name von 
Nordsee bis zum finnischen Meerbusen bekannt ward. Die Finnen 
Esten nennen auch heute sämmtliche Deutschen « saksa », d. i. Sach» 
Im 12., 13. und 14. Jahrhundert gelangten die Sachsen zu einer aussc^ 
ordentlichen socialen Macht. In dieser Zeit herrschte ihr Handel vö! 
Amsterdam bis Reval, Narwa und Nowgorod, und vora Baltische 



nf 



nach Breslau und Krakau ; in diese Zeit, etwa seit dem Talir^ 
Ut auch die Einwanderun,!^ der Sachsen nach Ungarn, wo %\^ 
besondere in den Theilen diesseits der Donau von Prcs^burg 
b Felso-Binya und in den südlichen und nordöstlichen Theilen Sie- 
bürgens niederli essen. In derselben Zeit (etwa seit 1240), tn wel- 
sich unter den deutschen Handelsstädten der i Äi^j^-Bund » ent* 
clcelte, envarben sich auch die ungarischen und siebenbürg^i sehen 
chsen oder Deutschen ihre städtischen Privilegien, Obgleich zwi* 
»ben jenem Handelsbunde und diesen Städten kein sichtbarer Verband 
achweis bar ist, so waren doch beide der Ausffuss des deutseben 
l^dustriegeistes, sind also auf eine gemeinschaftliche Ursache zurück- 
pfuhren. +9« 

[ Die « Schwaben >* bezeichnen die deutschen Ansiedler in Süd- 

pgam, welche sich nach der Vertreibung der Türken, namentlich im 

feliser Comitate, in der Umgebung von Ofen, dann im Tolnaer und 

praLnyaer Comitate (■schwäbische Türkei») und in noch grösserer 

pzahl im Banate und in der Bäcska niederliessen. 

1' Einzelne deutsche Abenteurer oder Glücksritter fanden sich schon 

toter dem Grossfürsten Geisa, noch mehr unter lyönig Stefan I. in 

Ugarn ein, wo sie als Stützen des Königthums und der christlichen 

Ircbe gleich den eingeborenen magyarischen Herren «Jdbägyen» des 

.önigs wurden. Viele berühmte magyarische Geschlechter datiren von 

lesen Einwanderern ihre Abkunft. Auch unter den folgenden Königen 

tschahen fortwährend solche vereinzelte Zuwanderungen und bis zur 

testen Zeit wurde das ungarische Indigenat durch ordentliche Ge- 

rtikel an ausländische Herren verliehen, während die königliche 

ade jeden Einheimischen, mochte er welcher Zunge immer ange- 

Bren, in den Stand der Adeligen und Herren erheben konnte. Der 

inherr des berühmten Cardinal-Erzbischofs Peter Päzmän hatte bei 

sr ersten magyarischen Besitzergreifung des Landes ebenso weni^f 

itgekämpft, als dies bej^ den Ahnen der Hunyaden, Thurzonen und 

iayrs der Fall war; dennoch gehören diese sämmtUch zo den be- 

h'mtesten Geschlechtern der Magyaren. Allein mit loldiet] Einzci* 

iten befasst sich die Ethnographie nicht. 

Die Geschichte der deutschen Gemeinden t^ndSlidleiiiieijrefttHcheo 
hgarn ist %^on denen in Siebenbürgen verschieden, Am^AaXh^ cijt^ickeltfrT 
^h auch die deutschen Colon ien hier und dort 10 fö«clii*^d*fncr Weis«:, 

§58. 

Die deutschen Ansiedler in Ungarn tcml ^^ jMm Tlneil 

tscht (teutones), die Bayern und Alemaaiiag; tketli \ud^i< 



(saxones), Sachsen ; theils nach der Türkenvertreibung eingewandert? 
Sch^vaben, Indem wir die ungarischen und siebenbürgischen Deutschen 
nach ihrer Herkunft unterschieden haben, lassen wir die Betrachtung 
der schwäbischen Einwanderungen, die an dem Städte wesen ohnehin 
nichts veränderten, für zuletzt und heben folgende Ansied lungsgruppen 
bevor. -♦99 

Die Hünzm (Henzen oder Heinzen, von Heinz, Henz ^ Hein- 
rich ?) sind die Deutschen des Eisenborger und Oedenburger Comita- 
tes ; ihr Dialect ist dem bayerisch-österreichischen verwandt. Ihre 
Städte sind : Guus (magyarisch KÖszeg), Oedenborg (magyarisch So 
prony), Eisenstadt (Kis-Märton) und Rust, Wenn das im Donatione 
briefe Arnulfs vom Jahre 888 (siehe oben S. 120) vorkommende 
« Gensi t wirklich Güm bezeichnet» dann muss man annehmen, dass 
der magyarische Flussnarae « Gyöng)^ös i> nur der magyarisirte Ausdruck 
für den deutschen « Güns-Bach » oder « Güns-Fluss k» ist. Der deutsche 
Name der Stadt stammt von diesem Flusse; allein der Ursprang des 
magyarischen «K6szeg» erscheint mir ebenso dunkel wie der von 
«Soprony» (Oedenburg) und «Kis-Marton» (Eisenstadt). 

6 Die % Hekkbauern » des Wieselburger Comitates nennen die Ma- 
gyaren Hoydlasok» (d. i, die <« Hasen -Hegenden 1*) ; die « Heidebauern» 
sind alemannischer (schwäbischer) Abkunft und sucht man ihre Ursprung* 
liehe Heimat am Bodensee. Sie gehören zu den ältesten schwäbischen 
Colonisten in Ungarn. Der ganze « Heideboden )> ist mit Ausnahme 
des magyarischen Ortes « Wüst-Sommerein » von Deutseben bewohnt 
und machen diese im Wiesel burger Comitate 76 pCt. der Bevöl- 
kerung aus. ^j 

Oberdeutsche sind auch die Gründmr in den sechs Zipi 
Bergstädten ; Schmollnitz (magyarisch Szomolnok), Einsiedel (niagya'^ 
risch Remete), Stoss, Schwedler, GöUnitz und Wagendrüssel. Hierftt 
gehören dann auch die Mäzenseifer im Comitate Abauj, die Dobschau* 
in Gömör, die Krikehayer^ (Deutsch-Bron^er, Stubner etc.) in öer 
Comitaten Bars, Neitra und Thur6cz. Endlich sind noch Oberdeuts( 
die heute schon grösstentheils slovakisirten Pukanzer, Pilsener u. a. 

Zu den NieJerdeuischen oder Sachsen sind die nordungarischei 
Bergstädte zu zählen, und zwar die Deutschen in Neusohl (1 
gyarisch Besztercze-bänya), Altsohl (magyarisch Z61yom), Karpf« 
(magyarisch Korpona), Bries (Breznobanya), Libethen (LibetbÄnp)ij 



* ^ Den Namen *Krickehay» leitet HaeufflER bei CZOERNIG (l c. II. p. 20l| 
ah von einem altdeutschen «krik» (engL kreek) d. i. Krümmung, Bucht, BergkeJ»« 
und *hay», d. i. Hag, Gehäge oder ümzüuntes Dorf; also «Krike-hoy* = geschlossol 
nes Dorf, Kesselsdorf. 5 



a79 

Schemnitz (Selmecz-bänya), Kremnitz (KörmÖcz-banya), Nagy- und 
Felsö-Bdnya. 

IPeiier gehörett hierher die Städte der Zip s er Sachsen^ und 
zwar: Lett tschau fmugy. LöcseJ, Kesmark, Neudorf flglöj. Leibt tz, 
Beia, Menhartsdorf ( Menhdrd), Rissdorf fRuszkinöcz), MatsdorffMa- 
theöcz), Volk (Feika), Michelsdorf fSträzsaJ, Kirchdrauf ( Väralja ^^ 
Suburbium, denn der Ort liegt am Fasse des Zipser Schlosses neben dem 
Domcapitelj, Wallendorf fOlaszi, villa Vallonum, villa LatinaJ, Eulen- 
hach (Welbach, FelbachJ, Georgenherg (Szepes-Szombat), Deutschendorf 
(Poprdd), Densdorf (Danisöcz, villa Dionys^iiJ^ Odo?*in, Palmsdorf 
(Harigöcz^ "oilla Pal mar um J, Spernsdorf (villa Sperarum, Illesfalvaf 
Donnerstmark fCsiitdrtökhely, QuintoforumJ, Kapsdorf (villa Compo- 
siti, Käposztafalvajy Grass- Schlagendorf (Aagy-SzäloA^J, Eisdorf (villa 
haacij, ÄIüllenbach.^^'> Ausserdem nach Durlsdorf (Dttrafid) w. A, 

Das sind die Zipser Städte und Dörfer, welche nach der Tradi- 
tion im Jahre 120+ einen Bund schlössen, woher ihr Name: »i Bund 
der XXIV königlichen Pfarreien » (Fraternitas Plebaniarum XXIV Re- 
galium). Im Jahre 1412 (8. November) verpfändete König Sigismund 
ausser Lublau, Podolin und Gnesen noch die Dreizehn Zipser Städte 
Bela, Leibitz, Mathsdorf, Georgenberg, Michel sdorf» Deutschendorf, 
j Volk, Menhartsdorf, Durlsdorf, Rissdorf, Wallendorf, Neudorf und Kirch- 
■dorf an König Wladislaus von Polen um 37.000 böhmische breite 
Groschen oder 155.400 ungarische Dukaten. Die übrigen eilf Zipser 
IStädte hatten bis 1440 einen besonderen Grafen (Comes) ; in diesem 
Jahre nahm sie aber sammt Kesmark der Ceche Giskra in Besitz und 
behielt sie bis 1462. Im Jahre 1464 verlieh König Mathias (Corvinus) 
das Zipser Schloss und die cilf Zipser Städte an Emerich Szapolya, 
natürlich unter denselben Bedingungen, wie diese Städte bisher der 
König besessen hatte, Allmälig gingen jedoch die verschenkten Städte 
ihrer Privilegien verlustig. König Ferdinand übertrug im Jahre 1527 
die Szapolyai^schen Güter an Alexius Thurzo. Sowohl die verpfändeten 
dreizehn, wie die bei Ungarn verbliebenen, aber verschenkten eilf Zipser 
Städte schlössen sich der Reformation an ; desgleichen auch Lentschau 
und Kesmark; die Thurzonen waren ebenfalls eifrige Protestanten. Von 
, den Thurzonen kamen die eilf Städte an die Familie Csäky. — Auch 
Kesmark hatte viele Widerwärtigkeiten zu ertragen, König Mathias L 
verlieh diese Stadt gleichfalls an Emerich Szapolya, Ferdinand L gab 
sie aber nicht an Thurzo, sondern dem Hieronymus Laszk6, dessen 
Sohn sie bis 1584 besass. Damals gewann sie Sebastian Tökölyi ; auch 
der berühmte Emerich TökÖlyi hatte sie im Besitz. Nach dessen Sturze 
gelangte Kesmark abermals an die Krone und wurde zur königlichen 
Freistadt erhoben. — Die verpfändeten dreizehn Städte erwarb Maria 
|*Theresia im Jahre L77Z bei der ersten Theilung Polens zurück, fügte 
noch die Städte Pu jlein, Lublau und Kniesen (Gnesen) hinzu und so 



AM 



2J}0 



entstand die «Provinz der i6 Zipser Kronstädte »> deren u^^i^ai. n 
Graf (comes) bis auf unsere Zeit seinen Sitz in Neudorf (Igl6) hatte. 

Auch andernorts bestanden sächsische Colonien ; im Thuroczet, 
Arvaer, Liptauer und Saroser Coraitate^ und zwar in letztcrem licb 
nur in Eperies, Bartfeld und 2eben, sondern auch in vielen agieren 
Ortschaften. Desgleichen in Abaaj, in der berühmten Stadt Kascbau: io 
Zemplin waren z. B. die « Gäste von Patak» {> hospites de Patak»») a. s. \»f. 

Ueberblickt man diese sächsischen, d. i. deutschen Städte und 
Ansiedlungen» %velche am Fusse der Karpaten von Pressbur^ bis aadi 
Siebenbürgen aufeinander folgten, so geht daraus hervor, dass in den 
Comitaten Oberungarns die deutsche Bevölkerung einstmals sehr zahl- 
reich gewesen sein rausste : bildeten doch die deutschen Gemeinden 
von Schemnitz bis in die Zips eine ununterbrochene Reihenfolge. 

Unter den Städten Ungarns berühmten sich Stuhlw€tssenhurg{wsi' 
gyarisch Szekesfejen^är), in dessen Kirche der königliche Thron i ' 
die Krone aufbewahrt wurde und «wo auch die heilige Salbun^^ 
Könige geschieht,» wie König B^la IV. io einer Urkunde vom Jahre 
1254 sagt, 501 und Ssa/mdr'Ä^t'me/i des grössten Alters. Die Privilegien 
der ersten Stadt werden von König Stefan d. H., der Ursprung der 
letzteren von deti mit Gisella, der Gemahlin Stefanos, eingewanderten 
Deutschen hergeleitet. 50:1 Es wäre allerdings schwierig, diesen Ur- 
sprung Szatmar-Nemeti's historisch zu beweisen, allein die allgemeine 
Meinung glaubte daran. Nachdem die Privilegien von Stnhlweissea- 
burg nicht nur an Szatmar-Nemeti, sondern auch an Gran, Tman» 
Neitra und anderen Städten verliehen w^urden, besitzen dieselben ein 
besonderes Interesse. 

vD/e Bürger der Stadt wählen sich ihren Richter (villtanj h. 
zwölf Geschwor ne fduodecint jurati cives ) selbst. Der Richter und du 
Geschwornen richten und urtheikn in allen Geldstreitigkeiten sowie kt 
hiirgertichen und stra/r echt liehen Fällen ; die Bürger sind also weder 
dem PalatinatS' Gerichtsstuhle noch dem Richteramte des Comitals-Okr- 
gesßans unttrrworfen. Sollten sie aber in einer schwierigen Streitstuk 
die Entscheidung nicht treffen können fsi super arduis negoiiis deßntrt 
forsitan ignorarentj, so bringen sie dieselbe vor den König oder desstn 
Schatzmeister fad N^ostram praesentiam vel Magist in luverni^orum)' 
Auch ihre Geistlichen wählen sie ?iach ihrem freien Willen. Im La^^ 
und an den Grenzen (in confiniisj sind sie steuerfrei^ zahlen also mf' 
gends weder Brüchen- noch Slrassenmautßi. Endlich sind sie von ä£f 
Einquartierung befreit oder gemessen d^ch diesbezüglich Ermässigungit^*^ 

Darin bestehen im Allgemeinen die Rechte und Privilegien der 
t Gäste » ; die Hauptsache bildet das eigene Gericht und die selbstän- 
dige Verwaltung. Das drückt eine Urkunde Stefan V, vom Jahre 127* 
in Bezug auf die Zipser Sachsen charakteristisch in der Weise aas* 
Weil sie einfache Leute sind, die sich mit dem Ackerbau beschäftigen 
und die adeligen Rechte nicht verstehen (in jure Nobilium nequ^nnt 



) : so gestattet der Könige ciass sie nach ihrem eig^enen 
und Gesetz leben können (proprio jure et lege speciali per- 
untur). 

I In Folge der eig^enen Gerichtsbarkeit unterstanden sie weder dem 
pLlatinal- noch einem anderen adeligen Gerichtshöfe, sondern wandten 
::h nöth igen falls an den König oder an den Taveroicus (Schatzmei- 
br). Der König hatte einen Stellvertreter, der in Gerichtssachen die 
fegenwart des Königs repräsentirte {personalis praesentiae Regiae in 
diciis Locuratenens, später einfach * Personalis i» genannt) ; in Bezug 
if die Appellationssachen wurden die Städte allmälig theils dem 
Serichtsstuhle des königlichen Personals * (Sedes Personalis praesen- 
le regiae Locumtenentis), theils dem • Tavernical- Stuhle ^ (Sedes Ta- 
smicalis oder magistri Tavernicorum) unterstellt, 503 

Die städtischen Bürger hatten im Lande freien Handel und Wan- 
bl; dieses Recht trifft man den örtlichen Verhältnissen angemessen 
l stets anderer Gestalt entwickelt. Den Bürgern von Eisenstadt z. B. ge- 
ptete König Ludwig L im Jahre 1372, dass sie gleich den Oeden- 
irgern ihre Weine nach Mähren, Böhmen und Polen zollfrei ausfüh- 
m dürfen; denselben Bürgern ertheilt König Sigismund im Jahre 1397 
je Freiheit, dass sie im ganzen Lande Handel treiben können (cuncta 
imata Regni nostri perlustrando). In der oberwähnten Urkunde ver- 
pht König Stefan V. den Zipser Sachsen das Recht, dass sie in den 
ergen nach Erzen suchen, dieselben zu Tage fördern und verarbeiten 
Btinen, ohne dadurch das Recht des Königs zu verletzen. In den 

Eitädten war natürlich die Gewinnung und die Verarbeitung des 
das wesentlichste Recht» 
Die Einquartierung war, wie wir schon öfters gesehen haben, eine 
e Last, von welcher die Städte sich auf jede Art zu befreien such- 
MJ* So ^vurde die Stadt Pest im Jahre 1244 durch König Bela IV. 

tvon gänzlich befreit; 504 in Szatma.r-K<5meti bedingt sich König 
dreas IL im Jahre 1230 Mittag- und Abendmahl nach jenem Mass- 
be aus, in welchem die Stadt sich vergrössern werde. — In dem 
N^'ähnten Privilegium der Stadt Pest steht auch, dass «keiner dieser 
^ste» (nulles hospes ex iliis) einem Fremden ein Haus oder Sonstiges 
■"kaufen kann, sondern nur einem Solchen, der bei ihnen wohnen 
^ an allen Lasten theilnehmen will 



', l'or dem Mongolen- Einfalle (1242) wurde Pest für einen sehr 
^hen deutschen oder teutonischen Ort gehalten, s^s Im 'fahre 1244 be- 
P^e^.wie wir oben erwähnt, Bela IV. «^ seine Gäste in Pest» (hospites 
f^£ri de PestJ mit einem Privilegium, welches sich auch auf Steinbruch 
BTuer^i — kö-er, d, /. Steinbruch) und Kl ein- Pest f minor Pest ultra 
^^ubiumj erstreckte. Damals wurde der Blocksberg ^Pt^ster Berg** 
f^nnt, an seinem Puss lag vKlein-Pest». Der A^ame i^Pest» ist slavi- 



sehen Ursprunges fpesfjj und övdeutet ^^0/en*. Der ur-r eriusL 
nen tarnen wahr scheini ich von seinen Ziegel^ und JCa/kofen, was au 
beweist^ dass seine ersten Ein'wohner Slaven waren (siehe oben Seite ^J£»J 
zu diesen oder an deren Sietle kanten dann Deutsche. Später wurde auf a 
Berg des rechten Donau- Ufers eine Burg f Seh /ossj erbaut, daher derNaii 
^Festungs- oder Schlossbergi^ f magyarisch wär-hegy^J t4nd diese Buf 
hiess auch die * Pester Burgi> fCastrum de Fest). A Untätig blieb a^ 
diesem rechtsvferigen ^Festt^ die deutsche Ueber Setzung ^Ofen^ haftt 
Wo/ter stammt aber der magyarische Name ftlr Ofeti^ ^Buda^? 
ist mir unbekannt, so^^ Lange Zeit wurde Ofen auc/i i^Neu-Fesit genattfifi 
demgemäss war am linken Donau- Ufer Pest (gleichsam v. Alt- Pest ^}^ 
am rechten aber Neu- Fest. In einer Urkunde des König Sigisrntm 
vom Jahre 140 j wird letzteres als MjVeustadt am Fester Berjß' odtr Budai 
(Civitas nostra Nova montis Festiensis seu Budensis) afige/iißirt. Daraus 
ist ersichtlich, dass damals schon beide Adamen mit einander abmtxhsd 
ten. Bald nachher gebrauchte man statt % Neu- Fest % die Bezeichnung 
^Neu-Ofen^; denn die an der Stelle des alten Aquincum erbaute " 
mein de erhielt den Namen %A It- Ofen^. Als «^ Neu- Ofen* einige Suß 
rioritäfsr echte auch über das alte Fest beanspruchte, erhob dieses letzte 
Kim ig Älathias I. zur kirn igt ichen Freistadt. Die also gestalteten : 
Städte 'wurden sammt dem Markte Alt- Ofen durch den G.-A. jb:iS\ 
zu einer Stadt vereinigt mit der o/ßciellen Bezeichnung ^Budapeit^ 

Die deutschen Städte wollten sich ihre Privilegien nicht nun 
sichern, sondern begannen auch bald, Andere davon auszuschliessen, 
wie das in der Natur des Privilegiums liegt. In der Stadt KarpfeJ 
hatte z. B* das Zeugniss von Magyaren allein gegen die hospites keiüd 
Rechtskraft, sondern erst in Verbindung mit dem Zeugnisse von Sachj 
sen oder anderen Deutschen. S07 Zum Handiverk wurden nur Deutsch^ 
zugelassen, also andere Nationale in die Zunft nicht aufgenommen 
Auch vom Handel hätten die hospites gerne jeden Andern ausgeschlos^ 
sen. So wollten z, B. die Bürger von Oedenburg und Kaschau es nie 
dulden, dass die Edelleute selbst ihre Weine ins Ausland verfrachiei^ 
(vgl. G.-A. 19 : 1504). Um so weniger mochten sie es gestatten, dai 
ein Nichtdeutscher irgend ein städtisches Amt bekleide. So konnte id 
Ofen nur ein Deutscher Richter werden und durften in dem aus zwöll 
Mitgliedern bestehenden Stadtrathe nur zwei Mag^'aren sein. Nachdeni 
jedoch die Anzahl der Magyaren sich vermehrt hatte und diese Eiufii 
aus ihrer Mitte zum Richter wählten, erbitterte diese Wahl im Jahi^ 
1438 die Deutschen so sehr, dass sie den magyarischen Richter in dej 
Donau ertränkten, was dann einen grossen Aufruhr hervorrief. 5^* So* 
lange der Adel auf seinen Landsitzen unbehelligt wohnen konnte, trug 
er keine Sehnsucht nach dem Leben innerhalb der Stadtmauern. Das 
wurde jedoch anders, seitdem die Einfälle und Eroberungen der Türken 
die Edelleute nöthigten, in den geschlossenen Städten Schutz zu sucheß* 
Der G.-A. 62 r 1563 ordnet deshalb an, dass es den durch die Türkei 
vertriebenen Edelleuten gestattet sei, in den Städten Häuser zu kaufen» 
natürlich unter der Bedingung, dass sie alsdann auch die Steuern untJ 



J 



283 

asten der Städter gl eich massig tragen* Weniger zu billigen war der 
eisatz, dass die Adeligen in ihre Häuser auch Weine zum eigenen 

Je brauche, doch nicht zum Ausschänke bringen konnten, wenn dasselbe 

Dicht auch die übrigen Stadtbewohner thun konnten. 

Mag übrigens der Grand wo immer gelegen seioj Thatsache ist, 
SS die Städter die Adeligen oder Magyaren nicht gerne sahen; denn 

der G.-A. 13 : 1608, welcher vor der Krönimg gebracht wurde, lautet 

de folgt: 

* Ueberaus viele Klagen erheben die Magyareji nickt nur gegen die 
tiglichen Fretstädte, sondern auch gegen die Berg- und slavoni sehen 
Städte, da SS man sie in ihrem eigenen Vater lande fin propria ipsornni 
^atriaj weder znm Haus kaufe noch zu öß entliehen Aemtern zulasse. 
'7aru?n wird beschlossen, dass in Zukunft in deji kö7tiglichcii Freistädten 
V€iie Richter und Rathsmitglitder sowie die anderen Beamten aMvechse/nd 
fund gemischt aus den Magyaren, Deutschen^ Cechen oder Slovaken 
^boheniis seu sclavisj und zwar ohne R tlc k s ic h t a uf das R e l i- 
i o n s b e k € 7t n t ni s s , gewählt werden müssen, mögen diese in welcher 
Stadt immer wohnen ; ferner, dass es den Magyaren ( hungaris ^lativis) 
^^laubt sei, in den Städten ohne allen Widerspruch Häuser zu kaufen 
'er zu bauen und im Sinne des G.-A. 63 : ijös ihre Habe (res ipsorumj 
^iahin zu bringen und dort zu behalten. Die Magyaren sind dagegen 
Xverpflichtet, alle auf ihre Häuser entfälletiden öffentlichen Lasten zu 
\ tragen y sowie sie anderseits auch an allen Freiheiten j Privilegien und 
Vimntnnitäten der Städter theilnehmen ; indessen behalten sie in den 
\Siädten auch noch ihre eigenen gesetzlichen Privilegien. Dieselben Anord- 
nungen erstrecken sich auch auf die privilegirten Marktflecken. » 

Der nach der Krönung gebrachte 44. G.*A. wiederholt diese 
^Verordnungen mit dem Beifügen, dass jene Stadt, welche denselben 
[zuwiderhandelt, 2000 fl. Strafe zu zahlen hat. Allein, wie die Gesetz- 
lArtikel 40 : 161 5 und 12 : 164g bezeugen, mussten diese Verfügungen 
erneuert werden, denn Neusohl widersetzte sich offen dem Gesetze und 
Mie Stadt Kaschau weigerte sich, nicht nur für die Katholiken, sondern 
Lauch für die Reformirten passende Plätze zum Baue der Kirche, Schule 
[und Pfarrerwohnung anzuweisen. 



§ 59* 



Es gibt im weiten Ungarlande kaum eine Stadt, die nicht ganz 
(oder wenigstens th eil weise von Deutschen bewohnt gewesen wäre. So 
f beschenkte z. B. König Bela IV. ira Jahre 1247 die Szegtdiner «Gäste» 
(hospites de Zegedino) mit einem Gute und einem Fischteiche- König 
Ludwig L begabte im Jahre 1360 die Bürger, Gaste und Kaufleute 
(cives» hospites et mercatores) von Dibreczin wegen ihrer Treue gegen 
Carl L mit Freiheiten und erhob ihre Stadt zur königlichen Freistadt. 
Sigismund befreite sie nach dem Vorrechte der meisten ungarischen 
Städte auch vom Zoll im ganzen Reiche (juxta libertatem civitatoni 



284 



regni n^^^ln ab aiitiquo observaiam). 5^9 Alle hervorragenden ii -^uiutj 
wurden zu königlichen Freistädten erhoben; und wo wir einer solche 
begegnen, dort war sicher einstmals das Deutschthum vorherrschenl 
Die Lage dieser königlichen Freistädte beleuchtet also zugleich dai 
alle ethnographische Bild Ungarns. 

Wir wissen, dass gleich den Avaren auch die Hauptstärke dei 
Magyaren in den Theilen jenseits der Donau Wurzel gefasst ; dass vc 
hier aus das Königthum und Christenthum seinen Ausgangspunfc 
genommen hatte. Betrachten wir nun die königlichen Freistädte naclj 
ihrer Verbreitung, so finden wir die wenigsten derselben jenseits de 
Donau, die meisten diesseits des Stromes und in der Karpatengegend. • 
Das kam offenbar von daher, weil die Theile jenseits der Donau schoaj 
unter den Königen aus dem Hause Arpad's eine hinlänglich diditi 
Bevölkerung hatten. Das alte Pannonien, dieser längste römische Besitel 
in Ungarn, war mehr bevölkert als die Landestheile diesseits der Donatr, 
besonders als die Gebirgsgegend der Karpaten. Den Beginn und Ver- 
lauf der deutschen, namentlich der sächsisch-deutschen Einwanderang 
können wir urkundlich nicht nachweisen; man kennt weder den König» 
der die Einwanderung veranlasste, noch weiss man, woher die Ansiedler i 
kamen oder wo sie ihre neuen Wohnplätze erhielten. Man begegnet [ 
den Colonien erst dann, als die Könige sie mit Rechten und Freiheiten 
begaben. Allein auch davon hören wir nichts, dass die Könige oder 
irgend ein mächtiger Magnat oder Bischof die vorhandene Bevölkerung 
etwa deshalb entfernt hätte, um den neuen Ankömmlingen Raum lü 
schaffen. Wohin der sächsisch-deutsche Einwandererstrom gelangte un^t 
sich festsetzte, dort fand er die Gegend leer, d. h. wenn auch nick 
gänzlich unbewohnt, so doch gewiss nur spärlich bevölkert. Dasselbe 
bezeugt auch eine Urkunde des Königs Emerich vom Jahre ngS» in 
welcher er den Zehnten der Einkünfte des Zipser Bodens (decimäin 
tributorum in terra Scypiensi) dem Graner Erzbischofe verleiht, wie 
solches die heiligen Könige (Stefan L und Ladislaus I.) bereits getbaP ^ 
haben. (Fejer, II, 324.) Unbegründet ist auch die Ansicht» dass, 
ursprünglichen Einwohner der Zips Magyaren gewesen seien, weil' 
Zipser Urkunden zahlreiche magyarische Namen und Wörter aufweisen, 
wie z. B. Füzes-pataka (= Weidenbach), Särpalaka (= Kothbachl 
Martun földje {— Martinsfeld), Gerlach földje {— Gerlachsfeld), Burküt 
(Borküt = Sauerbrunn, deutsch jedoch « Bierbrunn», ein Ortsnann 
Egurfa (= Erlen bäum), Fenufa (^ Tannenbaum), Hdrsfa (= Linde) 
u. s. w, 5^1 Vor der Niederlassung der Deutschen fanden sich ohP® 
Zweifel überall einige Bewohner, darunter mochten im ganzen Köiü?' 
reiche in geringer Anzahl auch ^Magyaren gewesen sein ; dennoch 
muss man jede Gegend, wo neue Einwohner ohne Verdrängung eiDer j 



285 



früheren Bevölkerung sich niederlassen konnten, als eine leere, unbe- 
vöikerte betrachten. Von einer solchen Verdrängung findet man in der 
Seit der Ärpädenkönige nirgends auch nur die leiseste Spur. Die Anwe- 
iheit der ungarischen Namen und Wörter in den Zipser Urkunden 
rklärt sich ganz ungezwungen einerseits daraus, dass es auch dort 
"einzelne mag)^rische Einwohner gegeben ; anderseits dadurch, dass 
|berall magyarische Beamte vorhanden waren, endlich aber insbeson- 
sre durch den Umstand, dass die Verfasser der Urkunden (die könig- 
chen Notare) die Ortsnamen und andere Benennungen in magyarischer 
Jebersetzung ausdrückten, weil ihnen das Magyarische besser geläufig 
ir als das Deutsche. Den ersterwähnten Umstand bestätigen die Ur- 
iden selbst; 5^= die beiden anderen kann man wohl ohne Gefahr des 
Irrthums annehmen. Dass aber selbst die Deutschen nicht alle leeren 
hegenden ausfüllten, bezeugt die Ortschaft *< Sovar» (= Salzburg) bei 
peries, die meines Wissens weder einen slavischen noch einen deut- 
^hen Namen bat» Nach alledem steht fest, dass in der Zeit der Könige 
tidwig L und Mathias L ein sehr grosser Theil des Landes von Press- 
burg und Waitzen angefangen bis nach Kaschan und Bartfeld haupt- 
sächlich von Deutschen bewohnt w^ar. 

Diese deutsche Bevölkerung blieb, wie es scheint, von der cechi- 
schen Kirchenreformation unberührt. Gleich ihren Stammesbrüdern m 
Sachsen und Oesterreich hielten sich auch die Deutschen in Ungarn 
von dem cechischen Einflüsse fern ; dieser konnte also auch das Sla- 
^venthum unter ihnen nicht verbreiten. Auch die cechischen Partei- 
gänger der Königin Elisabeth, welche von 1440 bis zur Regierung des 
Snigs Mathias I. (1462) im Lande hausten, konnten die deutschen 
Städte nicht schädigen, wenn sie auch auf den Dörfern die slavische 
Bevülkerung vermehrten. Allein ganz anders stellten sich tlie ungari- 
'^hen Deutschen zur Reformation Luther' s ; dieser folgten Alle binnen 
kürzer Zeit. Natürlich wurde dadurch das Deutschthum nur gekräftigt. 
'Och die Gegenreformation, welche durch den Cardinal -Fürstprimas 
f^Ä^män eingeleitet wurde und von 1650— 1781 ihren stetigen, wenn 
^tieh nicht immer gewaltthätigen Fortgang nahm, verminderte das 
'»berungarische Deutschthum in den Bergstädten und in anderen Orten 
'^ zunehmender Weise. Man kann sich nur schwer eine Vorstellung 
"^^^chen von den vielfältigen Plackereien, denen die Protestanten selbst 

k^*^ch unter der Regierung der Kaiserin- Königin Maria Theresia aus- 
ß^setzt waren. Diese Verfolgungen bilden ein sehr dunkles Blatt in der 
^cialen Geschichte Ungarns und auf diesem dunklen Blatte stehen 
P^ch überraschende nationale Umgestaltungen verzeichnet. In vielen 
^^getiden der Zips, wo unter dem Einflüsse der Familie Csaky eine 
^^utsche Gemeinde katholisch wurde, dort verfielen die Deutschen auch 



286 

der Slavisimng. Andernorts vertrieb der katholisch gewordene Grunj 
herr seine deutschten oder magyarischen Bauern» wenn diese nicht xunP 
Kathülicismus übertreten wölken. In den Städten» wie z. B. in Kperie^ 
ernannte man nur Katholiken zu Beamten und da sich solche unter 
den protestantischen Bürgern der Stadt nicht vorfanden, so berief man 
Auswärtige hiezu.s^^ Nachdem die Slavisirung ihren Fortgang genom- 
men, Verl iessen auch Protestanten ihre deutsche Sprache und nahmt-n 
die slovakische an, so 2. B. in den Zipser Orten Gerlsdorf, Botsdorf, 
Lautschburg (heute meist «Lucsivna«); in der Liptau zu Geib (Hibbe), 
Sanct Nicolaus (Szent-Miklos); im Sohler Comitate zu Briesen u. ^. ^vj 
Und diese Slavisirung schreitet bi^ heute ungehemmt weiter ; so trittl 
3j, B. in Modern und überall im Prt;ssburger Comitate, dann in ik 
Städten Leutschau, Kirchdrauf, Neudorf (Igl6) 11. s. w. das Deutschtbu 
mit jedem Jahre mehr in den Hintergrund. 6 Zu dieser Entnationalisi-j 
rung der Deutschen trägt das slovakische Dienstbotenwesen Vieles beil 
Der slovaki sehen Magd zuliebe sprechen Herr und Frau sJovakisch, jaj 
die Kinder lernen auf solche Weise das Slovakische als ihre cn 
Sprache und heute ist es nicht selten, dass selbst in sonst rein dealJ 
sehen Familien der Zips die Umgangssprache die slovakische iöt^ 
Leider gehen mit der Sprache bei tliesen Deutschen auch die sociale! 
7'ugenden ihrer Nationalität verloren. Die slovakisirten und insbeson-J 
dere die ruthenisirten Deutschen ergeben sich neben dem Laster dci| 
Trunksucht zugleich dem der Trägheit und Unsauberkeit. Es vereinlg-a 
sich in ihnen die Fehler beider Nationalitäten. 6 Die Gegenreformalio 
hat aber in Oberüngarn nicht nur das Deutschthum geschädigt, sonden 
auch das magyarische Element verdrangt ; dies war namentlich iji dei 
Comitaten Zemplio, Säros, Abauj und au anderen Orten der FalK*^ 

Nach der Türken Vertreibung vermehrte sich die deutsche BevolJ 
kerung Ungarns durch neue Ankömmlinge ; diese nennt man gewöh 
Jich Schwabm, König Leopold L hatte im Jahre 1705 sowohl Ofen j 
Pest zu besonderen königlichen Frei Städten erhoben. Im Geistr *1t>^ 
damals herrschenden Politik konnten sich in diesen Städten nur kath^ 
lische Deutsche niederlassen. 5^4 Auch in der Umgebmig von ßudap 
besetzten katholische Schwaben die leeren Ortschaften , deren majL'yan^ 
sehe Bevölkerung unter der Türken herrschaft geschwächt, bei der Rück 
eroberung des lindes aber gänzlich vernichtet worden war. Die mag 



* 5 I^ÄS gerade Gegentheil beobachtet man bei den äü dangarischen Deutstt*«- 
Hier rnuss der serbische oder rumänische Knecht deutsch lernen, weil die D.iiMni^ 
keine andere Sprache redet, Hier befinden sich aber auch die nicht deutschen Elii^i^i'U 
den Deutschen gegenüber in einem continuirlichen Rückgange 5 

** Kine theilwdse Rückeroberung findet heute durch die rönit^ch-katholisrhtl 
(.^Geistlichkeit statt. 



28; 

sehen Ortsnamen verblieben, allein die Bevölkerung wurde eine midere. 
iuch in den Comitaten Tolnau und Baranya wurden viele Schwaben 
ngesiedelt. Da jedoch katholische Colonisten nicht ausreichten, musste 
man auch Protestanten aufnehmen. Schwäbische Ansiedelungen erfolgten 
^uch noch in anderen Comitaten, so wurden z. B. im Zempliner Co- 
pitate zu RÄtka, dessen magyarische Bevölkerung noch im Jahre 1596 
eine der werthvollsten magyarischen Alterthümer aufbewahrt hatte (siehe 
oben S. ibo), nach den Rakoczy^schen Kriegen im Anfange des acht- 
zehnten Jahrhunderts katholische Schwaben angesiedelt. Jetzt sind diese 
Bowie die zu Rakamaz und andeniorts bereits magj-arisirt. 

Allein insbesondere im Banaii, d, i. in den heutigen Comitaten 
remes,.Toronläl, Krassu und Severin, wurde nach der Vertreibmig der 
Türken, die von 1552 bis 1716, also 165 Jahre, in Temesvär geherrscht 
hatten, die Bevölkerung erneuert. Der erste Militär-Gouverneur dieser 
tviedergewonnenen Provinz, Graf Cidudius Fhrimond Mary (1717 bis 
1733), erwarb sich nicht blos dadurch unsterbliche Verdienste, dass er 
für die Colonisirung des menschenleeren Gebietes Sorge trug, sondern 
dass er auch solche weise Einrichtungen traf, welche das materielle 
und geistige Wohl dieses Landstriches in kurzer Zeit begründeten. 
Die spärliche rumänische und serbische Bevölkerung wurde durch Co- 
lonisten aus verschiedenen Theilen Süddeutsch lands, dann aus Italien 
und Lothringen, selbst aus Spanien vermehrt. 6 Die Italiener, Spanier 
und Franzosen unterlagen theils dem damals mörderischen Sumpfklima 
des Landes, theils wurden sie durch die umwohnenden Deutschen all- 
mal ig germanisirt. Vereinzelte Reste dieser französischen Lothringer 
finden sich noch hie und da im Banate, zahlreiche Geschlechtsnamen 
wie Bonnaz (jetziger Bischof von Csanäd), Cherrier, Chambre, Duftaud, 
Leblanc, Grandjeanj Grand u, A,, sowie die Ortsnamen Bill^t, Charle- 
ville, Soultour bezeugen die Anwesenheit des Ixanzösischen Elementes. 5 
Graf Mercy bestrebte sich, aus Temesvär eine neue und schöne Stadt 
schaffen, und es ist ihm gelungen. 6 Die Colonisirung des Banats wurde 
dann unter der Regierung der Kaiserin-Königin Maria Theresia in 
zwei Perioden (1763 — ^1765 ond 1768 — ijji) eifrigst fortgesetzt. Die 
Ankömmlinge, welche durch kai-serliche Ausschreiben berufen wurden, 
kamen aus Lothringen, Trier, dem Elsasse, Schwarzwalde, Breisgau, 
Fürstenberg, der Pfalz» aus Vorder- O esterreich, Mainz, Luxemburg, 
Nassau, Franken, Baden-Baden, Schwaben, Lamberg, Tirol, Ober- 
Oesterreich, dann aus der Schweiz, aus Frankreich und Piemont. Or- 
dentlich bestellte Colonisirungs-Commissäre führten die Einwanderer 
theils in frühere, verlassene Ortschaften ein, theils legte man für sie 
neue Orte an. Jene früheren Orte behielten zum Theil ihre ursprüng- 
fichen Namen, wie z. B. Becskerek (Klein- und Gross-)» Besenyo (von 



den Deutschen *i Beschenowa >» genannte Bogaros, Csatäd, GvarmaihJ 
Gyertyämos, Perjämos, Rekäs, Szakäüiäza, Zädorlak u. A. ; theils erliid 
ten sie neue Namen, ohne dass ihr früherer» ungarischer Name gänilid 
in V*ergessenheit gerieth (namentlich bewahrten die Rumänen die all 
ungarischen Benennungen), solche Orte sind z. B. Hatzfeld laltd 
Name: Zsombolya), Kreuzstätten (Keresztes)» Gutenbrunn (Hidegkut]j 
Wiesenheid (R^hät), TrübsweUer (Nagy-Öz), Gottlob (Kis-Öz).5*s ^ 

PüN Detitsthcn bnmihnte Orte sind: Temesvdr (j2^22j Eimi*chner, noch ha 
dm grössteuthcils diutsch^ Stadt) ^ Werscketz {si.ogs Eimi^ktUTy mehr als 7m HitlA 
Deutsche), Gross-Becskerek (ig.ööö Eimvoktur, mindestem s7uet Fünftel M\ 
Deutsche) f Weiss kirchen (7490 Eimmhuer, hauptsächtüh Deutsche), in Pa7tcm\ 
(fS,4o8 EinuHfhner), Gross-Kikinda (tS,Ss4 Eifmvhner) und AMranselifS (SS^\ 
Eimvühner) und in den meisten grösseren Orten Süduftgarns machen die Deutschen * 
erhebliehe Mim^ritat der ßeiöikerung aus. Ganz deutsch sind die Älarktßeckm ufA 
Dörfer : Hatzfeld (TqSi Einu^ohner), Detitsch-Lugos (SJjO Eittwohnet), BamA 
Komlös (S7'S Eimmhner), Perjämos fjsrj Eimmhuer), Bill et (circa 4000 Ei^ 
ivühuer), Orczydorf (244S Eimvohntr), Älercydorf (20^0 Ein-wolmer), DtM 
(2730 Eimüohner), Guttenbrtinn (jo6o Eimvohner)^ LJj-Besefiyo (auch XtuA 
ifäer Detitsch- Be^chenffisia, 20Q0 Einwohner), Deutsch- Szt.- Peter (2j2o Em 
wtfhner), Zädorlak (2oSo Eimi^ohner}, Bruckenau (tjoo Ein'utaimer) , Szak4!'\ 
hdza. Gottlob i Low r in, Csatäd (Geburtsort Lenaus), Grabäcz, Gröss- 
Klein-yecsa^ Gyertydmos.^ÄIarienfeld u, A. 

6 Einen neuen Aufschwung erhielt das deutsche Colonialwesen 11 
Ungarn unter Kaiser Josef IL Das diesbezügliche Patent wurde unw 
dem 21. September 1782 erlassen und hierbei namentlich auf die < 
winnung von Colonisten aus dem oberrheinischen Kreise Deuthchlan(l<| 
aus der Pfalz^ aus Zweibrücken, Hessen und Frankfurt, das Augeninerli 
gerichtet. Den Ansiedlem wurde nebst Haus, Garten, Ackergrund, liciö 
not hi gen Zug- und Zuchtvieh, sowie den Haus- und Feldgeräthscbafted 
auch «vollkommene Gewissens- und Religionsfreiheit •» zugesichert* M 
sondere Vortheile genossen auch die einwandernden «Fabrikanten to 
Professionisten». Der Hauptstrom der Einwanderung dauerte von 17S 
bis 1787* Die Ankömmlinge wurden theils im Banate, theils im Biöei 
Comitate^ theils in anderen Gegenden des Landes angesiedelt. Im Ba-j 
nate unterbrachte man bis Ende 1787 im Ganzen 2880 Faniiiien* Im 
Ganzen betrug die Zahl der Einwanderer 

im Jahre 1784 ..... 2*225 Familien mit '0,133 Köpfen» 

* •» 1785 +»^43 '^ •♦ 21,854 •• 

* 17^^ ' • » - ' ^^H3 ^ '* 9,253 * 

zusammen . 9,011 Familien mit 41,240 Köpfen.* 

In den Jahren 1785 und 1786 wanderten 1065 verschiedene «P** 
fessionisten« nach Ungarn. Darunter hauptsächlich Leinweber (i^ 
Maurer (106), Zimmerleute (79), Schneider (66), Müller (60), TiscW« 



* Vgl CZOERNIG, Ethnographie, ni p, 67 und 68. 



289 

5), Hufschmiede (34), Wagner (32) u. s. w. Auf Staatskosten wurden 
ßg-esamiTit 7600 Familien angesiedelt; die Ansiedelungskosten beliefen 
bh auf ungefähr vier Millionen Gulden, Die übrigen Einwanderer 
nden auf Privatgütern oder in Städten Unterkommen. 

Grössere und kleinere Nach Wanderungen erfolgten a]^ in der 
lateren Zeit ; insbesondere sachten in Folge der französischen Kriege 
iele Familien aus Elsass-Lothringen, aus Vorder-Oesterreich, Tirol 
id anderen Orten um die Aufnahme in Ungarn an. 

Im Jahre 1829 erfolgte an alle Länderchefs die Weisung, künftig 
Mne deutschen Colonisten über die Grenze der Monarchie zu lassen, 

Enn sie nicht daselbst ein Vermögen von 300 fl. in klingender Münze 
sweisen konnten* 6 



§ 6q. 

In Siebenbürgen erinnern an die Römerzeit nur einige Flussna- 
len wie Szamos, Maros, Aluta, welche zugleich die grössten Flüsse 
lieses Landes sind; ferner die Ompolya, Cserna und andere ; auch der 
Flussname Koros (oder Keres, Gresia) ist seit dem sechsten Jahrhun- 
lerte bekannt. Allein von den sehr zahlreichen römischen Ortsnamen 
i sich kein einziger erhalten ; unter den aufeinanderfolgenden Völker- 
fchaften ging das Andenken und die Erinnerung an die Römer voll- 
pändig verloren. Die zahllosen römischen Steinüberreste waren für 
he Gepiden und Avaren stumme Zeugen der Vorzeit. Aber auch von 
l^piden und Avaren blieb weder in Ortsnamen noch sonst irgendwo 
p geringste Spur übrig. Da die magyarische Occupation Siebenbür- 
ptis vom Westen her erfolgte, so zogen die Mag}^ren natürlich den 
Füssen entlang gegen Osten und wohin sie gelangten, fanden sie 
^erall Slaven, %vas die slavischen geographischen und topographischen 
'^nennungen deutlich beweisen. Unter den Gepiden, besonders aber 
hter den Avaren lebten gleichfalls schon Slaven in Siebenbürgen und 
^ südöstlichen Ungarn (siehe oben S. 92 und 126 u. a, o.), ja, wie es 
Tneint» wurden die Avaren selbst, welche mit den Slaven gemischt 
C>hnten, slavisirt. Zu den aus der Römerzeit erhaltenen Flussnamen 
^ten also slavische Benennungen und erst später mag} arische Namen, 
1^ erste magyarische Besitzergreifung begann ohne Zweifel an der 
wos, denn hier lag die Haupt- (wenn auch nicht erste) Niederlas- 
*lg, nämlich Wtissenhurg (magyarisch G}ijla-Fejen'är, jetzt Carlsburg), 
gleich Sitz des neuen Bischofs. Die Slaven nannten den Ort «Bel- 
hd» (= Weissen bürg), was die rumänische Sprache bis heute bezeugt 
^r erste Bischof von Weissenburg erscheint urkundlich im Jahre 
,03, 516 na^^tj Anderen im Jahre 11 13. Nördlich von dieser magyari- 

Hurtfalvy, EttiDogr. 19 



2go 



sehen Ansiedelung begegnet man dem Flussnamen Ammt^^ \^— uä 
Goldilihrende) schon in einer Urkunde vom Jahre 1075 (siehe obo 
S. 1*5), woher auch der Szikierstuhi Aranyos seinen Namen führt, li 
Unter-Weissenburger Comitate berührt die Kis^ und Nag'y-Aranyo 
(* kleine» und «grosse» Aranyos) nicht nur die Gegend der berühmte 
Bergwerke, sondern auch die Salzwerke von Torda. Die Aranyoi 
kann also hinsichtlich der Priorität der magj-arischen Besitzergreirunj 
mit der Maros rivalisiren. Auch dort War die Bevölkerung slavisc 
was schon der Ortsname Szaiaihna, sowie A'ovahna (in der H/iromsz^k 
beweist ; letzterer Name hatte von den Sauerbrunnen, ersterer voa 
Golde seinen Ursprung. Die mag^^sche Besitzergreifung schritt somit 
entlang den Flüssen Aranyos und Maros nach Osten vorwärts und 
erreichte die beiden Kokel, deren magyarischer Name «Küküljö», ^^^e 
wir gesehen haben (vgl, oben S. 250), *Fluss Kükül» bedeutet. Die 
Quellen der Maros und der beiden Kokel liegen nahe bei der Aluta- 
Quelle; östlich von der Aluta ist der Fluss «Fekete-Ogy». Die Maros 
ist seit den ältesten Zeiten bekannt (siehe oben S. 41), auch der Name 
des Aluta- oder Olt-FIusses war schon bei den Römern üblich ; allein 
Küküllo (Kokel) und Fekete-Ugy sind neue, und zwar magv-arische 
Namen* Diese beiden Flüsse hatten die Slaven ^Tirnawat (Dornbach) 
und •Csema-Woda» (Schwarz-Wasser) genannt, was wir gleichfalls ausJ 
der heutigen rumänischen Sprache erfahren. Nachdem die magyarische 
Occupation an den Flüssen Maros, Aranyos und den beiden Kokeliäj 
ostwärts bis in die Gegend des obern ölt und in das Gebiet des Feke 
Üg}^ vorgedrungen war, wurden hier an der Ostgrenze des Landes dli 
«Sz^kler» als « Grenz wächter» angesiedelt. Wann^ unter welchem König 
das geschehen ist, wissen wir nicht; dass jedoch die Sz^klererst na 
der Bildung der magyarischen Nation dahin gelangt sind, macht ih 
Sprache unzweifelhaft. Ebenso gewiss ist auch, dass die Ansiedelmig 
der Sz^kler in den ersten Zeiten der magyarischen Besitzergreifuog 
erfolgte, dass somit die Szckler allen deutschen Colonisten dasdb 
vorangegangen waren ; denn schon in den allerersten Urkunden, reiche 
zu Gunsten der deutschen Ansiedelungen in Siebenbiirgjen ausgestellt; 
wurden, finden wir die Szckler in ihren heutigen Sitzen angeführul 
Die vormalige slavische Bevölkerung aber verschwand entweder all-| 
mälig unter den Szeklern oder ging später im Rumänenthume aufs 

Ein anderer Haupt weg der magyarischen Besitzergreifung Sieb 
bürgen s zog sich an der Bcnityo (Berek-j6), Kraszna und Szamos oat-" 
lieh in das Thal des Sajo und der Bistritz. Die Namen Kraszna und 
Szolnok sind lautredende Zeugen des Slaventhums, das die Magyaren 
hier angetroiTen haben. «Krasznai* bedeutet so viel als * schön» («schö- 
nes Wasser w); «Szolnok» (solnik) bezeichnet Einen, der mit Salz zu 



2g I 



als 



thiin hat, also einen * SaUbeamten >•, 5^8 Wie das Salz von Torda (Tho- 
renburg) auf der Maros, so kam das in den nördlichen Bergen Sieben- 
bürgens vorfindlicbe Salz auf der Szamos und Theiss nach Ungarn. 
Der Name «Szolnok» bezeichnet uns jedoch zugleich den Ursprung- 
und das Verfrachtungsziel des Salzes ; denn wir trelTen in Siebenbürgen 
die Coraitate ^Inncr-y^ und *Mitic'I-Szohiok^ und in Ungarn ein «A^usst- 
ns Ssolmk^ (Comitat und Stadt). Diese drei Comitatsnamen und der 
Stadtname belehren uns also^ dass in den ersten Zeiten der Magyaren 
dort und hier Slaven gewohnt haben, welche das Salz auf ihren 
Flössen damals ebenso verfrachteten, wie das heute in derselben Ge- 
gend die Walachen thun. — Ausser den Namen <iKraszna» und «Szol- 
nok» findet man daselbst auch noch die Benennungen Bereltyö (Be- 
rek-j6) und Saj6, die schon von magyarischen Einwohnern herstammte, 
also eine solche magyarische Besitzergreifung bedeuten, die als «erste», 
als primäre gelten kann. Denn die vorherige ursprüngliche slavische 
Bevölkerung hatte diese Gegend nicht einmal nominell occupirt. 

An den Ufern der Szamos verstärkte sich die magyarische An- 
delung, wie es scheint, in rascher Weise ; denn die Wojwoden von 
Siebenbürgen waren in der Regel auch «Obergespäne von Szolnok» 
(Comites de Sounok, Zonuk). Die Ortsnamen legen aber auch davon 
Zeugniss ab, dass in diesem Theile Siebenbürgens sonstige Völker- 
Ankömmlinge Niederlassungen gefunden hatten ; so liegt im Comitate 
I n n er- Szo I n o k Kozdr- vdr ( = « C h azar en -B u rg i» } ; fe rn e r Bdlvdn j os-vär 
(—• Götzen- oder Heiden-Burg»), Besenyö (Heideudorf) zwischen Söfalva- 
alja und der Stadt Bistritz an der grossen Bistritz, Nachdem dieThäler der 
Szamos, des Saj6 und der beiden Bistritz (der «grossem» Bistritz, welche 
in die Szamos fhesst, und der «goldenen« Bistntz, die ausserhalb Sieben- 
bürgens in den Seret mündet) die Hauptstrasse nach der Moldau, also 
auch die Wege der Petschenegen und Knraanen nach Siebenbürgen 
und Ungarn bezeichneten ; so musste man diese Eingänge in das Reich 
gegen solche Völker-Einbrüche sichern. Demzufolge stammen auch die 
Schlösser und Burgen Dehi Csuso-AIi^d/i/ahti und Bdlvdn vos-VaralJa 
ohne Zweifel aus den ersten Zeiten der magyarischen Occupatian 
Siebenbürgens. Da jedoch das magyarische Volk nicht ausreichte, 
um Siebenbürgen völlig z\i besetzen, so musste man auch dahin 
Deutsche verpflanzen. Das heutige ethnographische Bild Siebenbürgens 
xeigt, dass alle jene Grenzstriche; welche die Sz6kler nicht einnahmen, 
von Deutschen besiedelt wurden. So im Nordosten der Bistritzer 
Di st riet, im Südosten das Burzenland und im Süden das Gebiet von 
Hemiannstadt, obwohl diese beiden letzteren durch den Fogaraser 
District getrennt sind. Die siebenbürgischen Peutschen werden Saihsen 
genannt; es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass nicht Alle gleicher 
Tf»'' 



2gi 

Abkunft sind. Denn ein Theil kam aus Flandern, der andere aü> u 
Gegenden des Mittel -Rheines ; Andere wieder aus anderen deutschen 
Landstrichen, was auch durch ihre Sprache bewiesen wird, Allmalig 
wurde aber der Sachsenname für Alle gemeinsam, wahrscheinlich ans 
derselben Ursache, derzu folge man auch im Norden Europas die 
Deutschen überhaupt «Sachsen» genannt hatte. 

Szatniar-Nemeti war, wie wir gesehen haben, als sehr alte Stadt 
bekannt ; von hier zogen auch die ersten deutschen Colonisten nach 
Siebenbürgen. Der Burg De^s verlieh König Bela IV. im Jahre 1236 
dieiielben Privilegien, wie sie die Bewohner von Szatmdr-Nemeti beses- 
sen hatten. 5^9 Ueber Radna lesen wir aber aus der Zeit des Mongolen- 
Einfalles bei Rogerius Folgendes : 

^Nachdem Kadan (der Tartarenkmtig) einen dreitägigen Weg ztl'ü 
sehen Ruscia und Comania (der heutigen Moldau) durch einen Wald 
zurückgelegt hatte^ kam er zu der reichen Stadt Rudna (Rodna^ Radna), 
welches eine grosse teutonische Stadt im Gebirge und des Königs Silberberg- 
werk war. Die Bevölkerung war tapfer und zahlreich und mit Krieg^ge- 
rättten reichlich versehen. Als sie Kundt' von der Annäherung JCadam 
er hielte zog sie demselben im Gebirge kühn entgegen, so äass Kadan k% 
ihrem Anblicke scheinbar die Flucht ergriff. Die Bürger kehrten vt)ll 
Sieges freude in ihre Stadt zurück und begannen ein Trinkgelage finC' 
briari vino^ prout Tcutonicorum furor exigit, inceperuntj. Die Tatartn 
jedoch überraschten plötzlich die Bürger und obwohl dieselben tapfer 
kämp/tefi, so mussten sie sich doch ergeben. Kadan nahm die Stadt in 
seinen Schutz, vereinigte 600 Bewaffnete derselben, an deren Spitze der 
Radnaer Gespan (Graf) Ar iskald stand, mit seinem Heere und setzte 
seinen TFeg weiter /andeinwärts fort^ bis Bochetor und aridere Tataren' 
fürsten nach Ueberschneiturg des Seretßusses in das Land des kumani- 
seilen Bischofs einbraclwn und nach Besiegung d^r Widerstand leistenden 
das ganze Land in Besitz nahmen.^ s^^ 

Auf diesem Wege der Tataren geschahen ehedem ohne Zweifei 
auch die Einbrüche der Petschenegen und Rumänen j wie wir das be- 
reits erwähnt haben ; noch König Ladislaus III. verfolgte auf diesem 
Wege die Kumanen und brachte die Entflohenen ins Land zurück 
(siehe oben S. 243). — Heute sind in De^s und Rodna oder Radta 
keine Deutschen mehr ; die Nachkommen jener ersten Ansiedelungeti 
haben sich also nur noch in dem Blstritzer Districte^ dem sogenannten 
«Kösnerlanden erhalten. Dazu gehörte bis zum Jahre 1764. auch der 
Rodnaer Bezirk ; damals wurde derselbe mit dem Hauptorte Nas^ou 
2U einem militärischen Grenzdistricte umgestaltet. 

Die siebenbürgischen Deutschen spielen eine hen'orragende Rolle 
in der Geschichte Siebenbürgens ; auch heule sind die sächsischen 
Städte und Dürfer die Perlen des Landes «jenseits des Königssteiges«' 
Den Glanz des Mittelalters, welchen wir in den westeuropäischen 
Städten bewundern, finden wir auch bei den Siebenbürger Sachsen und 
hier vielleicht in grösserem Masse als in irgend einer andern Staut 



Ungarns, s'^* Die Zeit der deiitschcn Ansiedelungen in den Thälern der 
Sasamos, des Saj6 und der Bistritz lasst sich genau nicht bestimmen j 
man nimmt an» dass dieselben aus der Zeit vor Geisa IL (1141 bis 
1161) herstammen. Allein von den südlich dar Marcs gelegenen Colo- 
nien sind Herrnannstadt (magyarisch Nagy-Szeben), Leschkirch (magya- 
risch Uj-Egyhäx) und Schenk (magyarisch Sink) wahrscheinlich die 
ersten sächsischen Niederlassungen gewesen. Der berühmte «Fnika/s- 
brief der Siebenbürgtr Sachsen^ (libertas Saxonum Transsilvaniae), welchen 
König Andreas IL im Jahre 1224 ertheilt hat, sagt, dass die Sachsen 
durch König Geisa hereinberufen worden seien, s^» Nach- den obigen 
Colonien folgen Reps (magyarisch Köhalom =^ Steinhügel), Schässburg 
(Segesvär), Broos (Szaszyaros ^ Sachsenstadt)» Müblbach (Szäszsebes), 
Reussraarkt (Szerdahely = Mittwochsort); sodann Mediasch (Medgyes) 
und Schelken (Selyk). 

Im Jahre 121 1 verlieh Andreas IL den Deutsch-Ürdens-Rittem 
das Burzenland mit der Bedingung, dass sie diesen Theil Siebenbür- 
gens, insbesondere aber den Tomos-Pass gegen die. Rumänen verthei- 
digen. Nachdem die Ritter aber die ihnen gesetzten Schranken über- 
schritten, zog Andreas nach dem Jahre 1224 mit einem Kriegsheere 
gegen sie und trieb sie aus dem Lande, Von diesen Rittern stammen 
sowohl im Burzen lande wie anderwärts zahlreiche Burgen (Marienburg, 
Erdenburg, Törzburg — Theodonchsburg n. a,). Vielleicht waren auch 
die in Ungarn und Siebenbürgen häufigen Orte ttKeresztür* (Chrützen- 
burg oder Cruceburc) Besitzungen dieser oder ähnlicher geistlicher 
Ritter. Nach der Vertreibung der deutschen Ritter 5^3 erhob sich Krön« 
Btadt (magyarisch Brassö) als Hauptort des Burzenlandes. Früher 
besassen Rosenau (magyarisch Rosnyö), Marienburg (Földvdr), Tartlau 
(Prasmäs) und Zeiden (Fekete-halom) besondere Municipalrechte. Allein 
nicht blos die erwähnten Ortschaften und Städte, sondern auch Klao- 
genbnrg (Kolozsvär), Enyed, Thorenburg (Torda), EHsabethstadt 
(Ebesfalva), Unter- und Ober-Winz u, a. hatten deutsche Bevölke- 
'JTing. Noch in neuerer Zeit, in den Jahren 1734 und 1735, Hess sich 
fBin Theil der aus Salzburg vertriebenen Protestanten bei Hermannstadt 
ieder. 5«^ 6 Die letzte grössere Zuwanderung von Deutschen nach Sie- 
benbürgen fand im Jahre 1846 statt, als theils über Anregung der 
königlich württembergischen Regierung selbst, theils durch die Bemü- 
Illingen des siebenbürgisch-sächsischen Pfarrers Sie/an Eofh in Nie- 
*nesch bei IMediasch 307 Familien (1460 Köpfe) Protestanten aus 
^Vürttemberg in Siebenbürgen angesiedelt wurden. 6 

Die Blüthe der siebenbürgisch-deutschen Städte begann zur Zeit 
Xudwig I. (t342— 1380) und dauerte bis zur Eroberung Constnntinopels 
^urch die Türken und bis zur Entdeckung Amerikas. In jener Zeit 



294 

ging der Handel zwischen dem Occident und Orient, also rwischetil 
Europa und Ostindien, entlang der Dnnau über Wien, Ofen und Con-T 
stantinopel» und die siebenbürg^schen Städte waren bei diesem HandehJ 
betriebe in hervorragender Weise hetheiligt. So verlieh z. B. König 
Ludwig im Jahre 1558 den Kronstädtern freien Handel bis an diel 
Donau und im Jahre 135S Zollfreiheit in der Moldau (in terra pnnd-j 
pis Tartaronmi) ; im Jahre 1 570 befiehlt er aber, dass sie frei imdJ 
ungehindert zwischen Kronstadt und Jadra (Zara) verkehren können,! 
wodurch er ihnen also den freien Handel nach dem Ad riatischen MeereJ 
sicherte, s^s 

Die Siebenbürger Sachsen waren damals in drei besondere Di- 
stricte oder Provinzen getheilt : in den Bistritzer und Hermannstadter 
District, welch* letzterer bereits sieben Stühle hatte, und in das Burzen- 
land ; jeder District unterstand directe dem Könige. Im Sinne des im 
Jahre 1366 erneuerten Andreas'schen Freiheitsbrtefes musste die Her- 
mannstädter Provinz bei einem Kriege im Innern 500» nach Aussen 
reo !Mann stellen, wenn der König selbst das Heer anführte; im andern 
Falle jedoch nur 50 I^Iann. Ausserdem erlegte sie jährlich 500 Mark 
Silber und gab dem Wojwoden von Siebenbürgen jedes Jahr zweimal 1 
Quartier, d. h. bewirthete denselben (descensus). Zu derselben Zeitj 
befreiten sich die Klausenburger durch Erlag von 52 Mark Silber von 
der Militär- Bequartierung. Nach dem königlichen Briefe vom Jahre [387 
war das Burzenland unter Anderem verpflichtet, dem königlicheo 
Beamten jährlich einmal nur ein Frühstück» ein MittagmabI und eia 
Pferd im Werthe von 20 fl. zu reichen. Im Uebrigen wählten die Städte 
und Gemeinden ihre Richter und Geistlichen frei und verwalteten ihre! 
Angelegenheiten nach ihren eigenen Rechten, Der König wurde durchJ 
den von ihm ernannten Beamten reprasentirt ; dieser war der Sz^kler 1 
Graf oder Gespan, der häufig auch Graf des Burzenlandes gewesen, 
gleichwie der Wojwod von Siebenbürgen zugleich auch die Würden 
eines Szolnoker und Sz^kler Grafen in sich vereinigte. 

Der Käme Siebenbürgen^ den schon Simonis de K^za durch «Sep- 
tem castra», d. i. sieben Burgen zu erklären vermeinte (siehe oben 
S. 187), stammt von der am Flüsschen Sibin (Szeben) erbauten Burg 
(Castrum Sibin, deutsch «Sibin bürg»), aus welcher später die Stadl 
• Hermannstadt» (magyarisch Nagy-Szeben) sich entwickelte. Im aord- 
ungarischen Comitate Säros gibt es ein «Kis-Szeben» (deutsch tZeben«). 
Es unterliegt keinem Zweifel, dass * Sibin» oder «Szeben» ein geogta* | 
phi scher Name ist, der dann irrthümlicher Weise als Zahl (sieben) 
gedeutet und mit dem Pluralis des Wortes abürg» verbunden wurde. 



* Vgl KOESLER^ ftRomänische Studien». 



295 



Die Siebenbürg-cr Sachsen schlössen als n Nation» mit den Szek- 
m als der zweiten und mit den Magraren (Ungarn) als der dritten 
WNation» Siebenbürgens im 15. iJnd 16. Jahrhunderte Unionen (Bündnisse). 
Darnach hatte Siebenbürgen bis zum Jahre 1848 drei gesetzliche «Katio- 
nen» und viur gesetzlich anerkannte Confessionen (Katholiken, Refonnirte, 
Xutheraner und Unitarier). Uebrigens ging ein Theil der Städte, wie 
jDetSs, Klausenburg, Enyed, Thorenburg (Torda) u. s. w, schon im 
X^ufe des 16. und 17. Jahrhunderts vom Deutschthum zum Magyaren- 
ihume über; ein anderer Theil, als Radna, Abrudbänya (Gross-Schlatten), 
Szalathna (Klein-SchlattenJ, Szäsz-Szalathna (ebenfalls «Klein-Schlatten»), 
Viz-akna (Salzburg) wurde theil weise oder ganz rumänisch, Sieben- 
Mrgen und mit ihm die sächsischen Städte hatte zwei schwere Heim- 
suchungen des ungarischen Mutterlandes nicht zu ertragen : die Türken- 
herrschaft und die Gegenreformation. Darum erhielt Siebenbürgen von 
dem Ruhme seines Müieiaiiers weit mehr als Ungarn. 

Die Anzahl der Deutschen betrug nach der Conscription im Jahre 
1851 in sämmtlichen Ländern der ungarischen Krone 1.221,714, davon 

(kamen auf Siebenbürgen 200,364, auf Croatien-SIavonien 24,740, auf 
die Militärgrenze 38,400.5^^ Damals war die Gesammt*Bevölkerang des 
Königreiches 13.967,868 Seelen. Nach der Volkszählung vom Jahre 1870 
l)erechnete Carl Keleti die Zahl der Deutschen im eigentlichen Un- 
^rn auf 1.596,633, in Siebenbürgen auf 224,289, zusammen auf 
1.820,922 Seelen, sn Keleti Hess hierbei die Deutschen in Croatien- 
SIavonien und in der Militärgrenze ausser Acht, dennoch schätzte er 
schon die Zahl der Deutschen in Ungarn und Siebenbürgen weit höher 
als die Gesammtsumme derselben in der Volkszählung vom Jahre 1851 
ausmachte. Die juridische Bevölkerung aller Länder der ungarischen 
Krone war nach der letzten Volkzählung im Jahre 1870 15.171,357 
Seelen. Man kann also annehmen, dass in allen diesen Ländern die 
Zahl sänimtlicher Deutschen ungefähr zwei MiHiontu beträgt. 

Die ungarischen Deutschen sind theils Katholiken, theils Pro- 
lestanten, letztere wieder fast ausschliesslich Lutheraner; nur wenige 
Deutsche bekennen sich zur reformirten Kirche» Die siebenbürgischen 
Sachsen gehören ohne Ausnahme der lutherischen Kirche an. Die 
^CMchisch- orientalische Kirche hat keine Bekenner deutscher Nationa- 
lität, wie sie auch keine Magj'aren unter ihren Gläubigen zahlt. Schon 
aus diesem Grunde, weil Deutsche und Magyaren denselben Confessio- 
üen 2Ugehören, findet man zwischen diesen beiden Nationalitäten eine 
JTÖssere Eintracht als zwischen ihnen und den übrigen Volksstämmen 
^ies Landes. Es gibt keinen gijbildeten Magyaren, der nicht deutsch 
prechen würde und hinwiederum keinen gebildeten Deutschen in Un- 
garn, dem die ungarische Sprache fremd wäre. 



296 

Hier sei noch mit einigen Worten des Verhältnisses xwjschd 
Deutschen und Nicbtdeutschen in Südungarn gedacht. 



(f Deutsche i4?id Serben vertragen sich am wenigsten^ der Serbe fük 
etnen heimlichen und offenen Krieg gegen den Deutschen, dessen F/etsi 
Ordnungsliebe und Sparsamkeit den Serben allmälig aus seinem Besih 
thume verdrängt. Auch sonst waltet im socialen Leben kein Anschln. 
keine Verbindung' zwischen Deutsclien und Serben. Wechsel heiraten stni 
selten, Es ist geieiss eine charakteristische Thatsache, dass in Orten, cm 
z, B, Icatttoli seile Deutsche und katholische Serben f Sctiokaczen J beisam- 
men leben und sowohl in kirchlicher als politischer Beziehung esm 
Gemeinde bilden, die Verkehrssprache zTvischen beiden weder die deu Ische 
noch die serbische, sondern die — rumänische Sprache ist. Der Serbe besitz/ 
noch einige Wider standstsraft gegen das Voj'dringen des deutschen 
Elementes. Darum wehrt er sich seines Daseins, Dagegen erst kernt 
in Südimgarn der Rumäne in ethnograptiischer Beziehung völlig mocht- 
los und passiv, wo er dem Deutschen social gegen übertritt. Der Rumäne 
ordnet sich dem Deutsclien willig unter und dieser nimmt den rnmäni- 
schen Bursclie?i ge?'ne in seine Dienste. Walach isc he P/erde knechte sind 
in den deutschen Ortschaften des Banats eine häufige Erscheinung, Der 
Rumäne übt hier jedoch gar keinen entnationalisirenden Einßuss aus; 
vielmehr muss derselbe die deutsche Sprache erlernen, wenn er mit dt-r 
Bäuerin verkehren rvilt. Äfan macht die Beobachtung, dass diese \..: 
manisirten^ Rumänen sich auch durch sonstige Eigenschaften von ;^ 
Connationalen vortheilha/t auszeichnen. Wo Deutsche und Rumi 
Nachbarn sind, du schwinden letztere zusehends. Eine Gene/ai 
reicht hin, um ein rumänisches Dorf durch eine deutsche Invasion zu 
perdrängen. Dieser Kampf geht seit Ja kr zehnten ungestört vor sich. Es 
ist geiviss merkwürdig, dass diese südungarischen Schxvaben in ihttr 
Zähigkeit und Bropagativ kraft das directe Gegen t heil derjenigen Er- 
scheinungefi aufweisen, denen man sowohl bei den Zipser wie bei dm 
Siebenbürger Sachsen begegnet. Die Schwaben des Banats haben noch kein 
Dorf an eine andere Nationalität verloren, wohl aber manches Dwf 
für sich erobert. Wir glauben, dass diese ethnographische Festigkeit dtr 
südungarischen Deutschen hauptsächlich in der fast ausschliesslich der 
Agricultur zugewendeten Beschäftigung zu suchen ist. Der Bauer ist 
ständig und conseiimtiv ; der Gcwcrbs- und Handelsmann schmiegt sich 
eher anderen Stämmen und Verhältnisseit an. Die Beweise für diese 
letztere Behauptung litfern die deutschen Bürger in den Städten L'h 
garns und Siebenbürgens in reichlichem Masse. Der Deutsche teichmi 
sich in Ungarn durch Fleiss, Ordnungsliebe, Sparsamkeit, RedUchM 
und Liel>e zu seine/n neuen Vaterla?ide aus. Die Schulen der Deutschen 
sind die besten im Lande und können vielfach die Concurrenz mit ä0t 
vorgeschrittenen Ausland bestehen. Alan zählte in Ungarn und Siekn- 
bürgen Volksschulen mit rein deutscher Unterrichtssprache : im Jahft 
tSög 1232, im Jahre 1S72 18 ro, im Jahre 18 jj 2184, mit deutsch-Ufiguri- 
schier Unterrichtssprache im Jahre iSög iso, mit deutsch-rumänischtr 
10, mit deutsch-slovakischer j»-^, mit deutsch-ser bische f 8, mit deutsch' 
croa tischer 43, mit deutsch-bulgarischer r, mit deutsch-wendischer Vnit^; 
richtssprache 3; in 39 Schulen wurde ungarisch-deutsch- rumänisch, tfi 
J4 Ungar isch-deutsch'Slovakisch, in sb ungarisch-deutsch-serbisck, in J^ 
ungarisch-deutsch-croatisch u, s. w. unterrichtet. Von den Schulpflicht^' 

f^en Kindern der Deutschen besuchen in Ungarn 67 Eercent^ in Sithti* 
argen 79^(4 Per Cent die Schule. Der Schulbesuch hat von iSög—i^JJ 
mit iS8/fg Percent zugenommen. Auf 100 Deutsche kommen 14 s Schul- 



jn^ 



chende (bei den Magyaren nur jo*8^ bei den Slovakcn lo'g^ bei den 
ziniänen j u. s. w,J.'^^ 

Gehören die ungarischen Deutschen in zoologischer Hinsicht zu 
den Dolichocephalen oder zu den Brachycephalen ? d. h. sind sie Lang- 
oder Kurzköpfe ? Nach den Messungen von MoRiz Steinburg war bei 
8i sächsischen Männern im Alter von 20—28 Jahren der Breiten-Index 
durchschnittlich 80-7 {die Extreme waren 72-7 und 868). s^^ Bei jenen 
15 IVIännem von 32 — 48 Jahren aus der Umgehung z>o?t Ofen, deren 
Schädel über Initiative des Professors Lenhossek gemessen wurden, 
fand sich der Breiten-Index im Mittel zu So'z, die Extreme waren hier 
71"! und 86. Diese beiden Messungen kommen in ihren Jlesultaten 
einander ziemlich nahe. Noch eine dritte Reihe solcher Messungen 
nahm Professor Lenhoss:^.k an 6 nichi in Ungarn gehonten Deutschen 
im Alter von 25 — 56 Jahren vor und fand hier den durchschnittlichen 
Breiten-Index von 83"! (die Extreme waren 75 und 85" i). 5=9 Angenom- 
men, dass die Messungen Stein üürg's nach derselben Methode gescha- 
hen wne die des Professors Lenhossek, so würde daraus hervorgehen, 
dass bei den im Auslande gebornen Deutschen der Brachycephalismus 
stärker entwickelt wäre als bei den ungarischen Deutschen, Steinijurg 
fand unter den 81 Siebenbürger Sachsen 45 Dolichocephalen, 13 Meso- 
cephalen und nur 23 Brach} cephalen ; indess unter den 6 ausländischen 
Deutschen, deren Schädel Lenhossek gemessen, nur 2 Mesocephalen 
(Index 65 und 77"7)j i Subbrachycephale (Index 79.7) und 3 vollkom- 
mene Brachycephalen (Index ßi^g und 85^7) waren. 



Vgl SCHWICKER, «Statistik des Königreiches Ungarn», S. 622, 623, 627 




Drittes Capitel. 



Die Slaven, 



§ 6x. 

In der fränkisch-deutschen Periode, d, i. also in der Zeit nach 
den Avaren und vor der Ankunft der Magyaren, wohnlen im alte» 
Pannonien Deutsche und Slaven; unter ihnen wohl auch noch sti 
und unvermerkt Avaren, wenn sie nicht bereits im Slaventhum auf* 
gegangen w^aren. Am Szalaflüsschen und in der Gegend des Platten- 
sees finden wir unter fränkisch-deutscher Oberhoheit das vorübergehend 
bestandene Fürstenthum Priwina's und KozeFs mit der Hauptstadt 
Mosapurk; einen Theil dieses Fürstenthums besass spater der Mähren- 
fürst Swatopluk durch acht Jahre (884 — 892) als deutsches Lehpn 
Nördlich von der Donau, im heutigen Mähren und im westlichen Theil- 
Ungarns um Neitra, strebten die mährischen Slaven nach kirchUchö 
und staatlicher Selbständigkeit; doch nur mit geringem Erfolg, im 
Theil wegen der Verrätherei und der Uneinigkeit ihrer Häuptlingei 
w^elche die Oberhoheit der Deutschen bald aufsuchten, bald verwarfe 
und auch die slavischen Priester einmal verfolgten und dann wied( 
begünstigten. Gegen diese letzteren erhob sich dann ebenfalls im lii 
tigen Zorne die bayerische Geistlichkeit. Man kennt nicht einmal de( 
Sitz der mährischen Fürstenmacht, während uns dieser im kleinen Für- 
stenthum an der Szala bekannt ist; so sehr waren im Mährerlande 
Zustände dem Wechsel und der steten Veränderung unterworfen, Ebefl^ 
wenig weiss man, wie weit sich das Mährerreich erstreckt hat, ob 
an die Eipel oder bis zum Saj6flusse. 

Der Landstrich zwischen der Donau und Theiss, sowie die 
liehen Theile jenseits der Theiss und das alte Dacien waren zur ^^'* 
der Frankenherrschaft in Pannonien ebenso unbekannt wie in den 
Tagen Herodot's. Auf jenen weiten Ebenen und in den Gebirgen Sie- 
benbürgens begegnet man gar keinem staatlichen Gebilde; allein »ü* 
Bevölkerung war auch hier, die allmälig verschwindenden Avaren aiU" 



•■lllBli- 



ommen, slavisch, was die Flussnamen und andere geographische 
nungen bezeugen. 

Diese slavische Bevölkerung war jedoch am Fusse der Karpaten 
och dünner als anderswo ; dies beweisen nicht nur- die zwei Jahrhun- 
Crttr später einwandernden deutschen Colonisten, sondern auch andere 
Imstande, Inner- Szolnok (in Siebenbürgen) und Aeusseres Szolnok 
\si Ungarn) waren nach dem Zeugnisse ihrer Namen schon von ihren 
lavi^chen K in wohnern her bekannt, als von dem SSvär (= Salzburg) 
El Saroser Comitate noch Niemand etwas wusste, sonst hatte auch 
|eser (durch den Reich thum seines Salzes bedeutende) Ort einen sla- 
ischen Namen erhalten. Der magyarische Name tS6-vär» ist das 
Bitrüghchste Zeugniss dafür, dass im g. und lo, Jahrhundert keinem 
lenschen das Vorhandensein des Salzes daselbst bekannt war; des- 
alb konnte auch hier keine bemerkbare slavische Bevölkerung gewe- 
tu sein, 530 

k Die Magjaren occupiren das Land. Einen ernstlichen Widerstand 
Plden sie eigentlich nirgends ; denn diejenigen, welche sich ihnen 
Ätten widerset2:en können, nämlich am rechten Donau-Ufer die Deut- 
phen und am linken die Söhne SwatopIuVs, — sie stehen selbst mit 
iaander im Kampfe. Der übrige Theil des Landes befand sich aber 
I einem solchen Zustande, dass welch' immer anderes nahe wohnendes 
foik sich daselbst hätte niederlassen können. Es ist also nur ein kühnes 
Jfaantasraa, wenn Palacky schreibt, dass sich im richtigen Mittelpunkte 
ter weitverbreiteten slavischen Volker durch Rastislaw^ und Swatopluk 
W solch fruchtbarer Kern einer eigenen nationalen und kirchlichen 
Wtur gebildet hatte, welcher bei gleichmässiger wohlwollender Pflege 
>n Rom und Bjsanz die grösste Entwickelung versprach ; dass 
ich diesem Keime mit der Zeit sämmtliche Slaven freiwillig oder ge- 
^'üngen angeschlossen hätten und wie im Westen unter dem römischen 
(inÖusse das Reich der Franken heranwuchs, so wäre im Osten unter 
pOi Einflüsse Constantinopels ein slavisches Reich entstanden. Ost- 
wopa hätte um ein Jahrtausend früher als jetzt seine Bedeutung 
f*^ngt. Allein diese Hoffnungen wurden auf ewig vernichtet durch 
^e Magyaren, welche in das Herz der slavischen Entwickelung ein* 
trügen und dieses zerstörten. Die Niederlassung der Magyaren ist 
ifüm das grösste Unglück, welches die Slaven weit im Laufe der Zeiten 
-troffen hat.s3^ 

Wenn wir dem cechischen Historiker auf diesem Gebiete der histo- 
8ch-poli tischen Träumereien nachfolgen wollten, so könnten wir dagegen 
Igen, dass die Niederlassung der Magyaren für die Cechen das grösste 
lück gewesen sei. Denn nachdem man weiss» was für feindseliger 
eist die deutschen Priester gegen die Mährer beseelte (siehe oben 



i 



300 



S. jj8 und 122) und es bekannt ist, mit welch' andauerndem Erfolg 
die Deutschen die Slaveu an der Elbe und an der Ostsee ausrotteteq 
so lässt sich billig annehmen, dass ohne die Hierherkunft der Magy 
ren, welche für ein halbes Jahrhundert die Aufmerksamkeit der Ded 
sehen nach einer anderen Richtung lenkten, vielleicht auch die Cech^ 
gleich ihren anderen slavischen Brüdern untergegangen wären 
Pal.\cky wäre auch kein Geschichtschreiber der Cechen geworde 
Träumerei wäre dies wie jenes ; während aber unsere Ti'ä um er ei Unschuld 
ger Natur wäre, gilt das Phantasma des Historikers Palackv als Dogn 
bei den Slaven, namentlich bei den östlichen, Bei denen ja die Kriti 
die Dogmen überhaupt noch nicht erreicht hat. Und dieses Pa LAC KY^schi 
Dogma schürt Tag für Tag den Hass gegen die Magyaren. Wir kön 
nen dieses Dogma nur als « leeres Traumgebilde n bezeichnen; müssei 
es aber um so mehr bedauern, dass dasselbe auch von ungarisch« 
Schriftstellern als ein vernünftiges Urtheil betrachtet wird» aus dem si(j 
einen nationalen Ruhm herauszulesen vermögen. ^^ 

Die Slaven, welche in Ungarn spärlich wohnten, waren iiaupt^ 
sächlich Slovenen, was man aus den in das Magyarische gelang 
slavischen Wörtern (siehe oben S. 182 ff.) erkennt, und betrachtetes 
wahrscheinlich die Niederlassung der Magyaren als kein be.somlen 
Unglück» denn sie verbanden sich mit den neuen Ankömmlingen, wid 
solches die deutsche Geistlichkeit in ihrem Beschwerdeschreiben be 
klagt (siehe oben S. in) und %vie dieses auch durch den allgemeinem 
Verlauf der Geschichte bestätigt wird. Nirgends begegnet man auch nU 
dem geringsten Widerstand der Slaven gegen die Magyaren. Die 
Umstand ist keineswegs daraus zu erklären, dass die letzteren die 
Staren ausgerottet hätten ; denn die Zahl der Slaven vermehrte sicH 
stets. Sicherlich in der Zeit der ersten Könige entstanden Wischegrädl 
Csongräd, Neograd und andere dieser Burgen mit slavischen Kamenj 
Aber auch die von den Mag}^aren bei ihren Streifzügen in ganz Eu 
erbeuteten und hierher geschleppten Gefangenen waren gewiss nur zu 
geringen Theile Slaven, weil ja jene Einfälle und Streifzüge kein sli 
visches Gebiet, sondern vielmehr deutsche, fränkische,, italienische " 
griechische Länder heimsuchten. Noch Niemand konnte von den Magyart 
lesen, was Büdtnger der historischen Wahrheit gemäss von den Deut«]! 
sehen schreibt j «Kein slavischer Stamm, der in dauernde Abhängig"! 
keit von dem deutschen Reiche gerathen ist, hat» ausser dem cechischeUi 
seine Selbständigkeit zu behaupten vermocht; alle haben dem schwere^ 
Arme der deutschen Kriegsmänner erliegen müssen. . . . Gegen äi^ 
Ungarn w^ie gegen die Slaven kannte man kein Erbarmen. »533 Ebena 
lag es magyarischer Auffassung und Gewohnheit ganz ferne, dass irgend^ 
welche Nationalität in Sklaverei gehalten worden wäre, wie solches bdl 



Deutschen den^ Slaven gegenüber der Fall gewesen ; denn hier 
le Slave = Sklave. Schon das Gesetz des Königs Koloman ge- 
llet nnter den «Gästen* auch der Slaven, 534 und diese waren gleich- 
ferechtigt mit den anderen »i Gästen ». Im ungarischen politischen 

lechte entwickelte sich ein grosser Unterschied zwischen Adeiigtn und 
ficht- Atltitgtn ; allein zwischen Magjaren und A^ichl-ÄIagyaren bestand 
lemals die geringste politische Verschiedenheit. Die Adeligen konnten 
chubernlässiger Privilegien rühmen ; doch diese Adeligen waren keines- 

kegsblos Magyaren, sondern auch Slaven, Deutsche, Walachcn, mit einem 
ITorte den verschiedensten Volksstämmen des Landes angehörig. Auch 
ie Bauernschaft, welche die Staat^laslen allein ertrug und ebenso allein 
i den Rechten eines Staatsbürgers keinen Antheil hatte, die «miseracon- 
ibuens plebs » bestand desgleichen aus Magyaren, Deutschen, Slaven, 

walachen, mit einem Worte : aus allen Nationalitäten des Landes. Und 

lies weiss ein Historiker wie Büdinger nicht oder übersieht es, wenn 

sagt, dass bei der Besitzergreifung des Landes durch die Magyaren 

le Sluvaken in niedrige Knechtschaft gerathen sind, ans deren Fes- 

ein sie als ttief herabgekommenes Volk erst nach fast einem Jahr- 

ausendw befreit worden sind. S35 Als ob Büdinqer die Geschichte 

ind das Staatsrecht Ungarns aus den Prager deutschen nnd ^echi sehen 
eitungen der Jahre 1848 und 1S49 stndirt hättelsaß 

A, Shvaktn, 



Die Magyaren nennen die Shvaken aus einem mir unbekannten 
de n/o/okn (sing. ttöt»). Wie es scheint, war das bei ihnen die 

gemeine Bezeichnung für die Slaven ; denn es werden nicht blos die 
lordwestlichen, sondern auch die Süd-Slaven zwischen Drau und Save 
ön ihnen mit diesem Namen benannt. Darum heisst auch bis heute 
lavanien im Magyarischen v^ Tü/-f}rszügii d. i. (Land der Slovaken),537 
Me alten Slovenen waren also bei den Magyaren « tötok •», d. i. Slo- 
^ken. Diese Slovenen am rechten wie am linken Ufer der Donau 
Erschmolzen jedoch grösstentheils mit den Magyaren; das heutige 
^h'ükfnihum ist in Ungarn ein Volkselement von neuerem Datum ; 
las durch die Hussiten (mährischen Brüder) und cechischen Partei- 
'Äiiger (1442^1460) bereits erheblich vermehrt worden war, als die 
»^^enreformation in Ober- Ungarn die protestantischen Deutschen zu 
'ekehren und zu decimiren l>egann. Seitdem dauert die Slavisirung 
leser Landestheile fort und macht stets weitere Eroberungen. Heute 
ßd die Slovaken von Pressburg angefangen bis in die Zips und nach 

Os derart verbreitet, dass sie die Comitate Trencsin, Arva, Sohl und 
iptau ganz beherrschen, in den Comitaten Tur^Scz, Bars, Neitra, Hont, 



GÖmör, Zips, Säros und Abauj die Majoriiät, m PreÄsburg und Xeo;^(j 
aber immer noch einen sehr bedeutenden Bruchtheil der Bevölkerung 
ausmachen. In demselben Verhältnisse, als daselbst das Deutschlhaa 
aus irgend welcher Ursache zu schwinden begann : in demselben Maj 
nahm das Slovakenthum zu. Aber auch die JNIagyaren sind den Slori-j 
ken gegenüber im Nacbtheil.sjs Die Slovaken bewohnen indess nirlkl 
blos die genannten Comitate, man findet dieselben auch in den niJtt 
leren und südlicheren Theilen des Landes : in Zemplin, Borsod, Sa^l 
bolcs, Bi^k^s, Pest-Pilis-Solt, in Torontäl u* a. O. ; und 2:war theihvri>:^ 
in bedeutender Anzahl ; so z. B. bilden die Slo\"aken im B^ktser C> j 
mitate 25 pCt. der Bevölkerung, 539 

Das Vorhandensein dieses Volksstammes wird durch zahln ; i 
Ortsnamen mit dem Beisatze «Tot» = * slovakisch i constatirt, 5*0 hr 
man T6tfalu (;= Slovakendorf) in Szatmär und Bihar, Töt-Aradicz 
Toruntal, T6t-Banhegyes in Csandd, T6t-Ker und T6t-K<?szi in IVl: 
Töt-Falu in Szala und Eisenburg u. s. w. Nicht in allen diesen ti^; 
sind auch heute noch Slovaken ; doch der Name beweist zum mind«' 
sten ihre einstige Existenz daselbst. Ortschaften mit dem « slovaki sehen« 1 
Epitheton trifft man auch in Siebenbürgen, z. B. T6t-falu in den Co- 1 
mitatcn Mittel- Szolnok, Kalos, Doboka und Kraszna ; T6t-fa!ud iaj 
Unter-Weissenburg» T6t-haza im Kolnser Comitate u. s. w. Audi Jif^l 
Namen sind Reste des einstigen siebenhürgi sehen Slaventhunis, i\^\ 
jedoch unter den Rumänen verloren ging. 

Sasinek berechnet die Zahl der heutigen compact wohnt^ndeuj 
Slovaken auf zVa Millionen, die der zerstreut angesiedelten aof citt&J 
halbe Million, also insgesammt auf drei Millionen Seelen, s*^ Bifß^l 
Zahl ist jedenfalls übertrieben angesichts Jener 1,629.757 SlovaWj 
welche vor 25 Jahren die österreichische Volkszählung eruirt hatter 
von der man doch nicht annehmen kann, dass sie die Anzahl der Slo- 
vaken absichtlich verkleinert, die der Magyaren aber vergrössert hal*| 

Allein Sasinek misshandelt auch die Geschichte. Er und ^^ 
er (weder Palacky noch Schaf artk oder Dudik, auf deren Wen 
wir uns berufen) weiss etwas davon, dass die « Slovakei » « tertia 
regni » (also sagt Sasinek mit lateinischem Ausdrucke, als ob das 
in den Urkunden stünde), — dass die «Slovakei» ein besonderes H«^ 
zogthnm gebildet habe bis auf Mathäus von Trencsin, dem «Ict/t^^i 
slovakischen Herzoge ». 

Dem Dialecte nach stehen die Slovaken den Cecho-Mahrem sct^* 
nahe; deshalb benützen die slovakischen Protestanten auch die cechiscP^ 
Bibelübersetzung nnd die cechischen Gesangbücher. Die katholisch« 
Slovaken halten sich natürlich nicht an die Sprache der Cechiscb^ 
Bibel. Uebrigens ist es allgemein bekannt, dass die slovakische Spracn^ 



ch der deutscheTi in zahlreiche Local-Dialecte zerfäUt, In neuerer 
t arbeitet man an der Feststellung einer slovakischen Literatur- 
icbe. Der erste diesbezügfliche Versuch geschah von katholischer 
te durch Anton Bhrnoläk (1788—1791). Einen neuen Aufschwung 
ielt die slovakiscbe Sprache im Jahre 1845 durch Ludwig Stur, 
1 zwar von evangelischer Seite. Die slovakische studirende Jugend 
cte dieses Neoslovakische an die Stelle des Cechischen. Nachdem 
T weder das Slovakische des BernolIk: noch das des Stur auf 
lologischer Basis beruhte, verfasste Martin Hattala, Professor der 
vistik an der Prager Universität, im Jahre 1850 eine slovakische 
umnatik auf sprachwissenschaftlicher Grundlage und nach dieser 
icht und schreibt heute jeder slovakische Schriftsteller und gebildete 
vake.-H3 Zur Verbreitung der slovakischen Sprache und Literatur 
■de im Jahre 1863 die literarische Gesellschaft « Matica Slovenska» 
Dvakische Biene, eigenth « Bienenmutter w, «Bienenkönigin») in Thur6cz« 
nt-Marton gegründet. (Dieselbe ist gegenwärtig behördlich suspendirt.) 
Aus der Periode der slovakischen Literatursprache vor Stur und 
ttala seien hier awei Männer des Näheren erwähnt. 

Paul Josef Sckafarik * fauch ^Safafik^J wurde am rj. Mai 17g s 

Kobeljarova f ungarisch ^^Fe^ete-Fatak^ z=^Schwarzbachy^J, einem 
Mkischen Uor/'e im Gömörer Coniitafej geboren^ wo sein Vaier evan- 
ischer Frediger war. Seine Gymnasialstudien machte Faul jfosef 
j zu Rosenau und 180S zu Doijschau, kam im Jahre 181^ auf das 
nge tische Lyceum nach Kesmark^ wo er bis iSij FhilosQphie^ Tlieo- 
ie und ungarisches Fee hl studirte. Die Frofessoren Genersich tind 

Ml H ALI IC , der erstere Historiker^ der andere Fhilosoph, iibten auf 
i jungen Sckafarik den gross fen, nachhaltigsten Einßuss. Hier regte 
h auch zuerst d^zs poetische Talent Schafarik's. Von iSis — rSij stu- 
'te Sckafarik an tler Universität Jena Theologie^ Fhilosophie, Ge- 
richte, Philologie und A^aturwissenschaften und be/asste sich schon mit 
^ncherlei literarischen Arbeiten. In Jena wurde Schafarik auch mit 
'LLÄr bekannt und nachdem er sich daselbst die philosophische Doctur- 
fde erworben hatte, kehrte er nach Fressburg zurikk, wo er bis iSiq 

Srzieher eines ungarischen Edelmannes beschäftigt zvar. In Press- 
'^ verband er sich mit dem slawischen Schriftsteller Palkovics zur 
^ausgäbe einer Sammlung von Poesien ; auch beschäftigte er sich hier 

den Liedern des slovakischen Volksstammes^ die er später auch ver- 
nilichte. Im Herbste iSig folgte er einem Rufe nach A^eusatz als 
*/ess&r der Humaniora an dem dortigen serbischen Gymnasium, mit 
'Aer Stelle auch die des Directors verbunden war. Nachdem Jedoch 

Ofner Statt ha Itereirath de?i protestantischen Director nicht recht 
^« machte, legte SCHAFARlK: im Jahre rSsj die Dif<ectorsstelle nieder, 
^elt jedoch seine Professur bis zum Jahre iSjj, ivo er ihr freitvillig 
^^gie, um in Frag ganz seinen s luv Ischen Forschungen und Studien 
^H ZU können. Im Jahre iSjj wurde SCHAFARIK. zum provisorischen 
"isor im belletristischen und gemischten Fache ernannt; von iSjS bis 
•» redigirte er die cechische Zeitschrift des vaterländischen Museums 
* Böhmen ; seit /S^r war Schafarik an der k, k, Universitäts-Biblio' 



* Wurzbach, «Bingr. Lexikon»» Bd. 28, S. 53 E 



thck in Prag angestellt und trat im Jahre icuo tu\ Bibliothekar fjui ro;i 
Gehalte in den Ruhestand. Sein Tod erfolgte am sb. Juni /Söi, Schaf Ah 
war auf dem Gebiete der sla7vischen Linguistik, LUejatur, Archäolog 
Ethnographie und Geschichte i'tberaus thätig^ Seine wic/itigsten IVerk 
sind: *^ Geschichte der slawischen Sprache und Literatur nach allA 
Mundarten*, (Ofen, iSzb.) ^k Slavische Alterthümeri^, historischer TheA 
(Fragt iSjj), in böhmischer Sprache erschienen; wurde van Mosjf 
V. AehreXFELD und Wl TTKE ins Deutsche (Leipzig, 184s, ^ Bän 
iihersetzt. Diese Uebersetzung wurde auch in dem t^or liegenden Werk 
citirt. Sehr werthvoll sind die Arbeiten SCHAFARlK's über die altbohmi* 
sehe Grammatik^ über das alte Schriftthum der Südslaven u. a. Ä'ack 
seinem Tode erschien aus seinem Nachlasse eine « Geschichte der si/ds/a- 
vischen Literatur r^, herausgegeben von JosEF JlKECEK (Frag, 1S64 und 
iSöj, in drei AbtheilungenJ. Schafarik war unstreitig ein Mann im 
hoher wissenschaftl icher Bedeutung. 

Johann KollAr • wurde zu AIosshcz im Turoczer Com i täte vfui 
Protestantischeft Eltern geboren. Sein Vater war viele Jahre Richter, 
dann Gemeinde* Notar, KollAr absolvirte in Kremnitz und Neusohl dit 
Gymnasial' Studien und zu Pressburg den theologischen Curs. Dami 
ging er an die Universität Jena, wo er anderthalb Jahre verweilte und 
kehrte, nachdem er noch eine Reise durch Deutschland gemacht hdiit^ 
im Jahre rSig nach Ungarn zurück* Hier wählte ihn die slavisch-äntt- 
sehe Kirchen gemeinde zu Pest zu ihrem Caßlan, bald zum Prediger, 
Als später zwischen Deutschen und Slaven Streitigkeiten ausbraclien, 
legte KoLLAR sein Amt freiwillig nieder. Die Slaven Hessen ihn jed*ick 
nicht ziehen und so blieb er und erkämpfte schliesslich für seine Con- 
nationalen die Selbständigkeil der Pfarrei und die gleichen Anrechk 
auf A^irche, Pfarre und Schule. KollAr blieb bis zum Jahre /S^g in 
seinem Amte, Im März 184^ berief ihn die österreichische Regierung 
als Vertrauensmann nach IVien^ wo er^ zum Professar der slavischen 
Archäologie ernannt, im Jahre /^j- f^^'^ ^4- Jänner starb. Von seinen 
zahlreichen Schriften seien nur die epochemachenden erwähnt. Hierher 
zählen var Allem seine Gedichte, deren erste Auflage im Jahre iBn 
erschien; die zweite und die folgenden drei Auf lagen führen den Titel 
*Släzoy dcera^t d, i. ^die Tochter des Ruhmes* (sie erschienen in Ofen 
1834, /Sj2 und rS4s). Diese Gedichte bezeichnen eine neue Periode in der 
cec ho- s lavischen Literatur, Seine Schrift ♦< Ueber die literarische Wechsel- 
seitigkeit zwischen den verschiedenen Stämmen und Mundarten der sia^ , 
vischen Nation^^ aus dem S lavischen ins Deutsche übertragen und ivr-j 
mehrt vom Uerf asser (Pest, iSjy; s. verbesserte Auflage, Leipzig, 1844/ 
erregte grosses Aufsehen, Die fanslavistische Tendenz tritt darin unviT^ 
hüllt zu Tage, 

In cnnfessioneller Beziehung gehören die Slovaken grösstentheils 
der katholischen Kirche, zum geringeren Theile der protestantische 
Kirche A. B- an. Einige reformirte slovakische Gemeinden trifft man 
Barser und Neitraer Coraitate. Woher Sasinek die Behauptung gfl 
nommen hat, dass ein Zehntel der Slovaken katholisch, ein ZehaU 
evangelisch und ein Zehntel jüdisch sei, ist mir nicht bekannt; ebens 
wenig ist mir bewusst, wohin alsdann die übrigen sieben Zehnthei^ 
der Slovaken gehören. ^^ 



* WUKZBACH, «Biogr. Lexikon», Bd. 12, S, 325 ff. 



/^ 



305 



Riien. 



Auch Poitn fanden in den Comi taten am FiLsse des Karpaten- 
ebirges eine neue Heimat, insbesondert; in der Zips und in Saros, 
Is die Gegen refonnation begann. Gleichwie in den oberungarisehen 
>tädten, namentlich in Zeben, Bartfeld, Eperies, Alt-Lublau, Pudlein 
s. \v. an die Stelle der protestantischen Deutschen katholische Polen 
"kamen ; ebenso wurden von glauben sei Tri gen Grundherren auch in die 
Dörfer gerne katholische polnische Bauern aufgenommen. 544 Heute 
unterscheidet dir Statistik den katholischen Polen nicht mehr vom ka- 
tholischen Slovaken, wenigstens that dies weder Fknves noch die 
Volkszählung vom Jahre 1851. Bei den slavischen Volksstämmen macht 
die confessionelle Zugehörigkeit überhaupt einen weit grösseren Unter- 
schied aus, als die sprachliche Eigenthümlichkeit. Der katholische Pole 
lind Slovak fühlen sich einander weit näher stehend als z. B. der katho- 
lische und der protestantische Slovak* 

C. Die Ruihenen. 

Aus dem Grunde der confessionellen A^erschiedenheit treten die 
Ruthcnai unter den nord im garischen Slaven auch deutlicher hen'or als 
die Polen. Nach der Volkszählung vom Jahre 1851 betrug die Anzahl 
der Ruthenen oder Russioen (Klcin-Russen) 422.713 Seelen, und zwar 
in der Zips 20.770, in Säros 42.798, in ZempHn 71.S19, in Ung 50.976, 
in Bereg und Ugocsa 94.999, in Maraiaros 97,378, in Szatmär 13.020, 
in Szabolcs 5430, in Abauj und Torna 13.000, in Borsod 9800 Seelen: 
kleinere ruthenische Sprachinseln sind auch sonst im Lande zerstreut. 545 
Carl Keleti setzt die Zahl der Ruthenen in Ungiirn, wie wir oben 
S. 271 gesehen haben, auf 469.420 Seelen. 

Diese Ruthenen sind eines Stammes mit den Ruthenen in Ga- 
lizien und Klein-Russland, von wo sie auch nach Ungarn gekommen 
sind. Die Magyaren nennen sie «oroszoki», d. i, Russen, die Türken 
4urusz»; in den ungarischen Chroniken und in dem Latein der unga- 
rischen Gesetze erscheinen sie als «Riitheni», « gens Ruthenoruni ». Es 
erhebt sich die Frage : Wann erscheinen die Ruthenen zuerst in Un- 
garn ? Waren dieselben hier schon vor der Ankunft der Magyaren, 
sind sie mit diesen oder nach ihnen hierher eingewandert ? 

Vor der Niederlassung der Mag}^ren gab es in Ungarn kein 
«russisches» Volk; denn dieser Name «Russ» (Ruots), konnte erst 
Tiach dem Jahre 864 unter den Slaven aufkommen, da Rurik und seine 
Gefährten diese w Russen» (Ruots) waren. Aber auch mit dem Magyaren- 
iuhrer Almos konnten die Ruthenen nicht hierhrr eingewandert sein ; 

Hunfalv^y, Eihnogr. 20 



3o6 



denn die Magyaren zogen im Jahre 885 bei Kiew vorbei, also zu einer« 
Zeit, da der russische Name die übrigen besonderen Benennungen der 
Slaven noch nicht verdecken konnte ; unterschied doch Constantinu: 
Porphyrogenitus noch um das Jahr 950 deutlich die I^usstn von dei 
Slaven, Wenn die Ruthenen wirklich mit Almos nach Ungarn gekom«' 
men wären, 540 dann würden sie auch noch die skandinavische (germa- 
nische) Sprache behalten haben. Die Rothenen konnten also nur ab 
« Russen », d. i. als russische Slaven vmt Zeit der ungarischen Könige 
hierher gezogen sein» und zwar zu einer Zeit, als die Könige von Un- 
garn mit den nissischen Fürsten in Beziehungen traten und der Name 
der Ruihenen bereits alle russischen Slaven bezeichnete. Noch mus$ 
bemerkt werden, dass zur Zeit des Anonymus die Ruthenen am Fusse 
der Karpaten noch nicht compact wohnen, sondern an verschiedenea 
Orten zerstreut (per di versa loca, vgl. die Note 546), Das bezeugen 
auch die Ortsnamen mit dem Bestimmungsworte <(orosz» (= russisch 
oder ruthenisch), z. B. in Siebenbürgen: « Als6-, Felsö-Orosz-Falu»» 
• Orosz-Mezö» (in Inner-Szolnok), t Also-Oroszi » (in Torda), « Orosz- 
fäja» (in Kolos), « Orosz-Jelecs » (in Hunyad), « Orosz-hegy » (im Stuhle 
ydvarhely) n. s. w. Bei den siebenbürgischen Sachsen bezeicliw 
« Reuss » den « Russen » oder « Ruthenen », darnach findet man : * Reuss 
Dorf», i Reuss-Dörfel », 1 Reussmarkt» (magyarisch Szerdabely) u* s,% 
In Ungarn gibt es «Oroszvär» (= Russenburg im Wieselburger 
mitate), «Nagy-* und *Kis-Oroszii (in Neograd), « Nemes-Oroszi • (il 
Bars), «Orosz» (im Pester und Stuhlweissenburger Comitate) u, a. 
Sowohl der Anommus als auch Simonis de Kha übertragen das ethno* 
graphische Bild ihrer Tage auf die Zeit der magyarischen Einwanderungi 
ein Verfahren, dem wir bei den Chronisten des Mittelalters sehr häufijj 
begegnen. 

Entlang der Karpaten, wo wir heute die Ruthenen antreffe 
waren im 12. Jahrhundert noch sehr wenige besiedelte Orte; die Üj 
künden envähnen hier nur der Wälder, der Wälder der heiligen Könii 
und der königlichen Jagdplätze (loca venationis nostrae). Andrea* \\ 
leistet im Jahre 1232 <( im Bereger Walde» (in silva [Bereg) den Eid-j 
schwur, das Land reformiren zu wollen; die Wächter dieses WaW 
wenden sich mit einem Gesuch nach Grosswardein zum Gottesürth* 
mit dem glühenden Eisen, Diese Wächter haben natürlich auch ein< 
Gespan oder Grafen. S4? In dem Gebiete von der TAtra bis ans Eöd< 
der Marmaros, in einer Waldgegend von 30 Meilen Länge, wohnN 
zerstreut Hundeführer (caniferi), wie die Zipser t Beschnuken » (5ieh( 
Anm. 518), dann Falkner und andere beim Jagdgesdiäfte betheiligt 
Dienstleute, Die Zipser, Säroser und Munkacser Burg, femer die Vi 
Kirälyhäza (= Königsschloss) im Ugocsaer und die Burg Huszt ii 



1^^ 



307 

armaroser Comitate waren die grenzvertheid igen den Brennpunkte. Um 
iese Burgen sammelte sich die Bevölkerung dieser Gegend. 

Unter der Regierung des Königs Ludwig I. kam im Jahre 1340 
der lithauische Fürst Theodor Koriatovics mit seinen Ruthenen von 
Novo-Gorodek nach Ungarn und nachdem er im Jahre 1360 Besitzer 
on Munkdcs geworden, gründete er für ruthenische Mönche ein Klo- 
ster zum h. Nicolaus. H^ Aus diesem Kloster wurden die MunkÄcser 
Bischöfe ernannti deren erster nach, Pray, aus dem Jahre 149 1 
bekannt ist, 549 ^ Diese Bischöfe bekannten sich zum griechischen Ritus 
und gehörten bis zum Jahre 1640 der nichtunirten Kirche an j im letzt- 
genannten Jahre wurde das Munkäcser Bisthum unirt und dem Graner 
Erzbisthum unterstellt, dem esi bis heute untergeordnet ist. 6 

Bei Munkäcs entstand auch die ^Kra/na^^ d. i» ein aus zehn 
Dörfern bestehender District im Bereger Comitat, dessen Bewohner das 
^lunkdcser Schloss im Noth falle zu vertheidigen verpflichtet waren, 
wofür sie einige Privilegien genossen. Die Ruthenen oder Russen führ- 
ten aber grösstentheils noch im 16. Jahrhundert ein Nomadenleben, 
betrieben also Viehzucht und entbehrten fester Wohnsitze, wie das 
auch durch die Anordnungen der G.-A. 3 : 1567 § 9, 4 1 1563 und 
12 : 1567 bewiesen wird, wodurch die ruthenisch^n und walachischen 
Hirten, welche nicht in festen Häusern, sondern in Zelten und Hütten 
wohnen» aber zahlreiches Vieh besitzen^ zur Erlegung der halben Steuer 
verpflichtet w^erden. Das Unger Comitat erhebt noch im Jahre 1729 
die Klage, dass das umherschweifende nithenische Volk sich so schwer 
an feste Wohnsitze gewöhne, 55^> Man kann annehmen, dass die mei- 
sten ruthenischen Dörfer erst vor 150 — 200 Jahren entstanden sind. 5st 
Sobald jedoch die Ruthenen den Ackerbau ergreifen, nahmen sie auch 
in der Zips, in Säros, Ugocsa und Miirmaros die Plätze der Deutschen 
ein, wozu allerdings auch die Religions wirren das Ihrige beitrugen» 
Nachdem viele (deutsche) Protestanten zum Verlassen ihres Glaubens 
gezwungen wurden, wendeten sie sich lieber der griechischen als der 
römisch-katholischen Kirche zu^ weil sie in ersterer das Abendmahl 
in beiden Gestalten empfangen konnten- Mit der Confession nahmen 
sie aber allmälig auch die Sprache ihrer neuen ruthenischen Glaubens- 
genossen an und so wurden Deutsche zu Ruthenen. In der Zips und 
in Saros war nahezu ein Drittel jenes Territoriums, das heute die Ru- 
thenen einnehmen, vordem im Besitze der Deutschen. In Plavnicza 
und Berzevicza sprach man noch im vorigen Jahrhunderte deutsch. 552 
Anderwärts, namentlich in Szabolcs, Szatmdr und in den Hajduken- 
Städten, wurden die Ruthenen zu Magyaren und diese baten schon 
wiederholt, dass man den Gottesdienst bei ihnen in magyarischer 
Sprache halten, ja dass man deshalb ftir sie ein magyarisches Bisthum 

20* 



3o8 

errichten möge.sss In confessioneller Hinsicht bekennen sich alle, 
oder doch der überwiegendste Theil der Ruthenen zur griechisch-ka- 
tholischen Kirche, in welcher bekanntlich die Messe in der Volks- 
sprache gelesen wird; es wäre also möglich, dass neben der rumäni- 
schen, ruthenischen und serbischen auch die magyarische Sprache als 
Kirchensprache dienen könnte. — .Die griechisch-katholischen Ruthenen 
gehören in kirchlicher Beziehung zwei Bisthümern an : dem Munkäcser, 
das seit lange her besteht, und dem Eperieser, welches erst im Jahre 
1816 errichtet wurde. Vordem erstreckte sich das Munkäcser. Bisthum 
über 13 Comitate. Im letztgenannten Jahre wurde das Gebiet des 
Eperieser Bisthums davon ausgeschieden und zugleich ein anderer Theil 
mit dem Grosswardeiner griechisch-katholischen Bisthum vereinigt. Das 
Munkäcser Bisthum hatte im Jahre 1840 399, das Eperieser 142 Pfarr- 
gemeinden. Beide Diöcesen sind in kirchlicher Beziehung der Graner 
Erzdiöcese unterworfen. 5S4 

§ 62. 

Von jenseits des Nordabhanges der Karpaten zogen um das Jahr 
634 — 636 die Croaten und wSerben in die Länder jenseits der Save 
(siehe oben S. 92 und 99); die Croaten nahmen die Küstenländer an 
der Adria in Besitz, die Serben Hessen sich östlich von ihnen an den 
Flüssen Drina, Bosna und Werbas nieder, so dass der Timok die Grenze 
bildet zwischen ihnen und den später nach Mösien eingewanderten 
Bulgaren. Als die Magyaren sich in ihrem neuen Vaterlande ansiedel- 
ten, wohnten die Croaten ausser in den adriatischen Küstengegenden 
noch in dem Landstriche zwischen Drau und Save ; die Serben sassen 
jenseits der Save im heutigen Bosnien und Serbien ; die Macht der 

Bulgaren reichte aber bis Belgrad, das damals eine bulgarische Stadt war. 

*» 

D. Die Bulgaren, 

Die Geschichte der Serben und Bulgaren stand in vielfacher 
Wechselbeziehung zur Geschichte Ungarns, was schon durch die Titel 
der ungarischen Könige aus dem Geschlechte der Arpäden bewiesen 
-wird. Allein in einer Ethnographie von Ungarn, welche die jetzigen 
Bewohner des Landes in Betracht zieht, körinen jene früheren histori- 
schen Verhältnisse nicht weiter berücksichtigt werden. 

6 Von jenen alten Bulgaren, deren wir oben (S. 84, 89, 91 und 
a. o.) gedacht haben, findet sich in Ungarn schon lange keine Spur 
mehr vor. Nichtsdestoweniger leben auch heute in Ungarn, und zwar 
im Banate, Bulgaren, welche aber erst nach der Türkenvertreibung aus 



309 



xiem Bulgarien jenseits der Donau hierher eingewandert sind. Im Jahre 
17z 3 Hessen sich drei bulgarische Familien in Vinga (Temeser Comi- 
,ät) nieder; diesen folgten im Jahre 1739 zahlreiche katholische Bul- 
g"aren. Der damalige Bischof von Csanad, Siaftisziovics^ selber ein 
Bulg^are, berief dieselben aus der «kleinen Walachei* und es kamen 
etwa 300 Familien, von denen 172 Familien mit 2000 Seelen nach 
0-Besseny5 (Alt-Bessenova im Toron taler Com i täte) und die übrigen 
nach Vinga angesiedelt wurden. Vinga erhielt im Jahre 17+0 die Rechte 
und Freüieiten eines privilegirten Marktfleckens. Eine dritte bulga- 
rische Niederlassung erfolgte im Jahre 1740 in den Orten M6dos, dann 
in ICrassova, Luppäk, Nermeth, Jabalska, Klokodics und Rafnik. Diese 
letzteren Bulgaren (vom Volke « Krassovaner» genannt) bekennen sich 
gleich denen zu Vinga, Bessenyö und Mudos zur römisch-katholischen 
Kirche, wurden aber in rumänischer Umgebung fast gän^tlich romaui- 
sirt. Die Bulgaren zeichnen sich körperlich durch ihre Grosse und 
, Stämmigkeit aus, haben zum Theil auch ihre besondere Kleidertracht 
l>ewahrt und sind als ein fleissiger, reinlicher und sittlicher Volksstamm 
vortheilhaft bekannt. 6 Ihre Seelenzahl beträgt ungefähr 12.000; 55s die 
Conscription vom Jahre 1851 zählte deren in Ungarn 22,000, in Sie- 
benbürgen 830. 556 Carl Keleti Hess sie ihrer geringen Anzahl wegen 
^anz unberücksichtigt, 

E, Die Sirben, 

Die Serben nehmen in einer Ethnographie Ungarns eine weit 
hervorragendere Stelle ein als die Bulgaren. Vereinzelte serbische Fa- 
milien hat es in Ungarn wohl zu allen Zeiten gegeben, allein die An- 
zahl des serbischen Volksstammes vermehrte sich erst von jener Zeit 
an bedeutend, als die Türken ihre Angriffe erstlich auf das serbische 
Reich, dann auf Ungarn richteten. Insbesondere nach der unglück- 
lichen Schlacht auf dem Amselfelde (1389) flüchteten viele serbische 
XJnterthanen nach Ungarn ; schon in den hussiti sehen Kriegen (1420 — 
1421) werden unter den Truppen des Königs Sigismund «Serbier und 
Kascier» genannt. 557 

6Die ersie serbische Colonie finden wir unter demselben Könige auf 
der Insel Csepel bei Ofen, wo den Serben die Ortschaft St. Abraham 
eingeräumt wurde, die in der Erinnerung an das verlassene Kövin 
(Ktibin) den Namen « Kis-Kevi * (« Klein-Kevi »), später « Racz-Kevi » 
(^= « Eaiczisch-Kevi 1) erhielt. Die serbischen Colonisten empfingen 
vom König Sigismund und seinen Nachfolgern verschiedene Freiheits- 
briefe. Darunter ist von besonderem Interesse jene Privilegial-Urkunde 
des Königs Ladislaus V. vom Jahre 1455, worin dieser König den 



310 



Serben zu Keve (Kevi), die aus der Grenzstadt Kövin auü Furcht vo 
den Türken hierher geflohen seien, ihre Freiheiten und Privilegien 
welche sie zu Kövin besessen hatten, bestätigt, mit dem Beifügen, tbiJ 
sie nach dem Aufhören der Furcht vor den Türken in ihren frühereii 
Wohnort zurückkehren können. »550 Von Kevi aus verbreiteten sicll 
die Serben nach Tekely, Szt.-Marton, Csepel und auch nach Ofen, 
sie bereits im Jahre 1412 erscheinen. Eine V(5rstadt Ofens hei sst aucls 
heute die *Raiczen-Stadt n und bilden die Serben daselbst jetzt noch 
eine Pfarrgemeinde ss9 

Im Jahre 1427 überliess der Despot von Serbien,- Georg Bran-I 
kovics, die Festung Belgrad und andere feste Platze vertragsmassig denl 
Ungarn und anerkannte die Oberhoheit der ungarischen Könige. DafB^ 
wurden er und seine gesetzlichen Nachkommen von Seite des König 
und der Stände von Ungarn als erbliche Despoten Serbiens bestätig 
und unter die Reichsbarone Ungarns aufgenommen. Für die den Un 
garn überlieferten befestigten Orte (Belgrad, Mach6. Szokol, Semendria,! 
Golubäcs u. a., im Ganzen 17) empfingen Brankovics und seine Erbenj 
in Ungarn eine Anzahl Güter und Schlösser, als Szalankamen, VilägosJ 
Tokaj, Munkdcs, Becse, Kulpin, Gross-Kikinda (damals « Echehida»)J 
Becskerekj Aracs (Araka) u. a. und ein Haus in Ofen (pro dcscensii| 
et hospitio).^^ 

Auf diese Besitzungen des serbischen Despoten, welche gröbsten- j 
theils in Südmigarn lagen, wo die Bevölkerung durch die häufigen j 
Türkenein fälle arg decimirt wurde, siedelten sich zahlreiche SerbeaJ 
an; insbesondere seit mit dem vöUigen Verluste Serbiens an" die Tür- 
ken auch der Despot in Ungarn seinen ständigen Wohnsitz nalim* 
Damals erbauten die serbischen Einwanderer y^^z/i?/«?/ (jetzt: «Bon)s-j 
Jenö») im Arader Comitate, wo sie nach dem Falle von Semendriai 
(1438) Niederlassungen und von König Wladislaw L ein besonderes J 
Privilegium erhielten, söi 

Unter Anführung des Stefan Brankovics, Sohn des Georg Bran- 
kovics, kamen ebenfalls zahlreiche Serben nach Sirmien und in diel 
damaligen Comitate Keve und Horom (jetzt südliche Theile des To- 
rontdler und Temeser Comitats). Diese Zuwanderungen dauerten nun- 
mehr fort. Die ungarischen Könige begünstigten dieselben ; dies geh^ 
daraus hervor, dass den serbischen Ankömmlingen Duldung ihres Kir- 
chenwesens, Befreiung von den königlichen Zöllen und Erlassun^ des 
Kammergewinnes (bei der Geldumwechslung) nebst anderen Rechten 
und Freiheiten gewährt wurden, s^» 

Man schätzte in diesen serbischen Einwanderern insbesondere derc^ 
Wahrhaftigkeit; so bildeten z, B. die sirmischen Serben den Kern tl<^ 



3^1 



beriihinten Heklenschaar des Königs Mathias (Corvinus), der soge- 
nannten « schwarzen Legion ». 563 

Eine bedeutende serbische Einwanderung erfolgte im Jahre 148 1 
unter dem sagenberühmten Helden Paul Kinizsy (den die Serben als 
♦ Knjas Pavel», d. 1. «Fürst Paul», zu den Ihrigen zählen), der in Ge- 
meinschaft mit dem serbischen Despoten Wuk Brankovics (Enkel jenes 
"Georg L Brankovics) einen Streifzug nach dem türkisch gewordenen 
Serbien unternahm und von dort angeblich über 50,000 Serben mit 
iierüber gebracht haben soll, die theils in Sinnien, thells im Banate 
angesiedelt wurden, 5^4 

Die katholische Geistlichkeit sah diese bedeutende Vermehrung 
4er Serben^ die sämratlich der * schismatischen » griechischen Kirche 
angehörten, nicht gerne. Man bedrängte dieselben durch die Abfor- 
derung des kirchlichen Zehenten, Dieser Absicht traten die Gesetz- 
artikel 3 und 4 des Jahres 1481 entgegen. 

Darin heisst es: <kDie Ratczen (rasciani) und andere Schismatiker 
dieser Art sollen von der Erlegung d-es Zekenien befreit sein; deswegen 
sollen die Vicegespänc weder sie noch die Anderen dazu zwingen. Jene 

Christen, zvelche mit den Schismatiker?! zusammenwohnen, sollen des* 
halb nicht dem kirchliehen Interdict verfallen. Wenn die Christen mit 
den Raiczen Pachtverträge schliessen, so sind sie zur Zeistt^ng des Zehen- 
'^en von dem auf sie entfallenden Theil (des Grundstückes) verpflichtet; 

Y<? Raiczen jedoch sind davon befreit. Von diesem Zehent sollen aber die 
uRa/czen deshalb einige Jahre befreit sein, damit je mehr von ihnen aus 
^m türkischen Reiche hierher flachten mögen. § 

Dieselbe Freiheit von den Zehentabgaben wurde den Serben und 
«arideren Schismatikern» («Rasciani, Rutheni, Walachi et alii Schisma- 
tici in terris Christianorum») unter König Wladislaw IL durch den 
G,-A- 45 : 1495 abermals bestätigt ; denn die katholischen Prälaten 
liatten die Gesetzes Vorschriften vom Jahre 1481 häufig missachtet. Das 
neue Gesetz motivirt die Befreiung vom geistlichen Zehent nicht blos 
damit, dass dieser Zehent nur von den «Gläubigen Christi* und nicht 
von f Schismatikern» eingefordert werden könne; sondern es erklärt 
ausdrücklich, dass diese Befreiuung für die «Schismatiker» auch dann 
Geltung habe, «wenn sie mitten unter den Katholischen wohnen. »s^ 

Trotz dieser wiederholten und deutliche?i Bestimmungen des Ge- 
setzes 'wollte der ungarische Clerus seine A nsprüche nicht aufgeben ; ja 
der Kalocsaer Erzbischof ^ Faul Värday, wusste es dahin zu bringen^ 
dass der schwache König JVladislaw den Grafen von Temes, Josef Som, 
beauftragte, von den Serben in Nieder- Ungarn den geistlichen Zehent 
für den Kalocsaer Erzbischof einzutreiben. Und als deshalb der serbische 
Despot, Johann Bra?fkoi>ics, Beschwerde erhob, antwortete ihm Värday : 
« Du hast Recht ; zvir haben den unserer Kirche gebühre ?i d e fi 
Zehenten sowohl von Dir als auch von Anderen eingefordert und thun 
\dtes auch jetzt. Wir werden, insoweit es in unserer Kraft steht, die 



J13 

Rechte unserer Kirche 7cefler durch Dicht noch durch ^J ndere tu 
ben oder zerreissen IdJtiien, Denn da Gott selbst dieses Meich zu dm 
Christ liehen u nd n ich t zu ein eni « seh is malisch en » gesetzt hat ; 
steht es sicherlich nicht i n Deiner Machte daraus ein ^ Serbiens i 
machen. * 5^9 

Aus diesem Schriftstücke ist ersichtlich, welch grosse Feind schal 
zwischen Katholiken und t Schismatikern * auch in Ungarn herrschte; bat- 
ten doch selbst die Gesetze den Serben und «anderen Schismatikern« dei 
christlichen Namen verweigert und sie den »Christen»» gegenüber- 
gestellt. Die Bekenner der griechischen Kirche blieben überhaupt nun 
dort unbehelligt, wo sie compact wohnten ; dies war insbesondere In 
Sirmien der Fall. Hier finden wir auch den Entwickelungssitz der 
serbischen Hierarchie in Ungarn, welche nicht blos in kirchlicher, son* 
dem auch in nationaler Beziehung von wesentlicher Bedeutung ist. 

Der enk serbische Bischof in Ungarn war Maximus, vordem aiit 
Despot Georg Brankovics geheissen, der im Jahre J499 in den MöndiS' 
stand trat und später von dem Metropoliten aus Sophia zum griechi- 
schen Bischöfe in Sirmien geweiht wurde. Auf der Synode zu Ard.schisdj 
rief man ihn zum Metropoliten der Walachei aus ; weil ihn abf^r der 
walachische Wojwode Mvchna (Michael) miss günstig behandelte, ^og 
er sich nach Sirmien zurück, wo er in dem von ihm und seinen Ver* 
wandten gestifteten Kloster Kruschedol seinen Wohnsitz nahm (1500) 
und hier auch starb (18. Jänner 1526). s^7 

Allein die serbische Hierarchie konnte sich nicht continuirlicb 
entwickeln. Die stets näher und drohender auftretende Türkengefalir 
trieb allerdings die Serben immer noch aus ihrem Vaterlande nach 
Ungarn, wo sie an den Kämpfen gegen den «Erbfeind der Christenheil» 
wesentlichen Antheil nahmen ; auch in der blutigen Schlacht bei Mobitz 
(1526) halten sie an der Seite der Ungarn mitgefochten^^^ und den 
Rückzug des Sultans Suleiman belästigten serbische Streifer unter 
Anrührung des Radovics. 5^9 Doch von einer Consolidirung der ethno- 
graphischen und kirchlichen Zustände des serbischen Volksstamnifi^ 
konnte bei der bald darauf hereingebrochenen völligen Türkeühen"- 
schaft im eigentlichen Ungarn keine Rede sein 

Dagegen treflTen wir bei den Serben in Slavonien interessante 
politische und kirchliche Entwickelungen, denen wir hier schon des^ 
halb einige Aufmerksamkeit widmen müssen, weil die Resultate jener 
Entwickehmgen zum Theil bis heute fortbestehen. 

Das damalige «Slavonien» bezeichnet eigentlich das Gebiet <5ßs 
heutigen «CroatienM. Dieser Landstrich war den Einfällen der Türk^^ 
besonders ausgesetzt. Seit dem Jahre 1+63 kamen die türkische»' 
Schaaren von Bosnien herüber, plünderten, verwüsteten und entvölker- 
ten die Grenzgegenden* 570 Um diese Gemarkungen und das dahinten 



snde Land vor den gefährlichen türkischen Raub- und Brandhorden zu 
srn, wurde als starke Schutzwehr die Institution der * Confinien * f*^ J/iit- 
renzewj errichtet. Indem wir auf die nähere Schilderung der Genesis 
er Instilötion hier verzichten iftüssen, s/^ bemerken wir nur, dass 
sin grosses Verdienst der Habsburger Herrschaft ist, nicht blos die 
leerenden Einfälle der Türken allmälig^ eingeschränkt, sondern 
ide durch die militärische Verfassung auch die in grosser Anzahl 
iber geflüchteten Serben und Croaten in nützlicher Weise verwendet 
, diese in Folge der steten Kämpfe mit den Türken verwilderten 
mme an Zucht und Gesittung gewöhnt zu haben. 

Die Militärgrenz-Bewohner gewannen von den Herrschern eine 
ihe begünstigender Privilegien, welche stets mehr Flüchtlinge aus 
snien» Serbien und Türkisch-Croatien anlockten, wodurch dann die 
rk erschütterte Bevölkerung zwischen der Save und Drau wieder 
träfligt wurde. Ein besonderes Privilegium bestand in der Gestat- 
ig der fremt ReÜgiofisübung ; denn die meisten Serben und Bosnier 
igen der griechisch-orientalischen Kirche an ; nur die Croaten waren 
holisch. 

In Slavonien entfaltete sich dann auch zuerst das griechisch- 
entalische Kirch enthura serbischer Nationalität in dauernder Weise, 
iter Maximilian 11, kamen im Jahre 1572 einige Mönche aus dem 
oster Hermel (auch «Chermlja» oder «Szermil»), am Flusse Zer- 
gna bei Bihäcs gelegen, und erhielten die Edaubniss, in dem ver- 
sten nachmaligen General ate von Warasdin neben dem Gebirge 
linek (Kalnik) ein Kloster zu erbauen, nachdem sie und ihre Volks- 
lossen vorher die Türken und Tartaren aus dieser Gegend, sowie 
jener von Ceniz vertrieben und das •rciiserne Thori» (ein Pass auf 
Strasse von Kreuz nach Warasdin) besetzt hatten. Den ersten An- 
Hern folgten im Jahre 1600 unter den Führern Vukovics und Pias- 
Jcs (auch iBiassionovics») viele Tausende serbischer Familien aus 
nien und Macedonien ; unter ihnen befand sich auch der Metropolit 
>riel mit einer grösseren Anzahl (Csaplovics meint, etwa 70) Mön- 
1. Einige dieser Familien Hessen sich dies- und jenseits des grossen 
rastes, welchen der FIuss Glogonicza bildet, in der Nähe des 
Ster^ Meresa (auch tMarcha»), Andere auf mehreren Herrschaften 
Agramer Bischofs und des Grafen Zrinji nieder, um daselbst die 
fälle der Türken abzuwehren. In den ihnen erth eilten Privilegien 
l ihnen nicht blos das %'on den Türken zurückeroberte Terrain als 
inthümlich geschenkt, sondern ihnen nebst freier Ausübung ihrer 
igion auch für die Erhaltung ihres Bischofs zu Mdrcsa eine jähr- 
e Dotation von 300 fl, angewiesen. 57* In Märcsa bestand bis zu 
le des 17. Jahrhunderts eine fortlaufende Reihe serbischer Bischöfe 



3H 

und war dieses Kloster bis zur grossen Einwanderung' der Serben il 
Jahre 1690 der Mittelpunkt der griechisch-orientalischen Hierarch| 
An Marcsa knüpfen sich aber auch die traurigen Erinnerungen 
Gewaltthätigkeiten, welche im iH, Jahrhundert zu Gunsten der UnifiC 
rung der griechisch-orientalischen mit der katholischen Kirche vo 
geistlicher und weltlicher Seite verübt wurden. ^7o 

Während so in Slavonien und in den daranstossenden Gebiete 
der serbische Volksstamm durch stete Zuwanderungen gekräftij 
wurde, hatte auch in den südlichen Theilen Ungarns die serbisch 
Bevölkerung mächtig zugenommen. Bereits zur Zeit des Throd 
Streites zwischen Ferdinand L nnd Johann Szapolya erhob sicj 
der Parteigänger ■ Czär Jovän », auch der « schwarze Mann ■ 
nannt, der unter seiner Anführung 12,000 Serben befehligte und voJ 
beiden Kronprätendenten gesucht ward, S74 Für den König Johani 
(Szapolya) hielt dann dessen Anverwandter, der Bosnier Peter Pe 
vics, mit starker Hand seine Volks- und Glaubensgenossen in Teraes^ 
und Torontäl im Zaume und beherrschte dadurch zugleich die Rumä- 
nen, welche in kirchlicher Beziehung von den Serben abhängig waren. ^ 
Die Serben vermehrten sich überhaupt in Südtingarn so sehr, dass eiii 
Zeitgenosse aus der Mitte des 16* Jahrhunderts berichtet, die Einwoli*| 
ner der Landschaft Teraesvär seien ausschliesslich * Ratzen »» dm siel 
zum « Khriechischen oder pauliner Glauben» bekennen, und iir Reli^ 
gion fest vnnd steyif observiren vnnd halten, auch jre andacht, betten 
\Tind vasten gar vil vnnd offt. »570 

Diese Serben (und Rumänen) hatten auch ihre Bischöfe, vooj 
denen uns allerdings nur wenig Spuren aufbewahrt sind. Als einflftj 
serbischen Bischofsitz kann man mit Bestimmtheit Jenopolis (JanofioU 
heute Boros-Jenö im Arader Comitate) bezeichnen. Ebenso wissen wirj 
von einem serbischen Bischofsitze :n Temesvär. 

Jiyn dem Bischöfe in Jenopoüs wird uns Kunde aus dem Jal^X 
^594t '^ welchem Jahre die lemeser Serbeti (und Mumänen) mit «A^l 
sieben bür fischen Fiirsten Sigmund Bäthory in Beziehnngen irahn um\ 
sich in einem blutigen Auf stände gegen die Ti'trkenlierrschaft erhok%*\ 
An der Spitze der Äufstilndischen stand der Vladika (Bischof) Todofi 
( Theodor Jf wahrscheinlich Bischof von Jeno, der nach dem AlissUn^X 
des serbisch-rumanisch€7i Aufstandes zu Bäthory nach Siebenbürgen p^\ 
und von diesem freundlich aufgenommen wurde, Bäthory wies den Flui^^' 1 
lingen Sitze in Carlsburg und Tövis an. 577 1 

Von dem Temesvärer serbischen Episcopate erhalten wir NachTW^% 
bei Gelege?iheit der Wiedereroberung dieses Platzes durch die kah(r^^^\ 
österreichischen Truppen unter Führung des Prinzen Eugen van Säwyf^: \ 
Es waren nämlich während der Belagerung der raiczische Bischof Jänt;' 
eins IVladislawljevics und der damalige Raiczen- Richter Kicola Äfifftcst^ 
aus der belagerten Festung in das Lager des Prinzen geschlichen ttft^ 
hatten ihm Kundschaft über den Zustand l'emerMrs gebracht, 578 Diescff^ 
Anschlüsse an die kaiserliche Sache war es wohl zuzt^sch reiben^ däS\ 



315 

Er miT die Belagerung^ v&n Temesvdr erfolgreicheren Fortga?ig hatte, 

uide^'H in der Uebergahs- Urkunde der Festung auch für die Sc r den 

Vund J^umänen freier A bzug mit aller Habe oder aber Vef^weiien in der 

Parser lieh gewordenen Stadt stipiiiirt wurde* 579 Das Bisthum von yeno- 

ijpol/s wurde sßäter nach Ar ad verlegt ; das serbische Bisthum von TemeS' 

\ "vdf^ blieb daselbst bis auf den heutige^i Tag, 

Alle die bisherigen Ein- und Zuwanderungen des serbischen 
Volkes wurden aber an Zahl und Bedeutung durch jene Einwanderung 
übertroflen^ welche unter ganz ungewöhnlichen Umstanden und mit weit- 
tragenden Folgen im Jahre 1690 vor sich ging. Es ist nothw^endig, dass 
wir die vor- und nebenläufigen Ereignisse dieser Einwanderung etwas 
atasführl icher mittheilen, 

Im Herbste des Jahres 1689 w^urden durch die siegreichen kai- 
serlich österreichischen Waffen Serbien, Bosnien, Rumelien und die 
Herzegowina bis an das Balkangebirge in Besitz genommen und ein 
Theil der kaiserlichen Truppen unter General Piccolomini überwinterte 
Albanien und Macedonien. Die Türkei schien verloren, um so mehr, 
ihre christlichen Unterthanen die vordringenden kaiserlich öster- 
eichischen Heere nicht blos mit Leben snnitteln versahen, sondern 
luch einen allgemeinen Aufstand und Anschluss an die kaiserlichen 
Truppen anboten. An der Spitze dieser Christen stand der serbische 
Encbischor Arsen ins Csenioidcs (auch « Csernovich »), Patriarch von Ipek, 
Flusse Bistricza, zwischen Skodra und Antivari gelegen. 
Schon der Vorgänger des Arsen Csernovics, der Patriarch Maxim, 
fiatte sich den österreichischen Interessen geneigt erwiesen; er hatte 
[an der Spitze des serbischen Volkes im Jahre 1663 in der Kirche zu Adria- 
nopel den Bruder des rumänischen Bischofs inSiebenbiirgen Georg Bran^ 
koina, zum Despoten erklärt i der sodann die Serben gegen die Türken 
befehligte und auch von Seite der österreichischen Regierung unter- 
stützt und begünstigt wTarde. ^s^ Patriarch Arsen Csernovics verfolgte 
^ie Pohtik seines Vorgängers in noch entschiedenerer Weise. Ins- 
i_besondere schaarten seine Stammesgenossen sich um Georg Bran- 
des, der sich den Titel eines h erblichen Despoten von Serbien, 
Bosnien, Mösien, Thracien, Bulgarien tsnd Sirmien» beilegte nnd auf 
*ie Serben einen so grossen Einfluss ausübte, dass er den Verdacht 
Jes damaligen kaiserlichen Obercommandanten, des Markgrafen Ludwig 
^Ä Bodt'u^ erregte. Dieser lockte ihn denn auch über Auftrag des 
Kaisers durch gute Worte zu sich und nahm ihn alsdann gefangen. 
Iß dem bezüglichen Berichte klagt der Markgraf den Despoten an, 
^ass er des Kaisers Diplom missbraucht und unter dem Deckmantel 
**^sselben sich als Erbherr mit Gewalt in den Besitz der obgenannten 
"^nder setzen wollte. Das Heer des Despoten bestand aus einigen 



3i6 



Tausend Kriegern, 5^« die nunmehr hauptsächlich clem Befehle ilei 
Patriarchen gehorchten. 

Der Markgraf Ludwig von Baden war allerdings durch den 
schluss ungeregelter Volksmassen nicht besonders erfreut ; er §ch1n? 
überhaupt noch im Anfange des Jahres 1690 die Zurückziehung,^ ir 
kaiserlichen Truppen aus jenen, fernliegenden Gebieten hinter die D r 
und Save vor und meinte, man solle vor jenen abenteuerlichen En '• 
rungen weit eher die Rückeroberung von Temesvär und Grosswardtici 
versuchen. Allein seine Rathschläge fanden kein Gehör, um so weni- 
ger, als nicht blos der Nachfolger Piccolomini's, der Österreich] sdic 
General Vä€ram\ sich für die FortseUung der Kriegsfabrten auf lürli* 
schem Gebiete aussprach, sondern namentlich auch die damals tnaa-j 
gebenden österreichischen Staatsmänner Graf Clnch Ktmky, kö 
böhmischer oberster Kanzler, und Graf Siradimann^ Hof* und österrel-j 
chischer Kanzler, den Gedanken verfolgten, die • besonders in den ai 
Ungarn angrenzenden und diesem Königreiche vormals einverleiblöl 
Provinzen, sodann aber auch andere, unter türkischer Botmässi|k( 
befindliche christliche Einwohner durch bewegliche, wohlverfasistCi 
6. April 1690 erlassene und durch öiTentlichen Druck verkündete Eil 
ladungsschreiben zu ermahnen, dass sie die Waffen gegen den Erbfeißi 
christlichen Namens ergreifen und solchergestalt von dessen Botmüsail 
keit sich befreien, herübertreten und mit den kaiserlichen Truppcffl 
sich vereinigen möchten, n 58= 

In diesem Aufrufe an i» sämmtliche Völker von ganz AlLanicn, 
Serbien, Mysieii, Bulgarien, Silistrien, lllyrien, Macedonien und Rj 
cien w verspricht Leopold I. denselben, wenn sie seinem Rufe 
%i^ny vor Allem Religionsfreiheit und freie Wahl ihrer Wojwadeu» 
Aufrechthal tung der Privilegien und Rechte und Befreiung voa all« 
öffentlichen Lasten und Steuern (mit Ausnahme dessen, was äe 
Königen und Herren vor der türkischen Invasion zu leisten gewol 
waren) ; nur in Kriegszeiten sollten sie zu ihrem eigenen Wohle un* 
Schutze nach Massgabe ihrer Kräfte zur Unterhaltung der Kriegshe^ 
beitragen. Nach Vertreibung der Türken aber soll Alles nach di 
Wunsche und zur Zufriedenheit der Völker in die gehörige Ordni 
gebracht werden. Dabei verspricht der Kaiser abermals die Freih' 
der Religion, der Wojwodenwahl nnd den Schutz der Privilegien 
ferner soll Jedermann sein Recht werden und jedweder als sein frti^ 
Eigenthum besitzen, was er an beweglichen und unbeweglichen Gül 
in den Grenzgebieten von A^ti Türken erworben habe. ^^^ 

Ein besonderes kaiserliches Schreiben erging unter demseib« 
Datum (6. April 1690) an den serbischen Patriarchen Arsenius Cst 
rics, dem der Kaiser vorerst seine Zufriedenheit darüber aussprach, d: 



3^7 

dem General Piccolomini an die Hand gegangen sei. Gleiches 
rwarte der Kaiser auch in Zukunft von der Treue und dem Eifer des 
Patriarchen, wobei der Monareh noch insbesondere die Hoffnung aus- 
bricht, dass der Erzbischof mit seinem Ansehen, welches er bei jenen 
'ölkem, namentlich bei «Albaniern und J?aiczen » besitzt, kräftig dahin 
irken werde, damit das Türkenjoch, unter welchem die Christen bis 
rtzt elendiglich geschmachtet, abgeschüttelt werde. Die Volker mögen 
ich mit den kaiserlichen Waffen vereinigen und so die türkische 
yrannei überall vertreiben und ausrotten. Leopold I. versichert den 
'atriarchen dabei seiner kaiserlichen und königlichen Gnade, die er 
m vorkommender Gelegenheit auch durch Thaten beweisen werde. 5^4 

Diese Gelegenheit fand sich früher, als der Monarch und seine 
tälhe erwartet hatten. Der Feldzug des Jahres 1690 nahm ein schmäh- 
iChes Ende: es wurden von Seite der kaiserlichen Truppen nicht nur 
&ine weiteren Eroberungen in der Türkei gemacht, sondern es ging 
ach das bisher Eroberte, ja selbst die Festungen Scmendria und 
lelgrad wieder verloren. Unter solchen Umständen waren die obigen 
aiserlichen Aufrufe und Schreiben von keinem nennenswerthen Er- 
bige begleitet. 

Von den griechisch-orientalischen Christen in der Türkei schlos- 
!n sich insbesondere nur die Strien mit ihrem Patriarchen Csemovics 
tem kaiserlichen Heere an ; allein dieser Anschluss konnte dem Sieges- 
ufe des thatkräftigen und Staatsmann ischen Grosswesirs und türkischen 
Oberbefehlshabers Koprili Mmtapha keinen Einhalt thun. Für die den 
taiserlichen folgenden Serben hatte dieser unglückliche Feldzug noch 
ie weitere Folge, dass diese Christen ihre Heimat verloren. Auf welche 
V^eise die Türken jene ihrer christlichen Unterthanen^ die sich den 
aiserlichen Truppen angeschlossen, behandelten, das konnten die 
erben aus dem Schicksale ersehen, welches im Jahre 16S9 den gefan- 
enen Albanesen zu Theil ward. Den mitgefangenen Deutschen und 
Jngarn gestatteten die Türken freien Abzug, die Albanesen wurden 
.Is treulose Unterthanen niedergemetzelt, 583 

Aus diesem Grunde hatten die Serben ihre Weiber und Kinder 
»lit aller beweglichen Habe schon friiher unter Anführung des Patriar- 
chen Csemovics an die Grenze Ungarns geschickt. Bereits einen Monat 
'W\\ dem Auszuge des Grosswesirs aus Constantinopel (r8. Mai 1690) 
treffen wir die serbischen Flüchtlinge in Belgrad, wo sie am 18. Juni 
fitie Versammlung abhielten und den Bischof von Jenopolis, Isaias 
^iokovich, mit einem Gesuch der » Common i tat der griechisclicn Raiczen « 
den Kaiser Leopold L nach, Wien absendeten. In diesem Gesuche 
'aten die Serben bei ihrem Uebertreten auf kaiserliches Gebiet um 
^rtit Rfligionsübung, um den Gebrauch des alten (julianischen) Kaien- 



3i8 



ders, um die fortgesetzte freie Wahl des Erzbischofs durch die gd 
liehen und weltlichen Stände, um das freie Verfügungsrecht des 
bischofs mit allen Kirchen des griechischen Ritus und um and 
kirchliche Rechte und Freiheiten, s«^ 

Leopold L, der die Anhänglichkeit der Serben an die kaisd 
liehe Sache belohnen und sein gegebenes Schutz versprechen einlÖSj 
wollte, ertheilte denselben unter dem 21. August 1690 ein feierlicli 
Privilegium, worin er ihnen die erbetenen Gesuchspunkte vom 18. Ja 
gewährte und diese Gewährungen zwei Tage später in einem Gnadei 
briefe an die serbischen Notabein, Paul^ Änion und /akoh Bnjnkork 
nachdrücklich wiederholte, wobei insbesondere die unbeschränkten geisl 
liehen Befugnisse des Erzbischofs hervorgehoben wurden, s^j 

Diese kaiserlichen Schreiben trafen die Serben jedoch nicht mel 
jenseits der Donau und Save ; denn Schlag auf Schlag folgten 
Niederlagen der kaiserlichen Truppen ; am 8. September fiel Nisl 
(Nisch), dann Semendria und am 27. September langten die türkische 
Belagerungstruppen vor Belgrad an. Die serbischen Flüchtlinge salid 
sich in Folge dessen genöthigt, die ungarische Grenze zu übö 
schreiten* 

Es war das li/t ganzes Voik, welches nunmehr den Boden Üng 
betrat j 36,000, nach Anderen 57,000—40,000 Familien stark kamo 
diese Serben 5B8 unter der Führung des Patriarchen und mit altd 
ihren einheimischen Wojwoden und Knesen hierher und wurdd 
theils in der Militärgrenze^ theils im Innern des Landes, namentlici 
in den Festungen und Städten untergebracht. So gelangten AbthttluJJ^ 
gen dieser serbischen Flüchtlinge nach Arad, Szegedin, FünfkirchcnJ 
Mohdcs, Stuhl weissen bürg, Ofen, Sanct-Andr^, Erlau, GrosswardeiSj 
Gran, Komorn^ Raab und nach anderen Orten. 589 

Die Flüchtlinge lagerten zum Theil unter Zellen ausserhalb ^^ 
genannten Städte. 

Schon dieser Umstand weist darauf hin, dass diese Ansiedt^l""^' 
der serbischen Emigranten nur eine vt^rübergehende sein sollte. In ^li 
selben Sinne hiess es auch in dem kaiserlichen SchutzbrieA' 
21. August 1690, dass ausser dem Kaiser nur allein dem Erzbis«.'! 
die oberste Leitung des serbischen Volkes gebühre ; denn man betfa^"" 
tete <Iie Flüchtlinge nur als zeitweilige Gäs/e^ bei denen die inn<*f* 
Ordnung nach ihren einheimischen Gesetzen und Gewohnheiten duft^'^ 
ihr geistliches Oberhaupt aufrecht erhalten werden sollte. Desgleichö»! 
wird das Provisorische dieses Aufenthaltes der Serben in Ungarn "^ 
stätigt durch den Erlass der ungarischen Hofkanzlei vom 11. Dect^ni- 
her 1690, worin den Ständen, Städten, Gemeinden und EinZL*lnß'* 
aufgeboten wird^ die an verschiedenen Orten des Landes «sieb aui* 



3^9 

jtenden » Serben des griechischen Ritos in ihren ihnen ertheilten 
jchten und Privilegien zu belassen und zu beschützen. Weil aber die 
pitiicipien und Gemeinden des Landes wegen der Exemtionen, deren 
th die * Gäste » zu erfreuen hatten, 590 vielfach unwillig wurden; so 
aeuerte der Kaiser über Ansuchen des serbischen Patriarchen unter 

rii. April lögi die den Serben eitheilten Privilegien, wobei er 
die besondere Bitte des Erzbischofs den wichtigen Passus hinzu» 
jte ; tWir werden auch nach Möglichkeit bestrebt sein, dass wir 
trch unsere siegreichen Waffen das mehrenvähnie raiczische Volk in seine 
ff her besessenen Gebiete oder Wohttorte Je eher wieder zurückführen, » Ans- 
rdem genehmigte der Kaiser in demselben Decrete, dass die Serben 
|ter ihrem *( eigenen Magistrate » verbleiben ; ferner, dass die Hinter* 
Bsen Schaft eines ohne Erben verstorbenen Serben dem Erzbischof 
^d der Kirche zufalle ; dass das Erabisthum der Erbe des Erzbischofs 
id der übrigen Bischöfe sein und endlich, dass sämmtliche Serben 
m. ihrem Erzbischofe als ihrem geistlichen Oberhaupte in ^.kirchlichen 
\d weUlichm Dingen» abhängig sein sollen. (Im Wortlaute: «Denique, 
it omnes ab Archi-Episcopo, tanquam capite suo Ecclesiastico, tarn in 
"^irituüiihis quam Saecuian'bus dependeant, clenientissime volumus et 
ibemus, »)59^ 

Diese letzte Erklärung des Decretes vom 11. December 1691 
ibt uns zugleich den Beleg dafdr^ dass die österreichische Regierung 
ie mit dem Erzbischofe Csernovics herübergekommenen Serben als 
pn besonderes « staatliches » Volk betrachtete, wie denn auch ein spä- 
trer österreichischer Staatsmann, Freiherr von Bar/ens/ein^ in seiner 
br den Unterricht des nachmaligen Kaisers Josef IL bestimmten 
tenkschrift 59' von diesen Serben erklärt: «Es war nicht darum zu 
lun, vertriebene Flüchtlinge auf- und anzunehmen oder ihnen einige 
p& Gründe einzuräumen, sondern ansässige und vermögliche Leute, 
te in ihrer Religionsübimg nicht gestört wurden, zu bewegen, dass 
e mit Gefahr Leibs und Lebens, Habe und Guts aus der türkischen 
ötmässigkeit in die hiesige übertreten möchten. » Diese Serben wurden 
^'Hgemäss von Beginn als « Nation 1» mit ihren besonderen geistlichen 
Öd weltlichen «Ständen» bezeichnet, die *per modum pacti », im 
^ege des Vertrages sich hierher hegeben hcibe. 593 Dass man jedoch 
^ Verbleiben daselbst nur als vorübergehend ansah, geht schon aus 
f^ Umstände hervor, weil sonst der Erzbischof unmöglich auch als 
^s « weltliche 1» Oberhaupt der von jeder anderen Gerichtsbarkeit des 
pHdes befreiten Serben hätte bestellt werden können. Wir werden 
P^en, wie man später bemüht war, diese Gewährungen, welche einen 
jö-hren «Staat im Ätaate» errichtet hatten, allmälig wieder zurückzu- 
phrnen. 



Mittlcns^eile hörten die Klagen der Municipalbehorden gegen die 

serbischen ■Gäste» nicht auf, 594 weshalb man bei dem Wiener Hof- 
kxiegsrathe den Enlschluss fasste, die zerstreut wohnenden Serben 
nach der in Folge der Türken Verheerungen verödeten und entvölkerieo 
Bäcska zu übersiedeln. Ks wurden zu diesem Zwecke der Patriarcli 
Erzbischof Csemovics und der serbische Vice-Wojwode, Johaiio 
Monasterly, 595 im Frühling des Jahres 1694 nach Wien berufen mi 
nach geschehener Berathung an die beiden Genannten unter dem 
II. Mai 1694 ein Decret des Hofkriegsrathes erlassen, worin ihnen 
der • klare, unbedingte Entschluss Sr. k. k. Majestät bekannt gegeben 
wurde, welchem gemäss das musische Volk sowohl im Interesse Ung7.iT.5 
als auch der Serben selbst in die zwischen der Donau und Tliei^s 
gelegenen und ihnen nach gehöriger Weise uhergebenen I^ndesiheiie 
übersiedeln müsse ; und zwar sollte diese Uebersiedelung • sogleich» 
und «ohne Verzug» stattfinden. Der General -Kriegs rat h und GenerJ 
der Cavallerie, Graf Donat Ha skr virn Htiihrsheimh^ wurde als kaiser- 
licher Commissär für die Uebersiedelung der Serben bestellt. -9<5 

Der Hofkriegsrath hoffte^ dass die Serben diese Transferirun? 
um so freudiger begrüssen und annehmen würden, als das ihnen antje- 
wiesene Gebiet überaus fruchtbar und so ausgedehnt sei, dass sowohl 
mit Bezug auf die Wohnorte wie auch mit Rücksicht auf die Bewitth- 
schnftung diese Gegend viel bequemer zum Leben sei. Ueberdies wur- 
den den Serben bei williger Uebersiedelung und bei fernerer Bewah- 
rung der Treue noch weitere allerhöchste Begünstigungen in Aussicht 
gestellt. 

Nichtsdestoweniger behagte den Serben die Transferirung nach 
der Bacska nicht; sie baten um Ucberlassung von An siede lungsgrün- 
den in Kumanien und in jenem Iheile von Slavonien, welcher die 
t kleine Walachei» genannt wurde und wo^ wie wir oben (Seite 512) 
gesehen haben , bereits zahlreiche serbische Bevölkerung neue Wohn* 
sitze gefunden hatte. Die Bacska mochte den Serben hauptsächlich 
wegen der unmittelbaren Nähe der Türken» die ja noch das Temeser 
Banat und die Festungen Temesvär, Peterwarilein und neuestens auch 
Belgrad wieder in Besitz hatten, nicht sehr verlockend und sicher sein« 
Allein gerade dieser Punkt gab in Wien den Ausschlag; die Serben 
sollten einen Schutzwall gegen die Türken bilden. Deshalb gab man 
ihrem Ansuchen um anderweitige Ansiedelungsplätze kein Gehör, wo* 
von der Hofkriegsrath unter dem 31. Mai 1694 den Erzbischof und 
den Vice-Wojwoden • Monasterlj verständigte, mit dem Bei fugen, dass 
»der Dienst Sr. Majestät die Uebersiedelung an die bezeichneten Orte 
(d. i. in die Bacska) ohne Verzug fordere.«* Es wird den Serben zwar 
gestattet, dass sie an ihren jetzigen Wohnorten die Ernte noch ein- 



321 



eimsen können ; doch müssen sie eine bestiranite Anzahl von Ab- 
eordiieten wählen, welche die ihnen zu übergebenden Orte und Grund- 
;ücke allsogleicb übernehmen und dieselben mit Gebäuden derart 
ersehen, dass nach Beendigung der Ernte die Gesammiheii des raiczi- 
schen Volkis im künftigen October mit Bestini mtbeit dahin ubcTsiedeln 
und daselbst taug^hche Wohnungen finden könne.» Um die Serben 
^ach verschiedenen Seiten hin zu beruhigen, wurde ihnen abermals 
e Versichenmg ertheilt, dass sie nur dem Kaiser und Könige unter- 
worfen und sowohl von den Municipien wie von der grün d herrlichen 
Oberhoheit befreit sein sollen ; schliesslich Aviederholte man ihnen die 
Zusage, dass »< in dem Falle, wenn in dem Lande, welches die Raiczen 
früher bewohnt hatten, mit Gottes Hilfe der Friede und die Sicherheit her- 
gestellt sein wird, sie in ihre al/e Htimai zurück gefiihrt werden solien,^^97 

Auf solche Weise wurden dann die Serben in grosser Anzahl 
und compact theils in der Bäcska, theÜs in den Comitaten Csongrdd, 
Zaränd, Arad und Csandd angesiedelt und aus diesen so neubevölkerten 
Gebieten gegen die jenseits der Theiss ond Maros noch herrschenden 
Türken die sogenannte tTheisser» und «Maroser» Militärgrenze gebil de t,59B 

Wie sehr die Serben selbst auch diese ihre neue Ansiedelmig 
nur als ein anderes Provisorium betrachteten, und stets auf die Rück- 
kehr in ihr früheres Vaterland hofften, geht aus dem Umstände hervor, 
dass sie lange Zeit zögerten, feste Wohahäuser zu erbauen, Uebrigens 
wurde ihnen auch durch die fortgesetzten Streitigkeiten und Anfein- 
dungen, dcni'n sie seitens der katholischen Geistlichkeit und der weit- 
liehen Municipien ausgesetzt waren, der Aufenthidt in Ungarn verleidet. 
Die katholische Geistlichkeit forderte von ihnen trotz ihrer Privilegien 
und trotz jener alten ungarischen Gesetze (siehe oben S. 311) den 
kirchlichen Zehen t und die weltlichen Behörden wollten sie ihrer Juris- 
diction unterwerfen» Auch dem sonstigen Volke in Ungarn mochten 
die an Kampf und Krieg gewohnten, rauhen serbischen Krieger keine 
angenehmen Nachbarn sein. Es liefen von Seite der Municipien wie* 
derholte Beschwerden über die Gewaltthätigkeiten der Serben ,eiD ; 
aber auch der Erzbischof Csemovics häufte bei Hof Klage auf Klage; 
weshalb Leopold I, unter dem 4. März und im Juni 1695 dem 
Erzbisch ofe und den Serben überhaupt ihre Freiheiten, insbesondere 
die Steuerfreiheit, wiederholt bestätigte und überdies für einzelne, von 
Serben bewohnte Districte» noch specielle Protectionsdecrete erliess, 599 

Mit dem Karlowitzer Friedensschlüsse {z6. Jänner 1699) wurden 
jedoch die Hoffnungen und Pläne der Serben auf eine Rückkehr in 
ihr früheres Vaterland definitiv vernichtet, da dieser Friedenstractat 
das serbische Gebiet jenseits der Donau und Save den Türken belasst 
und die geflüchteten Serben es sonach nicht wagen durften in ihre 

Hunfalvy, Ethnagr. 21 



alte Heimat unter das Joch der Türkenherrschaft icuriickzukehren. Ep 
jetzt rniissten sowohl sie selbst als auch der kaiserliche Hof, wie (l| 
ungarische Landesregierung sich mit dem Gedanken ernstlich ven 
machen, dass die mittlerweile durch Zuwanderungen auf 40,000 Fa 
lien angewachsenen serbischen Emigranten auf dem Gebiete Unga 
und seiner Nebenländer dauernd angesiedelt und zu Bürgern des 
des gemacht würden. 

Es war das keine leichte Aufgabe und ziehen sich die diesbezüg^ 
liehen Verhandlungen der Regierung mit den Serben, sowie die Anort 
nungen und Verfügungen der jeweiligen Regenten durch nahezu eißl 
Jahrhundert hin, bis es endlich gelang, das Kirchen- und VolksthciftJ 
der Serben in den Rahmen der staatlichen Ordnung Ungarns eiji 
passen. Wir können diese an sich interessanten und lehrreichen Enl^i 
Wickelungen hier nicht weiter verfolgen, sondern müssen uns aufdift] 
Hervorhebung einzelner Hauptmomente beschränken. 

Die serbischen Privilegien wurden später noch durch Kaiserl 
Josef L am 7. August und 29. September 1706, durch Kaiser CarUXJ 
(als König von Ungarn Carl ITL) am 2* August 1713 und 10. April 
1715 und durch die Kaiserin-Königin Maria Theresia am 24. April j 
und t8, Mai 1743 bestätigt. Schon Kaiser Josef L fügte aber der Caa- 
firmation die Clausel bei: «Wir verwahren das volle Recht, diese Frei- 
heilen nach den Zeitumständen (pro temporum conditione) weiter mj 
erläutern und in andere Form umzugestalten» je nachdem es 
Nutzen der illyrischen Nation sein wird, i* Und diese Zusatzclauifen 
befindet sich auch auf allen darauffolgenden Confirraationen der ser-l 
bischen Privilegien. ^«^ 

Dass diei^elbe kein leeres Wort geblieben, zeigen die weiteren 
Entwickelungen der serbischen Nations- und Kirchenverhältnisse. Sd 
wurde z. B. in einem Circular-Rescript vom Januar 1729 jener Passas 
der Privilegien, welcher dem Erzbischofe die Leitimg der «geistlichen 
und weltlichen* Angelegenheiten des serbischen Volkes überliess, an- 
nullirt mit der bezeichnenden Motivirung : «Da diese Herrschaft (ifl 
weltlichen Gegenständen) aber dem Kaiser als unmittelbaren Herrft, 
zukommt, so hat sich der Erzbischof in zeitliche Vorfälle (teniporaJia)l 
nicht zu mischen. Die Oberherrschaft in geistlichen Dingen bleibt ibift'J 
wie bisher, »^^ Ebenso wurde im selben Jahre mittelst Circular-I 
Rescriptes vom 7. November das Recht des serbischen ErzbischofSrj 
auf die weltlichen Caduci täten der ohne Erben verstorbenen SerbenT 
aufgehoben; diese Aufhebung konnte jedoch erst im Jahre 1769 ä^^J 
Geltung gebracht werden, als ein vom 24. Juli datirtes allerhöchste*! 
Rescript erklärt, das» die (serbische) «Nation mit der Pratension aiui 
die w^eltlichen Caducitäten gänziick abgewitscn werde. »^"^ 



^ J23 

^ Eine langwierig^e Procedur bedurfte auch die Regelung^ der Ver- 
lltung der serbischen Kirche. Die Entscheidung über die Befugnisse 
nd den Wirkungskreis der beiden kirchlichen Corperationen, der 
Sischofs-S\Tiode und des National-Congresses, erfolgte erst unter der 
aiserin-Königin Maria Theresia ond Kaiser Josef IL (durch das 
lerhöchste Erläuterungs-Rescript der Illyrischen Kation» — «Be* 
lignum Rescriptum Declaratonum Nationis Illyricae» vom i6. Juli 1779 
d durch das «Consistorial-System» — «Systema Consistoriale» vom 
April 1782). 

Zur Leitung der weltlichen Angelegenheiten der Serben wurde 
Jahre 1746 die « Hofdeputation in Transsylvanicis, Banaticis et 
lyricis» (gemeiniglich «lllvrische Hofdeputation») als ein lindepen- 
ntes Hofmittel D errichtet. Bis dahin hatte der Hofkriegsrath die 
ireltlichen Interessen der Serben besorgt. Denn diese wurden nach 
He vor als ein «exemtes» Volkselement betrachtet, das nur allein dem 
Kaiser zur Verfügung stehe^^^ Die Serben waren bis gegen das Ende 
ps vorigen Jahrhunderts keine ungarischen Staatsbürger. Vielmehr 
lichte man noch im Jahre 1790 durch die Wiedererrichtung der im 
[^hre 1779 aufgelassenen «Illyrischen Hofdeputation» diese privilegirte 
|tellung der Serben abermals fortdauernd zu machen. Damals (im 
pLhre 1790} wurde auch der serbische National-Kirchencongress als 
Ine pifiäische \'ertretung des Serbenvolkes nach Temesvär einberufen 
fad schien es, als ob die Isolirtheit der Serben fortdauern sollte. 

Da geschah, dass der Landtag durch den Ges.-Art. 27 : 1790/91 
en griechisch-nicht-unirten Glaubensgenossen das Bürgerrecht (jus 
ifcatis) in Ungarn ertheilte, gleich den übrigen Landesbewohnem die 
igkeit zur Erwerbung und zum Besitze der Güter, sowie zur Be- 
eidung aller Amtsstellen in Ungarn und annectirten Ländern unter 
ttifhebung aller dem entgegenstehenden Gesetze einräumte, vorbehält* 
h der Rechte Seiner königlichen Majestät über die Angelegenheiten 
s Clerus, der Kirche, der Religion, deren vollkommen freie Aus- 
ung ihnen gestattet wurde, der Fundationen, der Lehrgegenstände 
iiid Erziehung der Jugend, nicht minder ihrer Privilegien^ welche der 
teichsverfassung (fundamentali regni Constitution i) nicht widerstreiten, 
Ö'wie Seine Majestät diese Rechte von Allerhöchst Ihren glorreichen 
Foffahren übernommen haben.» 

[ Dies ist der Wortlaut jenes Gesetzes, wodurch den bisher im Ausnahm 
lezustand befindlichen Serben 100 Jahre nach ihrer Einwanderung und 
Niederlassung in Ungarn die bürgerlichen Rechte gleich den übrigen Lan- 
psein wohnern verliehen wurden. Die Serben waren jedoch damit wenig 
^frieden» insbesondere deshalb, weil die Inarticulirung ihrer Bürgerrechte 
[tirihre Canfession, nicht ihre Nationalität her\'orhob. Nichtsdestoweniger 

r 21* 





324 



wurde in Folge dieses Gesetzartikels tind über Andrängen des ungan 
sehen Landtages im Artikel lo : 1792 (desideratum a Statibus et Ordi- 
nibus Cancellariae Illyricae sublationem) die serbische oder illyrischa 
Hofkanzlei am 30. Juni 1792 aufgehoben und deren Agenden <Ief 
ungarischen Hofkanzlei zugewiesen. Als eine Art Entschädigung hieffii 
erklärt G.-A. 10 : tygi, dass der Metropolit und die Bischöfe griechisA- 
nicht'Unirter Religion Sitz und Stimme an der ungarischen Magnaten- 
lafel haben sollen und wurde ferner bestimmt, dass gleich nach erfolg- 
ter Aufhebung der ill^Tischen Hofkanzlei Einige von den Serben» 
welche die erforderlichen Eigenschaften besitzen, sowohl bei der 
königh'ch ungarischen Hofkanzlei als auch bei der königlich ungari- 
schen Statthalterei angestellt werden sollen. 

Das National itätsprincips fand hei den Serben stets einen fnulit- 
baren Boden und so begreift es sich, dass die im Dienste dieses Prin- 
cips unternommenen Agitationen seit dem Anfang der Vierziger-Jaline 
und dann die Erhebung im Jahre 1848 unter dem serbischen Volke 
vielen Beifall und rege Antheilnahme gefunden hat. Das serbi.^che 
Volksthum ist jedoch mit seinem nationalen Kirchenwesen aufs Engste 
verbunden und darum tritt auch in den nationalen Kämpfen diese 
Kirche stets als mächtiger Factor in den Vordergrund, Es kann nicht 
unsere Aufgabe sein, den Ereignissen der Jahre 1848/9 hier nachzu- 
gehen ; ebenso müssen wir uns auch die Darstellung der Geschichte 
des serbischen Volks- und Kirchenthums aus der neuesten Zeit ver- 
sagen ; nur das Eine sei betont, dass man dieses Kirchenwesen nach 
wie vor mit politischen Motiven und Zielen zu verknüpfen gewohnt isL 

Auf die Zustände des serbischen Volkes in der Gegenwart über- 
sehend, schicken wir noch Einiges über dessen Benennungen voraus. 
Die Serben selbst nennen sich «»srbli*, d. i. «Serben». Dieser Name 
\vird verschieden gedeutet und kommt allen Südslaven gemeinsam zu. *^ 
In den Urkunden und Gesetiiartikeln Ungarns werden sie «Rasciajii« 
(Rascier) genannt; das Volk nennt sie «Raiczen«« (Raczen, magyarisii 
€täcz», pl. trÄczokit). Diese Benennung leitet man von der Stadt Rai 
(auch «Rascha», in Alt-Serbien, heute Novi-Bazar genannt) ab. Itn »^ 
Jahrhundert erscheint in der Amtssprache statt der «N^atio Rascianii d« 
«Natio Illyricai», « Illyrische Nation h, und auch heute kann man n 
katholischen Diöccsan-Schematismen noch lesen «lingva illyrica» 
«lingva serbicaw. Um die Mitte der Dreissiger- Jahre unseres Jahrhian^ 
derts fasste Dr. Liudewit Gaj den Plan, die gesammten Südslavei 
als «lllyrier»^ zu einer national-politischen Partei zu vereinigen. Die^^' 
«lilyrismus» fand jedoch seine grössten Gegner an dem National' 
bewusstsein der Serben und Croaten selbst. — Schliesslich komn)^' 
die griechisch-orientalischen Serben in Südungarn und Slavonien no^J^ 






325 

unter dem Namen «Wlacheni» (Walachen) vor und hiess darnach, wie 
■wir oben gesehen haben, das spätere Warasdiner Generalat auch die 
«kleine Walachei». In der Bacska nennt der katholische Serbe (Scho- 
tacze) seinen griechisch-orientalischen Stamniesgenossen auch heute 
noch einen h Walachen •> und dessen Kirche die «walachische». 

Was nun die Verfassung dieser Kirche der Serben betrifft, so 
wurde dieselbe, wie oben (Seite 323) dargestellt worden, durch Ges.- 
Art. 27 : 1790 inarticulirt. Desgleichen anerkennt Ges.-Art. 20 : 18+7/S 
im § 8 die Autonomie dieser «nicht-unirten Griechen» in Betreff ihrer 
Religions- und Schulangelegenheiten und den Bestand eines durch 
«die ganze Religionspartei zu wählenden Kirchencongresses», dessen 
Mitglieder mit Rücksicht auf die verschiedenen Sprachen der Bevöl* 
kerung in einem solchen Verhältnisse zu wählen sind, dass aus dem 
geistlichen Stande 25, aus dem weltlichen 50 und von diesen aus der 
Militärgrenze 25 Deputirte entsendet werden. '^s 

Die «Rücksicht auf die verschiedenen Sprachen der Bevölkerung* 
hatte darin ihren Grund^ weil vordem der Jurisdiction des griechisch- 
prientalischen Erzbischofs nicht blos die Serben, sondern auch die Ru- 
mänen unterstanden. 

In dem Privilegium Kaiser Leopold L vom 21, August 1690 
^'urden dem Patriarchen Csernovics alle Gläubigen des griechischen 
Ritus in ganz Griechenland, Rascien, Bulgarien, Dalmatien, Bosnien, 
Jenopolien und in der Herzegowina, dann in Ungarn und Croatien, 
o solche (Gläubige) vorfindlich sind, zugewiesen («in tota Graecia, 
Rascia, Bulgaria, Dalmatia, Bosnia, JenopoUa et .Hercegowina, nee 
lion in Hungaria et Croatia, ubi de facto existuntw). Im Privilegium 
vom Jahre 1695 werden ausser dem Metropoliten noch folgende sieben 
Bischöfe der Griechisch-Nichtunirten aufgeführt; Die Bischöfe von 
Jenopolis und Temesvar, von Carlstadt und Zrinopolis, von Szege- 
din, von Ofen und Stuhlwcissenburg, von Mohäcs und Sziget, von 
Werschetz, von Grosswardein und Erlau. Die Bisthümer von Sze- 
gedin, Stuhlweissenburg, Mohäcs, Sziget, Grosswardein und Erlau 
bestehen heute nicht mehr ; auch ist die serbische Bevölkerung 
daselbst entweder ganz verschwunden, oder hat doch an der Zahl 
sehr abgenommen. Das Bisthum Jenopolis wurde nach Arad ver- 
legt. Eine Regelung der serbischen Diöcesen erfolgte auf den Kirchen* 
congressen im Jahre 1748 und 176g. Die jetzt bestehende Eintheilung 
fieser Kirchensprengel datirt von der Ausscheidung der Rumänen aus 
dem Verbände des serbischen Erzbisthums und der hiemach erfolgten 
Errichtung einer besonderen rumänischen Metropol ie zu Hermannstadt. 
Diese Trennung der beiden Nationalkirchen wurde mittelst G,-Art. 
1868 gesetzlich inarticulirt und darin den beiden Kirchen zugleich 



326 

dieselben autonomen Rechte zur Verwaltung ihrer Kirchen- und Sclrnj- 
anj^elegenheiten garantirt. 

Der Etshischof von Karlowitz^ welcher seit dem 15- December 1%^ 
aach den Tite! eines i serbischen Patriarchen» führt, leitet als «Meti 
polit» die «griechisch-orientalische Kirche serbischer Nationalität i ii 
ganzen Königreiche Ungarn und sind demselben als SußVaganbischöf«! 
untergeordnet im eigentlichen Ungarn : die Bischöfen von O/ettt Tma- 
Tiir^ Werschefz und A\tisaiz (Bdcs) ; in Croatien-Slavonien : die Bischöfe 
von Pakracz und Carlstadi. 

Der Metropolit leitet jedoch die Kirche nicht mehr wie ehedem 
allein und ausschliesslich ; sondern in geistlichen Dingen ist ihm dje 
Bischofs'Sywide^ in weltlichen Angelegenheiten der Nationai-Kinhoi'^ 
ctmgras bei gege b e n . 

Die Einberufung und Abhaltung von Bischofs-Synoden war bis 
zum Jahre 1760 dem Metropoliten freigestellt. Im genannten Jahr^ 
erschien jedoch unter dem 16. September ein allerhöchstes Rescri] 
worin anbefohlen wurde, «dass künftig kein Synodus des Raitzisch* 
Cleri ohne Allerhöchstes Vorwissen abgehalten und die besonde; 
Allerhöchste Disposition darüber erwartet werden solle, i»^*'^ Diese A) 
Ordnung wurde mit Rescript vom 14- Februar 1763 wiederholt ui 
zugleich die Absendung eines landesfürstlichen Commissars zu d< 
S}Tioden befohlen. Die Bestimmungen des Declaratoriums vom Jal 
'779 (§ ^0 S'J^^^ ^" Bezug auf die Bischofs-S>Tiode bis heute in K 
stehend. Darnach darf der Metropolit die Synode nur nach vorher eil 
geholter allerhöchster Genehmigung einberufen ; den nicht dogmatiscb 
Synodal-Verhandlungen wohnt ein landesfürstlicher Commissär bi 
Eine der wichtigsten Functionen der Synode besteht in der Besetzui 
der erledigten Bisthüraer durch die Wahl der vorhandenen BiscbÖfe-j 
der Erwählte miterliegt aber noch der allerhöchsten Bestätigung äe&^ 
Land es fürs ten. 

Der A^aiional-Kirchencongress besteht auch nach dem Ges,-Ait| 
9 : jS68 ausser den Bischöfen, die «geborene» Mitglieder des Con-, 
gresses sind, aus 25 geistlichen und 50 weltlichen^ also ziisammen aM| 
75 gewählten Deputirten, welche nach einer bestimmten Wahlordnung'j 
(vom Jahre 1871) vom Volke gewählt werden. Die ZusammensetzuBj 
und den Wirkungskreis dieses Congresses bestimmt das unter d< 
14. Mai 1875 allerhöchst genehmigte «Organisations-Statut des griechiscli' 
orientalischen serbischen National-Kirchencongresses. » Dieser Congress 
wählt auch den serbischen Patriarchen, dessen Wahl aber gleichfalls 
der allerhöchsten Bestätigung des Monarchen unterliegt. Ebenso wohol 
dem Congresse ein lan des fürstlicher Commissär bei. Den Vorsitz fuh^ 
der Patriarch, den Vice-Präses wählt der Congress aus der Mitte seiß«^^ 






327 

weltlichen Deputirten. In der Regel tagt der Congress nur alle drei 
Jahre. Mittlerweile besorgt als sein verantwortliches Executiv-Organ 
^er «Congress-Ausschuss» die laufenden Geschäfte. Der Patriarch ist 
^uch Präses des iCongress-Ausschusses», der überdies noch aus einem 
Bischöfe» zwei geistlichen und fünf weltlichen Mitgliedern, zusammen 
^us neun Personen, besteht. Alle Beschlüsse des Congresses müssen vor 
ihrer Durchführung seitens des Königs confirmirt werden. 

Die serbische Kirche bat in ihren sieben Diöcesen 32 Erzdiaco- 
nate mit 627 Pfarreien ; die Zahl der Seelsorger ist 729 und 3S Vicare, 
J>ie serbischen Klöster waren vordem zahlreicher j heute bestehen deren 
30 (nur Mannesklöster), von denen vier den nächstgelegenen grösseren 
Klöstern zugethellt sind. Die Zahl der Mönche betrug im Jahre 1871 
nur 84 und' dürfte heute noch geringer sein. Der serbische Mönchs- 
stand scheint auf den Aussterbe-Etat gesetzt zu sein. Das Gesammt- 
vermögen dieser Klöster beträgt circa drei Millionen Gulden mit einem 
Jahres-Einkommen von 200,000 — 250,000 11. Ausserdem besitzt die ser- 
Ifcische National kirche in Ungarn reiche Kirchen- und vSchulfonde, 
zieren Status im Jahre 1868 die Plöhe von 3476^000 fl. erreicht hatte» 
•Das Kirchen-, Kloster- und Schul vermögen der Serben beträgt also 
mindestens 6V2 Millionen Gulden — gewiss eine sehr erhebliche Summe 
für die culturellen Bedürfnisse des numerisch nicht sehr bedeutenden 
rVolksstammes. 

Die Serben wohnen compact in den Comitaten Temes, Torontäl 
jund Bdcs; dann in Croatien-Slavonien» namentlich im Sirmier Comi- 
tate und in der croatisch-slavonischen Militärgrenze. Als Sprachgrenze 
für diese Serben ergibt sich eine Linie, die sich von der Grenze des 
iSct. Georger Grenzregiments und des Poscheganer Comitats längs der 
Drau bis ins Süniegher Comitat aufwärts zieht und auch den Uferstrich 
von Potony bis zur Grenze des Baranyaer Comitats in sich begreift. Von 
<la folgt sie wieder der Drau, der sie auch mit Ausnahme einiger Aus- 
buchtungen bis Draueck, unterhalb Essegg, getreu bleibt. Hierauf senkt 
»;sich die Linie an der Donau südwärts, läuft davon etwas nördlich 
,Tom Franzens-Canal ostwärts an die Theiss, von wo sie über Mokrin 
lind Baschahid nach der Bega hin zieht. Die fernere serbische Sprach- 
grenze bezeichnet die Temes südwärts bis an den Canal von Alibundr 
jbei Hajduschitza ; dann geht diese Grenze in mancherlei Windungen 
bis Vati na an der Morawitza, von wo aus sie über Gross-Szredistye 
und Werschetz an der »t Römerschanze » fortzieht und im ferneren Ver- 
läufe nach der Donau der Nord- und Ostgrenze des früheren Illyrisch- 
^oder Serbisch-) Banater Regiments entspricht. ^°7 

In diesem umschriebenen Gebiete grenzen die Serben an Ma- 
^aren, Deutsche, Rumänen, Croaten und Italiener; wohnen auch nicht 



S2S 



unvennischt auf dem bezeiclineten Terrain, sondern t^s ßnuru 
neben und unter ihnen zahlreiche ethnographische Unterbrechunj 
durch magyarische, deutsche, rumänische, slovakische, bulgarische 
andere Volkselemente. Im eigentlichen Ungarn wohnen die Serben^ 
am zahlreichsten in den Cumitaten Bäcs (iS'jS Percent der Bevölke- 
rung), Toruntäl {i9'45 Percent ; in dem Gross-Kikindaer Districte dieses 
Comitates bilden sie die absolute Majorität 88*9 Percenl) utid in Temes 
(6*99 Percent), 6°^ Ueberwiegend ist deren Anzahl ferner in den (nun- 
mehr aufgelösten) Theilen des Deutsch- und Serbisch- Banat er Grenz- 
regiments und im ehemaligen Titeler Bataillon. Ausser diesen compac- 
ten serbischen Sprachgebieten gibt es noch mehrere zerstreut liegende 
serbische Sprach-Inseln : im Baranyaer Comitate (südlich und östlich 
von Fünfkirchen), dann im Tolnaer, Stuhhveissenburger, Sümegher 
und Pester Comitate; endlich in den Comitaten Bäcs, Toronial und 
Temes. ^9 

Die Gesammtzahl der Serben setzt Csaplovics ^^° im Jahre 1797 
auf 676,613 Seelen; Fenyes^^^ gibt die Zahl derselben mit 828,365 ii 
884 Ortschaften an. Die Conscription von 1850/1 fand 979,952 Sei 
ben.^^^ Darunter befinden sich aber sowohl griechisch-orientalische all 
katholische Serben. Nach der amtlichen Aufnahme des serbis 
National-Kirchencongresses vom JaWe 1870 betrug die Zahl der grie- 
chisch-orientalischen Serben in ganz Ungarn und dessen Nebenländera 
942,713 Seelen; rechnet man hiezu die etwa 70,000 katholischen Ser- 
ben (und Bunyevdczen), ^'3 so beträgt der serbische Volksstanira im 
Ganzen etwa 1.020,000 Seelen. ^^'^ 

Die Serben sind der geistig bedeutsamste südslavische Volksstamm., 
Tapfer, voll des glühendsten National itätsgefuhles werden sie dadurch oicht 
selten exclusiv, gegen andere Volksstämme schroff und ungerecht. Für 
die eigene Nationalität sind sie zu grossen Opfern bereit; das beweisßii| 
auch die reichen Fonde und Stiftungen für nationale Kirchen- und 
Schulzwecke, Desgleichen hat bei ihnen unter allen Südslavea die 
Literatur den frühesten und blühendsten Aufschwung genommen. Die 
Serben sind phantasiereich; ihre Volkspoesie enthält kostbare Perlen, 
insbesondere %vird das nationale Heldenlied mit Triebe gepflegt Der 
Serbe hat eine Vergangenheit ; freilich mit traurigem linde. Darum 
singen und klagen die serbischen Lieder und Gesänge in rührenden 
Tönen von ihres Reiches und Volkes Untergang. Dies wandernde 
Volkssängerthumj welches die Helden des Volkes preist, waltet hier 
noch ebenso lebendig wie die Kunst der Volkserzähler, die dem lau- 
schenden Volke die alten Sagen und iVIärchen überliefern und so i» 
ihm National bewusstsein, Nationalstolz und Hass gegen den «Er^ 
Teind» (gegen den Türken) wach und lebendig erhalten* 



3^9 






Das bedeutendste literarische Institut der ungarischen Serben ist 
die MÄIaiica srhskay^ (<) Serbische Biene !♦) im Jahre 1826 gestiftet, aber 
erst ini Jahre 1836 behördlich genehmigt. Bis zum Jahre 1864 war der 
Sitz dieser Gesellschaft Pest ; in dem genannten Jahre siedelte sie 
mit allerhöchster Erlaubniss nach Neusatz über, wo sie auch noch 
besteht, Sie besitzt ein Vermögen von 105,000 fl. Ausserdem besteht 
noch seit 1860 die «Gesellschaft des serbischen National-Thcaters» in 
Neusatz, welche Stadt überhaupt der geistige Mittelpunkt des Serben- 
thums in Ungarn ist. 

Die serbische Literatur zählt in Ungarn zahlreiche Vertreter. 
Ein ungarischer Serbe, Orradovics, war es auch, der den serbischen 
Dialect zur Schriftsprache erhob und letztere dadurch von den Fesseln 
der altslavischen Kirchensprache befreite. Dieser serbische Dialect ist 
heute auch die Schriftsprache der Croaten, welche sich jedoch des 
lateinischen Alphabets bedienen, während die griechisch- orientalischen 
Serben mit Zähigkeit an der Cyrillica festhalten. 

DoHiTHEUS ffnit seinem Taufnamen ^Demetrzus^J Obradovics 
wurde im Jahre ijjq zu Csakova im Temescher Banate geboren. Sein 
Vater war Kürsckner ; er starb bald und Demeier kam zu einem Ver- 
ndten^ der ih?i, trotzdem, der JCnaöe viel Talent und IVissbegierde 
jte, zu einem Deckenmacher nacii lemesvär in die Lehre gab. Als er 
Tier von den sirmischen .Kidstern erzählen hörte, erfasste ihn solche 
Sehns/icht nach diesen * Asylen der TVissenscha/t*, dass er heimlich ent- 
floh und int Kloster öpova als v^Djakut f Student J aufgenofnmen wurde» 
Obradovics war damals 14 Jahre alt. Er studirte alle vorhandenen Bü- 
cher umi Sctiriften mit grossem Eifer ^ und ergab sich einer so extremen 
Ascetik, dass der Vorsteher des Klosters flgumenj ihm ernste Vorstel- 
lungen machen musste. In Karlowitz zum Diacon geweiht^ blieb er noch 
einige Zeit in Opova ; ßoh aber dann nach Agram^ wo er sic/i mit dem 
Siudrum der lateinischen Grammatik beschäftigte. Von hier aus ging er 
erstlich nach Dalmatien, wo er drei Jahre Kinder lehr er war, und von 
da nach Cattaro. Hier empfing er die Priesterweihe. Nacli Dalmatien 
zurückgekehrt übersetzte er die Homilien über die Apostelgeschichte aus 
dem- Kirctiens hivischen ins Serbische, Das war der erste gelungene 
Versuc/i, das Serbische als Büchersprache zu verwenden. ObraüOVICS 
begann nun sein Wanderlebeti. Zuerst trieb ihn sein Wissensdurst 7tach 
de?n Berge Athos, von da nach Smyrna, zvo er drei Jahre studirte. Ueber 
Corfu ging er nach Albanien, Venedig, Dalmatien, Triest und Wien, 
Hier blieb er sectis Jahre. Hierauf unternaJun er eine zweite Reise nach 
dem Orient^ i^'X-T i^b^r Constantinopcl 71a cJi der Moldau, dan?i über Lem- 
berg nach Leipzig und Halle. Hier fa?id sein Wissensdrang reiche Ä^ah- 
rung. Im Jahre 17 8 j erschien in Leipzig das noch heute viel/ach gelesene 
Buch : ^ Leben und Schicksale des Demetrius Obradovitsch, im Kloster 
Dosifheus genannt, von ihm selbst beschrieben und he rausgegeben. y* Dem 
folgtet * Rath der Vernunft.^ Obradovics eiferte für die Aufkliirung^ 
seines Volkes ; statt der vielen Klöster solle man lieber Unterrichts- An* 
statten gründen u. s. tv. Von Deu tsch la n d ging O H R A DO \" i c s nach Frank- 
reich und England. A^achdem er von dort zurückgekehrt, tvieder einige Zeit 
in Wien verweilt hatte, begab er sich nach Lievland^ dann wieder nach 
Wien ; dann nach Venedig, Karlowitz und Belgrad, wo er zum Senator 
und Ober- Schulauf seher ernannt wurde und im Jahre /Sotp sein viel' 



330 

teme^es Leben endigte. Obradovics i^f für seine IsTafioft ein Mann 
grosser Bedeutung ; die serbische Literatur beginnt mif ihm. Seik 
Schriften sind bis Hente im serbischen Volke stark verbreitet und zc^erdei 
viel gelesen, * ^ 

Ausser OüRADOV^lcs wirkten noch zur Forderung der serbische 
Sßrac/ie und Dichtung: LuciAN MuscHlTZECV« Bischof von CarlstaA^ 
trefflicher lyrischer Dichter; Milovan Vidakovics (i is^rj, sehr beliehti 
Novellist und Romanschriftsteller ; GrecKJR Dhrlaics» rotksthiimlick 
Schriftsteller, und Andere. Die ^Geschichte der slavischen Völkern vq\^ 
JOHANK Raics {nsb—iSoiJ ist bis lieute eine mterschöpfte Fundgruk 
für die G esc hie fite der Südslaven. 5 

Von den griechisch-orientalischen Serben unterscheiden sich der 
Confession nach die katholischen, welche Schokaczcn oder Bunye* 
vdczen^"5 genannt werden und in den Comitaten Verocze, Poschega»^ 
Sirmien, Bacska, Temes, Baranya, Stuhlweissenburg und Pest in eial 
zelnen Ortschaften zerstreut vorkommen. In Folge der religiösen 
meinschalt mit den Magyaren, Deutschen, Slovaken etc. schliesse 
sich auch diese Schokaczen oder Bunyevaczen diesen ihren nichtserb 
sehen Glaubensgenossen weit leichter an ; ein Beweis, welchen Schud 
für ihr Volksthum die griechisch-orientalischen Serben in ihrer National^ 
kirche erkennen. Die Gesammtzahl dieser katholischen Serben betraf 
etwa 70,000 Seelen« ^^^ 

F. Die Croatin. 

Die Geschichte der Croateu zerfällt in drei Abschnitte. Ihre l^r* 
geschichfe reicht von 636 bis 1091, in welchem Jahre der ungarischfl 
König Ladislaus L das Gebiet zwischen der Drave und Save mit üli'^ 
gam vereinigte und das Agramer Bisthum errichtete, und bis zun 
Jahre 1102, da König Koloman das croatische Küstenland oder Dal J 
matien für Ungarn erwarb. Hierauf folgte die Periode der gimt'imämcn\ 
croaiisch-ungarischen G esc hie hie von 1091, respective 1102 bis zum Jahre j 
1848, also durch siebenhundert Jahre. Die neueste Geschichie der Croaten | 
hebt mit dem Jahre 1S49 an, d, i. von jener Zeit, wo die Croateo 
statt nach dem ungarischen Mutterlande zu blicken, ihre Augen riel-j 
mehr nach einer anderen Richtung gewendet haben* 

Die ungarischen Könige waren bis auf Wladislaw IL (ausser 
Königen von Ungarn) nur Könige von * Dalmatien und Croa/ien*', deiuii 
das Gebiet zwischen Save und Drave gehörte unmittelbar zu Ungarn. 
Erst Wladislaw II. begann sich zu nennen: • König von Dalmatien, 
Croatien und Siavonien* (rex Dalmatiae, Croatiae et Slavoniae)» D10I 
Tite! vermehrten sich, aber der Besitz wurde geringer. Noch im SiJiBöl 



* WlrzüAcu, «Blogr. Lexikon »^ Bd. 20. S. 466 £ 



des G.^A. 7 : 1573 war Agram die Hauptstadt Slavoniens; bald daraof 
wurden die Comitate Agrani» Warasdin und Kreuz als Croatien bez eich- 
tet, dessen Provinzial-Landtag zur ungarischen Ständetafel zwei, zur 
Magnatentafel einen Deputirten entsendet ; die anderen drei Comitate, 
als: Veröcze (Veroviticze), Sirmien und Poschega entsendeten in den 
ung-arischen Reichstag je zwei Ablegaten gleich allen übrigen Comi- 
taten Ungarns. 

«Gott weiss, warum t ^'7 die Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 
eintraten. In Folge deren wurde der Agramer Bischof im Jahre 1853 
zum Erzbischof erhoben, dem die römisch-katholischen Bischöfe von 
iJiakovär- Sirmien und Zengg-Modrus und der griechisch-katholische 
Eischof von Kreu^ untergeordnet wurden. Damit horte also der kirch- 
liche Verband zwischen Ungarn und Croatien auf. Von jetzt an gestal- 
tete sich Agram zum geistigen Mittelpunkte des Südslaventhumes. Im 
Jahre 1867 wurde die «Südslavische Academie der Wissenschaften» 
errichtet, welche zahlreiche und gediegene Leistungen veröffentlichte 
und im Jahre 1874 die bis dahin bestandene Reehtsacademie Eur Um- - 
versität erhoben, um auf solche Weise die wissenschaftliche Bildung 
nicht blos von dem magyarischen Einflüsse, den man in Agram übri- 
gens sehr gering achtet, sondern weit mehr vom Einflüsse des Deut- 
schen, vor dem man in grosser Besorgniss ist, zu befreien. Ein fran- 
zösischer Schriftsteller charakterisirt die croatische Gegenwart und 
Zukunft in nachstehender Weise : «Agram ist die geträumte Hauptstadt 
(capitale ideale) des (ebenfalls nur eingebildeten) südslavischen Staates, 
welcher an den Gestaden der Adria aus Dalmatien, Croatien und Sla- 
vonien entstehen wird ; Agram ist das Centrum des Widerstandes gegen 
die Deutschen, Italiener und Magyaren, Die Häupter der üOmladinai»* 
belinden sich^ seitdem dieselbe zu Semlin in die communistische Rich- 
tung ausgeartet ist, in Agram, Prag und Belgrad ; doch die Losungs- 
worte gehen von Agram au^ und werden überall, wo ihre Buchhändler 
sind, von Prag bis zur Donau, verstanden. Der Präses der Gelehrten- 
Acadcmie in Agram äusserte sich kürzlich: «Zwischen Serben, Croaten, 
Slovencn und Bulgaren gibt es heute weder Fluss noch Berg, Auf 
Grund jener Sprache, welche von den Ufern der Adria bis zur Mün- 
dung der Donau von Millionen gesprochen wird, haben wir eine 
gemeinmsarae Literatur geschafl'en. Das 2^iel dieses geistigen Kampfes 
ist: Das tdreicinige» Königreich und Serbien. Das ist die Gegenwart 
und Zukunft der Südslaven.» "^^^ 

Der ausgezeichnete slavische Gelehrte Schafarik theilte die 

♦ Die «Omltidina», d- i. die «Jugünd», bildete eigentlich einen *jung-ser bi- 
achen» Bund mit puliiisch-nationalea Tendenzen. 



i 



3i2 

Literatur der Südslaven in seiner von Dn Josef JireC;ek in Prag! 
(1864—65) herausgegebenen «Geschichte der südslavischen Literaturij 
in drei Theile: i. in die slavonische oder glagolitische; 2. in die illyri* 
sehe und croatische, und 3. in die serbische Literatur. Schaf arik*s 
Werk reicht nur bis zum Jahre 1830, gedenkt aber schon des LuDEwrr 
Gaj, der im Jahre 1809 zu Krapina geboren wurde und in den Jahren 
1829 — 1831 an der Pester Universität die juridischen Studien betrieb, 
wo er mit Johann KollAr verkehrte. In Agram begann Gaj sodann 
die Millyrischc Bnvtgung^^ deren Ziel auch in der Begründung einer 
einheitlichen Literatursprache bestand. Was Stur und Hattala filj 
die Slovaken thatcn, das hatte Gaj für die Südslaven schon vor ihne 
gethan. 

Die Zahl der Croaten beträgt nach der Volkszählung vom Jahn 
1850/1 : 

in Ungarn ...,.*,.♦., 120,092 

» Croatien-Slavonien .... 537,SSo 

1» der Militärgrenze 540,992 

zusammen . 1.198,964 Seelen. 

Nach der Berechnung Keleti's (siehe oben S. 271) sind ii] 
Croatien-Slavonien 954,451, in der Mih'tärgrenze 1.206,206, zusamme 
2,160,717 Serbo-Croaten. Ficker^»^ berechnet Südb^laven : 

in Ungarn ♦ . . . , 600,000 

» Siebenbürgen 1,000 

1» Croatien-Slavonien .... 908,000 

B der Militärgrenze 932,000 

zusammen . 2,441,000 Seelen. 

i Hunfalvy^^o setzt für ganz Ungarn die Zahl der Serbo-Croateij 
auf 2.405,700 Seelen oder i5'6 Percent der Gesammtbevölkerung, Eind 
mittlere Zahl bezeichnet die Anzahl dieser Südslaven auf 2.380,0 
oder 15*5 Percent der Bevölkerung, RecHnet man hievon die j,o20,oo(^ 
Serben ab, so bleiben für die Croaten 1.260,000 Seelen oder ungefah 
8 Percent der Gesammtbevölkerung des ungarischen Königreiches. ^ äj 

G. Die Wenden, 



Die Wenden oder Winden wohnen im Eisenburger und in anderen! 
Comitaten jenseits der Donau; insbesondere zahlreich sind sie in de 
Ortschaften Tarany, Haromfa, Agare v und Aracs des Gross-Atdder 
Bezirkes im Süoiegher Comitate. In Gross-Atäd seihst und in den mit 
diesem vereinigten Gemeinden Hen^cz und Bodvicza sind sie schon 
mag^-arisirt. Ihre Gesammtzahl ist gering; bei den Volkszählunge 



335 

■nimmt man auf sie keine besondere Rücksicht, sondern zahlt sie, wo 
sie noch vorhanden sind, zu den Croaten. Ihre relative Zahl beträgt 
itn Kreise jenseits der Donau nach Ficker etwa 2-49 Percent der dor- 
tigfen Bevölkerung. 



Die Slaven in Ungarn sind römische Kaiholtken (Slovaken, Croa- 
ten, Schokaczen oder Bunjeväczen, Bulgaren, Wenden), Mvangelüche 
Aug-sburger Confession (Slovaken, Croaten oder Wenden )j griechische 
ICaihoiiken (Ruthenen, Serben im Kreuzer Bisthume, namentlich im 
-•Sichelburger Bistricte»), ^^= endlich Griechisch-Öriejilaiische odar «Nicht- 
Unirtci» (die eigentlichen Serben oder Raiczen). Die Geschichte der 
tirch liehen Union werden wir weiter unten ausführlicher behandeln. 

In zoologischer Beziehung fand Professor Lenhossek bei den 
Slovaken den Breiten-Index 82*7, den Höhen-Index 62*3 ; bei den 
Serben 81 5, respective 62; bei den Croaten 80-7, rcspective 66-7. 




Viertes Capitel. 



Die Rumänen. 

§ 63. 

Die griechischen, d. i. die byzantinischen Schriftsteller bezeich- 
nen die Rumänen oder Ost-Romanen (Walachen) mit den Namen tblah, 
blach, vlah, vlach • ; dasselbe ist auch in unseren lateinisch geschrie- 
benen Urkunden und Gesetzen der Fall. Daraus entstand das magya- 
rische «olähi, d. i. «Walachei, welchen Namen die Magyaren von den 
Slaven übernommen hatten. Denn die letzteren hatten mit den Rumä- 
nen frühere Bekanntschaft gemacht. Der Name «oläh» kommt gleich- 
falls in den ungarisch abgefassten Gesetzen Sieben]?ürgens, ja auch in 
lateinischen Urkunden und Gesetzen vor. Im Magyarischen nennt man 
also den Rumänen « oläh », den Italiener « olasz • und sind diese beiden 
Benennungen gerade solche Völkernamen, wie z. B. die magyarischen 
«n^met» (Deutsche), «lengyel» (Pole), «oroszt (Russe), «t6t» (Slovake), 
«räcz» (Serbe) u. s. w. 6 Wie im Magyarischen, so bedeutet auch im 
Deutschen der Name «Walachei nichts anderes als «Rumäne». Das 
Wort stammt vom althochdeutschen walah, mittelhochdeutsch walh, 
walch, später wal, wall und bezeichnet zunächst Gallus (einen Gallier, 
Kelten). Von dem Stamm worte bildete man die Derivat ion im Alt- 
hochdeutschen walahisch, walhisc, walesc, im Mittelhochdeutschen wei- 
hisch, wellisch, welsch, wälsch, im Neuhochdeutschen «wälsch», womit 
der Deutsche jede Sprache benannte, die ihm eine ausländische, eine 
fremde war, vornehmlich die lateinische, dann überhaupt eine romani- 
sche, zunächst die französische, dann meist die italienische. «Wälschen» 
heisst noch heute im Deutschen «fremd, unverständlich reden»; und 
die «Wälschen» (gleichsam die Wallischen) sind dem Deutschen die 
Italiener, weil sie ihm eine unverständliche Sprache reden. Wenn also 
die Rumänen im Deutschen als «Walachen», im Magyarischen als 
«olähok» bezeichnet werden, so bedeutet dies keineswegs eine Beein- 



335 



thtigung ihrer ethnographischen Verwandtschaft, beweist vielmehr 
Romanenthum dieses Volkes ebenso gewiss, wie es durch die sonst 
lebten Bezeichnungen als « Romanen »j «Ost-Romanen», t Rumänen i 
tr «Rumimen» nicht sicherer geschehen kann.* 6 

Es war nothwendig an diese etymologische Abstammung und 
detitung des magyarischen «oläh* nnd des deutschen i Walach» zn 
nnern, weil Viele gegen den Gebrauch dieser beiden Völkernamen 
rwahmng einlegen, als ob damit eine Verachtung des rumänischen 
«Ikes ausgedrückt würde, wobei sie allerdings vergessen, dass diese 
nennungen nicht blos in Ungarn (und Deutschland), sondern auch 
Rumänien (oder in der Walachei) selbst der diplomatische Ausdruck 
len i denn dieses Rumänien wurde vordem und auch jetzt noch als 
^ngro-Vlachia » bezeichnet. ^'3 

Das rumänische Volk ist in den ungarischen Comitaten Marmaros, 
atmär, Bihar, Arad, Xrassö, Severin und Temes, dann in ganz Sie- 
nbürgen vorhanden. Ö Dieser Volksstamm besitzt in 20 Municipien des 
indes die absolute Majorität ; speciell in Siebenbürgen überwiegt er 
ty Percent alle übrigen Völkerschaften des Landes. 5^4 Ausserhalb der 
Jider der nngarischen Krone wohnen die Rumänen in der Bukowina, 
der Moldau und Walachei oder im heutigen Fürstenthume Rumä- 
in und endlich auch jenseits der Donau in Serbien, Bulgarien und 
.melien, d. i. im alten Thracien und Macedonien, ** Obgleich uns 
r die in Ungarn lebenden Rumänen interessiren, so können wir 
'h den Ursprung und die Schicksale des Rumäncnthums überhaupt 
ht übergehen, weil beide äu den merkwürdigeren ethnographischen 
»cheinungen gehören. 

Die romischen Geschichtschreiber von GirsBON bis Mom.msen, 
che die Rumänen vom entfernten Standpunkte der Universalge- 
ichte betrachten, halten das walachische Volk für directe Nach- 
nmen der römischen Colonisten Trajan*s in Dacien ; verkündigen 
> die Lehre, dass auch unsere Rumänen von den römischen Ansied- 
l des alten Daciens, d, i. Siebenbürgens abstammen. Wer jedoch 
Geschichte der Rumänen näher untersucht hat, urtheilt ganz anders. 

Schon Josef Benkö schrieb vor dem Jahre 1778 Folgendes: 
Snke nicht, dass alle Walachen von den Römern Trajan*s abstam- 
ti. In Mösien und Bulgarien lebten sie unter den östlichen Kaisern 
borgen und verbreiteten sich von dort all mal ig nach Podolien, Russ- 



i 



♦ Vgl* GRLMM, «Geschichte der deutschen Sprache», 2. Aufl Bd. L S. 226; 
:1RE1N, *Ononialischt.s Wörterbuch»» ßd. II. S. 772;. ScHWICKER, «Gesckichte 
Jemescher Banats»^ S. 435. 

** Brachelli (*Die Staaten Eiiropa's», 3- Aufl. 1875- S. 50) schätzt die 
iinimtzahl dieser Kuiiiänen auf 8*030,000 Seelen. 



laiid und Siebenbürgen, indem sie mehr von Viehzucht als von Acke 
baii lebten. Es ist ein derart fruchtbarus Volk, dass es mit der Abnahn 
der Magyaren in Siebenbürgen und in den nahen Theilen Ungarns i 
deren Stelle trat, ja seine Schaareo auch nach der Walachei un 
Moldau entsendete.» ^*5 Aohnlich urtheilt Sulzer, dass die Walache 
jenseits der Donau in Mösien, Thracien und den angrenzenden Gegen^ 
den, nicht aber in Dacien sich entwickelt haben. ^^ Auch Engel i« 
der Ansicht, dass die heutigen Walachen in Ungarn und Siebenbiirg 
von den Gefangenen aus Adrianopel abstammen, welche der Bulgaren 
fiirst Krumus im Jahre 813 diesseits der Donau geschleppt hatte (sieh^ 
oben S. 106 ff.), Gustav Wenzel nennt es eine «falsche Ansichtti 
wonach der historische Faden im alten Dacien weder durch die söge 
nannte •Völkerwanderung! noch durch die Ereignisse des späterem 
Mittelalters zerrissen worden wäre und nicht weniger falsch sei auch 
jene Annahme, dass man vom historischen Gesichtspunkt aus das alt« 
Dacien in fiinf Theile theilen könne; nämlich in iT////£'/-(Siebenbüt^ 
gen), 5'ttV-(Walachei), Öjr/-(Moldau), frtj/-(Banat und Bihar) und ii^ 
A^'orti'Daat'H (Marmaros). Dass aus solchen künstlichen und verfehltci 
Prämissen, welche mit der wahren Geschichte im diametralen Wider^ 
Spruche stehen, nur falsche Folgerungen abgeleitet werden können, isl 
nach Wenzel's Meinung selbstverständlich.» ^7 Nachdem auch wir' 
über die sogenannte « rumänische Fragen die an sich sehr interessant,! 
für Ungarn aber von besonderer Wichtigkeit ist, ein Urtheil abgeben 
müssen» so wollen wir uns vor Allem mit dem Stand der Dinge nnd 
den hierüber gehenden Meinungen vertraut machen. 

Der bekannteste, wenn auch nicht neueste Geschichtschreiber| 
der Rumänen, Kogalnitschan, ^^ betrachtete den Ursprung und die j 
älteste Geschichte der Rumänen» insoferne sie unsere Ethnographie! 
berührt, in nachstehender Weise : Trajan unterjochte Dacien; dieses j 
gerieth schon unter Kaiser Gallienus in die Macht der Gothen, wes- 
halb Aurehan (um 274) die Römer aus den Städten und Dörfern wej- 
führte und sie am rechten Ufer der Donau, in Mösien, ansiedete 
welches Gebiet dann auch Dacien benannt wurde, damit der alte Name 
erhalten bleibe (siehe oben S. 49). 

Es ist leicht zu begreifen, sagt Kogalnitscil^x, dass der grösste, 
Theil der Römer, welche fast 200 Jahre Dacien bewohnten, dieit^s 
nicht verlassen hatte. Diese vermehrte römische Bevölkerung hatte von 
den Barbaren (den Gothen) nichts zu besorgen ; vielmehr waren diese 
letJiteren als Nomaden auf die in den S/äif/tn wohmmien Römer ange- 
wiesen. Denn wenn sie die romanischen Ackerbauer belästigt hätten^ 
dann wären diese sogleich in die Berge geflüchtet, wohin ihnen'die 
Barbaren, die ohne sie nicht leben konnten, nicht zu folgen vermocht 



337 

lätten. — Auch Thierrv betrachtet den Sachverhak in ähnlicher Weise. 
Als die Gothen Herren der Karjjaten wurden, entschlossen .'sich die 
omischen Einwohner (coions) unter der Herrschaft jener zu verblei- 
en ; letztere schonten in ihnen die Kunstfertigkeiten, welche sie 
selbst nicht verstanden und den Ackerbau, den sie verachteten. Aus 
er Macht der Gothen gelangten sie (die Romanen) bald darauf in 
lie der Hunnen, sie wurden Attila's Unterthanen» Nach Attila herrschten 
iber sie noch manche andere Barbaren, welche sämratliche in den 
ömern die nützliche gewerbliche Betriebsamkeit schätzten» Auf solche 
li\^eise durchlebten diese Romanen siebenzehn Jahrhunderte, während 
elcher Zeit alle ihre Herren weggefegt wurden, sie selbst aber he- 
swrahrten unter so vielen Barbaren die Reste der römischen Cultur, die 
Sipracht\ welche eine Tochter des Lateinischen ist, und die körperliche 
Gestalt, die an Schönheit und Adel dem italienischen Typus gleichet» j»^*^ 

Hören wir die P>zählung Kogalnitschan's weiter: Die Daco- 
lomanen waren gleich den Gothen schon vor dem nicäischen Concil 
'hristen ; iVüt/tiSj der Aposfd der Darirr, /s/ zugidcßt dtr Siif/i'r des 3//7- 
mver Büihuffis, Als die Avaren nach Pannonien gezogen waren und 
»acien verlassen hatten: drang in das letztere kein weiteres Barbaren- 
olk mehr ein und die nach den Bergen getlüchteten Dacn-Romanen 
man muss also annehmen, dass sie vor den Gepiden in das Gebirge 
eßohen waren), welche unter ihren eigenen Fib-sten lebten, begannen 
ieder, sich über die Ebene auszubreiten, wr^hei sir dm Kamm ♦• Wula- 
hen^ empfingen. ^^^ 

Auch aus dem mösischen Dacicn wanderten zahlreiche römische 
e wohner, nachdem sie das friedliche Leben (ihrer Stammesgenossen) 
uf dem linken Donau-Ufer sahen, gegen das siebente Jahrhundert in 
ie Gegend zwischen dem ()lt und der Donau und setzten den aus 
iner römischen Familie stammenden Bassaraba zu ihrem Fürsten, 
^^elchem sie den Titel «Ä7«i» gaben; dieses slavische Wort bedeutet 
;o viel als ♦■ Markgraf«. Das von üjm beherrschte Gebiet aber hiess 
las «Banat von Krajowa* (= die Krajower Markgrafschaft), dessen 
Elauptort erstlich Turn-Severin, sitäter Krajowa war. 

Nachdem im Jahre 648 die Bulgaren sich mit den Daco-Roma- 
tien vereinigt hatten, setzten sie über die Donau und nahmen im Jahre 
J683 Bulgarien in Besitz. Hierauf verbanden sich die Bulgaren sowohl 
mit den daci sehen wie mit den mösischen Romanen, Unter Krum 
kämpften sie siegreich gegen Constantinopeb Der Bulgarenkönig nahm 
im Jahre 859 mit seinen Bulgaren da^ Christenthum an (siehe oben 
S. 117), zu welchem die Rumänen oder Walachen sich schon seit 320 
Jahren bekannten. Die Bulgaren bildeten im Vereine mit Afm Wala- 
.'hen bis zum Jahre 89g, bis zur Ankunft der Magyaren, ein Reich. ^^^ 

Uunfftlvy, Ethnagr. 22 






Nachdem aber die AJagyaren Pannonien in Besitz genommen unii den 
Bulgarenfürsien Szaian besiegt hattt;n^ herrsehten die Bulgaren nur 
mehr auf dem rechten Ufer der Donau, indess die Walachen oder Ru^ 
mänen in unabhänj^igen Fürsten thümern unter Fürsten aus romisrhrm 
Geblüte lebten. ^^^ Diese durch den Magyarenanführer Tuhutum uijJJiV 
Magyaren besiegten walachischen Fürsten waren Gdou, Menmoivui undJ 
G/aä; der Nachkomme des Letzteren war jener Ohium ( oder Achttrr^ 
dftn Stefan der Heilige» aber nur in Folge der Treulosigkeit Csari . 
der magyarischen Königsmacht unterwarf* Auch nach der magjarischen 
Krobenmg erhielten bich «die übrigen rumänischen Staaten» Maranm 
(sie!) und Fogaras in Sie^benbürgen, in ihrer Unabhängigkcit/^j End- 
lich anerkannten auch diese die Oberhoheit Ungarns, blieben jedoch 
unter wahichischen Fürsten^ welche stets durch die walachisc])^" Viiiun 
gewählt wurden. 

Während die ]\ragyaren Pannonien besetzten, nahmen di*: jait 
den Walachen vereinigten Kumanen die heutige Moldau und Walat'bei 
in Besitz ; ausser den Kumanen wohnten daselbst auch noch laog«, 
Zeit Petschcnegen. Neben diestin bestanden einige unFibhängige nimit- 
nische oder walachische Staaten unter rumänischen Fürsten ; in Jöf 
Walachei regierten seit 683 die Bane von Krajowa. ebenso beweist ciw 
aufgefundene Medaille die Existenz eines rumänischen Stafites in de? 
Moldau. Diese Staaten waren zu keiner Zeit weder magyarischer nuch 
slavischcr oder griechischer Oberhoheit unterworfen. Im Jahre 104I 
schliessen die unter dem Namen der Petschenegen bekannten Walacbcn 
am byzantinischen Hofe ein Bündniss gegen die Bulgaren ; im Jahre 
1123 ziehen die Walachen des irajanischen Dacien über die Doftati 
gegen die Griechen. Auch später kämpfen die Walachen vereint mit 
den Kumanen bald gegen die Griechen, bald gegen die Mag}'ari:a< 
bis im Jahre 1220 der Erzbischof von Gran einen kumanischen Fürsten 
und viele Kumanen taufte. 

Nun folgt der Mongolcnsturm, der überall Entsetzen hervwriA 
also auch in Siebenbürgen, wo Fogaras und ]Maramos die beiden 
mächtigsten Städte imd zugleich die Vororte der beiden rumäniscliCfl 
Staaten sind. Die Fürsten dieser letzteren sind nach den magyarischen 
Historikern den ungarischen Königen tributpflichtig, nach Angabe y\^ 
walachischen und moldauischen Geschichtschreiber (d'apres les autt'VUÄ 
valaches et moldaves) aber unabhängig. In diese beiden Städtt 
flüchtet sich also das erschreckte Volk, so dass der Raum zu eug® 
wird für so viele Menschen, und diese ein neues Land zur AnsiedelöHÄ 
aufsuchen mussten. Dazu kam, dass Papst Gregor IX. im Jahre IJJ4 
den König Bela IV. drängte» er möge die schismatischen Walachei 
zur rö mischten Kirche zurückbringen. Da erhob sich Rtulolf der Si/iwarst 



339 



ladu Negru I.) im Jahre 1241 zu Fogaras und führte sein Volk über 
5 Gebirge nach der Walachei, wo er sich an den Quellen der Dim- 
i^tza auf dem « langen Felde » (Campii-Lungo) niederliess. Im fahre 
45 breitete er sein Gebiet weiter aus, indem er sich die Capitanate 
i der t kleinen Walachei* vom Oit (Aluta) und der Donau bis ztlü 
Breth unterwarf. Das neue Fürstenthum wurde von den Walachen 
ferra ronianesca » («rumänisches Land»), von den Byzantinern «Ungro- 
iachia», von den Magyaren * Havasalföld » genannt. 

Rudolf erbaute alsdann die Städte Pitescht, Argisch, Tirgowischt 

id Bucarest und trat auch; mit dem Ban von Knijowa, Bassarab, in 

» Bündniss. Schon zur Zeit Aurelian's hatte sich eine römische Fa- 

ilie ausgezeichnet ; diese spaltete sich später in zwei Zweige, von 

ifien der eine in Krajowa, der andere in Fogaras die Herrschaft 

sass ; Rudolf war also mit dem Ban von Krajowa verwandt. Ans 

tn Gefolge Rudolf's entstanden die Bojaren, die Edeln des Landes. 

it Einem Worte : Rudolf ist der Begründer der Walachei, der sein 

zes Regierungs System nacA dt??i Muster der walachisckcn Köni\^i jen- 

'h der Donau gestaliek. 634 KoGALNiTSCPiAN setzt dann die Geschichte 

n Ungro-Wlachien und von dessen Kriegen mit den ungarischen 

önigen Carl L, Ludwig I. und Sigismund fort bis zu jener Zeit, da 

le Herrschaft der Türken beginnt. 

Auch in der Moldau bestanden kleine rumänische Staaten, welche 
doch von den Tartaren mehr bedrängt wurden, weshalb dieses Land 
ne Zeit auch « Sfhwarz-Kumanün » genannt wurde. Diesem Zustande 
lachte im Jahre 1354 Bragosck, der Sohn des Maramoser Königs 
Dgdan, ein Ende, indem er aus der Marmaros nach der Moldau zog 
*d dort das bis heute fortbestehende Fürstenthum errichtete. 
[^ Jenseits der Donau lebten die durch Aurelian aus Dacien her- 
^geführten Nachkommen der Römer als Daco-Romanen bald unter 
•niischer, bald unter barbarischer oder griechischer Herrschaft bis 
t Ankunft der Bulgaren, welche sich mit den Walachen vereinigten, 
^e als tmosische Wahcken» (Macedo- oder Kutzo- Walachen ) bekann- 
^ Rumänen verwechseln viele Schriftsteller mit den Bulgaren. Die 
fecht der Bulgaren brach der byzantinische Kaiser Basilius IL Nahezu 
f^i Jahrhunderte später bewogen Peter und Asan, zwei Walachen vom 
llkan, die Rumänen und Bulgaren 2:um Aufstand. Diese balkani sehen 
äinänen verbündeten sich wiederholt mit den Kumanen gegen die 
Piechen ; aber sie blieben stets gesondert von den Bulgaren. Endlich 
ftg ihr Königlhum im Jahre 1394 durch die Türken zu Grunde. 
Htdem vermochten die Walachen, welche die Schriftsteller falschlich 
iit den Bulgaren vermischen, nicht, ihre frühere Selbständigkeil zu 
ingen. Bis zum heutigen Tage kennt man sie inThracien und Macedo- 

22* 






nien unter den Namen iVaiachai, Aui 
Wlachen, Zinzaren ; sif leben jetzt von Viehzucht, vordem aber war der 
Krieg ihre Beschäftigiing. ^*s Doch bewahrten sie ihre Sprache, 
gleich diese zahlreiche griechische und türkische Wörter aufgenommen 
h4p; in der Schrift bedienen sie sich der griechischen Buchstaben, iu 
dieser Beziehung unterscheiden sie sich von den Walachen diesseib 
der Donau. Denn auch Wlad Draku entsendete im Jahre 1459 die 
Metropoliten von Bucarest und Tirgowischt auf die Synode nach Flo- 
renz, wo sie die Union mit der römischen Kirche unterzeichnet« 
Nach ihrer Rückkehr wollte aber weder die rumänische Geistlichkei 
noch das Volk von der Union etwas hören ; ja man verwarf sogar dij 
lateinische Schrift und nahm an deren Stelle die slavonischen od 
c)Tillischen Buchstaben an, um sich nur desto mehr von den abeni 
ländischen Lateinern zu unterscheiden. Alle lateinischen Urkunden 
und Handschriften wurden %*erbrannt; deshalb gibt es so wenige latci- 
nisch geschriebene Geschichtsquellen für die Geschichte der Walachrn 
vor dem Jahre 1439. Auch die Messe wurde fernerhin weder in latei- 
nischer noch in rumänischer» sondern in slavischer Sprache gelesen; 
in dieser schrieb man au c h d i e B üc h er , o bg l e i ch d i ese S p ra c h o wed e r dtf 
Geistliche noch der gemeine Mann verstanden* Von daher stammt 
die grosse Unwissenheit und der Abcrglaybe unter dem walaehischen 
Volke. 63^ 

Das ist das Wesentliche der historischen P>zählung Kot;ALVi- 
tschan's. Das Ganze ist jedoch nichts Anderes als eine «gemachtet 
Geschichte, oder vielmehr ein historischer Roman, der indess ohn<^ 
jene geschichtliche Wissenschaft geschrieben ist, wodurch z. B. ii; 
Romane Walter ScorT*s sich auszeichnen. Den historischen Roman 
der Walachen begann Peter Major de Ditsö-Sz.-Marton mit seinm 
Buche über die Anfange der Rumänen, das im Jahre 1812 in OlVn 
erschien. **37 

Nach KoGALNiTSCHAN wurde die Geschichte der Rumänen von 
Anderen theils erweitert, theils verschönert, da man auch stets ne«i* 
unbekannte Chroniken entdeckte. Wir haben bereits (oben S. 336) P"^ 
sehen, wie Laureani sich die Eintheilung des alten Daciens vorstellte 
obwohl die Römer hievon nichts wussten* Im Jahre 1856 erschien 
sodann zum ersten Male ein Heftchen, w^dches die angeblich aus dem 
Jahre 1495 stammende altrumänische Uebersetzung einer ursprünglich 
lateinischen Chronik (Cronica lui Hurul) enthält, worin die Entstehuni^ 
des moldauischen Staates in folgender Weise erzählt wird: 

Nachdem die Regiere f ig' Roms den Statt ha Hern und Beamten äa' 
Prm*iN2 Dada Trajatia den Befehl gegeben, wegen d^r immer heßit^ct' 
werdenden Tnra^ionen der Feinde die Sfddfe nnd /'es/nni^en zu ratnHf^ 



341 

mit allen Besoohnern sowie allem P^olke, mit Habe und Vieh nach 
Kr/a (MosienJ zu ziehen, ergriff Best ürziing das ganze La?id und Alle 
tigerten sich nach Jassy zu gehen an den Hof der Legion Trajans des 
rossen ^ um über die drohende Umumlzung zu berathen. Sie fanden 
^assy in Ruinen, von den ausgezogenen ^^ Soldknecbteu^ in Brand ge- 
steckt Ufui verlassen. Desgleichen waren aifch die anderen Alietklings- 
legionen abgezogen und hatten die schinien grossen Städte des Landes 
Capu-hou^ Kilia und Tira nieder gebranfit. Die Einwohner aber hliebefi 
im Lande und schritten zu einer Berathschlagung, in der man bcsshloss, 
im Lande ^ *^ welches die Ahnen mit ihrem Blute erobert hatten^, zu ver- 
bleiben. Nun begann man die Einrichtung des Staatswesens auf Grund 
der alten romische?! Gesetze. Das Land — die Moldau — wurde in drei 
Gerichtssprengel ein gel heilt. In jedem Vororte dieser Gerichtssprengel 
sass ein Grossrichter, welchen zwölf Prätor ianer, geimhlt aus den Grund- 
herren des Landes, als Beisitzer umgaben. So wurden auch drei Armee - 
Ca^itanate eingerichtet. Äfan versah die Gas teile Ojtuz, Tulgisck, Ro- 
schätz, Krajule, KajuL Katilina, Taifale und andere mit Besatzung, 
erklärte alle Aeniter und Xv^Hrden für 7vählbar, ihre Dauer auf fünf 
yahre^ die Wählbarkeit zu ihnen auf Grundbesitzer beschränkt. Wieder- 
wahl solle gestattet sein. Unter diesen z'on den « Römern * eingesetzten 
Aemtern begegnen ivir dem ^Schultuzyi fSchultheissJ, dem ^P ur- 
gar^ (BiirgerJ und anderem Aehnlickem. Ä^achdem die Verfassungs- 
jnnta auch noch die Cos turne der gesa?nmten Würdenträger bis in die 
kleinsten Details festgesetzt hatte, schritt man zu den Wahlen und die 
wohlunterrichtete Chronik weiss alle JVamen der zuerst gewählten Wür- 
denträger. — Es kbnfite zwar auffallen, dass u fiter diesen römischen 
Aemtern in der Moldau um das fahr sys auch ^iSchultheissen und 
* Bürgern vorkommen, allein derlei JCltinigkeiten bekilmmern den Fabu- 
listen nicht, der, wie es schein^, auch nichts weiss von dem Hasse der 
Moldauer gegen die lateinische Sprache und Schrift (siehe oben S. s^o^ 
wie solches Kogalniischan z7^ erzählen wusste ; denn sonst Matte ja 
nach dem yahre 14 jg ein Rumäne kaum eine Chronik in lateinischer Spra' 
che schreiben können. Uebrigens gebührt der Ruhm, seiner A^ation die 
Chronik Hurul's geschenkt zu haben, dem Herrn Georg Kostaki 
fCostachij, ^38 



Den älteren Historikern Benkö, Sulzer, Engel u* s. vv. waren 
solche walachische Geschichtsquellen und die darauf gebaute rumänische 
Geschichtsmacherei unbekannt ; ^^^^^n diese letztere erhob sich unter den 
Historikern der Gegenwart insbesondere der leider zu früh verstorbene 
Geschichtsforscher Dr. Robert Roesler (zuletzt Professor an der 
Grazer Universität), der sich mit der Geschichte der unteren Donau- 
länder auf das Eingehendste beschäftigt und in einer Reihe von Ab- 
handlungen, zuletzt in seinem Hauptwerke; «Romanische Studien», 
den Beweis erbracht hatte^ dass die Rumänen oder Walachen weder 
in den Donaufürstenthümern Moldau-Walachei, noch in Siebenbürgen 
und Ungarn ursprüngliche Eingeborne seien, wie das gemeiniglich an- 
genommen wird ; sondern, dass sie im Süden der Donau, im heutigen 
Rumeüen mid Bulgarien, entstanden und von dort hierher übcrsie<Ielt 
seien, wo sie erst seit dem Ende des 12* oder dem Anfange des 13. 
Jahrhunderts als ständige Einwohner erscheinen. ^39 Diese «rumänische 



Frage» bürJet also einen Haupttheil der ethnographischen Geschichte 
von Ungarn und Siebenbürgen. 

ROESLER behauptet nicht nur, sondern ex vermag: auch mit Gran- j 
den und Thatsachen aus der Sprachwissenschaft und der Geschkhtt 
zu beweisen. Und weil es insbesondere schwierig ist, alle historiscLen 
Thatsachen insgesammt vorzubringen, so unterzog jüngstens JitlitoI 
JunCM die Behauptungen Rorsler's einer neuen Prüfung, wodurch die 
interessante, wichtige Frage noch deutlicher beleuchtet wurde» ohndj 
dass jedoch die Aufstellungen Roesler's ihre Unterlage verloren hl 
ten, wovon wir uns überzeugen werden, sobald wir sowohl Roes 
als Jung angehört haben. Die Resultate der Forschungen Beider wer- 
den wir dann unserseits durch solche Thatsachen ergänzen, welche der 
Aufmerksamkeit der ausländischen Gelehrten entgangen sind. 



§ Ö4. 

Nachdem Trajanus Dacien unterworfen hatte, wurden aus allen 
Theilen des Reiches Colonisten zur Bevölkerung der Dörfer und Stadtf 
in dem durch die Kriege entvölkerten Lande angesiedelt. ^4' Die neui 
Einwohner kamen, wie man aus den römischen Stein -Inschriften 
Siebenbürgen ersieiit, nicht aus lialien (das für sich nicht stark bevöl 
kert war), sondern aus Dalmaiien, aus Kkin-Asicn, selbst aus Syrii 
waren ^so Stämme mit verschiedener Muttersprache; aber die Sprache 
der Verwaltung, des Heeres, ja auch die des öffentlichen Verkehr* 
war unbedingt die römücht^ welche sonach der eingewanderten Bevölke- 
rung mehr weniger ^M(i?«w/ sein musste. Dacien bietet zu dieser Zeit ein 
sociales Bild wie Ungarn bis zur neuern Zeit, wo gleichfalls eine viel- 
sprachige Bevölkerung unter lateinischer Gesetzgebung, Verwaltun: 
und Rechtspflege lebte. Aus den Urkunden des öffentlichen Leb 
in Ungarn, ja aus den Werken von Franz Kollär, Prav, Katon. 
CoRNiDES, Benko Und Anderen liesse sich folgern, dass Ung 
gesammtes Volk ein einheitliches, und zwar ein lateinsprechendes Vol 
gewesen sei. Man zieht vielleicht in derselben Weise auch aus den latei; 
sehen Stein-Inschriften den nicht weniger falschen Schluss, dass die 
mischte Bevölkerung Daciens sämmtlich lateinisch gesprochen habe. Noch 
mehr täuschen sich aber jene rumänischen Schriftsteller, welche sieb 
auch in der Marmaros und andernorts eine lateinisch sprechende Be- 
völkerung denken. Die neuen Ansiedler besetzten hauptsächlich den 
westlichen Theil Siebenbürgens, dann die Kleine Walachei bis 21 
Oltfiusse und das Banat ; hier blühte auch das städtische und industriei 
Leben ; den Osten Siebenbürgens, oder gar die Marmaros und di? 
Bukowina berührte die römische Colonisirung nicht, was auch der 



4 

.4!^ 



, 343 

Maiigel an Stein-Inschriften beweiset ; dort verblieb also das dacische 
Volk (mochte es welcher Sprache immer angehören) compact bei- 
sammen. 

Nach Verlauf von kaum awei Jahrhunderten führte Aurelianus 
die römischen Colonisten, die amtliche und bar^^^erliche Societät, aus 
Dacien wieder heraus und siedelte sie in Mösien an, das gleichfalls so 
entvölkert worden war, wie ehedem Dacien, Man kann annehmen, dass 
w^ährend 200 Jahren die gemischte Bevölkerung, welche die römische 
Provinz ausmachte, vollständig lateinisch geworden ist; allein dasselbe 
lässt sich keineswegs von jenen ursprünglichen Dakern denken, welche 
2U den Romern im Unterthanen-Verhültnisse standen ; am allerwenig- 
sten kann man dies jedoch von den frei gebliebenen Daciern anneh- 
men, da diese den Römern gegenüber in einem feindlichen Verhält- 
nisse verharrten* Die Auswanderung der römischen Colonisten geschah 
wohl nicht bis auf den letzten Maiin der lateinisch sprechenden Bevöl- 
kerung, wie RoESLER meint ; ^ sondern es verblieb daselbst die Masse 
des dacischen Volkes, welche die Last der römischen Herrschaft ertra- 
gen musste und dieser ein werthvolles Material sowohl für das Heer 
wie für die Finanzen war. Von dieser Masse behauptet JunGj dass an 
ihr • die Römerherrschaft nur insofern nicht spurlos vorübergegangen 
war, als sie während derselben einen romanischen Banerndiaieci eritrtü 
haut und seitdem mit Aufgabe des isolirten dacischen Idioms die 
Sprache der einstigen Bezwinger gebrauchte und gebraucht. Diese 
träge Masse hatte bei dem Wandel der Dinge nichts zu verlieren und 
blieb wohl sitzen auf ihrer Scholle, dem neuen Herrn Zins zahlend 
wie früher dem alten* » ^3 Nach Jung's Auffassung war also das ursprüng- 
liche dacische \V)lk im heutigen Siebenbürgen bereits romanisirt, als 
die Gothen dieses Land in Besitz nahmen. Diese Ansicht unterstützt 
er auch durch Folgendes : In Thracien bestand noch zur Zeit Diocle- 
tian's (um das Jahr 304) neben der lateinischen Sprache auch die 
thrakische. Man kann also ohne Zögerung, meint ei% der Meinung 
ToMAiscHKK's beitreten, welcher in diesen Thrakern^ namentlich in den 
Bcssiern die Anfänge der heutigen Z/wSi?r^« o^^^x Kuizo-Walachen erblickt, 
womach die Romanisirung der Thraker oder Bessier zu jener Zeit 
geschehen sei, als die Gothen ihre Ansiedelungen im Häraus und in 
Thracien begannen. Das eingeborne (romanisirte thrakische) Volk war 
genöthigt, in dem bereits liebgewonnenen Romanentbume eine Stütze 
zu suchen gegen die Gothen. ^4 Wenn dieses so fest stünde, wie 
Jung denkt, dann wäre die These Roesler*s, dass die Anfänge der 
heutigen Rumänen oder Walachen nicht in Siebenbürgen, sondern in 
Thracien entstanden sind, widerlegt* 



344 

Allein die erste grosse Frage ist: Von wem konnten die Dacier 
einen «romanischen Batierndialpct • erlernen? Nach unserer gesammteti 
Kenntniss haben die aus verschiedenen Ländern, doch nicht aus lialitn 
herstammenden neuen Bewohner in Dacien, wenn sie auch die romi- 
sche Sprache angenommen haben — wie solches die Inschriftsteine 
beweisen — doch keinen Mromanischen Bantrttdiakciy*^ sondern die lata- 
nische Schrift spräche sich angeeignet. Der Dialect oder die Sprache des 
gemeinen Volkes entsteht nicht bei jenen, welche die gebildete «der 
Schriftsprache erlernen ; sondern nur bei dem ursprünglichen Volke 
dieser Literatursprache selbst. — Auch noch andere Fragen erheben 
sich gegen die Auffassung Jung's. 

Darnach hätte das Walachische zwei besondere Anfange, einen 
dßchchtn und einen tfirakischm gehabt. Ist diese Ansicht annehmbar? 
Das kann nur die Sprache entscheiden. Nach der Auffassung von 
Ji^'NCr und ToMAscHEK wäre die walachische Sprache vom dritten bis_ 
zum zwölften Jahrhundert, also durch volle neun Jahrhundertt, in vo 
einander entfernt liegenden Ländern, somit unter verschiedenen Vc 
hältnissen tmd unter verschiedenen Einflüssen auf dieselbe Wasc tntstan 
dai und häiie sieh auf diiseibe Wtise f orten fivickeit. Man kann zwar 
Dacier und Thraker als nahverwandte Volker betrachten (siehe obe 
S. 63), aliein die Identität beider wird Niemand zu behaupten wageri 
weil wir von beiden viel zu wenig wissen. Allein selbst zugegeben dies! 
Identität, was die gleichfürmige Umgestaltung des Lateinischen sowohl 
im nördlichen (dacischen), wie im südlichen (thrakischen) Rumänische 
erklären würde, z. B. den Uebergang des Kehllautes in den Lippen 
laut wie lateinisch «aqua^ rumänisch *apa», lateinisch <<lacte», rumi 
nisch «lapte», lateinisch «lingua», rumänisch «limba» u, s. w. ; od<] 
die Veränderung des 1 in r, wie lateinisch « sal », rumänisch • sareii 
lateinisch « sol », rumänisch »sore»; ferner die Nachsetzung des An 
kels, wodurch das Rumänische sich von sämmt liehen übrigen roraanj 
sehen Sprachen unterscheidet — zugegeben diese Identität : ist 
denkbar, dass die fremden, und zwar sehr verschiedenen Völker uq 
Sprachen dieselben Erscheinungen im Rumänisclien hervorrufen ktmfl 
ten ? Darauf müssen wir antworten, dass eine solche Annahme 
unserer gesammten historischen Erkenntniss und Erfahrung im Wide 
Spruch stehen würde. 

Nach der Ansicht Juxg's waren die dacischen oder siebenbiirg 
sehen Walachen bereits vor der Niederlassung der Gothen romanis 
und doch herrschten die Römer hier nur von 107^275, also nic^ 
völlig 200 Jahre. Nach den Gothen kam durch mehr als 100 Jahre d| 
Herrschaft der Gepiden ; sodann die dritthalbhundertjährige Herrsch 
der Avaren ; auf die Avaren folgten nach der Ansicht einiger Flistorii 



345 



Bulgaren, die damals noch nicht slavisirt sein konnten ; nach der 
inimg ^\nderer — und das bezeugep auch, wie wir g^es'ehen haben, 
die Fluss- und Ortsnamen in Siebenbürgen — verbreiteten sich schon 
während der Avarenherrschaft bis zur Ankunft der Magyaren die Sla- 
ven über Siebenbürgen* Dagegen südlich der Donau war ausser den 
lateinischen oder römischen Legionen noch allerlei romanisches Volk 
nicht blos von 107 — ^275, sondern von der Zeit vor Christi Geburt bis 
zum Beginne der Türkenherrschaft, also mindestens bis zum Jahre 1350, 
d, i, ungefähr 1400 Jahre, ständige Bevölkerung, Und in diese Gebiete 
wanderten ausser den vorüberziehenden Gothen und den bald slavi- 
sirten Bulgaren nur slavische Völkerstämme und nahmen davon dauernd 
Besitz, so dass zur Zeit des ungarischen Königs Stefan des Heiligen 
von der Donau bis an die Süd spitze des Peloponnesiis mit Ausnahme 
der ursprünglichen ihraki sehen, lateinischen und griechischen Völker 
nur sluvisch sprechende Stämme wohnten- Wo konnte also eher ein 
t romanischer Bauerndialect » entstehen, in Dacien, wo ein solches 
romanisches Bauern volk, dessen Sprache die Dacier hätten erlernen 
können, gär nie gewesen ist, oder in Thracien, wo solche romanische 
Bauern seit Christi Geburt immer vorhanden waren und wo die Thra- 
ker hinlängliche Zeit hatten, eine solche Sprache zn erlernen ? Und 
dann : Wie hätte sich die rumänische Sprache unter den ungeheuer 
verschiedenen ethnographischen Verhältnissen im siebenbürg^ischen Da- 
cien und in den südlich von der Donau liegenden Ländern gleich- 
massig entwickeln können ? — Das Walachische konnte nur an tmfm 
Orte, und zwar südlich von der Donau entstehen. 

Das bezeugt auch der Name des walachischen Volkes selbst. 
Dasselbe nennt sich « Romanen » oder « Rumunen u. In Dacien bestand 
dieser Name niemals; denn die Römer nannten Dacien zu keiner Zeit 
das * romanische * oder * rumunische». Dagegen bezeichnete die byzan- 
tinische Amtssprache das Gebiet um Constantinopel, das alte Thracien, 
als « romanische •♦ Provinz und diese Benennung überging dann auch 
an die Türken j bei denen das ehemalige Thracien heute, Vilajet i?wff/-r"// 
oder « /?//;?/ », in den Geographien ^n Rumelhni^ genannt wird. Hier in 
Rumelien entstand auch das *t rumänische » oder « rumunische » Volk 
und seine Sprache. Sowohl Kogalnitschan als Thiekry und Andere 
stellen sich vor, dass in Dacien die gehiidiit' siädüsche Bevölkerung ver- 
blieben sei, deren Industrie und Cultur die aufeinander folgenden bar- 
barischen Eroberer geschont hätten. Was wir von den Anfängen der 
Rumänen wissen, bezeichnet diese als ein Baiunivoik, das sich haupt- 
sächlich mit der Viehweide beschäftigte und von der Viehzucht lebte. 
W^enn wir uns dagegen wie jene Historiker diese ursprünglichen Ru- 
mänen als ein gebildetes Städtevolk denken sollen, so bleibt es unbe- 



greiflich» weshalb die alten Städtenamen nicht erbalteTi blielien. ' 
ja doch, wie jene Schriftsteller meinen, sogar die Avaren auf den GcJ 
werbefleiss jener dacischen Römer angewiesen und würden folglicli 
auch die nach den Avaren fol^^enden Slaven diese städtischen Imiu-j 
striellen nicht Ijebclligt haben und so wären uns auch die Namen d« 
Städte unbedingt erhalten geblieben. Was sehen w*ir in dieser Bezii 
hung in anderen Ländern ? Von England angefangen bis zum schwarJ 
zen Meere erhielten sich die römischen Städtenamen, obgleich hiei 
das römische Volk gänzlich verschwand ; denn es blieb die Traditio) 
die mündliche Ueberlieferung ununterbrochen fortbestehend. Im Go 
gensatze zu diesen allgemcioen Erfahrungsthatsachen findet man jed^Klaj 
dass keine einzige der Städte in Siebenbürgen ihren römischen Nimei 
bewahrt hat, was nur durch die totale Unterbrechung der Traditioirl 
erklärbar ist. Nichtsdestoweniger solle das rumänische Volk selbSi ohne 
Unterbrechung hier fortbestanden und die alten römischen Städte, 
wo wir deren Spuren finden, mit slavischen Namen belegt haben, wie 
i, B» die berühmte dacische Hauptstadt Sarraizegethusa, die spätere 
stolze Ulpia Trajana, mit dem slavischen « Gredistye »» ! Das wäre uner- 
hört, aber auch unglaublich. Jung weist zur Bestätigung seiner Ansicht, 
dass die Rumänen in Siebenbürgen entstanden seien, auf das Beispiel 
der Ladintr, auf dieses romanisch sprechende Volk Südtirols hin, von 
dem die Geschichte des Mittelalters in ähnlicher Weise nichts berich- 
tet, das aber gleichwohl existirt. also auch immer bestanden hat* Die 
Aehnlicbkeit wird indess bedeutend durch den Umstand geschmälert, 
dass die Ladiner die nördlichen Nachbarn der Lombarden, somit von 
den übrigen Romanen durchaus nicht so abgeschieden waren, wie das 
bei den siebenbürgischen Walachen der Fall ist. Ferner haben sich 
auf iadimsifum Boden und auch darüber hinaus die lateinischen Orts- 
namen erhalten ; in Siebenbürgen verblieb aber kein einziger dersel- 
ben. Bei den Ladincrn wurde also die Tradition nicht unterbrochen; 
in Siebenbürgen ist sie vollständig zerrissen. Demzufolge können die 
Ladiner die Nachkommen der alten römischen Colonen sein ; die si© 
benbürgischen Walachen aber sind es nicht. 



§ 65. 

Nach dem Zeugniss der Geschichte erscheint die erste Spur dß 
Walachen in Thracien im Jahre 579, als im Heere des griechisch^'n 
Kaisers ein Missverständniss panischen Schrecken bewirkte. Eine^ ^Ififj 
Lastthiere hatte nämlich seine Last fallen lassen und schleppte sie aül 
der Erde nach. Der Besitzer des Thieres ging voraus, ohne es gew'ahj 
zu werden. Da rief Jemand in seinem Rücken ihm in der Lande* 



347 



prache zu: «Toma, torna fratre N (Wende dich um Bruder i) Die 
Soldaten des Zuges bezogen diesen Ruf auf sich, brachen in denselben 
ans tind stoben in eiliger Flucht auseinander. Die angeführten Worte 
des Soldaten gehören einer romanischen Sprache an und legen ein 
Zeugniss dafür ab, dass Soldaten, deren Muttersprache ein romanischer 
toialect war, im griechischen Heere dienten. *^45 

Im Jahre 968 begegnet man zum ersten Male dem Namen 

blach 9 ; es wird nämlich erzählt, dass ein Eulgaren-Anfdhrer David 
auf dem Wege zwischen Kastoria und Prespa bei den sogenannten 
t schönen Eichen« in Macedonien durch eimge « wlachische Wanderer* 
^ermordet worden sei. ^^ Im Jahre 1013 machte das Heer des Kaisers 
Basiiius IL durch den Hauptpass *Kimba longu» (d. i. Langenfeld) 
einen Einffill in das Bulgarengebiet ; das ist der erste bekannte rumä- 
nische Ortsname, ^^^ den man dann später auch in der Walachei und 
Moldau antrifft. Im Jahre 1027 erscheinen in dem griechischen Heere 
gegen die Sarazenen in Sicüien auch » Wlachen ». ^^ Zahlreiche Wala- 
•chen dienen auch im Feldzuge Alexius I. gegen die Rumänen (1091). 
^Die Kreuzfahrer rühmen den Reich'lihum des Landes fFlachia» in der 
Nähe Thessalonichs.^9 Im 13. Jahrhundert führte Thessalien den Ka- 
men Gross-Wiachien {f*,i-/a,M ^>^»x>^a>) ; in Aetoiien und Acarnanien gab 
CS ein Klein- Wiachün (.««^ Bä«x'«) ; die alte Dolopia, das südöstlichste 
Gebiet von Epirus, hiess Oher- Wlachien. ^s^ 

Aber insbesondere unter den Bulgaren machen die Walachen 
sich bemerkbar ; hier waren sie die Nachkommen der in die mösischen 
Städte angesiedelten alten Römer, sowie der von Aurelian herüberge- 
führten dacischen Colon isten. Die Macht der Bulgaren brach Basi- 
iius IL und indem er das heutige Bulgarien in eine griechische Provinz 
verwandelte, schied sich das römische Element allmäüg von den sla- 
visirten Bulgaren ab. Als dann später Kaiser Isaak IL sich im Jahre 
II 83 mit der Tochter des ungarischen Königs Bela III. vermählte, 
;\vtirde zur Deckung der Kosten dieser glänzenden Vermählung auf die 
Bewohner der Provinz zwischen dem Hämns und der Donau eine 
schwere Steuer ausgeworfen. Aus diesem Grunde empörten sich zwei 
w^alachische Brüder, Peter und Asan, gegen die Regierung in Con- 
stantinopel. Daraus entstand ein langwieriger Krieg, während dessen 
die Walach en-Bulgaren sich mit den nördlich der Donau hausenden 
Kumanen gegen die Griechen verbündeten. Häufig flüchteten auch 
Walachen und Bulgaren zu den Kumanen und kehrten dann mit kuma- 
nischen Heerschaaren wieder zurück. Von dieser Zeit an spielten die 
Kumanen auf der Balkan halbinsel eine grosse Rolle. Das wichtigste 
Ergebniss dieser Beziehungen w^ar aber, dass stets mehr Walachen und 
Bulgaren auf das linke Ufer der Donau übersiedc^lten. Um diese Zeit 



34« 

trelen die Walachen auch in Siebenbürgen auf: die erste and älteste 
Erwähnung derselben in diesem Lande geschieht in dem sächsischen 
Freiheitsbriefe des Königs Andreas IL vom Jahre 1224, worin sie neben 
den Petschenegen angeführt werden, ^si Bis auf diese Zeit findet sich 
kein historisches Zeugniss von den Walachen in Siebenbürgen, in der 
Moldau und Walachei. 

Diese Behauptung Roesler's wird, so meint Wilhelm Toma- 
SCHEK, ^s^ durch eine bisher unbeachtet gebliebene Thatsache widef- 
legt, Kaiser Manuel setzte seinen Neffen Andronicus Comnenus zum 
Statthalter von Ä'is</t und Braniisckavo ein (N**«»? tt i^mt B5«><t^«,"?vc- 
Da dieser jedoch nach dem Leben des Kaisers strebte, wurde 
in Gefangenschaft gesetzt, aus der er aber entfloh und nach Halii 
zu entkommen versuchte. Als er schon nahe bei dieser Stadt mj 
nahmen ihn die Wiachen, die von seiner Flucht Kunde erhalten halK 
gefangen. Das geschah im Jahre 1164. Siehe da, meint ToMASCHiJ 
wir finden also schon damals Walachen in der Moldau oder in Bess; 
rabien ! - — Allein diese Thalsache kann doch nur so viel bezeugei 
dass auch schon vor dem Aufstande Peters und Aschans die Ausws 
derung der Walachen von jenseits der Donau zn den Rumänen ihref 
Lauf genommen hatte. 

Die historischen Zeugnisse werden durch das Wesen der wala- 
schtn Spracht' nicht blos gerechtfertigt, sondern auch näher beleuchtet und 
unterstützt, Djez, dieser berühmte Kenner der romanischen Sprachen, sai 
dass das Walachische noch nicht zur Besinnung gekommen war, als 
fremde Element bereits auf dasselbe einwirkte. Das Gefühl der Assimilati< 
war bei ihm so unentwickelt, dass es das Fremde im Wortlaute aufnahi 
Dieser östliche romanische Bauemdialect («Lingua rustica») ist kaum 
Hälfte lateinisch. Das Wörterbuch weist z. B. unter dem Buchstab« 
«b» nur 42 lateinische, aber 105 fremde Wörter auf. <>sß Wenn die w 
lachische Sprache derart beschaffen ist, so müsste sich in clerselbt 
von den Gothen und Gepiden unbedingt auch germanisches Eleme« 
vorfinden, falls das walachische Volk in Siebenbürgen oder in d< 
Trajani sehen Dacien entstanden wäre. Allein dieses Element fehlt 
dieser Sprache vollständig ; die wenigen deutschen Ausdrücke, die 
rumänische Lexikon aufweist, sind modernen Ursprungs, sind aus d< 
sächsischen Dialecten Siebenbürgens entlehnt worden. ^54 Auch v\\ 
türkische Wörter sind im W^alachischen ; doch ist es schwer zu ei 
scheiden, ob diese direct aus dem Osmanli-Dialecte oder aus d< 
Kumanischen stammen, "^ss Desgleichen sind die mag}'arischen Elemei 
im Rumänisch tn wie die Deutschen von neuerem Datum unJ kr.mrr 
auch nur bei den nördlichen Walachen vor. 



349 

Allein es gibt in der rumänischen Sprache auch eine Menge 
Igriechischer und arnautischer EIementi\ Aus? dem Griechischen sind 
f nicht blos jene 20 — 40 Wörter entlehnt, welche durch die griechische 
Kirche und Geistlichkeit oder jene noch geringeren amtlichen Aus- 
drücke, welche durch die lange Zeit in den Donanfiirstenthümern herr- 
schenden griechischen (phanariotischen) Hospodaren (von den neueren 
rumänischen Schriftstellern «domni» [«Herren»] genannt) in das Ru- 
mänische gebracht worden sind ; ^56 sondern wir. meinen hier nament- 
lieh jene vielen Wörter, Suffixe und Bildungen, die nur in Folge des 
langen Beisammenwnhnens mit Griechen und Arnauten aufgenommen 
werden konnten. Einerseits der Mangel des gemianischcn Elements, 
I anderseits das Vorhandensein des Griechischen und Amautischen in 
der walachischen Sprache beweisen, dass das rumänische Volk nicht 
im Trajanischcn Dacien oder im heutigen Siebenbürgen entstanden i«t, 
. sondern in den südlich von der Donau gelegenen Provinzen, 

Am 2;ahl reichsten ist im Rumänischen das slavische Element. 
Nach ScHAKAKiR beträgt dasselbe den fünften Theil des rumänischen 
Sprachschatzes. Die neurumänischen Schriftsteller suchen dasselbe all- 
mälig auszumerzen. Dieses Element konnte zwar auch in Siebenbürgen 
in die walachische Sprache gelangen, da hier seit dem sechsten Jahr- 
hundert eine slavische Bevölkerung lebte und unter und nach der 
^avarischen Herrschaft an Zahl zugenommen hatte. Allein das Slavische 
im Rt3mänischen ist dem Altslavonischen oder Altbulgarischen ähnlich; 
weist somit auch auf südlichen Ursprung hin. In neuerer Zeit übt auch 
das Ruthen i sehe auf die nördlichen Walachen in der Märmaros und in 
der Bukowina einen Einfliiss aus. 



§ 66. 



Die siebenbürgisehen Eluss- und Ortsnamen beweisen deutlich, 
dass die Magyaren, als sie dieses Land alhnälig in Besitz nahmen, 
dort nur eine dünne slavische Bevölkerung angetroffen haben ; deshalb 
konnten die ungarischen Könige im Osten Siebenbürgens die magya- 
rischen Szt^kler, im Nordosten, Südosten, Süden und anderwärts die 
deutschen oder sächsischen Colon isten ansiedeln. Zu den alten Namen 
treten zuerst slavische, später magyarische Fluss- und Ortsnamen. 
Wenn daselbst Rumänen in einer relativ grösseren Anzahl vorhanden 
gewesen wären* dann würden Namen wie «Szolnok», • Belgrads (das 
magj^arische «Fejervär» =^ Weissenburg) u. s, w. nicht entstanden sein. 
Zuletzt erscheinen die Walachen, welche überall die slavischen Benen- 
nungen acceptiren oder die magyarischen Namen unbedeutend modili- 
ciren ; so nennen sie auch die berühmte Ulpia Trajana nur mit dem 



3S0 



slavischen «Gredistye», wie wir das schon des öftern emähnt feabcnl 
Darum erhalten aber auch die Berge, die ersten Aufenthaltsorte den 
walachischen Hirten, falls sie ihre slavischen Benennungen nicht bewahJ 
ren, rumänische Namen. Endlich ist noch ein entscheidender Utnstwidj 
vorhanden, der diese Aufeinanderfolge der siebenbürgischen Bevölkc-j 
rung unwiderlegbar macht, nämlich das religiöse und kirchliche VerJ 
hälmiss* Wenn in Siebt-n bürgen zur Zeit der Errichtung des Carlsborgeil 
(Weissen burger) Bisthums Rumänen vorhanden gewesen wären» danrt 
würden diese gewiss auch der römischen Kirche zugeführt worden sein 
Wir haben oben (Seite 239) gesehen, dass Pa[jst Gregor IX. im Jahn! 
1234 von Walachen im kumanischen Histhum hörte, die nicht zur römi-| 
sehen Kirche geboren, sondern sich an * Afterbischöfe des griechischöid 
Ritus wenden»; darum befahl er dem kumanischen Bischöfe, dass en 
für sie taugliche Vicare rumänischer Nationalität bestelle, damit m 
keinen Vorwand haben, sich an die schismatischen Bischöfe zn wendenJ 
Der Papst forderte unter Einem den König Bela IV. auf, dass er dicj 
Wäldchen zwinge, jenen Bischof anzunehmen, den die Kirche ihnen 
aaisendet. — Das kumanische Bisthum erstreckte sich, wie wir wisscnj 
ausserhalb Siebenbürgens über die heutige Walachei. Wenn also dei 
Papst schon auf diese Walachen solche Aufmerksamkeit richtete; wie! 
lässt sich auch nur denken, dass man im Weiss enbnrger Bisthtun, zvi 
welchem der grÖsste Theil Siebenbürgens und auch die Marmaros' 
gehörte, sowie im Graner Erzbistbum, welchem die sieben bürgiscii'j 
sächsischen Districte untergeordnet waren, die griechisch-orientalischca ' 
AValachen geduldet haben sollte ! ? 

Wir haben zwar aus der romanhaften Geschichte Kogalnitschan's 
erfahren, dass die Rumänen bereits vor dem nicäischen Concile Christen 
gewesen seien und Nicetas ihr erster Bischof war (siehe oben S. 337)» 
Auch ScHAGUXA folgerte in seiner im Jahre i86q erschienenen •All- 
gemeinen Geschichte der orthodoxen Kirche» aus dem Umstände, das« 
wederein kirchbcher noch ein weltliclier Schriftsteller der Zeit, indenli^ 
Walachen das Christenthum annahmen, mit einer Sylbe gedenkt, ^ü^ 
Behauptung, dass die Walachen von den ältesten Zeiten her Christen 
gewesen sein müssten. Allein Roesler beweist vor Allem, dass jener 
Nicetas nicht im Trajanischen, sondern im mösischen Dacien Bischof» 
mit dem Sitze in Remesiana, war; dass femer auch ScHAGUNA(lie< 
Quellen» auf die er sich berufen, missverstanden habe, ^s^ Mit Recht b€*l 
zieht sich Roesler auch auf das Schreiben des heiligen Bruno (s, NotejJOÄ 
an den deutschen König Heinrich II. aus dem Jahre 1006 (oder 1007?)» iwi 
welchem dieser eifrige Bischof von seinem Aufenthalte bei den Peischene-j 
gen erzählt und mittheilt, dass es ihm trotz seiner aufopfernden Thatigkeifl 
in fünf Monaten nicht gelungen ist, mehr als dreissig Seelen zu gewiü-f 



351 



. «Wie hättt: sich Bruno's Herz», sagt Roesler, ^^^ «innigst freuen 
ssen^ wenn er inmitten der feindseligen Petschenegen eine zahlreiche 
änische, im Westen überall unbekannte Bevölkerung entdeckt hätte, 
Iche ihr Cbristenthum den Heiden zum Trotz durch Jahrhunderte 
behaiijjten den Aluth bewiesen. Doch sein Bericht hat keine so 
ihen Erfahrungen zu melden, er weiss nichts von Christen, von Ro- 
nen, geschweige von einer organisirten christlichen Kirche mit 
iestern und Bischöfen.» Bis ins 14, Jahrhundert gedenkt Niemand 
Br rumänischen Kirche ; die Walachen jenseits der Donau waren mit 
51 übrigen Bevölkerung Gläubige des bulgarischen Krzbisthums zu 
Ichrida (siehe oben S, 207). 

Desgleichen ist es nur ein Märchen, dass die Rumänen in der 

loldau und Walachei nach dem Concil von Florenz unter Verwerfung 

r lateinischen Schrift die Cyrillica angenommen hätten (siehe oben 

340), damit sie sich desto mehr von der römischen Kirche oder von 

in abendländischen Nationen unterscheiden. 

Damals sollen sie, nach Kogalnitschan's Erzählung, auch die 
;teinischen oder mit lateinischen Buchstaben geschriebenen Bücher 
d Urkunden verbrannt haben ; deshalb gäbe es keine solche Quellen 
ir die rumänische Geschichte. Gegenüber diesem erdichteten Ereig- 
tsse können wir a!>er ein gleichzeitiges geschichtliches Factum an- 
iiren, welches Ereigniss auf die siebenbürgischen Walachen in jener 
5it eine Folgerung gestattet. Die Forderungen der Grundherren, 
psbesondere die Erhebung des Nennten, sowie die auf ungerechte 
eise betriebene Zehenteintreibung des Siebenbürger Bischofs L^- 
p veranlasste nämlich die J6bagyen oder Bauern zur Empörung, 
Ähalb sie der Bischof mit dem kirchlichen Interdict belegte. Aus 
-Sem feindlichen Verhältnisse entspann sich zwischen Bauern und 
^rren ein socialer Krieg, in welchem jeder Theil grossen Scha- 
ll erlitt. Die empörten Bauern behaupteten, dass sie sich weder 
Jen den König oder das Reich, noch gegen die Kirche und die 
feiren erhoben haben ; sondern sie %'erlangten einzig und allein, man 
p^e sie im Genüsse ihrer von den heiligen Königen ihnen verliehe- 
Ml Freiheiten belassen, und ihren Nacken aus dem Joche der iiner- 
iglichen Knechtschaft befreien («in dictis libertatibus Sanctorum 
tum se conservari et a jugo intoilerabilis ser\itutis colla eoruni 
plvU), Zuletzt schlössen beide streitende Parteien im Jahre 1457 vor 
►tu Capitel zu Kolosmonostor ein Uebereinkommen, in welchem die 
Buern neben einer festgestellten Steuer und Dienstleistung sich die 
,teizügigkeit bis dahin vorbehielten, bis ihre von den heiligen Königen 
ferlichenen Freiheiten wieder ans Tageslicht gelangen würden (siehe 
ben S. 223). Die vertragschliessenden Parteien waren: der Adel (Uni- 



4 



35^ 

versitas Nobilium ab una parte) und die J6bä^en von Magjar-tiogati, 
sowie der Fabnenträger der Magyaren und Walachen* ^^^ Wir lesen 
aus dieser in vieler Hinsicht sehr instructiven Urlvunde keines we)j:> 
heraus, dass die Walachen schon zu den Zeiten der heiligen Könige 
Stefan und Ladislaus das Land bewohnt hätten, wie solches einig 
Schriftsteller gethan haben ; ^^' sondern es geht unserer Ansicht nad 
daraus nur hervor, dass es allgemeiner Brauch war, sich auf die heill- ' 
gen Könige zu berufen, sobald irgend Jemand seine Rechte verieta 
glaubte, (Vgl. oben S. 223). Diese Urkunde bezeugt ferner» daij 
um das Jahr 1437 ^^ch Walachen unter der Jurisdiction des sieben 
bürgischen Bischofs standen* folglich der römischen Kirche angehori 
waren ; sonst würde ja das kirchliche Interdict dos Bischofs Löpes sie 
nicht besonders berührt hal>en. Diesen Theil der Geschichte declk 
übrigens noch manches Dunkel. Nachdem man jetloch den Eifer de 
ungarischen Könige und der Päpste in der Bekehrung der Kuraanen kennt 
und weiss, wie die Könige und Bischöfe bemüht waren, auch dk 
ausserhalb Siebenbürgens lebenden Walachen in den Schoss der rötnl 
sehen Kirche zu treiben ; so lässt sieh nicht bezweifeln, dass die en 
angesiedelten Walachen — Katholiken waren. Daraus erklärt es sie 
auch, weshalb man bis zum Jahre 1527 von einem walachischen Bischol 
in Siebenbürgen nichts vernimmt. Barlaam ist der erste bekannt! 
*Wladika», * den wir bei den W^alachen in Siebenbürgen antreffen.^ 

Ich glaube nicht zu irren, wenn ich beliaupte, dass mit der Ve 
breitung der Reformation auch die siebenhürgischen Walachen sie 
von der Jurisdiction der Bischöfe von Carlsburg und Gran hefreitelj 
Die Mag}'aren» Szekler und Sachsen nahmen (mit Ausnahme einä 
Theiles der Sz^kler) die Reformation an ; die Walachen, wenn sie aud 
bisher Katholiken waren, traten der Reformation nicht bei, sondc 
blieben, als das katholische Bisthum aufhört^ sich selbst überlasse 
und fielen der griechisch-orientalischen Kirche zu, welcher ja auch die ' 
neuankommenden Walachen angehörten. Wahrscheinlich im I.anfe d^ 
i5. Jahrhunderts Hessen sich die Rumänen in stets zunehmender All 
zahl in Sieiumbürgen nieder. 

Diese Einwanderung mag zuweilen massenhaft, zuweilen bl^ 
sporadisch erfolgt sein; allein sie dauerte in Siebenbürgen und Ungad 
ununterbrochen fort. Die Einwanderung, welche anfänglich durch dl 
Kumanen veranlasst worden war, wuchs mit dem Erstarken der Türkei 
macht. Und gleichwie die Kumanen im alten « Kumanien », das spät« 



♦ «Wliidika* ist ein slavi.sches Wort, das die Walachen icur Bezeichnung ihn 
Bischofs eben'jo cntkhnleü wie das gleichfalls slavische «Knes», womit sie ihre Fürs« 
hczeichneleD. 



353 

Ungm-Waiachmt* genannt wurde, verschwinden; in demselben Masst 
vermehren sich dort die Walachen und absorbiren die Reste der Kuma- 
en- Siebenbürgen und Ungarn hatten niemals so dichte Bevölkerung, 
class wie unter König B^Ia IV. für die Kumanen. so vor- und nachher 
nicht auch noch für andere Zu wan derer Platz gewesen wäre. Die an- 
kommenden Walachen absorbirten sowohl in Siebenbürgen wie in Ungarn 
die Slaven; darum findet man insbesondere in jenen Gegenden 
ine dichte rumänische Bevölkerung, wo die Ortsnamen die ehemalige 
Ä^nwesenheit von Slaven bezeugen. Ausser den Rumänen gelang es 
lur noch den Sz(^*klern, die Slaven zu absorbiren oder zu verdrängen. 
)ass übrigens die Walachen wirklich von jenseits der Donau hierher 
ekommen sind, beweisen namentlich auch die Xronstadter Sachsen, 
}iese nennen ihre weit in die südlichen Berge vordringende Vorstadt, 
reiche die Walachen von altersher bewohnen, das n ^///^'V7/v;/-Yiertel ■ 
sächsisch: die « Beigerei i»), ^^^-J Die mündliche Ueberlieferung erzählt, 
ass die Kronstädter die « Bulgaren », d. i. Walachen» zum Baue der 
grossen Kirche hereingerufen hätten. — Wahrscheinlich kamen die 
Rumänen auch anderswo und öfters als» «Bulgaren» sowohl nach Sie- 
enbürgen wie nach Ungarn. Der t Bulgaren »-Name bezeugt aber 
jeichfalls untrüglich die Herkunft des walachischen Volkes. 

Die Besiedelung der Marmaros gleicht, insoweit wir sie kennen, 
licht nur der Colon isi rang Siebenbürgens, sondern sie beleuchtet auch 
Lie • walai hische Frage». Wenn es in einer Urkunde vom Jahre 1213 
leisst, dass irgend jemand fiir sein und das Seelenheil seiner Kkern, 
ie zuersi das Evangelium angenommen haiien, ein Grundstück der Kirche 
^on Bihar verleiht, °^ so geht daraus deutlich die Neuheit des Christen- 
Ihums in dieser Gegend hervor. Auch in der Marmaros sind die ersten 
Ansiedler Magyaren, dann folgen Deutsche und zuletzt kommen in die 
westlichen Theile derselben Ruthenen, in die östlichen Walachen. Die 
ersten Sammelpunkte der Culttar sind daselbst die sogenannten « fiinf 
Kronstädte » Visk, Iluszi, Teaö, Hosszumezö und Szigei^ deren Ein- 
wohner Sachsen und Magyaren (Saxones et Hungari) gewesen, die 
sich derselben Privilegien zu erfreuen hatten, wie die Burger oder 
Gäste von Szölös. *^''5 Ortsnamen wie: Barczanfalva, Batizfalva, Bud- 
falva, Somfalva und andere; Okörmezö (= Ochsenfeld), Keselymezi"^ 
(:== Geierfeld), Urmezcl (= Herrnfeld) u. s. w.; Bedöhäza, Fejerhäz 

t(=i Weissen haus), Nyireshaza (^ Birkenhaus) u. s. w. ; Szanaszo 
(^ Hornthal), Tar-aszu (= Kahl-Thal) u. s. w. ; Farkasr^v (= Wolfs- 
^ähre), KÖvesliget {== Feisenhain) u. s. w. ; ferner Bergnamen, wie: 
Apsa havasa, Fekete havasa (= Schwarz- Alpe), Moyses havasa (= Motes- 
Alpe), Stol havasa, Szep havasa n. s. w. zeugen für magyarische Nie- 
tierlassungen.^*^'^ Allein Krasznahora (slavisch = Schönspitz), Slatin.i, 

HunfaJvyj Kthnogr. * 23 



i 



J54 



Berezna u. s. w. sind slavische Benennungen. Die Slaven waren auch 
hier den Magyaren und Deutschen vorangegangen ; zu ihnen kommen 
hernach die Walathen. Im Jahre 1284 nahm König Ladislaus III. aus 
den südlich der Doilau gelegenen Theilen viele Walachen auf, von 
denen sodann die Quellen berichten, dass sie die Magraren der rön 
sehen Kirche entzogen und in die griechische verlockt haben* *^ 
Die Urkunden des 15. Jahrhunderts sprechen von mag^ansfhm 
walachhchtn Besitzungen (possessiones hungarteales, — tHiiachicaies] un 
trifllt man daselbst die walachischen Wojwoden oder Knesen, welche 
die mit ihrem Amte verbundenen Besitzungen gen i essen und bald m 
ungarischen Edelleuten werden. Ein solcher Wojwode war auch Bogdan, 
der zur Zeit Ludwig I. aus der Marmaros nach der Moldau übersie- 
delte. Die Verwüstung der fiinf Kronstädte durch die aufrührerischen Wa- 
lachen bezeugt eine Urkunde des Königs Mathias vom Jahre 1442 und 
der Königin Anna vom Jahre 1 504. Mit der Zunahme der waJachischen 
(und ruthenischen) Bevölkerung verringerte sich in der Marmaros (wie 
wir sahen) auch die Zahl der Katholiken. Auch das Kloster zum Erx- 
engel Michael in der Marmaros war ursprünglich katholisch, aber schon 
im Jahre 1391 wohnten griechische Mönche darin, deren reiche Be- 
Sitzungen die Einkünfte des Patriarchen zu Constantinopel vermehrten.*** 

Auch • walachische Districte » entstehen als : der Lugoser, Karan- 
sebeser, Mihälder, Haimoser oder Halmagyer, Komjäter, Krass6föer odcfd 
Erdsomly6er, Borzaföer, Illy^der (Illadia) im heutigen Severiner Comi-f 
tate.^ Aehnliche Walachendislricte gab es auch in den Comitaten ZarandJ 
Szatmär und Mittel -Szolnok. Die Unterrichter dieser Districte waren «Kne*] 
sen •, welche bald sämmtliche geadelt wurden; denn wir finden in 
Urkunden genannt «Adelige und Knest^n». Die Kastellane (Vögte) det] 
königlichen Burgen hatten mit ihnen vielfache Beziehungen; alle warci 
jedoch den höheren königlichen Beamten (dem Ban von Severin, deni 
Grafen von Temes, dem eiebenbürgiechen Wojwoden) untergeordnet.! 
In diesen Districten entwickelte sich auch ein besonderes Gewohn- 
heitsrecht, das in den Urkunden das aih' Gtsftz der walachischen Di-J 
stricte (juxta antiquam et approbatam legem districtuum Volachaliumll 
genannt wird. Ja König Ladislaus W . bestätigte ihnen im Jahre 14.57] 
sogar das Privilegium, dass der König in diesen Districten nur deffl-l 
jenigen Besitz verleihen kann, den die Walachen hiezu würdig finden., 

Das ungarische Mittelalter ist überhaupt erfüllt mit den verschie- 
denartigsten Privilegien. Wo man solche nicht aufweisen kann, dal 
benift man sich auf den Usus, welcher auf den «Privilegien der h» Kö- 
nige I» beruhe und man findet Glauben. 

Das « Tripartitum », welches nach dem Bauernkriege (im J. 1514) 
entstand, annullirt alle nicht vorweisbaren Privilegien und durch den 



A5? 



Adel nicht gesicherten Exemtionen, Der Bauer wurde dadurch zum 
persönlichen Eigenthum des Gnindherrii. Allein ausser dem ansässigen 
Ackerbauer gab es noch zahlreiche nomadisirende oder viehzüchtende 
Ruthenen und Wal ach en, deren Los je nach dem Wechsel der herr- 
schenden Verhältnisse bald besser, bald schlechter war als dab Geschick 
der leibeigenen Frohnbauern. 

Die nomadischen Ruthenen und Walachen (siehe oben S. 307) 
werden nicht blos in ungarischen, sondern auch in siebenbiirgischen 
Gesetzen erw^ähnt. Eine Anordnung der letzteren lautet: « Die im Lande 
hemmlungernden Ruthenen, Walachen, Munteanen und dergleichen 
sollen gefangen genommen und verpflichtet werden. » (Approb. Constit. 
Pars L, edict, XXXVIIL) Die «Munteanen» sind die Gebirgswala- 
chen, welche mit ihren Herden in den Bergen herumzogen. Die Lieb* 
lingsbeschäftigung der Rumänen bildete von jeher die Schafzucht ; 
deshalb werden sie auch von den Türken « Tschobane », d, i, Schäfer 
genannt. Dieses Nomadenleben, welches ihnen auch durch Staats- 
verträge gesichert war, setzten die Walachen auch ausserhalb Sie- 
benbürgens bis zur neuesten Zeit fort. Es ist das eine eigenthümliche 
Erscheinung, welche nicht nur beweist, dass unter den betreffenden 
Ländern Siebenbürgen das cultivirteste war, sondern auch den Wander* 
trieb der Rumänen bekundet, der unter günstigeren Umständen vordem 
noch w^eit stärker gewesen sein mochte. 

Schon unter dem Fürsien Räköczy I. wttrden in Ä ngelegenheit der 
in der Walachei weide tiden siebe nbürgischen Schafhirten Verträge ge- 
schlossen. Nachdem die Schafhirten wegen der Wirren in den Jahren 
von j6sS — 1662 ihren Herren die Einkiinfte nicht abliefern konnten, so 
wurden unter Michael Apaffi einige Besitzer dieser Schafhirten zur 
Rechnunglegung verhalte n^ was sie, nach dem Zeugftisse eines Zeitgenos- 
sen ^ mit grosser Gewisse?ihaftigkeit zu thun pflegten, ^ Diese Schafhirten 
sind ein ganz eigenthum liches Volk^t, sagt derselbe Zeitgenosse, f Mor- 
gens und Abends beten sie U4id obgleich sie dem reformirten Glauben^ 
d, i. der Religion ihrer Herren, angehören, so haben sie doch keine 
Seelsorger, Wenn sie sich verheiraten, gehen sie zu ihren Grt^ndherrny 
der ihnen den Hochzeitsschmaus gibt; dann kehren sie nie mehr nach 
Siebenbürgen zurück ; nur der Öberhirt begibt sich jährlich im Früh- 
jahre zu seinen Herrn^ um über die ihm anvertraute Herde Rechnung 
zu legen. Im Anfang des Herbstes ziehejt sich die Hirten zur lieber - 
Winterung an die Donau, wo sie einen zzvanzig Meilen langen und vier 
Meilen breiten Strich Landes in Facht nehmen. Die zu verkaufenden 
Hammel und Ziegen kaufen Händler aus Cofistantinopel.^ Diese Vieh- 
Wirthschaft befand sich vordem in den Hiinden der sieben bürgischen 
Grundherren ; spater wurde sie von walachischen Grenzbauern betrie- 
ben ; allein nach im Jahre lyzS hatte der damals verstorbene Kronstiid- 
ter Richter Georg Drauth gi^ossen A ntheil bei diesem Geschäfte. — Es 
sind diesbezüglich mehrere Verträge bekannt, nicht nur mit den zvala- 
chischen Fürsten^ sondern auch mit der Hohen Pforte, JVaclidem mit 
der zunehmenden Cultivirung der Walachei dns Weidegebiet daselbst 
immer beschränkter wa?-d, zogen die Schafhirten nach Bulgarien hin- 
über. Interessant ist in dieser Beziehung der amtliche Bericht des Consuls 

^3* 



tfi Gaiatz, Christtau Wi/hc/fft iitiher, vum yaßtre 1S4J. IJarnacfi nann-^ 
fvH sich diese siehcNhürj^isthert .^ha/hirfcn ^MoktiNe*. Im Herbste zogtn 
sie UNS Sieöenbür^en nach der Moldau und Walachei und nachdem m 
bei Ginrgewo, Kalarasch, Gnra "JalomHitza^ ßraila und Galah. dit 
Donau über schritten hatten^ überwinterten sie in der DobrmiscJui , zwi- 
schen luldscha und IVarna. Sie standen unter der yurisdictum da 
Consuls. Im "funi trieben sie ihre Herden nach Siebcnbiirß^en zuriick, 
vieie von ihnen blieben aber auch den Sommer iiber in Bulgarien. Du 
vermögt icher en Schaftiirten züchteten auch RmJvieh, indem sie van den 
türkischen Grundbesitzern Weide pachteten. Ausser dem Pachtschillin^ 
(MtriJ zahlten sie an die türkische Reg^ierung noch von jeder eingetru- 
benen Herde das Zähl- Geld (saimak-para). Die Anzahl des Viehes war 
nach der Zeit wechselnd. Itn Winter 1S4Ö j waren in Bulgarien jso,ooo 
Stück Schafe, welche im Frühjahre 332^000 Oka fd ^i^ Wiener Pfund} 
Wolle lieferten, wo%*on 212,000 Oka nach Kronstadt gelangten. Im Hcrbsh 
1S4J setzten an den obge nannten Punkten 281 Herden über die fhmn, 
es waren im Ganzen 20g j P/erde, 4431 Ziegen und 473^352 Schafe : die 
Zahl der Schafhirten oder Tsc/wdanen betrug 41 Sg. Es machte dies tt/stf i 
einen bedeutenden Theit des Vermögens der Stebenbürger aus> Am i. yuh 
f^SS schloss das k. k, Ministerium des Auswärtigen den letzten l'ertr&i 
mit der Pforte, welcher im 'Jahre fS6j ablief Die Hohe Pfortt teoUU 
denselben nicht mehr erneuern ; denn sie siedelte Tscherkessen und kn* 
mische Tartaren in Bulgarien an, in Folge dt*ssen dem JVomadistrrti 
der sieben bürgischen Wa lachen auch dort ein Ende gemacht wurde* 

§ 67. 

Im 16. und 17. Jahrhunderte erfahren wir weni;^ von den Wa- 
lachen im eigentlichen Ungarn, denn der grösstu Theil des Landes I 
befand sich in den Händen der Türken ; die anderen Romanen waren 
den siebenbürgi sehen Fürsten unterthänig. Auch in kirchlicher Be- 
ziehung liegt tiefes Dunkel auf diesem Volke* Wir wissen nicht, zu 
welchem Bischöfe die Marmarosrr Walachen um das Jahr 1472 gebor- 
ten, da König Matthias die Städte Huszt, Sziget, Hosszumezö, Visi j 
und T^csü wegen jener Treue belobte, die sie gegen ihn bewiesen 
haben, als die Walachen und andere Aufständische die Städte angezian- 
det hatten ^'70 und f)b das Kloster ;!um hciL .Michael auch damals noch! 
Eigenthum des Patriarchen zu Constantinopel war. Ebenso wissen wirl 
nichts über die kirchlichen Verhältnisse in den erwähnten walachischenl 
Districten zur Zeit der Hunyaden. 

/// dem abgetrennten Siebenbürgen schreiben dann die Gesetze ivri 
da SS *die wa lachischen Priester vom Fürsten einen solchen zum Bisehefli 
erbitten sollen, den sie einstimmig als tauglich anerkennen, n H^eiter 
lesen wir daselbst: v^Ahichdem die walachischcn Geistlichen UntertlmntA 
der Grundherren sind, so sind sie, damit das Eigenthum der Ilerreii 
in Zukunft nicht gefährdet werde, verpflichtet^ diesem jähr lieh ein 
bestimmtes Honorar ium zu bezahlen. Die Söhne der walachischcn Geist- 
lichen können, sobald sie sich ve^'heirathen oder vom eigenen lirote leben. 



* Vgl «Kroiistridter Zeitung», 1865, Nr. 70 — 72. 




gleich den übrigen Unterthanen fy^bägyen), selbst wenn sie noch Kinder ^ 
uderiinverehelic hie Bursche sitid Avo immcp' man sie bei ihretn Vaterant^'ifft^ 
gefangen genommen und unter Bürgschaft gestellt werden. Ausser ihrem 
lla/er kann jeder, sei er in titele he m Alter immer (seinem Herrn J 
zurückgebracht wer den. ^^i^ 

Wie wir gesehen haben, erscheint der erste Bischof von Sieben- 
bürgen im Jahre 1527; hier erfahren wir nun, dass der Fürst den von 
den walachischen Geistlichen gewählten Bischof bestätigt. Auch ^^j\ 
politischen Zustantl des walachischen Volkes ersehen wir aus obigen Ge- 
setzen, wonach di^ rumänischen Geistlichen Unterthanen der Grundherren 
gewesen und ihre Kinder gleichfalls den letzteren imterthan waren. 

In Siebenbürgen begegnen wir übrigens auch den ersten Spuren 
der walachischen Literatur. Die erste rumänische Druckschrift erschien 
um das Jahr 1570 in Kronstadt. — Fürst Georg L Rdkoczy befahl, 
dass der Gottesdienst in walachischer und nicht wie bisher in bulga- 
,risch-s lavischer Sprache gehalten werde ; deshalb liess er die Liturgie 
ins Rumänische übersetzen und auch die rumänische Bibelübersetzung 
beginnen. Für den Protestantismus zeigten die walachischen Priester 
keine Neigung; selbst die walachische Liturgie nahmen sie im Jahre 
1648 nur mit grossem Widerwillen an. Da der katholische Bischofssitz 
seit dem Abgange des Paul Bornemizsa im Jahre 1556 nicht besetzt 
war, konnte unter den siebenbürgischen Fürsten ein katholischer Bischof 
in Siebenbürgen auch keine oberhirtliche Handlongen verrichten. ^7= 
Als aber Siebenbürgen unter Leopold L an die ungarische Krone zu- 
rückkam, wurde die Union der orientalischen mit der occidentali sehen 
Kirche mit grossem Eifer betrieben. Die Florentiner Synode vom 
Jahre 1439 hatte die Punktationen der kirchlichen Einigung (Union) 
festgestellt ; auf Grund derselben bewirkte in Polen Possevinus im 
Jahre 1594 die Union bei den Ruthenen. In Ungarn begann die Uni- 
ficirung mit dem Munkacser Bisthum, also auch bei den Ruthenen, 
und zwar im Jahre 1562. Anfänglich ging das Unionsgeschäft nur lang- 
sam» aber im Jahre 1692 liess der Erzbischof Lippai in Munkäcs das 
Unionsdocument von 200 Popen, im Anfang des Jahres 1700 wieder 
"^on 353 Popen unterschreiben, ^73 In Siebenbürgen wirkte derselbe 
Lippai und nach ihm Kollonics im Interesse der kirchlichen Union. 
Im Jahre 1696 hielt der walachische Bischof Theophilus IL in Carls- 
burg eine Synode ab und unterzeichnete am 24. März die L^nion in 
folgenden Punkten:' Anerkennung des Papstes als kirchliches Ober- 
haupt ; des Fegefeuers (Purgatoriums) ; Annahme des ungesäuerten Brodcs 
(siehe oben S. 215) ; Anerkennung, dass der heilige Geist vom Vater und 
dem Sohne ausgegangen (des *Fi]ioque» siehe oben S. 1 igu. Note 239), 
Dagegen behalten die Griechisch-Unirten den Julian ischen Kalender, 
sie können den Gottesdienst in ihrer eigenen Sprache (nicht in der 



r 



lateinischen) abhalten ; emprang:en das Altarsacrament auch mit Sm\ 
Kelche (siehe oben S, 307) und die Popen können sich auch femnrhinj 
verehelichen. Nachdem die Union auch bei den Walachen erfolgt warj 
wurden die Popen aller persönlichen Privilegien der katholischen Gcist-I 
lichkeit theilhaflig. Viele traten indess von der Union wieder zurück, j 
Aber bei Aufstellung der IMilitär-Grenzregimenter schlössen sich diel 
Grenzer abermals der Union an. Anfanglich residirte der unirte wa-i 
lachische Bischof in Carlsburg, später wurde sein Sitz nach Fogaraaj 
verlegt, denn da wurde im Jahre 17 16 das katholische Bisthum er-j 
neuert. Nachdem aber Papst Innocenz XIIL im Jahre 172 1 den unir- 
ten Bischof von Fogaras präconii^irt hatte, erhielt dieser bei dem Aus-J 
sterben des Geschlechtes der Apaffi im Jahre 1738 die HerrschaÄj 
Blasendorf vom königlichen Fiscus als Donation. Seitdem residirtetil 
diese Bischöfe in Blasendorf ^^4 und zwar bis in die neuere Zeit ai$l 
Suffragane des Kalocsaer Erzbischofs. 

Für die unirten Walachen und Serben in Ungarn bestätigte Papst! 
Pius VI. im Jahre 1777 die Errichtung zweier Bisthiimer, nämlich dasl 
Grossvvardeiner und das Kreuzer (letzteres in Croatien) ; die Bestäti- 
gung erfolgte nur nach langem Zögern, da wiederholte Rücktritte statt-j 
fanden, ^75 Die beiden neuen Bischöfe wurden ^ie Suffragane desi 
Graner Erzbischofs. 

Die von der Union zurLLckgetretenen Rumänen verloren ihren 
Bischof und wendeten sich deshalb an die Bischöfe in der Moldau und 
Walachei, wie das vordem im kumanischen Bisthume der Fall war. 
Nachdem dieser Anschluss an das Ausland viel Uebelstande verursachte^ 
i^-urden diese nichtunirten Romanen anfänglich dem 0/ner nichtunirte 
Bischöfe unterstellt. Damit wurde anerkannt, dass die nichtunirte 
Walachen dem serbischen Erzbischof von Karlowitz unterworfen seieilj 
Endlich gab Kaiser Josef iL diesen Rumänen wieder einen eigene 
Bischof, der seinen Sitz in Hermannstadt ond eine Jahresbesolduü 
%'on 4000 fl. erhielt. Kaiser Franz E gestattete am z6. Mai 1809, da 
die Popen drei Bischofs-Candidaten vorschlagen, aus denen dann d^ 
t Grossfürst» einen zum Bischof ernennt. Dieser kircbliche Zustand dex 
Walachen dauerte bis zum Jahre 1S48 ; darnach wohnte der griechisch- 
nichtunirte Bischof der Rumänen als Suffragan des Karlowitzer Er^ 
bischofs in Hermannstadt;^?^ die Bischöfe der unirten Rumänen aha 
hatten ihre Sitze in Blasendorf, Grosswardein und Kreuz; davon wa 
der Blasendorfer ein Suffragan des Kalocsaer, die beiden andere 
Suffragane des Graner Erzbischofs. 

Nach den Ereignissen der Jahre 1848 und 1849 bestätigte di 
päpstliche Bulle vom 6. December 1853 sowohl die Errichtung dq 
Agramer Erzbisthums wie auch die Erhebung des sieben bürgisch c 



griechisch-katholischen Bisthums zur Erzdiöcese unter dem Titel : 
% Archiepisiopus Fogarasiensis et Aibae-Juiiensü^if obgleich der Sitz des 
Erzbischofs auch jetzt in Blasendorf blieb- Ausserdem wurden für die 
Griechisch-Katholischen noch zwei Bisthümcr gestiftet : zu Szamos-UJvdr 
in Siebenbürgen und zu Lugos im Comitate Krassö ; beide sind Suffra- 
gane des neuen griechisch-katholischen Erzbischofä. Der griechisch- 
katholische Bischof zu Kreuz wurde dem neuen lateinischen Erzbischof 
von Agram untergeordnet. 

Endlich confirmirte der ungarische Gesetzartikel IX : 1868 die für 
die nithtunirten Rumänen errichtete Meiropoiie zu Hermannstadt und 
verlieh derselben die gleichen staatlichen Rechte, welche die serbische 
Metropolie zu Karlowitz besitzt; dadurch wurde also die Umwandlung 
des Hermannstädter griechisch-orientalischen Bischofs zum Erzbischof 
gesetzlich inartikulirt. Zugleich genehmigte dieses Gesetz die Consti- 
tuirung eines rumänischen Kirckencongresses nach Art des serbischen 
National-Kirchencongresses ; der rumänische Kirchencongress besteht 
ausser den Bischöfen noch aus 30 geistlichen und 60 weltlichen Mit- 
g'iiedern, 6 Bei der Wahl des Erzbischofs entsendet die Metropolie 
die doppelte Zahl ihrer gewöhnlichen Mitglieder, so dass. dieser Wahl- 
congress 120 Mitglieder zählt. Jede Diöcese besitzt ausserdem ihre 
Diöcesan-Vertretung, welche zugleich das Recht der Bischofswahl be- 
sitzt. Bei der Ausscheidung der Rumänen im eigentlichen Ungarn vom 
Verbände der serbischen Metropolie wurde das A rader Bisthum der 
neuen rumänischen jMetropolie zugewiesen und überdies für die grie- 
chisch-orientalischen Rumänen noch ein zweites Bisthum zu Karansebes 
errichtet, so dass die griechisch-orientalische rumänische Kirche heute 
^\n Erzbisthum (Hermannstadt) und zwei Bisthümer (Arad und Karan- 
sebes) zählt. 6 

Nach BenkÖ betrug im Jahre 1761 die Zahl der siebenbürgischen 
Walachen 547,243; dagegen waren im Jahre 1766 in Siebenbürgen 
93*135 römische Katholiken 
140.365 Reformirte 
130.365 Lutheraner und 
28.647 Unitarier 
zusammen 391.190 Seelen. 
Damals überstiegen also die Walachen alle übrigen Nationalitäten 
ura mehr als 150.000 Seelen. 

Im Jahre 1850 zählte man in Siebenbürgen 
1,220.90! Walachen 
354.642 Magyaren 
191.218 Deutsche {Sachsen} 
180,902 Sz(^^kler 



36o 

78.902 ZigeunLT und 
14.568 Juden. 

Die magyarische Bevölkerung (Ungarn und Szekler) war damals 
535.844, mit der deutschen 728.060 Seelen. Die Walachen zählten also 
im Jahre 1850 schon um 492.839 Seelen mehr als die Magyaren und 
Deutschen zusammen. 

Angenommen, dass zur Zeit Benkö's (um 1770) die Siebenbürge 
Katholiken, Reform irten und Uni tarier oder 261,825 Seelen Magj-arenl 
gewesen, denen 130.365 deutsche Lutheraner gegenüber standen, 
hat sich die Zahl jener im Laufe eines Jahrhunderts auf 555.464 veti 
mehrt oder mehr als verdoppelt (523.950) ; hingegen sind die lutherlJ 
sehen Deutschen in der Zahl nur von 130,365 auf 192.218 gestiegen 
Desgleichen haben die Walachen in derselben Zeil um mehr ais da 
Doppelte (1,094.486) zugenommen; denn ihre Zahl ist von 547.243 
1,220.901 gewachsen. 6 Die Zunahme der Walachen übersteigt da 
Doppelte ihres Status vom Jahre 1770 um mehr als 100,000 Seelen. Die Veij 
mehrung der siebenbürgischen Magj^ren von 1 770^ — ^1 850 beträgt 1 1 2*15 < 
die der Rumänen aber 123-12 <Vü, indess die Deutschen nur eine Zunähe 
von 45 "/o aufweisen. Magyaren nnd Rumänen vermehren sich also vi 
erheblichem Masse, wobei jedoch die letzteren vorangehen ; die VeE 
mehrung der Deutschen beträgt dagegen jährlich kaum ein halbe 
Percent. Diese Zahlverhältnisse werden auch durch neuere Zählunge 
bestätigt. 6 

Nach der österreichischen Volkszählung im Jahre 1856 war diJ 
Zahl der siebenbürgischen Bevölkerung nach den Confessionen : 

Griechisch-Katholiken 648,239 ( 

Griechisch-Orientalische . . . 637,800 | 

Reformirte 295,723 j 

Katholiken 219,333*! Mag}^aren 

Unitarier 40,008 j 

Lutheraner 193,774 Deutsche (Sachsen)l 

Juden 15,368 

zusammen . 2.055,645 Seelen. 
Nach derselben Volkszählung waren Walachen oder Rtimänenl 

im eigentlichen Ungarn 1.171,676 

in Siebenbürgen , 1.286,039 

» Croatien-Slavonitn 50 

» der Militärgrenze . 140,826 

zusammen . 2.598,591 Seelen. 

* Unter den Katholiken SiebeDbflrgens befinden sich auch nichtsächsisch 
Deutsche. 



36i 

5FiCKER^77 gibt im Jahre 1869 die Zahl der Rumänen (Ost- 1 

romanen) in folgender Weise an : i 

in Ungarn >. 300,800 . j 

» Siebenbürgen 1.200,400 '.i 

» Croatien-Slavonien , 200 .'^ 

» der Militärgrenze 147,000 

zusammen . 2.647,400 Seelen. 6 
Nach der Berechnung von Carl Keleti stellt sich die Zahl des 
rumänischen Volkes etwas niedriger heraus (siehe oben S. 241). 

Der zoologische Charakter der Rumänen ist nach den Messun- 
gen Lenhoss1^k*s, welche derselbe an 20 Individuen von 25 — 65 Jahren , 
vorgenommen, folgender: Breiten-Index 84*1 und Höhen-Index 62*8.^78 



FÜNFTES CaPITEL. 



Die Zigeuner. 

§ 68. 

Die Zigeuner gehören zur indo-europäischen oder arischen Völker- 
und Sprachenfamilie und trennten sich etwa um das Jahr i ooo n. Chr. 
G. von ihren indischen .Stammesgenossen. Im Jahre 1322 erscheinen 
sie (nach Peschel «Völkerkunde» S. 41) schon auf Kreta, im Jahre 
1346 auf Corfü und im Jahre 1370 in der Walachei. Dass die Zigeuner 
in der That nächste Anverwandte der sanskritischen Bewohner Ost- 
indiens sind, beweist nicht blos ihre Sprache, sondern zeigt auch ihr Aeus- 
seres. ^79 Welches Ereigniss diese Indier aus ihrer Urheimat fortgetrie- 
ben, ist unbekannt ; ebenso weiss man nicht, wo und wie lange sie 
herumgewandert sind, bis vielleicht die Völkerwellen der Schaaren 
Timur-Lenks (Tamerlan) oder Bajasids sie in das südöstliche Europa 
vertrieben haben. Nach Ungarn kamen sie ohne Zweifel aus Bulgarien 
und aus der Walachei und in Deutschland wiesen sie, wenn ich mich 
nicht täusche, zuerst Reise- 'und Schutzpässe des Palatins Nicolaus 
Gara vor. Sie wanderten unter Anführung ihrer Wojwoden ; auch heute 
besitzen sie solche Anführer.* Allein wer kennt ih.re sonstige sociale 
Verfassung, die sie ohne Zweifel besitzen.? Ueberall, wo sie sich auf- 
halten, befiehlt ihnen die Ortsbehörde und in dieser finden die armen 
Heimatlosen weit öfter einen Gegner als einen Beschützer. 

In Ungarn hat ein Theil der Zigeuner heute bereits ständige 
Wohnsitze; meist hausen sie am Ende der Ortschaften in elenden 
Hütten oder unter Zelten ; ein anderer Theil ist nach wie vor nomadi- 
sirend. Dürre Klepper ziehen die mit der Familie und der geringen 
fahrenden Habe beladenen Karren von Ort zu Ort. Wo die Caravane 

* Erst kürzlich meldeten die öffentlichen Blätter, dass ein alter Zigeuner- 
Wojwode aus einer niederungarischen Stadt nach Bulgarien zurückwanderte, um 
dort zu sterben und daselbst begraben zu werden. 



^.V -^"».J.vi.. 



J 



le steht oder Halt machen darf (denn nicht überall duldet man sie), 
dort verweilt sie, so lange es möglich ist. Die Beschäftigungen der 
ansässigen Zigeuner sind : Ziegelschlägerei, Nagelschmiederei, Kessel- 
fliclcerei, mit Einem Worte das Schmiedehandwerk, welches sie beson- 
ders lieben und mit den einfachsten Mitteln überraschend geschickt 
bot reiben. Ueberdies verstehen sie in Südungarn das Holzschnitzen 
^ixci die Goldwäscherei, Die Weiber spinnen, weben, schlagen Karten 
Siticl sind gesuchte Wahrsagerinnen. Wahrsagerei und Quacksalberei 
"Siiad ihnen angeborne Künste, bei denen sie eben so viel Verschmit^t- 
^^it und Klugheit wie Unverschämtheit und Zudringlichkeit offenbaren. 
•^^i den Serben und Rumänen, selbst bei den Deutschen, insbesondere 
^^i dem Frauengeschlecht, stehen sie darob in gefürchtetem Ansehen. 
'^ i e besseren, vermöglicheren Zigeuner lieben den Pferdehandel ; man- 
*^^e Zigennerfamiliö im Alfölde hat sich dadurch einen bekannten 
Namen verschafft. Der nomadisirende Zigeuner betreibt das Schmiede- 
^^andwerk, die Zigeunerin hilft ihm dabei oder practicirt ihre Zauber- 
künste ; was nicht arbeitet und nicht Karten schlägt, das bettelt an 
<ien Strassen oder in den Häusern oder verlegt sich auf den Diebstahl. 
Darum sieht man diese diiegenden» Zigeuner nirgends gerne und 
sucht ihrer möglichst bald los zu werden. 

Zum Landbau zeigt der Zigeuner keine Neigung. Unter der Re- 
gierung der Kaiserin-Konigin Maria Theresia und des Kaisers Josef IL, 
denen die Civilisining ihrer Völker besonders am Herzen lag, wurden 
ihnen ganze Bauernguter ausgetheilt. Man schaffte officiell den Namen 
der • Zigeuner» ab und nannte sie «Neu-Bauem». Es half nicht viel. 
Die an einzelne Bauern vertheilten Zigeunerfungen entliefen bald ihren 
Pflege-Eltern und flüchteten in die verfallenen Hütten oder unter die 
Zelte ihrer Eltern zurück. Nichtsdestoweniger findet man verzeichnet, 
dass in den Comitaten Bereg und Szatmär, sowie in der Stadt Raab 
sämmtliche Zigeuner sich schon in den Jahren 1781 und 1781 dem 
Ackerbau gewidmet hatten.^'' Ob es auch jetzt noch so ist, weiss ich 
nicht. Wie es scheint, ziehen sie dennoch die städtischen Beschäfti- 
gtingen den ländlichen vor, wie solches einzelne Zigeunerfamilen, z. B. 
in Debreczin und an anderen Orten bezeugen. 

Eine auffällige Eigentbumlichkeit des ungarischen Zigeuners ist 
seine Liebe zur Musik. Von Instrumenten liebt er die Violine, die 
Bassgeige und das C}Tnbal (Schlagzither), von Blas-Instrumenten blos 
die Clarinette. Die Zigeuner hatten keine eigene Musik ; sie machten 
sich aber die magyarische Musik in solcher Weise zu eigen, dass die 
t Zigeunermusiki heute das ungarische sociale Leben ebenso charakte- 
risirt wie der Paprika die magyarischen Speisen. Dass die Zigeuner 
diese Musik nicht mit sich aus Indien gebracht, sondern erst hier 



3^4 • 

erlernt haben, lässt sich aus dem Umstände folgern, weil nur die 
ungarischen Zigeuner solche Musiker sind. «So viel ist gewiss», sa 
F^NYEs, und drückt damit eine allgemeine Ueberzeugung aus, tdass 
nur ein Zigeuner es versteht, die magyarischen traurigemsten Melodien 
eigenthümlich und ergreifend den Saiten zu entlocken.» Die Zigeunei- 
musiker Bihari, Csöri, Bunkö, Dombi, Sägi, Tapolcsai, Löczi, Boka, 
Parkas u. s. w. sind berühmt. In neuester Zeit haben die ungarischen 
Zigeuner ihre Musik auch in Paris, London und Nordamerika bekannt 
gemacht. 

Die Zahl der Zigeuner betrug nach der Aufnahme der österrei- 
chischen Regierung im Jahre 1856 in Ungarn 72,200, in Croätien- 
Slavonien 1370, in Siebenbürgen 79,960, in der Militärgrenze nur 20; 
also zusammen 153,750 Seelen. Seitdem hat ihre Zahl jedoch bedeu- 
tend abgenommen ; denn die Cholera-Epidemie, sowie andere Krank- 
heiten und die schlechten Ernten in Südungarn (seit 1871) haben die 
Zigeuner ohne Zweifel arg betroffen. 



Sechstes Capital, 



Die Armenier. 



§ 6g. 



Die Armenier gehöreD zu den letzten Einwanderern in Ungarn 
und Siebenbürgen. Sie kamen im Jahre 1668 aus der Moldau nach 
Siebenbürgen, wo sie Fürst Michael Apaffi aufnahm. Anfangs wohnten 
sie zerstreut an verschiedenen Orten ; später gestattete es ihnen Leo- 
pold I., dass sie sich in Szamos-üjvär (Armenopolis) und Eiisij- 
beihsladi (Ebesfalva^ Ebsabetopolis) niederlassen. An diesen beiden 
Orten wohnen sie seitdem compact ; beide Orte wurden durch den 
siebenbürgischen GesetE-Artikel 61 : 1791 zu. privilegirten Städten 
erhoben. Andere Armenier findet man noch zu Szepvjz, Gjergyö- 
Szent-Mikl6s, Gorgenj, Kovdszna und anderen Orten. Es sind meist 
Kaufleute, In Ungarn wohnten sie in grösserer Anzahl nur in 
Neusatz, wo sie auch eine Pfarre haben. Andernorts trifft man 
nur vereinzelt armenische Familien, von denen mehrere als un- 
garische Grundbesitzer auch den ungarischen Adelsstand erworben 
haben. 

Im Jahre 1684 vereinigte Yizireski Oxendi die Armenier, welche 
der griechischen Kirche angehörten, mit der römischen Kirche ; doch 
sollten sie die Messe in armenischer Sprache lesen dürfen. Die zer- 
streut lebenden Armenier gehören meist der römischen Kirche an. 
Uebrigens haben sich die Armenier fast überall mit den Magyaren 
ren verschmolzen und sind in Sprache und Sitten ganz in diesem 
Volks stamme aufgegangen. Zwischen Armenier und Magyar ist in 
den meisten Fällen gar kein weiterer Unterschied. Der armeni- 
sche Grundbesitzer gleicht in Allem dem magyarischen ; der arme- 
nische Bürger zieht aber mehr als der magyarische das Handels- 
geschäft vor. 



366 

Die Zahl der Armenier betrug nach der österreichischen Volks- 
zählung im Jahre 1856 in Ungarn 1393, in Croatien-Slavonien 41, in 
Siebenbürgen 8430, zusammen also 9864 Seelen. Es ist eine derart 
kleine Zahl, die sich grössentheils auch nach Sprache und Confession 
von den magyarischen Katholiken nicht unterscheidet, dass man sie bei 
der Volkszählung heute übergeht. Auch Keleti hat sie nicht besonders 
berücksichtigt. 



Siebentes Capitel. 



Die Juden. 



<i 



§ 70. 

Juden erscheinen bereits im 10. Jahrhunderte in Ungarn ;^s^ ob 
sie schon vor den Magj^aren hier gewesen oder ob sie gerade mit 
diesen von den Chazaren, deren Mehrzahl sich zum jüdischen Glauben 
bekannte (Kiehe oben S. 130) hierher gewandert sind, lässt sich mit 
Sicherhett nicht bestimmen. Die jüdisch-confessionellen Chazaren w^aren 
I als kriegerisches Volk unbedingt ganz anderer Natur als jene Juden, 
die etwa auch bei den wandernden und ansiedelnden Magyaren ihre 
Handelsgeschäfte betreiben mochten. Die Gelegenheit zo letzterem 
wurde ohne Zweifel noch günstiger, als die Magraren durch ihre Streif- 
züge Europa plünderten und reiche Beute nach Hause schleppten, deren 
Verwerthung dann Tausch und Handel belebte. Das Gesetz nennt die 
ungarischen Juden von Beginn an in Gemeinschaft mit den Ismaeliten, die* 
sen mohamedanischen Kaufleuten« König Koloman regelte einigermassen 
den Verkehr zwischen Christen und Juden, indem er verordnete: Wenn 
ein Jude einem Christen ein Anlehen bis zu drei Pensen gibt, so solle 
das vor christlichen und jüdischen Zeugen geschehen. Beträgt das An- 
lehen mehr als drei Pensen, so muss die Summe sammt den Namen 
der Zeugen aufgeschrieben und mit dem Siegel beider Parteien bestätigt 
werden- Ebenso sind auch die Käufe und Verkäufe zwischen Christen und 
Juden schriftlich abzufassen. Den Juden ist verboten, christliche Sclaven 
zu kaufen, mögen diese welcher Sprache oder Nation immer angehören. ^^* 

Manche Veranstaltungen des Mittelalters erscheinen uns unbe- 
greiflich ; so z. B, auch das Verbot der Zinsnehmung von dargeliehe- 
nen Capitalien, w^as das canonische Recht verwehrte, ^^^ Als ob das 
Geld, d. i, Gold und Silber, nicht ebenso ein Erwerb der Arbeit wäre 
wie jede andere Sache, deren Werth der Nutzen bestimmt und die 
um so werth voller erscheint, je nützlicher und dauerhafter sie ist, und 
je mehr Menschen sie begehren. Insbesondere für die Zeit der Kreuz- 



3C 



üjügf bleibt das Zins verbot geradezu unfassbar, weil es damals dochl 
zur häufigen Nothwendigkeit ward, sein Hegendes Besitzthum in GoMj 
und Silber zu verwandeln und mit sich zu tragen. Das Geld sammeltj 
i^ich zu aller Zeit in den Händen der Kauf leute ; zur Zeit des König^ 
Andreas IL sowie vor und nach derselben waren in Ungarn Juden diel 
Kaufleute, d. i. die Geldmänner. In den ungarischen Städten konnte 
sich damals noch kein namhafter Handel entwickeln» folglich auch 
keine Capi tauen anhäufen. Sobald also der König oder die Grossen 
der Kirche und des Staates in Geldverlegenheit waren, konnten sie 
solches gegen Pfand nur vom Juden bekommen. Was aber hätte 
Andreas IL verpfänden sollen, da jene Grossen nur darin gewettoifeil 
hatten, vom Könige je mehr Donationen zu erpressen ? Er war deshalli 
gezwungen, Aemter^ das Dreissigst-Gefalle (d. i. die Zoll -Abgaben), 
mit Einem Worte : alle Arten von Kron-Einkünften den Juden in 
Pfand zu geben. Und wenn wir lesen» dass ein Jude Namens Jeha 
(oder Teha) von Andreas IL das Dorf Besenyö als Donation erhalten 
hat. welches er dann mit Erlaubnis» des Königs um 500 Mark ver- 
kaufte ; ^^+ so ist darunter zu verstehen, dass der Jude dieses Dorf al^ 
Zinsen für geliehenes Capital erhielt zu einer Zeit, da weder ein Bischof 
noch sonst ein Magnat dem Könige Geld geben wollte oder konnte. 
Cameral-, Finanz*, Salz- oder Steuerämter waren die einzigen ver^ve^th- 
baren Güter des Königs ; diese musste also Andreas H* für vorgeschojr 
sene oder geliehene Gelder an die Juden verpfänden. Dagegen erhob 
sich dann allerdings grosse Entrüstung unter den Magnaten, weicht' 
gerne selber die fetten Aemter, und zwar umsonsi gehabt hätten» bei 
deren Verwaltung sie dann ihrerseits vielleicht ebenfalls Juden verwen* 
deten. Im Jahre 1232 leistete Andreas IL, wie wir oben (S. 221 ) äuge 
führt, freilich jenen Eid, dass er künftig weder an Juden noch an 
Ismaeiiten (Bulgaren) oder an Sarazenen (Araber) irgend ein öfTent* 
liches Amt verleihen werde. Damit war jedoch dem Lande nicht gehol- 
fen ; dieses bedurfte des llüssigen Geldes, also auch des Capitals, da^ 
durch obigen Eid des Königs nicht beschaffen werden konnte, wie ja 
auch heutigen Tages kein Gesetü im Stande ist Geld, d. i. reelles 
Werth und Vermögen, herbeiznschaffen, König Andreas \\. hatte durci 
seinen Eid nur den Nutzen derjenigen gesichert, welche sowohl die \ 
nationen an liegenden Gütern wie auch die öffentlichen Aemter ohne weP 
tere Gegenleistungen für sich wünschten und auch zu erlangen wusstcn. 
Wie im Mittelalter allenthalben, so bildeten auch in Ungarn dif 
Sklaven einen Theil der beweglichen Habe, waren also Gegenstand des 
Kaufes und Verkaufes. Nachdem zu Andreas IL Zeit Juden und Ismae- 
iiten die Haupthandelsleute gewesen, so ging der Natur der Sache zu- 
foU^e auch der Sklavenhandel durch ihre Hände. Der oberwähnte 



Ivöiiigs-Eid wollte nun nicht gestatten» dass in Zukunft weder Jude noch 
Ismaelite oder Sarazene einen christlichen Sklaven kaufe oder in Dien- 
sten halte. Allein der Eid war schon deshalb illusorisch, weil er nicht 
dahin lautete, dass es in Zukunft überhaupt keine Sklaven geben, also 
^uch Xkmand vorhanden sein solh\ der solche zum Verkaufe uusbiekL Der 
König gelobt vielmehr in seinem Eide, er werde Jeden leider obiges Ver- 
Soi ha ndelndai Juden und Ismaeliten zur Sklaverei veruri heilen. Darnach 
sollte es also auch in Züktinft Sklaven geben, nur keine christlichen, 
und vielleicht waren es gerade die Bischöfe selbst, welche solche nicht- 
christliche Sklaven an die Juden verkauften, falls kein anderer Käufer 
"vorbanden w^ar ! 

Die christliche Kirche verhol strenge die Ehe zwischen Juden 
und Christen. Wie die verkehrten volkswirthschaft liehen Verfügungen 
des ^Mittelalters das Capital in die Hände der Juden trieben : so be- 
wahrte dieses Eheverbot das Judenthum vor dem Untergange durch 
Verschmelzung mit den christlichen Völkern. 

Die Verordnung Bela IV. (1251) bekundet viele Einsicht in d'iQ 
socialen und wirthschaftHchen Verhältnisse. Nach dieser Verordnung 
wurde die Zeugenschaft eines Christen gegen einen Juden nicht ange- 
nommen, sondern nur die des Christen und Juden gemeinsam, Ferner^ 
bestimmt jene Verordnung das Pfandrecht und gestattet, dass der Jude 
das verpfändete Gut so lange benützen könne, bis der christliche 
"Magnat es wieder auslost. Die Juden dürfen im Lande freien Handel 
treiben und erlegen nur die gesetzlichen Steuern und Zollgebühren. 

ie Streitigkeiten unter den Juden schlichtet der König j solche sind 
äaher vor den Richterstuhl des Königs zu bringen. Endlich wird den 
Juden Glaubensfreiheit gewährt ; darum können sie ihre Todten von 

inem Orte zum andern überführen und die Synagoge zu beschimpfen 
ist bei Geldstrafe verboten. ^^5 Die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts 
bis zum Aussterben der Arpdden war somit für die ungarischen Juden 

ine glückliche Zeit. Während dieser Zeit kam auch der Weinhandel 

mpür und die ( >fner Bäder waren auch bei den ausländischen Juden 
bekannt. ^^^ Ludwig L, der zeK>tische Verfolger der griechisch-orien- 
laJischen Kirche, vertrieb auch die Juden aus dem Eande, Damit steht 
vielleicht die Ent Wickelung der ungarischen und siebenbürgischen Städte 
d deren Handel im Zusammenhange ; denn es ist mi leugbar, dass 
T städtische Kauf- und Gewerbsmann die Juden niemals leiden konnte 

nd bis heute deren Gegner ist. Sigmund gcälattele den Juden aber- 
als den Eintritt in das Land und bestätigte im Jahre 1+36 das Jutien- 
isetz Bela IV. Nach dem Tode Mathias (Conünus) wurden die Juden 
labermals verfolgt. Im Jahre 1454 verbrannte man zu Tyrnau zwölf 
jüdische Männer und zwei Frauen, welche des Mordes an Christen- 

Huttfalvy, Erhuogr 34 



370 



kindem beschuldigt waren; im Jalire 1495 plünderte da*> Volk in Ufen 
die Juden. König Ludwig II. verthetdi^^te sie im Jahre 1520 gegtn 
den Magistrat von Pressburg, der das Verlangen gestellt hatte, dass 
sie besonders gezeichnete Kleider tragen sollten ; dieses sei in üngami 
ungewohnt, erklärte die Verordnung des Königs, Als aber nach d* 
unglücklichen Mohacser Schlacht bei Annäherung Suleiinan*s die Her^ 
ren und Bürger die Stadt und Festung Ofen feige verliessen : vertln 
digten 200 Juden mit den verlassenen Kanonen die königliche VesI 
tapfer, so dass der Sultan ihrer schonen musste. Allein zu derselbe! 
Zeit vert heilten zu Pressburg im Angesichte des Landtages die Hol- 
leute der Königin Maria die den Juden entrissenen Häuser unter sich 
Weil die Jiulen im Jahre 1686 den Türken tapfer beigestanden in d< 
Vertheidigmig Ofens gegen das belagernde christliche Heer, so gene 
theii sie in den Verdacht, überall mit den Türken im Bunde zu stehe« 
Deshalb gestattete man ihnen damals und auch später den Zutritt v. 
die Grenzfeslungen nicht ;^^ß in den übrigen Städten des Landes durf^ 
ten sie jedoch wohnen. Eine königliehe Verordnung vom Jahre i6< 
befahl die Conscription der Juden, insbesondere darum* «weil sie ai 
fremden Ländern mit teeren Händen nach Ungarn kommen, wo si 
mit allem Möglichen, Manche auch betrügerischen Handel treibi 
sich übermässig bereichern und dem Könige gar keine Steuern enl 
richten* » ^^^ Welche Steuer man ihnen nach dieser Cunscription ai 
erlegte, ist nicht bekannt ; aber der ungarische Statthai tereirath b( 
stimmte am 26. November 1749 die jüdische «Toleranz- Taxe» ai 
20.000 fl. ; diese wurde im Jahre 1760 auf 30.000, im Jahre 1772 atif 
40.000, im Jahre 1778 auf 80.000, zuletzt auf 158.700 Gulden erhöht.^ 
Die Niederlassung war den Juden übrigens nicht aller Orten ge- 
stattet. Nach dem G.-A. 19 : 172g wurden sie von Croatien-Slav(v 
nien, von den Grenzorten, aus den Bergstädten und aus mehreren könj.^- 
liehen Freistädten atisgeschlossen. — Im Schutze des Toleranz-Edictc* 
Josef IL siedelten sie sich an vielen Orten in Ungarn an und der 
Gesetzartikel 58 : 1791 beliess sie in dem Zustande, in dem sie sich 
damals befanden. Im Sinne des Gesetzartikels 29 : 1840 konnten sie 
mit Ausnahme der Bergstädte überall ihren Wohnsitz nehmen, Hand* 
werke betreiben, Gehilfen halten, doch nur aus der Reihe ihrer Glau- 
bensgenossen ; bürgerliche Grundstücke durften sie dort, wo es biskr 
erlaubt war. auch fernerhin kaufen, Fabriken errichten u. s. w\ Allein 
der Ankauf adeliger oder Urbarial -Grundstücke war ihnen nicht erlaubt: 
ausser dem ärztlichen Berufe waren sie von jeder anderen Wissenschaft' 
liehen Laufbahn ausgeschlossen. Im Jahre 1846 wurde die Toleranx- 
Taxe aufgehoben und Gesetzartikel 17 : 1S67 erklärt die jüdischen Be- 
wohner Ungarns in Bezug auf die Ausübung aller bürgerlichen um! 




37^ 

lilischen Rechte für gleichberechtigt mit dt^r christlichen Bevölkt^rung 
les Landes. Darnach ist heute in Ungarn der Jude ebeDso Staatsbürger 
ie jeder andere und haben in dieser Hinsicht für ihn alle Beschränkun' 
en aufgehört, i Nur die Confession des Juden ist auch heute blos ttole- 
rt » und besteht nur zwischen den gesetzlich « rtfcipirlen » christlichen 
onfcssionen die Gleichberechtigung und Reciprocität. Der Uebertritt 
um Juden thuoi ist in Ungarn auch gegenwärtig ebensowenig erlaub 1 
Is die Ehe zwischen Juden und Christen. Die Kinführung der gesetz- 
ichen Bekenntnissfreiheit und der bürgerlichen Eheschliessung (Civil* 
Ihe) ist indess nur eine Frage kurzer Zeit, da der ungarische Reichstag 

dieser Kit htung bereits wiederholte Beschlüsse gefasst und die Regie- 
ung auch die einschlägigen Gesetzentwürfe schon angefertigt hat, 6 

Die Zahl der Juden vermehrt sich in Ungarn in ungewöhnlicher 
Vcise. Unter der Regierung der Kaiserin-Königin M^ria Theresia 
änderten viele Juden aus den polnischen Provinzen hierher und diese 
Zuwanderung aus Galizien dauert bis heute fort, so dass die karpa- 
schen Comitate mit Juden nahezu ganz erftillt sind* «Im Jahre 1785 

rden in Ungarn nur 75«o8cj Juden vorgefunden; aber im Jahre 1805 
loascribirte man schon 127,816 Seelen; gegenwärtig (d. i, im Jahre 
840) beträgt deren Zahl jedoch 241.652, die ungarische Juden Schaft 
töt sich also binnen 55 Jahren um mehr als das Dreifache vergrös- 

rt; — welch* eine entsetzlich grosse Vermehrung U ruft Fenves '^^ 
US, 6 Seitdt^m ist diese Zunahme nicht geringer geworden. Die Zahl 
er Juden war im Jahre 1846 auf 263.050. im Jahre 1848 auf 292,000,* 
m Jahre 1857 auf 413.118, im Jahre 1870 auf 552.133 gestiegen. Das 

edeutet also für die Zeit von 1785 — 1870 eine Vermehrung um mehr 
Is das Süfmifache, Vergleicht man dagegen die Bevölkerungszunahme 
bei den Katholiken, so findet man, dass im Jahre rHog die Katholiken 
(jeider Riten 4,644,852 Seelen ausmachten; im Jahre 1870 war drren 
Anzahl 9,094.689 ; also in länger als 60 Jahren hat sich dieselbe nicht 
einmal verdoppelt;** die Juden vergrösserten sich in derselben Zeit 
Qm mehr als das Vierfache. Weiter! Während alle übrigen Volksele- 

ente des Landes in Folge der Cholerajahre 1872 und [873 ein Be- 
irÖlkenings-Deficit aufweisen, ergibt sich bei den Juden P^nde 1S73 nur 
n Ueberscbuss der Geburten ein ZmvacJn mit 20.030 Seelen, so dass 

:hon allein auf natürlicliem Wege die israelitische Bevölkerung Un- 

* Die 5slermchischc Volkszrihlun^ fand im Jahre I850 in gau^ Unj^arn nur 
252,665 Juden; ihre Zahl war also geilten 1 848 gesunken» wahrscheinlich in Folge 
der Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 

♦* Wnbel rnan noch bemerken niuss, dass die Zahl der KaÜioliken durch 
den massenhaften UcberlriU nichtunirier Rumänen 2ur t^rjechisch-kathoh'ir hen Kirclir 
auch Äjif künstlichem Wege vernichrt worden i-^i, 

*4' 



I 



gams Knde des Jahres 1873 auf 572.164 Köpfe gestiegen war. Rechnet 
man die fortdauernde Zmvatuierung (namentlich aus GaJizien) hinj 
die leider keiner statistischen Aufzeichnung unterliegt, so wird miin di« 
gegenwartige Zahl der Juden in Ungarn auf 600.000 Seelen, il i, di 
Zehntel aller Juden in Europa schätzen dürfen, 6 ^^* 

«Seit dem Toleranz-Edicte im Jahre 1782 drängten die Ji 
schaarenweise nach Pest; obwohl im Jahre 1836 mit Toleranz-Patenl 
hier nur 224 Familien lebten, so beträgt deren Anzahl gegenwärt; 
(d* i. im Jahre 1842) schon 7586 Seelen, »^^ Wie sehr hat sich ab^ 
seitdem der Stand der Dinge verändert 1 * Schon im Jahre 1857 zäW 
man in der Mamiaros 28.039, in Bereg-Ugocsa 17.363, in Ung loJi 
in Zemplin 25.535, ^" Saros 12.194, ^^ ^^^^ Zips 3434, also in di< 
sieben karpatischen Comitaten zusammen 96.385 Juden, um n,QQi 
mehr als im Jahre 1785 in ganz Ungarn, Im Jahre 1857 hatten 
Ortschaften Als6-V\^reczke, Märtonfalva, Karacsonfalva, Ladomer reil 
jüdische Bevölkerung; auch in Munkäcs machten die Juden den überj 
wiegendsten Theil der Einw^ohner aus ^^ und seit dieser Zeit dürfte 
auch noch andern Orts der Fall sein. 

Nach der letzten österreichischen Volkszählung waren 

im eigentlichen Ungarn 593- '05 

in Siebenbürgen 15.56S 

ü Croatien-SIavonien 5.041 

» der Militärgrenze ....... '4-04 

zusammen .... 413. jj8 Juden. 

Nach der letzten Conscription (im Jahre 1870) vertheilte sich liit' 
jüdische Bevölkerung in nachstehender Weise: 

Zahl In der Bevölkerung 

in Ungarn 516.658 4*65 "., 

» Siebenbürgen ...... 24.848 riy » 

>» Fiume s. Gebiet .... 71 0*40 * 

» Croatien-SIavonien . . . 8.551 o-88 » 

^ der Militärgrenze .... 2.005 o'i? * 

zusammen .... 552*133 ^95 

Budapest ist seit der Vereinigung mit Ofen und Altofen wohl 
die Juden reichste Stadt in Europa. 

Ein grosser Theil der Juden lebt vom Pachte der Wirthshäuser» 
neben welchem er noch einen Kleinhandel (Kramerei) betreibt. Das 



♦ Die Zunahme dtr jüdischen Bevfjlkerunu von Pest zeigen folgende Zalilö 
Im Jahre 1840 waren 7771, 1842 12.&0O. 1B46 14,320, 1 848 16,512. tSäJ 
18,222 und 1870 39.384 Juden. In einem Zeiträume von 30 Jahren hat sich alfi 
die jüdisL-he Bev5lkeuni; von Pest mehr als verfünffacht Vgl SCHWlCKKl 
♦ Stitistik d. Konigr. Ungarn % p, 168 und Dr. Hlnfalvv, o( Kurze Statistik tti • n 



; ?5r das geraeine^iiMrdie verderblichste Classe, welche die Grund- 
irren mit ihrem Schankrechte gross gezogen haben und noch gross 
eben. Durch lekhtge wahrten Credit, der freilich auf wucherische 
bsen geht, verlocken sie das ungebildete Volk, bis dessen Vermögen 
jd Verstand im Branntwein untergeht, so das^s Weib und Kinder 
fndiglich verkümmern müssen. Die Gemeinden machen es den 
hindherren nach ; denn das Wirthshaus pachtet am theuersten dar 
(de. Das Schankrecht ^^^ ist dämm ebenso schädlich für das gemeine 
indvolk wie fruchtbringend für die Juden, die unter der nordongari- 
nen Bevölkerung den nüchternen, stets berechnenden (und deshalb 
ch immer gewinnendtiif^Theil ausmachen. J Charakteristisch ist, 
SS der jüdische Wirth und Krämer am liebsten die slovakischen, 
thenischen und rumänischen Dörfer aufsucht und hier am besten ge- 
iht ; in magyarischen oder gar in deutschen Ortschaften kommt er 
:lit gut fort. Beweis dessen, dass die dichteste jüdische Bevölkerung 
den von Slovaken, Ruthen en und Rumänen bewohnten Landestheilen 
ÄUtreften ist. J 

Den Gegensatz zu dieser Landplage bilden die jüdischen Gmnd- 
iit^er, da sie nicht blos ihrem Vermögen nach üu den angesehensten 
bichten der Bevölkerung gehören, sondern sich auch durch die ratio- 
äe Bewirthschafung des Bodens auszeichnen. Diese Classe wurde 
%ens durch eine andere Eigenthümlichkeit oder vielmehr durch 
en anderen Fehler des ungarischen Staatsrechtes und der ungarischen 
:ietät geschaffen. Nach dem Öifentlichen Rechte konnte in Ungarn 
^ein Edelmann Grundbesitzer werden und Steuerfreiheit geniessen, 
ises Privilegium gewöhnte an ein sorgenloses Schlaraffenleben. Fer- 
besass in Ungarn nur der Edehnann volle Menschenrechte ; nur 
war so zu sagen ein * ganzer» Mensch. Der Nichtadelige, mochte 
Bürger oder Bauer sein, konnte, falls er auch noch so reich war, 
Q adeliges Grundstück kaufen, w^enn er sich nicht vorher durch Geld 
i Adel verschafft hatte, was er um so mehr zu erreichen suchte, 
1 es ihm nur auf diese Weise möglich war, sich aus dem Bauern - 
Ide zu erheben. Dieser verkehrte Zustand hatte doppelt nachtheilige 
Jen, Der sorglos dahinlebende Grundbesitzer gerieth immer mehr 
Schulden, der Werth seines Besitzes nahm jedoch relativ nicht zu, 
1 ja der Nichtadelige, also die auf Arbeit, auf Industrie angewiesene 
ksciasse, falls sie auch das \'ermögen hatte, nicht als Käuft^r auf- 
en konnte. Da ferner der reich gewordene Nichtadelige, wollte er 
«ganzer» Mensch sein, gezwungen war, sich den Adel zu verschaf- 
: so blieb das Capital auch nicht bei der arbeitenden Classe, es konnte 
mach auch deren Wohlstand keinen dauernden Aufschwung neh- 
U Wahrlich dem « Partis I-mae Titulus nonus'* (iel die gesammte 



^74 



christliche Gesellschaft in Ungarn zum Opfer. Suchte der verschuld 
adelige Grundbesitzer spater einen Käufer für seinen entwertheten 
sitz^ so standen den Nichtadeligen auch keine Capi tauen zur Vej 
gung; denn reiche Nichtadelige fanden sich keine, da diese ja eini 
grossen Theil ihres Vermögens opferten, um nur aus dem rechtlos! 
Bauern-, oder aus dem beschränkten Bürgerstande frei zu werden m 
sich die Adelsrechte zu enverben. 

Mittlerweile riss die Jüdische Bevölkerung den Handel an ^< 
und da sie hier (mit wenigen Ausnahmen) keine sociale Concurrenz 
besiegen hatte, so bereicherte sie sich mehr und mehr- Da trat di 
plötzliche Umschwung ein : der adelige Besitz wurde käuflich, I 
erwarb aber nun nicht jener andere Theil der christlichen BevÖlkemnj 
sondern der bisher vom Adel und Besitzthura ausgeschlossene reicl 
jüdische Kaufmann. Man nehme eine grosse Karte von Ungarn uw 
verzeichne von dem Punkte an, wo die Theiss in die Ebene eintrii 
bis zu ihrer Mündung die Grundbesitzungen der Juden und man wi: 
mit Erstaunen wahrnehmen, wie viel nicht «mit magyarischem Blul 
erworbenen », sondern durch magyarische Schuldenmacherei verloreni 
Boden das ausmacht ! Dasselbe findet man entlang der Donau ui 
andern Orts. Könnte man jedoch den jetzigen Zustand dieser FelA 
mit ihrem früheren vergleichen, dann müsste man auch zugestehe 
dass die neuen Besitzer dessen würdiger sind, als jene friüieren soi 
losen und leichtsinnigen Verschwender und Schuldenmacher. 

Der Handel Ungarns liegt auch heute hauptsächlich in jüdiscb 
Händen; seitdem Wieselburg, Raab u. s. w. den Getreidehandel Vi 
loren haben, wird derselbe fast ausschliesslich von Juden betrieb 
Dasselbe gilt von dem übrigen Productenhandeh — Aber ausser d( 
Handel ergeben sich die Juden auch mehr und mehr den (leichtei 
Gewerben ; insbesondere nimmt auch die Zahl jener Juden zu, welche 
gelehrte Studien betreiben, wobei sie sich in den verschiedenen Wissen» 
Schäften auszeichnen. ^97 

In Bezug auf den zoologischen Charakter fand Professor LENHOSstlL 
durch seine I^I essungen, welche er an 15 Juden im Alter von 16 — ^f 
Jahren vornahm, den Breiten-Index 80*5, den Höhen-Index bt*^*^ 



Rückblick. 



Schon vor der Römerzeit wohnten verschiedene Völker im heu* 
tigen Ung^am und zwar in dessen östlichen Theilen oder in Sieben- 
bürgen anfänglich die Agathyrsen, dann die Daker ; in den nordwest- 
lichen Theilen die Bojer, in den südwestlichen die Pannonier, Auf 
die Eojer folgen die Quaden ; zwischen diesen nnd den Dakern nehmen 
die Jazyger Platz. Die Römer unterwarfen sich erstlich die Pannonier, 
dann die Daker; römisches Leben, römische Cultur entstand sowohl 
in Pannonien als in Dacien. Dagegen auf dem Gebiete der Quaden und 
Jazyger herrschte Roms Adler niemals. Die Römer verliessen Dacien 
schon um das Jahr zyo nach Chr. G., indem sie die Legionen und 
die nach römischem Recht lebenden Bewohner daraus wegführten. 
Seitdem herrschten über die ursprünglichen Einwohner oder die daselbst 
verbliebenen fremden Ansiedler die Gothen, die Plunnen, die Gepiden 
und Avaren ; vermischt unter denselben mochten vielleicht schon in der 
Hunnen zeit auch Slavcn vorkommen, welche dann unter den Avaren 
stets zahlreicher werden, so dass auch die Avaren, deren Hauptstärke 
nicht in diesen Theilen des Landes war, ebenfalls slavisirt werden 
konnten. Wären zu irgend einer Zeit auch Bulgaren hinzugekommen 
(was ungewiss ist), dann würden diese als den Avaren ethnographisch 
näher stehend sich eher mit diesen als mit den Slaven amalgamirt 
haben ; denn die Bulgaren haben nur südlich der Donau das Slaven- 
thum angenommen. Nach dem Untergange der Avaren treifen wir in 
Siebenbürgen nur Slaven ; allein die Geschichte derselben vor der Ein- 
wanderung der Magyaren ist unbekannt. 

In Pannonien wurde die Römerherrschaft durch Attila nur unterbro- 
chen, nicht beseitigt; denn nach dem Untergange des hunnischen Reiches 
lebte sie wieder auf und die Gothen besassen Pannonien über Gutheissung 
der Römer. Auch die Langobarden wurden vom römischen Kaiser 
hierher berufen; erst die Avaren vernichteten den Flinfluss der Römer. 
Wie sehr aber auch bis dahin die römische Wehrkraft geschwunden 
war, das zeigen am deutlichsten die Länder jenseits der Save, wohin 
Kaiser Herakliun zum Schutze gegen die Avaren Croaten und Serben 



ansiedelte. Wenn schon in diesen Gebieten die römische Wehrkml 
und die nach römischen Gesetzen lebende Bevölkerung zum Schutze 
gegen die anstürmenden Barbaren nicht ausreichend war» so roiisste 
beides in Pannonien schon bis zur Ankunft der Avaren um so mehr 
gesunken sein. 

Die Quaden imd Jazyger verschwinden zur Zeit der Hunnen; 
denn diese neuen Ankömmlinge hausen hauptsächlich im ehemaligen 
Jaz^'gerlande. Nach den Hunnen sassen aber nur germanische ^"^Iks- 
stämme. als: Wandalen, Heruler und Langobarden zwischen der Donau 
und Theiss ; sowie zwischen der March und dem Saj6. 

Damals hatten Croaten und Serben ihre Wohnsitze noch iid 
Norden und Osten der Karpaten. Sie umgingen sodann das Geblrgv 
und gelangten an die östliche Donau und dieser und dem Saveflusse ent- 
lang zogen sie nach dem Westen. Aber ein geringer Theil von ihnen zog 
auch über die Karpaten herein. Während der Avarenherrschaft verbrei- 
teten sich also über Ungarn und Siebenbürgen Slaven oder genauer 
• Slovenen», zu denen auch Croaten und Serben gehören. Darum finden 
wir in der fränkisch-deutschen Periode in dem Fürslentbume Priwina's 
und KozeFs, oder im alten Pannonien^ Slovenen : darum waren auch 
die Mährer Rastislaw^s und Swatopluk*s Slovenen und ist es sehr glaub- 
lich^ dass auch die Slaven in Siebenbürgen Slovenen gewesen. Dai 
Christen thum gelangte von den bayrischen Deutschen zu den pannoni- 
sehen und th eil weise auch zu den mährischen Slovenen ; allein bis jsu 
den Slovenen an der Theiss und in Siebenbürgen, also im alten Dacien, 
reichte die bayriscli-deutschc Mission nicht. Methodius imd seine Schülei 
lehrten sowohl in Pannonien als in Mähren in s1 ovenischer Spracl 
und in dieser Sprache setzten letztere ihr Bekehrungswerk auch 
den transdanubischen Bulgaren fort. 

Nun kommen die Magyaren und nehmen das heutige Ungarn ii 
Besitz. Die vorgefundenen Slovenen verschmelzen mit ihnen, so das 
sie gänzlich verschwinden. Denn die heutigen Slovaken in den nord^ 
westlichen Landestheilen sind eine jüngere, cechische Bevölkerung 
auch die Ruthenen im Norden sind spätere Einwanderer. Die W'endt 
(Winden, Slovenen) im westlichen Ungarn jenseits der Donau sin^ 
wohl auch spätere croatische Gäste. Nur an der Save ist das alte Slo-" 
venenthum verblieben, und zwar als Croaten und Slavonier. Siebei 
bürgen nahmen die Magvaren von diesseits, vom eigentlichen Ungai 
aus in Besitz. Die besitzergreifenden Magyaren und die daselbst voi 
gefundenen Slovenen konnten das Land aber lange nicht ausfüllen 
deshalb siedelten die ungarischen Könige sowohl im Mutterlande ww 
in Siebenbürgen Deutsche an. Als die Magyaren s>dann das Christen 
thum annahmen, wendeten sie sich nicht der orientalischen, sondei 



der abendländisLhcTi Kircho zu; ]\ragyaren und Slovenen, mochten 
diese mit jenen verschmolzen sein oder nicht, wurden sämmtlich Katho- 
liken, so dass selbst die Bckenncr diT orientalischen Kirche (denn wir 
haben Kunde von griechischen Klöstern) zum Katholicismus übertraten» 
wie das auch bei den Kumanen nicht blos in Ungarn, sondern auch 
in der Moldau- Walachei der Fall war; haben sicli doch auch Bulgaren 
und Serben häufig an die römischen Päpste gewendet. Die Herrschaft 
der abendländischen Kreuzritter in Constantinopel spornte die orienta- 
lische Kirche zu grösserem Eifer an. Denn bei den Völkern waren 
jetzt römische Kirche und lateinische Eroberer identisch geworden. 
In dieser Zeit begannen die Walachen oder Rumänen ihre Wanderiin- 
gen über die Donau nach Ktmianien und Siebenbürgen, sowie in die 
Östlichen Thelle Ungarns. Sie kommen hierher als Hirten (denn ein 
solches Volk wandert am leichtesten) ; ihr Erscheinen ist deshalb kaum 
bemerkbar und da sie anfänglich den Boden nicht bebauten, so sind 
sie auch zehentfrei. Das walachische Volk entstand aber unter den 
Bulgaren oder unter slavischen Stämmen überhaupt ; seine Priester 
waren nur Slaven und die slovenische Sprache und Schrift wurde znr 
Kirchen Sprache der Rumänen. Desgleichen kamen auch die Ruthenen 
vielmehr als Piirten denn als Ackerbauer nach Ungarn ; ihr Los und 
ihre Stellung glich also vollständig dem der Walachen. — Die letzte 
grosse Einwanderung eines Volksstamraes war die der Serben, die 
zugleich eine organisirie Hierarchie der orientalischen Kirche mit- 
brachten. Bis dahin war es auch leichter, die Ruthenen und Rumänen 
n den Schoss der römischen Kirche zu bringen ; die serbische Hier- 
rchie w^ar schon in Folge ihrer erhaltenen Privilegien eine Schutzwehr 
:egen die kirchliche Union, Die nichtunirten Walachen gelangten 
iarum auch unter die serbische Hierarchie, ^9 Ein Rückblick auf die 
leueste Geschichte ist überflüssig; da wir Alle Zeugen derselben 
;ewesen. 

Viele, namentlich unter den slavischen Schriftstellern, finden es 
ufTalHg» dass nicht auch die Magyaren unter den Slaven slavisirt wor- 
den sind, wie dies bei den Bulgaren und mit den skandinavischen Russen 
!er Fall war. oder dass die Magyaren nicht ebenfalls die Sprache der 
ruberen Bewohner angenommen haben, wie dies die Gothen, Lango- 
barden, Franken, Normannen u. s. w. thaten. Wir sehen darin nichts 
absonderliches. Denn die in Ungarn vorgefundenen Slovenen waren 
reder so zahlreich noch so civilisirt, die Magyaren hingegen weder an 
er Zahl so gering noch an der Cnitur so tief stehend, wie jene 
Mrhriftsteller es sich einbilden. Man kann allerdings die Menge der 
ünwandernden Magyaren nicht besonders hoch ansetzen ; dennoch 
aren sie auch darin den Slovenen überlegen. Das Zahlverhältniss 



37^ 

zwischen diesen beiden Völkern war ohne Zweifel ein ganz anderes 
als das zwischen den Russen oder den Bulgaren und den betreffenden 
Slaven. In Bezug auf die Cultur überragten die lateinischen Völker 
jedenfalls ihre Unterjocher weit mehr als dies bei den Slovenen in 
Hinsicht auf die Magyaren der Fall war. Allein trotzdem wären die 
Magyaren vielleicht dem gleichen Schicksale jener Eroberer verfallen, 
wenn sich nicht andere Völker-Ankömmlinge verwandter Herkunft (die 
Kabaren, Petschenegen, Rumänen) den Magyaren angeschlossen und 
deren Zahl vermehrt hätten, so dass die übrigen Völkerstämme Ungarns 
zusammen die Magyaren an Zahl allerdings übertrafen, dass die Magya- 
ren jedoch jedem einzelnen dieser Stämme gegenüber zu jeder Zeit 
der Zahl nach überlegen waren. 

Das Volk Ungarns ist sprachlich gemischt (polyglott) ; allein keiner 
seiner Stämme kann sich rühmen, dass er der Eingebome, der Äuiochihone 
dieses Landes wäre. Alle ohne Ausnahme sind Fremdlinge, Einwanderer. 
Wenn man aber die Croaten, welche die Nachkommen der von Kaiser 
Heraklius hierher gerufenen Croaten sein können, ausnimmt, so sind unter 
allen übrigen Nationen des Landes die Magyaren die ältesten Bewohner 
desselben. Nahezu looo Jahre sind es, seitdem dieses Land den Namen 
« Ungarn » führt ; eine solch ununterbrochene Continuität der Geschichte 
findet man in unserem Lande nicht, so weit das Gedächtniss Klios in 
das Dunkel der Zeiten zurückreicht. 



AninerkungeD und NacMräge. 



I (S. I.) Blumenj^ach, «De generis humani varietatc,»» 1775* BLUMEN- 
RÄCH war Professor in Göttinnen und lebte 1752—1840. 

» (S I.) Morton, van Gebun ein Schotte» wanderte nach Amerika, wo er 
Professor in Philadelphia ward und im Jahre 1852 starb. 

3 (S, 2.) ftTypes of Mankind, or Kdinolo.i;ical Researches« (nach SAMUEL 
GEORtJ MüR lON's Tod) by J. C. XoTT and Geo* R. Gliddox. Phila- 
ladelphia. im Jahre 185-1 erschien die b,, im Jahre 1870 die 8. Auflage. 

4 (S. 2.) Anders Rktzius, ein schwedischer Gelehrter, lebte von 1796—1860. 
*« Ethnologische Schriften*) von A. Retzius.. Nach dem Tode des Ver- 
fassers gesammeh. Stockhohn 1860. — Einige Nachrichten über ihn s. 
auch in P. Hlnfalvy, «Utazäs a Balt-tenger videkeire^» (d. i. «Reise 
in die baltischen Länder •>), II. Bd., S. 34 [ — 423. 

5 (S. 4.) «Bhck auf den gegenwärtigen Standpunkt der Ethnologde mit 
Bezug auf die Gestalt des knöchernen Schädelgerüstes, •» Vgl.: i^Ethno- 
io^sche Schriften»» von ANDERS RETi^lUS. S. 136—163. 

^ (S. 4.) K Ethnologische Schriften, t> S. ^^, 

7 (S, 4,) «Kraniologische Mittheilungen •♦ von Hermann Welcker. Im 
«Archiv für Anthropologie.» Braunschweig, i8ö8. I., 75 — 160. Die weiter 
im Texte S. 6, Anra» mitgetheilten Messungen von SteinhurG würden 
einen Breite-Index auch von mehr als 100 aufweisen, wenn sie nach der 
Methode Welcker's geschehen sind. 

8 (S. 6.) Welcker verglich diese Zahlen mit den Ziffern der nach 
B LUMEN HACH classificirten Menschenrassen und fand auf Grund von 
Danielas <( Handbuch der Geographie» (Ausgabe 1859) folgende Zahlen : 

Kaukasische Ra^e über 500 Millionen 

Mongolische h . ungefähr 300 — 400 « 

Neger- » , , , , 100 1» 

Amerikanische Ra^e i;^ •> 

Malayische <* ...,,..» 30, » 

zusammen . 1043 Millionen. 

Diese Ziffern sind nach der neuesten Berechnung von Behm theil- 
wetse zu niedrig gegriffen. Nach Behm beträgt : 

die kaukasische Rai^c .... über 500 Millionen 

•♦ mongolische » 550 •♦ 

n äthiopische « .... über 200 i« 

n amerikanische Ra9e ...... 13 » 

* malayische w 100 •* 

zusammen . 1363 Millionen. Vgl. Da- 
niel, «Handbuch der Geographie.» Vierte Auflage. Leipzig, 1874. Bd. L 
S. 196 ff. (5 
7b ^. 7.) «Brachycephalia und Dolichocephalia insbesondere der deutschen 
Stämme. 4 Im V. Theile der < Kraniologischen Mittheilungen ». 



«l> (S. 9.) 4. Reise der österr, Fregatte «Novara» um die Erde in den Jahren 

1857, i8s8 und 18^9.» Anthropologischer Theil, Dritte Abtbeiluni:. 

Wien» 1868. 
9 (S. 10.) <5 Vm zu zeigen, wie der Naturforscher HÄCKEL sich den 

Ursprung dieser Menschenarten aus Einer Urform denkt, diene folgendem 

Schema : 

U rrn e M s eben 



Schlichthaarige 



Wullhanrigc 



StratThuarigc 



liockcnliaangc 



P. tis che I haarigt: 



Vliesshaarigt 



Australier to, lMa\M^tii'5 n. >;ubier t, Pnpiuis a. iloueiitmtcn 3. KAtlem 4. Negö- 

7. ^(ongolen 6. Mainyen f 



la. Mittel bü der 



g. Amerikaner 8. Arktik er ^ 

« (S. 12.) W. Hl'MBOLDT's Gesammelte Werke. Berlin» 1848. Bd. VL 
§ 17: «Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und 
ihren Einfluss auf die Entwickelung des Menscheng'eschlechtes.i» 

(Nachbemerkung zur S. 12 über die ^ amerikanischen ^^ Sprachen.) Die 
amerikanischen Sprachen sind sehr zahlreich, natürlich auch sehr ver- 
schieden. Die Erscheinung, dass sie die zum Satze g^ehörigen Theile , 
(Worte) sämmtliehe in ein Wort zusammenfassen, ward dadurch hervor- 
gerufen, weil sie die Zahl- und Verhäitnissbezeichnungen' nur einmal 
ausdrücken« Im Deutschen sagt man zum Beispiel: «Die Hunde haben 
es gethann, also die Mehrzahlbezeiehnung wird sowohl dem Haupt- als 
dem Zeitworte (Hilfsverbum) beigefügt. Die Dakota-Indianer setzen diese 
Bezeichnung nur einmal und zwar am Schlüsse ; so x sunka ecofi pi (von 
nsunka* der Hund, ecoFi thun, pi das Pluralzeichen); — ndie Dakota- 
Indianer tödteteo die Beschdeken « (die sogenannten *Fuehsindianer»), hier j 
ist der Plural is im Deutschen dreimal bezeichnet und c die Beschdeken i* steht 
überdies im Accusativ. Diesen Satz drücken die Dakota also aus : j 
♦idakota-besdeke-wica-kte-pit* (dakota, besdeke, wic^a der Mensch, ktej 
tödtcn, pi PJuralzeichen). Diese Dakotasprache ist die Spiache der] 
Sioüx- Indianer, vgl. «A Dakota nyelv» (d. i. die Dakotasprache) voul 
P, HUNPALW im «Berichtest der ung. Academie vom Jahre 1856. 1 

(Zur S. 14.) Ueber die ^iuranischen^ Sprachen vgl. i. M.\X MÜLLER J 
«On the Classification of the Turanian languages», — BUNSEK : *Outlines1 
of the philosophy of Universal Histoiyw, London, 1854, vol. U, p, 
263 — 521. Eine ausführliche Besprechung dieses Werkes siehe inj 
11 Xyelvtudomanyi Közlemenyeki» (d. i. »'Sprachwissenschaftliche Mitthei-I 
lun.genw), H. (1863), S. 381 — 460. 

2. Max MCller: <iThe Languages of the Seat of War in the East,| 
with a suney of the tree families of languages Semitik, Arian and] 
Turanian.t» London, 1855. 

3. Derselbe: «Lectures on the Science of Language.» London, 1861.] 
Sechste Auflage. London, 1871. (In deutscher Sprache: «(Vorlesungenl 
über die Wissenschaft der Sprache. « Für das deutsche Publicum bear-l 
beitet von Dr. C. Büttger. Autorisirtc Ausgabe. Leip7ig% 1863.) Einel 
ausführliche Besprechung dieses Werkes siehe in den «Nyelvtudt»manyi| 
Közlemenyek »♦ II., p. 69^104. — Eine ungarische Uebersetzung bewerk- 
stelligte nach der sechsten Original aufläge im Auftrage der ungarischen 1 
Academie der Wissenschaften Sigmund Steiner. (Erschien zu Buda-j 
pest, 1873-^74.) 

(Zur Seite 16 über «^Flexiony^,) Dass in der That nur die semiti*! 
sehen Sprachen wahrhaft «iflektirends die arischen und altaischenl 



aber «agg^rutinirend» sind, ist so augenfällig-, dass es Wunders nehmen 
muss, wenn die Wissenschaft noch immer den flektirendcn Charakter 
der arischen Sprachen aufrecht erhäh und 2wischen ihnen und der Bie- 
i^üng der semitischen Sprachen keinerlei Unterschied findet. Diesen 
Umstand habe ich bereits im Jahre 1854 näher beleuchtet in meiner 
Abhandlung: *>A Torök, Magyar 6;^ Finn szok eg^'behasonhtäsa n (d. i, 
« VergleichunF der türkischen, ma,ij:3'arischen und finnischen Wörter») im 
«Akaderaiai Ertesitü»» (d. i. «Academi scher Anzeigern) vom Jahre 1855. 
B«3PP urtheilt übrigens auch folgen dcrmassen : «Eine semitische VVurzel 
ist unaussprechbar, weil man, indem man ihr Vucale gibt, .^ich schon zu 
einer speciehen grammatischen F<jrm hinneigt, und nicht mehr blosses 
Eigenthum der über allt; Grammatik erhabenen Wurzel vor sich hat. Im 
indo-eurüpäischen Sprachstamm (d, i, in der arischen Sprachfamilie) 
aber, wenn man seinen ältesten Zustand in den am reinsten erhaltenen 
Sprachen zu Rathe zieht, erscheint die Wurzel als ein fast unveränder- 
licher geschlossener Kern, der sich mit fremden Sylben umgibt, deren 
Ursprung wir erforschen müssen.» — «Unter der Flexion versteht 
Fr. V, ScHLEfJEi. die innere Veränderung des Wnrzeüautes, oder die 
innere Modification der Wurzel, die er der Anfügung von aussen entge- 
genstellt. Was sind aber, wenn von l^ oder Jo im Griechischen tilta-ß^k 
ha-a-M 5v-9'j?o-ft/Kf9'* kommt, die Formen ^t, rtv, S^jj/****.^«» anders als 
offenbare Zusätze von Aussen, an die ' im Innern gar nicht, oder pur 
in der Quantität der Vocale veränderte AVurzel ? Wenn also unter 
F/exi'on eine innere M<jdification der Wurzel verstanden sein suTl, so hat 
das Sanskrit und Griechische etc. ausser der Reduplication, die aus den 
Mitteln der Wurzel selbst genommen wird, kaum irgend eine Hexion 
aufzuweisen.» Vergleichende Grammatik des Sanskrit etc. Zweite Auflage. 
Berlin, 1857. § 107. 108. 

" (S, 15.} H. Steinthal, <tDie Classification der Sprachen, dargestellt als 
die Entwickelung der Sprachidee, '» Berlin, 1850, 

t» (S. 17.) H. SiEiNTHAL, «Charakteristik der hauptsächHchsten Typen des 
Sprachbaues, •» Zweite Bearbeitung seiner «Classification der Sprachen». 
Berlin, 1860. 

13 fS. 18.) Stfjnthal, Ebend. 

^ {S. 20.) Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprachbaues, 
S. 329, 330, — ScHWARTZEj auf den sich Steinthat, im Texte beruft, ist 
mir unbekannt, deshalb kann ich auch über seine Ansicht be;!üglich der 
mag)'ari sehen Sprache kein Urtheil fällen. 

(Zur S, 21.) Der auf S. 10 aus Tacitus angeführte Satz, auf dessen 
einzelne Ausdrücke im Lateinischen und Magyarischen sich der Text 
S. 21 bezieht, Tautet im magyarischen Wortlaute also : «Jeles ferfiak tetteit 
es erkülcseit az utodoknak adni hirül, m\ hajdan szokäsban volt, meg a 
roi korunk sem hagyta el, ämbär nem sokat gondol a maga törtencteivel. ■♦ 
; (S. 22.) Nehmen wir z. B, das lappische nakka», das finnische «akkan, 
das woguhsche wakve» und das magyarische «asszony» (i^ak-sztmy^^Frau) ; 
deren Nominativ, Accusativ und Genitiv lautet folgenderraassen : 

Lappisch : 

Nominativ ..... akk.a 

Accusativ aka-b 

Genitiv ....... aka-n 

»6 (S. 23.) Vgl. <iEtudes Accadiennesit par FrancoIS Lenormant. Paris. 
1873, 1874. <i Es ist überhaupt eine merkwürdige historische Thatsache, 
dass die Cultur nicht bei den sanskritischen, oder nach Stlixthai. bei 
den Völkern mit der vollkommensten Sprache begonnen hat, sondern in 
China, Mesopotamien, d.i. im Zwischenstromlande des Euphrat und Tigris 
und in At-gyptcn. Der Einfiuss der chinesischen Cultur erreichte das 
Mittelmeer nicht; aber die mesopotamische (ass3msche, babylonische) 



Wogulisch : 


Magyarisch i 


Finniach 


akve 


ass5jony 


akka 


akva-rae 


asszony-t 


aka-n 


— 


— 


aka-n. 



38* 



Cultur ging der äg}'ptischon voraus und verbreitete üich über Phbnicien. 
Griechenland und über die europäischen Völker. Den Anfang der meso- 
pola ml sehen Cuhur hat man wiederum nicht bei Ass}Tem und Baby- 
loniern zu suchen, sondern bei einem diesen vorausgegangenen turani- 
sehen Volke, von welchem jene die Schrift empfangen hatten. Um das 
Jahr 1900 V. Chr. nahm Sargon 1. statt des alten turanischen Glau* 
bens die semitische Religion an.» (LENORMi\Js'T, uLa langue primitive de 
la Chaldee», p. .321, Paris, 1875.) In den drei genannten Cultur-Centren 
reicht der Ursprung der Schrift bis in das dritte Jahrtausend vor 
Christus (3000 — 2^00) zoruck, indess die Schrift der Sanskrit- V^ölker da^ 
siebente Jahrhundert vor Christus nicht überschreitet. (Vgl. Dr. BiKCH 
auf der internationalen Versammlung der Orientalisten zu London, im 
Jahre 1874, worüber man meinen ausführiicheii Bericht in « Ertekezesek 
a Nyeiv- 6s Szeptudomänyok köreböl« d. i. «Abhandlungen aus dem 
Gebiete der Sprach- und ästhetischen Wissenschaften «, Bd. IV., 
6. Heft, i^74t nachsehen kann). 

(Zur S. 22 über das Personaiprononum.) Wie unmÖgHch es der Conju* | 

fation des Verbums ist, sich nach dem Muster einer anderen Sprache 3!u 
^rmen, lehrt deutlich folgendes Beispiel. Das magyarische men'i\ 
(gehen), lautet im Finnischen men-nä, im Wogulischen ?///>/-ungve, im 
Lateinischen tre ; der Condiüonalis hie von ist im Magyarischen memie-V, 
im Finnischen mcfiftc-rtc-w, im Wogulischen rnüi-NU-m, im Lateinischen 
irem. In den finnisch-ugrischen Sprachen ist rie, im die Bildungssylbc 
des Conditionalis, zu welcher dann noch die Personalsuffixe (k, n, m} 
treten. Aus welcher indo-europäi sehen Sprache stammt nun diese Flexions- 
sylbe ? Ferner : W* eiche indo-europäische Sprache i.st die IVsache dessen* 
dass das Personalsuffix im Mag)'arischt^n k, im Finnischen n. im Wogu- 
lischen m ist? Und wenn wir erst noch den Desiderativ-Potentioniilis | 
mvhefnem (= ich möchte gehen), mehetml (du möchtest gehen), mtM- 
nek betrachten, dessen Conjugation auf «ik» auch in der magj-arischen ] 
Grammatik ein Unicum ist ; welcher indo-europäische Dialekt sollte der I 
Schaffung dieser Form als Ursache oder Antrieb gedient haben? Kein 1 
einziger dieser Dialekte ist meines Wissens im Stande den Potentialij» ' 
«het» (können) und den Conditionahs «nc* (mögen) durch Suffixe auszu- 
drücken; die Conjugation mit «ik» hat zwar in der Bedeutung ein Ana- 
logon im griechischen Medium und im sanskritischen atmane-padam ; 
allein ein wörtliches Analogon könnte ich nicht anführen. 

^7 (S. 2j). ti Problem der linguistischen Ethnographie. * Im « Geographischen 
Jahrbuche.» v. Bi-iHM, 1872, Bd. IV. 

t8 (S. 24). n Ueber die Verschiedenheit des Menschen als Ra^en- und Völ- 
kerindividnum.w Wien, 1871, — «Allgemeine Ethnographie» von FklEDR*j 
MÜLLER. Wien, 18/3. 

(Zur Seite 24.) Ueber die Samojeden und deren Sprache siehJ 
« Mag}^ar Nyelv^szet '► (d. i. «Magyarische l^hilolügie»), Bd. II L Hauptl 
quelle ist : Castren, «Samojedische Sprachen..« St. -Petersburg» 1855, J 

19 (S. 26.) ♦< Völkerkunde w von bsK.\ii Peschel. Leipzig, i, Autiage, 1074I 
2. Auflage 1875. fliese xweitt: Auflage ist im Texte citirt. 

«> fS, 26. J Völkerkunde, Seite 351, 352. 

« fS. 27.) Völkerkunde, Seite 369. 

M tS. 27. J Vülkerkunde, S. 401, 403. 

S3 (S. 2-j.) Gast KEN, ethnologische V^orlesungen über dfe altai sehen Vö 
ker. Herausgegeben von Anton Schiei-XER. St. -Petersburg, 1857. 

*4 (S. 28.) Ueber die Drawida-Sprachen vgl. ♦• Dravida-nyelvek.» HCXFALVV 
altal (d. i. * Die Drawida-Sprachen » von Paul Hunfalvy) im X* Hde? 
der « N y el vt u d om a n vi K ^ I e m en y ek « ( d . i . « Spra c h w i ss en s c ha f 1 1 i c 1 
theilungen »}. 

«5 (S. 2%!) Völkerkunde, S, 487. 

«6 (S. 28/) Volkerkunde, S. S32. 



5»S 

*7 ^S, 29. J Völkerkunde, S, 534. 

as (S. 29:) Ueber die baskischc Sprache vgK eine urienlirendf Abhandlung 
von Dr. Franz Ribary im 5. Bde, der r< Nyelvtudoman} i kozlemenyeki* 

f( d . i . " Sprac h w i sse n s c h a ft 1 i che M i t the i 1 un ge n » ), 
»9 (S. 30), Allgemeine Ethnographie, S, 426 ff. 
30 (S. 30). Völkerkunde, S. 504 ff, 

I (Zur Seite 30 über Xeger und Alt-Aegypter,) Als ich im September 

des Jahres 1874 von London nach Hause zurückkehrte, befand sich auf 
dem Dampfer von Dovre nach Calais eine grosse und gemischte Gesell- 
' Schaft, Mir gegenüber sass eine iCegerin, welche ihr Haupt an die 
' Cabin-Wand lehnte, als ob sie sich unwohl fühlte, obschon das Meer 
I ^anz stille war. Ich betrachtete lange ihre Gesichtszüge, ihre Augen und 
' T.ippen und war überrascht, darin ein vollkommenes Ebenbild einer alt- 
I . Äg}Ttischen Bildsäule aus dem Londoner Museum zu erblicken. Auch 
- mein Reisegefährte fand an der Negerin dieselbe Aehnlichkeit. Ich 
' würde es nicht wagen, dies anzuführen, wenn es nicht bei Peschel 
j (S» 14) heissen würde: «DARWIN erzählt uns, dass bei einem Besuche 
|i des britischen Museums ihm und zwei Beamten jener Anstalt, die er als 
urtheilsfähige Richter bezeichnet, die stark ausgesprochene Negerform 
der Statue Amunoph IIL auffiel.» Eine zweite Aehnlichkeit fiel mir auf 
in einem Garten bei London, wo die Mitglieder der Orientalisten - 
Versammlung einen Nachmittag zubrachten, darunter auch eine Hindu- 
familie : Mann, Frau und zwei Kinder. Ich wurde nicht müde, diese zu 
betrachten, insbesondere die Frau und die beiden (6- und 12-jährigen) 
Kinder; es waren vollständige ung^arische Zigeunergestalten, nicht bloss 
nach Gesicht, Hautfarbe, Haar, Augen und den weissen Zähnen: son- 
L dem auch in den Bewegimgen, 

|j» (S, 30). Mir scheint, dass in Lngam die Lebensweise KinüusÄ auf den 

I Bartwuchs habe. Bei dem viel ira Freien lebenden Land manne, mag er 

welcher Nation oder Sprache immer angehören, sind dichte Barte selten, 

dagegen um so stärker bei den im Zimmer arbeitenden Handwerkern, 

namentlich in den Städten. Es ist keine seltene Erscheinung, dass des 

\ Bauern Sohn, der z. B. das Schusterhandwerk erlernt hat, starken Bart- 

\ wuchs aufweist, indess der Vater nur schwachbärtig gewesen ; selbst der 

vermögliebere Landwirth, der mit Pflug und Sense weniger hantirt, 

nimmt nicht blos an körperlichem Umfange zu, sondern erfreut sich 

auch eines strotzenden Bartwuchses. 

1; Vielleicht kann man auch anderwärts ähnliche Wahrnehmungen 

' machen. Prof. Dr. VÄitHERV brachte von seiner Reise nach Inner- 

I Asien, von Kungrat (an der südlichen Spitze des Aralsees) einen jungen 

I Menschen mit, welcher nur schwachen Bartansatz zeigte. Dieser Kun- 

[ grate lebt gegenwärtig als Diener an der academischen Bibliothek in 

' Budapest und besitzt heute Bart und Schnurrbart wie jeder Eingeborne 

des Landes. Und doch st?llte nach der P^thnographie LSAK MüLi AH nur 

' schwachen Bartwuchs haben. 

j 32 (S. 31.) ♦" Kraniologiscbe Untersuchungen •> im ^ Archiv für Anthropologie». 
L I., 129. 

31.) Volkerkunde, S, 48 j. 
31.) Völkerkunde, S. 14. 
31.) Allgemeine Ethnographie, % 1. 
Völkerkunde, S. 522, 



i(S. 

KS. . 

' (S. ^i.) Ibidc-ni, S. 412. 

» (S, 31.) Ibidem, S. 31. 

(Zur S. ^}i über ^Nation^^) 

latemische «natio» 2;ur Geltung; 

norum r^alraatiae, Croatiae, Sclavoniae filii nati\i sub 

Jiufigarorum complectuntur. Accedente benign a S. 

resolutione, communi Statuum et Ordinum 



Ung^arn kam in den 
heisst es im G*-A. 61 



Geiri'tsfen das 
1741 : oBeg^ 



deno/n in aiimie 

R. Majestatis 

voto ultra compertum et sta- 



tut um est, ui j_MriLki[i*i mn le^horum rc;^no Hun^^ariae conncxurum tihi 
nativi sub denominatione Hungarorumt t|uoad ofFicia et bendicia Lcd^ 
sjastica et Secularia etiam comprehensi intellijLranrun» — Unter dem 
A\Qsdruck «ungxirischc Nation» verstand man damals den Ade/, sobald 
von der Verleihunj^ von Biathümem oder anderen ein fraglicheren Aemtuii 
die R»^de war. Später bezeichnete dieses Wort das politisch gleichbereth- 1 
tigte Volk. 
3i (S. 36») Slavische Alterthümer, I.^ P- 29J, 

40 (S. 29.) «MLi-r^'x^esieeti knlau;;, különös tekintetteJ Magyarorszägra >* (d. i, 
*' Kunstarchäologischer Führer, mit besonderer Rücksicht auf l'n^arn»). 
1. Theil. Prall istarische Periode. Von Dr. Fl. Romer, Mitg^lied dcrj 
un^^ar. Academie. Mit 154 Holzschnitten. (Pest» 1866.) 

41 (S. 39.) «Ma^^ar R^^g^iseg-tan»» («Ungarische Archäologie»). VgL ARNOLD 
IPOLVI. M\lag>Mr miitört^nelmi tanulm.inyok» (d. i. «Ungarische kunat- 
y^eschichtliche Studien»). Budapest, 1873. S. 557 ff* 

4* (S. 2g.) Fundnoti;^. Pfahlbauten im Neusiedlersce. Von GrXDAKlR 
Graf WLKiinKANi». In den «^Mittheilungen der anthropologischen Gesell- 
schaft» in Wien. IM. IV., p. 291. ' 

43 (S. 39.) Vgl. «Mag)'ar mütörtenelmi tanulmanyok» (d. i. «Ungarische 
kunstgeschichtliche Studien»). S, 472 ff. 

44 (S. 39.) Vgl. Carl Gnnss, «Archäologische Analekten» im «Archiv für 
äiebcnbürgische Landeskunde..» Bd. XL 1. Heft, 1873, S. 114 ff. Vjyd: 
"Der neueste Fund bei Hammersdorf », von LUDW. Reissenukkger im 
«Archiv für siebenbürgische Landeskunde. •► Bd. X. l. Heft, 1872. 

43 (S. 40.) nDie Sammlung ist wohl eine der reichsten in der Monarchie.» 
Dr. Math.Xus Mich in den «Mittheilungen der anthropologischen 
Gesellschaft in Wien. Bd. IV.. p. 14. 

46 (S, 4or) Pindaros (lebte 522^442 vor Christus) in der 3. Olympionike, 
V. 10—20. 

47 (S. 41.) Prof. Carl Gooss, der die örtliche Situation aus eigener An- 
schauung zu kennen scheint, sieht den «Tiarantus« im heutigen Ttljor- 
man, den «Ararus», welchen Ffo/omaeus 'h£«<ro5 nennt, im Stret, 
den «Naparis« in der yalomnifza und den «Ordessus'> im Ardschisch, 
Vgl. «Studien zur Geographie und Geschichte des Trajanischen Daciens% 
im Schässbiirger Gymnasialprogramme vom Jahre 1873/4. 

45 (S. 41.) Her(}fiohis, IV., 194. 

49 (S. 42.) Aeschyius (lebte 525—456 vor Christi Geb.) gedenkt scho!^ 
des Gebirges Ripe (PiVä* oder Pix^iÄ Af»). Fragment 86. GODOFS 
Hkr:manni Edit. L, p. t^z^. Das Gebirge «Ripe» heisst bei den lateiuiJ 
sehen Schriftstellern Rhiphaei montes^:=Mx^. — Heroäotus wusste, das 
das Kaspimeer ein grosser binnenländischer See sei, was man späte 
wieder vergass. 

50 (S. 42.) \\Jhmt\ als Verbannungsort Ovid's berühmt geworden, wird 
heute von den Moldauern lumischiHir genannt», so äussert sicB 
KatanX'SICH: «De Istro ejusque accolis.» Buda, 1748. p. 2^. (Hodil 
quoque nomen antiquum retinct. Moldavis Tomis-ivära dictum, Turdl 
PaNgaea, Graecis Fitgitcara, ut notat Hasius.) ^ Der « Parvus Atla 
in duos partes divisus, quarum prior pars repraesentat Regnum Hunga 
riae etc. secunda pars refert Regna et provincias haereditarias Cacsa 
reas» (Augustae Vindelic, Excudit Johann Andrkas Pfkffkl, ohni 
Jahres/ahl) bringt auf Tafel IV das «Regnum Bulgariae« und daselbs 
ist der «Golfo de la Varna« mit der Stadt «Varna» und der «Golfo 
Tomiswar» mit der Stadt <tTomiswar»f ver/eichnet. Dieser Atlas wurdl 
zur Zeit Carl VI. (HL), also vor der Regierung Maria Theresia*! 
angefertigt. Desgleichen zeigt die «Accurate Landkarte % die KönigJ 
reiche : Ober- und Nieder-Hungarn, Slavonien, Croatien. DalmatieuJ 
Bosnien, Servien, Bulgarien und Romanien, das Grossfürstenthum Sie4 
benbürgen etc. vorstellend (gestochen und verlegt durch JOHAX.V JacOH 



385 

EllJL zu Wienj} ebenfalls den <Golfo dl Tomiswar» und die Stadt 
«Tomiswar. w Daraus ist ersichtlich, dass man im 17. und 18» Jahrhun- 
dert das alte «Tomi» wirklich HTomisvari* g'enannt hat. — Die iiGene- 
ralkarte von der Europäischen Türkeis, "gezeichnet von Hjünrich 
Kiepert (Berlin, 1870) kennt weder einen Golf noch eine Stadt uTomis-; 
war>s wohl aber befindet sich an deren Stelle Älargalia^ das bei 
IC\TANCSICH als x Pangala «^ ant^eführt ist. — Der Name «Tomiswär» 
verleitete zu dem Irrthume, als üb Öviähis nach Tomi ^y in Nieder mosten, 
dem heutigen Temesvärer Ba?iai^ (!) verbannt worden wäre. (A. 
Brockhaus , Conversations * Lexikon , zweite Auflage im Artikel 

^r (S. 42.) Livius V,, 34. Vg:l. MOMMSEN, «Römische Geschichte», 1. Band, 
I S, 318 (3. Auflage). 

s» fS. 43. J SCHAFARIK, «Slavische Alterthümer^s L 387. 

53 (S. 43,) Ibid. K 242—244 : nSeit dieser Zeit (seit 2^}^^ vor Christus) etwa, 
erschienen plöt?:lich eihe solche Mengte Sklaven .getischen Stammes in 
^anz Griechenland, die von den keltischen Skordiskcm und Bojem übt^r 
lllyrien und Makedonien verkauft worden waren, dass die Namen Geta 
und Davus in dem neuern griechischen Lustspiel allgemein gang und 
gäbe wurden, während sie in dem älteren und mittlem (500 — 2i2i^ vor 
Christus) noch nicht vorkommen.» — SCHAFARIK nahm diese Nach- 
richt aus Sirabo, der VIL, cap. 3., § 12) sagt: «Daher kommt es, 
dass in Attika die Sklaven gewöhnlich Geta oder Davus genannt 
werden. » 

'S4 (S. 44.) Pii?iiiis setzt die ^Boj erwüste 1* zwischen den Neusiedlersee, den 
Raabfluss und die Donau» indem er sagt : «Noricis junguntur lacus Peiso, 
deserta Boiorum.»* Hist. Nat. IlL, 24 (27). Roe.slkr, hi Romanische Stu- 
dien», verlegt dieselbe (p. 29) zwischen die Donau und Theiss, wo seiner 
Ansicht nach durch die Bezwingung der Avaren durch Carl den 
Grossen die «Ava renwüste « entstand. — Wie es scheint, wanderte auch 
das Bild der Einöde von einem Volk zum anderen. Nach Strabo 
dehnte sich an den Gestaden des Pontus vom Ister bis zum Tyras 
(Dniester) die ^iGeten-Wüste» aus ü t^j Ttr^v l^^ttria), eine wasserlose 
Ebene» in w^elcher das Heer des Darius beinahe zu Grunde gegangen 
wäre. (Lib. VIL, cap. 3, § 14.) 

jP5 (S. 44.} fuiius Caesar, «De hello gallico», VL zs*^ «Hujus Hercyniae 
silvae latitudo novem dierum iter expedito patet : non enim aliter üniri 
potest, neque mensuras itinerum noverunt. Oritur ab Helvetiorum et 
Nemetum et Rauracorum finibus, rectaque Daouvii regione pertinet ad 
tines Dacorum et Anartium ; hinc se tiectit sinistrorsus diversis a tiumine 
regionibus, muharumque gentium fines propter magnitudinem attingit. •» 
— Caesar schrieb das in Gallien ; ihm lag also d^^ heutige Deutsch- 
land und Ungarn im Osten, zur linken Hand war ihm Norden. Der 
hercynische Wald hat, nach Caesar' s Auffassung, von den Quellen der 
üonau bis Waitzen mit dem Flusse die gleiche Richtung; von da an 
gegen Dacien wird er unbekannt, entfernt sich aber vom Strome. 

fiö (S. 44.) Vgl. Frjedr. Kenner, «iNoricum und Pannonia» in den ** Berich- 
ten und Mittheilungen des A Iterthu ms- Vereines i* in Wien, Band XL, 
Seite 3. 

Is7 (S. 45.) Vielleicht wissen diesbezüglich die Historiker mehr als Caesar 
selbst, denn bei ihm heisst es nur: «His rebus gestis, cum omnibuj» de 
causis Caesar pacatam Galliam existimaret, superatis Belgis, expulsis 
GermaniSj victis in Alpibus Sedunis, atque ita inita hieme in Illyricum 
profectus esset, quod eas quoque nationes adire et rognoscere vellet, subi- 
tum bellum in GalHa coortum est.* tt De belki gall.« IL 35. — Wahr ist, 
dass schon S/r a im meldet, Caesar habe sich auf einen Krieg gegen 
den Daker oder Geten Burevistes vorbereitet. Sirabo VIL , cap. 
3i § 5' 

ß[iuifalvy, Ethnofr, ^5 



j86 



^» (S. 45O S/ra6o, VH., cnp. i. § 3. 

S) (S. 46.) J'itcrYus, AnnaL II., 6j. «Marobodus undiqae deserto non aliud 
subsidium, quam misericordia Caesaris fuit . » . . idem Catualdae casus, 
neque aliud perfug^ium , . . Barbari utrumque comitati, ne quietas pro 
vincias immixti turbarent, Danubium ultra inter fiumina Manim et 
Cusum looantur, date rege V^annio ^entis Quadorum*» — ^ Krones, 
11 Handbuch der Geschichte Oesterreichs » (Berlin, iS/'ö) Bd. I., S. 214 
nimmt den Fluss *Cusus» für die Theiss, wonach das Quadenreich sidi 
von dt'f March bis üur Theiss erstreckt haben würde. 

^ (S. 47.} Taciius, Annah XÜ*, 29. 30. 

6* (S. 4/'4 Jacifus^ Histor. III., 46. 

6a (S, 48.) Dia Cassius LXVIL. 7. 

(Zur S. 48, Friedensgesaftdtsckaft des Decebalus.) Dia Cassius, 
LxVlIL, g. «Decebaius (0 Af*ii'J«A(»<) schickt nicht mehr wie ehedem 
Gesandte aus den Bezopften (r** it*^j?rÄ^O, sondern aus den Voradv 
men der Hiitetragenden {rii »iAe^of** r*wf mti^r^v%^\. Die Daker 
waren also nicht eines Standes, eines Ranges ; die Vornehmen trugen 
Hüte, daher die «iHütetrag^cnden», die übrigen waren die «Bezopften 
(Langhaarigen), obgleich sie vielleicht nicht barhäuptig gingen. — Auch 
JOROANis, ein gothischer Schriftsteller des 6. Jahrhunderts, kennt die- 
sen l^nierschied, den er auch erklärt: ftNomen illis PilcaforttPn^ \\\ rcor, 
quia opertis capitibus tiariis, quos pileos aÜo nomine nuncupamus, Uta- 
faant, reliquam vero gentem Capillatos dicere jussit. » Getarum Origo. 
Edit. Closs, p. 52. 

^3 (S. 48») Ammianus MarcelL XXL, 5, 16. Nicopolis. quam indicium 
victoriae contra Dacos Trajanus condidit Imperator. — '^ordanis p, 7^. 
«quam devictis Sarmatis (Dacis) Trajanus et fabricavit et appellavit 
l jcttrria e Ciz *iia tem . » 

64 (S. 49.) Dio Cassius (um 190 n. Chr.) erwähnt LXXL, ;., der Schlacht gcg^n 
die Jazyger, in cap. S der gegen die Quaden in folgender Weise : « Marcus 
unterwarf (v!r*V«|fv! in vielen und grussen Schlachten die Markomannen 
und Jazyger ; auch gegen die Quaden führte er einen grossen Krieg mit 
zufalligem Siege liiKD 3r<if«5a|«nf. Julius Capitolinus berichtet: «Kul- 
men de coelo precibus suis contra hostium machinamentum extorsit, 
suis pluvia impetrata^ quum siti laborarent. n 

^5 (S* 49.) Klare i ^ 1 «/(///// imperatoris r*?» ik f«t/Tav libri^ XIL Das erste 
Buch schlüss er also: t«. h Katidha x^öf rÄ? r^ttuij» («was ich 
den Quaden an der Granua geschrieben habe"), das zweite: r« 

^ (S. 49.)'Dacia, quae a Traiano ultra Danubium fuerat adjecta, amis^ 
est. Eutropii Hb. IX. c. 8. 

^7 (S. 49.) EHlropius IX., cap. 15, Provinciam Daciam, quam Traianus 
ultra Danubium fecerat, intermisit, vastato omni lll>Tico el Moesia, de- 
sperans eam posse retineri : abductosque Romanos ex urbibus et agris 
Daciae, in media Moesia collocavit, apellavitque eam Daciam ; quae 
nunc duas Moesias dividit, et est in dextra Danubio in raare fluenti* 
cum ante Üuerit in laev^a,»» — Man muss also zwei Dacien unterschei- 
den : das alte oder Trajanische diesseits der Donau im heutigen Teme- 
ser Banate, Siebenbürgen, der Walachei u* s. w. und das neue oder 
Aiireiianische im heutigen Serbien und Bulgarien. 

ßs (S. 49,) Zur Zeit des Dio Cassius bereiteten die Pannonier nur aus 
Hirse und Gerste ein geistiges Getränk. VgL XLIX., 36. 

^ (S, 50.) Ammianus Marcelliuus erzählt (XXX., cap. 5 und 6) den 
Vorfall in nachstehender Weise : «Nachdem der Kaiser den.Merobau- 
dus mit einer Schaar vorausgesendet hatte, damit dieser die quadischen 
Dörfer verwüste und niederbrenne, bezog er selbst mit dem Heerführer 
Stbastianus bei Acincum (Altofen) das Lager, liess mittelst Schiffe» 
über die Donau eine Brücke schlagen und zog hinüber. Auf diesem 




raschen Einfalle Jiess er, soweit er in 's Quadenland eindrang, ohne 
Unterschied Alt und Jung niedermetzeln, die Häuser in Brand stecken 
und kehrte dann ungefährdet wieder nach Acincum zurück. Da jedoch 
plötzlich der Herbst eintrat, so begab er sich zur bequemeren Ueber- 
winlerung nach Sabaria (Steinamanger) ; weil er dieses jedoch in schlech- 
tem Zustande fand (invalida eo tempore, assiduisque malis afflicta), zog 
er nach Bregetio (Alt-Szöny), wo er nach Ammmnus durch viele un- 
glückliche Vorzeichen an seinen nahen Tod erschreckt wurde. Auf den 
Rath des Equitius traten die quadischen Gesandten beim Kaiser ein 
und suchten sich zu entschuldigen, indem sie angaben, das, was vorge- 
fallen, sei nicht die Schuld der Vornehmen ihres Volkes, sondern die 
Ursache dessen wären einige hergelaufene Menschen und die entlang 
des Flusses hausenden Wegelage rcn Uebrigens habe die ungerechte und 
unstatthafte Anlage der Befestigung^en allerdings die wilden Gemiither 
gereizt. Auf dieses hin *fuhr der Kaiser empor, wollte sprechen, doch 
seine Stimme stockte und das Blut drang hervor. Bald darauf starb er 
qualvoll. 

rS. 5i.) Strabo, Vll., c. 5. 

(S. 51.) VgL «Noricum und Pannonien»» von Friemr. Ken^ner in den 
«Berichten und Mittheilungen des Alterthums- Vereins» zu Wien, Bd. 
XI* 1870. — Die Stelle bei Phnius lautet: «A tergo Camorum et 
Japydum, qua se fert magnus Hister, Raetis junguntur Norici, oppida 
enrum Viruntum, Celeia, Teumia, Aguntum, Vinniomina, Claudia, Fla- 

I vium Solvense. Noricis junguntur laeus Pelso, deserta Bojorum ; jam 

r tamen colonia divi Claudii Sabaria et oppido Scarabantia Julia habitan- 

L tur. » Hist. Nat IH., 34, 

^» (S. ^2,) «Noricum und Pannonienn, L c. p. 25. — Ueber «x^quincum« 

^'^vgh die fleissige Arbeit von Dr. JOSEF H.AMPEL «Aquincum törtenete- 

nek väzlata kütfÖkb(ili» (d. i. »1 Historische Skizze von Aquincum nach 

den Quellen»). Pest, 1872. Dr. Hampet. weicht in einigen Details von 

Kenner ab, stimmt jedoch grösstentheils mit demselben überein. 

73 (S. 52.) Ffo/omaeus (lebte um 150 n. Christus) H,, c. 14. Ed. NOHBE. 
«Der Geograph von Ravenna» (aus dem 8. oder 9. Jahrhundert) p. 216. 
Ed. PTN DER et Parthey, 

74 (S. 52.) Dio Ca SS i US in seiner Beschreibung des Feldzuges im Jahre 7 
vor Christus : «Als in Pannonien die römischen Heere an vielen Orten 
vorwärtsdrangen, stellten sich die Führer der Aufständischen, die Baten, 
dem aus Mösien anlangenden Severus entgegen und überfielen plötz- 
lich die Heerschaar des Germanicus , welche am Moraste Volcäus 
jV^ö5 T*^if OiJ*AjCÄtö*4 fAij5-i) lagerte.» LV*, 32. 

75 (S. 53.) FORHIGER, Handbuch der alten Geographie, HL, 561. 

7« (S. ^z,T^.) Ammmnus Afm-ce/l. XVH., 12. 13. «Gerebantur haec in ea 
parte Germaniae, quae Secundam prospectat Paufioniam, parique for- 
tuna circa VaJermm opi^^ barbaras urendo rapiendoque occurentia mili- 
tari^ turbo vastabat. — His in barbaris gestis Bregen tionem castra 
commota sunt, ut et etiam ibi belli Quadorum reliquias circa illos agi- 
tantium tractUK lacrimae vel sanguis extingueret. w — Das Gebiet der 
Provinz ••Valeria» wurde in der Thal durch die Ableitung der Gewässer 
des Plattensees und durch die Ausrottung der Wälder gewonnen. Der 
*lacus Pelso si bedeutet sonach sowohl den Platten- als auch den Xru- 
siedtersee. — GiBHON (*< History of the Decline and Fall of the Roman 
Empire.» Baseler Ausgabe vom Jahre 1787. Bd. H., S. 175 und 422) 
erzählt nach Aure/ms Victor (cap. 4.) die Verfügungen des Kaisers 
'a/erms und meint, Aitrehus Victor habe irrthümlich den « Pelso • 
genannt, während er des « Volkäi sehen Morastes i« hätte gedenken sollen: 
denn dieser sei der heutige Plattensee gewesen, der « Pelso * würde nur 
den jetzigen Neusiedlcrsee Cmag)^ Ferto) bezeichnen. Allein dieser letz- 
tere lag nicht mehr im Valerianischen Gebiete, was wir auch von 

25* 



Ammiiißuis A/tircttifffUi erfahren ; U\vi. mu^js also nothwendig^r Weisel 
unti-*r dem «lacus Pelso« der Plattensee, wie oben bei Plinius (siehe 1 
Xcilt^ 54 und 71) unter derselben Benennung der Xeusiedlersee ver- ' 
»landen werden muss. Der «palus Volocaeus»^ • Ulcacust, selbst »Hiulca» 
la;^ bei Cibalis oder Cibalae (dem heutig-en Vinkowcze) und entspricht 
dem • Pal acsa <i- Sumpfteiche, aus welchem das J>/y^i7- Flüsschen entspringt. , 
das bei VukovÄr in die Donau fliesst. Der Name Vuka erinnert an das | 
alte Volok, Ulk. OvAie. — Uebrij^ensi haben auch andere Schriftsteller, 
z. B. Mathias Bel, den tVolcca palus» für den Plattensee irehaltLii. 
Vgl. den Atlas des Mathias B^L, 2. Blatt. Prcssburg- 1751. 

77 (S, 54.) Sfrabo, VII., cap. 3, 19, 13. 

7^(54.) Plinius, Hist. Nat. IV* 12 — 15. ^^ ^<^^ angeführten Steile heis&i i 
t?5 noch» dass dort das Königreich des Vannius «a Marc sive is Durius 
est.» Diese Stelle will SCHAFARlR («Slavische Akerthümer», I,, 507) also . 
lesen: «a Marosio Dacia est»; und in der Stelle bei Tacitus, wo die j 
Knt^tehung von dem Köni|^reiche des Vannius erzählt wird, (siehe oben | 
Note 49 «inter flumina Alarum et Cusum) liest SCHAF.ARlK. statt »Cusus«! 
— «Krisus.» Offenbar mit Unrecht. Die Römer wissen ;!ur Zeit ded 
Plinius und Tacitus noch gar nichts von dem Lande jenseits derT 
Iheiss; bei ihnen bedeutet der «Marus» nur die westliche March\ 
(Morawa), niemals den Marosfluss in Ungarn. Den «Krisus» (heute j 
«Koros») nennen meines Wissens selbst die römischen Alterthümer Sie» 
benbürgens nicht. 

79 (S. ^^,) Plo/omaeus, 111., c. 7. Er beschreibt den Lauf der Theiss von 
ihrer Mündung in die Donau nach den Karpalen zu gehend, wo sie sich 
ostwärts wendt^t und verschwindet, d, h, entspringt, in ihrem ganzeti 
Laufe aber das Land der Jazyger von Dacien trennt, so deutlich, dass 
man billig staunen muss, wie Forhigkr (Handbuch der alten Geo.^. 
HL, 1103, Note 54) unter jenem «Tibiscura» die lemes verstehen konnte. 
IHoiamacus nennt das südwestliche Gebirge Siebenbürgens durchaus 
nicht «Karpaten», das ist nur neuere Gewohnheit: aber die im Westen 
Siebenbürgens entspringenden Flüsse konnten auch nirgends das Land 
der Jazy^j^t'r berühren. Es mag sein, dass ForbHjER durch SCHAFARIK 
/u diesem Irrthume verleitet wurde, der über die Ungarn oft tin hartes 
Urthcil aussprach und in dieser Sache sich also äusserte: «Durch dijj" 
Unwissenheit späterer ungarischer Schriftsteller ward der Name Tibiscus* 
der dem Temesch gebührt, auf diesen (Theiss) Fluss bezogen. ^ SIa\'ischd 
Alterthümer L, 507. MOMAISKN hält in seinem «Corpus inscriptionum La-J 
ti^^rum)^ (Ik^rlin 1873) den Tihisctis für die West-, den Hierasus für di^ 
Qstgrenze Daciens. Darauf bemerkt CARL Gooss («Studien zur Geo-j 
graphic und Geschichte des Trajanischen Daciens n, Note 32), dass 
iMoMMSEX den Namen nach mit Ptolomaens übereinstimme, nicht aber, 
der Wirklichkeit gemäss; denn der «Tibiscus» des Pfolomaeus bedeutet^ 
nicht die irTemes«, sondern die Theiss und der « Hierasus » nicht detil 
Seret, sondern sicherlich den heutigen PruL — Ueber die Lage de 
Stadt «Tibiscumw theilte Dr. THEODOR ÜRTVAY ein neueres Zeugniss in 
der Sitzung der wUng. hist. Gesellschaft •♦ vom 4. Februar 1875 mit*' 
wonach diese Stadt eine Stunde von Karansebes, an der Vereinigung 
der Hisira und Temes (Tibiscus) gelegen sei» wohin sie auch schon vor^ 
dem mehrere Historiker versetzt hatten. P^orbiger dachte sich die Stad 
bei Temes vdr gelegen. 

*° (^^ 55) ^*'*-' i'" Jahre 447 zu Attila reisende griechische Gesandtschnfi 
überschreitet zuerst den /s/f/\ dann den Dreco oder Drico (A^ijjt*/ 
ferner den Pigas (Tiy««) und den Tiphesas oder Tifhisas (T<^uc-*rt 
Excerpta e Prisci historiae. Ed. Bonnae, p. 183, Hier entspricht de 
« Dreco tt oder •< Drico •♦ wahrscheinlich der Tierna oder Psiernja der Rö 
mer; der ♦•Tigasi» und w Tiphesas •• unterscheidet schon die Theiss und 
Temes. 



389 



9* 



(S. 55.) V^L ToRMA KArolv, «Dacia felosztasa a romaiak alatt •• (d, i, 
"Dacicns Eintheilun^ unter den Römern 1*) im 2* Bde. der «Jahrbücher 
des siebenbür^rischcn Museum-Vereines n («»Az Erd^1)n Muzeinri-Egylet 
Evkönj-^^ei»). Klausenbur^ 1863. (Auch im Se parat -Ab drtick erschienen.) 
(S, 58,') «Daczia feliratos emlekei es terkepe Mommskn kiadasaban » 
(d. i. d Daciens inschriftliehe Denkmäler und Landkarte in der Ausgabe 
MüMMSEN*s»)- Budapest, 1874. 

fS. 56.) «Studien zur Geographie und Geschichte des Trajanischen Da- 
ciens » von Carl Goo.ss, Gymnasiallehrer. Schässburg^er Gymnasialpro- 
.ijTt'imm vom Jahre 1873/4, Hemiannstadt, 1874, — « Untersuchung:en 
über die Innerverhältnisse des Trajanischen Daciens. » Von demselben. Im 
«Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. •• Bd. XII der neuen 
Folge. I* Heft. Hermannstadt, 1874. 
^S. >fj.) Pfoloniaet4S, IIL, cap. i. 

(S. 57.) Germanorum confmium campos et plana Jazyges Sarmatae (te- 
nent). Piniius, Hist, Nat. IV*, 12, 25. 

(S. 58.) »(Hastae sunt lon^iores et loricae ex eomibus rasis et laevigatis, 
plumanim specie linleis indumentis innexae: equorum plurimi ex usu cas- 
trati. * . * Et per spalia discursunt aniphssima seqnentcs alios, vel ipsi 
terga vertentes, insidendo velocibus equis et morigeris, trahuntque sirt- 
gtjios, interdum et binos, uti permutatio vires foveat jumentorum vigo- 
reque otio integrctur alterno. Amm, Marcel i., XVI L, 4, 12, 
(S. 58.} Amm. ÄlarceiL (ibid.) avicinitate et similitudine morum ar- 
maturaque concordes. ^ 

(S. 58.) «Dacia provinica trans Danubinus facta in his agris, qaos nunc 
Taiphali habent, Vietoah et Theruingi)«. Eutrnpius^ VIIL, cap, 2, 
(S. 59.) Am m kl H HS Älarceiiimis gebraucht gewöhnlich den Namen 
«Moesien«, seUtn nennt er es « Dacien i* ; als er z. B. von dem nach Con- 
stantintjpel eilenden Julianus erzählt, dass, nachdem er im Jahre j6i in 
DacicH sich aufgehahen, <iedixit iter in Thracias, notisque propere signis 
emensa declivitate Succorum Philippopolim petita (XXIL, 1, 2); oder 
bei der Mittheilung, dass Equitius im Jahre 365 die drei Strassen, welche 
in die nördlichen Provinzen führten, verlegt hatte ; die eine hievon führe 
nper ripensem Daciam», die andere ^'per Succos notissimum», die dritte 
*per Macednnasn. — Das alte oder Trajanische Dacien nennt er nie 
mit diesem Namen, obwohl sich ihm auch hiezu Gelegenheit gebo- 
ten hätte, 

(S. 60.) Amm. MarceUimiS, XVIL, 12, 13. — XIX., 11. — Die Be- 
strafung der Knechte geschah also <(prope Acimincumt. Gibhüx fügt 
(Baseler Ausgabe 1787, Bd. ITT, p. 153 — 157) hinzu, dass dies »«in a large 
piain near the modern City of Buda» geschehen sei. Darauf beruft sich 
auch Dr. Hampkl («Aquincum törtenetenek vazlatai», d* i. «Historische 
Skizze von Aquincumw, S, 87), nur will er statt «Acimincumi* — «Aquin- 
cumi* lesen. Allein nach dem klaren Berichte des Marcellinus hatten 
sich die jazygi sehen Knechte in den Buchtungen der Theiss, dort, wo 
diese in die Donau mündet, eingenistet. Wenn Constantinus von der 
Provinz Valeria aus den letzten Angriff gegen sie gerichtet, so kann man 
annehmen, dass er sie im Rücken fassen wollte. Die jazygischen Knechte 
hatten ihre Ansiedelungen offenbar in der heutigen Bäcska ; Acimincum 
(das heutige Slankament) war jener Ort, wo der römische Kaiser seine 
neuen Unterthanen in Eid und Treue nehmen wollte. 
(S. 60.) Unter den vielen hierher gehörigen Stellen citiren wir nur 
einige : 



«Ipse mihi videor jam dedicisse Latine: 
Jam dedici Getice Sarmaticeque luqui.» 

(Trist., V., 12, V. 



55- 



390 



«Ah pudet: et Getica scripsi sermöne libellum: 
Structaque sunt nostris barfaara verba tnodts. 
Et placui — ^Tatare mihi — coepique poetae 
Inter inhumanos nomen habere Gutas. » 

(Ex Ponto, IV., epist. 13, v. 19 ff.) 

sr» (S, 60.) Wenn man Dio*s Nachricht genau nimmt, sagt Gooss, dann 
kann *Sargetia» nicht der heutige Stre//'¥luss sein^ der mindestens z^ei 
Meilen östlich von Värhely fliesst, sondern das iTf/y^tf/z/v- Flüsschen, wet* 
ches bei Hatszeg in den Strell mündet. Vgl. Gooss, Studien etc. S. 34. 

•j3 fS. 61.^ Sfrahü, VIL, cap. j, % 11, 

v4 (S. 62,) Dio Casstus (seine historische Erzählung reicht bis 229 nach 
Christi Geb.), XLIX., 36, 

ys f S. ta.\ Straho, VIL, cap. 5, % 4. 

90 fS. 62.) Ebendaselbst. 

97 (S. 62«) Cassius, XLJX., 36. 

9^(5. 63.) Die Flussnamen «Raab»* und «Rabcza» und der i>tadtnamc 
«Raab» bewahren die Erinnerung an das römische "Arabo* bis heute. 
Der mag\'arische Xame der Stadt Raab «Gyorw (lateinisch "Jaurinuraö 
hat anderen Ursprung, Zur Zeit der Römer war «Arabona» ein henor- 
ragender befestigter Platz. Vgl. C/ech Jänos «A györi videk legregibb 
idtiben es a romaiak alatt» (d. i. «Die Gegend von Raab in der ältesten 
Zeit und unter den Römern t) in den -Jahrbüchern ß,^tx ungar. Gelehrten* 
Gesellschaft». L Bd. 

99 (S. 63.) Der Mithra-Cultus bestand in der VergÖtthchung der Natur ynd 
betrachtete die Person des Kaisers als die Person ification der Güttheii. 
Vgl. Kenner, Noricum und Pannonien, S. )fi}^, -— Die im Jahre 1831 in 
Egyed (Oedenburger Comitat) aufgefundene Opferkanne mochte sich 
auf den Jsis-Cultus bezogen haben. Vgl. «Nehany az Eg>'eden talalta- 
totl ekes mivröl » (d. i. «Ueber einige in Egy^ed aufgefundene Schmuck- 
sachen«) in den «Jahrbüchern der ungar. Gelehrten-Gesellschaft ». E ßd. 
S. 354 ff. Hier ist auch von dem Ursprünge des Wortes «ibrik» ("magy. 
Kanne) die Rede. Das Wort stammt aus dem Türkischen una kam 
vielleicht mit der Sitte des Kaffeetrinkens nach Ungarn. 

1*^0 (S. 64.) Ruksij:r , Einiges über das Thrakische, in der «Zeitschrift für 
die österr. Gymnasien». i^/J, S. 105. 

^o» (S, 64.) Casp. Zel SS, «(Die Deutschen und ihre Nachbarstämme », S. 117 
\^r\A 462. 

»o=* (S. 64.) Katanchr'H, de Istro ejusdemque accolis, pag. iii sqq. »Id 
jam ex hatten us dictis eliciavS. Getis Sarmatarum, qui postea in Slavos 
abiere, idioma usurpatum fuisse, diversa tamen dialecto. » 

«03(5.64.) SCHAFARIK, SlavivSche Alterthumer, Leipzig, 1843. Bd. L, 
S. 333 ff. In seiner n Abkunft der Slaven ■► Ofen, 1828) «1 verwirrte» ernach 
seinem eigenen Geständnisse die medischen Sarmaten mit den Serben. 

104 (S. 64. J ScHAKARiK, Slav. Alterth. L, 221^ ff. 

^05 (S. 65.) Jordanis, edit. Closs^ p. 92, wo dieser Histuriker die Siege des 
Gotben Hermanarich über die Slaven (in Venetos, Antes, Sei a venös) in 
der Zeit vor dem Jahre 375 erzählt. — «Ein Theil derselben (Slaven) 
wurde den Ostgolhen botmässig, aber davon von den Hunnen wieder 
befreit und dadurch ein ziemlich friedliches Nebeneinander eben dieser 
beiden V'ölker bewirkt; jedoch in der Weise, dass sich die Hunnen ais 
den herrschenden Stamm betrachteten.« Vgl. Grküur Krek, Einleitung 
in die slavische Literat Urgeschichte (Graz, 1874), S. 64. 

*o6 (S. 65.) Wenn wir bei Strabo lesen, dass Pytheas (^ur Zeit Alexander 
des Grossen) die l'fer von ganz Europa umschifft habe, von Gadeira bis 
zum Tanais Ajro fdcSft^d/ir i&ti Tasaififtf d. i. von Cadix bis zum 
Don, was Polybius und nach ihm Strabo für eine Lüge hielten, so 
kann dies unmöglich dahin verstanden werden, dass er die Ufer des 
Mittelländischen Meeres von Cadix bis zum Don umschifft habe; denn 




rr *•-•> V 



m^ 



dieser Weg war ja schon zur Zeit des Polybius (um 170 v. Chr.) und 
noch mehr zu Strabo's Zeit (da Kaiser Augustus regierte) nicht blos 
bekannt, sondern gar oft schon befahren ; dem zufolge hätte man keinen 
für einen Lügner erklären können, der diese Reise gemacht zu haben 
behauptete. P}^theas hatte daher seine Fahrt von Cadix um Spanien, 
Frankreich, Holland, Jütland und an der südlichen Küste des Baltischen 
Meeres gemacht und gelangte so bis zur Düna, welche er Tanais nannte, 
gewiss nach dem daselbst gehörten Xamen, Polybius wollte dem Py- 
theas keinen Glauben schenken, weil Niemand den Spuren des Pytheas 
gefolgt war. VgL «De Pythea Massiliensi dissertatio.» Scripsit Dr. Maxi- 
fc / MILIANUS Fuhr. Darmstadtü 1835» p. 73. (51m Jahre 1842 ebendaselbst 
Hl auch deutsch erschienen, S. noch: Carl Ritter, nGeschichte der Erd- 
F künde und der Entdeckungen, i» (Berlin, 1861, S, 49. 5) 
I 107 (S. 66.) SCHAFARIK, «Slav. Alterth.w, I. 252. jener Stelle im Texte 
I geht folgender Satz voraus : «Mit Sicherheit wissen wir, dass die Gothen, 
1 Burgunder, Wandalen, Quaden sich in jenen Ländern eben so wenig um 
Ackerbau bekümmerten als die Sarmaien, Hunnen, Avaren, Bulgaren, 
"osaren, Plawzer u. s, w., sondern dass sie vielmehr von den Erpres- 
sungen und der Arbeit der Untergebenen lebten , . .» — Ein Volk, das, Mde 
z. B. die Quaden, längere Zeit an einer Stelle wohnte, wendete sieb 
auch dem Ackerbau zu ; wie dies bei den Germanen des Tacitus eben- 
ils der Fall war. So beschwerten sich auch die Quaden und Marko- 
anen bei Marc Aurel (im Jahre 175 nach Chr.), dass sie wegen der 
römischen Militärlager weder ^u weiden, noch den Ackerbau zu betreiben 
oder irgend etwas Anderes zu cultiviren W7tg"en (ttütt ^ifutv cuzt ys^^- 
y«T> ovT* äAAö Ti fiSTst diiai Trtitiv). SCHAFARiK^s Ansicht, als ob nur 
die Slaven den Ackerbau betrieben hätten, ist nicht stichhältig. — Die 
Sanftmuth und Milde der Slaven hat kein Mensch gepriesen, als sie die 
römischen Provinzen verwüsteten ; die slavische Grausamkeit übertraf die 
Wildheit der Hunnen und Gothen. 

(S. 67.) Es widerspricht unserer gesammten historischen und ethnogra* 
phischen Kenntniss, wenn Kanitz («Die Donau-Bulgaren und der Bal- 
kan», L Bd., Leipzig, 18/5, S. 6) den Zug der Gothen also beschreibt: 
BVon den Hochebenen des Yaxartes strömte die Gothenfluth zunächst 
egen die durch Trajan^s dacische Kriege dem Römerreich neu gewon- 
ene Provinz.» 
- ^Jl, 67.) 'yardams sagt: «Ueber einen Theil derselben (der Gothen), 
welcher die östlichen Gebiete (orientalem plagam) besetzt hatte, herrschte 
einst Osfrog'otha; man weiss nicht, ob die OstrogotheH nach diesem 
Herrscher oder nach ihrer östlichen Niederlassung benannt worden sind 
(dicti sunt Ostro^oikne); der andere Theil in dem westlichen Gebiete 
hiess Westgoihen (residui vero Vcsegofkae in parte occidua). Edit. 
Closs. p. 62, 63. — Der «^Osfro-^^oih.» hat für uns noch das besondere 
Interesse, dass auch der Name naustriai* (Clr/tr- reich, Oestrcich) gleich- 
falls daher kommt, weil das Gebiet den östlichen Theil des Deutsch- 
rhums bezeichnet. In dem Namen der «Aestier^ blieb zwar das «r» der 
/weiten Sylbe weg, doch die Bedeutung ist dieselbe; nAestier* = die 
Oestlichen* {6 Bei Sirabo werden sie nach einem Fragment des Pytheas 
M Ostiaer w genannt; sie sassen an der Bemsteinküste der Oli/see. V^gL 
über die »lÄestieDt Grimm, « Geschichte der deutschen Sprache •>, 2* Aufl, 
S. 49g ff. 5) 
»o (S. 6ö.} yordanis p. 76, 77. Die ganze Darstellung ist dunkel; der 
Königsname n Ostrogoth i» selbst sagenhaft. ScHAF.ARiK versteht unter 
dem Flusse «Auha» die Watig jWaha); wenn dtes richtig wäre, dann 
würden die Gepiden von der Weichsel zum Dunajetz^ von diesem zum 
Poprad (Popper) und xur Waag, also irt die heutigen Comitate Zips und 
Liptau, gelangt sein. (SCHAF.ARIK, «Abkunft der Slaven*, nach dem 
Citat bei Closs.) Woher wäre aber Ostrogoth gekommen, um an der 



Waa^ eine Schlacht zu schlaj^^en r — Lcbrig-ens knüpft sich an dieii^n 
\Vc^ der Gepiden die Fabel von dem gepidischen Ursprünge der Dejt- 
sehen in der Zips, die darnach die Nachkommen jener Gepiden wären, 
i^ (S. 68.1 'Jordanis, S. 87—89. — Dio Cassius» 55, 1. Vgl, auch Zeis5, 
<i Die Deutschen s S. 445. Dio Cassius sagt, dass die Elbe fAAj'Jw?) 
in den «» Wandali sehen 1* Bergen entspringe. — Wenn der Wohnsitz dtr 
Wandalen in Pannonien lag. dann zeigt auch dieser eine Umstand, dass 
jene wandernden gothischen und nichtgothischen Schaaren nicht zalil- 
reich waren; denn sonst würden sie ja in Pannonien grosse Urawahun- 
gen hen'orgerufen haben; anderseits lässt sich daraus auch folgern, chss 
diese Provinz schon damals stark entvölkert sein musstc* Aber der so^- 
nannte « Wandalismus >• ktjnnte überall grosse Verheerungen anrichten. 

— Die Deutungen des Flussnamens Miliare := weisse Koros und Gilpit 
= schwarze Koros sind nach CARL Gooss, in dessen «Studien zur Geo- 
graphie und Geschichte des Trajauischen Daciens» (siehe die dort bei- 
gelegte Karte). 

"* (S. 6g.)«iCaucalandensis locus, altitudinesilvarum inaccessus et Tnontium.i 
Ammianus Marcellinus XXXI. 4, 13. — « Kaukalandi« deutet Zeuss (die 
Deutschen etc, p. 410) durch das gothische ^hauhalandn ^^ Hochland, — 
«wohl Bezeichnung des siebenbürgischen Gebirgslandes bei den Gothen.« 

— RoESLER, «Romanische Studien », p. 2$, erklärt es durch den daci* 
sehen Stamm der «Caucoensi» und meint, «Cauca-landi» bezeichne 
das alte Gebiet dieses Stammes und vielleicht den Theil Siebenbürgens. 
in dem die Kokei fiiesst.i» — Mir scheint, dass dieses <« kaukai» von deji 
alten Daciern herstammt, und dass die Gothen dieses Wort als nomen 
proprium übernahmen und das Wort «Land» als appositum hinzufügten- 
Für den dacischen Ursprung von «Kauka» spricht auch der Umstand, 
dass ein Theil der Karpaten nach einer lateinischen Inschrift den Namen 
«Caucasusit führte, Vgh Gooss, «Beiträge zuir siebenbürgischen Alter- 
thumskunde« p. i2j. 6(Die Inschrift bei ACKXER und MÜLLER, «Die 
römischen Inschriften in Dacien», Wien, 1865, Anhang Nn 17, p. 230. »5 

— Unter dem Namen «Caucasus» erscheinen die Karpaten auch in der 
russischen Chronik des Nestok. VgL * Die Hypatios Chronik als Quellen- 
beitrag zur österreichischen Geschichte» von IsinoR Szaraxikwic;^. 
(Lemberg, 1872), p. g und Anm. 48. 6(Vgl. desselben Autors Schrift 

• Kritische Blicke in die Geschichte der KarpatenvÖlker», Lemberg, i87 
S. 5i.)5 — Der deutsche Flussname <i KokeU ist eine Nachbildung da 
mag}^arischen «Küküll-^i'». Dieses mag^'arische «Küküilö» ^ « KüküJ-jo 
und 'bedeutet «Kükül-Fluss» (— Kokelfluss). VgL oben im Texte 5.251 
Es wäre aber sehr schwierige das mag)^arische flKüküD von jenei 
« Kauka-I^nd *» herleiten zu wollen. S^Griaim, h Geschichte der deutschei 
Sprache 1» p. 469, erklärt sich für die Ableitung des Wortes ^Chauci 
[nicht «Cauchi» oder »iKauki» sei 2U lesen] vom gothischen «hauhaii| 
althochdeutsch diöhei» = excelsi, sublimes.) 5 

*t3 (Seite 6g.) yoräanis, der die Geschichte der Geten und Gothen durch- 
einander mengt, sagt, dass zur Zeit der Herrschaft Burvista' s über die 
Gothen, Dicenaeus nach «Gothien» gekommen sei; p, 49. — ^ « Haii( 
Gothiam, qaam Daciam appellaverc majores»; p. 53* 

1*4 (S* 70,) Jordanis, p. 89 ff. 98, 99. «• Dessen Krankheit Balamber, d 
König der Hunnen benutzte und gegen die Ostrogothen zog, derei 
Bundesgenossen, die W^esegothen, wegen irgend eines Zwiespaltes fei 
geblieben waren (a quorum societate iam Vesegothae quadam intar 
contentione seiuncti habebantur). 

«s (S. 70.) Ammianus Marcellinus, XXXL, 2. — XIV., 4. XXXI. , 2, 2t 
bis 25. — Ammianus aus dem Ende des 4,, Priscus aus der Mitte des 
5. und Jordanis aus der Mitte des 6. Jahrhunderts sind die Haupr^ 
quellen für die Geschichte der Hunnen. Das Zeugniss des Priscus übe 
die Persönlichkeit Attila's und über die Wohnungen, Sitten und selb! 



393 



119 



122 



Über die äusserliche Erscheinung der Hunnen ist ^daubwürdi.s^'-er als alle 
Declamationen in Vers und Prosa* — Bekannt ist das Werk des fran- 
zösischen Historikers Amade Thierrv über Attila, dessen Söhne und 
Nachkommen. (Dasselbe wtirde durch Carl Szako ins Uni^arische über- 
setzt. Pest, 1865.) — Auch den Auszug' der Hunnen g"ibt Kakitz wie 
den der Gothen (siehe oben Nr. 108) in €i.i^entheml icher Weise an. Nach 
den Gothen, sagt er. drän^^^en die aus ßessaralnen hervor brechen de 11 
Hunnen vorwärts ; auf sie drückten die vom Ob her kommenden Avaren. 
Vg"l. «Die Donau- Bulgfaren und der Balcan», S. 6. 

(S. 71.) flira Jahre 405 treffen wir einen hunnischen König Uldin im 
Dienste des Kaisers Honorius gegen die Schaaren des (Gothen) Rada- 
gais in Italien ; der Angriff der leichten Reiterei des hunnischen Königs 
entschied den Sieg bei Florenz. Uldin hatte sich schon vordem dem 
Kaiser Arcadius verpflichtet, als er diesem das sorgsam eingehüllte 
Haupt des ^^^^n den Kaiser rebellischen und jenseits der Donau (d. i. 
auf das linke Ufer) geflüchteten kaiserlichen Generals, des Gothen Gai- 
nasp zusandte.!» Vgl. Thierrv (nach Sj^aijcVs Uebersetzung) L, p, 38. 
(S. -ji.) Thierry-Szabö, L, p. 51; H., p. 73. 
(S. 72.) Jordanis,, p. 128, 129. 

(S, *]:^.) »1 Excerpta e Prisci historia. » Bonner Ausgabe, p. 184» 185. 
(S- 75.) Wo lag die Holzfeste Attila's? Die griechische Gesandtschaft 
gelangte von Constantinopel nach Naissus (jetzt Nisch), von hier entlang 
des Margus (Morawa) an die Donau, welche sie etwa in der Gegend 
des heutigen Semendria überschritt. Nicht weit von der Donau trafen 
Priscus und seine Gefährten auf Attila's Zelte, der mit einer so grossen 
Begleitung jagte, als ob er zugleich einen Einfall in die jenseitige Pro- 
vinz machen wollte. Nach längerem Verweilen zog Attila landeinwärts, 
die griechische Gesandtschaft folgte ihm. Ausser der Donau überschritten 
sie noch die grossen Flüsse Dreko, Tigas und Tiphesas, bei welchen sie 
überall Fähren finden. Der Tiphesas oder Tiphisas ist oifenbar die 
Theiss. Nachdem sie noch einige kleinere Flüsse überschritten hatten, 
kamen sie zur Holzfeste Attila's, in deren Umgebung weder ein grosserer 
Baum noch ein Stein vorhanden war; soh^hes Banmateriale musste also, 
wie Priscus bemerkt, von Pannonien hierher gebracht werden. Aus diesen 
Angaben geht deutlich her\or, dass die hölzerne Burg des Hunnenkönigs 
in der Ebene zwischen der Donau und Theiss gelegen war; allein an 
welchem Orte, das ist ungewiss. Carl Szabü versetzt sie in die Gegend 
des heutigen Jasz-Berenv. Vgl. w Kisebb munkai» (d. i. «i Kleinere Werke») 
L, S. 1,2. 

(S. 74.) yordanis^ edit Closs, p. 180: «Nachdem diese (die Söhne Attila*s) 
Waiemir, obgleich nur mit einer kleinen Schaar, lange ermüdet hatte, 
schlug er sie derart, dass kaum eine geringe Anzahl am Leben blieb, 
welche die Flucht ergriff und sich in jene Theile Skythiens rettete, welche 
von den Armen des Dnjeper durchströmt werden, die sie in ihrer Sprache 
«Hunnivar» nennen» (eas partes vSeythiae peteretj quae Danapri amnis 
tiuenta praetermeant, quae lingua sua Hunnivar appellant). 
(S* 74.) yordants, p. 176, 177. Bei dieser Gelegenheit erzählt Jordanis 
auch seine eigene Herkunft. «Bei diesem Kandak war bis an sein Lebens- 
ende mein Grossvater, Paria, Notarius ; Kandak's Schwester aber war 
die Gemahlin des Andag aus dem Geschlechte der Amaler ; und sein 
Sohn Gunthigis war Magister militum. Auch ich, Jordanis, war, obgleich 
ungeschult (quamvis agrammatus) vor meiner Bekehrung zum Christen - 
thume (ante conversionem meam) Notarius. »* (LJer Vater des Jordanis 
war Alanowamuth.) Wir sehen also, dass das alanische Geschlecht Kan- 
dak's mit den gothi sehen Amalern in Ver\vandtschaft stand, jenem war 
deshalb die Geschichte der Ciothen bekannt. Was Jordanis von diesen 
und von den Hunnen schreibt, das mochte er durch väterliche und gross- 
väterliche Ueberliefening erfahren haben. Nachdem er jedoch Christ 



geworden und die lateinischen und griechischen bclirütsteller las, eröff- 
neten sich ihm ausser der nationalen Tradition noch andere Geschichts- 
quellen. Aus diesen schöpfte er nun ohne Kritik g^ni^ im Geiste seiner 
Zeit, welche die Sag^en und Märchen liebte. Daher kommt es^ dass er 
die Geschichte der alten Geten und Dacier auf die Gothen übertragt und 
Rurvibta bei ihm ebenso ein Gothe war wie Geberich oder Hermanarich. 
Jordanis beginnt demnach auch für L'ng^am die märchenhafte Geschichte 
und kritiklose Eihnojrraphie, welche bis heute noch bei Vielen Gefallen 
findet. Allein in Bezug auf seine >ieit und auf die von ihm q^ekannte 
Welt ist Jordanis eine werthvoUe historische und geographische Quelle, 

»=3 (S. j^,) yordiiHfs, ed. Closs» p. 93» 94, 129, 130, — Priscus, ed. Bonnae, 
p. 201, — Das Schwert stand als das Bild des Kriegsgottes oder als 
Symbol der Macht (nach Herodot IV"., 52) bei den Skythen in grossem 
Ansehen. Dasselbe war nach Ammmnus Marcellinus (XXX., 2) aüch 
bei den Alanen der Fall. «Man sieht bei ihnen weder einen Tempel 
noch einen heiligen Ort; sie stecken nach ßarbarensitte nur ein nacktes 
Schwert in die Erde und dieses verehren sie als Mars. » Auf solche 
Weise wandern auch Sagen und Gebräuche von Volk zu Volk. 

i^4 (S, *]^.) « Flu vi US Tausis«, an anderer Stelle « Flutausis» ; vielleicht «flu- 
vius Alutaw; denn bei der Beschreibung Daciens im XIL Capitel sagt 
yoräiiftis : «Dieses Gothien, welches die Alten Dacien, die Jetztlebenden 
Gepidien nennen, . . . wird im Süden von der Donao begrenzt und die 
AI Uta fit esst zAvi sehen den Jaz^^gem und Roxolancn^w 

12s (S. 76,) SCHAFAKIK sucht dieses A^av/e/u^/a an der Donau und schreibt: 
ttNo%ietuna, bei Anderen Noviodunum, ist das heutig^e Isaktsc/ii ^t\ der 
Donau.» Von dem wlacus Mursianus» meint er, dass es entweder «Hal- 
myris«», d. h. «lacus Myris«, jetzt Ramsin an dem südlichen Donau- 
rfer oder »ider Sumpf bei der Stadt Mursa {Essegg) sei». Uebrigens ge- 
steht er zu, dass diese Ortsveriegung im W^iderspruche sei mit der 
Darstellung des Jordajus, der « in das Land der Theiss und nach Sie- 
benbürgen nirgends SKaven, .sondern Gepiden set^it». VgL »Slav. Alter- 
thümer», Tl., 661. Andererseits führt er zahlreiche Daten an, aus denea 
der sehr frühe, dem Zusammen stnsse der Hunnen und Gothen voraus- 
gehende Einfluss der Skandinavier auf die nordöstlichen Lander hervor- 
geht. Vgl. «Slav. Alterthümer», L, 4S8 if. und IL, 65 ff. Auch kann 
man nicht leugnen, dass yordanis viele Kunde über Skandinavien besass» 
er, der Bergio (jetzt «Bergen») Hallin (H allin gdal) u. a, O. nennt. 
Edit. Closs, p. 18. 

^** (^* 11') Ij^ Ostjakischen ist *Vep'* — Berg, «pal rep» =: hoher Berg; 
«rep kut-pel moza niL» ^ der Berg ist bis zur Mitte sichtbar. VgL 
«OsztjÄk nyelvit, d. i. «Die ostjakische Sprache» von Pal'L HinfalW 
in den « Sprachwissenschaftlichen Mittheilungen i* (*Nyelvtudoman}i Közle- 
menyek»), Bd. XL — Die W^olga heisst bei dem Geographen Mela (um 
50 n. Chr.) «Rha», bei Fio/omaeus « P« », bei Ammianus Marcellinm 
«Ra»; letzterer berichtet: ♦• In der Nähe des Flusses Tanais befind 
sich die Ra, an deren Ufern sehr viele heilkräftige Wurzeln (Rhabj 
bara) wachsen.» XXIL, 8. — * Ravs sudi^ alganza » — die WoIj 
(=: Rav-s) tliesst darunter». Ahlgvjst, Moksa*Mordwinische Grammatii 
S. 12g. — Klapkoth versteht unter dem «Oarusw ("OiCfo^) des Iferod<f\ 
auch die Wolga, denn <(uar» bedeute in der hunnischen und in der 
heutigen alanischen Sprache einen Fluss. (Vgl. SCHAFAIüK, tSlav. 
Aiterth.» L, 49^.) — Wir kennen die Sprache der Hunnen nicht, wohl 
aber wissen wir, dass das «Hunnivar» des 'Jordanis die Arme de^ 
Dnjeper bedeutet (siehe oben Note T2i); femer: Herodot sagt es deulJ 
lieh (IV., 12}^), dass der Lycus, Oarus, Tanais und Syrgis in die Mäotil 
münden ; sein Oarus kann also nicht die ins Kaspimeer fliessende 
Wolga sein. 

"7 (S. 77.) Von den Kutriguren und Utig^uren ist weiter unten, S. 80, na< 



395 



J^rocopiits de Rede- Auch Agatkias (geb. um 536), der die Geschichte 
Justinians (von ^^^ — 58) niederschrieb, also gewissermassen den Fro- 
rf//jS^jr fortsetzte, schreibt: «Die Hunnen wohnten ehedem an der Mäotis. . . 
\t\ abg^esonderten Geschlechtem (fSm «Ar* yivu), als : Kotiguren^ Uiri- 
^iren, Uitziguren (die auch Joräanis nennt), Burugunden, i» 

^8 (S. 77. J «Slavlsche Alterthümer», I., 318 ff. 

*»9 (S. 77.) Deguignks, «Histoire Generale des Huns, des Turcs etc.» Drei 
Bände. Paris, 1756—58. 

»30 (S. 77.) HSlavische Alterthümer» a. a. O. 

131 (S. 77,) Ibidi-m nach MosEy v. Chorene. 

132 ?S. 78. J jfordanis, p. 180. 

ii3 (S. 79.) Taciius, Germania, 40. «Für die Langobarden ist ihre geringe 
Anzahl ehrenvoll (nobilitat), da sie, von so vielen und mächtigen Stäm- 
men rings umgeben, nicht durch Unterordnung, sondern durch Kampf 
und Krieg sich erhalten.» Die Geschichte der Langobarden schrieb 
Paulus Diaconus^ dessen Urgrossvaler bei der langobardischen Einwan- 
derung nach ItaMen gelangte und der im Jahre 799 starb, Procopius, 
der zur Zeit Justinians lebte und schrieb, steht den hier erzählten Vor- 
fällen um zwei Jahrhunderte näher als Paulus. 

Ji4 (S. 80*) Procopms^ de hello Gothico, IV., 4, 5. 

>35 (S, 82.) Dieser Becher war noch zur Zeit des Paulus Diaconus, der ihn 
selbst gesehen hatte, vorhanden, «ilch habe ihn gesehen an einem Fest- 
tage, als F'ürst Ratchis ihn mit eigener Hand seinen Gästen zeigte. ^ 
MURATORU L, 435. 

»36 (S. %2,) Wenigstens ist, meines Wissens, noch nicht festgestellt, welche 
Denkmäler etwa den Gothen, den Gepiden u. s. w. angehören. 

»37 (S, 82.) Viele haben den Schatz von Petrossa beschrieben ; darunter auch 
JOM. Arneth, -Gold- und Silber- Monumente% Wien, 1850, Auf der 
Sitzung des «Congres international d' Anthropologie et d'Archeologie pre- 
histori(juesit zu Kopenhagen theilte Oüühesco eine *i Notice sur le tresor 
de Petrossa» mit. Vgl. das «Compte-Rendu» des Congresses (Kopen- 
hagen, 1875), p. 361 ff. Die Runeninschrift des Ringes liest der Hiner 
Hgutani ocwy hailag», d. i. *a Odin, la Scythie consacrt^eii ; der Andere: 
•gut annom ha i lag», d. i. ^dedie au tresor des Gots», Vgl. u. a. S. 371, 
}^*]2. ' — Das Hocwy» wäre nach Jordanis Scythia, ~ Herr Ol>OHRSCO 
schickte über den Fund von Petrossa auch der ungarischen Academie 
der Wissenschaften i^ photographische Tafeln. Vgl. «Archaeologiai Erte- 
sitöi d. i. «Archäologischer Anzeiger», Bd. IL p. 99. 

l^*l (S. %i^,) Procopius, 1. c. nennt bei Erzählung der Invasionen die Bulga- 
ren nur Hunnen. 

«39 (S. %^.) Cakl S/AKÖ nennt diesen Alanenfürsten ungehörig «Säros». 
Vgl. Tthiekry, Attila etc. (in der ungar. Uebers.) IL, 150. 

M« (S. 83.) Das «Goldgebirge» ist der Altai (altun ^ im Türkischen «Goidi*); 
Menander nennt ihn Kktag [xia, & :g«7ceief äJt*? jiV, t^ ^^u-rm Aiy«^ii»<p 'E»t«v. 
m% tty jüsr-i ;^^ftl^(^^/v *f«5 ' EA/ij» ^mjf = WO der Chagan selbst war, auf dem 
Gebirge Namens Ektag, was im Griechischen so viel als *Güldgebirge» 
heissen würde). Eigentlich ist Ak-fag = Weisses Gebirge. Das »Ektel» 
bei Menander ist nur eine unrichtige Schreibung statt Ekteg, Hktag. 

141 (S. 84.) />/, PteJ, Idfi sind türkische Benennungen sowohl für die Wolga 
als für die Kama. Man weiss nicht, ob der «schwarze Tili* den erstercn 
oder den letzteren Fluss bezeichnet. In der Beschreibung des Weges 
der türkischen Gesandtschaft vom Jahre 568 führt Menander an, dass 
sie die Flüsse Oic/i^ Datch, Ich und Auflas überschritten hätte ;. dar* 
unter sind der Jajk (heute Ural) und die Wi^lga deutlich zu erkennen. 
Demnach war der älteste (ugrische?) Name der Wolga Ra^ Rai% der 
türkische Attil, Etei, Idil, TU. * 

'42 (S. 84.) Theaphykikius, VIL, 8. — Menander schreibt den Namen 
• ogori iigfir (ovyuwf). 



MI (S. 85.) Pau/tis DmcoHUs, 1., 27. »Uns Gcpidenvolk war derart hemb 
g-esunken, dass es von da an keinen König mehr besass. sondern Atlt. 
die am Leben blieben, wurden entweder l^nterthanen der Langobarden 
oder seufzen bis beute (um 790] in der harten Knechtschaft der Hunnen, 
welche das l^nd der Gepiden besitzem» (usque hudie Hunis eonini pa- 
triam possidentibus, duro impcrio subjecti ^^remant). 

1«* (S. 84-) «Es ist gewiss, dass Alboin vielerlei Volk mit sich nach Italien 
führte und die Ortschaften, in denen diese Völker wohnen, werden bis 
heute die Dörfer der Gepiden, Bulgaren» Sarmatcn, Pannonier, Sueven 
und Xoriker genannt, t» Pauins Diacouus^ II*, 26. 

M5 (S. 84.) GiHHO.V schreibt, ßajan habe den Dorfpalast Attila's bewohnt 
(the cha^an ocrupied the rustic palace of Atiila)* Deeline and Fall of 
the R. E. XLVL, p. 160. Woher GiBHOX diese Nachricht hat. weiss 
ich nicht, 

M<5 (S. 84.) Pauius Duuofius, IV., 39* «Agilulfus rex obsedit ciNitatein 
Cremonensem, cum Sclavis, quos ei Cacanus rex Avarorem in solatiuni 
miserat»» 

U7 (S* 84.) Ibidem IV., 21: uln jener Zeit schickte Köni.i^ Ag^ilulf dem 
Avarenkha^an Handwerker zum Bau von Schiften, mit denen er irgend 
eine Insel in Thracien eroberte.» 

^<* (S. 84.) Ibidem IV., 25: * Damals kehrten die Gesandten des Königs 
A;^lulf vom Kha^an zurück mit der Botschaft, dass der ewigfc Friede» 
geschlossen sei (pacem peqietuam fäctam). Mit ihnen kam auch der 
Bote des Khagans und ging 211 den Konigen der Franken, damit diese 
mit den Langobarden wie mit den Avaren den Fri*jden halten mögen. 
Inzwischen fielen aber die I^ingobarden mit den Avaren und Slaven in 
Istrien eih und verwüsteten Alles mit Feuer und Schwert,» 

'49 fS. 86.1 Theophylakhis, VII., 8. 

»50 (S. 86.) Theaphy/akfus, VIL, 4. Der griecische Historiker nennt die 
Theiss «Tissus« (T^e-cnJ;). 

»SWS. 86.) Theophylaktits. VIL, 15. 

'5^ (S. 86.) «Als ihr König, d, i- der Cacanus, bewaffnet und mit grosser 
Begleitung die Mauern umritt, um zu untersuchen, von welcher Seite her 
die Stadt am leichtesten erstürmt werden könne, sah die buhlerische 
Romilda (meretrix nefaria) den blühenden Jüngling und verliebte sieh in 
ihn, dass sie durch einen Gesandten ihm sogleich die Stadt mit Allem 
versprach, wenn er sie zum Weibe nehme.« Das geschah, doch im 
Romildens Verderben. «Rex Avarum propter jüsjurandum sicut ei spo- 
punderat nocte una quasi in raatrimonio habuit, no\issisime vcro duo- 
decim Avaribus tradidit, qui eam per totara noctem vicibua sibi succc* 
dentes libidine ve.xarenL Postmodum quoque palum in mcdio campo 
configi praecipiens, eandem in ejus acumine inseri mandavit. inquiens, 
talem te dignam esse maritum habere,» Paulus Diaconus, IV., ^%, 

»53 (S. 86*) Tkeophanes , Bonner Ausgabe p. 485» nennt die Chaisaren 
*Türken*aus Osten, welche man Chazaren heisst.« — Die Niederlassung 
der Croaten setzt Engel in die Jahre 610 — 620, Schafakir aber die 
«avarische Eroberung Dalmaliens» in das Jahr 630» die Einwanderung 
der Croaten in das Jahr 654, die Wanderung der Starben nach Macedo- 
nien in das Jalir 636, Schafarik, »Slavische AlturLhüment, IL, 240, 241. 
(5VgL auch Dümmler, «•Leber die älteste Cieschichte der Slaven in Dal- 
matienit, dann Roe^lek, <> Leber den Zeitpunkt der slavischen Ansiudlun- 
gcnan der unteren Donau w (Wien, 1873). Letzterer resumirt das Resultat 
seiner Untersuchung; in folgender Weise: «Die Slovenen, oder, wie man 
später sagte, bulgarischen Slaven sind nach den im Zusammenhange 
gelesenen und geprüften Berichten nicht schon im 5. oder 6. Jahrhun- 
dert in die Gegenden Musiens eingewandert, sondcTn erst im siebenten* 
Keinesfalls früher als unter Phokas oder Heraklios, am wahrscheni/tch' 
sten aber kurz Tor 6j-.» Ihm stimmt neuestens auch G. Fr. 



I 



'54 



59/ 

Hertzherg m seiner nGeschichle Griechenlands seit dem Absterben 
antiken Lebens bis zur Gej[,'^enwart. » (Gotha, 1876.) Bd, I. S- 143 if. bei.^) 
(S. H"/.) I'heopßiv Kaktus VHL, 3, 4 ^'^ibt die Zahl der getödteten Gepiden 
auf 30,000 an [ilHmitinTttt yate itt^ioli^M ;^*Aj«S£5 r^{«ito*T»), was sicherlich 
übertrieben ist, Anashisms, Histor. Hccles. (Bonner Ausgabe) erzählt 
S. 132: dtriginta milia Gipijdoruni barbcirorumqiie alionim occiderunt.it 
Hierauf sammelte nach A//iis/as//is der Khag^an an der Dtjnau abeitnals 
ein neues Heer und dort erfolgte die entscheidende Schlacht, in welcher 
Viele in der Donau umkamen, 7M Gefangenen machte man 3000 Avaren, 
800 Slaven, 3000 Gepiden und 2000 Barbaren. (Vivos aiitem obtinuerunt 
Avarum qiiidem tria milia, Sclavinorum vero octingentos et gipedum tria 
milia, nee non et duo barbarorum,) 
•SS (S. 88.) Theoßhy/akfus, VL, 2. 

»5*^ (S. %^.) Ibid, V'llL, 4 «cvuwi^ttH Tf xflt.^fretvrff ^s-AVijyt/jjv f*ipTfl.^ßv iTi^Ar^wif 
T*f resw* ^^«>Ti£^flC$ «v0&S^EvTf( t? ^wiS^v; xetTiTra. vvj(^t^a\ro iVM-^ov/uivoi z^ sie 
Sassen beim Mahle und feierten ein vaterländisches Fest und hatten sich 
sorglos die ganze Nacht dem Trünke bis zum Uebermasse ergeben. « 

157 (S/89.} Tkeophyiaktus, f*, 8. 

158 |s. 89.) Tkeophylaktus, L 3, 

*S9 (S. 89.1 Conversio Bagoariorum, welcher Schrift wir noch öfters begeg- 
nen werden. 

»60 (S. 89.) Zeuss, die Deutschen etc., 441: "Nur die Ost- und Westgothen 
mit den Taifalen und Gepiden . . . könnten mit dem Gesamratnamen 
gflthischer Volker bezeichnet werden, • 

»61 (S. 89.) Zkl'ss; 1. c. , p. 710. * 

163 ?S. go.) 'lVM^S\ 1. c, p. 716, 717. 

»<53 fS. 90.) Fmclus Biaconus bei MURATORI L, 484. 

»64 (S. 90.) 'fkeophanes, Chronographia, Bonner Ausgabe, p. 546. 

»65 (S. 91.) Theophanes^ 1. c, p. 546 — 549. 

*66 ^. 92.) Kkkk, a Einleitung in die skivische Literaturgeschichte i>, i. Theil 
Uraz, 1874. Auf S. 63 ff. folgt Krek im Grossen und Ganzen den 
Spuren SCHAFARlk's. 

»67 (S. 92.) Krek, a. a, O. p. 64. Auch SCHAFARIK sagt, dass die Hunnen 
niemals solch' viehische Grausamkeit an den Slaven ausgrübt hätten, 
wie die (jothen: «lis unterliegt keinem Zweifel, dass die Anten und die 
übrig^en Slaven sich lieber an die Hunnen, als an die unmenschlichen 
Gothen angeschlossen haben, zumal von den Hunnen niemals eine sf>lche 
viehische Grausamkeit ohne Nuth verübt wurde.» J.» 327. — Weiter 
unten nennt er die Hunnen dennoch »«asiatische Unholde»'« L, 428. 

*68 (S. 93.) SCHAFARIK, J., 327» 328. 

»^ fS, 93.) Denn im Griechischen finden wir ^kcSv, im Sanslcrit ///f/^/f;^ im 
Skandinavischen m/öd, im Altslavischen niedtt, im Russischen Vied, im 
Slovakischen medover i ja man weiss, dass das Finnische wehi-/disi\ im 
Magyarischen me'h (Biene), das Finnische me/c im Mag>'arischcn mex 
(Honig) bedeutet; deshalb kann das Wort «med« (medos) kein ^sschliess- 
liches Eigenthum der slavischen Sprachen sein, 

17C' fS. 94.) Prav, Annales, 241. 

tn (S. 94.) SCHAFARlK, IL, 59. (SUeber das Citat aus XkstüR vgl. Bl uix- 
GER, Nachrichten zur österreichischen Geschichte in aitrussischen Jahr- 
büchern, im «Jahrbuch für vaterländische Geschichten. (Wien, 1861^ 
p. 29 tT. 5) . . 

»7» (S. 94.) Palackv, «i Geschichte von Böhmern», L, 75. 

»73 (S. 94.) 6Uebrigcns wissen von diesen Misshandlungen der Avaren auch 
abendländische Historiker zu erzählen, *i Jedes Jahr kamen die Chunen 
zu den Slaven, um bei ihnen zu überwintern ; dann nahmen sie die Wei- 
ber und Töchter der Siaven und schliefen bei ihnen und tn den übrigen 
Misshandlungen musstcn die Slaven den Chunen noch Abgaben zahlen. •♦ 
Fredegars Chronik, übersetzt von Otiu Abel, Cap. 4K, S. ^z.6 



.n^ 



m (S. 94.) SCHAFARIK, 11,, 60. 

•75 rs. 95. j Theophylakfus, VU., 8. 

*7* (S. 95.) Kmrm. ym ««i 0xt>M%. Mauricü strategic'on bei ßüni.vGER. 
*Ot:;sterreichische Geschichten», S* 65, Anm. 4. 

«77 <S* 95.) Vgl. BUDINGFR, L c. p. 62, Note i und 6. 

»7^ (S. 95.} Bt'DiNGER, l. c, p. 66, Anra. 2 und 3* Auch Menaffder sprichi 
von ^bepafizerten Reitern^ (iVwiT« ^mfieLitip^^^^i). Ronner Ausi^abe, p. 405. 

*7? (S. 96O BCdinger, 1. c, p. 67. Anm. 2. I7ebrig"ens irrt BrofN'GER, 
wenn er das Wort «retoma» für avarisch hält ; dasselbe ist byzantinisch* 
römisch und bedeutet: «kehre zurück!» 

t8o (S, QO.) Kxcepta e Menandri historia. Bonner Ausg^abe» p. 335. 

ts« (S. g6.) MUR ATORT in den Noten aus Eddius zu Paulus Diaconus 
V., IL, 3. 

*^ (S. 97.) Theophylaktus, I.. 8, Wenn es erlaubt ist, in solch' dunkleo 
Dingen eine Ansicht auszusprechen, so würde ich das Wort <'bokoIabrai 
als ein Compasitum betrachten: «boko« 4- Uabra», den ersten Thdl 
könnte etwa das türkische ♦"bo^eru«, mas^-yarisch <(baj« 1= Zauber erklären: 
aber auch dann bhebe der zweite Theil {« labrat) unverständlich. 

i8j (S- 94.) Thirrry beginnt zwar die Erzählung der Eidesleistung- in fol- 
gender Weise : « Bajan trat in Begleitung edler Avaren und w^ahrschein* 
lieh auch der Priester vor»» u. s. w. Allein davon steht bei Menandtr 
nichts. 

J84 (S. 97.) Zeuss, die Deutschen, p. 737. PRAV, «Annales Hunnoniro, 
Avaronim etc.» Vindobonae, I/61, p. 282. 

^^ (S. 97.) «Eorutnque rei;^da, quae ut dictum est Hringus, a Longobardis 
aptem Campus vocatus*» Pertz, F., 183. 

»^ (S- 97.) BCüiXGER mdnt (1, c, p. 71), dass die Avaren sich zu einer 
ackerbautreibenden Thätigkeit nicht erhoben hätten, wobei er sich auf 
Constantinus Porphyrogenetus beruft, der jedoch nicht die Avaren, son- 
dern die Magyaren (Türken) im Auge hatte* 

^87 (S. 97-) «Dort warfen sie ihre neuen, grossen, mit Wall und Graben 
umzogenen, die sogenannten Avaren- Ringe {567—568) auf und unter- 
nahmen von da aus 240 Jahre lang unerhörte Verheerungszüge In die 
benachbarten Uinder. » «fSlavische Alterthümer», IL, 59* — Die avarischen 
Ringe sind zum Theil noch in der Bacska und im Süden des TorontÄler 
Comitats bemerkbar. Man nennt sie im gewöhnlichen Leben «Römer- 
schanzen.*» Mathias Bel verzeichnet dieselben allerdings etwas kühn 
auf seiner I^andkarte von Ungarn. VgL Atlas Hungaricus Belianus. 
Posonii 1750 und 1751. 

jB8 (S. 100.) Cebcr die nTheiss-Bulgaren», welche ENGEL entdeckt hat, von 
denen jedoch die Quellen nichts wissen, wird weiter unten ausführlich« 
die Rede sein. ■ 

189 (S, 100.) Dort empfing er unter Anderen die Gesandten des dänischcff 
Königs Siegfried und Jene, welche die Fürsten der Hunnen, der ICha gart 
und Ju^m- des Friedensschlusses wegen geschickt hatten. Vgl. Minha. 
Annales ad 782. Pertz, L 

'^n^ (S. roo.) Kinhard^ ad 790. 

191(8. roo.) «Nam is fluvius intcr Boioariorum et Hunorum terminus medri 
currensj certus duorum regnorum limes habebatur. » Einhard^ ad 791 

*9* (S. loi.) Von hier zurückgekehrt, nahm er die Theile Unter-Pani 
niens jenseits der Raab um den See Felissa und bis an die Drau, 
diese in die Donau mündet, in Besitz. Ze:l'ss, die Deutschen et 
p. 738. Hier bezeichnet der nSee Pelissa», das alte «Pleisoi*, «Pels( 
offenbar den Plattensee. 

193 (S. 103.) «l^er Bechaimos, via qua venerant, reverti praecepit (Carolus)», 
sagt Eghikard ad ann. 791. 

^^ (S. 104.) Einhard, ad ann. 805. Cujus precibus imperator assensua: 



.^99 



praebuit, et summam totius reg'ai juxta priscum eorum ritam Caganum 

habere praecepit. 
»95 (S. 104.) 805. Abraham Caganus baptizatus est super Fiskaha. DÜAtM- 

LER, Pilgrim von Passau, S. 154. 
»96 (S. 104.) Alterum (exercitum) in Pannonios (misit) ad controversias 

Hunorum et Sclavorum sopiendas. Kinhard, ad ann. 811. (5 Vgl. die 

grundlegende Abhandlung^ von DümmleR, «Die südöstlichen Marken des 

fränkischen Reiches unter den Caroling^em 795^907» im Archiv für 

Kunde österreichischer Geschichts ~ Quellen. Band X,, erste Hälfte, 

p. 5 ff- 5) 
^97 (S. 104). in quo conventu orientalium Sclavorum .... et in Pannonia 

residentium Avarum legationes cum muneribus ad se directus audivit.« 

Ad ann. 822. 

198 (S. 105,) Vgl. Engel, «Geschichte des alten Pannoniensu, p. 269 und 
DÜMMLER, «Geschichte des ostfränkischen Reiches», L, p. 30. In den 
Urkunden, welche «in terra Avarorunnt Schenkungen machen, kommen 
folgende Ortsnamen vor: Litaha, Vuakova, Bohbach, A kor nie, Kirch- 
hach u. s. w. ; »lin terra Hunnorum» : Zeizzmmur, Tresma, Viutchova, 
Pelagtim, Nardiinim, Asbakc, llmlesvuanch^ Erlafa u. s. w. Vgl. Fejer, 
«Codex diplom. in Urkunden Ludwigs des Frommen aus den Jahren 
-ßjjo — 836.1t Die Ortsnamen sind grösstentheils deutsch. 

199 (S. 105.) «Eos autem qui obediebant üdci et baptismum sunt consecuti, 
tributarios fecerunt regum, et terram quam possident residui, adhuc pro 
tributo regis retinent usque in hodiemum diem.H Conversio Bagoariorum 
et Carantanorum, 3, 

(S. 105.) BÜrjiXGER, «Oesterre ichische Geschichte», p. 140. 
(S. 105^) Ibid. p. 161, Anm. 2 : ^Territorium quod usque modo servi vel 
Är/^r/ejusdem Monasterii ad censum tenuerunt.» $(Ueber Slaven^r Sklaven 
vgU auch Gfrürer, «Gregor VU. und sein Zeitalter», Bd. I., p. 499)* 5 

-so? (S, 105.) «Avarid limitis Custodes» (Baldrich et Gerold). Eijihard, ad 

ann. 826. 
-»03 (S. 106.) Theopkanes, Bonner Ausgabe, S. 546—549. 
-204 (S. 106.) Engel, «Geschichte des alten Pannoniens und der Bulgarei.» 

(Halle, 1767.) S. 263. 
ao5 (S. 106.) F.bd, S. 314. 

»06 ^S. 106.1 'O jfrcf' ih Hfleiisoriflfiv r^^ ' Aßitfitttq VTÄTctym '^vtyA^tv tat» *Aßet^^w ifcitw 

^07 (S. 106.) «Der vierte zog mit seinem Volke nach Pannonien, unterwarf 
sich dem Avaren-Chan und siedelte sich, wie es scheint^ in der Nähe 
der Theiss und Maros an,» «Slav, Alterth,», IL, 163. 

»06 (S. 107.) DuDiK, «Mährens allgemeine Geschichte»» (Brunn, 1860), 

L, 98. 
«09 {S. 107.) Stritter, II., 561. «Crumus igentem exercitum coegit, A%Mres- 
que et ex Sclaviniis cunctis ingentes copias collegit. « 

«*o (S. 107.) Engel, «Geschichte des alten Pannoniens», p. j^2^. 

2" (S. 107.) SCHAFARIK, «Slav. Alterth.» IL, 173. 

^" (S. 107.) Ibid. IL, 174. 

«13 (Sp 107.) Ei« BflvAyÄ^r^v tKu^it rov tirr^ev Ti'Ttf^div ^ nach Bulgarien jen- 
seits des Isters {der Donau), was die heutige W^aiachei, nicht aber die 
Theissgegend in Ungarn bedeutet. 

«M (S. 107.) «Slav. Alterth.jf, 11.^174. 

a»5 (S, 108.) DÜMMLEK, »rGeschichte des ostfränkischen Reiches», L, 35. 

«»6 (S. 108.) «Die Besitzergreifung Siebenbürgens durch die das I^nd jetzt 
bewohnenden Nationen«» von Friedrich Müller (Landau, 1875), S. 16, 
Ulf Anm, 13. 

217 (S. 108.) Engel, «Geschichte des alten Pannoniens »^ p. 279. 

^j8 (S. 10g.) Le& GrammaticuSy Bonner Ausg., p. 2}^^, 234. Leo Gramma* 



400 



licus führt seine Geschichte bis zum Jahre 1013 ; er war also ein ZcU- 
genösse des Königs Stefan des HeiHjt^en- 

"!? (S. 110,) SCHAFARIK, * Slav. Alterth. k, IL, 175» 

«o fS. 110,} Ibid. IF., 211. 

«« (S. III.} «Conversio Bagoariomm et Carantanorum» bei PERIZ. Scrip- 
tores XL 

«* (S. iir.) Conversio Bagoar., p. 6, 

««a iS, 112») * Provinciam Carantanam ita inter eos di\'idere jussimus» ul , 
Dravus tluvius, que per mediam illam provinciam currit, terrainus ainba- 1 
rum dioeeesium esset ; et a ripti australi ad Aquileg^iensis ecdesiae rec- 
torem, ab aquilonari vero ripa ad Juvavensis ecdesiae Praesulero ipsnis 1 
provinciae pertincret», -* entscheidet Carl der Grosse in seinem Diplome [ 
vom Jahre 812. FKjr-lK, Codex Diplom., L. J54» , 

»^4 (S. II2J Ueber das sirmische Krzbisihum, vgl. DfM^JLER. die panno-l 
nischc Legende vom h. Methodius im «Archiv f, Kunde österreichischer j 
Geschichtsg. », XIIL Bd., p. 186—187. 

s^s (S. 112.) «l't regio quae ultra Comagenos montes est inter utnimquel 
antistitem dividatur; ut aquilonarem et occidentalem oram, qua Spiraial 
amnis exoritur et cum altera Spiraza et Arahone conHuit, Patavensisl 
antista haberet ; reliqua orientem et austram spectantia, procurarentur al 
Salisburtjeni.« Fejer, Codex L^iplom., L, 162. 

*ä6 (S. 112.I Dldik, «Mährens Allgemeine Geschichte», L 

**7 (S. 112.) «L'ltra Danubium in sua (Privinae) proprietate, loco vocato/ 
Nitrava» . . . sagt die um das Jahr 871 in Salzburg verfasste «Conversio 
Bagoariomm et Carantanoruma, n. 

«8 (S. 113.) ''Rex praest^ivit Privinae aliquam inferioris Pannoniae in bene-^ 
ücium partem, circa fluviutn, qui dicitur Sala». Conversio n. 

a^ (S. 11,3.) Conversio Bagoar., 11. 

»30 IS, 113.) Dl JiiK, L c, L, 142. 

»3« (S. 113.} Conversio Bagoariorum, 12. 

•Ji^ ^S. 114J «Donatio quam Privinus fecerat de sua proprietate in suo Du* 
catu apud Salpiugin.» Privilegium Ludovici IL d, 860, Febr. 20. In der 
Anmerkung zur «Conversio Bagoar.» 12 bei PERTZ. — Femer: *Tund 
vero Sclavi post Ilunnos inde expulsos venientcs coeperunt istis partibul 
Danubii diversas regiones habitare.* Conversio Bagoan, 6. 

«33 (S. 114.) Vgl. Sander's «Deutsches Wörterbuch i* unter «Moos». 

*3+ (S. ud.) DÜMMLER, «Die pannonische Legende vom h. Methodius», 
c, p. 158. — Vita S. Methodii Russico-Slovenice et Latine. Fr. Miklö 
SICH* Vindobonae, 1870, pag. 1^. 

«BS (S. 116.) «Postea vero etiam Graeci Ülum a puero amantes magni faci^ 
bant, donec imperator, sagacitate ejus cogmlB., princißatuni Slaveni 
tum teuere Jiiheii f. ^<> Dümmler, L c, p. 158, 

«36(5. 117.) Responsa Nicolai Papae L ad Consulta Bulgarorum. — Acti 
Conciliorum et Epistolae Decretales ac Constitutioncs Summorum Ponti 
ficium, Parisiis, Bd. V. Aus den 105 Antworten können wir auch 
F>agt n herauslesen, welche viele Daten in Bezug auf die Bulgaren en 
halten. Wir kommen auf diese weiter unten des Nähern zurück, 

='37 (S. 118.) Es ist xihxiw die oft citirte n Conversio Bagoariorum et Caranlfl 
norum» bei Pektz^ Scriptores XL 

238 (S. ir8.) Die Geschichte der pannonischen Kirche und des Methodiu 
ist nach Dldik, «Mährens allgemeine Geschichte»» I. Bd., dargestell' 

339 (S. ug.) In der abendländischen Kirche, insbesondere in der spanische 
und dann auch bei den Franken kam die Meinung auf, dass der h. Geh 
vom Vater und dem Sohne atisge/u\ Vordem hiess es nur: «ausgegasj 
gen von dem Vater •♦, jetzt wurde «und dem Sohne» = filioquc hinzu 
gesetzt. Die Synode zu Aachen behandelte im Jahre 809 zuerst die^ 
Frage. Sie richtete an Papst Leo IIL die dringende Aufforderung, 
möge das «filioque» als ein von dieser Synode neulich angenommenei 



401 

und gebilligtes Do;^jna in das Symbol um einschalten. Leo 11 L konnte 
sich dazu nicht überwinden, sondern Hess \'ielmehr statt dessen das 
nicäa-conslantinopubtanische Symbohira ohne irt^end welche Hinzufiigung^ 
mit grieihischer und lateinischer Schrift auf zwei später in der Basilica 
des heilig^en Peter aufgestellten silbernen Tafeln ein^tfraben, aus ktfinem 
andern Grunde, als pro amore et cautela nrtbodoxae fidei. (Vgl. Archi- 
mandrit Sy/vesferj Antwort auf die in dem altkatholischen Schema ent- 
haltene Bemerkung^ von dem heili^ijen Geiste. Sl- Petersburg, ^875; 
p. J3.)<5 Methodius sang nicht das «filioque«, welches die fränkischen 
Bischöfe bereits aufgenommen hatten ; daher die Klage. Wann jener 
Zusatz in das Symbolum der römischen Kirche aufgenommen wurde, 
lässt sieh nicht genau bestimmen. Zur Zeit des Method galt die Nicht- 
annahme noch als keine Ketzerei. Die orientalische Kirche bestand auf 
der Ablehnung dt?s Zusatzes und bildet diese einen der Hauptdifl'erenjJ- 
punkte zwischen der morgen- und abendländischen Kirche. 6 Neuesten^ 
ist diese Frage über den Ausgang des heiligten Geistes ein \iel erörtertes 
Thema auf den jüngsten Unionsconferenzen zwischen den Altkatholiken 
und den Griechisch-Orientalischen, 6 
fS. 119,1 D^l*J>ii «Mährens allgemeine Geschichte», Bd. 1., 283 — 386, 

'4^ (S. T20.) Cottsfantinits Parphyrogcnitus mm 950) unterscheidet jswei 
Moraivieu, ein unteres an der serbischen Morawa (ehedem eiMargiiswi, 
das er auch f-Klein-Morawieni* nennt, und ein oberes an der westHchen 
Morawa iMarch, Marus), auch tiGnns-A/orawten^ genannt. Klein-Mo- 
rawien stand nur durch das pannonische Lehensgebiet Swatopluk's mit 
Gross- Mo ra Wien (Gross-Mcähren) in Berührung. 

4J! (S, 120.) «Imperator (Amulphus) Pannoniam cum urbe I^aludanim (sic!| 
tuendam Braslavoni, duci suo, in tempus commendavit.» Dldik, «Mäh- 
rens allgemeine (jeschiehte»^ I., 261, 50. 

13 (St 120.1 «tAmulfus divina favente gratia rex . . , . Comporiat omnium 
nostrorum fidelium solertia, qualiter Venerabilis archiepiscopus noster 
Dietmarus postulavit Seren itatem nostram, ut quasdam res ... ^.d 
sanctam Ecclesiam Juvavensem . . . concederemus . . . Tradimus ita- 
que , , . ad Sabariam, ad Panwchabe, ad Musepurch, abbatiam, ubi S. 
Adrianus martyr Christi requiescit. , . . Ad Salapiugen curtera cum CCC 
mansis et totidem vineis, vel qnidqnid ibidem habuiraus, ecclesiam ad 
Quartana, ecclesiam ad Gensi (Güns ?) ad V. Hcclesias cum teloneis et 
vineis et forestibus et cum omnibus, quae ab antecessoribus nostris antea 
beneficiata fiiissent, firmamus in proprium, Data XIL Kalend. Decem- 
bris anno Christi incarnationis 008. Anno domini Arnulti sacrissimi regis 
IL in Orient ah Krancia regnante, indictione IX. Fejkr, Codex diph, L, 
220. Codex dipL, Moraviae L, 61, 

4 \%, 120.) DÜMMLEK, ..Südöstliche Marken», p. $^. 

*5 (S. 121.) Es entspricht wohl kaum weder der ethnographischen noch der 
historischen Wirklichkeit, dass der Papst durch diese Entsendung ein 
starkes Slavenreich gründen wollte, wie das DlT)iK (l. c. L, ^22) m fol- 
genden Worten ausdrückt : «Seitdem die Magyaren Italiens üppige Fluren 
verwüstet hatten, ward der alte Gedanke, längs der Donau in Pannonien 
ein mächtiges Slavenreich unter dem Schutze des heiligen Petrus zu be- 
gründen, wo möglich noch lebendiger geworden. •» Denn die Bekämpfung 
und gegenseitige Aufreibung der slavischen Pursten konnte hie^u nicht 
die geringste Veranlassung bieten, insbesondere in jener Zeit, als grieich 
dem hagcl erfüllten Gewittersturme die Magyaren Pannonien bedrohten. 
In diesem Momente konnte auch keine Rede mehr sein von der Wieder- 
belebung des sirnii sehen Erzbist hu ms ; die gegenwärtigen Verfügungen 
des Papstes betrafen also auch gar nicht Pannonien. 
(S. 122.) Annales Alamann, bei Pertz. Vgl. DUDIK, L, 352 und I^ÜMM- 
LER* «Südöstliche Marken», p. 66. 



lolAlvy, Echncgr. 



26 



«47 (S. l^i-) 1>LMM1EK» tliui^ |i. inj [i. BUDi.>iir.K, -^lii^iiii. i-«.^*..! 

L. 224/ 

248 |S. 124.) Dl TJIK, »Mährons all^. Geschkhtei«, 1.. 2B4. 

»49 (S. 124.) Arnulfüs rcx missas ctiam suos ad Bulgarios et reg"em eoniii 

Laodomur ad renovandam pristinam pacem cum muneribus raensc Svp 

tembri transmisit, t!t tw cocmtio salis inde Moravanis daretur, expost-itj 

AnnaL Fuldenses, ad ann. ^92. 

»50 (S. 125.1 ^^ita S. Gerardi bei Rndlrhkk, Rerum Hun^. Münume 

.^rpAdiana, p, 214. 
a$« (S. 125.) Fej^R, Codex Dipl., L, 3^2y ; 11.. 78. 

35» (S* 129.) Vita Constantini bei DüiiMLER, «Südöstliche Marken», p, 55. 
^53 (S. 130«) Di'MMLER» die pannonische Legende vom heil. Methodius im 
■ Archiv f. Österr. Geschithtsg.*, XII 1.. 162. Die lateinische l>ebersetzung 
stammt von MlKLOSicH, der übrigens diese mit dPm Originaltexte ver* 
eint herausge^^^eben hat:'' «Vita Sancti Methodii, Russico-Slovenice et 
Latinc edidit Fr. Miklosich. Vindobonae, 1870, Die Stelle lautet: 

• XVK Cum vero in partes Daniibii venisset rex Ungrorum (korDljal 
ugrskomu), videre eum {Alethodium) voluit, et quibusdam dicentibüs td 
putantibus, Mcthodium non sine malo di^cessunim esse, tarnen ad cuml 
acccssit. Rex vero, ut dominum decet, excepit eum honorifice et sollemm-" 
ter et cum gaudio, et, ut tiilibus viris colloqui convenit* cum oo colloiu- 
tus et adamatum deosculatus dimisit cum magnis muneribus, dicens ei 
memento mei, Venerande pater, semper in sanctis precibüs tuis.» 
(Zur S. 130.) Die Stelle bei Hincfnar lautet : 
«Dani magnam regiii ejus (Hludovici) paitem caede et ignc praedan^ 
tur : sed et hostes antea illis populi^ inexperti, qui Ungri vocanturj 
regnum ejus populantur. Hincmari Remensis Annales ad 862. PertjS 
Vol. 1., Script. L. p. 453.» 

(Zur Seite 1 50.) Ibu Dasta^s Nachrichten erschienen unter dem 
Titel i 

]|:^i4ii(-TiE xü3apaxTi. fiypTaeani» riojirapax. Ma.iiUiaxT». 
c.iaßiiiiax'L M pycacxi. 

»Nachrichten des Ab u- Ali Achmed ben Omar, Ibn Dasta über dil 
Chazaren, Burtasen, Bulgaren, Magv^aren, Slaven und Russen. >» Heraujf 
gegeben von D. A. ChwolsOiS in St, Petersburg, 1869, 

(Zur Seite 131.) Zur Götze na nbetHJi^ der Mag>aren. CllWOLSON fuhr^ 
an, dass Ibn Dasta*s Wort «nirän« (= Feuer) statt des AusdruckL's 
*autsani» (^ Götzen) bei El-Bckri stehe, und hält den letzteren für deiv 
richtigem, welchen die Abschreiber in «niranw verwandeln konnten. Ich 
theile diese Ansicht Chwolson's und erlaube mir sie damit zu untei 
stützen, dass der arabische Schriftsteller die Religion der Feueranbet^ 
wahrscheinlich mit dem Worte *medsüs» ^^ magus benannt haben wür 
welcher Ausdruck bei den Arabern jederzeit und am augenß^Uig^ten 
F^eueranbeter bezeiclinet hat, 

354 (S. 133.) Vgl. Selig Cassel, «Magyarische Alterthümer» (Berlin, \t 
S. 182 — 219. 

2SS (S. 133.) Die ältesten arabischen Nachrichten über die Wolga- Bulgar 
* aus Ibn Foslan's Reiseberichten von Ch. M. Fraehx. Petersburg, 1H3 
— Die Nachrichten Ibn Dasta's gehen denen von Ibn Foslan zeitli^ 
voran, 

^^56(5- r34»} Lionis imperat. Tactica ed. MKURsirs, p. 287 ff.6 (Leo schri^ 
übrigens in seiner Schilderung der Kriegskunst der Magyaren das 
aus, was ein älterer Schriftsteller Maurikios von den Avaren ^esa 
hatte, Vgb BL'iJiNGER, «Oesterreichische Geschichte», 1., 215, Aw 
ROESLER, ft Romanische Studien», p. i64.)6 

'"*57 (S. 135.) Reginonis Chronicon, ad ann. 88y bei PERTZ, Script. F 

«58 (S. 135.) Auf Fähren oder in ausgehöhlten Baumstämmen konnten 



W53 



le« 



nuf dem Dnjepcr seewärts schiffen, wenn ihntn die Petschene^en nicht 
den Weg versperrten. 

te9 (S. 136.) I» /u.:v^n ^.eyouin B^vJ^yttAtet. I>as ist Bulgarien an der Wolga, 
welches Ibn Dasta beschreibt. Co n st antin begleich nete es vielleicht des- 
halb als wSchwarz» -(Bulgarien), um es von dem christlichen oder mösi- 
sehen Bulgarien im unterscheiden. 

(S. 136.) Constantin ist hier im Irrthume; Constantinus V. (Kopronymus, 
von 74T— 775) nahm eine Cha^^arin zur Gemahlin, welche ihm einen 
Sohn, Leo VL (regierte 775—785), gebar. Leo war also der Sohn, nicht 
der Gatte einer Chazarin. Wenn der kaiserliche Schriftsteller in solchen 
Sachen irrt, werden wir uns um so weniger wundern, dass er an einer 
Stelle den Attila «König der Avaren* nennt. • ^ 

(S, 136*) yat^ ;^teyetio? £«ts7v*? l vlhh ^1% ;{;«^«>i«f := wörtlich: «jener Khagan, 
der auch Beg von Chazarien ist», Nachdem jedoch diese beiden Würden 
verschiedene Personen besassen, so übersetzte ich die Stelle wie oben 
im Texte- 

(S* 137.) Der Brief Josefs des Chazarenkönigs bei Ca.ssel, «Magyarische 
Alterthümer«, S. 195 — 2\i,). 

(S. 137.) CasSEL, !. c. 206, 215. Jüsef sagt: «ha-jigra-im>t. Das ist nach 
der Notiz bei Theophyiaktus die älteste Spur vom Lande Jugr^ jugor, 
welches die Sirjänen bis heute jogra nennen, nümlich das Land der 
Wogulen und Ostjaken. 

(S. 138.) De Administr. imperio, cap. 37. Im Texte steht j^mi^at^tit. Wenn 
diese Lesart richtig wäre, dann würden wir auch bei Constantinus dem 
W^orte flmag)'arw begegnen und es kann dieselbe auch insofern correct 
sein, als auch nach Ibn Dasta die erste Region der Mag\-aren an die 
Petschenegen grenzte ; und vielleicht führte anfanglich nur ein Theil der 
Türken diesen Namen. Nachdem jedoch dieses Wort nur einmal vor- 
kommt, so erscheint die Form n-j^d^a^^t^ gesicherter. 

6s (S, 139.) Bei der Erzählung von den Petschenegen gibt Constantinus 
dieses Ereigniss, wie wir gesehen haben, ausführlicher. 

66 (S. 140,) '£tsA xoci Köf/^ftw. LJe administ. imperiö, cap. 40. 

ify (S. 141,) Für Constantin wohnen die Petschenegen nach Norden und er 
nimmt an, dass sie die ganze nördliche Grenze erfüllen. 

ßB (S, 142.) So sagt er z. B, von Aq:>äd's Enkel, von Termatzus^ «dass er 
neulich als Freund nach Consta^ntinopel gekommen sei mit Bultzu, der die 
dritte Würde, nämlich die des Karchas bekleidet hatte, und der Sohn 
des Karchas Kaie sei,» De Adm, Imper., 40. 

(S. 143.) Precipimus eciam, ut idem regis nuncius palam faciät omnibus 
tarn nobilibus quam ignobilibus, impnmis episcopis, abbatibus, comitibus, 
postea vero minoribusi 

quod a tempore regis Andree et ducis Bele. et a descriptione judici^ 
Sarchas nomine, apud quemcunque aliqui civium vel villarum, qui dicun- 
tur ÄVr-rek, vel seni, detinentur, in assumpcione S. Marie omnes regi 
presententur.^ QuoJsi quis forte detinuerit. dupliciter reddat ; vel is, qui 
defeodere vuluerit, in predicta festivilate veniat ad Curiam et defendat^K 
— Endijcher, Rer. Hungaricarum Monumenta Arpadiana. Sangalli, 1849. 
pag. 342. — In diesem wichtigen Documente tindet man den magyari- 
schen Ausdruck für das slavische «szolga* (=: Knecht, Diener) ; derselbe 
htess im Magyarischen ursprünglich ^ör» ; im üstjakisch- Wogulischen 
ort, im Finnischen ar/a, im Hstni sehen ori. Gewöhnlich verstand man 
das» Wort als «ar» = custos ; allein es gibt im Mag} arischen viele 
Homonyma mit verst hiedener Bedeutung und verschiedenem Ursprung, 
z. B. //^/ (nix) und hfJ (luna) ; r'ero (verberans), T'erö (urens, assans) and 
r'r/v)' (Ferkel) ; so ist //r =^ custos und ör =^ Knecht, FJiener ; im Ost- 
jakischen Nr (custos) ^V-iz und Orf ^^ Knecht, Diener. Das slavische 
Mszolgait verdrängte das magjarische i/r = Knecht» Diener; man hat 
noch viele Beispiele dieser Art. 

26* 



>7« {S, H5.) VVL oben n. y^ IV. 

V' (S. 147.) In Beiiug auT die Ausprachc der Laute merke man Fol^q^endesr 
Das magyarische sz ist in den verwandten Sprachen s (== f und 6), das 
magyarische x = s (f(^), es = c (tfrfji, ny = n (nji, ly = 1' (Ij), t> — t' 
Itj) : das magyarische // ist im Kinnischen y ; die magyarischen De' 
nun^en d, o, fi entsprechen den finnischen fra, t/o, u/t. 

«7* (S. 151.) Im Nordwujtn-ili sehen bedeutet A'ar, kär imd kärefn ^=:^^en^\ 
£. B. pftaj kär = ein rt icher Mensch, kaiem kär -=, ein todter MeDsci 
eine Leiche. Als Diminutivum kär-kve und kärem-kve = kleiner Mensc 
entsprechend dem ma^n,'ari sehen gyer-ek und gyerm-ek (z^ Knabe und 
Ivind). Im Konda-Wo^uUschen entspricht char oder har dem nord- 
wogulischen kär, doch in der allgemeineren Bedeutung von «wern und 
i<wasii, 'i, B. fon har, der Mensch — der (als Demonstrativem), aku- 
har^ irgend Jemand, elvi har ==: der erste, /«v/f* har = Essbares, (wa^i 
zu essen ist), r/w /tar = der Tragende, we/ Aar =z Taglöhner, hv/rw 
hur =z der Todte, die Leiche, — Im Magyarischen ist jeta;t nur mehr 
das Diminutivum im Gebrauche ; aber in der Composition des Namens 
uMa-gyar» (alt magyarisch amo-gyer-f, umo-geri») ist auch das ursprüng- 
liche Wort (gyar, gyer, ger) vorhanden. VgL im Texte S. 260^ — 261, 

•7j (S. 152.) Es ist interessant, dass die Wogulen und Ostjaken den Lein 
die * russische Nessel *> nennen. Die Nessel ist hei ihnen die Ursprung* 
liehe Spinnptianze. 

»7-» (S. 15^.) *A Vogul föld es n^pn ^= u Wogulisches Land und Volk» naeh 
den hinteriassenen Papieren des ANTON RECrrLY bearbeitet von PauI 
HiNFALW (Ptst, 1864). — Ferner: «Az ejszaki os/tjak nvflv» =r «Dil 
mirdostjakische Sprache«, auf Grund der l^ebersetzungen WuLOGOns/kV'i 
und des russisch-ostjakischen Wörterbuches, sowie mit Berücksiehtigunfi 
der süd-ostjakischen Grammatik von Castren und der von Recjui.Y hin- 
teriassenen WÖrtersaramlung und ostjakischen Originalliedern, bearbeitet 
von Paul Hlnfalvv (Budapest, 1875). — Andere Abhandlungen über 
einzelne mythologische Gegenstände, welche sämratlich m deti von der 
ung^arischen Academie der Wissenschaft herausgegebenen «Nyehtudo- 
mänyi küzlenni^mYek», d, i, «Sprachwissenschaftliche MittheiUmgt^nr 
erschienen sind, werden an betreffender Stelle einzeln citirt werden. 

^75 (S. ibü.) Viele sind geneigt, das Won «eleve» in der *altmag^^ariscl 
Leichenrede» für «elon (= lebend, lebendig) zu lesen und zu erklären 
dass der Schreiber dieser Rede «elö isten* (= lebendiger Gatt) hat 
schreiben wollen, das Wort «isteni* ihm aber in der Feder geblieben seij 
Bei der sehr sorgfältigen Niederschrift ist jedoch ein solches Lebersehe 
oder Vergessen nicht glaublich. Vgl. «Mythologiai adatok» :=^ *Mytho 
logische Paten» von P. HUNiALW in den obcitirten * N yelvtudomin^ 
közlemenyek)*, Bd* XilL, p. yo — 86. 

270 (S. 160/) Vgl. Josef IUden/, «Erdei es Hegyi Cseremisz sz6tar; 
(Vocabularium ceremissicum utriusque dialecti.) Pest, 1H66* 

377 (S. t6o.) Der finnische Reformator Alichaei Agricohi sagt im Vo^ 
Worte seines im Jahre 155 1 herausgegebenen finnischen Psalters von 
alten Götzen der Finnen, insbesondere der Karjalänen : *»^Kjp'es seht 
ihnen Erbsen, Bohnen, Rüben, Kraut. Lein und Flachst; Kondos übei 
wachte nach ihrem Aberglauben das Rodeland und die Ackerfelder ue 
sühald sie f/ie Frifiiiingsaussaat beendigt hatten^ tranken sie C^AA 
Bechern. Im Wortlaute : 

ftKuin kevä-kylvö kylvettiiu. 
silloin LkoTi malja juotiitn». 
jAKüH Grimm («Deutsche Mythologien, Vorr. XXVIIL) sa^ : <^Wi^ 
Thors Minne trank man l^kko zu Ehren volle Schale«. — In Schwede 
spricht man beim Toastiren nur das Wort «skäl»» =r skool = Schale aus] 
eine dürftige Erinnerung an Thors Schale, 

*7S (S. 191.) Das finnische ukko liuict im Genitiv ukttn, daher ukon maij\ 



405 



p^ Ukons Becher. Auffällig' ist im Ma^t^yarischen der Ausdruck a/i^^of/u- 
(einmal «ukon-) pohar» ; in diesem kann das «m» kein Genitivus sein; 
oder war dies ehedem der Fall und wäre alsdann diese unverstandene 
Wortfarm als ein sprachliches Petrefact in der Hegyalja fortbestanden^ 
Bei dem magyarischen Dichter Faludi (im i8. Jahrhundert) begegnet 
man häufig dem Ausdrucke «eron erejevelb anstatt *ferönek erejeveb 

i^= kraft seiner Kraft), 
S. 163.) Elias Lüxxrüt, der Sammler und Herausgeber der «Kale- 
wala- Lieder !♦, verkehrte viel unter den entfernter wohnenden Finnen und 
Lappen ; er kennt die V'olksgebräuche am besten. L'nter den lebenden 
finnischen Schriftstellern ist er unstreiti^g der berühmteste. 
(S. 163,) Victor Heh^, das Salz, S. 25. 

aß* (S. 164.) «Regi magyar szok» = «Altmag^arische Wörter» von P. Hln- 
FALVY in den «Xyelvtudomanyi kÖzlem^nyekh, Bd. V, 
' (S. 164.) Ibidem.' 

(S. 167.) Castren, »Ostjakische Sprachlehre)*, 2. verb. AufL, herausgegeb. 
v. Ant. Schiefxkr. St. -Petersburg, 1858* S. 116. Die Namen der Mo- 
nate sind: i. hiijem tilis = Monat der T^ichzeit ; 2. nuz-eie-tilis ^ 
Monat der glatten Tannenrinde; 3. sämet-ele-ti/is ^ Monat der g'latten 
Birkenrinde; 4. var-iihs — Damm -Monat, zum Fischfang geeignet; 
5. ^/////'r'fVv/rt-//7/j — Gras- Monat, Heu-Monat; 6. hint-vasa-menda-iilis 
= Gänse- und Enten*Monat ; 7. velek-Jiih-tiiis ^W^m^Lt des ].aubfalles; 
8* kurafig-hi(j-tiiis -^ Fussgänger- Monat (wo man auf dem Eise gehen 
kann); 9. iavajig-huj-tilis = Reiter-Monat {da man auf dem Eise be- 
ritten reisen kann) ; 10. ene tet ce^ic" ti/is ^^ Monat des grossen Klafter- 
Rückens j II, aj tet cenc tilis = Monat des kleinen Klafter- Rückens 
(die Bedeutung dieser beiden Monatsnamen ist dunkel); 12. z'ot tiits = 
XV^ind-Monat; 13, 7>arnj^'ai ttl/s ==: Krähen-Monat. 

^^4 (S. 168.) <i Topographische Xachrichten von Lief- und Ehstland,» Gesam- 
melt und herausgegeben von AVQ. WiLHELM HUGEL. Riga, 1774—1782» 
Drei Bände; Bd.! IL, S. 366. 

■365 (S. 169.) Da jedes Volk die Zeit nach dem Lauf des Mondes ein- 
gethcilt hat, so findet man wohl auch anderswo Spuren des dreizehn- 
monatlichen Jahres, nur hat man diese bisher nicht wahrgenommen. Das 
■englische over-leaping — überschreitend, springend, welches das Schalt- 
jahr beiüeichnct, deutet offenbar darauf hin. 

(S. 169.) tiRegi magyar vitezt enekekn ^=^ u Altmagyarische Heldenlieder». 
Gesammelt von Koloman Thalv. (Pest, 1864.} Öd. L, S, 346. 
(S. 16g.) Aus Kriza »tVadrozsakn = <i Wilde Rosen w (einer Sammlung^ 
von Volksliedern und Volksballaden der Szekler). Vgl. diese Ballade bei 
L. ArGNER» ««Ungar. Volksdichtungen »• [Pest, 1873), S. 82 ff. 
(S. 170.) «Tegumen omnibus sagijm fibula, aut si desit, Spina ronser- 
tum», sagt Tacittis von den Germanen. Germania, XVI L 
(S. 170.) Aus den mitgetheiiten Beispielen in meiner ostjakischen Grammatik. 
(S. 172.) Ueber die Herkunft der Magyaren haben schon sehr Viele 
AUerlei geschrieben. Wir können uns hier weder in eine Rechtfertigung 
noch in eine Widerlegung dieser Ansichten einlassen und übergehen 
deshalb auch die Annahme S. Cassei/s, der («Magyarische Altcrthümen», 
p* 119 ff.) die magyarische Sprache für indogermanischen Ursprunges 
hält, auf welche dann das Finnische Ei nÜuss geübt habe. Cassel schrieb 
sein Werk im Jahre 1848. Seitdem hat die Wissenschaft riesige Fort- 
schritte gemacht; billig staunen muss man aber, wenn unser Historiker 
Michael HokvÄTH noch im Jahre 1871 in der neuen Bearbeitung seiner 
«tieschichte TMgarns» (Bd. L, p. 15 ff.) schreibt : «Es ist unter dm C^e- 
iehrten eine anerkannte Lhatsache, dass man aus der Aehnlichkeit der 
Sprachen keine Schlüsse auf die Identität der Stämme ziehen kann.« 
')iese Behauptung hat eine Sprachvergleichung im Auge, wie solclie 
"ORVÄTH selbst aus dem Mongolischen und Chinesischen beibringt. Er 



hätte aus dem Slavischcn noch mehr ähnhcht* Wörter mit cl<?m Ma,i:)^ 
risrhen aufführen können* Ich weiss es wohl, das& Nationen unterji^ehtij 
durch Aussterben oder durch das AufR-eben ihrer Sprache, Allein djj 
majknj'arische Sprache ist das her\'orra>,'^endste Zcugniss dessen, dasi? dieSJ 
Nation ihre Sprache niemals aufgegeben hatte. Wer kann aber leuj^rneDTl 
dass eine Nation mit ihrer Sprache entsteht und sich entwickelt ? Ohne ^ 
Sprache gibt es keine Nation, kein Volk. — Wer aber die magyarische 
Verbalsuffixe aus dem chinesischen Hilfsverbum erklären will, der vcij 
sucht mittelst des Fischts das Säugtfhi'er zu erklären. — HuKVATfl 
beruft sich auf die Behauptungen mehrerer Gelehrte über die körperlich' 
Gestak der Finnen, Wogulen etc. Diese Behauptungen haben heut^utag 
gar keine Geltung mehr. Auch die aus Knochen argumentirende Hlhnö 
graphie (eigentlich nur «i^ougraphie») geht heute anders vor als zmt Ze^ 
Pallas*, Klaproth*s u. A* 

ayi (S. i;2.) Graf liWAROW und Schawrljew, nach dem Werke des Erl 
steren (erschienen 1869) macht Ahlquist im *Kie/etärt (Bd. L, Heft '>) 
die Merier bekannt. Astemn fasst die Forschungen Beider in seint^r 
Darstellung der tinn^ugribchen Alterthüraer (Helsingfors, 1875» S, zBo — 
J02) zusammen. 

»li« (S. 172*) Bt DENZ, «Mordvin kö/lesek» = nMordwinische Mittheilungen^ 
\m\. Bd e . der « N y el vt ud . K ö ?. 1 e m eny ek » . A . A H L y i: 1 si , <• Ve r s uc h ei ntJ 
mokscha-mordwinischen (Grammatik)» (St, -Petersburg, 1861). — F, J. Wlß 
URMAXX, «Grammatik der ersa-mordwinischen Sprache*» (St. Peter 
bürg, 1865.) 

«93 (S. 172.) Diese Stelle scheint lückenhaft zu sein, 'Jardam's spricht vo 
her von den zwei Stämmen der Hunnen, von den Ultziagiren und de 
Saviren und fahrt dann also fort : «Ilünuguri autcm hinc sunt noti, quid 
ab ipsis pelltum murinarum venit commercium ; quos tantorum vlror 
form i da Vit audacia,» Das Wort «autem>^ zeigt, dass hier eine Lück 
sein kann. 

*^ (S* 173O A. C. Lehkbekg* i Untersuchungen zur Erläuterung^ der ätt<j 
sten Geschichte Russlands.» (St. -Petersburgs, 1806.) 

«iß (S. t7j.) iRenim Moscovitarum Commentarii Sigismundi Lib. Baronis 
Herberstein etc.» Zweite Ausg. Basel, 1354.- S, ^^^ ^5 ^"^ *^^- 

^^ (S, 173.) BJrptl oder J rptl in den altrussischen Denkmälern, wie 
von Lehrbkkg erfahren. 

^^7 (S. 174.) IJeber die Reisen von Regulv und Ahlq LI st unter den Wogule 
und Ostjaken vgl. HCNFALVY, *Vogul füld es nep = Wogulisches Lau 
und Vulk». S. 50 — 66. 

»9^ (S. 176.) Ueber die türkischen Wörter im Magyarischen vgl. die mit 
grössten Sorgfalt verfasste Arbeit von Dr. BUDEX/, »< [dentis V.4MBERY. 
magyar-torök sz6-e,g)'ezeseirültt ^ *ßericht über die magyarisch-ti 
ki sehen Wortvergleichungen von A. Vv.MHKK^t» im ♦•Xyelvtud, K.bt\ 
menyek», Bd. X., p. 67 — 1,^5. 

^V9 (S. 177.) Fraehn, de Chasaris,p. 19. «Vor /leiten hatten sie» sowie auQ 
die Türken keine Religion, sondern folgten nur ihren althergebracht <| 
Gebräuchen.» 

300 fS. 178. J Casskl, «Mag^^ Alterthümen», S. 199 ff. 

3'^i (S. J78.) HUNFALVY, •< Vogul föld es nep» = «Wogulisches Land uq 
Volk*, p. 347, 348. 

(Zur S. 178.) Ueber die J/t'/-/W* vgl. Le Corate A. Oi'VAroff, Elud 
sur les peuples primitifs de la Russie. Les ^leriens. Traduit du Rus 
par F. Malaqli^. Saint- Fe tersbourg. 1875. 

30a (S. 179.) Das magyarische «61«mi* (Blei) betrachten^Einige als eine \in 
lehnung vom slavischen «olovoi*; allein MtKLOsicH fügt bei: wm für 
ist befremdend». Die mag\'arische Wurzel ist in *'olvadni» =^ schtnelze« 
wie f-alom^ (= Schlaf, Traum) von «aludnii» (= schlafen^ : ^-^ -^tmr 



407 



t^6\o^'n» von «olvadni»* Im Ostjakischen ist «lola» = olv und nlolpiJ* ^ 
magyarisch «(olvadow (das Schmekcndt^), wölom» (— Blei)* 
3 (S. i8o.) Sowohl das deutischc « Kirche •«, wie das slavische «cirkvei* j^tam- 
meii von dem ^griechischen ictf^ntK^. 

304 (S. löo.) «Die auf dt-r tiefsten Stufe stehenden Ma^art^n.» MiKLOSICH, 
nDie skavisehen Elemt-nte im Mag-yarisehen,» Wien, [871, p. 5. 

aos (S- 180.) Als Führer dient hier Fr. Mmiklosilh, «Die slavischen Ele- 
mente im Magyarischen»» Wien, 1871. Dem ausgezeichneten Slavisten 
MiRLosiCH kann man Vertrauen schenken ; unter den aufgeführten 
956 slavischen Wörtern sind allerdings auch solche, welche die Literatur- 
sprache nicht kennt ; doch Miklosich weiss jedes derselben zu belegen. 

306 (S. j8[.) Ibidem, p. 5. 

307 (S, iS^.) Marcj Chronica de Gestio Hungarorum ab origine gentis ad 
annum 1330 producta. E codice omnium qui extant antiquissimo biblio- 
thccae Palatinae Vindolxmensis picto. Recensuit Fkaxciscus Toluv, 
Pestini, 186;. 

(S. 185.) Magister Joannis de Thur<5cz widmete seine Chronik dem 
Thomas DrAg, der Kanzler und Personal des Königs Mathias (Cor- 
vinus) war. 

309 (S. 185.) ^iScythia in oomprehensiooe üna cingitur, sed in tria regna di- 
viditur princtpiando, sciltcet iji Bascardiam, Denciam et Mogoriam, 
Marci Chron., V. 

3«o (S. 186.) Dum ergo Hungaros i terato in Pannoniam red Ire cognovissent, 
in Rutheniam eis occurerunt, conquestrantes simul Pannoniae regionem. 
Qua qui dem conquestrata in eadem sorte remanst-runt, ut tarnen Hun- 
gari voluerunt, nun in piano Pannoniae sed cum Ylachis in montibus 

^ conhnii sortem habuemnt : unde Valachis commix^ti uteri s eorum uti per- 
hibentur. Marci Chr. XVII. 

31=* fS. 188.) Chronica Marci^, p, XXI. 

3«3 (S. 191.) Cebrigens ist in Bezug- auf die Urgeschichte und die Urheimat 
der Magyaren Bonjinitis ein ebenso kritikloser Schwätzer wie unsej^e 
Chroniken, nur war er gelehrter als diese, trug also auch mehr Unsinn 
zusammen. 

3'4 (S. 192.) Vgl. Casiren, A\^rsuch einer ostjakischen Sprachlehre, » Her- 
ausgegeben von Antox SchtffnkR, p. gi, 

3*5 (S, 192.) In den allen Sprachdenkmälern ist «harmiczu gebräuchlicher 
als «harminczrt ; ♦•harmiczi» ist übrigens auch heute noch in einigen Dia- 
lectcn jenseits der Donau üblich. Vgl. «Nagy szötär» =, «Grosses Wör- 
terbuch % Bd. IL, Sp. 1421. 

31^ (S. 192,) Das ostjakische iangai lautet im Wogtilischen tagat (was mit 
dem wtogat» unserer Chroniken übereinstimmt) und iuifet ; bei Vocalisi- 
rung des g wird daraus taui, tajt, täjt ; ja im Süd-Wogulischen auch 
hmnt, was wiederum mit dem hypothetischen «dent» übereinstimmen 
würde. Der Kehllaut (k, g) übergeht gerne in j oder in einen Vokal, 
'i. R. das W<»gulische Jag (Vater) wird jäunt (statt «jägem») — mein 
Vaten So wurde aus dem lateinischen »ifocusit (italienisch «fuocoi) das 
-französische t^feui» ; aus »ipaucus** (italienisch <ipüccit) das französische 
«peu» ; so auch aus naquaw (akua) das französische «eau». 

3^7 (S, 192.) Der AnonjTTius, wdcher «dentu-moger» schreibt, nennt den 
iJon Jhfuiis : die übrigen Chroniken, in denen «Dentia», «Dencia^ vor- 
kutnml, sagen deutlieh, dass die alten Magyaren den T>un wlttul* ge- 
nannt haben ; bei diesen sind also «iDt-ntia» und <tD<jni» zwei ganz ver- 
schiedene Dinge. Doch untersuchen wir iiuch die Bedeutung des ver- 
meintlichen «Don-tcii». Wenn nZsitva-töi« so viel heisst als Mündungs- 
Stelle der Zsitva (in die Donau) und «Marczal-to» den Ort bezeichnet, 
wo die Marczal in die Raab tliesst» wie solches das nNagy SzotAm 
(nGrosse Wörterbuch n), Bd. VI., p. 384 unter *ilU richtig erklärt: dnnn 



}r <^ MttBdiciig^ oder an der Q.i£ik ci^ Düa gk:v, 

jj r-ti eiiP> bei ikn^ Hieflieficiiii^ in 4f^ G^cfideti an d 

ur^ Wolga vberv messen. 

>< H. 1 , ^'^iT^e otagisa icardo ordinrs FF, Piae?| 

€lj*Lat**r-ni IT .fTi: » tL-rr.pJCr do«« Gprj;i.«r; lA.» Ijci ExöLlCHER, «Re 

#■» (S^ 1%: / ' "^^ *^ fibr. II.) erzählt das in folgender Weeeil 

• Faf>' nie Aeseas S%*t%iiis Pkcoloaiifi], i .|5^^f 40>4)l 

fC* -* ^ " "^c i s an^ der zcm Urs|irimg^ des Don-] 

f -it statt der Wolga der Don, es kanal 

j* ^ - ,., .^4-_ « . . .^ >.- von seiner Quelle '-^i-- p*^.- ^*^in .hirfi 

fl. risch brechendes Volk (and. Auch imst 

ri -t he Kaufleule hie\'on Kunde erhalten, d.,.. . 

d das verwandte Volk wo möglich in das durch die fort- 

UV- jr cnt\ölkcrte Pannonien locken sollten; bisher konnte et 

daj» noch hfohrun, hlieb er aber am Leben» dann hatte er es 

vielldchl ;i rt,. — Diese Kenntniss des Papstes Pius und die Ab- 

sicht de^ VeroncsKrrs theiit auch Thur6czi mit. Er lässt näraüch den Vero- 
tiew?r (honjo Verona orlus) bei seiner ZurQekkunft das Erfahrene dem 
Papste nDittheilfn und wollte mit magyarischen Priestern aus dem Fran- 
iJjKranerordcn hingehen und die heidnischen Mag^'aren bekehren ; aber 
der Fürst von Moskau (Dominos de Mosqua), welcher der griechischen 
Kirche anhing (Graecae perfidiae subdilus), duldete es nicht, dass die 
a8i;trischen Mag>'aren sich mit der römischen Kirche* vereinigen und ver*J 
wehrte ihnen den Zutritt. Thuroczi I., 9. 

1^^ (S. J92.) Susdal ward zum ersten Male im Jahre 1024 in den russischen" 
Jahrbüchern erwähnt. \\e^I. Les annales rapportent que Susdal existait 
dt-ja en 1024. Etüde sur les peuples primitifs de la Russie. Les .Vle- 
riens. St,-Petersbourg, 1^75. p. ^2. (RoKSLER, • Romanische Studien*, 
p. 188, führt an, dass Susdal, der einstige Hauptort des gleichnamigen 
russischen Fürstenthumes, im Jahre 997 zuerst genannt werde.) Ali 
selbständiges Fürstenthum geht Susdal im Jahre 1149 unter; damals? 
wird CS mit Rostow vert^inigt ; im Jahre 1155 Kamen Susdal und Rostuw 
unter das Fürstenthum Wladimir (Lodomerien). In dieses Fürstenthum 
schickten die benachbarten Mordwinen im Jahre 1250 um christliche 
Priesh r, wie siiU hes' die Xachrichten der magyarischen Dominikaner- 
mönche berichten. Vgl. Fr. Ricard us. De inventa Ungaria magna api 
|{.\lilJLKKR, L c, p. 254. An die Stellt! dieses Fürstenthum Wladimia 
trat danni. j. 1292 das im Jahre 1147 gegründete Fürstenthum Moskaul 

»•» (S. IQ2.) W^ie wt-nig dieser Anonymus Belae regis notarius in die Zeij^ 
von Stefan d* H., Peter. Aba (Samuel), Andreas und Bela I. passt, sa^ 
er «clbst in seiner Epistel an seinen «geliebtesten Freund» ; *tDiim olifl 
in scbul.'iri studio simul essemus, et in historia Troiana, quam ego cu 
«nmmo amorc rf>mplexus ex libris Daretis Phrs'gii ceterorumque auctfJ 
rum, sicut a niagistris mcis audiveram. in unum volumen proprio stil^ 
rnmpilaveram, pari vuluntate legeremus, petisti a me, ut sicut histariati 
rntiatiam iH^llaque tirecorum scrip^eram, ita et genealogiara, regum Hun 
garie et nobiliiim snorum* etc. \\\ der Schule des h. Gerhard, in wi; 
eher /iK'rjst rin Lehrer, Walthcr, die Jünglinge in den grammatische 
und niUMikalist hen Künsten unterrichtete, dem man spateraus Stuhhveissen| 
bürg ♦•t'hien 'IVutoiirn Namens Heinrich'* oder einen deutschen Untet 
K hitT noi li beigab, so dass HeinriLh im Lesen, Walther im Gesänge di^ 
Schüler übte : konnte man wohl damals kaum dahin gelangen, den tr 
j. mischen Krieg /u erklären, Und wären die Schüler wohl schon zu derlei Lee 
türe hef^Ui igt gewesen r iJiese Reminiscenz des Anonymus bezeugt ja eine 
st) ruhigen und entwickelten Zustand, wie er. ich weiss nicht unter welche 



409 



fKönigfe aus dem Äipädischen Geschlechte bestanden Kaben mochte. Allein 
' ' i^es Geständniss btzcu^t zuijfleich, wenn .luch unwillkürlich, dass der Ano- 
nymus die Geschichte des ma.QvarisLhen Volkes nicht höher schätzt als die 
trojanische und wie es in dieser erlaubt war frei zu erfinden, so Hess er 
auch bei der Geschichte seines Volkes der Phantasie weiten Spielraum. 
Nur ein solcher Fabulist konnte von seiner Arbeit selber rühmen: 
ft Felix it^itur Huni^aria, 
cui sunt dona data varia, 
Omnibus enim horis, 
gaudeat de munere sui literatoris, 

quia exordium genealog-ie regrutn suorum et nobibum habet. w 
Apud Endlicher, p. 2. 

3a« (S, 194.) Die H\patios-Chronik von IsiDOR SzARANiKWlcz (Lemberg, 
1872), S, 116. 

3^3 (S. 194.) Auch diesbezügbch versetzt der Anonymus einen weit späteren 
Zustand in die Zeil Arpld's. Nach dem 1 'nteri;j:an^^e der Söhne Swato- 
pluk's «wird mehr als hundert Jahre Mähren in den Annakn fast ^^qr 
nicht mehr »genannt, und als es wieder auftaucht, ist es eine dem böh- 
m i s chen Re iche u n t e n^o rf e ne P ro^' i n z . »» J3 L i > 1 K , « Mähren s a 1 1 g" . C j e s c h . •» ^ 
Bd. I., p. 354. 

334 (S. 197.) «Pil^inus Laureacensis de Conversione Hun^arorum ad Bene- 
dictum VII. P. P. ap. Endlicher, 1. c, p. iji — 133, 
fS. 197.) Eugenius cpiscopus, servus sen'orum Dei, Rathfredo S. Ka- 
viensis ecclesiae et Methodio Speculi Juliensis, quae Soriguturensis nun- 
cupatur, atque Alewino S. Nitriensis ecclesiae, parique modn Annoni S. 
Vttuariensis ecclesiae episcopis, simul etiam Tuttundu nee non Mojmaro 
ducibus et optimatibus exereilibusque plebis Hunniae, quae et Avarta di- 
citur, et Moraviae. ^ Ffjkk, Codex Diplom,, I,, 158. 

i^ö (S. 197.) Das beweist vollständig 1}vm:siler in seiner Schritt: «Pil^mm 
von Pasyau und das Krzbisthum Lorch.'^ Leipzi,tf, 1854* 

327(8. 198.) mZü Misenbure der riehen da schiften sie sich an.i* Vgl. «Das 
Nibelungenlied 1», herausgegeben von CARL BARTSCH [Leipzig, 1866), 
XXI J. Äventiure, Str. 1377 1 p. 251. — »iMisenburctt ist das heutige «Wie- 
selbu rgi> , magyari seh * M ose >n)' » . 

3=s |S. igg.} Schou Casskl hat den deutschen Ursprung der hunnisch-ma- 
gyarischen Sage erkannt und hervorgehoben; nur eignet er noch viel zu 
viel dernationalen Quelle, dem Anon3nins, /m, als dies in der Wirklich- 
keit der Fall sein kann. Vgl. üMagy. Alterthümerw, p, 9—23. 

3»9 (S. 199.) Litmbertus, Asehaffenb. ad annum 1071 bei I^krtz, VIE, 185. 

330 (S. 202.) Siehe die Urkunde Bela IV, bei Jerxkv, «Keleti utazäsa* = 

• Reise nach dem Osten-^ I., 2^}^ fF. 

13^ (S. 202.) «iCarolum Magnum, domita l'ngaria (d. i. nach der Besiegung 
der Avaren) Saxonibus, qnibuscum toties dimicarat, haec loca in rclega- 
tionis speciem complevisse, perhibent.n BofiJinius^ Decas IV., lib 1.. VM. 
Auch noch andere Märchen erzählt Bonfin. so z. 13. dass üüda lOfen) 
scinim Namen von den Budinen erhalten habe^ Moldavia = mollis D.icia. 
das zugleich ein Beispiel seiner etymologischen Spielereien, in denen auch 
unser Anonymus eine besondere Stärke besitzt. 

'^^^ (S, 203.) Wenigstens in dieser Note gedenken wir jener Historiker, wel- 
che in Bezug auf den Ursprung der S^ekler sich nicht auf die Autorität 
des Anonymus gestützt haben. Schlözkr, «Geschichte der Deutschen 
ID Siebenbürgen 1», p. 208, hält die Szokler für magyarisirie Kumaneu* 
doch auch für Grenzwächter. Weder I.adislaus I. noch seine unmittelba- 
ren Nachfolger würden es g^ewagt haben, Kumnnen an der Grenze anzu- 
siedeln und zwar noch Rumänen gt^gen ditt Petsehenegen. — 1*1X1; KL. 

♦ Geschichte des ungarischen Reiches «j (Wien, 1834), L, 61, hält die 
Szekler für magyarische Fifichtlinge (magyarisch «szökin'cnyftb welche 
vor dem Angriffe der Petschenegen und Bulgaren gcHohen seien ; seine 



4H 



Argumentation beruht auf den HomL^nym^n ts^ökeveny» und ns/ckcly», 
ist also sehr hinfalli^^. Allein sowohl die Ansicht SCHI.ÖZER*s wie die 
Encki/s wird durch die Sprache der Szekler wrderle;^, welche nicht di 
sein konnte, was sie ist, wenn sie nicht aus dem eigentlichen Ungaa 
und xwar nach der historische« Entwnckelun^ des Magyarischen, stam- 
men würde. \6Vg^L über die Szekler noch ROESLER, «Romanische Stu» 
dien», p. 335, und K RON es, «Geschichte Oesterreichs», L, p, ^b\ ff, — 
DOmmikk, «Geschichte des ostfränkisehen Reiches», IL, 444, acup 
tirt nach ScHLÖZER's imVe Ansicht vnm kumanischen IVspruugr^ >!>•' 
Szekler,)6 

311 (S. 203.) Erschien in den «Jahrbüchern der ungarischen g'clehrtcn Geijil- 
Schaft» (uMa^ar Tud6s TdrsasÄg- ^vkÖnyveii), 111., Pest, 1838, S. ijj^»' 
bis 144. 

134 (S. 204.) Sowohl die wog^uljschen und ostjakischen Sprachen im Goir r 
nement Tobolsk, wie auch das Sirjänische» Permische und Wotjaki^« hi 
in Wiatka sind nahe Verw^andte des Mag^^arischen. Insbesondere haben 
die drei letzteren den Infinitiv auf *ni», wie die mag>^arische Sprache, 
z, B. das permische kor-fii\ wotjakische kur-ni ist das maje:3^ar. kt'r-ni 
<— bitten); das permische kos-m\ das wotjakische küs-ni = maä^ariscb 
huz-ni (= ziehen). Auch den Säbel (ma^^^^yarisch ktinl) brachten die Ma- 
^'aren aus diesen iliren früheren AVohnsitzen und ist dieser vielleicht 
ihre älteste F^isen-Waffe ; denn im Ostjakischen ist hirt^ A^arä^ im Wo- 
;^iili sehen keri, im Permischen /v>/*/, im Wotjakischen korf r= Eisen; 
ferner bedeutet im Ostjakischen penktng kart = ;^ezähntes Eisen, die 
Säge; im Wo^ulischen kvrf A'af = Beisszange u. s. w. Bei BesprechLti;; 
des AsPEf.iX^schen liuches (siehe oben Note 291 1 behauptet zwar Lkki. h 
in der «Russischen Revue» (1876, Heft I.), dass die L'^en löstlichr n 
Finnen) das Wort «kart« = Eisen von den Iraniem entlehnt hätten; 
denn bei diesen war Mkarta» das Eisen, jetzt bei den Neupersern »tkerd» 
das Messer; die l'irren halten also das Eisen zuerst als Werkzeug, als 
H Messer» von den Iraniem erhalten. — Es masJ* sein, dass es sich so 
verhalte, wie Lekch behauptet; jedenfalls muss aber in Betracht i»;ezi>- 
gen werden, dass auch das mag}'arische h's\ das ostjakische ke2i\ das 
wogcilische A'tsej\ welche alle «-Messer» bedeuten, unabhänjrig' vx>n deru 
persischen ukerd» entstanden sind. Indess mag dem sein, wie es will, so 
viel steht fest, dass die Mag}aren sowohl den Säbel |kard) wie das 
A/esser (k^s) aus ihrer ugrischen Heimat mitgebracht haben. 

335 (S. 205.) Das zweite ökumenische ConciK welches im Jahre 381 zu Con- 
stantinopel abgehalten wurde, bestimmte noch (Canon Illj. dass nach 
dem Bischöfe von Rom dem von Constantinopel der nächste Rang ge- 
bühre ; denn Constantinopel sei Neu-Rom. 

336 (S. 205.) Schon die Synode zuChalcedon beschloss im J. 451 , dass der Bischol: 
von Constantinopel mit dem von Rom gleichen Ranges sein solle» k 
iffat, vfifT^iilet «Ve»ff^«v TAI Tvti KiÄf Pa^jUit^ ttynuTttT^ S-.oi«»» ; denn Constantl 
nopel sei jetzt durch Herrscher und Senat ausgezeichnet und darum g 
zieme es sieh, dass auch die Stadt in gleicher Achtung stehe wie 
alte Rom- Gieselek, «I.ehrbuch der Kirchengeschichte.» Ersten Band 
11. Abth., § 9j, Anm. 9 und 14. 

337 (S, 206*) Vgl. jenen Theil der Kncyclica, der sich auf die zu den Bu 

f^aren gesendeten Lehrer bezieht, bei Gieselkr, «Kirchengesch.», 1| 
heiles erste Ablh., § 41, Anm. 10. — Der Bulgarenkönig hatte von 
Papste einen Patriarchen verlangt ; allein Nicolaus anl^vortete ihm (res 
ponsum LXXII.: «Requisivistis si liceat in vobis patriarchum ordinari» 
dass er ihm hierauf keine bestimmte Entscheidung geben könne, bis 
nicht von seinen ^iurückkehreriden Gesandten erfahren wird, wie gro 
die Zahl der Christen (bei den Bulgaren) sei und ob unter ihnen Kiii 
t rächt herrsche. Bis dahin mögen sie sich mit einem Bischöfe begnüge 
(Interim episcopum habitote). Weil aber der Papst nicht sogleich d« 



411 



Bulgaren einen Patriarchen geben, auch ihnen nicht denjenigen als Bisciiof 
lassen wollte, den sie gewünscht hatten: so wandten sich die Bulgaren 
von Rom ab und schlössen sich an Constantinopel. Vgl. oben S. 117 
und die Note 236. 
338 (S. 206.) £Ein mächtigem Vehikel lur Erhöhung und Befesligung der 
päpstlichen Gewalt waren die psendo-isidor lachen Detrefalen. Dieselben 
bestehen aus einer Sammlung von Papstbriefen^ Constitutionen, Canonen 
und päpstlichen Decretalen, von denen die Mehrzahl gejäischi ist. Lieber 
diese Üecretalen besteht eine ganze l.ittTatur. Nach den neuesten For- 
schungen äst die Sammlung vor 847 nicht vorhanden gewesen, wurde im 
fahre 85 5 schon bcnüt;;t ; die Entstehung ist also in die Mitte des neun- 
ten Jahrhunderts zu verlegen. Bezüglich des Entstchimgsortes haben die 
Forschungen ergeben, dass man diesen im Franken reiche, genauer in 
der üiöeese Rheims zu suchen habe. Als den angeblichen W^rfiisser 
nennt die Vorrede den heiligen Isidor, Bischof von Sevilla, was offenbar 
falsch ist ; indessen haben die l-ntersuehungen den eigentlichen Autor 
noch nicht eruirt. Die Sammlung selbst fand zwar schon im neunten 
Jahrhundert Anzweiflungen, wurde jedoch bald für echt gehalten, bis im 
\^. Jahrhundert Nicolaus von Cus und Johannes von Turrecremata ihre 
Echtheit aufs Neue in Zweifel zogen. Die Fälschung hat dann insbeson- 
dere der reform irte Prediger liiondei (im Jahre 1628) nachg^ewiesen und 
seitdem haben zahlreiche Forscher sich auf das Eingehendste mit diesem 
Gegenstande beschäftigt. Die beste Leistung verdankt man Hinschi t.'^, 
der auch die psL'udo-isidorische Sammlung in musterhafter Weise edirt, 
eingeleitet und commentirt hat In seinem Werke; « Decretales. Pscudo- 
Jsidorianae et Capitola Angilramini* Ad fidem librorum manuscriptorum 
recensuit,,fontes indicavit, commentationem de eollectione Pseudo-lsidori 
praemisit Paulus Hinschius. Eips., 1863.» — Was den Ziveck der 
Fälschiuig \^^^.T\ftly so äussert sich Fr. v. Schulte hierüber wie folgt: 
«Fasst man ins Auge, dass die Fälschungen auf folgende Punkte ab- 
zielen: I* Die Anklage gegen Bischöfe dem weltlichen Forum zu ent- 
ziehen ; 2. die Bischöfe dadurch noch mehr zu sichern, dass das Straf- 
urtheil in letzter Instanz dem Papste zugeschrieben wird ; 3. den Einfluss 
der Bischöfe durch die Abschwächung der Macht, welche die Chor- 
bischöfe hatten, zu 4ieben ; 4. durch verschiedene Mittel (Exceptio spolii, 
Bestimmungen über die Unverletzlichkeit des Kirchengutes) die geist- 
Iche Macht, insbesondere der Bischöfe zu heben, und bringt man damit 
in Verbindung die Vorkommnisse jener Zeit; — so ist man zu sagen 
berechtigt, der eigentliche Zweck ging dahin, die hisrhfißiike Gn^ni/f 
zu emancipiren von der weit liehen uud metropuiHi sehen durch uuniif- 
telhare LJnter Ordnung nnier die piipstikhe.^ t^^ÄTi^ Hebung der piipst- 
licht 7/ Mach / h a t Ps e u d o - 1 s i do r d i rec t v i e 1 le i ch t ni ch t b e abs i cht i gt ; e b u n so - 
enig ist seine Absicht blos auf Berücksichtigung individueiler Wünsrhc 
■der Zwecke gerichtet gewesen^ obwohl jenes als Mittel gewählt woide 
und letzteres nebenbei beabsichtigt sein kann. . .!♦ «Sind nun auch nicht 
alle Sätze neue, vielmehr manche schon facti seh geübt worden oder Con- 
Sequenzen aus anderen oder nur der Ausdruck von Anschauungen jener 
Zeit ; so erhellt duch aus dem Gesag^ten der grosse Einßnss der Samm- 
lung. Dieser liegt aber darin, dass sie recht eigentlich dazu beitrug, die 
tceßliche Macht in kirchii( heu Dingen herahzufirikken, die scihstiin- 
dige MntiKUckeiung des kirchlichen Rechts zu fordtrti^ die Gewalt 4^' 
Metropoliten zu schwächen, endlich die päpstliche zu stärken.* ^^gl■ 
"CHULT?:, «Lehrbuch des katholischen Kirchenrechtsw, dritte Auflage 
,j(Giessen, 1B73), p. 20, 23 — 24. ■ — KüNEK, HEg>'häzjogtan kezikönyve»» 
s= «Handbuch des Kirchenrcehts», 3. Aufl. (Pest, 1871}, Bd. I., pag. 
66 ff. 5 Papst Nicolaus I. berief sich zuerst auf diese falschen Decrt^ta- 
len. Wie also einerseits die Encyclica des Photius, so errichtete ander- 



412 



stits diese p5eudo-isidDris(.hc Sammlung eine Scheidewand zwischen d<:r 
abend- und mor^enländi sehen Kireht::. 

339 (S. 207,) Nach dem Justinianischen Gesetze (c. 39, ^ 1. c. de episcopi* 
et clericis I. 3) wurde den Bischöfen die Erhebung^ des -Zehenten verbo- 
ten ; wer diesen dennoch fordert, verfällt der Exctommunication. — In 
der occidentalischen Kirche wurde da^e^^en schon zur Zeit Carl des 
Grossen die Zehentleistung Gesetz und die Geistlichkeit behob diesem 
Einkommen von den neuen Christen mit grosser Strenge, (f Interessant 
erscheint diesbezüglich ein Schreiben des berühmten Alkuin an seinejj 
Freund, den Salzburger Erzbischof Arno, vom Jahre 798, worin er vor 
der Erhebung des Kirchenzehenten warnt, welche schon bei den Sach- 
sen so grossen Unmuth gegen das Christenthum erregt habe. In dem- 
selben Sinne richtete Alkuin auch an Carl den Grossen ein Schreib<^n, 
worin es unter Anderem heisst : «A\'ir, die wir im katholischen Glauben 
geboren und erzogen sind, willigen kaum ein, von unserem ganzen Ver- 
mögen die Zehenten zu zahlen; um wie viel mehr wird sich der schwache 
Glaube und der kindische Geist und der habgierige Sinn jeier Besteue- 
rungr widersetzen.» Ka scheint jedoch nicht, als sei man diesen Hrmah- 
nungen gefolgt und man hatte später den Verlust eines bedeutenden 
Theiles des neuen Sprengeis (im ernbert€*n Ava renlande) wohl vorzugs- 
weise dem Umstände zuzuschreiben, dass es den habsüchtig^en fränki» 
sehen Priejstem nicht gelungen war^ sich die Zuneigung ihrer slavischen 
Gemeinden zu erwerben. Vgl. Dl'MMLER, h Südöstliche Marken» etr. 

340 (S. 20^.) Vgh JireCkk, iGeschichte der Bulgaren«» (Prag, iSj-ö)» S. 16Ä 
und 202. 

34MS. 208.) Scy/f/zex itosy)i Cedrentis {i 1^0), der Abschreiber» des Vorigen, 
und Zonaras (ebenfalls 1130) erzählen die Paufe und Erlebnisse Buksu*5 
und Gyula^s; do< h Könige Otto ist bei Cedrenus (Bonner Ausgabe. Tl.. 
\i'^^, Johannes g^enannt. Diesbezüglich ist sehr rieh? ig die Bemerkung 
Adam Fraxz Kollar's («Historia Diplom, juris Patronatus libri tres», 
Vindobonae, 1762, p. 6), dass im Wiener Codex ^tti:i tu r^Z mv ᯮ^i>imi 
{t*T6v = Otto) stehe, und dass die Abschreiber aus ^ den Namen ijoan* 
nes» gemacht haben, da dieser zumeist durch jene Abbreviatur bezeich- 
net wurde; das eine «ToiJi> hielten sie für überflüssig. 

34« (S- 208.} Auch die Taufe des ßulcsu und Ciyula wurde durch die geo- 
graphische Nähe Ccmstantinopels veranlasst* Wenn die Hauptstärke der 
Magyaren im alten Dacien gewesen wäre und nicht im Westen jenseitj 
der Donau ^ dann hätten sie sich wahrscheinlich gleich den Bulgarei 
der orientalischen Kirche zugewendet. Nachdem jedoch ihr politisch«* 
Schwerpunkt im Westen lag, so mussten sich die Magv^aren auch 
der west- oder abendländischen Kirche anschliessend Dazu kam, dass 
auch Bulgaren und Serben nach Rom blickten ; denn, falls die Behaup- 
tung Jirecek's richtig ist, sowohl Simeon w\e sein Nachfolger Peter 
\g2j 968) erwarben vom römischen Papste die Czaren- oder Könige" 
kröne. Nebenbei merken wir noch an, dass dieser Bulgarenkönig Peti 
im J. 929 Maria, die Enkelin des Kaisers Romanus L zur Gemahl 
hatte, Vgl- JiRECEK, 1. c., S. 172 und oben S, 136. j 

343 (S. iio8.) Vgl. M, Horväth, «Mag}'arorsj;ag* tört^nelrae» ;= «Geschichu 
von Ungarn« (Pest, 1871), Bd. L. p. 126. 

344 fS. 208.) Die angebliche Bulle wurde im Jahre 975 fabricirt. Dieselb 
findet man in voller Ausdehnung bei ]>rMMLKR, «Pilgrim von Passau • 
p. 122 ff. Schon der l'm stand macht die Bulle verdächtig, dass sie inj 
Jahre g2^ Avarien, Mähren (Aloravien) und MÖsien auffühit, wo doch /u 
jener Zeit an der Stelle des ersten allgemein 1 'ngria gebraucht, da 
/weite gar nicht erwähnt wurde; Mösien ptiegten die Päpste aber schu 
Bulg-arien zu nennen* Die Bulle xeigfc ein g-eographisches Bild, *1 ^- hfl 



4M 



e Avareuzeit passt; auch gedenkt sie jenes Zwistes nicht, welcher 
uli^ariens weg-en zwischen Constantinopel und Rom bestand. 

Der Brief Otto IL, siehe bei Fejer, Cod. Dipl, Hung., 1., p. 277 : 
quam (S. Laiireacensem eccJe«iam) et praesenti nostro renovamus et 
boramus, et jam saepe dietae Laureaeensis ecclesiae Venerabilem Pil- 
^rinfium reinthroni^amus antistitem.» Wt-nn dieser Brief echt and nicht 
\^efälseht wäre, so würde er einerseits im Wider.spruch stehen mit der 
päpsthchen Bulle, welche den Salzburg-er Erzbischof wirklieh zum Vicar 
des Papstes ernennt, anderseits hätte vielleicht auch Otto 11 L dieses 
Schreibens i'm Jahre 1000 nicht verü^essen, als Stefan, ohne Rücksicht 
auf das vorgebliche Lorcher Erzbistluim. die ung^arische Kirche unab- 
hängig zu ordnen begann. 

Ücber das Siegel Anno's, das sich in der Sammlung des NiCOLAL'S 
Jankovics befand (wo ist dasselbe jetzt ?), schrieb Jekney, der ebenso 
wie GICOKG FkjkR («Tudnmänyos Gyüjtemenyi» = «Wissenschaftliche 
Sammlungt», i^,0> Bd. IL, p. 104) das Loreber Erzbisthum als wirklich 
fjestehend betrachtete und jenes angebliche Siegel des angeblichen Anno 
für das kräftigste Zeugniss hielt sowohl in Bezug auf jenes Erzbisthum 
wie hinsichtlich des Bisthums Vetvan 
S. 208/) ÜLMAILKR, h c p. 51 52, 

(Zur S. 200J Z>/e l\'rwffshit!g dvs Passauer Bisihiims bezeugt 
•Hn Brief des Kaisers Otto 111. vom Jahre 985, worin er den durch die 
Magyaren erhttenen Schaden Filgrim^s anerkennt und denselben entschä- 
digt : *Pihgrinus, S. Pataviensis Eccl. Venerabilis praesui, lipiscopatus 
sui pertinentiam. in orientaÜ plaga, barbarorum limiti adjacentem, cre- 
berrima eurum devastatione infestari Nostrae conquestus est pietati ; a 
quibus etiam barbaris modemo tjuoque regni tempore miserabili iamen- 
ratione adjeeit, tam irreparabili se damno laesum in interfectione ac 
direptione Ecclesiae suae familiae, pi\aeter innumtrabilia praedationum et 
incendiorum dispendia, ut absque habitatore terra episcopi solitudine sij- 
^vescat.» Fkjkr, Cod. Dipl. L, 273. Otto HL nennt also hier Pilgrim 
^Hfc'ataviensis episcopus«; folglich konnte dieser acht Jahre früher nicht 
^^^^ureacensis archiepiscopus» gewesen sein ; also auch aus dieser 
' [Jrkunde geht die Eälschung im Jahre 977 hervor. 

i*"' iS. 209.) Der Stiftungsbrief des Prager Bisthums, von dem jedoch weder 
das Original noch eine beglaubigte Abschrift vorhanden ist, sondern 
dessen Inhalt sich nur in der Chronik des im Jahre 1125 verstorbenen 
Prager Decans Kosmas vorfindet, gibt dennoch dem Historiker Palacky 
Gelegenheit, das böhmische Herzogthum im Osten bis an die MÄtra 
auszudehnen. Denn bei Kosnias sei als eine Grenze des Bisthums das 
Gebirge «Mudrc» genannt. Später habe der l^ole Boleslaus (Chrabry) 
den ostlichen Theil Böhmens bis zur Donau erobert j welchen Theil der 
ungarische König Stefan erst im Jahre 1025 mit l'ngarn veseinigte. 
Nach Palacky habe sich die Macht des Böhmenherzogs Boleslaw I. 
nach 955 so weit erstreckt, dass zur Zeit des Grossfürsten Geisa Gran 
Grenzstadt gegen Böhmen gewesen sei, und nachdem der Polenfürst 
Boleslaw [Chrabr\' =r der Rüline) jenen Theil vom östlichen Böhmen weg- 
genommen, habe sich Polen bis zur Donau ausgedehnt» was auch die 
Chronica Hungarorum ex Codice Warsaviensi, saeculi XI IL (bei 
|{NT>JJCHl.k, Rerum Hung. Mon. Arpad,, p. 71) beweise: «in terminis 
l'ofonie et Hungarie tentoria sua fixit, nam termini Polonorum ad littus 
Danubii ad civitatem Strigoniensem terminabantur». — Diese Ansicht 
wurde schon von CiEOR« EKjitR in «Tudom, Cjyüjtem.» (1838, Bd. IL 
p. loH, 109) dadurch widerlegt, dass er zeigte, im Briefe des Kaisers 
Heinrich III., der bei Kosmas mitgetheilt ist, stehe nicht nmudrei», son- 
dern «muren (*iad mediam sylvara, cui nomen est Mure, et ejus dem 
~~ ntis parochia tendit, qua Bavaria limitaturt). Noch eingehender 



widtTlt'^^i iiiose Anschauung ^. \ki, >/\]hj ni kleinen «<Klcmeri-fn >i;nnt-J 
ten» (un;Tfar,, Bd. I.) geg-en Jonas Zahorszk\. 

Boleslaw Chrabry hatte hein Land allcrdintfs «usque Danifhmm (m^l 
setze hinzu tipai^'um»)ausiTL»dL'hnt. indem er Krakau einverleibte und so seini 
neblet bis zum Dufiajecz erweiterte* Denn dieser letztere Fluss ist jcncj 
flDanubius», welchen Martinus Cfallus erwähnt (PalACKV, L 2S2, Änm.l 
59); «Dunajeez» heisst aber so viel als «kleine Donau 1* sowie *Donerzi| 
^ ü kleiner Don». (5 Vgl. J. GREGoRowicz, «Uebersicht der Geschichte 
Polens bis zum Tode Boleslaus des Grossen» in der a Zeitschrift f. (i.| 
osterr. Realschulen», 1861, p. 425 ff. Daselbst heisst es auch (S. 526^:^ 
Boleslaw fiel (im Jahre qgq) plötzlich in das Gebiet (des Böhmenher/,o^'^l] 
Boleslaws III. und einverleibte Krakau mit Gross-Chrobatien bis an deti 
* San, temer die S!tnmkei\ Schlt^sien und Mähren, also alle hohmneheiA 
Nebeniänder^ seinem Reiche», so dass Boleslaw (Chrabr>-, Chrobna 
jetzt i»von der Ostsee bis zur Donau herrschte». Hin er ähnlichen Ansirhfl 
i*^t auch Krones, «Gesch. Oesterr.^ IL, S. 67.6) 

347 (S. 210.) DÜMMLER, «Pilt,^rim von Passau», schreibt S. 69 Folgende»! 
«Ungarn, in kirchlicher und staatlicher Einheit für sich bestehend, bliell 
bis auf unsere Ta^^e von Deutschland politisch gesondert, indem ej 
denen nur Hass und Widerwillen entg'egenb rächte, die ihm uneit,'»JTi*| 
nützi^ die Segnungen der Cultur mittheilten, in dem Augenblicke, 
sie es hätten vernichten können*« Wenn ein ernster Geschichtsehreibd 
derartiges äussert, wie soll da die Geschichte die «magistra vitae» «eiftl 
W^as ein Land dem andern ungestraft thun kann, das hat es nach dem ZetJ!:-* 
niss der Geschichte leider auch zu jeder Zeit gethan. Wenn ah" 
etwas nicht geschali, so wurde das entweder aus Furcht oder au- 
Berechnung unterlassen. Grossmuth unter Völkern und Staaten kenni 
die (jeschichte nicht, sondern nur kluge Abwägung der eigenen Inlrr- 
essen, Deutschland vernichtete zur Zeit Geisa's und Stefanos Ungarti 
deshalb nicht, weil es dies nicht konnte; schon nach Stefan's Tod h:Uri 
man es gern gethan, doch es gelang nicht. So viel und nicht 
weiss die Geschichte, Was aber den Hass betrifft, womit die Mag', 
die Gutherzigkeit der Deutschen vergolten haben sollen, so r; 
DCMMLER die Geschichte unbefangener prüfen. Er wird dann vietiv i 
finden, dass die IMagyaren nicht aus Deutschen-Hass Rudolf von Haba 
bürg gegen den Böhmen Ottokar unterstützt oder aus diesem Gefühfl 
die österreichischen Provin;!en der Kaiserin- Königin Maria Theresia 
gerade gegen deutsche Angriffe vertheidigt haben. Es ist eine durcH 
wegs unhistorischc Auffassung, wenn man die Kämpfe der MagAard 
zur Zeit der t'erdinande und Leopold's als gegen das Deutschthu 
gerichtet betrachtet, l'nter Gabriel Bethlen und Georg Räki^czy waj"d 
die Mag)'aren aufrichtig^ere Freunde des D^utschthums als etwa a 
Oestcrreicher und die Bayern. Die neueste Zeit möge man aber mib 
rührt lassen, unter ihrem Schleier liegt Manches verborgen, das auf<i 
decken nicht rathsam wäre. .... 

34S (S. 210») JlREcEK, «Geschichte der Bulgaren^ (Prag, 1876], S. 159 ne. 
diese Stadt <«Blato>», was ebenso unrichtig^ ist, als etwa der mag^'aHsrl 
Name wSär\ärw. Die Quellen kennen kein slavisches «Blaton, sondern ni 
nMosapurk». Später, erst zur Zeit der magyarischen Occupation, erschei| 
der Name «Balatoni» ; siehe oben S. 115. 

349 (S. 210^) Kaiser Heinrich LV. bestätigte in einer tVkunde vom J,-ili 
1074 die Donation des Königs Salamon an den Bischof von Frcisitigi; 
Die Donation bestand aus 100 Mansen, zwischen den Ortschaft^ 
Aschcrkhcsbru^^ge^ Chningesbrnnnen, Xmveftdorf nnd Hasiitnve gfeleg 
also von der Leitha bis zu jener Stelle* welche die Grenze zwischeo d( 
Leitha und dem Kert/) (Vertowe ^ Neusiedlersee) ist =r sicque de Lital 
usque ad cum locum, qui terminus est inter f.itaha et r^r/iyjtjir. 
deutschen Ortsnamen sind offenbar an der Grenze zwischen dem heu 



415 



gen NiederöstctTüich und dem Comitale Wieselbarg zu sucliLn. Heinrich 
stätigl; die Schunkim^^ unter der Beding:un^, dass der Freisinger 
ischof EUenhard und seine Nachfolger in allen Burgen, insbescmdere 
i'ber in der Veste Miesetihiirc (Wiesel bürg) für obige loo Mansen 
Kriegsdienste leisten und dem Könige io allem Uebrigen getreu bleiben 
(«in quolibet castello, specialiter in Al/senlmrc rauniendo pro his loo 
regalibus mansis nobis seniant et in aliis omnibus nobis fidcliter 
existant«. Vgl. MeicüELHEck, Historia Freistngensis, Bd. I., 268. (Nach- 
gedruckt in Wen^CL. «i Codex Diplom, Arpadianus conti nuatus)> (Pest. 
t86o), Bd- I, 2% — 2q), Dass hier wYertowe« wirklich den^iFerto» (= Neu- 
siedlersee) und nicht irgend welche Insel der Donau bezeichnet, bestä- 
tigt der Ortsname JSfo'wendürf, der entweder das «Neudorf» im Neusied- 
ler Bezirke des Wie sei burger, oder das «Neudörfl» im Oedenburger 
Comitate bezeichnet ; von beiden kann es heissen ; «de Litaha usque ad 
eum locum, qui terminus est inter Litaha et Vertowci». Die grössere 
Wahrscheinlichkeit spricht für A\^ud6rß (magyarisch Sz,-Mikl6s-Lajta). 
(S. 211.) Legenda S. Stephani Major, 8. Hartvici Kpiscopi Vita S, Stephani 
8. ap. Endlicher, tiRerum Hung, Mon. Arpad)^. 

(S, 211.) «Quüd nos divino instinctu fundavimus monasterium in insula 
Sitaladiensi ordinis B, Benedicti . - . , in quo jussu Nostra dedic^ata est 
ecciesia Beati Adriani, quae est in Sxalai», so lautet der Stiftungsbrief 
bei KOLLÄR, wHIstor. Dipl. Juris Patron.»* p. 84 und bei KatonA. 
«Histör. Critican, I., p. 246. 
(S. 211.) Katona, I. c, L. 150. 

(S, 212,) Katona, L c-, IlL/p, 672, 673. — Dass das Bisthum Neitra 
noch zur Zeit Koloman's nicht bestand, bezeugt Alberich' s Gesetzes- 
sammlung (Alberici Decretum Colomanni regis), I)ecret. 12. ^ worin ange- 
ordnet wird, dass das Gottesiirtheil durch glühendes Eisen oder sieden- 
des Wasser nur an den Bischofssitzen und bei den Grnssprobstcicn, und 
ajwar an der Pressburger und Neitraer Kirche geschehen möge. — KüllÄR, 
nHistor. Dipl.t», p. 118, schreibt: ♦• Unsere Chroniken beweisen, dass Geisa 11. 
das alte Bisthtmi von A'eitra restituirt hat»*. Nachdem KOLLÄR auf S, 62 
seines Buches dieses Bisthum als eine Stiftung des h. Stefan angeführt, 
bleibt es zweifelhaft, ob er hier unter dem «alten ßisthume» (vetus dig- 
nitas Episcopalis) die Gründung Stefan des \{, oder aber jenes von 
880 — 899 bestandene ältere Bisthum meint. 

S. 212,) Mauri Episcopi QLnnqueecclesiensis Vita St. Zoerardi seu 
ndreae Confessoris et Benedicti Martyris bei ENDLICHER, 1, c-, p. 134 
Zocrardus hanc in patriam de terra Pokmorum advenit et a Philippo 
abbate, cujus monasterium Zobor nominatum in Nitriensi territorio , . , 
aitum erat . . . eremiticam vitam agere studuit.» Daraus lernen wir 
zweierlei : Einmal, dass die Gegend von Neitra auch damals ungarisch, 
nicht polnisch war (siehe oben Kote 246) und dann, dass der Anonymus 
sein ((Zobon» (siehe oben S. J89) von diesem Kloster genommen. 

5 (S. 212.) Diploma graecum S. Stephani regis monialibus Coenobü Ves- 
pnmiensis B. V. M. datum. Edidit Gkokg ÄLms Szkrhahflvi. 
(Budae. 1804.) Stefan nennt sich darin : 'EyJ Stf^«»*; y^jo-rmvö? « %aC\ x^aA 
sTÄiT«? OvVv^iätr — Ich Stefan, christlicher König von ganx Ungarn. Die 
Donation erneuerte König Koloman im Jahre T109. (Den griechischen 
Originaltext bringt auch Wkn^KL, 1. c, p, 347 — 348. Die Original- 
TrlvLinde existirt nicht mehr, sondern nur ein Transcript in der Bestäti- 
giingsurkunde König Koloman *b.) 

6 (S. 212.) Vita S. Gcrardi ap. ExpJ.TCHFR, L c.» p, 215, 2r7, 219. 

7(8* 212,) Schuller von Liblov schreibt in seiner <>SiebenbürgischeTi 
Rechtsgeschichte)», Bd. L, p. 34 ^j : «Das griechisch-orientalische Giau- 
bensbekenntniss der altgläubigen Kirche erhielt wahrscheinlich in 
Hierotheus um das Jahr 948 den ersten siebenbürgi sehen Bischof zu 
Weissenburg, dessen Amtsfolger eine wechselnde Residenz — oft ausser 



4i<) 

Landes — j^a'habl haben inöi,a*n.» Allein wer hatte sie aus Weissenburg 
oder jLTar aus Siebenbür;^t.n viTtrieben und wann geschah das ? 

.';^ (S. ^i.^) «Si eui deus deeem dederit in anno, decimam deo det ; et si 
(|uis (leeimam suam abscondit, novi'm det; et si quis decimacionum 
episeiipo separatam furatus fuerit, diiudicolur ut für ; ac huiusmodi com- 
posieid Iota pertineat ad episa^pum.» Apud ENDLICHER, 1. c, p. ^2^. 

.'59 ^S. 214.;. Das erfahren wir aus den Gesetzen des h. Ladislaus: *De 
litu .v^^entilium. Quicumque ritu «rj^^nlilium juxta puteos sacriticaverit, vel 
ad arbores et ad fonles et lapides oblaciones obtulerit, rcatum suum 
b<iue lual. l)eeret., 1., 22. 

5'" (S. 214.) Das ma.LTvarische «böjti» (Faste) lautet im Wogulischen «pis« 
oder «]ji(« ; das ma^^yarische «bujtriU (= er fastet) im Wo^ulischen 
"pieel» ; im iVrmisehen ist «vidj» = magyarisch «böjt» {= Kaste^, «vid- 
jab» = magyarisch «böjtöl»» (=:^ er fastet); im Wotjakischen lauten diese 
beiden Au.sdrüeke «viz«, ««vizjaU. 

J"' (S. 215.) \'ila S. Cierardi bei I^NDMCHKK, p. 22S, Ungefähr dasselbe 
berichtet auch Thnrorzi, II., 39. 

3t-' " S. 215.) Ks ist schw(T anzunehmen, dass Ladislaus die Aufhebung der 
X'erfügungi'n des «Kardias«» zuletzt gelassen habe; deshalb halte ich 
(las Decretum III. für das Decretum L, vorausgesetzt, dass die Capitcl 
der Decrele auch ursprünglich in derselben Ordnung, in welcher wir sie 
heute lesen, auf einander gefolgt sind. 

3''-.i ^S. 215.} Michael l'niversalis patriarcha Novae Romae et Leo Archi- 
i-])isc()pus Achridae metropolis Bulgarorum dilecto fratri Joanni Tranensi 
l'.piscopo. Jiiinniius ad annum 1053 no. 22. — Kaiser Basilius IL 
(979 — ^o'^'^]', der Zeitgenosse König Stefan d. H., eroberte Bulgarien, 
wobei er der bulgarischen Kirche ihre Selbständigkeit beliess, nur sollte 
ihr Oberhaupt kein Patriarch, sondern ein Erzbischof sein. Der neue 
erzbischoilichi' Sitz war zu Ochrida. Krzbischof Leo starb im Jahre 1055. 

3^4 (S. 2]0.) Die Legalen des Papstes in Constantinopel waren: Cardinal 
Humbert, der ICrzbischof IVter von Amalfi und Friedrich «Diaconus et 
Canceliarius ad monasterium Studii intra urbem Constantinopolitanam«. 
Stefanos Stiftung würde also mit diesem Kloster Studium vereinigt wor- 
di'U sein. 

3«^- (S. 21 6.) "Si quis in sexta feria (am Samstag) ab omni christianitate ob- 
seruata carnem manducauerit, per unam ebdomadam luce inclusus jeju- 
net.») S. Stei)h. Decret. L, Ji. ap. Kndliciier, p. 314. 

3'' iS. 21O.) De Dimissione Carnis, S. Ladisl. Beeret. L, ^^2. 

VI \)>. 2\h.) De indulgentia presbyterorum ad tempus, 1. c. 3: Presbiteris 
autem qui prima et legitima duxiTe conjugia, indulgencia ad tempus 
daiur, propter uinculum pacis et unitatem sancti Spiritus, quousque nobis 
in hoc domini apostolici paternitas consilietur ;» conf. FXDLICHKR, 1. c, 
j). 32;. Damals hatte nämlich Papst Gregor VIL die F^helosig^keit der 
i'rirster zum Ciesetze gemacht. — Die Synode zu Gran verordnete im 
C'ap. \\\ <«ut hi quia ad episc"opatum promouendi sunt, si matrimoniu 
legitimo juncti sunt, nisi (.'X consensu uxorum n(m assumantur» und in 
C'ap. 13: «»episcopi qui jam obierunt, neque ecclesie sue providerunt, sed 
tantum lilios suos ditaut^runt, placuit inde medietatem auferre et ecclesie 
reddere.») Ap. Lnduchkk, I. c, p. }^^2. 

3^5 i^s. 21;.) «l't nuUus aliquid de ritu gentilitatis obseruet, qui uero fecerit. 
si (je majoribus est, XI dies distriile peniteat, si autem de minorihus, 
Septem dies cum plagis..) (7.) KXDLICIIKK, p. 351. 

3ti'j (S. 217.) Dies muss man dem Inhalte ji'ner Documente entnehmen, welche 
von der Ciründung des Agramer Bisthums handeln, namentlich lautet 
eine richtt.Tliche l^ntscheidurg (litjTa adjudicatoriae) des Crraner Krz- 
bischofs vom Jahre 1131 folgiMKU-rmassen : «König Ladislaus hat das 
Agramer l>isthum deshalb gestiitei, damit der Jiischof diejenigen aber- 
mals auf den Weg (Kr Wahrheit zurückbringe, welche der Götzendienst 



^ 



417 



der Verehrun^^ Gottes abgezogen hat* Darum wurde zum TTnter- 
: des unwissenden gemeinen Volkes ein tauglicher cechischer Mann^ 
, dahin gesendet. u — Weiter erklärt eine Urkunde Andreas II. vom 
Jahre 1277, in welcher er die Privilegien der Agramer Kirche bestätigt, 
Folgendes: nVenissemus ad Zagrabiensem episcopatum ac monasterium 
ZagrabiensCj a s» Ladislao rege sanctissime recordacionis predecessore 
noKtro constructum, //i// /er rem S/avora)? sive batiatum, ab errore ido- 
lolatrie ad Christi veritatem convertens. 1» Apud EXDrJCHER, ]. c, p. 409. 
Hier bedeutet der götzendienerische Irrthum nicht das Heidenthum, 
sondern die Anhänglichkeit an den Ritus der orientahschen Kirche und 
wenn in dem LTtheilsspniche Felicians von der ««ignorantia plebisw die 
Rede ist, so bedeutet das nichts anderes, als dass das Volk in Slavonien 
den Ritus der römischen Kirche nicht anerkannte. 

yo (S, 217.) AdemarChabaniensis, historiar. Hl., 33. «Stephanus etiam rex Un- 
gar iae, hello appetens Ufigriam Al't^nim, tarn vi quam timore et amore ad 
tidem veritatis totam illam terram convertere meruit.» Ka l OXA (l., 104) 
bemerkt hiezu : nTranssilvaniam male sie appellat.i« Aber dieses «Ungria 
Nigra» erscheint auch in dem Schreiben des h. Bruno um das Jahr 
1006, Dieser Bruno hielt sich im Lande Stefan's auf [cum moram nice- 
rem in ten-a Ungrorum : . , , ubi diu frustra sedimus tingros dimisimus) 
und ging von da zxi dem «senior Rutorumi» oder «Ruzorum», d. i. zu 
dem ruthenischen Fürsten und von diesem zu dti^n Petschenegen. Nach- 
dem er hier viele Pein ausgestanden und kaum 30 Seelen bekehrt hatte, 
begab er sich zu dem ruthenischen Fürsten zurück, um von da zu den 
Prussen (Preussen) zu gehen. «Audivi enim de A'/j^r/s UngriSt ad quos, 
t|uat! numquam frustra vadit, sancti Petri prima legatio venit . . . qui conversi 
omnes facti sunt christiani.» In der ersten Hälfte des li. Jahrh. konnten 
«Xigra l'ngriait, «Nigra Ungri» nirgends anders sein, als in Siebenbürgen, 
Die Nachrichten Bruno*s sind übrigens auch sonst lehrreich* Wenn Stefan 
schon im Jahre 1003 das siebenliürgische Bisthum gestiftet hätte, wie 
man das annimmt, dann wäre Bruno auf einem kürzeren Wege aus dem 
Lande Stefans zu dem siebenbürgischen Bischöfe und von diesem zu 
den Petschenegen gegangen. Allein er begab sich aus dem Lande Ste- 
fans zu den Ruthenen und von diesen zu den Petschenegen ; damals 
war also Siebenbürgen noch sehr unbekannt, weniger bekannt als Ruthe- 
nien. Bruno hörte ferner bei den Petschenegen, d. i, in der heutigen 
"Moldau, etwas von « Schwarz- Ungarn » ; das ist also thatsachlich kein 
anderes I^and als Siebenbürgen. — Bruno* s Schreiben ist glaubwürdiger 
als viele Sagen, glaubwürdiger als spätere (Teschichtsquellen, wie z. B. 
Hartwig. Den Brief selbst veröffentlichte WENZEL, 1. c. p. 15 ff. 

7* tS. 218.) «rnicuique villae Ismaeiitarum eeclesiam aedificare, de eadem- 
que villa dotem dare praeipimus. Quac postquan aedificata fuerit, media 
pars villae ismaeiitarum villam emigret, sicque altrinsecus sedeant, et 
quasi unius moris in domo nunc nobiscum in una eademque ecclesia 
Christi in divina unanimiler.» Alberiei Decret. Colomanni regis, 47,^ 
ap. FNmJCHER, 1. c, p. j66. 

« (S. 219.) 'Jakut, ein berühmter arabischer Geograph, starb im Jahre* 
1249. 

{%. 219.) Mich. HükvÄTH, ♦•(ieschichte von Fngarn» (in magyarischtr 
Sprache), L, 123, 124 nach Fkakhn in den *iMeraoires de TÄcademie 
de St-Petersbourg», 1821, Bd. VI IL, p. 623. 

4 (S. 220*) Von dt/n Baschkirtm meint man, dass sie türkische Finnen 
seien, Strahliiaxx glaubte das, weil sie blond sind ; Pa/Zfix aber 
bezeichnet sie als braun (vgl. HCNFALVY, *tA vogut fold ^^s nep« = 
„WoguHsches Land und Volk», p. 5, 7)* Auch Ahlqvisi fand, dass nur 
derjenige, welcher die Baschkiren nicht kennt* sie für tartarisirte Finnen 
halten könne. Ihre Sprache unterscheidet sieh nicht von der lartarischen ; 
denn sie verstehen einander ganz wohl ; die Tschuwaschen dagegen ver- 

litifalvy, Ethtiogr, 2 7 



4W 



sttfhen die Tartaren nicht uod umgekehrt. (Ebd. p. 7,) — Die H;i5t:i 
kiren hausen heule rwischen der Wol^^a und dem Ural, also am link« 
Ufer der Wolga, in den einstigen Sitzen der Petücheoegen und Vn 
(Kumanen) ; die Tschuwaschen dagegen am rechten Wolga- Ufer unl 
derselben geographischen Breite. 
575 (S. 220.) Anonymus, cap. LVII.. ap. ENDLICHER, 1. c, p. 53. ... 1 
tempore de e^dem regione venit quidam nobilissimus miles, nnmii 
Heteft, cui dux (Tocsun) etiam terras et alis^s possessiones non modn i'- 
donavit, 

376 (S. 220-) VgL hierüber die Erklärung weiter unten im Texte S* 281—281^^ 

377 (S, 222.) Ladislaus Dei gratia Hungariae, Dalmatiae, Croatiae» Ramae,.( 
Serviae, Galliciae, Lodomeriae, Cumaniae, Bulgariaeque rex. 

J78 (S* 222.) Der Bischof von Agram war bis zum Jahre 1852 ein Suffragan 
des Kalocsaer Erzbischofs. Im genannten Jahre erhob Papst Pius IX. 
• auf Bitten der Croaten und Slavonier und über Anempfehlung des Kai- 
sers Franü Josef 1,* das Agramer Bisthum zu einem Erzbisthume und 
ordnete demselben die römisch-katholischen Bischöfe von Diakovdr- 
Sirmien und Zengg-Modrus, sowie den griechisch-katholischen Bischof van 
Kreutz unter, indem er jenen der Jurisdiction der Graner, diesen dtr 
Kalocsaer Er^diöcese enthob. Die Bulle drückt dies also aus: «Episco- 
pales eeclesias tarn Zagrabiensem et Sirmiensem . . . , a metropoÜtico 
tarn Coloccnsis et Baehiensis, quam Strigoniensis Archiepiscoporum juxr 
ac subjectione» atque adeo ab alia superioritate ac praerugativa juri^'- 
dictionali, Apostolica auctoritate perpetuo eximimus.» .... Fem«^r 
«Ut Dioecesis Antistites Graeci ritus catholici uniti . , , . a pristin^ 
cui antea suberant, Metropolitae Strigoniensis jurisdictione, et quavij 
alia potestate et praerogativa jurisdictionali in perpetuum paritcr 
exemti sint.» 

379 (S. ^22,) Apud Endlicher, «Remm Hung. Monum.», p. 361 (1) 

3»o (S. 222.) Ibid. p. 362 {20). 

:8i (S. 222.) Ibid. p. 412 : tiQuoniam libertas tarn nobilium regni nostri quam 
etiam aliorum instituta a Sancto Stephano rege , . . . fuerunt in quam 
plurimis partibus diminuta» etc. 

jß2 (S. Z2^,) Ibid. p. 512, 

363 (S. 22}^,) Graf Josef Telkkv, «Hunyadiak korai« = «Zeitalter der 
Hunyadenw, Bd. X. (Pest, 1853.) Die erste l'rkunde. Es gibt kaum ein 
lehrreicheres Denkmal aus der Gesellschaft des 15. Jahrhunderts, welches 
aber die im Verböczianischen Geiste geschriebene Geschichte nicht zu 
deuten vermag* Auch in ethnographischer Beziehung ist dieses üocu- 
ment von besonderem Interesse ; wir kommen deshalb darauf zurück* 

3^4(5. 224.) Cinnufnus (Kinnamos) V, L, 203. Der letzte Theil der citirleEi 
Stelle lautet wörtlich : 

Omvoi roiv'^v rh fiiv te toozou atoEffanEuoe zw vo/wvf, rd Sk xai 



HrtiiNGEK. «Ein Buch ungarischer Geschichte, 1054 — iioo» (Leipzig. 
18(16). beruft sich S. gj auf diese Stelle des Citinamus und sa^i 
«l'ebrigens behauptet Kinnamos, der präsumtive Thronerbe heisse bei 
den Mngarn Cntmiychi {Q-j^f^n^ ruyji),^^ Es ist auffällig, wie BünrNGEK 
aus den Worten des griechischen Schriftstellers %tm ^i* Xti^a'*m tV» ^^^\ 
«VixÄi)V«B^«» tJ;^;*?*^* ^** etwas herauslesen konnte. BUL>INGKR nimmt dj 
beiden Worte ftj^*tf^ und Tt!%js l^Meira Herrn und «Würde» oder «Klass^ 
als eines, während das Original sie durch das Wort vd'jrim?ijtfiajff-atv* trennt 



419 

385 (S. 225.) Kr b:szn ERICS Wörterb. 1., 273: n/yM-^/^meliorramus, stirps nobi- 
\%0T\ jobödgy subditus, tributarius,' cokmus, villicus.» Das «Qrosse Wdr- 
lerbuch« («Nag)' Szotir» der unK^arischen Academie) sagt (Bd. 111., 
Sp. 261^262): ^jobbdg'*^ aus höherem Adels^eschlecht entsprossen; 
ferner : jodbägy, das mit dem hebräischen und arabischen 'abad = ge- 
dient verglichen wird.» Die Bildung «jobbagn kann schon deshalb nicht 
gebilligt werden, weil in den alten Urkunden njoubagiones» steht, ebenso 
wie »ihadnagionesi» (=hadnagyok, i. e. Geschlechtsgrosse =^ Aelteste) ; 
wie das letztere Wort im Neu-Magyarischen zu y^kadnagy^, so kann 
Erst eres nur z\x johagy adti^r joäägy werden. Noch unstatthafter ist die 
Vergleichung des . Wortes mit dem Hebräischen oder Arabischen. Das 
politische Leben der Mat.'yaren hat von den Semiten niemals etwas 
entk'hnt. ^ 

(S. 22^), Vgl. W'KNZEL, Codex Diplom. Arpad, contin. Bd. 1., p. 106 sq.: 
• Et irisuper libertates debita et consueta servicia et nomina populorum, 
joubagionum, udvamicorum ac omnium condicionalium hominum ejusdem 
monasterii per dilectos et fideles joubagiones nostros, scilicet T. cancel- 
larium aule nostre et P. Palatinum Comitem diligenter et sollicite a 
capitulo, joubagionibus, vicinis nobilibus et multis aliis populis fecimus 

ordinatim exquiri et eciam quid quid ad Ecclesiam S. Marie, 

S. Aniani Episcopi et confessoris in loco, qui vulgm dicitur 1 ychon super 
Bolotin . . . pro sua salute tradidit.^^ 

387 (S. 226.) «Regestrum de Varadi», ap. Endlicher, I. c, das 304. Vt- 
theiU p. 716. 

38S (S. 226.) Ibid. das Urtheil Nr. 323, p. 720. — Dieses »iRegestrum« ist 
die beste und reichhaltigste Quelle zur Kenntniss des socialen Lebens 
in Ungarn im 13. Jahrhundert. 

389 (S. 226.) In dem Diplom für die Abtei Beli im Mätra-Gebtrge vom Jahre 
1289 sagt Ladislaus: «Der Landtag (congregatio generalis), welchen wir 
mit sämmtlichen Vätern (des Landes), diin Erzbischöfen, Bischöfen, Ba- 
ronen und dem gesammten Adel abgehalten haben w . . . (cum . . , 
episcopis ecclesiarum, daro/i/dus ex universis nobilibus Regni nostri.) 
Vgl. die Abhandlung des A. IPOLVI über die Abtei ku Bei bei den drei 
Kumanen- Brunnen oder zu Apätfalva in den «Archaeologiai Közlemenyek« 
(= * Archäologischen Miltheilungen»), Bd. VI., i. Heft, i. rrkunde. 

3f>o fs. 226.) «Regestrum de VÄradi* in den Urtheilen zSS und 315 ivilla de 
OrobayM, «de villa Joubagw, ap. ENDLICHER, p. 712 und 718. 

39' (n. 227.) Ibid. im 57, Urtheile : «judice biloto regis de Zottnok*, ap. 
Endlicher, p. 6s4^ 

(Zu S. 228.) lieber Sarkel KäVt^äi» ' Ao-st^öv ht» ro töi)? AiS-ev? »urev 
^mintr^Ai ««täAiümv? sagt Consta ^i fit/ US (de adm. imp. 37) d. i. : «Von 
er weissen Farbe der Steine)»; allein die Steine anderer Burgen hatten 
auch diese Farbe und wurden Letztere dennoch nicht so benannt. 
39» (S. 228.) H Hierauf kamen die ivefsse^ Vgreti (ugie biehi) und erbten das 
slavische Land. Diese Ugren zeigten sich zuerst zur Zeit des Heraklius 
und kämpften (im Jahre 628) mit ihm gegen den Perser Czar Kosru,» 
Nestor bei Schluzkr, IL Theil, p. 114. Weiter unten nennt Nestor die 
Magyaren die »< schwarzen Legren i>. 

393 (S. 231.) %Yx in eodem conhnio, ultra lutum Musun, collocavit etiam 
Bissenos non paucos habitare, pro defensione regni sui, ut ne aliquando 
in posterum furibundi Theotonici, propter injuriam sibi illatam, hnes 
Hungarorum invadere possenL^k Anonymus, LVIL, ap. ENnLTCHP:R, 
L c. p. 53. 

394 (S, 231,) fiKt in eodem tempore de terra Bissenorum ventl quidam 
miles, de ducali progenie, cujus nomen fuit Thonuzoba.« Anonvmus, 
cap. LVIL, 1. c. 

395 (S. 231*) S. Sbephani Legenda minor. 7. ^ Hartvici episcopi Vita 
S. Stephani, 15 bei ENDLICHER. 1. c. * 

27* 



3yft (S. 23K) Hartvici ep, Vita S, Stephani, i; : «Sexaginta vin Bvssanfll 
cum universo apparatu suo, curribus onustis de partibus Biilg^aromir 
cgressi, ad reffem venire volentes, terminis Pannomorum appropingx'avc 
rant etc.n cont. ExuiJCHEk, l, c. p. 181 cq. 

397 (S. 2J1.) Vgl. Wenj^el. 1. c, 1., p. 24 ff. 

3ge (S. 2^2,) Vgl. JERNEV, • Keleti ut^zAsa» = »"Reise im Osten», p. 22% 
bis 270. 

399 [S. 232.) WeKZEL, 1. C, I., 135. 

(Zur S. 2J2.) Ueber Petsc/tencgeft-Ä^amen Vi^l. Wenzel» 1, r., 1 
3J2 : «a cumulis itur ad ms Bissenorum, quod vülgo dicifur Bescnvi 
fhorlou,'* In einer Urkunde der Abtei Bakony*ß^l vom Jahre ii\A 
j^teht : icaput voraginis» quod dicitur ChHrhU'feu.^ Bei Jerxev, l. t:i 
L, 249. 

400 (S. 233.) Jerney, «Kcleti utaz.-^sai», 1., 263, 264. 
io* (S. 2J^}^*\ Die Urkunde des Palatins Gyula bei JERNKV, L c. !.♦ ijjj 

234 und Endlicher, 1. r.» pag, 419—420. 
4*?* (S. 2'\^-) Andreas II. regis, Libertas Saxonum Transsilvaniae 1224, a^ 

Endlicher, p. 420 — 423 (9): «Preter supra dictam silvam Blacorom ' 

Bissenonrm cum aquis, usus communes exercendo cum predictis sdltcej 

Hlaeis et Bissenis, eisdem contulimus, ut prefata gaudentes libertatej 

nuUi inde servire teneantur.» 
4°i (S. 234.) Deeretum Ludovici, L, Anni 1351. 
404 (S. 234-) Der Titel « Baron i» (baro) kommt schon 2ur 2eit Ladislaus Uli 

auf, ein Zeichen, dass der neue politische Geist bereits damals tt 

wachsen beginnt. 
4t»s (S. 2^5.) jERNKV, «Keleti utazÄsa», I., 251. 
~ *' Ibid. 1.. 



4-6 (S. t^^,) 



237 ff. 



407(5. 236.) Auch Jerney citirt diese Stelle in seiner Abhandlung : «Palocz 
nemzet es Paloez Kronika, t>rt>sz e^ leagj'cl evkönyvek nyom-int =^ «das 
Volk und di*_' Chronik der Pal6czen, auf Grundlage russischer und pol- 
nischer Jahrbücher»» im «Magyar törtenclmi TÄr» =: « li^ng-ar. histor. 
Magazin». (Pest, 1855) I., p. 36. 

408 {S. 236.) Katona, 11., 498. 553 sq. 

409 (S. 236.) Jerney im »Törtenelmi Tar» (s. Note 407), Bd. I, 

410 (S. 2^^^?^ Wer den Anonymus mit Aufmerksamkeit liest, wird finden, 
dass er die Gegend um Erlau. am unteren Sajo und an der Theiss am 
b^esten kennt. Von Szerencs bis an die Zagy^va führt er die Sehaart!« 
Arpcids von Ort ;;u Ort. Ueber die Theile jenseits der Donau, über da« 
T/itragebirge, über Siebenbürgen u. s. w, ist seine Kennlniss um Vieh 
unsicherer. Daraus folgere ich, dass derselbe ein Priester aus der Kl 
lauer Diöcese war und als solcher hat er die Paloczen oder KumaneiT 
in der Mätra gut gekannt. 

4" (S. 238,) «Datum per manus Cleti. aule nostre cancellarii Agrienäis 
elesiae prepositi», lautet die Unterschrift in IpoevTs Abhandlung ül 
die Abtei «de Beel Tri um fontium B. Alariae Virginis» in den «Ai 
chäologiai Közlemenvek (= «Archäologische Mittheilungeni*.) Pest, 186/1, 
Bd. vi., I. Heft. 

413 (S. 2S^*^) Jerxev zählt in seiner Arbeit im nTört^nelmi Tär» (s. Note 407) 
die Ortschaften der PaUSczen in der Matra nach den Comitaten auf. Es 
sind folgende: in Borsod*, Apitfalva, Balatony, BatvHorvAt, Banfalva, 
Beköcze, Csernely, Dedes, Noszvoj^ Omäny, Tardona, Velezd^ : — in 
Gfmiiir : Gesztete, Jdnosi, Szent-Simuny, Uraj ; — in //tves : Aga*^ 1 
Akosvar, Balla, Bödony, Erd/i-Kövesd, Filimes, Hasznos, Istenmc/'j. 
Mt^lyküt, Par.4d, Peter%'äsar, Recsk, Szar\'askÖ, Szent-Domonkos» Sjs.- 
Erzsebet, Sz.'Jakab, Sz. -Maria, Tas, Tiribes ; — in A^^ogradi Baglyas* 
allja, Ettes, Herencsery, Hollökö, Kazar, Eapujto, L6cz, Maczonka,* Ki* 
m/tcz, Säg-Ujfalu, Sa Igö- Tarjan, Sos-Hartyan. Terenye (durch seine 
Altert hümer bekannt, siehe oben S. 39), Tcszlak, Vereb^ly. 



421 



J (S, 2Yh) Katona, V., 41;, 

> (S. 2^q.) Unter den Südslaven war die Secte der Rogomilen oder der Pata- 
rener, der Katliarier (= der Reinen) sehr verbreitet ; es war dieselbe 
Sticte wie die Albigcnser in Frankreich. Nachdem diese antihierarchische 
Lehren verkündeten, waren die Päpste ihre heftig^sten Gegner und for- 
derten diese auch die ungarischen Kernige wnederhoU auf, dass sie in 
ihren Provinzen, namentlich in Bosnien, soweit dasselbe in ihrer Macht 
stand, und in Bulgarien diese Ketzerei ausrotten mögen. Vom griechi- 
schen «Katharusi» stammt das deutsche Wort «Ketzer» und das magj^a- 
rischo *kac^erw, welches Wort ursprünglich dieselbe Bedeutung hatte. 
Heute bedeutet im Magjarischen <ikac;!er« keinen Abtrünnigen der Kirche, 
sondern einen t^koketten, aufgeblasenen Modenarren w. 

; (S. 239.) KATOXA, V., ^;^2 sq. 

i (S. 140.) Ibid. V., 706 sq. 

f (S. 240/) Auch die gelehrteren Missionäre neuerer Zeit haben kein Glück 
in ihrem Rekehrungs werke bei Mohamedanem und Juden* 

^ (S. 241.) Rifgerms, Carmen raiserabile, 3. ap. ENDLICHER, L c, p. 258, 

\ (S. 241.) Auch der norwegische Landmann liebt den nomadisirend'en 
Lappländer nicht, dessen Renthierheerden oft gegen seinen Willen den 
Wiesen und Aeckern des erste ren Schaden zufügen. 

' (S. 24r.) ftQuod rusticos de regno nostro cujuscunque conditionis et na- 
tionis, ac Saxones vel Teutonicos de nostro regno non recipiant, •♦ Pray, 
<iDisseitationes Historico-Criticae«j, p. 134 — 156. — Katona, VL, p, 95 
bis 102. — Zur Aufklänmg der dortigen Verhältnisse dient noch folgende 
Stelle der LVkunde : «Auch gestatten wir, dass von jedem Einkommen 
und Nutzen, welcher von den W^i lachen der Lityva (Lityra) für den 
König erhoben wird, die genannten Ritter die Hälfte für sich nehmen 
können. Ferner wollen wir, dass die \^'alachen in der Vertheidigung des 
Landes und in der Zurücktreibung des äusserlichen Feindes mit ihrer 
ganzen Kriegsstärke die Ritter unterstützen sollen ; sowie diese gegebe- 
nen Falles jenen nach Vermögen beistehen sollen. Das Salz aber, wel- 
ches wir zum Gebrauche in jenem Lande oder zum Export nach Bulga- 
rien, Griechenland und Kumanien auszuführen gestatten, können die 
Ritter auf unsere und ihre gemeinsame Kosten aus welchem Salzberg- 
werke immer brechen lassen, n 

^ (S. 242,) Stephanus Dei gratia junior rex Hungariae, dux Transsilvaniae, 
dominus Cumanorum. Katona, VL, 263. 

* (S- 242,) Diese «sieben kumanischen Stämme» erinnern, sagt Pra\, 
sehr an das, was der Anonymus von den sieben Stämmen der Kumanen 
erzählt. «An id^ so fährt derselbe fort, naxcasionem huic praebuerit, ut 
rem, quae suo tempore accidit, ad primum Hungarorum in has regiones 
ingressum occuparet, nolim, ne viro publicae auctoritatis derogare videar, 
anxie disquirere.» wDissertationesit, p. 120. — Nicht um die «Autorität» 
des Anonymus, sondern um die historische Wahrheit handelt es sich. 
Der Anonymus entnahm seine sieben kumanischen Fürsten, resp, Stämme 
von den Kumanen der Könige Bela und Ladislaus ; von diesen stammt 
auch seine Kunde von der Barhäuptigkeit der Kumanen, deren er in 
seiner erdichteten Kievver Schlacht folgendermassen gedenkt: «tonsa 
capita Comanorum Alml ducis milites mactabant tanquam crudas Cucur- 
bitas,» Anonymus, cap. VllL, ap. Endlkuer, p. 10, Der gute Anony- 
mus wusste nicht, dass die heidnischen Mag\aren ihr Haupt gleichfalls 
glatt zu scheeren ptiegten, also eben solche « rvürbisschädeh hatten wie 
die Kumanen. 

(S. 243*) Ceterura quoniam praedicti domin i de Cumanis et nobiles Cu- 
manorum una ac eadem cum regni nobilibus perfruantur libertate : sta- 
tuimus, ut, sicut a tempore Sanchrum regum, progenitorum nostrorum, 
super regni nobiles et eorum populos nee per nos, nee per regni barones 
descensus fieri debebit violentus ; ita et super eosdem dominos et nobi- 



les de Cumanis ac eorundem populos, nee per nos, nee per donunatn 
rej^am, carissimain consortem nüstram, et nostros barones descenäus 
violentus fieri non possit nee debeat ullo modo. Katona, VII., Soj. —] 
Man weiss, dass eine solche Einquartierung^ oder ein solcher Besuch an " 
Kosten desjenigen geschah, bei dem man eingekehrt war. Das Einkehf- 
Recht ¥-nirde deshalb als ein Einkommen, die Verpflichtung, die Insten 
dieser Einquartierung zu tragen, als eine Art Steuer betrachtet; darum 
liebten es die Berechtigten, auch ausserhalb ihrer dienstlichen Functionen 
jenes Recht auszuüben ; die Verpflichteten suchten sich aber von diest^r 
Last wo möglich zu befreien. 

<»4 (S. 24J*) «Als das ungläubige Volk der Rumänen (am Mondsee) verwegen 
uns angriff» . . . *als wir wegen der Zurückführung der Kumanen von 
der tartarischen Grenze jenseits der Alpen (siebenbürgische Kaipaten) 
so weit gegangen waren, w^ie vordem keiner unserer Vorfahren ■ . . . 
das sind die Ausdrücke der Donational-Urkunde vom Jahre 128$ bei 
Katon.^, VIL, 961. 

4*5(5. 243.) «Er (Ludwig) bekehrte auch das dem tartarischen Glauben an* 
■ Hängende kumanische Volk (dem Beispiele des h. Königs Stefan folgend) 
zur christlichen Religion. * Ihuröczi, IL, 45. 

4=ö (S. 244.) Die Ortschaften und Puszten siehe in «1 Commentatio de Initiis 
et Majoribus Jazygum et Cumanorum, eorumque Constitutionibus a 
Petro Hokvath eorundem Jassygum et Cumanorum notario, Pestini, 
180J - • — Die Bevölkerungszahlen sind nach der Volkszählung vom J. 1870. 

4^7 (S. 244.) Vgl. die Lrkunden Carl 1. vom Jahre ijäj und Siegmunds 
vom, Jahre 1 593 und 1425 bei P. HORVATH, 1. c, p. 92^100, worin die 
Ausdrücke *Coetus Jassunum, specialiter Regiae Majestati exercituare 
debentium», *(pharetrariii vorkommen, 

4a8 (S. 244.) Der Name «Jazygesn für die königlichen Bogenschützen kam 
nach iiMON (*Imago Antiquae L ng,* L, ij) durch Ranzanus, der am 
Hofe Mathias (Corvinus) lebte, auf; dieser nahm ihn von jenem Um- 
stände, weil i unsere JAs^ien in den Sitzen der alten «metanasta jazyges» 
wohnen.* HorvAth, »«Commentatio», p. 101. 

4»9 (S. 245.) Die Benennung üphilistaeus»* kommt schon in einer Urkunde 
Sigismunds vom Jahre 1393 vor; darin heisst es: «In personis /^Ä///j/rö- 
rutn seil yassonNm universorum in descensu de Apäti vocato commo- 
rantium Nostrae gravi t er conquestum et Majestati, quo modo Phiitski 
seu yassofies nostri in descensii Nagy-Szällas nuncupato» etc. HORVÄTfl^ 
«Commentatio», p. 95* 

43<» (S. 245.) In einer Urkunde König Wladäslaw IL vom Jahre 1501: «ad 
reambulandas et rectificandas metas inter fideles nostros nobiles ab utia, 
ac Cumamjs PkiUsteos nostros partibus ab altera.» J 

43^ (S. 245.) G.-A. 34 : 1715: «Obwohl die Kumanen und Pkihsiäer (Cm 
mani et Philistaei) in früherer Zeit (1702) für gewisse öffentliche Bedürf* 
nisse gegen Geld vorschösse an den edlen Deutschen Orden verpfändet 
waren» u. s. w. Im weiteren Texte des Gesetzartikels «Cumani et Jazy* 
ges». Im G.-A. 25 : 1751 heisst es: «Nachdem die yazygier oder Phi^ 
listäer und Kumanen 1 5.000 fl. als Reugeld erlegt hatten, zahlten sie di( 
Im G.-A. 34 : 1715 ausgesetzten 500,000 H- zo ihrer Ablösung und Be^ 
freiung in Folge gnädiger Anordnung Sr. Majestät aus eigenem Geld 
u. s< w. 

*y^ (S. 245.) «Et similiter Philistei, Comani, Valachi et Tatari connnmei 
debeant exercituare », im h Corpus Juris »^ 

An (S. 245.) «Kxcipiuntur tamen Comani, Philistei et Tatari, qui juxta ani 
quam consvetudincm exercituabunt, secundnm quod Saxones.t 

434 (S. 245.) iKRNKV, nKeleti utazÄsa», L, 277. Jerney hat über die T^ 
taren in Ungarn alles Vorhandene ;?usammengetragen. 

435 (S. 246.) Ibid. L, 275. Die Stelle theilt JERXEY aus FRAEHN, «Vi _ 
Memoriae Chazarorum» mit. VgL iMemoires de FAcad^mie imp. de 



423 



ciences de St.*Petersbourg.» Tom. VI IL, 1S22. Pars L, pag. 44, 
Natio . . . nota sub nomine Madschar, inter quos in pagis dispersis 
crritorii urbis Budun multi reperiiinturj qui habitn cuituque Tataronim 
unt, et pars lingua eortjm loquitur.» 
'^S, 246.) Z. B. : «Nos Georgius RÄköczi IL Dei gratia Prineeps Trans- 
sylvaniae, Partium Regni Hungariae Dominus et Siculorutn comes*» 
437 (S. 246.) «A Nemes Szekely Nemzetnek Constitutiöji, Privilegiumai ^s 
a jöszäg Icszalläsat tärg^^azo nemely tör\^enyes iteletei» (^ ^Die Consti- 
tutionen und Privilegien der edlen Szekler-Nation, sowie einige gesetz- 
liche Urtheilssprüche über die Vererbung der Güter»). Pest, 1818. 
43S (S. 248-) Jkrnev, «Keleti Utazisa», L, 2:^2 und Emerich Nagy in 
«Szazadokn (^ « Jahrhunderte it), VL, 369» — Das Wort «sin halte ich 
deshalb nicht für identisch mit «s^» = Bach oder «sed« ;= Bächlein, 
weil wir es in Zusammensetzungen, wie «fSi-joi* (Sio) finden, was dann 
• Bach-Bach» bedeuten würde* Wenn aber «si» die Bedeutung von «fhes- 
seni hatte, dann wäre «cSi-jo* so viel als «fhessendes Wasser», «Wasser- 
Fluss», 

439 (S. 250,) «Penes fluvium Kükül» . . . «Terra ad fluvum Kükül aquae». 
VgL «A Nemes Szekely Nemzetnek Constitutiojii» etc. (s, Note 437), 
p. 2S^ und 284. 

440 (S, 250.) Diese Mittheilungen verdanke ich dem gewesenen Ohergespan 
von Heves, Herrn Rudolf v. Kubinyi, 

441 fS. 251,) Bei den Sirjänen finden sich folgende Flussnamen: As-va» 
Ejc-va, Iz-va, Jaj-va, Jem-va, (J6-foly6 = guter Fluss), Koj-va, Kol-va 
<Hal-folyö^ Fisch-Fluss), Kos-va, Lem-va, Lis-va, Mil-va, Sej-va (gleicht 
sehr dem mag>'arischen Si-j6 nach Form und Bedeutung), Us-va, Vil-va^ 
bei den Wogulen sind: zwei Los-va, drei (eine nördliche^ südliche und 
östliche) Sos-va, Sig-%'a, Lob-va u, s. w% 

44« (S. 251,) Die heutige Schreibung und Aussprache: «Gyclr-rej örök-ke, 
Gy6r*Ött, Gy ör-rilU entstammt einer missverstandenen Analogie. Weil 
aus od-t» ed^t «ott, ett, itt» (-^ dort, hier) wurde, denkt man, dass im 
Mag)'arischen auf die Frage «hol?» (wo?) das Suffixum «tt» stehe. Weil 
der Factitivus «vä, vei» (entsprechend dem deutschen «zu etwas ma- 
chen», z. B. «fä-vä», zu Holz machen oder werden, «b^k^-v^s zum 
Frieden machen, Frieden stiften) vorhanden ist^ so glaubt man, dass 
man die Fragen «miv^?» (wozu?) und «hovapjt (wohin?) mit demselben 
Suffixum beantworten könne; als oh «od-a» (dahin) und «az-zä» («dazu» 
machen oder werden) eines und dasselbe wäre. 

443 (S. 252.) «Histoire Generale des Huns, des Tiircs, des Mongols et des 
autres Tartares occidentaux» etc. Vier Bände, Paris, 1756 — 1758. 

444 (S. 252,) «Annales veteres Hunnorum, Avarum et Hungarorum . 1» Opera 
et studio GeokgII Prav. Vindobonae, 1761. 

445 (S. 2j:i2.) «Dissertationes» etc. Auetore Geokgio Pray. Vindobonae, 
1774; p. 1 und 2. 

440 (S. 252.) Thierry-Szab<3, L c, p. 5—7. 

447 (S. 2^^,) «Der Name Hunnivdr^ der wohl eins ist mit War und Chuni, 
findet sich merkwürdig auch schon bei den Hunnen ^ nur von Jomandes 
arg missverstanden », sagt allerdings Zeuss («Die Deutschem» etc, pag. 
726); denn er weiss nicht, dass dieses «Ja^ in *iJ«*;^;AfMTÄ* «Berg», «Wald» 
oder auch den «Ural» bedeutet, weshalb Var-chon =i Berg- oder Ural- 
Bewohner heisst. 

448 (S. 253.) Die ältesten arabischen Nachrichten über die Wolga- Bulgaren 
aus Ibn Foslan's Reiseberichte. Von Ch. M. Fraemn. St. -Petersburg. 

18J2. 

449 (S. 254.) Dass bei den Ugren der Hund in besonderer Verehrung stand, 
beweist auch der Umstand, dass sie bei Verträgen auf den Hund schwu- 
ren; wie man solches aus jener Anklage ersieht, welche die deutschen 
Priester gegen die Mährer erhoben (siehe oben S, 121) und wie wir sol- 



424 



chc!s auch bei den mosisrhen Buli^arcn finden werden. Das Wort »k^iJtjr- 
suvei ist offenbar uji^risch; denn «kaleng». *kalang^>>, *kalen>, *kalan» 
lieisst im Osijakischen das Renthier; «sah», »sau», «su» aber ist lin» 
Kutte aus Thierfellen ; das «kalensuve» des Arabers wäre also im h. 
I^^en Ostjakisehen «kalensahi». -kalensau», «kalensu» und wurde S" 
als «eine Kutte aus Renthterfellenn bedeuten. — Die Schlange ist 
den Wogulen und Ostjaken bis zum heutigen Tage ein heili^^'^es Thieru. ^ 



«t» (S. 254.) Fkaehn» h e., p. 2^, 

icniehte 
45» (S. 254,) Tiesponsum XXVI : Cauda equi si^^num militare in proeli 



45t {S. 254.) 



.) Jirk<!kk, «Getst 
,j Responsum XX 



der Bulgaren», p. 127, 



Rcsp. LXVll : Spatham in medium afferre et peream juramentumagelu 

— Rcsp, LXV'I : Cum li^atura lintei, quam in capite g^estatis, ecclesiam 
intrare. 

45i (S. 255.) Oypb bei MIKI.OSICH, «Lexic. ling. palaeslav.» — Vgl. RoF.sUR, 
• Romanische Studieti*, p. 252. «Daraus die sla vischen Eigennamen Tros, 
Urica.* — Was aber weder MrKLOSiCH noch RoESLER wissen konnten, 
ist, dass das Wort «ourw, welches dem magyarischen «ür» (= Hem 
entspricht, im Ostjakischen iuort» und «urt» lautet und * Fürst»* tHerr« 
bedeutet. Yj^], Pail HöNKXlvy, tAz eszaki osztjak nvelv» = »Die 
mirdostjakische Sprache« (Budapest, 1875)» im «Worterbuchei» p. i8v 
Dieses «our» {^= ür) und das tkalensuve» des Fraehk steigern gegen- 
seitig ihren Werth. 

454 (S. 255.) RoESLER, «Romanische Studien», p, 254: »Walachisch »mal» 

— ITfcr, Küste, ist nicht im Romanischen oder Slavischen oder sonst 
wo aufjtuzeigen gewesem» ; deshalb vergleicht es Roesler mit dem sa- 
mojedischen «murai» ^ sandiges Ufer, weil ihm das gemeinmag) an- 
seile «mäh (in Besenyti-mal, siehe oben S. 2^2) unbekannt war* Im 
Wogulischen «majlw, im Ostjakiächen •meiiU findet sich dieses tmiU 
und «melly» ; magyarisch partmdlja =^ Ufer* Abhang. Die Erklärung von 
sur — szürke (grau) ist richtig; «fete-ke« (statt «fekete» = schwar^ji 
*szti-kei» (= blond), *sj;ür-ke»« (grau) sind Diminutiva. ROESLER dachte 
an das Samojedische, weil er das Oscjakische nicht kannte, als er im 
Rumänischen die bulgarischen Sprachreste aufsuchte. 

455 (S. 255.) JiRECEK, 1. C, p. 133, Den «Bolias Tarehan» erklärt JireCkk 
durch das magyarische «tAr« = Schat^, Allein dieses «tan» lautete ehe* 
mals Htaver», von wo ttavernicusi» =: Schatzmeister, jetzt Finanxminister. 
Auch bei den Bulgaren gab es meines Wissens einen «-lavernik». Uebri- 
gens deutet auch das auf eine Aehnliclikeit mit dem Magyarischen. 

456 (S. 2^^.) Constantinus Forphyrogenitus, de caeremon, aulae. Byz 
Reisske, p- 393. 

457 (S. 255.) Zeuss ist folgender Ansicht: «Es wird sich immer nicht md 
folgern lassen, als dass die Bulgaren und Hunnen eine weniger schön 
gebildete und in Sprache abweichende Abtheilung desselben Stammes 
mit den später auftretenden Türken gewesen seien.» Was ?jedeutet aber 
diese «weniger schön gebildete türkische Sprache^ ? Welche germanische 
Sprache ist schöner: die skandinavische, die holländische oder die hocf 
deutsche ? 

458 (S. 236.) «Die Chazaren heissen geradezu Juharan, d, i. Ugrier bei T 
bari.» 13orn, Geogr. Caucas. Bei RoEsLER, »«Romanische Studien 
p. 250. — Nestor bei SchlÖZER, 11., 112 und 113. Hier nennt NbstOI 
die Chazaren die rweissen»* die Magyaren die «schwären ■ l'gren. 

459 (S. 256.) Nicht blos C ASSEL und Klaproth (siehe oben S. 178), soo^ 
dem auch SArNT-MARiTN («Kouvelles Annales de Voyages, 1851. Si 
les Chasarsi»); Graetz («Geschichte der Juden«, Bd. V.» Magdebu 
1860, p. 211: «Die Chazaren oder Kozaren, ein finnischer V'olksstam 
verwandt mit den Bulgaren, Avaren, Uguren oder Ungarn»); Roesl 
«Romanische Studien^, p. 251: ein dem ugrischen Charakter der Ch; 
saren zu zweifeln, halte ich für verlorne Mühe.» 



4^5 



460 



4^1 



4^ 
463 



(S. 256.) Deguignes «Histoire de Huns» etc. — Zi:lss t>]}\c Deutschen 
etc., p. 723): üWer sind nun die Chazaren? Leider stimmen die alten 
Aussagen über daj^ Vo3k nicht übereän. . . . Aber wenn die Cha;;aren 
wohl allerdings Türken, jene Kara-Chasaren nur verschieden und die 
älteren von den Chazaren iiberwakijLTten Bewohner des Landes, die Süd- 
buli^aren wären ?»> — OlSLEV, Geograph: Es gibt zweierlei Chazaren : 
«schwarze» und so dunkelhaarige wie die Indier und «hellfarbige». Vgl, 
Zel'ss, p. 724» «Die schw^arzen sind die «Kara» (d. i. schwarze) Cha- 
zaren,» 

(S. 257.) Prav's Ansicht, dass die Magyaren nicht blos Nachbarn, son- 
dern auch Blutsverwandte der Chai:aren gewesen seien, ist also unrii ht-ig. 
*Hoc locü ostendendum, Hungaros Chazaris, ut necessitudine sanguinis, 
ita locorum positu finitimos fuisse.» nDissert.», p. 61. 
(S. 25;.) SCHAFAKIK, iSlav- Alterth.i, IL, 65. 

(S. 257.) I^^*^ Bekehriing der Chazaren zum Judenthume setzte ich oben 
Seite 13J in die Zeit von Constantiniis und Methodius (nach 860) ; nun 
finde ich bei Gkaetz, «Geschieht e der Juden», Bd. V., p. 213, dass diese 
Rekehrung um 740 n. Chr. erfolgt sei ; denn Bulan, der Vorgänger 
Josefs, welch Letztem wir aus seinem Briefe kennen, siegte im J. 751 
über die Araber und Armenier und Leo JIL, der Isaurier oder der Bil- 
derstürmer (iconoclasta; reg, v. 718^741), verfolgte die Juden, welche 
sich zu den Chazaren flüchteten und diese bekehrten, Graetz erzählt 
diesen Vorfall derart, dass der A'ka^im und der Bej^ sogleich das Juden- 
thum angenommen hätten; aliein Josef war na(4i seinem Schreiben Beg 
und dasselbe war auch sein Vorgänger Bulan. L>ieser Vorfall wird übri- 
gens durch den T'mstand, den auch Gt<^AETZ nicht beachtet zn haben 
scheint, dunkel, dass derselbe Leo die Tochter des Khag^ans seinem 
Sohne Constantin V. verlobte ; des Khagans Tochter wurde Christin und 
erhielt d^i^n Namen Irene (siehe oben S. 136 und Note 260). Auch dieser 
Constantinus (741-^775) war ein grosser Verfolger der Juden, Ich glaube, 
dass der damalige Khagan als neubekehrter Jude für seinen Glauben 
eifriger gewesen wäre und seine Tochter, wenn sie auch Christin gewor- 
den, würde Constantin's Wuth gegen die Juden gedämpft haben. Wenn 
aber die Chazaren schon um 860 eifrige Juden gewesen waren, warum 
erlangten sie aus Constantinopel christliche Lehrer? Die Missionsreise 
.es Constantinus und Methodius ist aber nicht weniger glaubwürdig als 
das Si'hreifien des jüdischen Chasda von Kordova an den Chazarenkönig 
Josef und dessen Antwort. 

(S, 2^%J) i>ie avarische Kriegsbeute vermehrte das Gold und Silber bei 
den Franken derart, dass die Preise um ein Drittheil stiegen, d. i. um 
viel sank der Werth von Gold und Silber ; nur noch in Folge der 
ntdeckung der amerikanischen Silbergruben trat ein ähnlicher Rück- 
schlag ein. VgL «Die Währungs frage Oesterreichs vor einer Enquete- 
Commission» in der «Allg. Augsb. Zeitung», 1*576, Nr* 122: Ai\ der 
Geschichte der Preise sind nur zwei Ereigniisse bekannt, welche eine 
grössere Umwälzung herbeigeführt haben. Diese Ereignisse waren näm- 
lich die Einnahme des hunnisch-avarischen Lagerringes in l'ngarn durch 
ie Franken, unter Carl dem Grossen, wo die während mehrere Jahr- 
underte im römischen Reiche zusammengeraubten Schätze aufbevsahrt 
orden waren. Durch diese Beute wurde der Edelmetall vorrath im Fran- 
:enreich so vermehrt, dass der Geldwerth im neunten Jahrhundert um 
in Drittel sank. Das andere war die Entdeckung von Amerika und dif 
ufschliessung der Silberminen von Potosi,* 
(S, 25S.) Fran/ Sasinkk, <Die Slovakcn,» l^ine ethnogrraphische Skizze. 
2, revidirte Auflage (Prag, 1875), S, 14, belustigt den Leser durch heitere 
Erklärungen der Namen ■ Tatra w, «Mitra» und bringt daraus hervor, 
dass die Urslaven sich um den rauhem «Berg\'ater» (Tatra) und die 
lanftere «Bergmutter» (MÄtra) gesc haart hätten, weshalb sie sich «uhrit, 



• uidrri» = lierganwühner, nannten. Die deutschen und iatcinismrn 
Schriftsteller des q., lo. und ii. Jahrhunderts hätten dann aus Unwis- 
senheit (denn das muss man daraus folgern) den Namen der Slovaken 
auf die Ma^^^aren übertragnen. ^ Diese Wortspiele Sasixek*s verdienen 
keine ernstere Beachtuni,^. Die «Ugoren, Ogoren» kommen nicht blos 
bei JordaniSt Menander und Theophyl?iktus, sondern auch beim nissi- 
schen Chronisten Nestor vor; letzterer spricht von «ugri bjeliii (weissen 
ITgren)» d, i. den Chazaren und den «ugri csemiit (schwarzen Ugren), 
d. L den Magj'aren. Auch in den Sagen der Wogulen spielt der Name 

• Ogor» eine Rolle, Die Russen nennen den Theil des Uralgebirges, wo 
die Wogulen wohnen, «Juhorski chrcbet*. 

466 (S. 258.) Zeuss, «Die Deutschen», p. 29, meint, dass der Name «Avan 
vom persischen «avare» stamme, was so viel als «Auswanderer» bedeu- 
tet, gleich dem Deutschen «Suebe* (Suevi = die Schweifenden^ Ziehen- 
den, Wandernden), Wahrscheinlicher ist die Herleitung «uar», «var»» 
«avam. 

4^*7 (S. 259.) «Missi quoquc Hvinnorum Cagani et Jugiirrh^ so nennt 
Eginhard die zu Carl dem Grossen gesendeten avarischen Boten, 

4^8 (S. 25Q-) Pray denkt (nach Timon) an «Vetus-Varinum» = Ungarisdi-j 
Altenburg. «Annales Veteres Hunn.» etc., p. 286. — Fenves aber glaubt 
l'ctvaria habe an der' Stelle des heutigen Deutsch -Altenburg in Nieder- 
Oesterrcich gelegen. Vgl. «Mag>^arorszdg statistikäja» ^^ k Statistik von 
rngam» (Pest, 1842}, p. 89. 

469 (S, 261*) «Spiculatores nostri de Katha de Comitatu Mosoniensi», saj^t 
eine l^rkunde vom Jahre 1339 bei Jernev, «Keleti uta^dsa», L, 254, 

470 (S. 263.) Ich selber war im Jahre 1866 dieser Meinung. Vgl. das Staats- 
Lexikon von. Rotteck und Welcker. 3. Autlage, Bd. XI!., p. 22"]. 

47» (S. 293O Oefters erwähnt bei SiRiTTER, « Memoriae populorum» etc.. 111.» 
951 und sonst; ScHLÖZFR, «Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen», 
p, 222^ 453, 483; Jerney, «Utazäsa» u. s. w. 

473 (S. 263.) «Romanische Studien», S. 337. 

473 (S. 263.) Klaproth machte in den «Memoires relatifs BLPAsie», IlL* zuen 
das «Alphabetum Persicum Comanicum et Latinum» bekannt* Die ZaI 
der Vocabeln beträgt 2500. — ROESLER theilt in seinen «Romäntschei 
Studien», S, 352 — 356 auch grammatische Beispiele mit, aus denen d 
türkisch-tartarische Charakter des Kumanischen mit Gewissheit hervor-j 
geht und demzufolge auch der grosse Unterschied vom Magyarischei 
noch deutlicher wird. — Graf Geisä Kl^ln war vor i«wei Jahren ü^ 
glücklich, den Schatz Petrarca*s in der Bibliothek San Marco in Vene^ 
nig aufzufinden ; es wäre überaus wünschenswerth, wenn dieses kost' 
bare Denkmal copirt und herausgegeben werden könnte. *— Auf siehe-' 
rem Wege habe ich in Erfahrung gebracht, dass z. B. das magyarische 
Wort «kenyesö», welches nach VAilBKRY (w Deutsch-Türkisches Wörter- 
buch.» Konstantinopel, 1858, S. 154) im osmanischen Türkisch «dsivai, 
das persischen Ursprunges ist, laute, in diesem kumanischen Wörter-" 
but he «kümis-szu» ^ «Silber- Wasser» heisst. Es leidet keinen Zweifeli 
dass von diesem Worte das magyarische «kenyes<3» herkommt. Dj 
Wort «kümis-szu» kommt weder in dem türkischen Wörterbucbe vi 
KiKFER-BiANCHl noch in dem von ZENKER vor. 

*^iA (S. 264.} Et propter hoc, plus quam per annum eos Ruthenos (i. e. tarj 
taros) predictua Kuthen cum suis prevenerat, ut conditiones terre addii 
cerot et linguam faceret sibi fiotam^ et cum introitum illorum perci[ 
ret. pugnam inciperet contra regem, et sie facilius illi portam possei 
obhnere. Rogerius*, Carm, Miserabilej«, 14. 
^75 (S. 264.) Jn Campis Cumanicis, praeter vina advectitia usum habei 
Cumani cujusdam liquoris ex milio et aqua, suo more expressi. quei 
J^f/zam vocant. Nicolai Olahi Metropolitae Strigooiensis Hungaria 
AtJla. Vindobonae, 1763, p. 81. 



479 



pö (S. 264.) Die Wörter »bor» und iboz» (Wein) heben auch die Ver- 
schiedenheit zwischen dem tschuwaschischen Türkisch, welches in 
aher Zeit in das Magyarische gelangte und jenem kumanischen Tür- 
f kisch hervor, das erst mit dem Kumanischen in die mag>'arische 
Sprache kommen konnte. Die Wörter *boza* und wkenyesÖfr können 
nicht aus dem tschuwaschischen Türkisch abstammen. Vgl. o. S. i^\, 
176. So ist in der kumanischen Sprache «bix», *six», im Osmanli wbizi»^ 
«siz», aber im Tschuwaschischen «pir*, «sir» ^ wir, ihr (magyarisch 
• mi», wti»). 
477 (S. 264.) Das «kumanische Vaterunser» siehe in der Abhandlung^ von 
Hammkr-Pcrgstall, der ii Exemplare in der Sammlung des gelehrten 
Gkaay gesehen hatte. Vgl. «Jahrbücher der ung-arischen Academici^ 
111., 140. — Die vollständigsten Nachrichten gibt hien'on [EkNEY, 
«Keleti Utazäsai», 1., 284 — 295. Jernev hält das «Vaterunser>* nir einen 
Rest der tartarischen Sprache, da seiner Ansicht nach die Rumänen 
ursprüngliche Magyaren seien. Die Sprache dieses * Vaterunser» stimmt 
wirklich mit der Sprache in der Petrarca' sthen Handschrift ganz über- 
\ ein ; denn in jenem ist ebenfalls «bezne» (— uns, Acc.) statt *bizia, wie 
in dieser «bixinii ^ nbizin» ; ferner in jenem «bezgew (^ uns, Dat.) statt 
1 '(bizcj*, wie in dieser «bixga» ^= «(bizge* u. s. \\\ 
'{^^e (S. 264.) JERNEY, K c. . 

(S..266.) Palacky, * Geschichte von Böhmern», dritten Bandes dritte 
Abtheilung (Prag, 1854), p. 216: <■ Die Böhmen verlangten, die Compac- 
taten möchten auf dem Iglauer Stadtplatze in vier Sprachen, lateinisch ^ 
böhmisch, deutsch und ungarisch, bekannt gemacht werden. ^ Im 
Jahre 1836 befand sich an einer Treppen wendung des böhmischen 
' Museums in Prag eine eingemauerte Gedenktafel, welche diese Verkün- 
digung in vier Sprachen enthielt» Die Compac taten wurden zuerst im 
Jahre 1500, zum üweitcn Male im Jahre 1513 und dann öfters heraus- 
gegeben ; ;!uletijt am vollständigsten in lateinischer und cechischer 
Sprache im «Archiv cesky», III., 398 — 444. Die magyarische Ueber- 
I Setzung, welche ein werth volles Sprachdenkmal aus dem Jahre 1437 
\ wäre, kennt meines Wissens Niemand, obgleich sie noch irgendwo ver- 
steckt sein^ kann, 
r4go (S. 266*) Tatros, eine Ortschaft am gleichnamigen Flusse ; der Fluss 
\ entspringt in den siebenbürgischen Bergen und ergiesst sich in den 
1 Serct. Am Schlüsse des Evangeliums Johannis lesen wir: nE könj'v 
j meg\^6geztetett Nemeti Györg>'nek, Hensel Emre Mnak keze miatt, 
J MoldovAban Tatros värosÄban, ür születetenek ezer n6g}^szÄz hatvanhatod 
esztendej^ben» (= ♦< dieses Buch wurde beendigt durch die Hand des 
• Georg Nemeti, Sohn des Emerich HeTisel, zu Tatros in der Moldau, 

im Jahre des Herrn 1466».) 
4gi (S- 266.) Jernev, «Keleti utazasa», L, 180, 181. 

' 4S2 (S. 267.) «L^nde fit, ut Carmen Hngua Hungarica compositum rusticis et 
rivibus, mediis et extremis, eodem tenore inteUigatur.» Galeoti Martit, 
I de Matthiae egregie, sapienter, fortiter et jocose dictis ac factis libellus. 
\ Ed. ab Joanne Bocatw, cive Cassoviensi. Cassoviae 1611. 

i4fi\ (S. 267.) Sola Hungaria (ex Christianis loquor) nonnisi latine scribit. 
Quoniam Hungarorum lingua non facile scribi potest. Minima enim 
accentuum mütatione et diversitate prolationis mutatur significatio. 
Ga/eofi\ Cap. XXVIIL 
484 (S. 268.) Wie i. B. Pizman, Zrinyi, Katona de Gele, Johann Csere de 

Apdtza, Franz Pärizpäpai, Stefan Gyöngyosi u, A, 
485 (S. 269.) «Statistik des Königreichs Ungarn. t Ein Versuch von MAKTlN 
ScilWARTNER. Fest, 1798. S. 90, 
I 4fiß (S. 269.) «Allgemeine Augsburger Zeitung», 1840, Nr. 109. 
4*7 (S. 270.) Nach der Volkszählung vom Jahre i870iWaren: 



^'önrg/iL'ke hretstiiate : (m eigentlichen Ungarn 48, in Sieben- 
bürgen 30, in Fiumc i, in Croatien-Slavonien 8, in der Militär- 

gretiiie (Stadt-Communitälen) n, zusammen , , , . . . yK 

Städte mtt geregeltem Magistrate : in rngarn 88, \\\ der 

Militärgrenxe 3 (Festungen) ^tusammen ni 

Marktßecken : in T'ngam 663, in Siebenbürgen 48. in Croatien- 

Slavonien 40, in der Militargrenj^e 18, zus.imraen 

Dörfer : in Ungarn 9466, in Siebenbürgen 2207. in Fiurne 
s. Gebiete 3, in. Croatien - Slavonien 2941, in der Militärgrenjte 

1756, zusammen . « . * i6,3^tt 

pNSzien, Meiereien : in l^ngam 3616. in SiebenbürLnen 04. in 

Croatien-Slavunien 2^0, zusammen . . , 

4^8(5. 270,) Fl^:NVts, l.\. 

489 (S. 270.) •< Statistisches Handbüchlein für die österreit hisehe MunanJiic.i 
Herausgegeben von der k. k, Direction der administrativen Statistik. 
Erster Jahrgang-, 4- AuÜage. Wien. 1861. 
49^ (S. 270.) (^Oesterreichischer Catalog. !♦ Verzeichniss aller im Jahre 1860 in 
Oesterreich erschienenen Bücher, Zeitschriften, Künstsachen. F*hato* 
graphien, Landkarten und Musikalien. Erster Jahrgang. Wien, 1861. — 
in diesem Catalogc sind den slavi sehen literarischen Froducten 32 in^i 
len gewidmet ; und zwar sind vertreten : 

Cechen, Mähren und Slovaken (6.132,742 Seelen) mit 260 lit. Producleä 
Croaten (1.337,010 Seelen) 1 | 



4 



Serben (1.438,201 » ) J 3.958,744 S, 

Slovenen (1,183,533 - M J 

Polen (2. [59,648 »• ) 

Ruthencn (2.752,482 h ) 



56 



Zusammen 15.003,616 Slaven mit , 47 r lit. Froducten 

In demselben Cataloge nimmt das Verzeichniss der literarischen 
Erzeugnisse in magyarischer Sprache 42 Seilen ein und sind im Ganzen 566 
Schriften und Bücher notirt. 

451 (S, 271,) Vgl. Carl Kklkti, wDie Bevölkerung in den Ländern der St. 
Stefanskrone >• (Ungarisch und deutsch.] Pest, 1871. 

49=* (S. 271,) Vgl- «Hazank es nepe» — uL'nser Vaterland und sein VoD 
von Carl Keleii. Pest, 187 1. 

491 (S. 2'^2,) iDas Ungarland», vom Ministerialrath Dr. Kl. UN in Wie 
(«Das Ausland», 1875, Nr. 21)* 

494 (S, 274.) Josef Lknuosskk, wCranioscopia.» (In ungarischer Sprach^ 
Budapest, 1875.) 

49s (S. 274.) Ibid. p. 154. 

49^ (S. 275.) Der Breiten-Index von loo'ö, den der Militärarzt M, v. STElJj 
BURG (siehe oben S. 6) g^efunden haben will, erscheint unwahrscheinlich? 

497 (S. 276.) Auch anderwärts, z. B. in Russland, wurden die Deutschen 
ftGäste« (gostin) genannt ; dort heisst der Kaufmann bis heute «gostina 
(Gast) und den grossen Bazar auf dem Newsky-Prospekt (die HauptJ 
Strasse von Petersburg) nennt man «Gostinoi dwor» — : nHof der Gäste« 

4&8 (^S. 277.) Nicht nur Ereignisse stimmen in verschiedenen Ländern m3 
einander überein, sondern auch Wörter, wie wir das schon gesehen habe 
und noch hnden werden. « Hansa »^ bedeutet im Gothischen so viel 
w Menge)» (vgl. Lko Mii^er, «Die gothische Sprache», Berhn, 1B69* p. 4! 
742), das nähert sich sehr dem finnischen nkansa» = Volk. Das go 
ihische ^ikunda« bedeutet «geboren, entsprossen», z. B. tgoda-kunda» : 
edelgeboren, was dem Sinne nach mit dem mag}'arischen «j6-bag\'^ 
übereinstimmt; im Akskandina\ischen ist «igod-kund» ^ göttlich; dicst-a 
ukundait ähnelt sehr (wenigstens in der Farm) dem finnischen «ikunta» 
complexus, coUectiü. Uebrigens kommt auch dieses finnische «kuntaj 
nur in Campositionen vor, wie z, B. «kansa-kunta» = Volksmenge 



«kilda-kuntait = Geraeindeversammlunt,'". Im Wogulischen iRt «kanti« 
mit der Bedeutung' des magyarischen 4iadi* (= Heer). Aber das ma- 
^^^^yarische «hadi» bedeutet auch h Geschlecht, Sippe» z. B. Källayi had 
(= das Geschlecht Källay), >!la^'-yi had (^ das Geschlecht Zagy) und in 
dieser Bedeutunt^ nähert es sich dem gothischen «kunda», ^ Es gibt 
noch andere auffaHende Zusammentreffungen. Su i. B, das magyarische 
*atya« (Vater) mit dem türkischen nala» und dem gothi sehen »latta» ; 
ja es ist wahrscheinlich, dass auch «Atttla« nur ein Diminutiv dieses 
«attai> ist ; in den germanischen Sagen erscheint dieser Name als «at-lii>, 
«etz-eli> ^;r Väterchen. — Das gothische «gumat bedeutet Mensch, 
^^—Mannj «guma-kunda» ^^ männliches Geschlecht, mannhaft; 6im Neu- 
^^■jhüchdeut sehen ist das Wort noch in « Bräutigam w (althochdeutsch p (b)ruti- 
^^Pk{g)omo, angelsächsisch br^dgumo, mittelhochdeutsch bnutegom)= «Mann 
der Brauti*. Das gothische «gumaw, althochdeutsch k(g-)omo, altnordische 
gumt berührt sich mit dem lateinischen «homo» — Mann, Mensch. Vgl. 
Kehrein, «Onomatisches Wörterbuch», p. 8Si. Auch GktMM, «Deut- 
sches Wörterbucho, Bd. IL^p^ 335, Sp. i,5 — Im Wogulischen bedeutet 
♦«kum, gumn gleichfalls «Mensch», «Mann»; ^ana-gumn z^ Lands^Mann. 
499 (S. 2'^'^.^ Vgl. «Ethnographie der österreichischen Monarchie i» von Carl 
\ Fre*iherm v. CZüERNiG. IJ. Bd. «Historische Skizze der Völkerstämme 
I und Colonien in Ungarn und dessen ehemaligen Nebenländemw von 

V. V. Hauffler. Wien, 1857. 

kSoo (S. 279,) In dieser Reihenfolge führt die Zipser Städte Friedr. ScHOl;; 

« in seiner Abhandlung «über die Einwanderung der Zipser Sachsen »> im 

Jahresbericht des evang. Lyceums zu Käsmark vom Jahre 1875/6 (in 

t ungarischer Sprache) an. BENJAMIN ^^^\^(^ zählt in seinem Buche: 

Ä|i^ «A sxepesi szaszoki» = ^^Die Zipser Sachsen •♦ (Raab, 1866), p, lo, diese 

'^Städte in folgender Reihe und Anzahl auf: i. Eeutschau, 2, Kalbach 

oderCaJderbach, 3. Hulbach, l'llenbach, Velbach, 4. Wallendorf, 5. Odorin, 

6. Neudorf, 7. Palmsdorf, H. Sperendorf, Villa Ursi, 9. Klein- und Gross- 

Thomasdorf, 10. Donnerstmark, 11« Kapsdorf, wozu auch Primocz oder 

Frimsdorf gehörte, 12. Deutschendorf, 13. Volk, 14» Schlagcndorf, 

Schlackendorf, und zwar Gross-Schlackendorf, wo auch heute noch 

P (Schlacken gefunden werden; Kleinsehlagendorf liegt bei Käsmark, 
15. Müllenbach, 16. Matsdorf, 17. fkorgenberg, j8. Michelsdorf, 19, Zsa- 
It6cz, 20. Menhartsdorf (Verbo, Virbo), 21. Bela, 22. Käsmark, 2-^^. Lei- 
bitz, 24. Russdorf, 25, DurlsdorL — In der *< Ethnographie der öster- 
reichischen Monarchie», IL, 212, sind noch xu den Zipser Städten gezählt : 
Kakas-Lomnitz. Hunsdorf (Hunffdu, flunnis-villanus), Svab^cz (vitla 
Suevi), St. Kirn (vi IIa de S. Quirino). 
50» (S. 280.) «Cbi solium regni et conservatur et ubi reges Hungariae sacro 

consecraüimis munere perunguntur.i* «Kthnognu, II., 320. 
50a (S. 280;) Von Stuhlweissenburg bezeugt eine Urkunde Heia IV. vom Jahre 
1237, dass das dieser Stadt von König Stefan d. H. und dem apostoli- 
schen Legaten verliehene Privilegium durch einen Brand vernichtet wor- 
den sei («Privilegium hospitibus Albensibus concessum infausto casu 
incendii fuisset conversum in cineres«), — Von Szatmdr-Ni^^meti behaup- 
tet eine Urkunde Andreas IL vom Jahre 1230, dass die ^f teutonischen 
^^B Gäste 1» dieser Stadt durch die Königin Gisella hereinberufen worden sind 
^H^ihospites Teutoniei de Szalmär-Nemeti, juxta tluvium Zamos residentes, 
^^^qui sc dicebant in tide Dominae Reg inae Keyslae ad Hungariam con^ 
venisse»). «Ethnogr. •», IL, jiy, 321. 
5^3 (S. 281,) «Personal-Städte» waren: Stuhlweissenburg, Pukancz (Baka- 
Bänya), Bösing, Bela-Banya . Briesen , Zeben . Kremnitz, Käsmark. 
Leutschau, Libethen. Neusohl, Rust, Fünfkirchen, Theresiopel, Sehern- 
rjitz, Gran, St. -Georgen, Temesvdr, Trencsin, Altsohl, Üj-Bänya, die 

sechzehn Zipser Kronstädte. 

«TavemicaLStädte» waren: Bnrtfeld, Ofen, Pest, Karpfen, Kaschau, 



Komorn, Ucbrcczin, hperies, Güns, Raab, Hisenstadt, Modern. Xeusal/,] 
Pressburg, Oedenburg, Skalitz; Szatmär-Ni^-nieti, Szegfödin, T>Tnau. Zom-J 
bor. Unter diesen Städten sind einiife neueren Datums, ^ie TheresiopclJ 
Neusatz, Zombor, Aber mit Ausnahme der i6 Zipser Städte wareil| 
sämratliche ■ königliche Freistädte». 
■M (S. 281 -) Xullus printipum nostrorum violentum descensum facere possitj 
isuper eos, nee aliquid contra eorundem recipere voluntatem, sed desccn-j 
dens justo pretio sibi necessaria debeat comparare. «fEthnogr.w^ IL, p^T 
Istud etiam non est silentio praetermittendum. quod Nobis ad vilianil 
eorum accedentibus prandium et egenam administrent, secundum viJla«'' 
ipsorum incrementum. cEthnogr, », IL, ^22. 
505 (S. 281.) Villa Teutonica ditissima* Rugerius, Carra, Miserabile, Cap. 16, j 
soo (S. 282.) Dass hier an BlÖdel (Bleda oder Buda), den älteren oder jün- 
geren Bruder Attila's, nicht gedacht werden kann, bedarf kaum eincr| 
En^ähnung. 

507 (S. 282.1 «Ethnographie.«» IL, 207. 

508 (S. 282.) Graf JosKF TelekIj «Hunyadiak kora» — «Zeitalter der Hu-^ 
nyadeni», L, 75, 76. 

509 (S. 2S2.) i Ethnographie»«, IL, 249. 
sto (S. 284.) In den westlichen Theilen des Landes jenseits der Donau be-. 

iinden steh ausser den Grenzstädten Oedenburg, Rust. Eisenstadt utid 
Güns nur noch Gran, Raab, Stuhlweissenburg und Fünfkirchen, zusam-1 
men acht Städte, dagegen sind diesseits der Donau 25 t zu denen man \ 
als karpatische Städte auch die Zipser, Säroser und Abaujvarer rechnen 
muss ; demnach man hier 31 königliche PVeistädte antrifft. Nimmt man} 
endlich auch noch die 16 Zipser Kronstädte und die 6 oder 7 ZipsiT 
Bergstädte hinzu, so ergibt sieh» dass die meisten Städte in diesem 
Thei! des Landes liegen. 

51' (S. 284.) Benjamin Sza^o (1. c, p. 47) behauptet, dass die ursprünj?- 
lichen Einwohner der Zips Magyaren gewesen seien. 

jta (S. 285,) Ipsi Saxones ft Lalini (Wallonen) voluntarie assumserunl ar 
praecise praestito juramento, quod decimas eo modo et ea integritate 
suis plebanis et sacerdotibus per totum Comitatum de caetero sicut 
Hifftgari et Siavi in Scepusio existentes decimas ipsas persolvere sunt 
consveti. Katoxa, VL, 844, vom Jahre 1280. Von demselben Jahre ^ 
Prout sumus eruditi, et sicut Hungari et Sclavi suas erogant decimas^ 
Ibid. 847, 

S13 (S. 286.) «De illo ante omnia sollieiti erant (jesuitae), ut roagistratui 
civicus, exclusis in totum Evangelicis, fx solis constaret Romano-Calhd 
licis- Qui quoniam inter eives non reperiebantur, idcirco extranei in c^ 
vitatem sunt introducti, civibusque praepositi.» Mathias BahiL Tn 
stima eccles. Hungariae Protestantium facies. Monumenta Ev. Au|j 
Conf. in Hungaria historica. IL (Pest, 1863), pag. 369. 

5H (S. 286.) Erst nach Verkündigung des Toleranzedictes im Jahre 17^ 
wurde den Protestanten gestattet, sich in Pest anzusiedeln, Tm Jah^ 
1787 erlaubte es Kaiser Josef IL, dass die Evangelischen in einem Pil 
vathause Gottesdienst abhalten können. Ihren Kirchenbau begannen diq 
selben im Jahre 1709 und beendigten ihn im Jahre 1805. Die Gemeind 
der Reform irten constituirte sich im Jahre 1804 ; ihre Kirche begamid 
sie im Jahre 1816 zu erbauen, deren Einweihung geschah aber erst in 
Jahre 1830. (Mit welchen Cabalen die Evangelischen in Ofen zu käu 
pfcn hatten, bis es ihnen gelang» einen Rauplatz für ihre Kirche zu 
halten, darüber vgL eine interessante Mittheilung von Sam. KURZ 
der fll^ngar. Schulzeitung n, herausgegebt^n von Prof. J. H. SCHwrcKÜ 
(Budapest, 1S76), Xr. 30^ 

51S (S. 288.) Vgl. SCHWicKliK, «Geschichte des Tcmeser Banats.» 2, Aus 
(Pest, 1872), p. 369 if. 



431 



s»* (S* 289.) Pray, Specimen Hicrarchiae HuD^ariac, Pars. IL (Possonii et 
Cassoviae, 1779), p^ 272* 

5>7 (S, 290.) Blasil s OkhÄN, «A sz^kelyföld Iciräsa» ^ « Beschreibung^ des 
Szeklerlandüs, Bd. 111, (Pest, 1869), p. 149, begreift nicbt, auf wrlche 
Weise die slavischcn Namen in das Szeklerland gekommen sind ; denn 
er bält die S^i^kler für Nachkommen der Hunnen. 

s^s (S. 291.) Desgleichen ist «tavernicusw (mag} arisch tamok) ^ Schatzmei- 
ster ein dem Slavischen entlehntes Wort. Eine Urkunde Andreas III. 
vom Jahre 1293 spricht von den «Pessnökenn zu Schmögen in der Zips. 
Diese «Pessnökemt (Beschnuken) sind die königlichen u Hundewärter». 
iCaniferis nostris de Somogy, de di stricto de Scepus, quos vulgaris lo- 
cutio besnucus appellat.» Vgl Benjamin Szahü, L c*. p. 45. Gleichwie 
«Sxolnokw ein Orts- und Comitatsname geworden, so ist das Gleiche auch 
«Korotnokw (ipsam terram KORITNlK cum silva cedimus»; ibid. p. 47). 
Die «Koritnikit waren vielleicht Mulden- oder Trogmachen 

5^9 fS. 292.} «Ethnographie ■>, 11., 228. 

520 fS. 292.) R&gt'Hus, «Carmen miserabile*^ ap, ENinJCHKRt I. c, p. 257 
und 268. 

5^1 (S. 293.) Die Niederlassungen und Scbicksale der Siebenbürger Sachsen 
gehören zu den am besten beleuchteten Partien des ethnographischen 
und historischen Bildes von Ungarn und Siebenbürgen. Von SCHLÖZER 
angefangen, dessen fle issige «Kritische Sammlungen zur Geschichte der 
Deutschen in Siebenbürgen » (Gott in gen, 1795 — 1797) man in Ungarn 
hauptsächlich deshalb nicht mag, weil er die Glaubwürdigkeit des Ano- 
nymus, des Thuroczy und anderer ungarischen Chronisten bezweifelt, — 
bis herauf zu Fried K. Maurer, *Die Besitzergreifung Siebenbürgens 
durch die das Land jetzt bewohnenden Nationen « (Landshut, 1875), der 
nur die Forschungen Anderer wiederholt » haben Viele über diesen Gegen- 
stand geschrieben. (5 Eine der werth vollsten Leistungen darunter ist das 
Werk von Dr, G. Teutsch, «Geschichte der Siebenbürger Sachsen.» 
2. Aufl., 1874.6) Das «Archiv des Vereines für Siebenbürgische Landes- 
kunde», welches seit dem Jahre 1840 besteht, bildet diesbezüglich ein 
reichhaltiges Magazin. — Glstav Seivert entwickt^lt in seinem Aufsatze 
nDie deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen vor König Geisa IL» 
(im «Sächsischen Hausfreund^, 1873. Herausgegeben von Dr. Eugen 
V. Trausch ENKELS jn Kronstadt) solche Ansiclfiten, die meiner Meinung 
in Bezug auf die Zeit dieser Niederlassungen der historischen Wahrheit 
am meisten entsprechen. — Mit richtiger Würdigung leitet auch Gi\si . 
^^'ENZEL seinen (in magyarischer Sprache geschriebenen) «Beitrag zur 
Geschichte der Siebenbürger Sachsen in der Zeit vor dem Andreanum« 
ein. (Siehe <iAkad. Ertekezesek a Tört* Tud. körebüli« = «Academische 
Abhandlungen aus der Geschichte«, Bd. IIL, Pest, r873.) — (5Werlh- 
voUe Beiträge zur Kenntniss von Lied und Spruch, Sitte und Brauch drr 
siebe nbürgischen Sachsen liefern auch die x\bhaoidlungen in den Jahres- 
berichten der siebenbürgisch*sächsi sehen Gymnasien. VgK überdies die 
instructive Skizze von ScHUCH TERU.s, «Der siebenbürgisch-sächsische 
Bauer», Hermannstadt, 1873.6) 
f»= (S. 293.) «Libertate, qua vocati lue ran t a piissimo rege Gcysa, avt> 

nostroM, ap. Enüuchkr, p. 241» 
5*3 (S. 293.) Die deutschen Ritter verloren zwar unter dem berühmten Gross- 
meister Herrmann von Salzach das Burzenland, allein sie liessen sich 
im Jahre 1228 in Massovien nieder und begannen im Jahre 1230 den 
Bekehrungskrieg gegen die heidnischen Preussun, welchen sie im [ahn.^ 
1283 beendigten. J\t Orden erbaute im Jahre 1274 jWrr/ef^Su/'i;, das 
sein Hauptsitz wurde. Diese Ritter gründeten also die Zukunft der heu- 
tigen Grossmacht IVeussen.. Ueber den Nogat, einen Arm der Weichsel, 
führt eine Eisenbahnbrücke, auf welcher links das Standbild Herrm.inn's 
von Salzach, rechts das Albrecht's von Brandenburg steht. Dieser 



Albrecht wurde im J;ihre 151 1 (.rrossmo ister des OrdeTi!>, schluss 
Jahre 1525 der Reformation an und machte den vorher geistlichen Or4 
densstaat Preussen /u seinem erblichen Besitz. Seitdem gelangte Brart'^ 
tfcttburg' Prttissen /u grossem Ruhme, — Während die deutschen Rittert 
die Preussen unterwarfen, thaten die • Seh wert -Brüder» dasselbe mit d«*»! 
heidnischen TJven und Esten, Im Jahre 1237 vereinigten sich die beidenf 
Orden und da sie auf ihrem weissen Ordensmantel ein schwarzes Kreu«' 
trugen, so nannte man sie auch *^ Kreuzherren». Im Laufe der Geschichte 
wurden also dieselben Ritter, welche das Burzenland gegen die Kuma- 
nen zu vertheidigen verpflichtet waren, in Liv- und E&tland die BelitüT- 
scher der Stamm ven^andten der Magyaren* 

5^ fS. 293.) «Ethnographie»», III., 86—89. 

s^s (S* 294.) Vgl. «Das Burzenland unter König Ludwig dem Grossem von 
Dr* Fr. Teltsch im »Sächsischen Hausfreund». 1875. 1 

5»^ (S. 295.) «Statistisches Handbüchlein f* d. österr. Monarchie.» Heransjo;-, 
V. d. k. k. Direciion der administrativen Statistik, Wien, 1861. 

5»7 (S. 295.) Kelf/ii, KHa;?änk es nepe« =^ «Unser Vaterland und sein 
Volk» (Pest, 1Ö71), S. 68, 6g, (6F1CKER, «Die Volkerstämme der öster- 
reichisch-ungarischen Monarchie», Wien, 1869, gibt S. 90 die Zahl der 
f)eutschen in ganz Ungarn auf 1.800,000 Seelen an. Nach ScHWiCKER, 
• Statistik des Königreiches Ungarn», p. is.^r beträgt deren Anzahl 
j. 898, 200 — 12*30/0 der Gesammtbevölkerung.^) 

5=s (S. 297.) Programm des evang. Gymnasiums in Schassburg zum Schlu^^se 
des Schuljahres 1874,5. Hermannstadt, 1875. 

5*9 (S. 297.) Lenhüssek, ♦.Cranioscopiaw, p. 164. 165. 

530 (S. 299O Ladislaus der Kumanier schenkte im Jahre 1285 dem Maj^ister 
Georg Süvar. So-patak (Salz-Bach) und Deine' mit den Salzgruben und 
Salzquellen (quasdam villas nostras regales Soowan Soopatak et Deine 
vocatas in Comitatu Sarus e.\istenles cum fodina seu puteo sahs ibidem 
existente), KL\roN'A, VL, p. 914, Das Geschlecht der ♦•Soos de SövÄr» 
stammt von diesem Magister Georg'ius. 

53T (S* 29g.) PalackY, «Geschichte von Böhmen«, 1., p. 102, 196. Auf derlei 
Phantasmen passt vollkommen das deutsche Sprichwort : «Wer das iVfttn | 
und Aber erdacht, hat längst aus Häckerling Gt>ld gemacht.» 

53« (S. 300.) Meines Wissens beging diesen Fehler ;iuer&t SzALAV in seiner | 
f Geschichte Ungarns«. Deutsch von H. WÖ(;erer (Pest, 1866), Bd. I.. | 
S. 4, Andere folgten ihm nach, 

533 ^S, 300.) BriiiXGER, «Oesterr. Geschichte*, L, p. 300— ^or, 

534 (S. 301.) «Liberi quique ac hospites, sicut Sclavi vel ceteri sunt extranei, J 
qui in terris laborant aliorum, pro übertäte tantutn denarios dent» . . . 

535(S. joi.) '«Oesterr. Geschichte«, L, p. 208. BüoiXGER weiss es nicht! 
oder übersieht es absichtlich, dass es eine Zeit gegeben, in der die reii-1 
gl Öse Ueberzeugung der theuerste Schatz eines Volkes war und dass inl 
dieser Zeit ein grosser Theil dieses «tief herabgekommenen » slovakischenJ 
Volkes seinen Gott auf protestantische Weise verehren konnte, indcssj 
«deutsche Männer»» die protestantischen Salzburger von Haus und Hof 
und aus dem feinde vertrieben. Derlei leeres Gerede soUte ein emsttflj 
Historiker sich nicht zu Schulden kommen l.issen. 

53fi (S. 301.) Ich entsinne mich sehr wohl der damaligen Prager JoumaleJ 
«Wenn jedes Volk auf dem Erdenrund die Freiheit verdient, so sinq 
allein die Magjaren derselben nicht würdig», so schrieben dan^als dies 
Blätter und schürten emsig den Aufstand zu einer Zeit, da wir hier un 
freuten, durch die Gesetze in Pressburg dem Bauernstand gleiche Recht« 
mit dem Adel verschafft zu haben. 

537 (S, 301.) Ks kann sein, dass die magyarische Benennung «tot» (:z= Slo 
vake) vom slovakischen «to-to» =^«das ist« herstammt; denn diese beide^ 
Wörtlein vernimmt der des Slovakischen Unkundige am häufigsten ij| 
slovakischer Rede* Auf ähnliche Weise entstand ja auch das franÄÖs'"^ 





nach den Länder^/ 




in 


Russland .... 


62, 6s 1,1 10 


s 


H 


Preussen .... 


. 2.661,385 


» 


H 


Sachsen ..... 


52^000 


jf 


n 


Oesterreich . . . 


16.921,140 


H 


« 


Serbien 


1.150,000 


n 


» 


Rumänien . . . 


520,000 


n 


tj 


der Türkei .... 


6.260.000 


Hl 


lA 


Montenegro . . . 


123,000 


M 


Ik 


Italien 


29,000 


1» 



sehe «languedocit. d. i. jener französische Dialect^ welcher das M>"uiw = 
ioc» (^ hoc est = tO'to = das ist} ausspriclit. 

i (S. 302.) c^Dies ist namentlich in dem Comitate Neitra der Kall, wo die 
Slovakisirung trotz des theil weise erfolgreichen Kntget^renwirkens der 
römisch-katholischen Geistlichkeit dennoch reissende Fortschritte macht. 

29 (S. 302.) Sctns'lC KEi^, «Statistik des KÖnig^reiches Ungarn i+, p. 156.6 

(S. 302.) Sasinek, «Die Slövaken«, 2. Aufl. (Pra^, l8?5). P- 13: * Die 
Zahl der Slovaken kann man mit g^utem Gewissen auf 3.000,000 veran- 
schlag-en, so dass 2,500,000 auf die compact, 500,000 auf die zerstreut 
lebenden fallen.» — Im Jahre 1875 erschien zu St. -Petersburg die ethno- 
graphische Karte von M[KKDVic\s, welchei; Bltdilovics statistische 
Daten beifügte. Darnach betrüg-e die Gesammtzahi aller Slaven 90.365,683 
Seelen und 2 war : 

nach den eth?iogr. Verschiedenheiten 
Russen ........ 61.199,590 S. 

Polen . 9.492,162 » 

Niederlausitzer . . . 40,000 » 

Oberlau sitzer .... 96,000 « 

JCassuben 110,000 •• 

Cechenj Mährer . . 4.851,120 » 

Slovaken 2.223,820 » 

Slovenen ...... 1.287^000 

Serbo-Croaten .... 5-980,539 

»Bulgaren 5.123,952 
nach den Religiimsbekenntnissen ; 
Griechisch-Orientalische (Orthodoxe) . . . 62.179,635 Seelen 
Raskolniks (russische Schismatiker) . . . 3.074,127 » 
Griechisch- Unirte , . 3.147,429 » 
Römisch-Katholische ........... 19,628,442 » 
Protestanten 1,436,000 « 
Muhamedaner 900,000 « 

\Me es scheint, haben Sa.sinkk und HruiLC^vics die Anzahl der 
Slovaken aus einer Quelle entnommen. 

W (S. 302.) «Statistisches Handbüchlein für die österreichische Monarchie, •• 
4. Aufl., Wien, 1861. — (6F1CKER hat [1. c, p. 90] 2.210,000 Nord- 
slaven [wozu auch die Ruthenen gerechnet sind]; Schwrker, w Sta- 
tistik »^ p. 153, setzt die Zahl der Slovaken auf 1-835.334 Seelen oder 
11*90,0 der Gesammtbevölkerung des Königreiches. 5) 

fS. 303.) Sasinek, 1. c, p. 82. 
|3 (S. 304.) Sa.sinek, 1, c, p. z-^\ «Was die Religion betrifft, so gehören 
beiläufig I, To der Bevölkerung der Slovakei der k.atholi sehen Kirche, ^/jo 
der Augsburger Confession, »/ro dem Judenthume an. Da die Juden, sehr 
wenige ausgenommen, keinen nation.alen Charakter haben, so dürfen sie 
am allerwenigsten eine deutsch-nationale Sonderstellung beanspruchen. 1» 
Ob Sasinkk die übrigen 7 10 etwa der griechisch -orientalischen Kirche 
anempfiehlt? Dass die russische Kirche bei den slavischen Schriftstellern 
und «Führern"« das pium desiderium ist, geht aus mehr als einer Erschei- 
nung hervor. Allein in diese Kirche wünscht sich weder ein katholischer 
noch ein protestantischer Slovak ; denn «die Religion der Slovaken ist 
tief», sag^t Sasinkk selbst. 

^ (S. 305.) In Pudlein hielt im Jahre 1645 am Sonntage nach Pfingsten 
ein Piarist die erste polnische Predigt : in Bartfeld übergab Stefan 

;nOiLlvy» Etbnogr. 28 



1 



Kolosvary. Domherr von Krlau. im Jahre i(^;^ polnischen s\uutin tut 
den Protestanten entrissene Pfarren^uhnun^t; und die Schule. — Vgl. 
IGSAZ BlUliRMAKN, «Die ungarischen Ruthenen» (Innsbruck, i862\ ' 
p, 10. 

>45 fS. 305. BlDERMAXN, 1. c, p- 2, 3. BiDERMANN hat in seinem Wt^rke 
(der erste Thcil erschien im Jahre 1862. der zweite 1867) mit grossem 
Fleisse alle Daten \lber die Ruthenen zusammengetrag^en und selbe auch 
wohl verarbeitet ; nur verfällt er stets in den Fehler» einzelne Verführun- 
gen der jeweilig^en ung^arischen Reg^ierunjtr oder Anordnungen der ungari- 
schen Gesetze vom national ist tscken Tendefizstandputtkte aus inter-I 
pretiren zu wollen* In der ungarischen Geschichte und im ungari sehen' 
Rechte begegnet man allerdings Motiven des adeligen Privilegiums 
und der religiösen Confcssion ; allein das Nationalitätsprincip ist bi»j 
zum Ende des r8- Jahrhunderts nirgends zu finden ; ja noch die ersteü 
Jahrzehnte unseres Jahrhunderts sind von dem EinHusse dieses Principe 
ziemlich frei. — Ausser dem Werke von BlDERMAN'X erwähne ich noch! 
K. Me.szAROS, « Magyar orszÄgt oroszok» = *• I^nL^irische Rutlu [ummI 
(Pest, 1850). 

S4<i (S. 306.) Wie dies der Anunymu.s ,cap. X. 1 lui^Lnat nnasSL^n brn< nu r. : 
«Similiter et multi de Rutbenis Alnie duci adhaerentes secum in Panno-| 
niam venerunt, quorum posterttas usque in hodiernum diem per diversa 
loca in Hungaria habitat^ ; ^apud ENDLICHER, p.^ 12. — Simonis dq 
K^za, der f^ie nicht mit AI mos, sondern mit ArpM^hierherkoraraeiii 
lässt, erzählt dies auf folgende Weise: «Hie igitur ArpÄd cum gentd 
sua Ruthenorum alpes prior perforavit, et in tluvio Gng primus lixit su 
castra». ENDLICHER, L c, p. 103. K6za nennt also die östlichen 
paten schon «ruthenische Alpen», 

S47 (S. 306.) *Uadu de custodibus silvae Beregu impetüt convillanum suu 
Vulcanum pro occisione tiliae suae per potionem \ judice Mescu Comitdj 
de Beregu» pristaldo Andrea.» Regestrum de VÄrad, 324; ap» ENDLICHER 
p. 71«. 

54S (S. 307*) Die Lithauer treten im 12. Jahrhundert her\*or ; im Jahre 123 j 
wird Ringold der erste Grossfürst der Lithauer^ Gedirain eroberte iü 
Jahre 1320 Wolhinien, Kiew, Severien, Tschemigow von den Russen 
also auch Novo-Grodek oder Schwarz-Ruthenien. Die Söhne Gcdimin 
theilten unter sich das Reich, der eine Sohn, Kor tat, wurde Fürst voij 
Novo-Grodek und Wolkowisk, der andere, Olgerd^ Grossfürst. Des Let 
tem Sühn, "Jagjelhi, vereinigte im Jahre 1386, als König von Poleil 
Lithauen mit Polen- •- Die Söhne Koriats^ die Koriatovicse, wurden vol 
ihrem Oheim verfolgt ; drei von ihnen suchten bei dem polnische^ 
Könige Kasimir Schutz, der vierte, Theodor, kam zu dem ungarische 
Könige Ludwig dem Grossen, Nach Kasimir folgte auf dem polnische 
Ihrone Ludwig der G rosse ^ dessen eine Tochter, Hedwig, des yagjelA 
Gemahlin wurde. Auf solche Weise entwickelte sich das VerhäJtnis 
Ungarns zu Polen. 

549 (S. 307.) Pray, «Specimen Hierarchiae«, unter <iEpiscopatus Munkacsied 
öis*» ((5 Lieber die Schicksale des Munkäcser Bisthums und die kirch^ 
liehen Verhältnisse der Ruthenen überhaupt vgl. FIEDLER» <i Beiträge zur 
Geschichte der Union der Ruthenen in Nordungarn •♦, in den SitzungSj 
berichten der Wiener Academie, Bd. 3g, 1862, S» 4S3 fl'. und KronesJ 
«Ungarn unter Maria Theresia und Josef IL 1740 — 1790.1» (Graz, 1871 
p. 79 ff. 5) 



550 (S. 307.) BlDER>L\NN, 1. 

551 (S. 307.) Ibid. p. 55. 



IL. 74* 



435 

5sa (S. 307.) BiDEkMANN (L c, TT., 75) nennt folgende ehemals deutsche 
Ortschaften : Kojsso, Helczmanöcz, Poracs^ Szlovinna, Brutöcz, Hoder- 
niark (Hundertniark), Szulin, Krempach, Ressow, Klyuso, Gabolto, 
Lenarto, Hcn-arto, Hosszuret, Richwald. Stellbach^ HÖni^, Kleraberk 
u. s. w. 

553 (S. 308.) Die sechs Hajdukenstädte sind: Böszörm^ny (19,308 Einwoh- 
ner), Dorog (8216 Einwohner), Hadhäz (7024 Einwohner), Nanäs (13,198 
Einwohner), Szoboszlö (12,269 Einwohner), Vamos-Pi^rcs (2999 Einwoh- 
ner) ; zusammen 63,014 Einwohner, Thr Gebiet, der bisherige Hajduken- 
distrikt, beträg^t 19 □ Meilen ; auf eine Q Meile kommen also 3316 
Seelen. Darunter befinden sich etwa 10,000 magj'arisirte Ruthenen grie- 
chisch-katholischer Confession. 

554 (S, 368.) FKXVliS, «Magyarorszag statistikaja» = <* Statistik von Ungarn», 
Pestj 1842, L, ioi-=i02. 

555 [S, 309.) Vgl. ScHWiCKKR, «Geschichte des Temeser Banats% p. 432. 
— Fenves, I, c, I., 73. 

55^ (S. 309.) d Statistisches Handbuchlein, w Wien, 1861. 

557 (S. 309.) 6 CZOERNIG (HÄVFFLER), «Ethnographie», II., 152. 

sss (S. 310.) SZAL.4Y, nA magyarorszägi szerb telepek viszonyai az all am- 
hozit = «Die staatsrechtlichen Verhältnisse der serbischen Niederlassun- 
gen in Ungarn» {Pest, 1861), p. 5. 

553 (S. 310.) «Ethnographie», IL, 153. 

560 (S, 310.) SZALAY, «Geschichte von Ungarn.»» 2, Auflage (in mag^^ari- 
scher Sprache), Bd. IL, 386 — ^Sy. Wie bedeutend diese Güter gewesen, 
erhellt daraus, dass der Despot davon ein Jahreseinkommen von 50,000 
Stück Dukaten bezog. Nach dem « Regestrum Sigismundi impcr. et reg. 
Hungariae» bei KOVACHICH, Supplem* ad vestigia comitiorum, L^ p. 
374 hatte der Despot von Serbien i^ooo Reiter in das Lager bei Ozora 
(Baranyaer Comitat) zu stellen. G.-A» XXTI : 1498 setzte dessen Bande- 
rium auf 1000 Huszaren fest ^ nach G.-A. V: 1507 hatte er ausserdem 
noch eine Grenzfeste zu erhalten. An Salar aus dem Staatsschatze 
bezog er in Geld 3600, in Salz 1200 fl. 

561 (S. 310.) «Ethnographie« IL, 154, 

5Ö2 (S. 310.) ScHAviCKER, «Geschichte des Temeser Banatsu, p* 98. 

563 (S. 311.) « Ethnographie s^ IL, 154. 

564 (S. 311.) SzALAY, «Szerb telepek», p. 8. — Stojacskovics, «Ueber die 
staatsrechtlichen Verhältnisse der Serben in der Wojwodina» (Temesvdr, 
1860), S. 8. 

563 (S, 311.) Vgl. «Kurzer Bericht %'on der Beschaffenheit der zerstreuten 
zahlreichen illyrischen Nation in k, k. Erblanden.* (Verfasser dieses 
Bvichleins ist der österreichische Staatsminister Freiherr v. BartENSTEIN. 
Vgl. Arneth, Johann Christoph Bartexstein und seine Zeit im ^^ Archiv 
für Österreichische Geschichte j% Bd. 46, S. i und SCHWJCKER, wZur 
Geschichte der kirchlichen Union in der croatischen MilitärgTenze» im 
• Archiv für die österreichische Geschichte •», Bd. 52, 2. Hälfte» S. 275, 
insbesondere S. 312 ff.) Die Schrift Bartenstetn's war zum Unterricht 
des Erbprinzen Josef (nachmals Kaiser Josef IL) bestimmt und erschien 
zu Frankfurt und T^ipzig 1802. Zum Texte vgl. p. 6—7, 9. 

S. 312.) Szalay, »t Szerb telepeki*, p. 35. 

(S. 312.) Vgl. CsAPLOVics, «Slavonien» IL, p. 185. Fesxlkk, «Geschichte 
der Ungarn tt (t, Ausgabe), Bd. 5, 595. CzOERNiG, «Ethnographie 1 IL, 156. 

2B* 



s^ (S, 312.) SrojAcsKOVics, 1. c, p, 9, 

569 (S. 311,) Hammkk-Pl'ROSTALL, «Geschichte des osmatiischen Reichesi|| 
2. Ausgabe, Bd. IL. p. 56. 

s?o (S. J^tz.) Solrhe Türkcnein falle sind ^verzeichnet aus den Jahren 1463,1 
146;^, 146g, 147S, 1484, 1493, 15 12, 1514, 15^7, 1528. CzOERNTG, «Ethno-I 
graphie» IL, 163, 

57t (S. 313,) Man vgL hierüber Hietzinger, * Statistik der Militärgrenze »J 
Bd. L, p. 15 ff. 

57» (S, 313.) Vgl. CSAPLOVICS, L C, IL, 29. — HlETZlNGER, 1. C.» L 25. —| 

CZOERNIG, * Ethnographie n IL, 269. 

573 (S. 324.) VgL FtEDLEK, « Beiträge zur Union der Walachen (Machen) inl 
Slavonien und Symiien». (Wien, 1867.) — ScHWicRER, *Zur Geschichte j 
der kirchlichen Union.» (Wien, 1874.) S- 15 — 16^ t8. 

574 (S. 324.) VgL ScHWlCKER, «Geschichte des Temeser Banatsi», Seite J 
142 — 143. — Dann SZALAY, « Szerb telcpck»*, p. lo^ii- — MailÄTH, " 
♦.Geschichte der Mag>^aren^ Bd. iV., p. 11— 12. — STOJACSROVICS, l 
c, p. 10 macht den «schwarzen Mann»* als n Johann Csemovics« zum 
siebenten serbischen Despoten in Ungarn. Diese Ansicht ist nicht stich- 
hältig. — Ueber den Parteigänger sind übrigens noch zu vergleichen , 
die interessanten Mittheilungen des Hofkaplans König Johannas (Sza- 
polya) Georgius aus Syrmien (». Georgin s Syrmiensis Epistolae de perdi- 
cione regni Hungarorum w* Pest, 1860. Ein Auszug daraus in « Budapesti 
Szemlew — ♦> Budapester Revue ü 1860, Bd. X.. p. 180, 1^2,) Auch BucH- 
HOLTZ, «Geschichte Ferdinand L», Bd. IIL, p. 219 und die Chronikl 
Hein^rich Ostermaver's bei Kemenv («Deutsche Fundgruben der sie-l 
benbürgischen Geschichte», Bd. L, p. 11, 13) enthalten interessantel 
Daten über die Erhebung dieses serbischen Parteigängers. Siehe auch] 
«Les Serbes de Hongrie» (Prag und Paris, 1873), p. 48 — 50. 

575 (S. 304.) Szalay, «Szerb telepek», p. 11. 

5?^ (S. 314.) VgL Der Bericht eines königlichen Hofbeamten aus dem Jahn 
1551 in «Monumenta Hungariae Historica.» Diplomataria. IL p. 258 — 259I 
(Pest, 1S5S). Diese Angaben von der übenviegend serbischen Bevölke-j 
ning der Temeser Grafschaft werden auch durch einen zweiten Bericht^ 
aus dem Jahre 1551 bestätigt. Ibidem p. 276 — 278. Ebenso dicht wohn-t 
ten die Serben im Torontäler Comitate, das seit Ende des 16. Jahrhun-J 
derts und bis ;;ur ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im gemeinen 
Sprachgebrauche Rascien (Rascia) genannt wurde. CZOERXIG, L c,,^ 
H. 161. 

577 (S. 314.) Szalay, «(Szerb telepeks p. 15. — Szaeav behauptet bei die*| 
ser Gelegenheit, dieser Theodor sei der «erste griechisch-orientalischd 
Bischof in Siebenbürgen gewesen». Diese Behauptung ist ebenso unrich-^ 
tig als jene, womit die Schrift («Les Serbes de Hongrie», p. 56 debutirt,^ 
dass nämlich obiger Theodor «in Hermannstadt ein serbisches Bisthum 
gegründet habe, das allmälig^ seine Autorität auch über den gesamm* 
ten rumänischen Clerus ausgedehnt haben. 

57S (S. 314.) Prever, «Monographie der königlichen Freistadt Temesvari»J 
p. 56. 

579 (S. 315.) Arneth, «Prinz Eugen v. Savoyen •*, IL, 406, 

s8o (S. 315.) L^'cber Georg Brankovics und dessen Bruder, den Metropoliteij 
Sabbas von Carlsburg in Siebenbürgen vgl. Szalay, «Szerb telepeki*,| 
16 — 19 und oLes Serbes de Hongrie»^ p. bi ff. Letztere Schrift benüta 
auch die allerdings bisher noch niclit ganz aufgehellten Schicksale de 



437 



Georg Brankovics zu heftig^en Ausfallen gegen das osterr. Kaiserhaus, 
gegen die Deutschen und Magyaren, 

58» (S. 316.) Vgl, RÖDER, «Des Markgrafen Ludwig von Baden Feldzüge 
wider die Türken» (Karlsruhe, 1842), Bd. IL, p. 76, 78, 176. 

58a (S. 316.) VgL Bartenstein, 1. c, p. 14—15^ 

583 (S. 316,) Siehe den Text des Aufrufes bei CzOERNiG, «Ethnographie», III., 
Beilagen, p. 69^70. 

584 (S. 517.) Ibid. p, 68. 

585 (S. 317-) Hammer-Purgstall, «Geschichte des osmanischen Reichesi«, 
IlL. p. 839- 

586 (S, 318,) CzOERNlG, 1. c, IIL (Beilagen [p. 93] « Regcstcn zur Geschichte 
der Serben.») 

5B7 (S. 318.) Ibidem p. 93—94. 

5ß8 (S, 318.) Stojacsko\ ics [1. c, p. 14) setzt die Zahl der eingewandert 
ten Serben auf 500,000 Seelen, indem er darauf hinweist, dass die Ser- 
ben auch dermalen noch in Hauscommunionen leben, wobei die Fami- 
lien i^ — 20 Köpfe stark sind. Wir bezweifeln aber, ob der Rückschluss 
von den heutigen Zuständen auf die Verhältnisse jener Zeit gestattet 
sein kann. — Die Combination in dem Buche «Les Serbes de Hongrie», 
p. j^5, dass im Jahre i6go mit dem Patriarchen Csernovics nur eine 
«kleine Anzahl serbischer Familiemo, das Ctvos der Serben aber erst im 
Jahre 1694 nach Ungarn eingewandert sei, beruht auf keinem stichhäl- 
tigen Grunde. 

589 (S. 318,) Vgh «Szazadoki» == h Jahrhunderte» (Pest, 1868), p. 537, 

59*^(5. 319.) Kin Decret des Wiener Hofkriegsrathes vom 11. März 16^1 
erklärt j dass die Raiczen, da sie den Comitatsgerichten nicht unterwor- 
fen sind, auch von der Lieferung der Winterbeiträge (für die Armee) 
frei und ausgenommen sein sollen. Czoernig, L c, IIL 2, p. 94. 

S9* (S. 319,) Den Text des Privilegiums s, bei Csaplovics, «Slavoniem*, Bd. 
IL, p, 30 — 34, VgL ausserdem SxALAV, l. c, p. 34 und Czoernig, 
1. c, p. 94. 

59* (S. 319.) Vgl. üben Note 565. 

593 (S. 319O Vgl. den Wortlaut der serbischen Privilegien vom 21. August 

1690 und öfters. Bartenstetn, L c», p, 35. Doch kann dieses «per 
modum pactii« unmöglich dahin ausgedehnt werden, dass die Serben 
auch bei ihrer definitiven Niederlassung in L'ngarn noch weiterhin einen 
«Staat im Staate» bilden sollen. 

594 (S, 320.) CZOERXIG, p. 94, 95. 

505 (S, ^2oO Monasterly war durch die «raiczische Communität» zum Vice- 
Wojwoden gewählt und mittelst kaiserlichen Decretes vom 11. April 

1691 in dieser Würde bestätigt worden. Vgl. CzOERXIG, 1. c, p. 76. 

596 (S. 320.) Czoernig, h c, p. 82. 

597 (S. 321.) Ibid. p. 83, 

598 (S. 321.) Die strenge Organisirung dieser Grenze erfolgte erst später. 
Vgl. HlETZlNGER, 1. C, L, p. 29 ff. 

599 (S. 321.) So z, B. den Serben im Pest-Piliser Comitate unter dem 11. 
Juli 1695, den Ofner Serben unter dem 16. Juni 1698, den Serben in der 
Grenze unter dem i. Juli 1698, den Serben des Syrmier Comitats unter 
dem 2. Juni 1699. Vgl. CzoERNiG, L c, p. 95—96. 



:== «Unser VatcTiand und suinl 



600 (S. ^22.) VgL CZOERNIG. l. C, p. lOO— lOI. 

^i (S. 322.) Ibidem» p. loi. 

^' (S. 322.) Vgl, ScHWicKEK, *ZuT Geschichte der kirchlichen Vnlon 
der croatischen Militärgren/e » (Sep.-Abdr.), p. 88, 

*03 (S. ^23.) Vgl. tActenmässige Darstellung der Verhaltnisse der gr. nichtJ 
unirten Hierarchie in Oesterreich« (Wien, 1860.), S. 15» 

^4 (S. 324.) Vgl. JlRRCEK, «Entstehen christlicher Reiche im Gebiete ded 
heutigen österreichischen Kaiserstaates >» (zweiter Band der KOesterrJ 
Geschichte für das Volk».), p. yi — yz. — Bezüglich des Namens * Ras-[ 
cier, Rascien» bemerkt Roesler^ «Romanische Studieni», p. 209, das 
der Name von der Stadt Rascha am Flusse Raschka herkomme und die 
Bezeichnung «raiczischt zum ersten Male in einer Urkunde Stefan II. 1 
Radoslaw vom Jahre 1234 erscheine, 

60s (S. 325.) Nur beim Nationalcongi'css des Jahres 1790 wurde ausNa/ims-t 
weise die Einberufung von 2^ Vertretern des serbischen Adels gestattetJ 
"so dass der Congress ohne die Bischöfe 100 Mitglieder zählte. VgLj 
• Acten massige Darstellung» etc., p, 24. 

606 (S, 326.) tActenmässige Darstellung! etc., p. 8. 

^07 (S. 327.) CZOERNIG, L, p. 51 ff. 

608 (S. 328 J Keleti, «Hazdnk 6s n6pe» 
Volk.» Erste Ausgabe, p. 66 — 67. 

609 (S. 328.) CZOERNIG, 1. c, L, p. 61 ff. 
^''o (S. 328. CsAPLovics, «iSlavonieni», IL, 70. 

ß" (S. 328.) FlsNYES, • Stall sztikai», L, 71, 72. 

61* (S. 328.) CZOERNIG, 1. c, L, 78. Im eigentlichen Ungarn schwindet defj 
serbische Volksslam m augenscheinlich immer mehr. Dies beweist nichll 
blos das nahezu gänzliche Verschwinden der Serben in Erlau, Stuhl- 1 
weissenburg, Szegedin, Kecskem^t und die continuirliche Abnahmel 
derselben in Pest, Ofen und anderen Orten ; .sondern auch die statisti-j 
sehen Daten mit Bezug auf die von Serben bewohnten Landestheile 
überhaupt. Die hierin gewiss unverdächtige Schrift «Les Serbes dö 
Hongrien gibt p. 363 an, dass in den Coraitaten Ungarns die Zahfl 
der Serben im Jahre 1797 344,362, im Jahre 1847 ^^^^ 4^5*5/9 Seelen 
betragen habe; diese Zahl sei aber im Jahre 1867 auf 413,262 gesunken,! 
Es ist jedoch geradezu lächerhch, wenn die in Rede stehende Tendenz-f 
Schrift diesen Rückgang in der serbischen Bevölkerung der h Hegemonie 
der Magyaren» zur Uast legt. In jenen Landcstheilen, wo die Serben 
zumeist wohnen, bilden die Magv^aren keineswegs die Majorität dti 
Bevölkerung: im Gross-Kikindaer District (Serben 88-9 "0, Magyaren 
6'64 *^/ti)f in Torontäl (Serben 19*45 Vo, Magyaren i7'58 Vo), Bäc$| 
(Serben 15*38 %, Magj^aren 41*95 **/")> Temes (Serben 6*9 
Magyaren " 7" %), Die Ursachen dieses Rückganges sind beim serbi^ 
sehen Volke selbst zu suchen. Das haben einsichtsvolle Männer unte 
den Serben auch erkannt und nachgewiesen. 

ßJ3 (S. $2S.) «Les Serbes de Hongrie»! p. 368—369. 

614 (S. 328.) SCHWICKER, «Statistik des Königreichs Ungarn t, p. 153 und 
«Les Serbes de Hongrie», p. 369-* 370. 

•615 (S. 330.) Karadschidsch proponirte für das Wort nSchokaczi dii^ 
Ableitung vom italienischen «sciocco» — «Schwächling)» (weil sie de 
alten Glauben verlassen konnten?). Vgl. «Les Serbes de Hongrie», 
368. ^ Eine andere Herleitung ist von csak«, d. i. «flache Hand«] 




/ 



430 

Komorn, Debreczin, Eperies, Güns, Raab, Eisenstadt, Modern, Neusatz, 
Pressburg, Oedenburg, Skalitz, Szatmar-Nemeti, Szegödin, Tyrnau, Zom- 
bor. Unter diesen Städten sind einige neueren Datums, wie Theresiopel, 
Neusatz, Zombor. Aber mit Ausnahme der i6 Zipser Städte waren 
sämmtliche «königliche Freistädte » . 
•=.04 (S. 281.) Nullus principum nöstrorum violentum descensum facere possit 
super eos, nee aliquid contra eorundem recipere voluntatem, sed descen- 
dens justo pretio sibi necessaria debeat comparare. «Ethnogr.», II., 323. 
Istud etiam non est silentio praetermittendum, quod Nobis ad villani 
eorum accedentibus prandium et coenam administrent, secundum villae 
ipsorum incrementum. «Ethnogr.», IL, 322. 

505 (S. 281.) Villa Teutonica ditissima. Rogerius, Carm. Miserabile, Cap. 16. 

506 (S. 282.) Dass hier an Blödel (Bl^da oder Buda), den älteren oder jün- 
geren Bruder Attila's, nicht gedacht werden kann, bedarf kaum einer 
Erwähnung. 

507 (S. 282.) «Ethnographie.» IL, 207. 

508 (S. 282.) Graf JosKF Teleki^ «Hunyadiak kora» = «Zeitalter der Hu- 
nyaden», L, 75, .76. 

509 (S. 282.) «Ethnographie», IL, 249. 

sio (S. 284.) In den westlichen Theilen des Landes jenseits der Dortau be- 
finden sich ausser den Grenzstädten Oedenburg, Rust, Eisenstadt und 
Güns nur noch Gran, Raab, Stuhlweissenburg und Fünfkirchen, zusam- 
men acht Städte, dagegen sind diesseits der Donau 25, zu denen man 
als karpatische Städte auch die Zipser, Säroser und Abaujvärer rechnen 
muss ; demnach man hier 31 königliche Freistädte antrifft. Nimmt man 
endlich auch noch die 16 Zipser Kronstädte und die 6 oder 7 Zipser 
Bergstädte hinzu, so ergibt sich, dass die meisten Städte in diesem 
Theil des Landes liegen. 
5" (S. 284.) Benjamin Szaho (1. c, p. 47) behauptet, dass die ursprüng- 
lichen Einwohner der Zips Magyaren gewesen seien. 

512 (S. 285.) Ipsi Saxones et Latini (Wallonen) voluntarie assumserunt ac 
praecise praestito juramento, quod decimas eo modo et ea integritate 
suis plebanis et sacerdotibus per totum Comitatum de caetero sicut 
Hungari et Slavi in Scepusio existentes decimas ipsas persolvere sunt 
consveti. Katona, VI., 844, vom Jahre 1280. Von demselben Jahre: 
Prout sumus eruditi, et sicut Hungari et Sclavi suas erogant decimas. 
Ibid. 847. 

513 (S. 286.) «De illo ante omnia soUiciti erant (jesuitae), ut magistratus 
civicus, exclusis in totum Evangelicis, ex solis constaret Romano-Catho- 
licis. Qui quoniam inter cives non reperiebantur, idcirco extranei in ci- 
vitatem sunt introducti, civibusque praepositi.» Mathias Bahil. Tri- 
stima eccles. Hungariae Protestantium facies. Monumenta Ev. Aug. 
Conf. in Hungaria historica. IL (Pest, 1863), pag. 369. 

5H (S. 286.) Erst nach Verkündigung des Toleranzedictes im Jahre 1781 
wurde den Protestanten gestattet, sich in Pest anzusiedeln. Im Jahn* 
1787 erlaubte es Kaiser Josef IL, dass die Evangelischen in einem Pri- 
valhause Gottesdienst abhalten können. Ihren Kirchenbau begannen die- 
selben im Jahre 1799 und beendigten ihn im Jahre 1805. Die Gemeinde 
der Reformirten constituirte sich im Jahre 1804 ; ihre Kirche begannen 
sie im Jahre 1816 zu erbauen, deren Einweihung geschah aber erst im 
Jahre 1830. (Mit welchen Cabalen die Evangelischen in Ofen zu käm- 
pfen hatten, bis es ihnen gelang, einen Bauplatz für ihre Kirche zu er- 
halten, darüber vgl. eine interessante Mittheilung von Sam. Kurz in 
der «Ungar. Schulzeitung », herausgegeben von Prof. J. H. SCHWICKKR 
(Budapest, 1876), Nr. 30. 

515 (S. 288.) Vgl. SCHWicKER, «Geschichte des Temeser Banats.» 2. Ausg. 
(Pest, 1872), p. 369 ff. 



431 

5*^ (S, 289.) Prav, Specimen Hicrarchiae Hungariae, Pars IL (Possonii et 
Cassoviae, 1779), p. 272, 

5*7 (S. 290.) Blasils OkhÄN, »tA szekelyföld leirasa» — * Beschreibung^ des 
Szeklerlandt!s, Bd. IIL (Pest, 1869), p. 149, beg^reift nicbt, auf welche 
Weise die slavisehen Xamen in das Szeklerland g^ekommen sind; denn 
er hält die S;?ekler für Nachkommen der Hunnen, 

51S (S. 29T.) Desgleichen ist «tavernicus.» (ma,g}'ari5ch tdrnok) =: Schatzmei- 
ster ein dem Slavischen entlehntes Wort, Eine Urkunde Andreas III. 
vom Jahre 1293 spricht von den «iPessn^ken^ y.\i Schmögen in der Zips. 

i Diese w Pessnoken 1» (Beschnuken) sind die königlichen f Hunde wartcr». 
SiCaniferis nüstris de Somog}% de districtu de Scepus, quos vulgari.s \o- 
eutio besnua/s appellat.« Vgl. Benjamin" S>:ai{ü, 1. c,, p. 45. Gleichwie 
iSüolnokt» ein Orts- und Comitatsname g^eworden, sü ist das Gleiche auch 
iKorotnokn (ipsam tcrram KORITNIK cum silva cedimusi»; ibid, p. 47) 
bie «Koritnik» waren vielleicht Mulden- oder Trogmacher. 
(S. 2^2.) •< Ethnographie IS H., 228. 
530 (S. 292.) Rö^erius, »«Carmen miserabile« ap» Endlicher, L c, p, 257 

und 268* 
5^^ (S. 293.} Die Niederlassungen und Schicksale der Siebenbürger Sachsen 
gehören zu den am besten beleuchteten Partien des ethnographischen 
und historischen Bildes von Ungarn und Siebenbürgen. Von Slhlö/er 
angefangen, dessen fleissige «Kritische Sammlungen ;!ur Geschichte der 
Deutschen in Siebenbürgenw (Göttingen, 1795 — 1797) "lan in Ungarn 
hauptsächlich deshalb nicht mag, weil er die Glaubwürdigkeit des Ano- 
Dvrnus, des Thuroczy und anderer ungarischen Chronisten be?:weifelt, — 
is herauf zu PRlEOR. M\UREK, «Die Besitzergreifung Siebenbürgens 
durch die das Land jet/t bewohnenden Nationen» (Uandshut, 1875)^ der 
nur die Forschungen Anderer wit^derholt, haben Viele über diesen Gegen- 
stand geschrieben. (5Eine der werthvollsten Leistungen darunter ist das 
Werk von Dr. G. Teutsch, «Geschichte der Sieben bürger Sachsen. •* 
.2. Aufl., 1874.5) Das «(Arcbiv des Vereines für Siebenbürgische Landes- 
~ undew. welches seit dem Jahre 1840 besteht, bildet diesbezüglich ein 
reichhaltiges Magazin. — GrsxAV Seivert entwickelt in seinem Aufsatzt- 
«Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen vor König Geisa IL« 
(im «Sächsischen Hausfreund», 1875. Herausgegeben von Dr. EutiEN 
\% Trauschenfels in Kronstadt) solche Ansichten, die meiner Meinung 
in Be;!ug auf die Zeit dieser Niederlassungen der historischen Wahrheil 
am meisten entsprechen. — Mit richtiger Würdigung leitet auch Gusi. 

E Wenzel seinen (in magyarischer Sprache geschriebenen) * Beitrag zur 
Geschichte der Siebenbürger Sachsen in der Zeit vor dem Andreanum* 
ein. (Siehe *Akad. Ertekeztsek a Tört. Tud. kör^bÖU ^= «Academische 
Abhandlungen aus der Geschichte ^v, Bd. HL, Pest, 1873.) — (5Werth- 
volle Beiträge zur Kenntniss von Lied und Spruch, Sitte und Brauch der 
siebenbürgischen Sachsen liefern auch die Abhandlungen in den Jahres- 
berichten der siebenbürgisch-sächsischen Gymnasien. Vgl. überdies die 
instructive Skizze von SCHOCHTERi.s, nDer sieben bürgisch -sächsische 
Bauer», Hermannstadt, 1873- 5) 
(S. 293,) «Libertate, qua vocati fuerant a piissimo rege Geysa* avo 
nbstro», ap. ENDLICH KR. p. 241. 
5^2 (S. 293.) Die deutschen Ritter verloren zwar unter dem berühmten Gross- 
meister Herrmann von Sal^iach das Burzenland, allein sie Hessen sich 
im Jahre 1228 in Massovien nieder und begannen im Jahre 1230 den 
Bekehrungskrieg gegen die heidnischen Preussen, welchen sie im Jahre 
1283 beendigten. Der Orden erbaute im Jahre 1274 A/tTriei/l*fir^\ das 
sein Hauptsitz wurde. Diese Ritter gründeten also die Zukunft der heu- 
tigen Grossmacht Preussen.. l'ebcr den Nogat, einen Arm der Weichsel, 
führt eine Etsenbahnbrücke, auf welcher links das Standbild Herrmann's 
von Salzach, rechts das Albrecht's von Brandenburg steht. Dieser 



432 . 

Albrecht wurde im Jahre 15 ii Grossmeister des Ordens, schloss sich im 
Jahre 1525 der Reformation an und machte den vorher geistlichen Or- 
densstaat Preussen -zu seinem erblichen Besitz. Seitdem gelangte Bran- 
denburg- Preussen zu grossem Ruhme. — Während die deutschen Ritter 
die Preussen unterwarfen, thaten die «Schwert- Brüder» dasselbe mit den 
heidnischen Liven und Esten. Im Jahre 1237 vereinigten sich die beiden 
Orden und da sie auf ihrem weissen Ordensmantel ein schwarzes Kreuz 
trugen, so nannte man sie auch v^ Kreuzher reny>. Im Laufe der Geschichte 
wurden also dieselben Ritter, welche das Burzenland gegen die Kuma- 
ncn zu vert heidigen verpflichtet waren, in Liv- und Estland die Behen- 
scher der Stammverwandten der Magyaren^ 
■524 (S. 293.) «Ethnographie», III., 86—89. 

525 (S. 294.) Vgl. «Das Burzenland unter König Ludwig dem Grossen» von 
Dr. Fr. Teutsch im «Sächsischen Hausfreund», 1875. 

526 (S. 295.) «Statistisches Handbüchlein f. d. österr. Monarchie.» Heraus«^. 
V. d. k. k. Direction der administrativen Statistik. Wien, 1861. 

527 (S. 295.) Keleti, «Hazank es nepe» = «Unser Vaterland und sein 
Volk» (Pest, 187 1), S. 68, 69. (6F1CKER, «Die Völkerstämme der öster- 
reichisch-ungarischen Monarchie», Wien, 1869, gibt S. 90 die Zahl der 
Deutschen in ganz Ungarn auf 1,800,000 Seelen an. Nach Schwicker, 
«Statistik des Königreiches Ungarn», p. 153, beträgt deren Anzahl 
1.898,200 =' I2-30/0 der Gesammtbevölkerung.5) 

528 (S. 297.) Programm des evang. Gymnasiums in Schässburg zum Schlüsse 
des Schuljahres 1874/5. Hermannstadt, 1875. 

529 (S. 297.) Lenhossek, «Cranioscopia», p. 164, 165. 

530 (S. 299.) Ladislaus der Kumanier schenkte im Jahre 1285 dem Magister 
Georg Sövär, Sö-patak (Salz- Bach) und Deine mit den Salzgruben und 
Salzquellen (quasdam villas nostras regales Soowar, Soopatak et Deine 
vocatas in Comitatu Sarus existentes cum fodina seu puteo salis ibidem 
existente). Katona, VI., p. 914. Das Geschlecht der «Soos de Sovar» 
stammt von diesem Magister Georgius. 

531 (S. 299.) Palacky, «Geschichte von Böhmen», I., p. 102, 196. Auf derlei 
Phantasmen passt vollkommen das deutsche Sprichwort: «Wer das Wenn 
und Aber erdacht, hat längst aus Häckerling Gold gemacht.» 

532 (S. 300.) Meines Wissens beging diesen Fehler zuerst SzALAY in seiner 
«Geschichte Ungarns». Deutsch von H. WÖGerer (Pest, 1866), Bd. I., 
S. 4. Andere folgten ihm nach. 

533 (S. 300.) Büdinger, «Oesterr. Geschichte», I., p. 300 — ^301. 

534 (S. 301.) «Liberi quique ac hospites, sicut Sclavi vel ceteri sunt extranei, 
qui in terris laborant aliorum, pro libertate tantum denarios dent» . . . 

535 (S. 301.) «Oesterr. Geschichte», L, p. 208. Büdinger weiss es nicht 
oder übersieht es absichtlich, dass es eine Zeit gegeben, in der die reli- 
giöse Ueberzeugung der theuerste Schatz eines Volkes war und dass in 
dieser Zeit ein grosser Theil dieses «tief herabgekommenen» slovakischen 
Volkes seinen Gott auf protestantische Weise verehren konnte, indess 
«deutsche Männer» die protestantischen Salzburger von Haus und Hof 
und aus dem Lande vertrieben. Derlei leeres Gerede sollte ein ernster 
Historiker sich nicht zu Schulden kommen lassen. 

536 (S. 301.) Ich entsinne mich sehr wohl der damaligen Prager Journale. 
«Wenn jedes Volk auf dem Erdenrund die Freiheit verdient, so sind 
allein die Magyaren derselben nicht würdig», so schrieben damals diese 
Blätter und schürten emsig den Aufstand zu einer Zeit, da wir hier uns 
freuten, durch die Gesetze in Pressburg dem Bauernstand gleiche Rechte 
mit dem Adel verschafft zu haben. 

537 (S. 301.) Es kann sein, dass die magyarische Benennung «tot» (= Slo- 
vake) vom slovakischen «to-to» = «das ist» herstammt; denn diese beiden 
Wörtlein vernimmt der des Slovakischen Unkundige am häufigsten in 
slovakischer Rede. Auf ähnliche Weise entstand ja auch das französi- 



431 



he tlanguedQo, d. i. jener französische Dialect, welcher das «oui- — 
öc» (= hoc est == to-to = das ist) ausspricht. 

f3Ä (S. 302.) ^Dies ist namentlich in dem Comitate Keitra der Fall, wo die 
Slovakiäiruniüf trotz des theil weise crfol^^reichen Entj^eg^enwirkens der 
röniTsch-katholischen Geistlichkeit dennoch reissende Fortschritte macht. 

53? (S. 302.) ScHWicKER, «Statistik des Königreiches Ungarns p. 156.5 

i«> (S. 302.) Sasinfk, «Die Slovaken», 2. Aufl. (Prag, 1875), p. 13: «Die 
Zahl der Slovaken kann man mit gutem Gewissen auf 3.000,000 veran- 
schlagen, so dass 2.500,000 auf die compact, 500,000 auf die zerstreut 
It-benden fallen, i» — Im Jahre 1875 erschien zu St, -Petersburg die ethno- 
graphische Karte von MiRKOvrcs, welche^; ßiiDTT.ovrcs statistische 
Daten beifügte, £>arnach betrüge die Gesammtzahi aller Slaven 90,365^683 
Seelen und üwar : 



nach den Landern 

in Russland . . . . , 62.651,110 S, 

n Preussen , 

« Sachsen , . 

* Oesterreich 
■k Serbien . . 

* Rumänien 
I ■> der Türkei 
I •♦ Montenegro 
I •> Italien . . 



2.661,385 

52^000 

16.921,140 

1.150,000 

520,000 

6.260,000 

123,000 

29,000 



nach den ethnogr, Verschiedenheiten 

Russen. ....... 61.199,590 S, 

Polen ........ 9.492.162 i> 

Xiederlausitzer . . . 40,000 » 

Obcrlau sitzer .... 96,000 1» 

jvassuben 110,000 •» 

Cechen, Mährer , . 4,851.120 » 

Slovaken ...... z.ii^^'^io » 

Slovenen 1.287,000 » 



Serbo-Croaten 
Bulgaren 



nach den Religionsbekenntnissen : 



Griechisch-Orientalische (Orthodoxe) 
Raskolniks (russische Schismatiker) 

Griechisch-Unirte 

RÖmisch-Katholischi' 

ProtestantL-n 

Muhamedaner 



5.980,539 
5.123,952 

Seelen 



. 62,179,635 
, 3-074.127 « 

■ 3147.4^9 * 

. 19.628,442 « 

. 1.436,000 it 

900,000 •♦ 

Wie es scheint, haben Sasint;k und 13l'r>lLOVics die Anzahl der 
Slovaken aus einer Quelle entnommen. 

S4f (S, 302.) «Statistisches Handbüchlein für die österreichische Monarchie,- 
4. AuÜ., Wien, 1861 . — (5Ficker hat [1. c, p. 90] 2.210,000 Nord- 
slaven [wozu auch die Ruthenen gerechnet sind]; ScHWlCKEK, * Sta- 
tistik n, p. 153, setzt die Zahl der Slovaken auf 1.835,334 Seelen t>der 
ii'po'o der Gesammtbevölkerung des Königreiches. 6) 

54a fS. 303.1 Sasinek, 1. c, p. ^2, 

Si3 (S. 304.) Sasinek, L c, p. 2y. «Was die Religion betrifft, so gehören 
beiläufig Vro der Bevölkerung der Slovakei der katholischen Kirche, ^lo 
der Augsburger Confession, ^/iü dem Judenthume an. Da die Juden, sehr 
wenige ausgenommen, keinen nationalen Charakter haben > so dürfen sie 
am allerwenigsten eine deutsch-nationale Sonderstellung beanspruchen.« 
Ob Saslvek die übrigen 7/10 etwa der griechisch-orientalischen Kirche 
anempfiehlt? Dass die russische Kirche bei den slavischen Schriftstellern 
und «Führern» das pium desiderium ist, geht aus mehr als einer Erschei- 
nung hervor. Allein in diese Kirche wünscht sich weder ein katholischer 
noch ein protestantischer Slovak; denn «die Religion der Slovaken ist 
tiff», sagt Sasinkk selbst. 

14 (S, 305.) In Pudlein hielt im Jahre 1645 am Sonntage nach Pfingsten 
ein Piarist die erste polnische Predigt : in Bartfeld übergab Stefan 

tiinfalvy, EthnoET. 2o 



434 

Kolosvary, Domherr von Erlau, im Jahre 1672 polnischen Webern die 
den Protestanten entrissene Pfarrerwohnung- und die Schule. — Vgl. 
IGNAZ BiDERMANN, «Die ungarischen Ruthenen» (Innsbruck, 1862), I., 
p. IG. 

545 (S. 305. BiDERMANN, 1. c, p. 2, 3. BiDERMANN hat in seinem Werke 
(der erste Theil erschien im Jahre 1862, der zweite 1867) mit grossem 
Fleisse alle Daten über die Ruthenen zusammengetragen und selbe auch 
wohl verarbeitet ; nur verfällt er stets in den Fehler, einzelne Verfügun- 
gen der jeweiligen ungarischen Regierung oder Anordnungen der ungari- 
schen Gesetze vom 7iationalis tischen Tendenzstandpunkte aus inter- 
pretiren zu wollen. In der ungarischen Geschichte und im ungarischen 
Rechte begegnet man allerdings Motiven des adeltge?i Privilegiums 
und der religiösen Confession ; allein das Nationalitätsprincip ist bis 
zum Ende des 18. Jahrhunderts nirgends zu finden ; ja noch die ersten 
Jahrzehnte unseres Jahrhunderts sind von dem Einflüsse dieses Princips 
ziemlich frei. — Ausser dem Werke von BiDERMANN erwähne ich noch 
K. MeszÄROS, « Magyarorszägi oroszok» = «Ungarische Ruthenen» 
(Pest, 1850). 

546 (S. 306.) Wie dies der Anonymus (cap. X.) folgendermassen berichtet : 
«Similiter et multi de Ruthenis Alme duci adhaerentes secum in Panno- 
niam venerunt, quorum posteritas usque in hodiemum diem per diversa 
loca in Hungaria habitat» ; ^apud Endlicher, p.^ 12. — Simonis de 
Keza, der sie nicht mit Almos, sondern mit Arpad ^hierherkommen 
lässt, erzählt dies auf folgende Weise : « Hie igitur Arpdd cum gente 
sua Ruthenorum alpes prior perforavit, et in fluvio Ung primus fixit sua 
castra». Endlicher, 1. c, p. 103. K6za nennt also die östlichen Kar- 
paten schon «ruthenische Alpen». 

547 (S. 306.) «Uadu de custodibus silvae Beregu impetiit convillanum suum 
Vulcanum pro occisione filiae suae per potionem ; judice Mescu Comite 
de Beregu, pristaldo Andrea.» Regestrum de Virad, 324; ap. Endlicher, 
p. 718. 

548 (S. 307.) Die Lithauer treten im 12. Jahrhundert hervor; im Jahre 1235 
wird Ringold der erste Grossfürst der Lithauer, Gedimin eroberte im 
Jahre 1320 Wolhinien, Kiew, Severien, Tschemigow von den Russen, 
also auch Novo-Grodek oder Schwarz-Ruthenien. Die Söhne Gedimins 
theilten unter sich das Reich, der eine Sohn, Koriat, wurde Fürst von 
Novo-Grodek und Wolkowisk, der andere, Olgerdy Grossfürst. Des Letz- 
tem Sohn, Jagjello, vereinigte im Jahre 1386, als König- von Polen, 
Lithauen mit Polen. •- Die Söhne Koriats, die Koriatovicse, wurden von 
ihrem Oheim verfolgt ; drei von ihnen suchten bei dem polnischen 
Könige Kasimir Schutz, der vierte, Theodor, kam zu dem ungarischen 
Könige Ludwig dem Grossen. Nach Kasimir folgte auf dem polnischen 
Throne Ludwig der Grosse, dessen eine Tochter, Hedwig, des yagjello 
Gemahlin wurde. Auf solche Weise entwickelte sich das Verhältniss 
Ungarns zu Polen. 

549 (S. 307.) Pray, «Specimen Hierarchiae», unter « Episcopatus Munkacsien- 
sis. » ( 5 Ueber die Schicksale des Munkäcser Bisthums und die kirch- 
lichen Verhältnisse der Ruthenen überhaupt vgl. Fiedler, «Beiträge zur 
Geschichte der Union der Ruthenen in Nordungam», in den Sitzungs- 
berichten der Wiener Academie, Bd. 39, 1862, S. 483 ff. und Krones, 
«Ungarn unter Maria Theresia und Josef II. 1740 — 1790.» (Graz, 1871) 
p. 79 ff.5) 

550 (S. 307.) BiDERMANN, 1. C, IL, 74. 

551 (S. 307.) Ibid. p. 55. 



435 

P (S. 30;.) BiDEKMANN (1. c.» II., 75) nennt folgende ehemals deutsche 
Ortschaften : Kojsso, Helczmanocz, Poracs, Szlovinna, Brutöcz» Hoder- 
mark f Hundertmark), Szulin, Krempach, Ressow, Klyuso, Cabolto, 
Lenarto, Henartö, Hosszur^t, Richwald, Stellbach, Honig, Klemberk 
u. s. \v. 

553 (S- 308.) Die sechs Hajdnken Städte sind: Röszörmeny (19,308 Einwoh- 
ner), Dorog^ (8216 Einwohner), Hadhä7 (7024 Einw^ohner), Nanäs (13,198 
Einwohner), Süobosül6 (12,269 Einwohner), Vämos-P6rcs (2999 Einwoh- 
ner) ; zusammen 63,014 Einwohner, Ihr Gebiet, der bisherige Hajduken- 
distriku beträ^^t 19 □ Meilen; auf eine Q Meile kommen also 3316 
Seelen, Darunter befinden sich etwa 10,000 mag^'arisirte Ruthenen grie* 
chisch-katholischer Confession, 

554 (S. 368.) Fen\1!:s, « Magyarorszdg statistikäja » == <> Statistik von Ungarn w, 
Pest, 1842, E, 101^-102, 

555 (S, 309,) Vgl. ScHWlCKLEK, «Geschichte des Temeser Banats», p. 432. 
^ Fkxyes," 1. c, E, 73. 

556 (S, 309.) «Statistisches Handbüchlein. »♦ Wien, 1861. 

557 (S. 309,) 6 CZOERNIG (Hauffler), «.Ethnographie», IL, 152. 

55S (S. 310.) SZALAY, «A mag}^arorszagi szerb telepek viszonyai az allam- 
hoz» =: «Die staatsrechtlichen Verhältnisse der serbischen Niederlassun- 
gen in Ungarn! (Pest, 1861)^ p. 5, 

553 (S. 310.) « Ethnographie t», H,, 153. 

5^ (S. 310.) SZALAY, «Geschichte von Ungarn.» 2. Auflage (in magy^ari- 
scher Sprache), Bd. H,. 386 — 387. Wie bedeutend diese Güter gewesen, 
erhellt daraus, dass der Despot davon ein Jahreseinkommen von 50,000 
Stück Dukaten bezog. Nach dem « Regestrum Sigismundi impen et reg. 
Hungariae» bei KüVACHlCH, Supplem. ad vestigia comitiorum, E, p. 
374 hatte der Despot von Serbien 8000 Reiter in das Lager bei Ozora 
(fiaranyaer Comitat) zu stellen. G.-A, XXII ; 1498 setzte dessen Bande- 
rium auf 1000 Huszaren fest; nach G.-A. V: 1507 hatte er ausserdem 
noch eine Grenzfeste zu erhalten. An Salar aus dem Staatsschatze 
bezog er in Geld 3600, in Salz 1200 fl, 

s6i (S. 310.) «Ethnographie» 11,, 154, 

56» (S. 310,) ScHWiCKER, «Geschichte des Temeser Banatsi>, p. 98, 

563(8. 311.) «Ethnographie» IL, 154. 

564 (S. 311.) SzALAY, «Szerb telepek», p. 8. — STOJACSKOVICS, «Ueber die 
staatsrechtlichen Verhältnisse der Serben in der Wojwodina»» (Temesv4r, 
1860), S. 8. 

565 (S. 311.) VgL «Kurzer Bericht von der Beschaffenheit der zerstreuten 
zahlreichen iUyrischen Nation in k, k. Erblanden.» (Verfasser dieses 
Büchleins ist der österreichische Staatsminister Freiherr v. Bartenstein, 
Vgl. Arneth, Johann Chkistoph Bartenstein und seine Zeit im« Archiv 
für österreichische Geschieh te-s ßd, 46, S. i und SCHV\qcKER, «Zur 
Geschichte der kirchlichen Union in der croatischen Militärgrenze» im 
«Archiv für die österreichische Geschichte >♦, Bd. 52, 2, Hälfte, S. 275, 
insbesondere 5, ^^2 ff,) F>ie Schrift Bartenstein's war zum Unterricht 
des Erbprinzen Josef (nachmals Kaiser Josef IL) bestimmt und erschien 
zu Frankfurt und Leipzig 1S02. Zum Texte vgl. p. 6 — 7, 9. 

5<5ö S. 312.) SZALAY, «Szerb telepek ^ p. 35. 

s«7 (S, ;iJ2.) VgL CsAPLOVlcs, «Slavonienii IL, p. 185, Fes;^ler, «Geschichte 
der Ungarn '>(i. Ausgabe), Bd. 5, 595, Czoernig, «Ethnographien H., 156. 

28* 



436 

568 (S. 312.) STOJACSKOYICS, 1. C, p. 9. 

569(8. 311.) Hammer-Purgstall, «Geschichte des osmanischen Reiches», 
2. Ausgabe, Bd. IL, p. 56. 

570 (S. 312.) Solche Türkeneinfalle sind verzeichnet aus den Jahren 1463, 
1467, 1469, 1478, 1484, 1493, 1512, 1514, 1527, 1528. CZOERNIG, «Ethno- 
graphie» IL, 163. 

571 (S. 313.) Man vgl. hierüber Hietzinger, «Statistik der Militärgrenze», 
Bd. L, p. 15 if. 

572 (S. 313.) Vgl. CsAPLOvics, 1. c, IL, 29. — Hietzinger, 1. c, I. 25.— 
CzOERNiG, «Ethnographie» IL, 269. 

573 (S. 324.) Vgl. Fiedler, «Beiträge zur Union der Walachen (Vlachen) in 
Slavonien und Syrmien». (Wien, 1867.) — Schwicker, «Zur Geschichte 
der kirchlichen Union.» (Wien, 1874.) S. 15 — 16, 18. 

574 (S. 324.) Vgl. Schwicker, «Geschichte des Temeser Banats», Seite 
142 — 143. — Dann SzALAY, «Szerb telepek», p. 10 — 11. — Mailäth, 
«Geschichte der Magyaren», Bd. IV., p. 11 — 12. — Stojacskovics, 1. 
c, p. IG macht den «schwarzen Mann» als «Johann Csemovics» zum 
siebenten serbischen Despoten in Ungarn. Diese Ansicht ist nicht stich- 
hältig. — Ueber den Parteigänger sind übrigens noch zu vergleichen 
die interessanten Mittheilungen des Hofkaplans König Johannas (Sza- 
polya) Georgius aus Syrmien («Georgius Syrmiensis Epistolae de perdi- 
cione regni Hungarorum», Pest, 1860. Ein Auszug daraus in «Budapesti 
Szemle» = « Budapester Revue » 1860, Bd. X., p. 180, 182.) Auch Buch - 
HOLTZ, «Geschichte Ferdinand L», Bd. III., p. 219 und die Chronik 
Heinrich Ostermayer's bei Kemeny («Deutsche Fundgruben der sie- 
benbürgischen Geschichte», Bd. L, p. 11, 13) enthalten interessante 
Daten über die Erhebung dieses serbischen Parteigängers. Siehe auch 
«Les Serbes de Hongrie» (Prag und Paris, 1873), p. 48 — 50. 

575 (S. 304.) SzALAY, «Szerb telepek», p. 11. 

576 (S. 314.) Vgl. Der Bericht eines königlichen Hofbeamten aus dem Jahre 
155 1 in «Monumenta Hungariae Historica.» Diplomataria. IL p. 258 — 259 
(Pest, 1858). Diese Angaben von der überwiegend serbischen Bevölke- 
rung der Temeser Grafschaft werden auch durch einen zweiten Bericht 
aus dem Jahre 1551 bestätigt. Ibidem p. 276 — 278. Ebenso dicht wohn- 
ten die Serben im Torontäler Comitate, das seit Ende des 16. Jahrhun- 
derts und bis zur ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im gemeinen 
Sprachgebrauche Rascien (Rascia) genannt wurde. CzoERNiG, 1. c, 
IL 161. 

577 (S. 314.) SzALAY, «Szerb telepek», p. 15. — Szalay behauptet bei die- 
ser Gelegenheit, dieser Theodor sei der «erste griechisch-orientalische 
Bischof in Siebenbürgen gewesen». Diese Behauptung ist ebenso unrich- 
tig als jene, womit die Schrift «Les Serbes de Hongrie», p. 56 debutirt, 
dass nämlich obiger Theodor «in Hermannstadt ein serbisches Bisthum 
gegründet habe, das allmälig seine Autorität auch über den gesamm- 
ten rumänischen Clerus ausgedehnt habe». 

578 (S. 314.) Preyer, «Monographie der königlichen Freistadt Temesvär», 
p. 56. 

579 (S. 315.) Arneth, «Prinz Eugen v. Savoyen », IL, 406. 

580 (S. 315.) Ueber Georg Brankovics und dessen Bruder, den Metropoliten 
Sabbas von Carlsburg in Siebenbürgen vgl. SzALAY, «Szerb telepek», 
16 — 19 und «Les Serbes de Hongrie», p. 61 ff. Letztere Schrift benützt 
auch die allerdings bisher noch nicht ganz aufgehellten Schicksale des 



437 

Georg Brankovics zu heftigen Ausfällen gegen das österr. Kaiserhaus, 
gegen die Deutschen und Magyaren. 

581 (S. 316.) Vgl. RÖDER, «Des Markgrafen Ludwig von Baden Feldzüge 
wider die Türken» (Karlsruhe, 1842), Bd. II., p. 76, 78, 176. 

582 (S. 316.) Vgl. Bartenstein, 1. c, p. 14—15. 

583 (S. 316.) Siehe den Text des Aufrufes bei CzOERNiG, «Ethnographie», III., 
Beilagen, p. 69—70. 

584 (S. 317.) Ibid. p. 68. 

585 (S. 317.) Hammer-Purgstall, «Geschichte des osmanischen Reiches», 
III., p. 839. 

586 (S. 318.) CzoERNiG, 1. c, III. (Beilagen [p. 93] «Regesten zur Geschichte 
der Serben.») 

587 (S. 318.) Ibidem p. 93—94. 

588 (S. 318.) Stojacskovics (1. c, p. 14) setzt die Zahl der eingewander- 
ten Ser'ben auf 500,000 Seelen, indem er darauf hinweist, dass die Ser- 
ben auch dermalen noch in Hauscommunionen leben, wobei die Fami- 
lien 15 — 20 Köpfe stark sind. Wir bezweifeln aber, ob der Rückschluss 
von den heutigen Zuständen auf die Verhältnisse jener Zeit gestattet 

• sein kann. — Die Combination in dem Buche «Les Serbes de Hongrie», 
p. 75, dass im Jahre 1690 mit dem Patriarchen Csemovics nur eine 
«kleine Anzahl serbischer Familien», das Gros der Serben aber erst im 
Jahre 1694 nach Ungarn eingewandert sei, beruht auf keinem stichhäl- 
tigen Grunde. 

589 (S. 318.) Vgl. «Szäzadok» = «Jahrhunderte» (Pest, i868), p. 537. 

590 (S. 319.) Ein Decret des Wiener Hofkriegsrathes vom 11. März i60i 
erklärt, dass die Raiczen, da sie den Comitatsgerichten nicht unterwor- 
fen sind, auch von der Lieferung der Winterbeiträge (für die Armee) 
frei und ausgenommen sein sollen. Czoernig, 1. c, III. 2, p. 94. 

591 (S. 319.) Den Text des Privilegiums s. bei Csaplovics, «Slavonien», Bd. 
II., p. 30 — 34. Vgl. ausserdem Szalay, 1. c, p. 34 und Czoernig, 
1. c, p. 94. 

592 (S. 319.) Vgl. oben Note 565. 

593 (S. 319.) Vgl. den Wortlaut der serbischen Privilegien vom 21. August 

1690 und öfters. Bartenstein, 1. c, p. 35. Doch kann dieses «per 
modum pacti» unmöglich dahin ausgedehnt werden, dass die Serben 
auch bei ihrer definitiven Niederlassung in Ungarn noch weiterhin einen 
«Staat im Staate» bilden sollen. 

594 (S. 320.) Czoernig, p. 94, 95. 

595 (S. 320.) Monasterly war durch die «raiczische Communität» zum Vice- 
Wojwoden gewählt und mittelst kaiserlichen Decretes vom 11. April 

1691 in dieser Würde bestätigt worden. Vgl. CzOERNiG, 1. c, p. 76. 

596 (S. 320.) Czoernig, 1. c, p. 82. 

597 (S. 321.) Ibid. p. 83. 

598 (S. 321.) Die strenge Organisirung dieser Grenze erfolgte erst später. 

Vgl. HiETZINGER, 1. C, I., p. 29 if. 

599 (S. 321.) So z. B. den Serben im Pest-Piliser Comitate unter dem 11'. 
Juli 1695, den Ofner Serben unter dem 16. Juni 1698, den Serben in der 
Grenze unter dem i. Juli 1698, den Serben des Syrmier Comitats unter 
dem 2. Juni 1699. Vgl. Czoernig, 1. c, p. 95—96. 



438 

6oo (S. ^22.) Vgl. CZOERNIG, 1. C, p. 100— lOI. 

6oi (S. ^22.) Ibidem, p. loi. 

602 (S. ;i22.) Vgl. SCHWICKER, «Zur Geschichte der kirchlichen Union in 
der croatischen Militärgrenze » (Sep.-Abdr.), p. 88. 

603 (S. 32^.) Vgl. «Actenmässige Darstellung der Verhältnisse der gr. nicht- 
unirten Hierarchie in Oesterreich » (Wien, 1860.), S. 15. 

604 (S. 324.) Vgl. JiRECEK, «Entstehen christUcher Reiche im Gebiete des 
heutigen österreichischen Kaiserstaates i» (zweiter Band der «Oesterr. 
Geschichte für das Volk»), p. 71 — y2. — Bezüglich des Namens «Ras- 
cier, Rascien» bemerkt Roesler, «Romanische Studien», p. 209, dass 
der Name von der Stadt Rascha am Flusse Raschka herkomme und die 
Bezeichnung «raiczisch» zum ersten Male in einer Urkunde Stefan II. 
Radoslaw vom Jahre 1234 erscheine. 

605 (S. 325.) Nur beim Nationalcongress des Jahres 1790 wurde ausnahms- 
weise die Einberufung von 25 Vertretern des serbischen Adels gestattet, 
so dass der Congress ohne die Bischöfe 100 Mitglieder zählte. Vgl. 
«Actenmässige Darstellung» etc., p. 24. 

606 (S. 326.) «Actenmässige Darstellung» etc., p. 8. 

607 (S. 327.) CzOERNIG, I., p. 51 ff. 

^8 (S. 328.) Keleti, «Hazink 6s ndpe» = «Unser Vaterland und sein 
Volk.» Erste Ausgabe, p. 66 — 67. 

609 (S. 328.) CzOERNiG, 1. c, I., p. 61 ff. 

610 (S. 328. CSAPLOVics, «Slavonien», II., 70. 

6" (S. 328.) Fenyes, «Statisztika», I., 71, ']2. 

612 (S. 328.) CzoERNiG, 1. c, I., 78. Im eigentlichen Ungarn schwindet der 
serbische Volksstamm augenscheinlich immer mehr. Dies beweist nicht 
blos das nahezu gänzliche Verschwinden der Serben in Erlau, Stuhl- 
weissenburg, Szegedin, Kecskem^t und die continuirliche Abnahme 
derselben in Pest, Ofen und anderen Orten ; sondern auch die statisti- 
schen Daten mit Bezug auf die von Serben bewohnten Landestheile 
überhaupt. Die hierin gewiss unverdächtige Schrift «Les Serbes de 
Hongrie» gibt p. 363 an, dass in den Comitaten Ungarns die Zahl 
der Serben im Jahre 1797 344,362, im Jahre 1847 erst 415,579 Seelen 
betragen habe; diese Zahl sei aber im Jahre 1867 auf 413,262 gesunken. 
Es ist jedoch geradezu lächerlich, wenn die in Rede stehende Tendenz- 
schrift diesen Rückgang in der serbischen Bevölkerung der «Hegemonie 
der Magyaren» zur Last legt. In jenen Landestheilen, wo die Serben 
zumeist wohnen, bilden die Magyaren keineswegs die Majorität der 
Bevölkerung; im Gross- Kikindaer District (Serben 88*9 %, Magyaren 
6-64 7o), in Torontal (Serben 19*45 <*/o, Magyaren 17*58 %), Bics 
(Serben 15*38 %, Magyaren 41*95 %) , Temes (Serben 6*9 °/o, 
Magyaren 7 %). Die Ursachen dieses Rückganges sind beim serbi- 
schen Volke selbst zu suchen. Das haben einsichtsvolle Männer unter 
den Serben auch erkannt und nachgewiesen. 

•613 (S. 328.) «Les Serbes de Hongrie», p. 368 — 369. 

014 (S. 328.) ScHWiCKER, «Statistik des Königreichs Ungarn», p. 153 und 
«Les Serbes de Hongrie», p. 369—370. 

■^'5 (S. 330.) Karadschidsch proponirte für das Wort «Schokacz» die 
Ableitung vom italienischen «sciocco» = «Schwächling» (weil sie den 
alten Glauben verlassen konnten?). Vgl. «Les Serbes de Hongrie», p. 
368. — Eine andere Herleitung ist von «sak«, d. i. «flache Hand», 



439 



weil die katholischen Serben das Kreuzstichen beim Gebete mit ausge* 
streckter, flacher Hand auf Stitriej Brust, linke und rechte Schulter 
machen, während ihre griechisch -orientalischen Stammesbrüder dieses* 
Zeichen mit dem zusammengelegten Daumen-, Zeige- und Mittelfinger 
ausführen. V^L Schwickkr, a Geschichte des Temeser Banats», p. 374. 
— Für die Etymolog^ie des Wortes *i Bunyevacz i* wird in «Les Serbes 
de Honi[]^rieiJ, p. 368 — 369 die Ableitung vom serbischen «bunjäki» r= 
Auskehricht, «Quisquiliae», oder von «bunistar» ^Schimpfwort für einen 
Dieb, «convicium in furem», %^orgesch lagen. 

6»6 (S, 330.) F^NYKS berechnet die Anzahl dieser Schokaczen in 561 Ort- 
schaften auf 429,268 Seelen, w-as offenbar unrichtig ist und daher kommt, 
weil er augenscheinlich auch die windischen und croatischen Gemeinden 
in West Ungarn hierher gezählt hat. 5 

0^7 (S. 331.) Franz DeAk's Worte in seinem Artikel: *ZÄgräbmeg3'e kör- 
levele es az eg^-esüles» :=^ «Das Circularschreiben des Agramer Comitats 
und die Union 1* im w Pesti Naplöw («Ungarisches Tageblatt»), 1861. 

ö*8 (S. 331-) «Revue des deux Mondes*, 1876, 1. März-Heft: «La Bosnie et 
r Herzegovine, * 

619 (S. 332.) 5h Die Völkerstämme der Österr,-ung. Monarchie !►, p* 90. 

^^^ (S. 332.) Vgl. Dr. JOH. Hl'nfalvv, «A magyar-osztnik monarcliia rövid 
statisztikäja * =^ «Kurze Statistik der öaterr.-ung. Monarchie» (Budapest, 
1874), p. 27. 

6=J (S. 332.) Sc H WICKER, «Statistik», p. 153. 

*** (S. 333, VgL über die kirchlichen Schicksale des <i Sichelburger Distric- 
tesi die Abhandlung von Sc H WICKER, «Zur Geschichte der kirchlichen 
Union in der croatischen Mihtärgrenze, » (Wien, 1874.)$ 

^3 (S. 335.) Die lateinische Uebersetzung eines in griechischer Sprache 
geschriebenen und im Jahre 1652 gedruckten Gesetzbuches wird also 
angezeigt ucx graeco idiomate in Valachium industria et sumptibus 
Sanctissimi Domini Stephani Dr, Gr. MctropoHtae Tirgonistensis et 
Exarchiconfmiorum Ungro- rV^/cÄ/tf^translata* m Kogalnitschax, «^Histoire 
de la Valachieit etc. (Berlin, 183;), I., p. 468. 

9n (S, 3^^^), ScH WICKER, * Statistik», p. 155. 

6as (S. 336.) BenkÖ, «Trassilvania»» (Vindobonae, 1778), I., 477. 

^^ (S. 336*) SCLZEK, «Geschichte des Transalpinischen Daciensw, IL (Wien, 
1781), S* 53: « Die Walachen sind in Mösien, Thracien und dort herum, 
nicht in Daeien entstanden.» — 5 Vgl. eine ähnliche Ansicht bei 
SCHWICKER, * Geschichte des Temeser Banats», p. 436 — 437.6 

6»7 (S. 33(i.) «Kritikai fejteget^sek Marmarosmegj'e tört6netehezi> = «Kri- 
tische Beiträge zur Geschichte des Marmaroser Comitats ». Academische 
Abhandlung, gelesen am 5. Februar 1855. — Die im Texte erwähnte 
Fünftheilung Daciens stammt von Treboxius TairiANI, «Discursu 
introduction la istoria Rumanitor.n 



6a& 



(S. 33^') «Histoire de la Valachie, de la Moldovie et des Valaques 
Transdanubiens.» L Berlin, i8;7. 



6»9 (S. 33'j.) RoKSLER, << Romanische Studien», p. 65: «Apres Attila d'autres 
dominatiuns barbares les possederent, et epargnerent toujours en eux une 
popuh^tion imiHstrieuse dont le travail leur profitait, C'est ainsi qu'ils 
ont traverse dix-sept cents ans, laissant ie temps empörter leurs maitres 
et perpetuant au milieu des barbares de toutes races les restes d'une 



vieille civilisationt une lang^ue fille de la langiie latine et une physn 
mie süuvent noble et belle qui rappelle le type des races italiques.» 

öjo (S* 337.) "Les Daco-Romains, qui jusqii*alors s*etaient refu^^s da 
les montagnes, oii tis avaient leurs propres chefs^ commencerent 
s'^tendre dans les plaines sous le nom des Valaques.» KOGAJLKITSCHASJ 
I.. 14- 

631 rS. 337.) «Les Bulg-ares contJmierent a etre unis avec les Valaques 
a ne former avec eux qa'un seul royaume, jusqu'a Tarriv^e de Madjare^ 
en 899.1 KOGALNITSCUAX, p. 16. 

63« (S. 338.) «Alors les Bulgares ne commanderent plus que sur la rive 
di'oite du Danube. Les Romains avaient leurs principautes independan-] 
tes command^es par des che/s de sattg ramatn, comme nous allons l(i| 
vüir. » Ibidem. 

Ö33 (S. 2^^^^) Les autres ^tats romains en Transylvanie etaient les detuc prinJ 
cipautes de Maramos (sie!) et de Fogaras» qui* situees dans les i-non4 
tagnes, purent plus longtemps r^^sister aux Hongrais. p. 18. 

634(5. 339.) f Rudolphe L fondateur de Fetat Valaque, institua tuut un 
Systeme de j^uuvernement, dont il prit le modele chez les rois des ValaJ 
ques transdanubiens.i» p. 74, — KOGALNirsCHAX kann hierunter nun 
die bulgarischen Könige verstehen, von denun Einige, wie Peter undf 
Asan, allerdings rumänischer Abkunft waren. — Die « Stadt t» oder gru 
den « Staat it Maramos sucht man selbst in grauer Vorzeit vergebenij 
im Marmaroser Cumitate. — Endlich wird die ganze Geschichte KotiAt 
XlTSCHAN's durch die Namun « Ungro-Vlachia i* und ^Havas-el-fald» fdi^ 
er picht versteht) widerlegt. « Ungro-Vlachiau wurde jenes Land deshaH 
genannt, weil es unter der Oberhoheit der ungarischen Könige gestand 
den. In neuester Zeit hat man diese Be-^eichnung noch mehr missver^ 
standen. Die n Augsb* Allg. Zeitung» bringt in ihrer Nummer vom 2^~ Maf^ 
1875, S. 2263, eine Nachricht, dass man am 19- Mai in ßucurest Nifon, 
den ^- Metropoliten von Ungarn und der IVaiachei^ beerdigt habe. 
«Im Jahre 1S41W, so heisst es daselbst weiter, «wurde er zum Vicar des 
Metropoliten von Ungarn und der IVa/ackei ernannt, » — L^nd in dei; 
Nummer desselben Blattes vom i. Juli d. J., S. 2859, wird erzählt, das 
*' ein Prälat der Moldau zum Metropolit -Primas von Rumänien, respectiv 
Äietropjlit van der Waiachei und Ungarn ernannt wurde.» — In solcM 
irriger Weise fassten der Correspondent und die Redaction der '<AuLrsbJ 
Allg. Zeitung» das «LTngro-Vlachia» auf! 

635 (S. 340,) wDepuis lors les Valaques confondus avec les Bulgare- . ii .i 
pu jamais se rendre independants ; aujourd'hui ils demciirent dans 
Thrace et dans la Macedoine, oü ils s'occupcnt du betail. eux, qui auir 
fois ne s'occupaient que de la guerre.» 



636 



(S. 340,) «Les Valaques imiterent les Moldaves qui, apres le concile 
Florence, avaient renvoye leur metropolitain, rejct6 les caracteres latin 
dont ils s*etaient servis jusqu'alors dans leurs li\Tes et adopt^ les lellr 
cyrilliennes; ce fut toute une revolution ; tous les papiers, tous les manu 
Scripts furent br'les, de sorte qu^il existe aujourd'hui peu de sourcc 
historiques ecrites en latin avant cette epoque. L'union devint alors plu 
difficile que jamais; la messe ne fut plus dite en latin ou en romain 
mais en slavon ; la plupart des livres furent aussi Berits dans cette de» 
niere langue que, ni le peuple, ni les pretres ne comprenaient, La plu 
grande ignorance et une superstition nuisiblc en furent les suites fune 
tes.» pag. iir. — Es ist Schade, dass KoGAtMTsciiAN für diese une 
hörte Revolution kein anderes Zeugniss beibringen kann als das d<i 
DU so de Set. Alartin^ den er in folgender Weise einführt: Ditso J>| 



44^ 

Martin (Pierre Maior de) »iHistoire de Forig^ine des Romains en Dacie» 
(istorie pentru inceputul Romatiiloru in Dacia). Bude, 1812, gr. 4. 

(S. 340.) Siehe die vorige Note 636. 

(S. 341.) ROESLER, «Romanische Studien,* S. 280, 

(S, 341-) ROESLER, «Romanische Studien.» « Untersuchungen zur altern 
Geschichte Romäniens. >♦ (Leipzig^, ^^71.) Von dem Buche gehören ins- 
besondere folgende Abschnitte hierher : Die JVohnsitze der Romä7ien 
im Miitelalfer, S. 63 ff. ; Zur ältesten Geschichte der waiachischen 
Wofwödscha/t, S. 261 ff.; und Die Anfänge moldauischer Geschichte, 

S. 313 ff- 

&40 (S. 342.) *Die Anfange der Romanen.« Kritisch -ethnographische Studie 
von JL'LR'S Jung in Innsbruck; in der *- Zeitschrift für die österreichi- 
schen Gymnasien» im Jänner-, März- und Juni-Hefte des Jahrg. iB;6. 

6+1 (S. 342.) Eutropius, 8, 6: «Traianus victa Dacia ex toto urbe Romano 
iniinitas copias hominum transtulerat ad agros et urbes colendas. Dacia 
enim diuturno hello Decebali viris erat exhausta. "♦ 

642 (S* 343 J «Die Räumung wird als eine vollständige bezeichnet», s.igt 
ROESLEK (^Romanische Studien i>, S, 6;) unter Berufung auf Flavius 
Vopiscus, 

043 {S. 343.) Vgl. «Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien w» i8;6. Zweites Heft, 

p. 88. 
644 (S. 343*), Ebd., p. 99, 100. 
645(8. 347.) « Ronaänische Studien »% S. 106. 
646 (S. 347.) Ebd., S. 107. 
047 (S. 347.) Ebd., S. 108. 
M (S. 347.) Ebd., S. 108. 

049 (S. 347*) Ebd., S. 109. <i|Invasit regionem opulentum Flachiam dictam 
non mulium a Thessalonica distantem. •• 

W (S. 347.) Ebd., S. 105. 

ßsi (S. 348.) Preter vero supradicta sÜvam ßlacorum et Bissenorura cum 
agris usus communes exercendo cum predictis Blacis et Bissenis eisdem 
(Saxonibus) contulimus, ap. ExjiLlCHEA «Monunenta», pag. 421. 

652 (S. 348,) «Zur waiachischen Frage» in der «Zeitschrift für die österrei- 
chischen Gymnasien it, 1876, Juni-Heft, p. 343 ff. 

653(8. 348,) DiKZ, «Grammatik», 1., 141, 138. In der «Zeitschrift für die 
österreichischen Gymnasien», 1876, Juni-Heft, S. 335. 

654(5. 348.) n Romanische Studien», p. 123. 

65s (S. 348.) Ibidem, p, \%i, 

630 (S. 349.) Nachdem unter diesen Hüspodaren uni der griechischen Geist- 
lichkeit der Gebrauch der neugriechischen Sprache üblich war, so schrieb 
PHO'iiNi s in dieser Sprache noch im Jahre 1818 sein Buch: 'le-r«^« rJJf 

^tiTtt^oti. •£* Btittet, 1818. 3 Bde. Das ist: «Cieschithte des alten Daciens 
oder Siebenbürgens, Wlachuens und der Moldau von Ulo.\. PJlOTlNL's.» 
Ich citire das Buch nach KOGALNITSCUAN, da es mir selbst unbekannt 
geblieben ist. 

ÖS7 (S. 350.) Vgl. G. Wkxzel, -Kritikaj Fejlegetil-sek » (siehe üben Note 
627). P- lU und 342. 



^ (S* j50.) t Romanische Studien», p. So ff. 

% (S. 351.) Ibid., p. 91. 

6Ä0 (S. 352.) tParte vero ab altera prOvidi viri Ladislaus Biro etc. jobag^ione! 
in Magyar BogÄt comnnorantes , , , ex Hung^arorum, nee non vcxiliifed 
l'niversitatis Rejt^icolanim Hun^arorura et Valachorum hujus Principatti 
Transilvaniae.B V'^I. Graf JosKK Telery, *Hunyadiak kora» =^ *Zeii-j 
alter der Hunyadcni», Bd» X., L 

^r (S. 352,) Vgl. die iRepraesentatio et httmillimae preces universae in 
Transylvaiiia Valachiae nationis, sc pro Regnicolari natione, qualis fuit.l 
authoritate Re^ia declarari seque .... reponi de g^enu supplieantisT 
Martio 1791. Jassy 1791. •» ^ Diese Repräsentation behauptet auch, die 
Walachen hätten schon bei der Niederlassung^ der Mag^art^n in Steben^i 
bürgen gewohnt und seien gleich den übrigen Bewohnern des Landes- 
eine politische ♦) Nation 1» gewesen, 

*^ (S. 352.) ScMAGUNA, «Anhang zum Promemoria über das historische 
Recht etc. der Romanen morgenländischer Kirche»« (Hermannstadt»! 
1850), setzt den Bischof von Belgrad (Nandor albensis) irrthümlich nachj 
Carlsburg in Siebenbiirgen. 

^3 (S. S5^-) Kronstadt hat eine walachische (•< Bolgär*szegi* — Bulgaren- 
Viertel), deutsche und magyarische Vorstadt* Der Name dieser letzteren 1 
ist «Bolony^a», welches Wort aus dem deutschen «Blumen-Au» entstan- 
den ist. Die Umwandlung von «Blumen» in ftBolonya* zeigt einen inter- 
essanten Lautwechsel. 

^4 (S. 353.) *In refrigerium aniraarum suarum progenitorumque suorum, quil 
lucem Evangelii et veritatis in Christo Domino nostro amplexi sunt,! 
in Perpetuum novellae ecelesiae in Bihor restitutae condonaverint, » Vghl 
Wen^^el, L c, p. 322. 

6^ (S. 353O In einer Urkunde Carl Robert's vom Jahre 1329: «Quod nos? 
considerantes fidelitates hospitum nostrorum de Maramarusio Saxonuml 
et Hungarorum, videiicet de villis Visk, Husth, Tetseu et Hosszumezewf 
specialiter pro co, quo terra Maramarusiensis infertilis laboriosa et gra- 
vis ad residendum fore dignoscitur, omnes libertates, quibus cives seiil 
hospitibus de Seulus gaudent et fruuntur, eisdem de Regia benignitaie 
duximus cüncedendas.» Die Richter- und Pfarrerw\ahl, sowie dass auch 
kein Baron freie Station fordern könne (nullurti descensum facere prae^ 
sumat violentum) bilden auch hier die Hauptprivilegien. Bemerken swerth 
ist aber in dieser Urkunde die Erwähnung der Nationalität: «Statuimud 
etiam ut terras eorum, quas ipsi stirpando praeoccupasse dignoscunturl 
labores eorundem expendendo pro eisdem, tiuilius täwmafis vti natkmi^ 
homines ipsas terras ab ipsis auferendi habeanf facti Itaiem, » Wen'ZEL 
1. c, p. 382. 

060. |S. 353.) Ibid. p. 365 sq. aus den Urkunden von 1370— 1516, 

667 (S. 354.) Ibid. p. 317 r «Rex Vladislav terram lis assignat in Maramol 
russa, fluvios inter Mores (Mara) et Tisza. •* . . . *Uxores sibi ducebanq 
Ung^ricas, quas a latina religione in suam christianam iidem per« 
duxere. « 

^® (^* 354") «Acta Patriarch.« ed. Miklosich, 2156; bei Rokslkr» «Roma 
nische Studien», p. 322. 

^9 (S. 354.) Vgl. Die sehr lehrreiche academische Abhandlung von Friei 
EICH Pesty, «A Ször^ny varmeg}ei hajdani oläh keruletek» = «Die ehd 
maligen Walachen-Districte im Severiner Comitate.» (Budapest, 1876.) 

670 (5* 35 7 Wenzel, 1. c, p. 384 : «tum vero percepta combustionc ad 



445 



devastationc et desülatione eorundem oppidorum nostromm, quas supü- 
rioribus penes fidelitatem ipsorum Nobis abserv^atidam per Valachos et 
alios aemulos nostros susceperunt.i* 

67« (S. 357-) «Approbatae Constitutiones. » Tit. VIII. 

67« (S. 357.) Johann Statilius gelangte durch Szapolya zum Siebenbürger 
Bisthum ; er starb im Jahre 1542. Nach der Ermordung des Georg Mar- 
tiouzzi (vgL über diesen, ScHWlCKER, «(Cardinal Martinuzzi und die 
Reformation in Ungarn und Siebenbürgen*, in der « Oesterr. Vierteljahr* 
Schrift für katholische Theologie m, VI. Jahrgang, 3. Heft, p. 397 if) 
ernannte König Ferdinand den Weszprimer Bischof Paul Bornemissza 
zum Bischof von Siebenbürgen. Allein dieser verliess Siebenbürgen im 
Jahre 1556. Das römisch-katholische Bisthum wurde im Jahre 17 16 
LTneuert und Georg Martonfy zum ersten Bischof der wiederhergestellten 
Diöcese ernannt* 

673 (S* 357.) SzvoRENYi Michael, «Historia Rehgionis et Eccl. Christianae. » 
IL, Posonii, 1789^ p. 184. 

^074 (S. 358.) Der Titel des Bischofs lautet; «Ecclesiarum in Magno Tran- 
silv^aniae Principatu et partibus eidem reapplicatis Graeci ritus Unita- 
rum Episcopus Fogarasiensis. •» 

*75 (S. ^S^*) "Diu nos in perdifficili tanlae rei consultatione fuimus, quod 
instabile et intidum ejus gentis ingenium pluribus exemplis edocti valde 
vereremur», sagt die Bulle, (6 Ueber die Vorgeschichte des Kreutzer 
gr.-kath, Bisthums vgl. SCHIVJCKER, «Zur Geschichte der kirchlichen 
Union» etc, woselbst die «wederholten Rücktritte» der gewaltsam 
bekehrten Griechisch-Orientalischen und die gesammte propagandistisi he 
Thätjgkeit der amtlichen Organe actenmässig geschildert wird. 5) 

676 (S. 358.) 6 Diese Unterordnung des griechisch-orientalischen Hermann- 
städter Bischofs war jedoch keine persönliche und disciplinare, sondern 
wurde mit der a. h. Entschliessung vom 9. October 1783 dahin formu- 
brt, dass der Siebenbürger Bischof in dogmaticis et pure spiritualtbus 
vom Karlowitzer Metropolitan und der bischöflichen Synode abhänge, 
daher wie die übrigen gr. n.-u. Bischöfe bei der Synode zu erscheinen 
habe, jedoch von allen Privileg'ien, welche die illyrische Nation geniesst, 
ausgeschlossen sei. Diese Stellung des Siebenbürgers wurde auch durch 
das a. h. Rescript vom 8. December 1786 bestätigt. Gegen diese Unter- 
I Ordnung des romanischen Bischofs erhob dann Bischof (später Er;(bischof} 
■ Andreas Schaguna erfolgreiche Einsprache. Vgl. »tActenmässige Dar- 
I Stellung» etc., p* 6, 7, 10 und auch Schaguna «Promemoria über das 
historische Recht der nationalen Kirchenautonomie der Romanen mor- 
genländischer Kirche in den k. k. Kronländeni dei österreichischen 
ÄTonarchie» (AVien, 1849) und den tAnhangj* zu diesem «Promemoria» 
(Hermannstadt, 1850.) 6 
^7 (S. 361.) FiCKER, «Die Volksstämmew etc., p. 90. 
^8 (S. 361.) Len^HOSSEK, *iCranioscopia% p. 161. 

*79 (S. 362.) Eine kleine brauchbare zigeunerische Grammatik mit Sprach- 
proben und Wörterbuch veröffentlichte fOHAKN* BORNEMISZA (BRESxrK) 
im «Anzeiger» («Ertesitöu) der ungarischen Academie der Wissenschaften 
vom Jahre 1853. — Ueber meine Beobachtungen an einer Hindu- 
familie gelegentlich der Orientalisten- Versammlung zu London im Jahre 
1874 siehe vorige Seite 382. ' 

^(S. 363.) F^NVES, 1. c, p. 86. 

^i(S. 367.) 6 CZOERNIG, IL, p, 113 ff, — L. Low vertritt unter Berufung 
auf Johann Kinnamus die Ansicht, dass die Juden *mit den Mag)aren 



444 



aus dem Chazarenreiche (?) ausgewandert und entweder Theilnehme 
uder wenigstens Augenzeugen der Besitzergreifung des VaterlandeJ 
waren.» Vgl. den Auszug eines theologischen Gutachtens vom Oberrabi«] 
biner L. Low ddo. 9, September 1667 in HuchmitJ/i, «L. Low 
Theologe, Historiker und Publicist.* (Leipzig, 187 1.) p. 275*6 

682 (S. 367.) «Colomanus gratia Dci rex Hungarorum hanc legem ded 
Judaeis in regno suo commorantibusi», ap. Endlicher, L 
371 sq. 

683 (S. 367,) Das Zinsverbot ist ausgesprochen in Tit. de usuris X* ;V, 13J; 
tit. eodem in VL-to (V. 5); tit. eod. in Gem. (V. 2.) VgL Koä 
Kirc kenrecht (in mag> arischer Sprache), 3. Auflage, p. 724, 725. 

684 (S. 368.) Auch Fenyes, 1. c, p. 84, hält den «Comes judaeus» 
einen jüdischen Grafen und täuscht sich darin ebenso wie Andere, W'el< 
das Wort «comes» im heutigen Sinne nehmen und nicht in jener firöhe-j 
ren Bedeutung, wo es einen «Gespan» (Verwalter^ Administrator) be-j 
zeichnete. — (6L. Low, «Die jüdischen Wirren in Ungara« (Pest und 
Leipzig), p, 43, schreibt: « LTnter Comes oder Ispan verstand man den 
vom Könige Belehnten, welcher mit der aus seinem Lehngute gestellten 
Mannschaft den König in den Krieg begleitete. Als jüdische Comites 
werden angeführt: Teha, der Besitzer (?) von Bessenyo, und Ht:ne^ 
sammt seinen Söhnen Vohehn, Oiiman und JJnkelin^ die Besitzer t?J 
von Komorfit das äu jener Zeit (unter den ArpMen) noch ein Don 
war;o und in seinem Buche * Der jüdische Congress in Ungarn» [PestJ 
1871) sagt derselbe Autor (S. VL): «die jüdischen Comites des MitteW 
alters waren keine «Grafen », folgten aber doch unter der Anführung de^ 
Obergespans dem Heeresbanne des Königs,)» Vgh auch AIlCH^Rl 
HoRVATH, «Kleinere Schriften » (in mag}'arischer Sprache), Band LJ 
p, 162 in der Anmerkung, 6 

<^ß5 (S, 369.) Belae IV. regis jura Judaeoruni, ap. ENDLICHER, p. 473. 399J 

68Ö (S. 369.) Durch gütige Vermittelung des Herrn Rabbiners Kuhn iii 
Budapest erhielt ich folgende zwei Daten. In einem Buche aus dem 12J 
oder aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnt die Entscheid 
düng eines Streites also : «Rüben klagte den Simon an, indem er sagtea 
Du hast mir W^ein als Franken-y^I^wv verkauft und nun finde ich, das^ 
derselbe mit huniiischcm Weine gemischt ist. •» Den damaligen jüdisehefl 
Schriftstellern war also der Gebrauch, Ungarn als «Humiieni» zu bezcich^ 
nen, bekannt. 

Ein berühmter Rabbi (Isak Ben Moses, geb. 1200, gest; um 12701 
schrieb in einem seiner Bücher: nJch kam im Lande Hagar his nacB 
Ofen und Gran, wo warme Quellen aus der Erde hei-vorkommen und 
man fragte mich, ob es den Frauen erlaubt sei, die üblichen Reinigunga^ 
bäder im W%isser dieser Quellen zu nehmen? Ich antwortete: Ja.» 
Hier ist das «Land Ifagar» kein anderes als «Hungaria». Auch soosä 
und vordem erscheint «agariSj ♦> hagar it statt «hungar». (6 Es irrte ak 
L. I^üVV, wenn er in seinem Buche «Der jüdische Congress in L*ngamd 
(p. VHL, IX.) sagte: «iSein Zeitgenosse Eisak von Tyrnau (um di^ 
Mitte des 15. Jahrhunderts) war der erste bekannte rabbinische Schrift 
steller in Ungarn, welcher sich zuerst des Namens Hagar bedient, un 
Ungarn zu bezeichnen. 6) 

6*^7 (S. 370.) F^NYE.s, «Statisztika», L, 84. 

688 (S. yj'i.) Prinz Eugen von Savoyen bestand darauf, dass nur Deutscht 
katholischen Glaubensbekenntnisses in die wiedereroberte Festung Tt 
mcsvär aufgenommen werden sollten; insbesondere wären die Juden daraü 
fem zu halten, weil sie sich weniger ehrlichem Handel als unzulässigen 



445 

Wucher ergeben und den Osmanen mehr als den Christen zugethan 
seien. Vgl. Schwicker, «Geschichte des Temeser Banats», p. 294. 

689 (S. 370.) Aus dem Saroser Comitats-Archiv bei BiDERMANN, «Die unga- 
rischen Ruthenen», I., 130. 

^ (S. 370.) 5LÖW («Der jüdische Congress») schreibt S. 2"] -. «In mate- 
rieller Beziehung war diese Steuer nicht eben drückend»; im Jahre 1802 
«betrug die Judensteuer in ganz Oesterreich 1.148,373, in Ungarn 
139,928 Gulden; im darauffolgenden Jahre (1803) beziffert sich die Ein- 
nahme dieser Steuer in Oesterreich auf 1.228,276, in Ungarn und Croa- 
\tien auf 83,671 Gulden. Im Jahre 1807 reichten die Juden bei der 
Regnicolar-Deputation zum ersten Male ein Gesuch um Ablösung der 
loleranztaxe ein. Die Ablösungssumme von 1.600,000 Gulden wollten sie 
in 5—6 Jahren abführen.» Low, 1. c, p. 61. Dieses Buch enthält auch 
sonst noch interessante Documente für die Geschichte der Juden in 
Ungarn im 17. und 18. Jahrhunderte. 5 

691 (S. 370.) Fenyes, «Magyarorszag statisztikaja» = «Statistik von Ungarn», 
I., 82. — 6Im Jahre 1792 bestimmte das Gesetz: «Damit sich aber die 
Zahl der erwerblosen Juden nicht zum allgemeinen Nachtheile vermehre, 
werden in der Folge nur diejenigen fremden Juden in das Land zuge- 
lassen, welche Handwerker, Kauf leute von grösserer Bedeutung oder 
Capitalisten sind, die wenigstens 1500 Gulden mitbringen.» Low, «Der 
jüdische Congress», p. 36.6 

092 (S. i']2.) Vgl. Schwicker, «Statistik des Königreiches Ungarn», p. 168. 

693 (S. 2>1^') Fenyes, 1. c, p. 82. Die Zahl der Juden in Pest gibt Fenyes 
für das Jahr 1842 viel zu niedrig an. Siehe die Note S. 371. 

694 (S. 2i']2.) BiDERMANN, «Die ungarischen Ruthenen», I., 130. 

695 (S. 2>T^') Keleti, «Die Bevölkerung der Länder der St. Stefanskrone», 
(Pest, 1871) p. 8—9. 

696 (S. ^illi') I^^s Schankrecht, das «jus educilli» wirkt auch anderwärts ver- 
derblich. Es wäre interessant, zusammenzustellen, an wie viele Gemein- 
den die ungarische Regierung seit dem Jahre 1866 das «Marktrecht» 
ertheilt hat. Das treibejidste Motiv dieser Bitten um das Marktrecht 
bildet das Einkommen aus dem damit verbundenen Schankrechte. Dass 
die Märkte, welche heute fast allenthalben in den volkreicheren Ort- 
schaften abgehalten werden, den provinziellen Handwerker ganz zu 
Grunde richten, darum bekümmern sich weder die Bittsteller noch die 
Verleiher des Marktrechtes; denn bei Vielen macht das «jus educilli» 
die ungarische National-Oekonomie oder den Adam-Smith-Codex aus. 
Der Handwerker, der mit seinen Erzeugnissen die Märkte besucht, muss 
nun statt einen deren fünf bis sechs aufsuchen, hat also fünf- bis sechs- 
mal mehr Auslagen und nimmt in demselben Verhältnisse weniger ein. 

^97 (S. 374.) 6Dies ergibt sich aus folgenden Zahlen: 

Die Zahl der jüdischen Gymnasial- und Realschüler war in Ungarn- 
Siebenbürgen 

Gymnasiasten Realschüler Zusammen 

im Jahre 1867 2945 569 3514 

» » 1868 3138 606 3744 

» » 1869 3234 679 3913 

» » 1870 3107 800 3907 

» » 1871 3070 1036 4106 

» » 1872 3137 1281 4418 

» « "^^12^ 12^-^1 1635 4952 



g 



446 

Ein auffälliges Ueberwiegen ihres Zahlverhältnisses weist die jüdische 
Confession an der Pester Universität auf. Während nämlich diese Con- 
fession in der Bevölkerung des Landes nur 470/0 ausmacht, beträgt die 
Zahl der jüdischen Universitätshörer 17 — 180/0 der academischen Bür- 
ger, und zwar wenden sie sich neuestens mit besonderer Vorliebe den 
juridischen Studien zu. Im Jahre 1872 waren 458 jüdische Universitäts- 
hörer, von denen 252, also über die Hälfte Jus studirten; im Jahre 187^ 
betrug die Anzahl der jüdischen Hörer 432, darunter 252 Juristen. Auch 
am Josefs-Polytechnikum nimmt die Anzahl der jüdischen Hörer stetig 
zu. Im Jahre 1867 betrug ihre Anzahl nur 14, im Jahre 1873 war diese 
auf 65, oder 1070/0 der Hörerschaft gestiegen. Vgl. Schwicker, «Sta- 
tistik des Königreiches Ungarn», p. 646, 650, 662 — 663, 669.6 

698 (S. 374.) Lenhossek, 1: c, p. 167. 

699 (S. 'S!!-) Vgl. oben Note 675. 



Zusatz. 

Seite 152, zehnte Zeile von unten «pon6» lies: «Handnetz». 
» 152, achte » » » «fonö csalany» lies ^ «Nessel».